Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom
I. Zur Sitzung vom 18. November 1975
Fotografie von Jeff Wall, Untangling, 1994, gedruckt 2006
Folie in Leuchtkasten, 189 x 223,5 cm
National Gallery of Victoria, Melbourne
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, „Das Sinthom”
Jacques Lacan: Seminar 23 von 1975/76: Le sinthome / Das Sinthom
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin ab März 2013
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Ankündigung des Seminars am 9. November 1975
Bei den Studientagen 1975 der École Freudienne de Paris sprach Lacan am 9. November 1975 ein Schlusswort. Darin äußerte er sich unter anderem zu seinem etwa eine Woche später beginnenden Seminar. Bei dieser Gelegenheit verwendete er zum ersten Mal das Wort sinthome.1
DEUTSCH
[…]
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[Pierre] Martin dachte, er müsse mit einer gewissen Hartnäckigkeit auf die berühmt-berüchtigte Psychopathie zurückkommen, die die Seelen bewegt zu haben scheint. Ich begreife sehr gut, warum. Es gibt jedenfalls etwas, das ich [dazu] sagen möchte, nämlich dass es mir keineswegs unangemessen zu sein scheint, darüber sprechen zu wollen. Denn letztlich möchte ich behaupten – offensichtlich mit einem anderen Namen, mit dem Namen, den Sie mich, nicht mehr und nicht weniger, in diesem Jahr mit dem Titel Sinthom haben ankündigen sehen, alte Rechtschreibung, Rechtschreibung vor dem 15. Jahrhundert, Inkunablen-Orthografie, womit ich meine, dass sie nur durch die ersten gedruckten Bücher belegt wird –, letztlich möchte ich behaupten, dass das Sinthom darin besteht, dass man daran leidet, eine Seele zu haben. Eben das ist die Psychopathie, in dem Sinne, dass nichts mehr nervt als eine Seele. Die Bedrückung, unter der fast alle Menschen heute leben, rührt von daher, dass sie eine Seele haben, deren Wesen darin besteht, Symptom zu sein.
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Und wenn wir uns um die Psychopathie und um die Psychose gedreht haben, dann deshalb, weil das Imaginäre, das Symbolische und das Reale, obwohl verknüpft, sich nicht genügt.
Gäbe es nur dieses Komplement – ich zeichne es so –, dieses Komplement zum Symbolischen, diese Art, sich in zwei Fadenringen zu verknüpfen, die jedoch nicht ausreichen, um daraus Eines zu machen, so ist dennoch alles, was das Symptom betrifft, mit dem Symbolischen verklammert.
Und zu dieser dem Symptom eigenen Konsistenz versuche ich, das ist das, was ich versuchen werde – ich gebrauche die Sachen im Präsens, denn es stimmt, das ist das, was ich anfange zu befragen –, werde ich Ihnen in diesem Jahr zu zeigen versuchen, auf welche Weise [das verknüpft ist].
Freud spürte sehr gut, dass er die Stütze seiner Theorie in der Kunst finden musste, im Kunstgriff. Er hat das sehr gut gespürt, er hat es jedoch nur gespürt, denn wenn er an ein Kunstwerk heranging, war er jedes Mal außerstande, das Werk selbst oder dessen Autor einer Psychoanalyse zu unterziehen.
Die Mehrdeutigkeit des Werks und seines Autors ist übrigens wirklich bemerkenswert. Was ist in der Kunst das Bestimmende, ist es das Werk oder vielmehr der Autor? In diesem Jahr werden wir versuchen, das zu erkunden.
[…]
FRANZÖSISCH/DEUTSCH
[…]
Martin a cru devoir revenir avec quelque insistance sur cette fameuse psychopathie qui semble avoir remué les âmes.
[Pierre] Martin dachte, er müsse mit einer gewissen Hartnäckigkeit auf die berühmt-berüchtigte Psychopathie zurückkommen, die die Seelen bewegt zu haben scheint.
Je saisis très bien pourquoi.
Ich begreife sehr gut, warum.
Il y a quand même quelque chose que je voudrais dire, c’est que ce n’est pas, me semble-t-il, tellement hors de saison de vouloir en parler.
Es gibt jedenfalls etwas, das ich [dazu] sagen möchte, nämlich dass es mir keineswegs unangemessen zu sein scheint, darüber sprechen zu wollen.
Puisqu’en somme, évidemment sous un autre nom, sous le nom de ce que vous m’avez vu ni plus ni moins annoncer cette année sous le titre du sinthome, orthographe ancienne, orthographe d’avant le XV e siècle, orthographe incunable, j’entends par là qui n’est attestée que par les premiers volumes imprimés, j’entends avancer que le sinthome, c’est de souffrir d’avoir une âme.
Denn letztlich möchte ich behaupten – offensichtlich mit einem anderen Namen, mit dem Namen, den Sie mich, nicht mehr und nicht weniger, in diesem Jahr mit dem Titel Sinthom haben ankündigen sehen, alte Rechtschreibung, Rechtschreibung vor dem 15. Jahrhundert, Inkunablen-Orthografie, womit ich meine, dass sie nur durch die ersten gedruckten Bücher belegt wird –, letztlich möchte ich behaupten, dass das Sinthom darin besteht, dass man daran leidet, eine Seele zu haben.
C’est la psychopathie à proprement parler, en ce sens qu’une âme, c’est ce qu’il y a de plus emmerdant.
Eben das ist die Psychopathie, in dem Sinne, dass nichts mehr nervt als eine Seele.
L’accablement sous lequel vivent presque tous les hommes de nos jours ressortit à ceci d’avoir une âme dont l’essentiel est d’être symptôme.
Die Bedrückung, unter der fast alle Menschen heute leben, rührt von daher, dass sie eine Seele haben, deren Wesen darin besteht, Symptom zu sein.
Et si on a tournaillé autour de la psychopathie et de la psychose, c’est bien de ce fait que l’imaginaire, le symbolique et le réel, quoique noués, ça ne se suffit pas.
Und wenn wir uns um die Psychopathie und um die Psychose gedreht haben, dann deshalb, weil das Imaginäre, das Symbolische und das Reale, obwohl verknüpft, sich nicht genügt.
N’y aurait-il que ce complément – c’est comme ça que je le dessine – ce complément au symbolique, cette façon de se nouer de deux des ronds de ficelle, qui ne suffisent pas pour autant à en faire un, c’est tout de même bien au symbolique qu’est accroché tout ce qui concerne le symptôme.
Gäbe es nur dieses Komplement – ich zeichne es so –, dieses Komplement zum Symbolischen, diese Art, sich in zwei Fadeningen zu verknüpfen, die jedoch nicht ausreichen, um daraus Eines zu machen, so ist dennoch alles, was das Symptom betrifft, mit dem Symbolischen verklammert.
Et sur cette consistance propre au symptôme, j’essaie, c’est ce que j’essaierai – j’emploie les choses au présent parce que c’est vrai, c’est ce que je commence à interroger – j’essaierai cette année de vous montrer comment.
Und zu dieser dem Symptom eigenen Konsistenz versuche ich, das ist das, was ich versuchen werde – ich gebrauche die Sachen im Präsens, denn es stimmt, das ist das, was ich anfange zu befragen –, werde ich Ihnen in diesem Jahr zu zeigen versuchen, auf welche Weise [das verknüpft ist].
Freud sentait très bien que c’était dans l’art, dans l’artifice qu’il devait trouver le support de sa théorie.
Freud spürte sehr gut, dass er die Stütze seiner Theorie in der Kunst finden musste, im Kunstgriff.
Il l’a senti très bien mais il n’a fait que le sentir, puisque chaque fois qu’il a approché une œuvre d’art, il était hors d’état de soumettre l’œuvre elle-même ni son auteur à une psychanalyse.
Er hat das sehr gut gespürt, er hat es jedoch nur gespürt, denn wenn er an ein Kunstwerk heranging, war er jedes Mal außerstande, das Werk selbst oder dessen Autor einer Psychoanalyse zu unterziehen.
L’ambiguïté d’ailleurs de l’œuvre et de son auteur est tout à fait frappante.
Die Mehrdeutigkeit des Werks und seines Autors ist übrigens wirklich bemerkenswert.
Qu’est-ce qui, dans l’art, commande, est-ce l’œuvre ou bien l’auteur ?
Was ist in der Kunst das Bestimmende, ist es das Werk oder vielmehr der Autor?
C’est ce que nous essaierons de sonder cette année.
In diesem Jahr werden wir versuchen, das zu erkunden.
[…]
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN
Einer von Lacans Vorrednern hatte von Psychopathie gesprochen und Lacan bejaht dieses Thema. Dabei geht es, Lacan zufolge, um das Symptom. Im Titel seiner Seminarankündigung hat er das Sinthom geschrieben, das ist die Rechtschreibung, wie man sie in der Epoche der Inkunablen verwendete, in der Zeit der ersten Bücher [also zwischen 1450 und 1500]. [Das französische Wort sinthome ist lautgleich mit saint homme („heiliger Mann“) und mit Saint Thome (Abkürzung für „Heiliger Thomas“).]
Das, woran man im Symptom leidet, ist die Seele. [Psychopathie bedeutet „Seelenleiden“, und Lacan deutet den Ausdruck als „Leiden durch die Seele“; die Seele ist hiernach nicht etwa der Ort, an dem das Leiden sich ereignet, sondern die Ursache des Leidens.] Die Seele ist wesentlich Symptom.
Themen der Studientage waren die Psychopathologie und die Psychose, und zwar deshalb, weil die Verknüpfung des Imaginären, des Realen und des Symbolischen nicht genügt. [Es braucht etwas Viertes in der borromäischen Verknüpfung: das Symptom bzw. Sinthom, hieraus wird dann im Sinthom-Seminar das Sinthom als viertes Element einer borromäischen Verkettung von vier Elementen.]
Das Symptom ist immer mit dem Symbolischen verknüpft [mit der Sprache und mit dem Unbewussten, aufgefasst als Batterie von Signifikanten, als „Wissen“, S2], das Symptom ist das Komplement des Symbolischen [anders wäre es nicht möglich, ein Symptom mithilfe der Psychoanalyse zu reduzieren]. Man kann das durch zwei Fadenringe darstellen, die miteinander verbunden sind [wobei der eine Ring das Symptom repräsentiert und der andere das Symbolische]. Diese Verknüpfung genügt jedoch nicht, um daraus Eins zu machen [die beiden Ringe halten nicht zusammen, sie bilden ein falsches Loch, wie es später im Seminar heißen wird; eine borromäische Verkettung ist erst ab drei Komponenten möglich].
Dies [die borromäische Verkettung von vier Elementen mit dem Symptom als viertem Element] ist das Thema des demnächst beginnenden Seminars, an dem Lacan bereits arbeitet.
[Welchen empirischen Bezugspunkt wird diese Ausarbeitung haben?] Freud hatte das deutliche Gefühl, dass er als Stütze für seine Theorie die Kunst und den Kunstgriff / das Artefakt brauchte [er hat sich immer wieder auf Werke der Literatur und der bildenden Kunst bezogen]. Aber das war nur ein Gefühl, da er die Autoren und die Werke nicht einer Psychoanalyse unterziehen konnte. [Lacan wird im Sinthom-Seminar Freud folgen und sich auf Joyce und dessen Werke beziehen und er wird dasselbe Problem haben wie Freud; im Seminar wird er sich zu dieser Schwierigkeit mehrfach äußern. Das Seminar-Programm ist also ingesamt: Entwicklung einer Theorie der borromäischen Verkettung von vier Ringen mit dem Symptom (bzw. Sinthom) als viertem Ring, in Auseinandersetzung mit der Biographie und dem Werk von Joyce, mit Joyces Symptom.]
Wie geht man an die Analyse eines Kunstwerks heran – ist das Werk das Bestimmende oder der Autor? Das ist für Lacan offen. [Er hatte immer wieder literarische Werke ohne Bezug auf den Autor untersucht, etwa Shakespeares Hamlet (Seminar 6), Sophokles’ Antigone (Seminar 7), Claudels Coûfontaine-Trilogie (Seminar 8) oder Marguerite Duras’ Die Verzückung der Lol V. Stein (Aufsatz von 1965, vgl. meine Übersetzung hier). Er war aber auch einmal so vorgegangen, dass er sich vor allem auf den Autor bezog, auf André Gide (in dem Aufsatz Gides Jugend von 1958, gestützt auf eine von Jean Delay verfasste Gide-„Psychbiographie“). Im Sinthom-Seminar wird er sich sowohl auf die Biographie von Joyce als auch auf seine Werke beziehen.]
Sitzung vom 18. November 1975
Dritte Fassung vom 2. Dezember 2019. Die zweite Fassung erschien am 14. April 2015. Die erste Fassung erschien, in fünf Teilen, am 3. April, 25. April, 20. Mai, 7. August und 2. September 2013.
Wichtigste Änderungen gegenüber der zweiten Fassung:
(a) Auf der Grundlage der Übersetzung von Max Kleiner wurde eine neue Übersetzung erstellt.
(b) Die „Paraphrase mit Ergänzungen und Fragen“ wurde stark überarbeitet.
(c) Seitenverweise auf die inzwischen erschienene offizielle Übersetzung wurden eingefügt (J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017).
In der von Miller erstellten Version ist dies I. De l’usage logique du symptôme ou Freud avec Joyce, S. 11–25, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann I. Vom logische Gebrauch des Sinthoms oder Freud mit Joyce, S. 9–26.
1. bis 5. Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
am 26. März, 23. April, 21. Mai, 25. Juni und 13. August 2013 in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin.
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QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– die Übersetzung von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der Staferla-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Primärtexten und mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern). .
ZUR NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
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TONAUFNAHME
Die Aufnahmen sind von der Website von Patrick Valas, hier.
Version Lutecium:
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Version Ducan & Valas:
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DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
{9} Also. Auf dem Aushang habe ich Le sinthome angekündigt, Das Sinthom..Das ist eine alte Schreibweise für das, was später symptôme geschrieben wurde, Symptom..
Wenn ich mir diese Änderung der Orthografie erlaubt habe, die offensichtlich ein bestimmtes Datum anzeigt, das Datum, das hier die Injektion des Griechischen in das Französische ist – in das Französische, das ich Lalangue nenne, meine Lalangue –, die Injektion derjenigen Sprache, zu der Joyce im Portrait des Künstlers tatsächlich den Wunsch äußerte, nein, das steht nicht im Portrait des Künstlers, das steht im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es ebenfalls darum to hellenise, die hellenische Sprache zu injizieren, in was, weiß man nicht, da es sich ja nicht um das Gälische handelte, obwohl es um Irland geht, Joyce jedoch Englisch schreiben musste.
Dass er auf Englisch geschrieben hat, auf eine Weise, dass – wie jemand in Tel Quel gesagt hat, von dem ich hoffe, dass er in dieser Versammlung ist, Philippe Sollers –, Joyce hat es auf eine solche Weise geschrieben, dass die englische Sprache nicht mehr existiert.
{10} Sie hatte bereits vorher, möchte ich sagen, wenig Konsistenz, was nicht heißt, dass es einfach wäre, Englisch zu schreiben. Joyce hat ihr jedoch durch die Folge der Werke, die er auf Englisch verfasst hat, jenes Etwas hinzugefügt, das den erwähnten Autor sagen lässt, dass man so schreiben sollte: l’élangues, l, Apostroph, e, l, a, n, g, u, e, s, womit er, nehme ich an, so etwas wie die élation bezeichnen möchte, die gehobene Stimmung, über die uns gesagt wird, sie sei Ursprung eines bestimmten Sinthoms, das wir in der Psychiatrie als Manie bezeichnen.
Dem ähnelt in der Tat sein letztes Werk, also Finnegans Wake, das er so lange befördert hat, damit es die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, das Werk, zu dem ich seinerzeit behauptet habe – zu der Zeit, als ich mich durch ein dringendes Ansuchen dazu habe hinreißen lassen, dringend, muss ich sagen, vonseiten von Jacques Aubert, der hier präsent ist, présent, aber auch pressant – drängend –, dass ich mich habe dazu hinreißen lassen, im Rahmen eines Symposiums Joyce einzuführen.
Dadurch habe ich mich letztlich von meinem Vorhaben abbringen lassen, in diesem Jahr – ich hatte es Ihnen im letzten Jahr angekündigt – diesem Seminar den Titel 4, 5 und 6 zu geben. Ich habe mich mit der 4 begnügt und das freut mich, denn der 4, 5, 6 wäre ich sicherlich unterlegen gewesen. Das heißt nicht, dass die 4, um die es geht, für mich deshalb weniger schwer wäre.
Ohne dass es meine Absicht war, beerbe ich Freud, durch das, was ich seinerzeit geäußert habe und was in guter Logik herausgezogen werden konnte aus dem Gestammel derer, die er seine Bande nannte. Ich muss sie nicht nennen, das ist diese Clique, die an den Zusammenkünften in Wien teilnahm und über die man nicht sagen kann, dass einer davon den Weg verfolgt hätte, den ich den der guten Logik nenne.
Die Natur – möchte ich, um es kurz zu machen, sagen – zeichnet sich dadurch aus, nicht eine zu sein; von daher das logische Vorgehen, um an sie heranzukommen. Nennen Sie Natur das, was Sie bereits dadurch ausschließen, dass Sie sich für etwas interessieren, wobei dieses Etwas sich dadurch unterscheidet, dass es benannt wird; |{11} bei diesem Vorgehen riskiert die Natur nur, sich als Potpourri von Außer-Natur zu behaupten.
Der Vorteil dieser Aussage besteht darin, dass Sie, wenn Sie – um sie wirklich zu berücksichtigen – finden, dass das Benennen im Gegensatz zu dem steht, was das Gesetz der Natur zu sein scheint, und dass es bei ihm, ich meine beim Menschen, kein Verhältnis gibt, dass auf natürliche Weise – dieses auf natürliche Weise also mit allen Vorbehalten –, dass es bei ihm kein Verhältnis gibt, das auf natürliche Weise sexuell wäre, und dass Sie dann logischerweise behaupten, was ja der Fall ist, dass dies kein Vorrecht des Menschen ist.
Geben Sie jedoch Acht, dass Sie nicht so weit gehen zu sagen, dass das Geschlecht nichts Natürliches ist. Versuchen Sie vielmehr herauszufinden, wie es im Einzelfall damit steht, von der Bakterie bis zum Vogel – auf beide habe ich bereits hingewiesen –, von der Bakterie bis zum Vogel, da diese ja Namen haben.
Am Rande wollen wir anmerken, dass in der Schöpfung, die göttlich genannt wird – göttlich allein darin, dass sie sich auf die Benennung bezieht –, die Bakterie nicht benannt wird und dass sie auch dann nicht benannt wird, als Gott dem Menschen, dem angeblichen Urmenschen, damit verulkte, dass er ihm vorschlug, er solle doch anfangen, den Namen eines jeden Tierchens zu sagen.
Von diesem ersten Stussreden, wie man schon sagen muss, haben wir nur von daher eine Spur, dass wir daraus schließen, dass Adam, wie sein Name hinreichend indiziert – das ist jetzt eine Anspielung auf die Indexfunktion von Peirce –, dass Adam – dem joke zufolge, den Joyce daraus macht –, dass Adam natürlich eine madam war und dass er das Vieh nur in ihrer Sprache benannte. Das muss man ja annehmen, denn diejenige, die ich Evita nennen möchte – die ich das Recht habe, so zu nennen, denn Eva heißt auf Hebräisch, wenn das Hebräische denn eine Sprache ist, „die Mutter der Lebenden“ –, Evita also hatte diese Sprache sofort und ziemlich locker, denn nach dem angeblichen Benennen durch Adam ist die erste Person, die sich ihrer bedient, eben sie – um mit der Schlange zu sprechen.
Die göttlich genannte Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch es dazu kommt, |{12} dass Evita die serpent, die Schlange, zu etwas macht, das Sie mir erlauben werden, so zu nennen: zur serre-fesses, zur Arschklemme, später als faille bezeichnet, als Spalte oder Riss, oder besser als Phallus, da es ja einen braucht, um den Fehltritt zu begehen, die Verfehlung, womit zu beginnen der Vorzug von meinem Sinthom ist – sin, das bedeutet ja im Englischen die Sünde, die erste Verfehlung.
Von daher die néscessité – ich glaube ja doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits haben trapsen hören –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte ne cesse pas, nicht aufhört, die Spalte, die sich beständig vergrößert, außer sie erleidet le cesse de la castration, das Aufhören der Kastration, als möglich.
Dieses Mögliche, wie ich mal gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, dass ich das Komma nicht gesetzt hatte, dieses Mögliche, habe ich früher mal gesagt, ist das, was cesse de s’écrire, was aufhört, geschrieben zu werden. Man muss jedoch das Komma setzen, es ist das, was cesse, Komma, de s’écrire, was dadurch aufhört, dass es geschrieben wird oder was vielmehr dann aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, wenn endlich der Diskurs aufkäme, den ich so charakterisiert habe: dass er nicht vom Schein wäre.
Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Savoir-faire wird, des Könnens? Nein.
Sie wird dann jedoch nur halbgesagt werden und sich dabei in einem Signifikanten S Index 1 verkörpern, S1, da, wo es mindestens zwei braucht für die einzigartige Die Frau, die je gewesen ist, mythisch in dem Sinne, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat – es um um Eva, von der ich bereits gesprochen habe –, für die einzigartige Die Frau, die unbestreitbar je besessen wurde, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hatte, vom Baum der Wissenschaft. Evita ist also nicht sterblich, nicht sterblicher als Sokrates. Die Frau, um die es sich handelt, ist ein weiterer Name Gottes, und insofern existiert sie nicht, wie ich schon oft gesagt habe.
Hier sieht man die gewiefte Seite von Aristoteles, der nicht möchte, dass das Einzelne in seine Logik hineinspielt.
Im Gegensatz zu dem, was er annahm, was er in der erwähnten Logik annahm, muss man sagen, dass Sokrates nicht Mensch ist, da er es akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe, denn das akzeptiert er, das ist eine Tatsache.
Außerdem muss man ja sagen, dass er in dieser Situation nicht seine Frau sprechen hören will. Von daher meine Formel, die ich, wenn ich so sagen darf, zu Ihrem Gebrauch noch einmal abwasche, indem ich mich des [gr.] mē |{13} pantes bediene [nicht alle], das ich aus dem Organon habe – wo es mir übrigens nicht gelungen ist, es wiederzufinden, wo ich es jedoch wirklich gelesen habe und sogar bis dahin, dass meine Tochter, die hier anwesend ist, darauf hinwies und mir geschworen hat, die Stelle, an der es steht, für mich wiederzufinden –, dieses mē pantes, als der von Aristoteles zurückgewiesene Gegensatz zur Allgemeinaussage des [gr.] pas [alle].
Die Frau ist alle nur in der Form, deren Äquivokation ihren Reiz von unserer Lalangue hernimmt, in Gestalt des mais pas ça, des nur das nicht / nur es nicht, so wie man sagt: Alles, nur das nicht! Eben das war die Position von Sokrates.
Das mais pas ça, das nur das nicht / nur es nicht, ist das, was ich mit meinem diesjährigen Titel als das Sinthom einführe.
Im Moment gibt es für das Drängen des Buchstabens, wie es sich gegenwärtig abzeichnet – und erhoffen Sie sich nichts Besseres, wie ich bereits gesagt habe, wird das, was noch wirksamer sein wird, das Sinthom bestenfalls verschieben oder es gar vervielfachen –, für das gegenwärtige Drängen also gibt es das SinThom-masvonaquin (Lachen), das ich schreibe, wie Sie möchten, m, a, s, v, o, n, a, q, u, i, n nach Sinthom.
Sie wissen, dass Joyce sich über diesen saint homme, diesen heiligen Mann, ziemlich abgesabbert hat. Man muss die Dinge ja beim Namen nennen – was die Philosophie angeht, ist nie etwas Besseres gemacht worden, das ist das einzig Wahre. Dennoch findet sich Joyce – beziehen Sie sich hierfür auf die Arbeit von Jacques Aubert – darin nicht besonders gut zurecht, bei einer Sache, der er großen Wert beimisst, nämlich bei dem was er das Schöne nennt. Es gibt da beim Heiligen Thomas von Aquin etwas, das er claritas nenn und was Joyce durch so etwas wie Glanz des Seins ersetzt, was eben der Schwachpunkt ist, um den es geht. Ist das eine persönliche Schwäche? Der Glanz des Seins beeindruckt mich nicht.
Und eben darin läßt Joyce das Sinthom von seinem Masvonaquinismus abfallen und ruft – im Gegensatz zu dem, als was es auf den ersten Blick erscheinen mag, nämlich als seine Loslösung von der Politik –, und ruft streng gesagt das hervor, was ich die SintHome-Rule nennen möchte..
Diese Home Rule – die das Freeman’s Journal darstellte, wie sie hinter der Bank von Irland aufgeht, wodurch sie |{14} wie durch Zufall im Nordwesten aufgeht, was für einen Sonnenaufgang nicht so üblich ist –, sie ist gleichwohl, trotz des Knirschens, das wir zu diesem Thema bei Joyce wahrnehmen, sie ist gleichwohl die SintHome-Rolle, das Sinthom auf Rollen, das von Joyce zusammengebracht wird.
Sicherlich kann man diese beiden Termini auch anders nennen, ich nenne sie so nach den beiden Richtungen, die sich der Kunst von Joyce anboten, der uns in diesem Jahr beschäftigen wird, aufgrund von etwas, das ich vorhin erwähnt habe, nämlich dass ich ihn vorgestellt habe und dass ich nichts Besseres tun konnte als dies, ihn Sinthom zu nennen – denn das verdient er –, mit dem Namen, der ihm zukommt, wobei ich, wie gesagt, die Schreibweise davon verschoben habe..
Beide betreffen ihn, beide Schreibweisen. Es ist jedoch eine Tatsache, dass er wählt. Darin ist er wie ich ein Häretiker, denn das, was den Häretiker ausmacht, ist die hairesis [Wahl]. Man muss den Weg wählen, auf dem die Wahrheit zu fassen ist. Dies umso mehr, als die einmal getroffene Wahl niemanden daran hindert, sie einer Bestätigung zu unterziehen, also auf die rechte Weise häretisch zu sein, die, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es auf logische Weise zu verwenden, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wonach er dann keinen Durst mehr hat. Ja.
Natürlich hat er das blind der Nase nach gemacht, denn schlechter als er konnte man nicht anfangen.
In Dublin geboren, mit einem versoffenen und mehr oder weniger fenischen, also fanatischen, Vater, von zwei Familien, denn so stellt es sich für alle dar, wenn man Sohn zweier Familien ist, wenn man denn glaubt, männlich zu sein, weil man ein kleines Stück Schwanz hat. Natürlich – verzeihen Sie mir dieses Wort – braucht es mehr. Da er aber einen etwas schlappen Schwanz hatte, wenn ich so sagen darf, leistete seine Kunst Ersatz für seine phallisches Haltung. Und so ist das immer. Der Phallus ist |{15} die Konjunktion dessen, was ich den Parasiten genannt habe, also des erwähnten Stückchens Schwanz, er ist die Konjunktion davon mit der Funktion des Sprechens.
Abgesehen davon war er, sagen wir, ein pauvre hère – ein armer Schlucker – und sogar ein armer Häretiker.
Joycianer, die seine Häresie genießen, gibt es nur an der Universität. Aber er selbst wollte ganz absichtlich, dass diese Sippschaft sich mit ihm beschäftigte. Das Stärkste ist, dass es ihm über alle Maßen gelungen ist, das dauert an und es wird noch länger andauern. Er wollte das für dreihundert Jahre so, ausdrücklich, er hat es gesagt: Ich möchte, dass die Universitätsleute sich dreihundert Jahre lang mit mir beschäftigen, und er wird sie bekommen, sofern Gott uns nicht atomisiert.
Ce Herr*, dieser Herr – denn man kann nicht sagen cet Herr*, das ist durch die Aspiration untersagt, das nervt alle derart, dass man deshalb sagt le pauvre hère, der arme Schlucker –, dieser Herr* hat sich als ein [engl.] hero aufgefasst: Stephen Hero. Das ist der Titel, den er ausdrücklich dem gegeben hat, von wo aus er A portrait of the artist as a young man vorbereitet.
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Ah, das war das, wovon ich mir wirklich gewünscht hätte, dass – ich habe es nicht mitgebracht, zu dumm! –, das, wovon ich gewünscht hätte, dass Sie – ich hätte es Ihnen zumindest zeigen können –, dass Sie es finden, und ich wusste, dass es mit wenig Informationen schwierig sein würde, und deshalb sage ich Ihnen genauer, wie Sie darauf insistieren müssen. Aber Nicole Sels, die hier anwesend ist, hat mir einen Schrieb geschickt, einen Brief nennt man das, mit äußerst genauen Angaben, worin sie mir zwei Seiten lang darlegt, dass es unmöglich ist, sich das zu beschaffen. Zur Zeit ist es nicht möglich, diesen Text zu bekommen sowie das, was ich den Kritizismus genannt habe, nämlich das, was eine Reihe von Personen, alles Universitätsleute – das ist übrigens eine Weise, an die Universität zu kommen, die Universität saugt die Joycianer an, aber schließlich sind sie schon an der richtigen Stelle, sie gibt ihnen akademische Grade –, kurz, Sie finden weder den, ich weiß nicht, wie das ausgesprochen wird, Jacques Aubert wird es mir sagen: sagt man Bibe oder Bibi?
Jacques Aubert:
Für gewöhnlich sagt man Bibi.
Lacan:
Man sagt Bibi?
{16} Gut, Sie finden nicht den Beebe, der die Liste anführt, mit einem Artikel über Joyce, der, ich muss schon sagen, erste Sahne ist, danach haben Sie Hugh Kenner, der meiner Meinung nach, vielleicht aufgrund des erwähnten Heiligen Thomas von Aquin, der meiner Meinung nach ziemlich gut über Joyce spricht. Und es gibt bis zum Ende hin weitere, bei denen ich bedaure, dass Sie nicht darüber verfügen können.
Ehrlich gesagt, es ist ein blöder Fehler, dass ich – das kann man wirklich sagen –, dass ich diese kleine Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe – ich habe sie verkleinern lassen, Gottseidank –, dass ich diese Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe. Wenn Sie sich davon eine Reihe von Fotokopien machen lassen wollen, müssten Sie sich mit Nicole Sels absprechen. Da ich denke, dass es im Grunde nicht so viele gibt, die in der Lage sind, das Englische, besonders das Englisch von Joyce, ich meine, die darauf eingerichtet sind, es zu sprechen, dürfte es ja wohl nur eine geringe Zahl werden.
Aber dann wird es natürlich ein Nacheifern geben, und ein, mein Gott, legitimes Nacheifern, weil Das Porträt des Künstlers oder genauer Ein Porträt des Künstlers, des Künstlers, den man in der Weise schreiben muss, dass man dabei den ganzen Akzent auf das „des“ setzt, das im Englischen natürlich nicht ganz dasselbe ist wie unser bestimmter Artikel; wir können Joyce aber vertrauen: wenn er „des Künstler” gesagt hat, dann deshalb, weil er denkt, dass er der einzige Künstler ist, dass er darin einzigartig ist.
„As“ a young man, das ist wirklich suspekt, denn im Französischen wäre das mit comme zu übersetzen, anders gesagt, es geht um das comment, um das wie. Das Französische ist hierzu aufschlussreich, von daher aufschlussreich, dass man hier, wenn man von comme – von „wie“ – in der Weise spricht, dass man sich dabei eines Adverbs bedient, wenn man réelle-ment sagt, realer-weise, mentale-ment, mentaler-weise, héroïque-ment, heroischer-weise, dann gibt die Hinzufügung dieses -ment an sich schon genügend Aufschluss darüber, qu’on ment, dass man lügt. In jedem Adverb wird eine Lüge angezeigt und das ist kein Zufall. Wenn wir deuten, müssen wir darauf achtgeben.
Jemand, der mir nicht sehr fern steht, machte mal eine Bemerkung über die Zunge, insofern sie das Werkzeug des Sprechens bezeichnet, nämlich dass es ebenfalls die Zunge ist, die die sogenannten Geschmackspapillen trägt. Nun, ich möchte ihm hiermit erwidern, |{17} dass es nicht umsonst so ist, dass ce qu’on dit ment / ce condiment – was man sagt, lügt / dieses Gewürz. (Lachen)
Sie haben die Güte zu lachen (Lachen), aber das ist nicht komisch. Denn als Waffe gegen das Symptom haben wir letztlich nur dies: die Mehrdeutigkeit.
Es kommt vor, dass ich mir den Luxus leiste, eine Reihe von Leuten zu „supervidieren“, wie man das nennt, eine Reihe von Leuten, die sich, wie meine Formulierung lautet, selbst autorisiert haben, Analytiker zu sein. Es gibt zwei Phasen. Es gibt eine Phase, in der sie wie die Nashörner sind: Sie machen mehr oder weniger irgendwas und ich stimme ihnen immer zu. Sie haben tatsächlich immer recht. Die zweite Phase besteht darin, mit der Mehrdeutigkeit zu spielen, die vom Sinthom befreien könnte, denn die Deutung wirkt einzig und allein durch die Mehrdeutigkeit. Im Signifikanten muss etwas geben, das resoniert.
Man muss sagen, dass man erstaunt ist, dass dies den englischen Philosophen nicht aufgefallen ist, in keiner Weise. Philosophen nenne ich sie, weil es keine Psychoanalytiker sind. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass das Sprechen keine Wirkung hat. Sie irren sich. Sie nehmen an, dass es Triebe gibt, und selbst wenn sie Trieb nicht mit „instinct“ übersetzen wollen, nehmen sie nicht an, dass die Triebe das Echo im Körper der Tatsache sind, dass es ein Sagen gibt.
Dafür aber, dass dieses Sagen resoniert, dass es konsoniert – um ein weiteres Wort des Heiligen Thomas von Aquin zu verwenden –, dass es konsoniert, dafür muss der Körper empfänglich sein, und dass er es ist, ist eine Tatsache. Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste – da sie nicht wie der Mund verschlossen werden kann, nicht zugemacht werden kann –, deren wichtigste das Ohr ist, da es sich nicht verschließen kann, aus diesem Grunde antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe.
Ärgerlich ist natürlich, dass es nicht nur das Ohr gibt und dass ihm der Blick starke Konkurrenz macht.
More geometrico – aufgrund der Form, die Platon so schätzte, präsentiert das Individuum sich so, wie es gebaut ist: als ein Körper. Dieser Körper hat eine derart fesselnde Kraft, dass man bis zu einem gewissen Punkt die Blinden beneiden sollte. Wie kann ein Blinder, |{18} wenn er Brailleschrift verwendet, Euklid lesen?
Das Erstaunliche ist das, was ich sagen werde, nämlich dass die Form nur den Sack liefert oder, wenn Sie so wollen, die Blase..
Sie ist etwas, das sich aufbläht und und wovon ich die Wirkungen bereits erwähnt habe, bezogen auf den Zwangsneurotiker, der davon mehr als andere besessen ist..Der Zwangsneurotiker – habe ich irgendwo gesagt, man mich kürzlich daran erinnert – ist so etwas wie der Frosch, der sich so groß wie der Ochse machen will. Die Folgen sind bekannt, aus einer Fabel. Den Zwangsneurotiker dem Erfasstsein durch den Blick zu entreißen, ist bekanntlich besonders schwierig,
Der Sack, wie er in der Mengenlehre imaginiert wird, wie sie von Cantor begründet wurde, dieser Sack wird manifest, ja sogar demonstriert – wenn jede Beweisführung so aufgefasst wird, dass sie das darin enthaltene Imaginäre demonstriert –, dieser Sack, sage ich, verdient es, durch eine Ambiguität von Eins und Null konnotiert zu werden, der einzigen Stütze, die dem angemessen ist, woran die leere Menge, die sich in dieser Theorie aufnötigt, angrenzt.
Von daher unsere Schreibweise S1 – ich präzisiere, dass sie so gelesen wird: S Index 1 –, sie bildet nicht die Eins, sie verweist jedoch auf sie als etwas, das auch nichts enthalten kann, das ein leerer Sack sein kann. Das ändert nichts daran, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er pot/peau ist, Topf/Haut. Sie müssen für real gehalten werden, diese Ex-sistenz und diese Konsistenz, da das Reale das ist, sie zu zusammenzuhalten. Von daher das Wort Begriff*, das eben dies bedeutet..
Das Imaginäre zeigt hier seine Homogenität mit dem Realen und dass sie, diese Homogeneität, nur mit dem Faktum der Zahl zusammenhängt, insofern die Zahl binär ist, 1 oder 0, das heißt, dass sie die 2 nur dadurch stützt, dass 1 nicht 0 ist, dass sie der 0 ex-sistiert, aber keineswegs daraus „konsistiert“, nicht daraus besteht.
Auf diese Weise muss die Theorie von Cantor wieder vom Paar ausgehen, zu dem dann jedoch die Menge das Dritte ist. Zwischen der ersten Menge und dem, was die andere ist, stellt die Verbindung sich nicht her.
Insofern setzt das Symbol auf das Imaginäre eins drauf; das Symbol hat den Index 2 [S2], und das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, in welches auch immer, durch das, was hier faktisch ausgesagt wird, wobei dieses Faktum vom Rätsel des Aussagens abhängig bleibt, das nur ein in sich |{19} geschlossenes Faktum ist, le fait du fait, so schreibt man das, das Faktum des Faktums, gesprochen wird es [lə fɛt dy fɛ] – auch le faîte du fait, der Gipfel des Faktums – oder [lə fɛ dy fɛt] – auch le fait fu faîte, das Faktum des Gipfels –, égaux en fait [ego ɑ̃ fɛt] – faktisch gleich –, Äquivokationen und Äquivalente und dadurch Grenze des Gesagten.
Es ist unglaublich, dass die Menschen sehr deutlich gesehen haben, dass das Symbol nur ein zerbrochenes Stück sein konnte, und dies, wenn ich so sagen darf, zu allen Zeiten, dass sie aber zu der Zeit – zur Zeit dieses zu allen Zeiten – nicht gesehen haben, dass dies die Einheit und die Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich brachte und dass folglich das ursprüngliche Signifikat nichts bedeutet, dass es nur ein Zeichen der Arbitrage für die Wahl zwischen zwei Signifikanten ist, deshalb jedoch keineswegs ein Zeichen für das Arbiträre der Wahl zwischen ihnen.
Umpire gibt es nur – umpire, um es auf Englisch zu sagen, so schreibt es Joyce –, gibt es nur ausgehend vom [frz.] empire, vom Imperium über den Körper, wie alles dessen Markierung trägt, vom Ordal an.
Die 1 bestätigt hier ihre Ablösung von der 2. Sie macht 3 nur durch imaginäres Aufhetzen, ein Aufhetzen, das dazu nötigt, dass ein Wille dem einen nahelegt, den anderen zu belästigen, ohne an einen von ihnen gebunden zu sein. Jawohl.
Wappen der Familie Borromeo2
Ausschnitt aus dem Borromeo-Wappen
Damit ausdrücklich die Bedingung gestellt wurde, dass man ausgehend von drei Ringen eine Verkettung so bildet, dass das Auftrennen eines beliebigen einzigen Ringes die beiden anderen voneinander befreit, welche sie auch seien – in einer Kette wird dies ja, wenn ich das so verkürzt sagen kann, durch den mittleren Ring realisiert –, die beiden anderen, welche sie auch seien, voneinander befreit, hierfür musste zunächst registriert werden, dass dies in das Wappen der Borromäer eingetragen war, dass also der aus diesem Grunde borromäisch genannte Knoten bereits da war, ohne dass jemand auf den Gedanken gekommen wäre, Konsequenzen daraus zu ziehen.
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)3
Eben daran liegt es, dass es ein Irrtum ist zu denken, dies sei eine Norm für die Beziehung zwischen drei Funktionen, die in ihrer gemeinsamen Realisierung nur bei dem Wesen existieren, das sich von daher |{20} für einen Menschen hält..
Die Perversion ist nicht dadurch definiert, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen wären, sondern dadurch, dass sie bereits unterschieden sind und man ein viertes Element annehmen muss, nämlich das Sinthom, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, dass Perversion nichts anderes besagt als version vers le père, Wendung zum Vater, und dass der Vater kurzgesagt nur ein Symptom ist oder ein sinthome / ein saint homme – ein heiliger Mann –, wie Sie wollen.
Die Ex-sistenz des Symptoms ist das, was in der Position selbst impliziert ist, in derjenigen, durch die das rätselhafte Band des Imaginären, des Symbolischen und des Realen unterstellt wird.
Links: drei getrennte Ringe. Rechts: ihre Verbindung durch den vierten Ring des Sinthoms (Σ)4
Wenn Sie irgendwo – ich habe es bereits gezeichnet – das finden, wodurch das Verhältnis des Imaginären, des Symbolischen und des Realen schematisch so dargestellt wird, dass sie voneinander getrennt sind, dann haben Sie bereits in meinen früheren geplätteten Darstellungen ihrer Beziehung die Möglichkeit, sie zu verbinden. Wodurch? Durch das Sinthom.
|{21} Wenn ich hier eine farbige Kreide hätte …
Gloria Gonzalez:
In welcher Farbe möchten Sie sie?
Lacan:
Wie?
Gonzales:
In welcher Farbe?
Lacan:
Rot, wenn das möglich ist.– Sie sind wirklich zu freundlich.
Alles hängt von Folgendem ab: Wenn Sie dieses groß S umklappen, also das, was sich von der Konsistenz des Symbolischen her behauptet, wenn Sie es umklappen wie es plausibel ist, ich meine, wie es sich anbietet, wenn Sie es auf eine Weise umklappen, die so gezeichnet wird, dann haben Sie, falls diese Figur korrekt ist – ich meine, dass es unter dem Realen durchgeht und es offensichtlich ebenfalls unter dem Imaginären sein muss, abgesehen davon, dass es hier über das Symptomatische laufen muss –, dann sind Sie in der folgenden Position, dass sich das ausgehend von vieren so darstellt:
[an der Tafel:]
das heißt, Sie erhalten das folgende Verhältnis: hier zum Beispiel das Imaginäre, das Reale und das Symptom, das ich mit einem Sigma darstellen werde, Σ, sowie das Symbolische, dass aber jedes von ihnen austauschbar ist.
Um es ausdrücklich zu sagen, die Beziehung von 1 zu 2 kann umgekehrt werden in die Beziehung von 2 zu 1, die von 3 zu 4 kann umgekehrt werden in die von 4 zu 3, auf eine Weise, die Ihnen, wie ich hoffe, als einfach erscheint.
[an der Tafel]
R S Σ I
1 2 3 4
2 1 4 3
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Symbolisches und Symptom zwischen Realem und Imaginärem5
Dadurch sind wir aber in der folgenden Situation: Was 1 zu 2 ist beziehungsweise 2 zu 1, muss bewirken, da es in seiner Mitte, wenn man so sagen kann, das Σ und das S hat – so ist das hier dargestellt –, muss bewirken, dass das Symptom und das Symbol auf eine Weise gehalten werden – ich müsste Ihnen das durch eine einfache Darstellung zeigen –, |{22} dass sie auf eine Weise gehalten werden, dass es – wie Sie dort sehen –, dass es vier gibt, die – Sie sehen es da –, dass es vier gibt, die vom großen R gezogen werden; und hier verbindet sich das I auf spezielle Weise, indem es über dem hier dargestellten Symbol und unter dem Symptom verläuft.
In dieser Gestalt präsentiert sich die Verbindung immer, die Verbindung, die ich hier durch die Opposition von R und I ausgedrückt habe. Anders gesagt, diese beiden, Symptom und Symbol, präsentieren sich so, dass eines der beiden Enden sie hier in ihrer Gesamtheit nimmt, während das andere, sagen wir, über den hinweg läuft, der oben ist und unter dem, der unten ist.
Borromäische Verkettung von vier Ringen6
Das ist die Figur, die Sie regelmäßig erhalten, wenn Sie versuchen, den borromäischen Viererknoten zu bilden, und das ist die, die ich hierhin gesetzt habe, rechts außen.
Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom. Alles wird insofern gestützt, als der Name-des-Vaters auch der Vater des Namens ist – wodurch das Symptom nicht weniger notwendig ist. Dieser Andere, um den es geht, ist jenes Etwas, das sich bei Joyce darin zeigt, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist..
In dem Maße, in dem er diesen Vater, wie sich im Ulysses herausstellt, stützen muß, damit er fortbesteht, lässt Joyce durch seine Kunst, son art, die immer etwas ist, das uns, ausgehend vom Handwerker, vom artisan, vom Grunde der Zeiten her erreicht, lässt Joyce durch seine Kunst nicht nur seine Familie fortbestehen, sondern er „illustriert“ sie, wenn man so sagen kann – er macht sie illuster –, und zugleich „illustriert“ er das, was er irgendwo my country nennt. Der ungeschaffene Geist, sagt er, seiner |{23} Rasse – damit endet das Porträt des Künstlers –, das ist der Auftrag, den er sich gibt.
In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst, sur l’art, sein wird: Auf welche Weise kann l’artifice, der Kunstgriff / das Artefakt, ausdrücklich auf das abzielen, was sich zunächst als Symptom darstellt? Auf welche Weise kann l’art, l’artisanat – können Kunst und Handwerk – das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom her aufnötigt? Nämlich was? Das, was ich in meinen beiden Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.
Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses in einen Tetraeder
Wo ist sie hierbei, die Wahrheit? Ich habe gesagt, im Diskurs des Herrn ist sie etwas, das irgendwo im Subjekt unterstellt wird; insofern es gespalten ist, ist es noch dem Phantasma unterworfen. Das heißt, dass wir hier auf der Ebene der Wahrheit – im Gegensatz zu dem, was ich zunächst dargestellt hatte – das Halbsagen in Betracht ziehen müssen.
Das heißt, dass in diesem Stadium das Subjekt nur durch den Signifikanten Index 1, S1, repräsentiert werden kann und dass der Signifikant Index 2, S2, eben das ist, was – um es so darzustellen, wie ich es eben getan habe –, was durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird. Da ist der Handwerker, der Handwerker, insofern er in der Lage ist, durch die Verbindung von zwei Signifikanten das zu produzieren, was ich eben Objekt a genannt habe oder genauer, ich habe es durch das Verhältnis zum Ohr und zum Auge illustriert sowie auch dadurch, dass ich auf den geschlossenen Mund angespielt habe.
{24} Soweit der Diskurs des Herrn bestimmend ist, spaltet sich das S2, und diese Spaltung ist die in Symbol und Symptom. Die Spaltung in Symbol und Symptom reflektiert sich jedoch, wenn man so sagen kann, in der Spaltung des Subjekts. Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, werden wir durch sein Insistieren genötigt, zu zeigen, dass einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.
In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Artikulation des Symptoms mit dem Symbol lediglich ein, so möchte ich sagen, falsches Loch gibt. Wenn wir die Konsistenz annehmen – die Konsistenz irgendeiner dieser Funktionen, symbolisch, imaginär oder real –, wenn wir annehmen, dass diese Konsistenz einen Kreis bildet, dann unterstellt das ein Loch. Im Falle des Symbols und des Symptoms geht es jedoch um etwas anderes: das, wodurch ein Loch gebildet wird, ist die Gesamtheit – die übereinander geklappte Gesamtheit – dieser beiden Kreise.
Hier muss man, wie es Soury – um ihn beim Namen zu nennen, ich weiß nicht, ob er hier ist –, wie Soury es ziemlich gut dargestellt hat, hier muss man <das> durch etwas einrahmen, was einer Luftkammer ähnelt und was wir in der Topologie als Torus bezeichnen.
Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, das sie zusammenhält, damit wir hier etwas haben, das als echtes Loch qualifiziert werden kann.
Eine unendliche Gerade verwandelt das falsche Loch in ein echtes Loch.
{25} Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, erhalten bleiben, dass man hier einfach eine Gerade annehmen muss, das wird dieselbe Funktion erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich.
Dieser Kreis – darauf werde ich sicherlich zurückkommen müssen –, der Kreis hat eine Funktion, die der Polizei wohlbekannt ist, der Kreis dient dem Zirkulieren, und darin hat die Polizei nicht erst seit gestern eine Stütze. Hegel hatte sehr gut gesehen, was ihre Funktion ist, und er hatte es in einer Form gesehen, die gewiss nicht diejenige ist, um die es sich handelt, die in Frage steht. Für die Polizei handelt es einfach da-|{26} rum, dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht.
Die Tatsache, dass wir zu diesem falschen Loch etwas hinzufügen können, dass wir eine unendliche Gerade hinzufügen können und dass bereits dies aus dem falschen Loch ein Loch macht, das auf borromäische Weise Bestand hat, das ist der Punkt, mit dem ich heute aufhöre.
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FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann..
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[11 ]Voilà. J’ai annoncé sur l’affiche Le sinthome.
{9} Also. Auf dem Aushang habe ich Le sinthome angekündigt, Das Sinthom.7
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C’est une façon ancienne d’écrire ce qui a été ultérieurement écrit symptôme.
Das ist eine alte Schreibweise für das, was später symptôme geschrieben wurde, Symptom.
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Si je me suis permis de cette modification d’orthographe qui marque évidemment une date, une date qui se trouve être l’injection dans le, le français … ce que j’appelle lalangue, lalangue mienne … l’injection de grec … de cette langue dont Joyce, dans le Portrait de l’Artiste, émettait le vœu tout à fait … non, c’est pas dans le Portrait de l’Artiste, c’est dans le Ulysses, dans le Ulysses, au premier chapitre : il s’agit de hellenise [englisch ausgesprochen] … d’injecter de même lalangue hellène, on ne sait pas à quoi, puisque il ne s’agissait pas du gaélique, encore qu’il s’agit de l’Irlande, mais que Joyce devait écrire en anglais.
Wenn ich mir diese Änderung der Orthografie erlaubt habe, die offensichtlich ein bestimmtes Datum anzeigt, das Datum, das hier die Injektion des Griechischen in das Französische ist8 – in das Französische, das ich Lalangue nenne, meine Lalangue –, die Injektion derjenigen Sprache, zu der Joyce im Portrait des Künstlers tatsächlich den Wunsch äußerte, nein, das steht nicht im Portrait des Künstlers, das steht im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es ebenfalls darum to hellenise9, die hellenische Sprache zu injizieren, in was, weiß man nicht, da es sich ja nicht um das Gälische handelte10, obwohl es um Irland geht, Joyce jedoch Englisch schreiben musste.
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Qu’il a écrit en anglais d’une façon telle que … comme l’a dit quelqu’un dont j’espère qu’il est dans cette assemblée, Philippe Sollers, dans Tel Quel … ‚ il l’a écrit d’une façon telle que la langue anglaise n’existe plus.
Dass er auf Englisch geschrieben hat, auf eine Weise, dass – wie jemand in Tel Quel gesagt hat, von dem ich hoffe, dass er in dieser Versammlung ist, Philippe Sollers –, Joyce hat es auf eine solche Weise geschrieben, dass die englische Sprache nicht mehr existiert.
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Elle avait déjà, je dirai peu de consistance, ce qui ne veut pas dire qu’il soit facile d’écrire en anglais.
{10} Sie hatte bereits vorher, möchte ich sagen, wenig Konsistenz11, was nicht heißt, dass es einfach wäre, Englisch zu schreiben.
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Mais Joyce, par la succession d’œuvres | [12] qu’il a écrites en anglais, y a ajouté ce quelque chose qui fait dire au même auteur qu’il faudrait écrire l’é.l.a.n.g.u.e.s, l’élangues; l’élangues par où je suppose qu’il entend désigner quelque chose comme l’élation, cette élation dont on nous dit que c’est au principe de je ne sais quel sinthome que nous appelons – en psychiatrie – la manie.
Joyce hat ihr jedoch durch die Folge der Werke, die er auf Englisch verfasst hat12, jenes Etwas hinzugefügt, das den erwähnten Autor sagen lässt, dass man so schreiben sollte: l’élangues, l, Apostroph, e, l, a, n, g, u, e, s13, womit er, nehme ich an, so etwas wie die élation bezeichnen möchte, die gehobene Stimmung, über die uns gesagt wird, sie sei Ursprung eines bestimmten Sinthoms, das wir in der Psychiatrie als Manie bezeichnen14.
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C’est bien en effet ce à quoi ressemble sa dernière œuvre, à savoir Finnegans Wake, celle qu’il a si longtemps soutenue pour y attirer l’attention générale, celle aussi à propos de quoi j’ai posé dans un temps, au temps où je me suis laissé entraîner à … par une sollicitation pressante, pressante je dois dire de la part de Jacques Aubert, ici présent et tout aussi pressant, … où je me suis laissé entraîner à inaugurer, à inaugurer au titre d’un symposium Joyce.
Dem ähnelt in der Tat sein letztes Werk, also Finnegans Wake, das er so lange befördert hat, damit es die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, das Werk, zu dem ich seinerzeit behauptet habe – zu der Zeit, als ich mich durch ein dringendes Ansuchen dazu habe hinreißen lassen, dringend, muss ich sagen, vonseiten von Jacques Aubert, der hier präsent ist, présent, aber auch pressant – drängend –, dass ich mich habe dazu hinreißen lassen, im Rahmen eines Symposiums Joyce einzuführen.
C’est par là qu’en somme je me suis laissé détourner de mon projet qui était, cette année … je vous l’ai annoncé l’année dernière … d’intituler ce séminaire du 4, 5 et 6.
Dadurch habe ich mich letztlich von meinem Vorhaben abbringen lassen, in diesem Jahr – ich hatte es Ihnen im letzten Jahr angekündigt – diesem Seminar den Titel 4, 5 und 6 zu geben.
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Je me suis contenté du 4 et je m’enréjouis, car le 4, 5, 6 j’y aurais sûrement succombé.
Ich habe mich mit der 4 begnügt und das freut mich, denn der 4, 5, 6 wäre ich sicherlich unterlegen gewesen..
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Ça ne veut pas dire que le 4 dont il s’agit me soit pour autant moins lourd.
Das heißt nicht, dass die 4, um die es geht, für mich deshalb weniger schwer wäre.
J’hérite de Freud, bien malgré moi, par ce que j’ai énoncé – de mon temps – ce qui pouvait être tiré, en bonne logique, des bafouillages de ceux qu’il appelait sa bande.
Ohne dass es meine Absicht war, beerbe ich Freud, durch das, was ich seinerzeit geäußert habe und was in guter Logik herausgezogen werden konnte aus dem Gestammel derer, die er seine Bande nannte.15
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Je n’ai pas besoin de les nommer, c’est cette clique qui suivait les réunions de Vienne et dont on ne peut pas dire qu’aucun ait suivi la voie que j’appelle de bonne logique.
Ich muss sie nicht nennen, das ist diese Clique, die an den Zusammenkünften in Wien teilnahm16 und über die man nicht sagen kann, dass einer davon den Weg verfolgt hätte, den ich den der guten Logik nenne..
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La nature, dirai-je pour couper court, se spécifie de n’être pas une; d’où le procédé logique pour l’aborder.
Die Natur – möchte ich, um es kurz zu machen, sagen – zeichnet sich dadurch aus, nicht eine zu sein; von daher das logische Vorgehen, um an sie heranzukommen.17
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Appelez18 nature ce que vous excluez du fait même de porter intérêt à quelque chose … ce quelque chose se distinguant d’être nommé … la nature par ce procédé ne se risque à rien qu’à s’affirmer d’être un pot-pourri de hors-nature.
Nennen Sie Natur das, was Sie bereits dadurch ausschließen, dass Sie sich für etwas interessieren, wobei dieses Etwas sich dadurch unterscheidet, dass es benannt wird19; |{11} bei diesem Vorgehen riskiert die Natur nur, sich als Potpourri von Außer-Natur zu behaupten.
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L’avantage de cet énoncé est que si vous trouvez … à bien le compter … que le nommer20 tranche sur ce qui paraît être la loi de la nature, qu’il n’y ait pas chez lui … je veux dire chez l’homme … de rapport naturellement … sous toute réserve donc, ce naturellement … naturellement sexuel, vous posez logiquement … ce qui se trouve être le cas … que ce n’est pas là un privilège, un privilège de l’homme.
Der Vorteil dieser Aussage besteht darin, dass Sie, wenn Sie – um sie wirklich zu berücksichtigen – finden, dass das Benennen im Gegensatz zu dem steht, was das Gesetz der Natur zu sein scheint, und dass es bei ihm, ich meine beim Menschen, kein Verhältnis gibt, dass auf natürliche Weise – dieses auf natürliche Weise also mit allen Vorbehalten –, dass es bei ihm kein Verhältnis gibt, das auf natürliche Weise sexuell wäre, und dass Sie dann logischerweise behaupten, was ja der Fall ist, dass dies kein Vorrecht des Menschen ist.
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[13] Veillez pourtant à n’aller pas à dire que le sexe n’est rien de naturel.
Geben Sie jedoch Acht, dass Sie nicht so weit gehen zu sagen, dass das Geschlecht nichts Natürliches ist.
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Tâchez plutôt de savoir ce qu’il en est dans chaque cas : de la bactérie à l’oiseau … j’ai déjà fait allusion à l’un et à l’autre … de la bactérie à l’oiseau, puisque ceux-là ont des noms.
Versuchen Sie vielmehr herauszufinden, wie es im Einzelfall damit steht, von der Bakterie bis zum Vogel – auf beide habe ich bereits hingewiesen –, von der Bakterie bis zum Vogel, da diese ja Namen haben.21
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Remarquons au passage que dans la création dite divine … divine seulement en ceci qu’elle se réfère à la nomination … la bactérie n’est pas nommée, et qu’elle n’est pas plus nommée quand Dieu, bouffonnant l’homme … l’homme supposé originel … lui propose de commencer par dire le nom de chaque bestiole.
Am Rande wollen wir anmerken, dass in der Schöpfung, die göttlich genannt wird – göttlich allein darin, dass sie sich auf die Benennung bezieht –, die Bakterie nicht benannt wird und dass sie auch dann nicht benannt wird, als Gott dem Menschen, dem angeblichen Urmenschen, damit verulkte, dass er ihm vorschlug, er solle doch anfangen, den Namen eines jeden Tierchens zu sagen.22
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De ce premier – faut bien le dire – déconnage, nous n’avons de trace qu’à en conclure qu’Adam … comme son nom l’indique assez, c’est une allusion, ça, à la fonction de l’index de Peirce … qu’Adam était … selon le joke qu’en fait Joyce justement … qu’Adam était bien entendu une Madam, et qu’il n’a nommé les bestiaux que dans la langue de celle-ci.
Von diesem ersten Stussreden, wie man schon sagen muss, haben wir nur von daher eine Spur, dass wir daraus schließen, dass Adam, wie sein Name hinreichend indiziert – das ist jetzt eine Anspielung auf die Indexfunktion von Peirce23 –, dass Adam – dem joke zufolge, den Joyce daraus macht –, dass Adam natürlich eine madam war24 und dass er das Vieh nur in ihrer Sprache benannte.
Il faut bien le supposer, puisque celle que j’appellerai l’Evie, e, v, i, e … l’Evie que j’ai bien le droit d’appeler ainsi puisque c’est ce que ça veut dire en hébreu, si tant est que l’hébreu soit une langue : « la mère des vivants » … eh bien l’Evie l’avait tout de suite, et bien pendue cette langue, puisque après le supposé du nommer par Adam, la première personne qui s’en sert c’est bien elle, pour parler au serpent.
Das muss man ja annehmen, denn diejenige, die ich Evita25 – die ich das Recht habe, so zu nennen, denn Eva heißt auf Hebräisch, wenn das Hebräische denn eine Sprache ist26, „die Mutter der Lebenden“ –, Evita also hatte diese Sprache sofort und ziemlich locker, denn nach dem angeblichen Benennen durch Adam ist die erste Person, die sich ihrer bedient, eben sie – um mit der Schlange zu sprechen.
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La création dite divine se redouble donc de la parlote, du parlêtre comme je l’ai appelé, par quoi l’Evie fait du serpent ce que vous me permettrez d’appeler le, le « serre-fesses », ultérieurement désigné comme faille, ou mieux phallus, puisqu’il en faut bien un pour faire le faux-pas27, la faute dont c’est l’avantage de mon sinthome de commencer par là : sin en anglais veut dire ça, le péché, la première faute.
Die göttlich genannte Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch es dazu kommt, |{12} dass Evita die serpent, die Schlange, zu etwas macht, das Sie mir erlauben werden, so zu nennen: zur serre-fesses, zur Arschklemme28, später als faille bezeichnet, als Spalte oder Riss29, oder besser als Phallus, da es ja einen braucht, um den Fehltritt zu begehen30, die Verfehlung, womit zu beginnen der Vorzug von meinem Sinthom ist – sin, das bedeutet ja im Englischen die Sünde, die erste Verfehlung.31
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D’où la nécessité … je pense tout de même, à vous voir en aussi grand nombre, qu’il y en a bien quelques-uns qui ont déjà entendu mes « bateaux » … d’où la nécessité du fait que ne cesse pas la faille qui s’agrandit toujours, sauf à subir le cesse de la castration comme poss ible.
Von daher die néscessité – ich glaube ja doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits haben trapsen hören –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte ne cesse pas, nicht aufhört, die Spalte, die sich beständig vergrößert32, außer sie erleidet le cesse de la castration, das Aufhören der Kastration33, als möglich.
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Ce possible, comme je l’ai dit … sans que vous le notiez, pour ce que moi-même point je ne l’ai noté de n’y pas mettre la virgule … ce possible, j’ai dit autrefois c’est que c’est ce qui cesse de s’écrire.
Dieses Mögliche, wie ich mal gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, dass ich das Komma nicht gesetzt hatte, dieses Mögliche, habe ich früher mal gesagt, ist das, was cesse de s’écrire, was aufhört, geschrieben zu werden.
Mais il y faut mettre la virgule : c’est ce qui cesse, virgule, de s’écrire ou plutôt cesserait d’en prendre le chemin dans le cas où adviendrait enfin ce discours que j’ai évoqué, tel qu’il ne serait pas de semblant.
Man muss jedoch das Komma setzen, es ist das, was cesse, Komma, de s’écrire, was dadurch aufhört, dass es geschrieben wird oder was vielmehr dann aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, wenn endlich der Diskurs aufkäme, den ich so charakterisiert habe: dass er nicht vom Schein wäre.34
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Y-a-t-il impossibilité que la vérité devienne un produit du savoir-faire ?
Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Savoir-faire wird, des Könnens?35
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Non !
Nein.
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Mais elle ne sera alors que mi-dite, s’incarnant d’un S indice 1 (S1) de signifiant, là où il en faut au moins deux pour que l’unique – La femme – à avoir jamais été… mythique, en ce sens que le mythe l’a fait singulière : | [14] il s’agit d’Eve dont j’ai parlé tout à l’heure …que l’unique – La femme – à avoir jamais été incontestablement possédée, pour avoir goûté du fruit de l’arbre défendu, celui de la science.
Sie wird dann jedoch nur halbgesagt werden und sich dabei in einem Signifikanten S Index 1 verkörpern , S1, da, wo es mindestens zwei braucht für die einzigartige Die Frau, die je gewesen ist, mythisch in dem Sinne, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat – es geht um Eva, von der ich bereits gesprochen habe –, für die einzigartige Die Frau, die unbestreitbar je besessen wurde, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hatte, vom Baum der Wissenschaft.
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L’Evie donc, n’est pas mortelle plus que Socrate.
Evita ist also nicht sterblich, nicht sterblicher als Sokrates.
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La femme dont il s’agit est un autre nom de Dieu, et c’est en quoi elle n’existe pas, comme je l’ai dit maintes fois.
Die Frau, um die es sich handelt, ist ein weiterer Name Gottes, und insofern existiert sie nicht, wie ich schon oft gesagt habe.
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Ici on remarque le côté futé d’Aristote, qui ne veut pas que le singulier joue dans sa logique.
Hier sieht man die gewiefte Seite von Aristoteles, der nicht möchte, dass das Einzelne in seine Logik hineinspielt.36
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Contrairement à ce qu’il admettait, à ce qu’il admettait dans ladite logique, il faut dire que Socrate n’est pas homme, puisqu’il accepte de mourir pour que la cité vive, car il l’accepte, c’est un fait.
Im Gegensatz zu dem, was er annahm, was er in der erwähnten Logik annahm, muss man sagen, dass Sokrates nicht Mensch ist, da er es akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe, denn das akzeptiert er, das ist eine Tatsache.37
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En plus, ce qu’il faut bien dire, c’est qu’à cette occasion, il ne veut pas entendre parler sa femme.
Außerdem muss man ja sagen, dass er in dieser Situation nicht seine Frau sprechen hören will.38
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D’où ma formule, que je relave si je puis dire, à votre usage, en me servant du mē pantes que j’ai relevé dans l’Organon… où d’ailleurs je n’ai pas réussi à le retrouver, mais où quand même, je l’ai bien lu, et même au point que ma fille, ici présente, l’a pointé et qu’elle me jurait qu’elle me retrouverait à quelle place c’était μη παντες (mē pantes) …comme l’opposition écartée – écartée par Aristote – à l’universel du παν (pan).
Von daher meine Formel, die ich, wenn ich so sagen darf, zu Ihrem Gebrauch noch einmal abwasche, indem ich mich des [gr.] mē |{13} pantes bediene [nicht alle], das ich aus dem Organon39 habe – wo es mir übrigens nicht gelungen ist, es wiederzufinden, wo ich es jedoch wirklich gelesen habe und sogar bis dahin, dass meine Tochter, die hier anwesend ist, darauf hinwies und mir geschworen hat, die Stelle, an der es steht, für mich wiederzufinden –, dieses mē pantes, als der von Aristoteles zurückgewiesene Gegensatz zur Allgemeinaussage des [gr.] pas [alle].40
La femme n’est toute que sous la forme dont l’équivoque prend de lalangue nôtre son piquant, sous la forme du mais pas ça, comme on dit : tout, mais pas ça !.
Die Frau ist alle nur in der Form, deren Äquivokation ihren Reiz von unserer Lalangue hernimmt, in Gestalt des mais pas ça, des nur das nicht, so wie man sagt: Alles, nur das nicht / Alles, nur es nicht!41
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C’était bien la position de Socrate.
Eben das war die Position von Sokrates.
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Le mais pas ça c’est ce que j’introduis sous mon titre de cette année comme le sinthome.
Das mais pas ça, das nur das nicht / nur es nicht, ist das, was ich mit meinem diesjährigen Titel als das Sinthom einführe.
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Il y a pour l’instant, pour l’instance de la lettre telle qu’elle s’est ébauchée à présent… et n’espérez pas mieux, comme je l’ai dit ce qui en sera plus efficace ne fera pas mieux que de déplacer le sinthome, voire de le multiplier …pour l’instance donc, présente, il y a le sinthome madaquin (Lachen) que j’écris comme vous voudrez, m.a.d.a.q.u.i.n après sinthome.
Im Moment gibt es für das Drängen des Buchstabens42, wie sie sich gegenwärtig abzeichnet – und erhoffen Sie sich nichts Besseres, wie ich bereits gesagt habe, wird das, was noch wirksamer sein wird, das Sinthom bestenfalls verschieben oder es gar vervielfachen –, für das gegenwärtige Drängen also gibt es das SinThom-masvonaquin (Lachen), das ich schreibe, wie Sie möchten, m, a, s, v, o, n, a, q, u, i, n nach Sinthom.43
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Vous savez que Joyce en bavait assez sur ce saint homme.
Sie wissen, dass Joyce sich über diesen saint homme, diesen heiligen Mann, ziemlich abgesabbert hat.44
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Faut bien dire les choses : pour ce qui est de la philosophie on n’a jamais rien fait de mieux, il y a que ça de vrai.
Man muss die Dinge ja beim Namen nennen – was die Philosophie angeht, ist nie etwas Besseres gemacht worden, das ist das einzig Wahre.
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Ça n’empêche pas que Joyce… consultez là-dessus l’ouvrage de Jacques Aubert …ne s’y retrouve pas très bien, concernant le quelque chose à laquelle il attache un grand prix, à savoir ce qu’il appelle le beau.
Dennoch findet sich Joyce – beziehen Sie sich hierfür auf die Arbeit von Jacques Aubert45 – darin nicht besonders gut zurecht, bei einer Sache, der er großen Wert beimisst, nämlich bei dem, was er das Schöne nennt.
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Il y a dans le Saint Thomas d’Aquin je ne sais quoi qu’il appelle claritas, auquel Joyce substitue quelque chose comme la splendeur de l’être qui est bien le point faible dont il s’agit.
Es gibt da beim Heiligen Thomas von Aquin etwas, das er claritas nennt und was Joyce durch so etwas wie Glanz des Seins ersetzt, was eben der Schwachpunkt ist, um den es geht.46
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Est-ce une faiblesse personnelle : La splendeur de l’être ne me frappe pas.
Ist das eine persönliche Schwäche? Der Glanz des Seins beeindruckt mich nicht.
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Et c’est bien en quoi Joyce fait déchoir le sinthome de son madaquinisme, | [15] et contrairement à ce qu’il pourrait en apparaître, à première vue… à savoir son détachement de la politique … produit à proprement parler ce que j’appellerai le saint-home rule ».
Und eben darin läßt Joyce das Sinthom von seinem Masvonaquinismus abfallen und ruft – im Gegensatz zu dem, als was es auf den ersten Blick erscheinen mag, nämlich als seine Loslösung von der Politik –, und ruft streng gesagt das hervor, was ich die SintHome-Rule nennen möchte.47.
Ce home-rule que le Freeman’s Journal représentait se levant derrière la Banque d’Irlande, ce qui le fait – comme par hasard – se lever au Nord-Ouest… ce qui n’est pas d’usage pour un lever de soleil …c’est quand même… malgré le grincement que nous voyons à ce sujet dans Joyce …c’est quand même bien le « sinthome-roule », le sinthome à roulettes que Joyce conjoint.
Diese Home Rule – die das Freeman’s Journal darstellte, wie sie hinter der Bank von Irland aufgeht, wodurch sie |{14} wie durch Zufall im Nordwesten aufgeht, was für einen Sonnenaufgang nicht so üblich ist48 –, sie ist gleichwohl, trotz des Knirschens, das wir zu diesem Thema bei Joyce wahrnehmen, sie ist gleichwohl die SintHome-Rolle, das Sinthom auf Rollen49, das von Joyce zusammengebracht wird.
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Il est certain que ces deux termes, on peut les nommer autrement, je les nomme ainsi en fonction des deux versants qui s’offraient à l’art de Joyce, lequel nous occupera cette année en raison de ce que j’ai dit tout à l’heure : que je l’ai introduit et que je n’ai pu faire mieux que de le nommer ce sinthome – car il le mérite – du nom qui lui convient en en déplaçant – comme je l’ai dit – l’orthographe…
Sicherlich kann man diese beiden Termini50 auch anders nennen, ich nenne sie so nach dena beiden Richtungen, die sich der Kunst von Joyce anboten, der uns in diesem Jahr beschäftigen wird, aufgrund von etwas, das ich vorhin erwähnt habe, nämlich dass ich ihn vorgestellt habe und dass ich nichts Besseres tun konnte als dies, ihn Sinthom zu nennen – denn das verdient er –, mit dem Namen, der ihm zukommt, wobei ich, wie gesagt, die Schreibweise davon verschoben habe.51
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Les deux, les deux orthographes le concernent.
Beide betreffen ihn, beide Schreibweisen.
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Mais il est un fait qu’il choisit.
Es ist jedoch eine Tatsache, dass er wählt.52
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En quoi, il est comme moi un hérétique, car hairesis c’est bien là ce qui spécifie l’hérétique.
Darin ist er wie ich ein Häretiker, denn das, was den Häretiker ausmacht, ist die hairesis [Wahl].
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Il faut choisir la voie par où prendre la vérité.
Man muss den Weg wählen, auf dem die Wahrheit zu fassen ist.
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Ce d’autant plus, que le choix une fois fait, ça n’empêche personne de le soumettre à confirmation, c’est-à-dire d’être hérétique de la bonne façon, celle qui d’avoir bien reconnu la nature du sinthome, ne se prive pas d’en user logiquement, c’est-à-dire jusqu’à atteindre son réel au bout de quoi il n’a plus soif. Ouais…
Dies umso mehr, als die einmal getroffene Wahl niemanden daran hindert, sie einer Bestätigung zu unterziehen, also auf die rechte Weise häretisch zu sein, die, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es auf logische Weise zu verwenden, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wonach er dann keinen Durst mehr hat.53 Ja.
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Bien entendu il a fait ça, lui, à vue de nez, car on ne pouvait plus mal partir que lui.
Natürlich hat er das blind der Nase nach gemacht, denn schlechter als er konnte man nicht anfangen.
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Etre né à Dublin, avec un père soûlographe et plus ou moins Fénian54, c’est-à-dire fanatique, de deux familles, car c’est ainsi que ça se présente pour tous quand on est fils de deux familles, quand il se trouve qu’on se croit mâle parce que on a un petit bout de queue.
In Dublin geboren, mit einem versoffenen und mehr oder weniger fenischen55, also fanatischen, Vater, von zwei Familien, denn so stellt es sich für alle dar, wenn man Sohn zweier Familien ist, wenn man denn glaubt, männlich zu sein, weil man ein kleines Stück Schwanz hat.56
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Naturellement – pardonnez-moi ce mot – il en faut plus.
Natürlich – verzeihen Sie mir dieses Wort – braucht es mehr..
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Mais comme il avait la queue un peu lâche, si je puis dire, c’est son art qui a suppléé à sa tenue phallique.
Da er aber einen etwas schlappen Schwanz hatte, wenn ich so sagen darf, leistete seine Kunst Ersatz für seine phallisches Haltung.57
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Et c’est toujours ainsi.
Und so ist das immer.
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Le phallus c’est la conjonction de ce que j’ai appelé ce parasite… qui est le petit bout de queue en question …c’est la conjonction de ceci avec la fonction de la parole.
Der Phallus ist |{15} die Konjunktion dessen, was ich den Parasiten genannt habe, also des erwähnten Stückchens Schwanz, er ist die Konjunktion davon mit der Funktion des Sprechens.
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Et c’est en quoi son art est le vrai répondant de son phallus.
Und insofern ist seine Kunst der wahre Bürge für seinen Phallus.58
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À part ça, disons que c’était un pauvre hère, et même un pauvre hérétique.
Abgesehen davon war er, sagen wir, ein pauvre hère – ein armer Schlucker – und sogar ein armer Häretiker.59
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Il n’y a de joyciens à jouir de son hérésie que dans l’université.
Joycianer, die seine Häresie genießen, gibt es nur an der Universität.60
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[16] Mais c’est lui qui l’a délibérément voulu que s’occupât de lui cette engeance.
Aber er selbst wollte ganz absichtlich, dass diese Sippschaft sich mit ihm beschäftigte.
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Le plus fort est qu’il y a réussi, et au-delà de toute mesure : ça dure et ça durera encore.
Das Stärkste ist, dass es ihm über alle Maßen gelungen ist, das dauert an und es wird noch länger andauern.
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Il en voulait pour 300 ans, nommément, il l’a dit : Je veux que les universitaires s’occupent de moi pendant trois cents ans, et il les aura, pour peu que Dieu ne nous atomise pas.
Er wollte das für dreihundert Jahre so, ausdrücklich, er hat es gesagt: Ich möchte, dass die Universitätsleute sich dreihundert Jahre lang mit mir beschäftigen61, und er wird sie bekommen, sofern Gott uns nicht atomisiert.
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Ce Herr*… car on ne peut pas dire cet Herr*, c’est interdit par l’aspiration, ça embête même tellement tout le monde que c’est pour ça qu’on dit le pauvre hère …ce Herr* s’est conçu comme un [engl.] hero62 : Stephen Hero.
Ce Herr*, dieser Herr – denn man kann nicht sagen cet Herr*, das ist durch die Aspiration untersagt63, das nervt alle derart, dass man deshalb sagt le pauvre hère, der arme Schlucker64 –, dieser Herr* hat sich als ein [engl.] hero65 aufgefasst: Stephen Hero66.
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C’est le titre expressément donné pour celui de là où il prépare le A portrait of the artist as a young man.
Das ist der Titel, den er ausdrücklich dem gegeben hat, von wo aus er A portrait of the artist as a young man vorbereitet.67
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Ah ! c’était ce que j’aurais bien souhaité que… je l’ai pas emporté, c’est trop bête …ce que j’aurais souhaité que vous… j’aurais pu au moins vous le montrer …que vous le trouviez et dont, mal averti, je savais que c’était difficile, et c’est pour ça que je vous précise la façon dont vous devez insister.
Ah, das war das, wovon ich mir wirklich gewünscht hätte, dass – ich habe es nicht mitgebracht, zu dumm! –, das, wovon ich gewünscht hätte, dass Sie – ich hätte es Ihnen zumindest zeigen können –, dass Sie es finden, und ich wusste, dass es mit wenig Informationen schwierig sein würde, und deshalb sage ich Ihnen genauer, wie Sie darauf insistieren müssen.68
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Mais Nicole Sels, ici présente, m’a envoyé une bafouille… une lettre on appelle ça …extrêmement précise où pendant deux pages, elle m’explique qu’il est impossible de se le procurer.
Aber Nicole Sels69, die hier anwesend ist, hat mir einen Schrieb geschickt, einen Brief nennt man das, mit äußerst genauen Angaben, worin sie mir zwei Seiten lang darlegt, dass es unmöglich ist, sich das zu beschaffen.
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Il est impossible à l’heure actuelle d’avoir ce texte et ce que j’ai appelé ce criticisme, c’est-à-dire ce qu’un certain nombre de personnes, toutes universitaires… c’est d’ailleurs une façon d’entrer à l’université, l’université aspire les joyciens, mais enfin, ils sont déjà en bonne place, elle leur donne des grades …bref, vous ne trouverez pas ni le… je ne sais pas comment ça se prononce, c’est Jacques Aubert qui va me le dire : est-ce qu’on dit Bibe ou Bibi ?
Zur Zeit ist es nicht möglich, diesen Text zu bekommen sowie das, was ich den Kritizismus70 genannt habe, nämlich das, was eine Reihe von Personen, alles Universitätsleute – das ist übrigens eine Weise, an die Universität zu kommen, die Universität saugt die Joycianer an, aber schließlich sind sie schon an der richtigen Stelle, sie gibt ihnen akademische Grade –, kurz, Sie finden weder den, ich weiß nicht, wie das ausgesprochen wird, Jacques Aubert wird es mir sagen: sagt man Bibe oder Bibi?71
Jacques Aubert:
D’ordinaire, on dit Bibi.
Für gewöhnlich sagt man Bibi.
Lacan:
On dit Bibi ?
Man sagt Bibi?
Bon …vous ne trouver pas le Beebe qui ouvre la liste par un article sur Joyce, je dois dire particulièrement gratiné, à la suite de quoi vous avez Hugh Kenner qui à mon avis… peut-être à cause du Saint Thomas d’Aquin en question …à mon avis, parle assez bien de Joyce.
|{16} Gut, Sie finden nicht den Beebe, der die Liste anführt, mit einem Artikel über Joyce, der, ich muss schon sagen, erste Sahne ist72, danach haben Sie Hugh Kenner, der meiner Meinung nach, vielleicht aufgrund des erwähnten Heiligen Thomas von Aquin, der meiner Meinung nach ziemlich gut über Joyce spricht.73
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Et il y en a d’autres jusqu’à la fin, dont je regrette que vous ne puissiez pas disposer.
Und es gibt bis zum Ende hin weitere, bei denen ich bedaure, dass Sie nicht darüber verfügen können.74
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À la vérité c’est un pas de clerc, que j’aie… c’est le cas de le dire …que j’aie mis cette petite note en petits caractères… je les ai fait rapetisser, Dieu merci …que j’aie fait cette note en petits caractères.
Ehrlich gesagt, es ist ein blöder Fehler, dass ich – das kann man wirklich sagen –, dass ich diese kleine Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe – ich habe sie verkleinern lassen, Gottseidank –, dass ich diese Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe.75
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Il faudrait que vous vous arrangiez avec Nicole Sels pour vous en faire faire une série de photocopies.
Wenn Sie sich davon eine Reihe von Fotokopien machen lassen wollen, müssten Sie sich mit Nicole Sels absprechen.76
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Comme je pense que dans le fond il y en a pas tellement qui, l’anglais… surtout l’anglais de Joyce …soient prêts, je veux dire parés pour le parler, ça ne fera quand même qu’un petit nombre.
Da ich denke, dass es im Grunde nicht so viele gibt, die in der Lage sind, das Englische, besonders das Englisch von Joyce, ich meine, die darauf eingerichtet sind, es zu sprechen, dürfte es ja wohl nur eine geringe Zahl werden.
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Mais enfin il y aura évidemment de l’émulation, et une émulation – mon Dieu – légitime, | [17] parce que Le Portrait de l’Artiste ou plus exactement Un Portrait de l’Artiste, de l’Artiste qu’il faut écrire en y mettant tout l’accent sur le « le » qui bien sûr en anglais n’est pas tout à fait notre article défini à nous; mais on peut faire confiance à Joyce : s’il a dit « le » c’est bien qu’il pense que d’artiste, c’est lui le seul, que là il est singulier.
Aber dann wird es natürlich ein Nacheifern geben, und ein, mein Gott, legitimes Nacheifern, weil Das Porträt des Künstlers oder genauer Ein Porträt des Künstlers, des Künstlers, den man in der Weise schreiben muss, dass man dabei den ganzen Akzent auf das „des“ setzt, das im Englischen natürlich nicht ganz dasselbe ist wie unser bestimmter Artikel; wir können Joyce aber vertrauen: wenn er „des Künstler” gesagt hat, dann deshalb, weil er denkt, dass er der einzige Künstler ist, dass er darin einzigartig ist.77
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« As » a Young Man, c’est très suspect, car en français, ça se traduirait par « comme », autrement dit, ce dont il s’agit c’est du comment.
„As“ a young man, das ist wirklich suspekt, denn im Französischen wäre das mit comme zu übersetzen, anders gesagt, es geht um das comment, um das wie.78
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Le français là-dessus est, est indicatif, est indicatif de ceci : c’est que quand on parle « comme » en se servant d’un adverbe, quand on dit : réellement, mentalement, héroïquement, l’adjonction de ce ment est déjà en soi suffisamment indicative, indicative de ceci : c’est qu’on ment.
Das Französische ist hierzu aufschlussreich, von daher aufschlussreich, dass man hier, wenn man von comme – von „wie“ – in der Weise spricht, dass man sich dabei eines Adverbs bedient, wenn man réelle-ment sagt, realer-weise, mentale-ment, mentaler-weise, héroïque-ment, heroischer-weise, dann gibt die Hinzufügung dieses -ment an sich schon genügend Aufschluss darüber, qu’on ment, dass man lügt.
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Il y a du mensonge indiqué dans tout adverbe, et ce n’est pas là accident.
In jedem Adverb wird eine Lüge angezeigt und das ist kein Zufall.
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Quand nous interprétons, nous devons y faire attention.
Wenn wir deuten, müssen wir darauf achtgeben.79
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Quelqu’un qui n’est pas très loin de moi, faisait la remarque à propos de la langue en tant qu’elle désigne l’instrument de la parole, que c’était aussi la langue qui portait les papilles dites du goût.
Jemand, der mir nicht sehr fern steht, machte mal eine Bemerkung über die Zunge, insofern sie das Werkzeug des Sprechens bezeichnet, nämlich dass es ebenfalls die Zunge ist, die die sogenannten Geschmackspapillen trägt.80
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Eh bien, je lui rétorquerai que c’est pas pour rien que ce qu’on dit ment / ce condiment. (Lachen).
Nun, ich möchte ihm hiermit erwidern, |{17} dass es nicht umsonst so ist, dass ce qu’on dit ment / ce condiment – was man sagt, lügt / dieses Gewürz. (Lachen)
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Vous avez la bonté de rigoler ( Lachen ), mais c’est pas drôle.
Sie haben die Güte zu lachen (Lachen), aber das ist nicht komisch.
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Car en fin de compte nous n’avons que ça comme arme contre le symptôme : l’équivoque.
Denn als Waffe gegen das Symptom haben wir letztlich nur dies: die Mehrdeutigkeit.
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Il arrive que je me paie le luxe de… de « contrôler » on appelle ça, un certain nombre, un certain nombre de gens qui se sont autorisés eux-mêmes – selon ma formule – à être analystes.
Es kommt vor, dass ich mir den Luxus leiste, eine Reihe von Leuten zu „supervidieren“, wie man das nennt, eine Reihe von Leuten, die sich, wie meine Formulierung lautet, selbst autorisiert haben, Analytiker zu sein.81
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Il y a deux étapes.
Es gibt zwei Phasen.
Il y a une étape où ils sont comme les rhinocéros : ils font à peu près n’importe quoi et je les approuve toujours.
Es gibt eine Phase, in der sie wie die Nashörner sind: Sie machen mehr oder weniger irgendwas und ich stimme ihnen immer zu.82
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Ils ont en effet toujours raison.
Sie haben tatsächlich immer recht.83
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La deuxième étape consiste à jouer de cette équivoque qui pourrait libérer du sinthome, car c’est uniquement par l’équivoque que l’interprétation opère.
Die zweite Phase besteht darin, mit der Mehrdeutigkeit zu spielen, die vom Sinthom befreien könnte, denn die Deutung wirkt einzig und allein durch die Mehrdeutigkeit.
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Il faut qu’il y ait quelque chose dans le signifiant qui résonne.
Im Signifikanten muss etwas geben, das resoniert.84
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Il faut dire que on est surpris que les philosophes anglais, ça ne leur soit nullement apparu.
Man muss sagen, dass man erstaunt ist, dass dies den englischen Philosophen nicht aufgefallen ist, in keiner Weise.
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Je les appelle philosophes parce que ce ne sont pas des psychanalystes.
Philosophen nenne ich sie, weil es keine Psychoanalytiker sind.
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Ils croient dur comme fer à ce que la parole ça n’a pas d’effet.
Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass das Sprechen keine Wirkung hat.
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Ils ont tort.
Sie irren sich.
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Ils s’imaginent qu’il y a des pulsions, et encore quand ils veulent bien ne pas traduire pulsion par « instinct », ils ne s’imaginent pas que les pulsions c’est l’écho dans le corps du fait qu’il y a un dire.
Sie nehmen an, dass es Triebe gibt, und selbst wenn sie Trieb nicht mit „instinct“ übersetzen wollen85, nehmen sie nicht an, dass die Triebe das Echo im Körper der Tatsache sind, dass es ein Sagen gibt.
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Mais que ce dire, pour qu’il résonne, pour qu’il consonne … pour employer un autre mot du Saint Thomas d’Aquin … pour qu’il consonne, il faut que le corps y soit sensible, et qu’il l’est, c’est un fait.
Dafür aber, dass dieses Sagen resoniert, dass es konsoniert – um ein weiteres Wort des Heiligen Thomas von Aquin zu verwenden –, dass es konsoniert, dafür muss der Körper empfänglich sein, und dass er es ist, ist eine Tatsache.[/note]Für Thomas von Aquin ist die consonantia (der „Zusammenklang“, der „Einklang“) eines der drei Merkmale der Schönheit.[/note]
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C’est parce que le corps a quelques orifices dont le plus important… dont le plus important parce qu’il peut pas se boucher, se clore …dont le plus important est l’oreille, parce qu’il peut pas se fermer, que c’est à cause de ça que répond dans le corps ce que j’ai appelé la voix.
Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste – da sie nicht wie der Mund verschlossen werden kann, nicht zugemacht werden kann –, deren wichtigste das Ohr ist, da es sich nicht verschließen kann, aus diesem Grunde antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe.86
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[18] L’embarrassant est assurément qu’il n’y a pas que l’oreille, et que lui fait une concurrence éminente le regard.
Ärgerlich ist natürlich, dass es nicht nur das Ohr gibt und dass ihm der Blick starke Konkurrenz macht.87
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More geometrico, à cause de la forme chère à Platon, l’individu se présente comme il est foutu : comme un corps.
More geometrico88 – aufgrund der Form, die Platon so schätzte89, präsentiert das Individuum sich so, wie es gebaut ist: als ein Körper.
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Ce corps a une puissance de captivation qui est telle que, jusqu’à un certain point, c’est les aveugles qu’il faudrait envier.
Dieser Körper hat eine derart fesselnde Kraft, dass man bis zu einem gewissen Punkt die Blinden beneiden sollte.
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Comment est-ce qu’un aveugle, si tant est qu’il se serve du braille, peut lire Euclide ?
Wie kann ein Blinder, |{18} wenn er Brailleschrift verwendet, Euklid lesen?90
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L’étonnant est ceci que je vais énoncer, c’est que la forme ne livre que le sac, ou si vous voulez la bulle.
Das Erstaunliche ist das, was ich sagen werde, nämlich dass die Form nur den Sack liefert oder, wenn Sie so wollen, die Blase.91
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Elle est quelque chose qui se gonfle, et dont j’ai déjà dit les effets à propos de l’obsessionnel, qui en est féru plus qu’un autre.
Sie ist etwas, das sich aufbläht und und wovon ich die Wirkungen bereits erwähnt habe, bezogen auf den Zwangsneurotiker, der davon mehr als andere besessen ist.92
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L’obsessionnel… ai-je dit, quelque part, on me l’a rappelé récemment …c’est quelque chose de l’ordre de la grenouille qui veut se faire aussi grosse que le boeuf.
Der Zwangsneurotiker – habe ich irgendwo gesagt, man mich kürzlich daran erinnert – ist so etwas wie der Frosch, der sich so groß wie der Ochse machen will.93
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On en sait les effets, par une fable.
Die Folgen sind bekannt, aus einer Fabel.94
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Il est particulièrement difficile, on le sait, d’arracher l’obsessionnel à cette emprise du regard.
Den Zwangsneurotiker dem Erfasstsein durch den Blick zu entreißen, ist bekanntlich besonders schwierig.
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Le sac, en tant qu’il s’imagine dans la théorie de l’ensemble, telle que l’a fondée Cantor, se manifeste, voire se démontre… si toute démonstration est tenue pour démontrer l’imaginaire qu’elle implique …ce sac – dis-je – mérite d’être connoté d’un ambigu de un et de zéro, seul support adéquat de ce à quoi confine l’ensemble vide qui s’impose dans cette théorie.
Der Sack, wie er in der Mengenlehre imaginiert wird, wie sie von Cantor begründet wurde95, dieser Sack wird manifest, ja sogar demonstriert – wenn jede Beweisführung so aufgefasst wird, dass sie das darin enthaltene Imaginäre demonstriert96 –, dieser Sack, sage ich, verdient es, durch eine Ambiguität von Eins und Null konnotiert zu werden, der einzigen Stütze, die dem angemessen ist, woran die leere Menge, die sich in dieser Theorie aufnötigt, angrenzt.
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D’où notre scription : S indice 1 [S1], je precise, qu’elle se lit comme ça; elle fait pas l’un, mais elle l’indique comme pouvant ne rien contenir, être un sac vide.
Von daher unsere Schreibweise S1 – ich präzisiere, dass sie so gelesen wird: S Index 1 –, sie bildet nicht die Eins, sie verweist jedoch auf sie als etwas, das auch nichts enthalten kann, das ein leerer Sack sein kann.97.
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Il n’en reste pas moins qu’un sac vide reste un sac, soit l’un qui n’est imaginable que de l’ex-sistence et de la consistance qu’a le corps, qu’a le corps d’être pot/peau.
Das ändert nichts daran, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er pot/peau ist, Topf/Haut.98
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Il faut les tenir… cette ex-sistence et cette consistence …pour réelles, puisque le réel c’est de les tenir.
Sie müssen für real gehalten werden, diese Ex-sistenz und diese Konsistenz, da das Reale das ist, sie zu zusammenzuhalten.99 .
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D’où le mot Begriff qui veut dire ça.
Von daher das Wort Begriff*, das eben dies bedeutet.100 .
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L’Imaginaire montre ici son homogénéité au réel, et qu’elle ne tient – cette homogénéité – qu’au fait du nombre, en tant qu’il est binaire, 1 ou 0, c’est-à-dire qu’il ne supporte le 2 que de ce qu’1 ne soit pas 0, qu’il ex-siste au 0, mais n’y consiste en rien.
Das Imaginäre zeigt hier seine Homogenität mit dem Realen und dass sie, diese Homogeneität, nur mit dem Faktum der Zahl zusammenhängt, insofern die Zahl binär ist, 1 oder 0, das heißt, dass sie101 die 2 nur dadurch stützt, dass 1 nicht 0 ist, dass sie der 0 ex-sistiert, aber keineswegs daraus „konsistiert“, nicht daraus besteht.102
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C’est ainsi que la théorie de Cantor doit repartir du couple, mais qu’alors l’ensemble y est tiers.
Auf diese Weise muss die Theorie von Cantor wieder vom Paar ausgehen, zu dem dann jedoch die Menge das Dritte ist.103
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De l’ensemble premier à ce qui est l’autre104, la jonction ne se fait pas.
Zwischen der ersten Menge und dem, was die andere ist, stellt die Verbindung sich nicht her.105 .
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C’est bien en quoi le symbole en remet sur l’imaginaire, lui a l’indice 2 [S2], c’est-à-dire qu’indiquant qu’il est couple, il introduit la division dans le sujet – quel qu’il soit – de ce qui s’y énonce de fait [fɛ], le fait [fɛ] restant suspendu à l’énigme de l’énonciation qui n’est que fait [fɛ] fermé sur lui : le fait [fɛ] du fait [fɛ], comme on l’écrit, [lə fɛt dy fɛ] | [19] ou [lə fɛ dy fɛt], comme ça se dit, égaux en fait [ɑ̃fɛt], équivoques et équivalents, et par là limite du dit.
Insofern setzt das Symbol auf das Imaginäre eins drauf; das Symbol hat den Index 2 [S2], und das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, in welches auch immer, durch das, was hier faktisch ausgesagt wird, wobei dieses Faktum vom Rätsel des Aussagens abhängig bleibt,106, das nur ein in sich |{19} geschlossenes Faktum ist, le fait du fait, so schreibt man das, das Faktum des Faktums, gesprochen wird es [lə fɛt dy fɛ] – auch le faîte du fait, der Gipfel des Faktums – oder [lə fɛ dy fɛt] – auch le fait fu faîte, das Faktum des Gipfels –, égaux en fait [ego ɑ̃ fɛt] – faktisch gleich –, Äquivokationen und Äquivalente und dadurch Grenze des Gesagten.107
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L’inouï est que les hommes aient très bien vu que le symbole ne pouvait être qu’une pièce cassée, et ce – si je puis dire – de tous temps, mais qu’ils n’aient pas vu à l’époque… à l’époque de ce tous temps …que cela comportait l’unité et la réciprocité du signifiant et du signifié, conséquemment que le signifié d’origine ne veut rien dire, qu’il n’est qu’un signe d’arbitrage entre deux signifiants, mais de ce fait pas d’arbitraire pour le choix de ceux-ci.
Es ist unglaublich, dass die Menschen sehr deutlich gesehen haben, dass das Symbol nur ein zerbrochenes Stück sein konnte108, und dies, wenn ich so sagen darf, zu allen Zeiten, dass sie aber zu der Zeit – zur Zeit dieses zu allen Zeiten – nicht gesehen haben, dass dies die Einheit und die Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich brachte109 und dass folglich das ursprüngliche Signifikat nichts bedeutet, dass es nur ein Zeichen der Arbitrage für die Wahl zwischen zwei Signifikanten ist, deshalb jedoch keineswegs ein Zeichen für das Arbiträre der Wahl zwischen ihnen.110
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Il n’y a d’umpire… umpire pour le dire en anglais, c’est comme ça que Joyce l’écrit …qu’à partir de l’empire, de l’imperium sur le corps, comme tout en porte la marque dès l’ordalie.
Umpire gibt es nur – umpire, um es auf Englisch zu sagen, so schreibt es Joyce –, gibt es nur ausgehend vom [frz.] empire, vom Imperium über den Körper, wie alles dessen Markierung trägt, vom Ordal an.111
Ici, le 1 confirme son détachement d’avec le 2.
Die 1 bestätigt hier ihre Ablösung von der 2.
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Il ne fait 3 que par forçage imaginaire, celui qui impose qu’une volonté suggère à l’un de molester l’autre, sans être lié à aucun. Ouais…
Sie macht 3 nur durch imaginäres Aufhetzen, ein Aufhetzen, das dazu nötigt, dass ein Wille dem einen nahelegt, den anderen zu belästigen, ohne an einen von ihnen gebunden zu sein. Jawohl.
Wappen der Familie Borromeo112
Ausschnitt aus dem Borromeo-Wappen
Pour que la condition fût expressément posée de ce qu’à partir de trois anneaux, on fît une chaîne telle que la rupture d’un seul rendît – l’un de l’autre – les deux autres libres, quels qu’ils fussent… car dans une chaîne l’anneau du milieu, si je puis dire de cette façon abrégée, réalise ça : les deux autres libres, quels qu’ils fussent …il a fallu qu’on s’aperçût que c’était inscrit aux armoiries des Borromée, que le nœud – de ce fait dit borroméen – était déjà là sans que personne se fût avisé d’en tirer conséquence.
Damit ausdrücklich die Bedingung gestellt wurde, dass man ausgehend von drei Ringen eine Verkettung so bildet, dass das Auftrennen eines beliebigen einzigen Ringes die beiden anderen voneinander befreit, welche sie auch seien – in einer Kette wird dies ja, wenn ich das so verkürzt sagen kann, durch den mittleren Ring realisiert –, die beiden anderen, welche sie auch seien, voneinander befreit, hierfür musste zunächst registriert werden, dass dies in das Wappen der Borromäer eingetragen war, dass also der aus diesem Grunde borromäisch genannte Knoten bereits da war, ohne dass jemand auf den Gedanken gekommen wäre, Konsequenzen daraus zu ziehen.
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C’est bien là, c’est bien là que gît ceci : que c’est une erreur de penser que ce soit une norme pour le rapport de trois fonctions qui n’existent… l’une à l’autre dans leur exercice …que chez l’être qui de ce fait se croit être homme.
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)113
Eben daran liegt es, dass es ein Irrtum ist zu denken, dies sei eine Norm für die Beziehung zwischen drei Funktionen, die in ihrer gemeinsamen Realisierung nur bei dem Wesen existieren, das sich von daher |{20} für einen Menschen hält.
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Ce n’est pas que soient rompus le symbolique, l’imaginaire et le réel qui définit la perversion, c’est que ils sont déjà distinctes114, et qu’il en faut supposer un quatrième… qui est le sinthome en l’occasion …qu’il faut supposer tétradique ce qui fait le lien borroméen, que perversion ne veut dire que version vers le père, et qu’en somme le père est un symptôme ou un sinthome, comme vous le voudrez.
Die Perversion ist nicht dadurch definiert, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen wären, sondern dadurch, dass sie bereits unterschieden sind und man ein viertes Element annehmen muss, nämlich das Sinthom, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, dass Perversion nichts anderes besagt als version vers le père, Wendung zum Vater, und dass der Vater kurzgesagt nur ein Symptom ist oder ein sinthome / ein saint homme – ein heiliger Mann –, wie Sie wollen.
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L’ex-sistence du symptôme c’est ce qui est impliqué par la position même, celle qui suppose ce lien – de l’imaginaire, du symbolique et du réel – énigmatique.
Die Ex-sistenz des Symptoms ist das, was in der Position selbst impliziert ist, in derjenigen, durch die das rätselhafte Band des Imaginären, des Symbolischen und des Realen unterstellt wird.
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Si vous trouvez quelque part… je l’ai déjà dessiné …ceci qui schématise le rapport de l’imaginaire, du symbolique et du réel en tant que séparés l’un de l’autre, vous avez déjà, dans mes précédentes figurations, mis à plat leur rapport, la possibilité de les lier – par quoi ? – Par le sinthome.
Links: drei getrennte Ringe. Rechts: ihre Verbindung durch den vierten Ring des Sinthoms (Σ)115
Wenn Sie irgendwo – ich habe es bereits gezeichnet – das finden, wodurch das Verhältnis des Imaginären, des Symbolischen und des Realen schematisch so dargestellt wird, dass sie voneinander getrennt sind, dann haben Sie bereits in meinen früheren geplätteten Darstellungen ihrer Beziehung die Möglichkeit, sie zu verbinden. Wodurch? Durch das Sinthom.
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Si j’avais ici un craie de couleur…
|{21} Wenn ich hier eine farbige Kreide hätte …
Gloria Gonzalez116:
De quelle couleur vous la voulez ?
In welcher Farbe möchten Sie sie?
Lacan:
Comment ?
Wie?
Gonzales:
De quelle couleur ?
In welcher Farbe?
Lacan:
Rouge, si vous le voulez bien.
Rot, wenn das möglich ist.
Vous êtes vraiment trop gentille.
Sie sind wirklich zu freundlich.
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[20] Tout dépend de ceci : C’est que à rabattre ce grand S… c’est-à-dire ce qui s’affirme de la consistance du symbolique …à le rabattre, comme il est plausible, je veux dire offert, à le rabattre d’une façon qui se trace ainsi, vous avez… si cette figure est correcte, je veux dire que glissant sous le réel, c’est évidemment aussi sous l’imaginaire qu’il doit se trouver, à ceci près qu’ici, c’est sur le symptômatique qu’il doit passer …vous vous trouvez dans la position suivante, c’est qu’à partir de quatre, ce qui se figure est ceci :
[an der Tafel:]
c’est à savoir que vous aurez le rapport suivant, ici par exemple, l’imaginaire, le réel, et le symptôme que je vais figurer d’un sigma, Σ, et le symbolique, mais que chacun d’entre eux est échangeable.
Alles hängt von Folgendem ab: Wenn Sie dieses groß S umklappen, also das, was sich von der Konsistenz des Symbolischen her behauptet, wenn Sie es umklappen wie es plausibel ist, ich meine, wie es sich anbietet, wenn Sie es auf eine Weise umklappen, die so gezeichnet wird, dann haben Sie, falls diese Figur korrekt ist – ich meine, dass es unter dem Realen durchgeht und es offensichtlich ebenfalls unter dem Imaginären sein muss, abgesehen davon, dass es hier über das Symptomatische laufen muss –, dann sind Sie in der folgenden Position, dass sich das ausgehend von vieren so darstellt:
[an der Tafel:]
das heißt, Sie erhalten das folgende Verhältnis: hier zum Beispiel das Imaginäre, das Reale und das Symptom, das ich mit einem Sigma darstellen werde, Σ, sowie das Symbolische, dass aber jedes von ihnen austauschbar ist.
Expressément ; de un à deux peut s’invertir en deux à un, de trois à quatre peut s’invertir de quatre à trois, d’une façon qui, j’espère, vous paraît simple:
[an der Tafel]
R S Σ I
1 2 3 4
2 1 4 3
Um es ausdrücklich zu sagen, die Beziehung von 1 zu 2 kann umgekehrt werden in die Beziehung von 2 zu 1, die von 3 zu 4 kann umgekehrt werden in die von 4 zu 3, auf eine Weise, die Ihnen, wie ich hoffe, als einfach erscheint.
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[21] Mais nous nous trouvons de ce fait dans la situation suivante, c’est que ce qui est un à deux voire deux à un, pour avoir dans son milieu, si l’on peut dire, le Σ et le S, doit faire… c’est précisément ici que c’est figuré …doit faire que le symptôme et le symbole se trouvent pris d’une façon telle… il faudrait que je vous montre par quelque figuration simple …d’une façon telle que il y en a… comme vous le voyez là-bas …qu’il y en a quatre qui sont… vous le voyez là …il y en a quatre qui sont tirés par le grand R ; et ici c’est d’une certaine façon que le I se combine en passant au-dessus du symbole ici figuré, et au-dessous du symptôme.
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Symbolisches und Symptom zwischen Realem und Imaginärem117
Dadurch sind wir aber in der folgenden Situation: Was 1 zu 2 ist beziehungsweise 2 zu 1, muss bewirken, da es in seiner Mitte, wenn man so sagen kann, das Σ und das S hat – so ist das hier dargestellt –, muss bewirken, dass das Symptom und das Symbol auf eine Weise gehalten werden – ich müsste Ihnen das durch eine einfache Darstellung zeigen –, |{22} dass sie auf eine Weise gehalten werden, dass es – wie Sie dort sehen –, dass es vier gibt, die – Sie sehen es da –, dass es vier gibt, die vom großen R gezogen werden; und hier verbindet sich das I auf spezielle Weise, indem es über dem hier dargestellten Symbol und unter dem Symptom verläuft.118
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C’est toujours sous cette forme que se présente le lien, le lien que j’ai exprimé ici par l’opposition du R au I.
In dieser Gestalt präsentiert sich die Verbindung immer, die Verbindung, die ich hier durch die Opposition von R und I ausgedrückt habe.
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Autrement dit, les deux – symptôme et symbole – se présentent de façon telle que ici, un des deux termes les prend dans leur ensemble, alors que l’autre passe, disons sur celui qui est au-dessus et sous celui qui est au-dessous.
Anders gesagt, diese beiden, Symptom und Symbol, präsentieren sich so, dass eines der beiden Enden sie hier in ihrer Gesamtheit nimmt, während das andere, sagen wir, über den hinweg läuft, der oben ist und unter dem, der unten ist.
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C’est la figure que vous obtenez régulièrement dans une tentative de faire le nœud borroméen à quatre et c’est celle que j’ai mis ici, sur l’extrême droite.
Borromäische Verkettung von vier Ringen119
Das ist die Figur, die Sie regelmäßig erhalten, wenn Sie versuchen, den borromäischen Viererknoten zu bilden, und das ist die, die ich hierhin gesetzt habe, rechts außen.
Le complexe d’Œdipe, comme tel, est un symptôme.
Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom..
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C’est en tant que le Nom-du-Père est aussi le père du nom que tout se soutient, ce qui ne rend pas moins nécessaire le symptôme.
Alles wird insofern gestützt, als der Name-des-Vaters auch der Vater des Namens ist – wodurch das Symptom nicht weniger notwendig ist. .
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Cet Autre dont il s’agit, c’est ce quelque chose qui dans Joyce se manifeste par ceci : qu’il est en somme chargé de père.
Dieser Andere, um den es geht, ist jenes Etwas, das sich bei Joyce darin zeigt, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist..
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C’est dans la mesure où ce père… comme il s’avère dans l’Ulysses …il doit le soutenir pour qu’il subsiste, que Joyce par son art… son art qui est toujours le quelque chose qui, du fond des âges, nous vient comme issu de l’artisan …c’est par son art que Joyce fait subsister non seulement sa famille, mais l’illustre si l’on peut dire, et du même coup illustre ce qu’il appelle quelque part my country.
In dem Maße, indem er diesen Vater, wie sich im Ulysses herausstellt, stützen muß, damit er fortbesteht120, lässt Joyce durch seine Kunst, son art, die immer etwas ist, das uns, ausgehend vom Handwerker, vom artisan, vom Grunde der Zeiten her erreicht121, lässt Joyce durch seine Kunst nicht nur seine Familie fortbestehen, sondern er „illustriert“ sie, wenn man so sagen kann – er macht sie illuster –, und zugleich „illustriert“ er das, was er irgendwo my country nennt.122
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L’esprit incréé – dit-il – de sa race… c’est ce par quoi finit Le Portrait de l’Artiste …c’est là ce dont il se donne la mission.
Der ungeschaffene Geist, sagt er, seiner |{23} Rasse – damit endet das Porträt des Künstlers –, das ist der Auftrag, den er sich gibt.123 .
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En ce sens, j’annonce ce que va être cette année mon interrogation sur l’art : en quoi l’artifice peut-il viser expressément ce qui se présente d’abord comme symptôme ?
In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst, sur l’art, sein wird: Auf welche Weise kann l’artifice, der Kunstgriff / das Artefakt, ausdrücklich auf das abzielen, was sich zunächst als Symptom darstellt?
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En quoi l’art, l’artisanat peut—il déjouer, si l’on peut dire, ce qui s’impose du symptôme – à savoir quoi ? – | [23] mais ce que j’ai figuré dans mes deux tétraèdres : la vérité.
Auf welche Weise kann l’art, l’artisanat – können Kunst und Handwerk – das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom her aufnötigt? Nämlich was? Das, was ich in meinen beiden Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.124
Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses in einen Tetraeder125
La vérité, où est-elle dans cette occasion ?
Wo ist sie hierbei, die Wahrheit?
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J’ai dit qu’elle était quelque part dans le discours du maître, comme supposée dans le sujet, en tant que divisé il est encore sujet au fantasme.
Ich habe gesagt, im Diskurs des Herrn ist sie etwas, das irgendwo im Subjekt unterstellt wird; insofern es gespalten ist, ist es noch dem Phantasma unterworfen.126
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C’est, contrairement à ce que j’avais figuré d’abord, c’est ici, au niveau de la vérité que nous devons considérer le mi-dire.
Das heißt, dass wir hier auf der Ebene der Wahrheit – im Gegensatz zu dem, was ich zunächst dargestellt hatte – das Halbsagen in Betracht ziehen müssen.127
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C’est-à-dire que le sujet, à cette étape128, ne peut se représenter que du signifiant indice 1 [S1], que le signifiant indice 2 [S2], c’est très précisément ce qui se représente de la… pour le figurer comme je l’ai fait tout à l’heure …de la duplicité du symbole et du symptôme.
Das heißt, dass in diesem Stadium das Subjekt nur durch den Signifikanten Index 1, S1, repräsentiert werden kann und dass der Signifikant Index 2, S2, eben das ist, was – um es so darzustellen, wie ich es eben getan habe –, was durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird.129
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Là est l’artisan, l’artisan en tant que par la conjonction de deux signifiants, il est capable de produire ce que tout à l’heure j’ai appelé l’objet a ou plus exactement je l’ai illustré du rapport à l’oreille et à l’œil, voire évoquant la bouche close.
Da ist der Handwerker, der Handwerker, insofern er in der Lage ist, durch die Verbindung von zwei Signifikanten das zu produzieren, was ich eben Objekt a genannt habe oder genauer, ich habe es durch das Verhältnis zum Ohr und zum Auge illustriert sowie auch dadurch, dass ich auf den geschlossenen Mund angespielt habe.130
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C’est bien en tant que le discours du maître règne, que S2 se divise, et cette division, c’est la division du symbole et du symptôme.
{24} Soweit der Diskurs des Herrn bestimmend ist, spaltet sich das S2, und diese Spaltung ist die in Symbol und Symptom.
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Mais cette division du symbole et du symptôme, elle est si l’on peut dire, reflétée dans la division du sujet.
Die Spaltung in Symbol und Symptom reflektiert sich jedoch, wenn man so sagen kann, in der Spaltung des Subjekts.
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C’est parce que le sujet c’est ce qu’un signifiant représente auprès d’un autre signifiant que nous sommes nécessités par son insistance, à montrer que c’est dans le symptôme que un de ces deux signifiants du symbolique, prend son support.
Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, werden wir durch sein Insistieren genötigt131, zu zeigen, dass einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.
En ce sens, on peut dire que dans l’articulation du symptôme au symbole, il n’y a, je dirai qu’un faux trou..
Falsches Loch zwischen den Ringen des Symbolischen und des Symptoms
In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Artikulation des Symptoms mit dem Symbol lediglich ein, so möchte ich sagen, falsches Loch gibt.132
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Si nous supposons la consistance… consistance d’une quelconque de ces fonctions, symbolique, imaginaire et réel …si nous supposons cette consistance comme faisant cercle, ceci suppose un trou.
Wenn wir die Konsistenz annehmen – die Konsistenz irgendeiner dieser Funktionen, symbolisch, imaginär oder real –, wenn wir annehmen, dass diese Konsistenz einen Kreis bildet, dann unterstellt das ein Loch. .
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Mais dans le cas du symbole et du symptôme, c’est autre chose dont il s’agit : | [24] ce qui fait trou c’est l’ensemble – c’est l’ensemble pliés l’un sur l’autre – de ces deux cercles.
Im Falle des Symbols und des Symptoms geht es jedoch um etwas anderes: das, wodurch ein Loch gebildet wird, ist die Gesamtheit – die übereinander geklappte Gesamtheit – dieser beiden Kreise.
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Ici, comme l’a assez bien figuré Soury… pour l’appeler par son nom, je sais pas s’il est ici …il faut encadrer par quelque chose qui ressemble à une soufflure, à ce que nous appelons dans la topologie, un tore.
Hier muss man, wie es Soury – um ihn beim Namen zu nennen, ich weiß nicht, ob er hier ist133 –, wie Soury es ziemlich gut dargestellt hat, hier muss man <das> durch etwas einrahmen, was einer Luftkammer ähnelt und was wir in der Topologie als Torus bezeichnen.
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Il faut cerner chacun de ces trous dans quelque chose qui les fait tenir ensemble, pour que nous ayons ici quelque chose qui puisse être qualifié du vrai trou.
Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, das sie zusammenhält, damit wir hier etwas haben, das als echtes Loch qualifiziert werden kann.134
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C’est dire que : il faut imaginer pour que ces trous subsistent, se maintiennent, supposer135 simplement ici une droite… ça remplira le même rôle …une droite pour peu qu’elle soit infinie.
Eine unendliche Gerade verwandelt das falsche Loch in ein echtes Loch.
{25} Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, erhalten bleiben, dass man hier einfach eine Gerade annehmen muss, das wird dieselbe Funktion erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich. .
Ce cercle – il faudra assurément que j’y revienne – le cercle a une fonction qui est bien connue de la police : le cercle ça sert à circuler et c’est bien en ça que la police a un soutien qui ne date pas d’hier.
Dieser Kreis – darauf werde ich sicherlich zurückkommen müssen –, der Kreis hat eine Funktion, die der Polizei wohlbekannt ist, der Kreis dient dem Zirkulieren, und darin hat die Polizei nicht erst seit gestern eine Stütze.136
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Hegel avait très bien vu, quelle en était la fonction, et il l’avait vu sous une forme qui n’est assurément pas celle dont il s’agit, ce qui est en question.
Hegel hatte sehr gut gesehen, was ihre Funktion ist, und er hatte es in einer Form gesehen, die gewiss nicht diejenige ist, um die es sich handelt, die in Frage steht.137
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Il s’agit pour la police, simplement que le tournage en rond se perpétue.
Für die Polizei handelt es einfach da-|{26} rum, dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht.
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Le fait que nous puissions, dans ce faux trou, faire l’adjonction, l’adjonction d’une droite infinie, et qu’à soi seul ceci fasse de ce faux trou, un trou qui borroméennement subsiste, c’est là le point sur lequel je m’arrête aujourd’hui.
Die Tatsache, dass wir zu diesem falschen Loch etwas hinzufügen können, dass wir eine unendliche Gerade hinzufügen können und dass bereits dies aus dem falschen Loch ein Loch macht, das auf borromäische Weise Bestand hat, das ist der Punkt, mit dem ich heute aufhöre.138
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN UND FRAGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen, Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine erläuternden Ergänzungen, Passagen in eckigen Klammern, die mit zwei Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern in grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
Titel und Themen des Seminars
Sinthom
{9} Lacan weist darauf hin, dass er dieses Seminar mit dem Titel Le sinthome angekündigt hatte (hier mit Das Sinthom übersetzt). Sinthome ist eine ältere Schreibweise für das, was dann später symptôme heißen sollte (auf Deutsch: Symptom).
[Die Schreibweise sinthome findet man in der Zeit der Inkunablen, also zwischen 1450 und 1550 (sagt Lacan in der Ankündigung des Seminars eine Woche zuvor bei den Studientagen der ELP). Die Schreibweise symptôme orientiert sich am Griechischen: sun ptōma, „zusammen“ und „Fall“, also „das Zusammenfallende“.]
[Das französische Wort sinthome ist lautgleich mit saint homme („heiliger Mann“) und mit Saint Thome (Abkürzung für „Heiliger Thomas“). Die altertümliche Schreibweise evoziert eine These zum Symptom: Das Symptom beruht darauf, dass ein heiliger Mann ins Spiel kommt (dass der Vater zum heiligen Mann wird); Lacan wird später in dieser Sitzung darauf zurückkommen.]
[Die Änderung der Schreibweise mit der Überlagerung zweier Sprachen erinnert zugleich an die literarische Technik von Joyce, vor allem in Finnegans Wake. Auch das bezieht sich auf das Thema des Seminars: Die Frage des Symptoms soll anhand von Joyce und der Joyce’schen Schreibkunst untersucht werden.]
[Auf den Tonaufnahmen sind sinthome und symptôme gut zu unterscheiden, vorausgesetzt, die Qualität der Aufnahme stimmt einigermaßen. Lacan spricht sehr deutlich und man hört, ob er das Wort ohne p oder mit p spricht.]
[Damit wird eine erste Frage aufgeworfen: Ist Sinthom nur eine andere Schreibweise für Symptom oder unterscheidet Lacan zwei psychische Formationen, das Symptom und das Sinthom? Falls es zwei Formationen sind, wie verhalten sie sich zueinander? Miller und Morel deuten es in ihren Sinthom-Kommentaren so: das Sinthom ist eine Modifikation des ursprünglichen Symptoms.139]
Joyce
Die Veränderung der Schreibweise [die Ersetzung von sinthome durch symptôme] verweist auf ein historisches Ereignis, auf das [mit dem Renaissance-Humanismus verbundene] Injizieren des Griechischen in das Französische, das Französische ist „meine Lalangue“, sagt Lacan an dieser Stelle [er verwendet lalangue hier für eine Nationalsprache, nämlich das Französische, die Bedeutung von meine Lalangue ist „meine Muttersprache“]. Im Ulysses wünscht Joyce sich ebenfalls eine Hellenisierung, also ein Eindringen des Griechischen [im Roman wünscht sich das Buck Mulligan, der hier von Lacan als Sprecher von Joyce genommen wird. Mit dem Rückgang von der griechischen zur alten französischen Schreibweise betreibt Lacan an diesem Punkt eine Enthellenisierung des Französischen, seine Operation läuft den Ansprüchen von Mulligan bzw. Joyce zuwider.] Aber in welche Sprache soll das Griechische eindringen? Joyce geht es um Irland, und die Sprache Irlands ist das Gälische [heute ist es die offizielle Erstsprache der Republik Irland]. Joyce war jedoch gezwungen, Englisch zu schreiben [gewissermaßen die Sprache der Invasoren]. Joyce hat auf sehr spezielle Weise Englisch geschrieben. [Der Schriftsteller und Joyce-Übersetzer] Philippe Sollers [der Lacans Seminare besuchte] hat in einem Aufsatz in Tel Quel erklärt, Joyce habe auf eine Weise geschrieben, dass die englische Sprache nicht mehr existiert [vielleicht im Sinne von: dass sie nicht mehr als geschlossenes Sprachsystem existiert, da Joyce beständig Bezüge zu anderen Sprachen herstellt]. |{10} Allerdings hatte das Englische bereits vorher wenig Konsistenz [unter anderem aufgrund des starken Einflusses der französischen Sprache]. [Damit bringt Lacan den Begriff der Konsistenz ins Spiel, der bei der Beschreibung des borromäischen Knotens im vorangegangenen Seminar, RSI, eine Schlüsselrolle gespielt hatte und der auch in diesem Seminar für die Behandlung der Knoten wichtig werden wird. An dieser Stelle geht es Lacan speziell um die Inkonsistenz des Symbolischen.] Sollers hat außerdem gesagt, Joyce habe dem Englischen durch die Folge seiner Schriften etwas hinzugefügt, sodass man l’élangues schreiben müsse [also nicht les langues, die Sprachen, sondern, mit einem lautgleichen Neologismus, l’élangues]. Lacan deutet das als Anspielung auf l’élation, den Überschwang – die Sprache von Joyce hat etwas Überschwängliches. Joyce hat dem Englischen durch seine Werke also noch etwas [anderes] hinzugefügt [als den symbolischen Bezug auf andere Sprachen]: diesen Überschwang [mit dem Überschwang, der gehobenen Stimmung, sind wir bei den Affekten]. Vom Überschwang sagt man in der Psychiatrie, er sei der Ursprung eines bestimmten Sinthoms, nämlich der Manie, und Finnegans Wake gleicht insgesamt einer Manie. Joyce hat an Finnegans Wake so lange gearbeitet, dass es die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
[Das Schreiben von Joyce hat folgende Merkmale:
– Es steht in Beziehung zur Inkonsistenz des Englischen.
– Es hat im Falle von Finnegans Wake etwas mit einem Überschwang zu tun und ähnelt darin einer Manie.
– Joyce hat durch die Arbeit an Finnegans Wake die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.]
Symptom und Joyce
[Worin besteht die Verbindung zwischen diesen beiden Themen, zwischen dem Thema Symptom und dem Thema Joyce? Da Lacan sich hier vor allem zur Joyce’schen Art des Schreibens äußert, darf man vermuten, dass es ihm darum geht, die Beziehung zwischen der Joyce’schen Art des Schreibens und dem Symptom zu begreifen.]
Borromäische Verkettung von vier Komponenten
Lacan hat auf Drängen von Jacques Aubert [einem Joyce-Spezialist] den Eröffnungsvortrag zum [fünften internationalen] Joyce-Symposium [im Juni 1975 in Paris] gehalten. [Der Vortrag hatte den Titel Joyce das Symptom. Lacan hat diesen Vortrag später für den Druck so stark überarbeitet, dass es zwei sehr verschiedene Texte mit dem Titel Joyce das Symptom gibt: die Transkription des Vortrags (Joyce das Symptom I von 1975) und die Druckfassung (Joyce das Symptom II, Datum unklar, zwischen 1976 und 1979).]
Die Arbeit am Joyce-Vortrag hat Lacan dazu gebracht, das Seminarprogramm für dieses Jahr und damit auch den Seminartitel zu ändern. Er hatte [im vorangegangenen Seminar 22, RSI] angekündigt, dass das Folgeseminar 4, 5 und 6 heißen würde [was sich auf borromäische Verkettungen von vier, fünf und sechs Komponenten beziehen sollte, wie Lacan im RSI-Seminar erläutert hatte].en Wegen des Joyce-Vortrags [der seine Vorbereitungszeit für das Seminar verkürzt hatte] wird er sich jedoch mit der 4 begnügen [mit der borromäischen Verkettung von vier Komponenten]. [Die ersten drei Komponenten beziehen sich auf das Reale, das Symbolische und das Imaginäre, das weiß man aus den Seminaren 21 und 22. Der vierte Ring, so wird man später in dieser Sitzung erfahren, ist der des Symptoms bzw. Sinthoms; der Seminartitel Das Sinthom bezieht sich also auf den vierten Ring einer borromäischen Verkettung von vier Komponenten.] Über diese Programmänderung sei er erleichtert, sagt Lacan, denn es wäre ihm, so meint er, wohl kaum gelungen, alle drei Verkettungsformen darzustellen. Bereits die Konzeption der Vier [also der borromäischen Verkettung von vier Komponenten] sei für ihn schwierig.
[Die Seminarthemen sind also das Symptom, Joyce und die borromäische Verkettung von vier Komponenten.]
Der Weg der guten Logik
Lacan sagt über sich, er beerbe Freud, was eigentlich nicht seine Absicht gewesen sei. Er beerbt Freud, indem er sich auf die erste Generation der Freudschüler bezog, auf diejenigen, die sich in Wien trafen und die Freud seine Bande nannte. [? An welche Mitglieder dieser Gruppe knüpft Lacan vor allem an?] [Wo spricht Freud von „meiner Bande“?]
Er, Lacan, habe aus dem, was diese Generation auf unklare Weise artikuliert hatte, „in guter Logik“ etwas herausgezogen. Niemand von dieser Schülergeneration hat den Weg der „guten Logik“ verfolgt. [Im Folgenden skizziert Lacan, was er unter „guter Logik“ versteht.]
Benennung
[Lacan beginnt seine Skizze der guten Logik mit dem Benennen, d.h. mit einem Thema, das in der klassischen Logik „Begriff“ genannt wird.]
Warum das logische Vorgehen? Deshalb, weil die Natur dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht eine ist. [Bei „Natur“ darf man wohl an den von Lévi-Strauss betonten Gegensatz von Natur und Kultur denken, bei „Kultur“ vor allem an die Sprache. Inwiefern ist die Natur nicht „eine“? Wohl insofern als Einheit im Sinne der zusammenfassenden Ganzheit das Merkmal des Imaginären ist – die Natur ist nicht das Imaginäre, bildet keine Einheit.]
[Warum also ist das logische Vorgehen der Natur angemessen, insofern sie nicht eine ist?]
Die Natur ist das, was durch das Benennen ausgeschlossen wird, obwohl sie gerade das ist, was benannt werden soll. [Das Benennen, so hatte Lacan in Seminar 22 ausgeführt, erzeugt den Sinn, der auf der Verbindung des Symbolischen mit dem Imaginären beruht. Die Natur (das Reale) ist das, was durch den Sinn und damit durch die Benennung ausgeschlossen wird – das Benennen erzeugt gewissermaßen die Natur als Rest. In Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache hatte Lacan es (mit Hegel) so formuliert: Das Symbol manifestiert sich als Mord am Ding.]
{11} Das Benennen führt dazu, dass die Natur sich als Potpourri von Außer-Natur (oder Un-Natur) behauptet. [Die Sinngebung durch Benennung erzeugt einen Bereich des Nicht-Benennbaren: das Reale. Dieser Rest ist keine Einheit (die Natur ist nicht eine), sondern ein Potpourri, ein Sammelsurium. Dieses Potpourri behauptet sich: es ist wirksam, es gibt eine Art Widerkehr des Ausgeschlossenen. Lacans Formulierung erinnert an Freuds Rede von der polymorph-perversen Sexualität: polymorph = nicht eine; pervers = Un-Natur.]
Der Vorteil dieser Aussage [dass die Natur sich gegenüber der Benennung als Potpourri von Außer-Natur behauptet] ist der, dass man – wenn man dies berücksichtigt – Folgendes sieht: Das Benennen steht im Gegensatz zu dem, was das Gesetz der Natur zu sein scheint. Und damit hängt zusammen, dass es beim Menschen kein Verhältnis gibt, das auf natürliche Weise sexuell wäre. [Die sexuelle Beziehung einschließlich des Koitus ist beim Menschen durch das Benennen vermittelt und insofern nicht „natürlich“. Meist formuliert Lacan es so: Es gibt kein sexuelles Verhältnis. Man kann diesen Satz demnach unter anderem so auffassen: „Es gibt kein natürliches sexuelles Verhältnis.“]
[Das logische Vorgehen antwortet darauf, dass es kein natürliches sexuelles Verhältnis gibt.]
Das Fehlen einer natürlichen sexuellen Beziehung ist nichts, was den Menschen auszeichnet, es gibt noch andere Lebewesen, die das natürliche sexuelle Verhältnis nicht kennen [z.B. die Einzeller]. Dies kann man „logischerweise“ behaupten. [? Wieso „logischerweise“?]
Damit soll jedoch nicht gesagt werden, dass beim Menschen das Geschlecht nichts Natürliches wäre [es gibt beim Menschen durchaus eine biologische (anatomisch-hormonale) Zweigeschlechtlichkeit]. Man muss in jedem Einzelfall prüfen, ob es bei einer bestimmten Gattung von Lebewesen ein natürliches sexuelles Verhältnis gibt. Auf [die sogenannte Sexualität von] Bakterien [und deren Nicht-Beziehung] hatte er sich bereits früher [nämlich in Seminar 21] bezogen, ebenso auf die der Vögel, da diese Namen haben [also benannt werden]. [? Wo hatte sich Lacan zum sexuellen Verhältnis bei Vögeln geäußert?]
[Lacan setzt nun seine Adaption der biblischen Schöpfungsgeschichte fort, die er in Seminar 22, RSI, begonnen hatte. Dort hieß es:
„Na ja, die Namen-des-Vaters, das ist dies: das Symbolische, das Imaginäre und das Reale. Insofern in meinem Sinn – mit dem Gewicht, den ich vorhin dem Wort Sinn gegeben habe –, insofern die Namen-des-Vaters eben dies ist: die ersten Namen, insofern sie etwas benennen, ist – wie das, ja genau, wie das von der Bibel angezeigt wird, bezogen auf dieses außergewöhnliche Dingsda, das dort Vater genannt wird –, ist die erste Zeit dieser menschlichen Imagination, nämlich Gottes, dem gewidmet, einen Namen zu geben – mein Gott! –, einen Namen für etwas, das nicht gleichgültig ist, einen Namen für jedes der Tiere.
(…)
Es [das Sprechwesen] benennt die Dinge, wie ich das hier eben in Erinnerung gerufen habe, bezogen auf dieses erste Herumalbern der Bibel, es benennt sie im irdischen Paradies, es benennt die Dinge für das Sprechwesen, also für das Wesen, das selbst eine Tierart ist, sich davon jedoch auf einzigartige Weise unterscheidet. Es ist nur insofern ein Tier – denn Tier, das heißt nichts anderes als dies, dass man das Tier dadurch charakterisiert, wie es sich reproduziert, geschlechtlich oder ungeschlechtlich –, eben das ist ein Tier: das, was sich reproduziert.“140
Gemeint ist vermutlich: Gott, ein Produkt der Einbildungskraft, kümmert sich insofern um die Benennung der Tiere, als er dem Menschen (Adam) den Auftrag gibt, die Tiere für die anderen Menschen zu benennen.
Auf die Benennung der Tiere durch Adam hatte Lacan sich bereits in früheren Seminaren bezogen: in Seminar 2, Das Ich in der Theorie Freuds141 und in Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse142.]
Die Schöpfung wird als göttlich bezeichnet. Göttlich an ihr ist allein, dass sie sich auf die Benennung bezieht [sie bezieht sich auf die Schöpfung aus dem Nichts durch den Signifikanten, also dadurch, dass Gott spricht]. [Der Name-des-Vaters hat die Funktion, den Dingen einen Namen zu geben, heißt es in Seminar 22 (Sitzung vom 11. März 1975).] Als Gott dem mythischen Urmenschen den Auftrag gab, alle Tiere zu benennen, hat er ihn verulkt; zu beachten ist, dass das Bakterium nicht benannt wird. [Das hebräische Wort Adam bedeutet „Mensch“. Der biblischen Schöpfungsgeschichte zufolge bringt Gott die Tiere zum Menschen, zu Adam, um zu sehen, wie er sie benennen würde; wie er sie benennen würde, so sollten sie heißen (von einem „Auftrag“, die Tiere zu benennen, ist nicht die Rede, vgl. 1. Mose 2, 19 f.). Die Benennung besteht darin, dass die Sprache auf das Imaginäre einwirkt (Sitzung vom 11. März 1975), also auf das Sichtbare. Die Bakterien werden nicht benannt, da sie nicht sichtbar sind; die Bakterien gehören, bezogen auf die Benennung durch den Menschen bzw. durch Adam, zum Realen. Der verulkende Charakter des Benennungsauftrags besteht möglicherweise darin, dass einige der „Tierchen“ sich der Sichtbarkeit entziehen und deshalb von Adam nicht benannt werden können. (Bakterien sind keine Tiere, deshalb wohl bestiole, „Tierchen“.)]
Das erste Sprechen ist, dem Mythos zufolge, das Sprechen von Adam, aber tatsächlich erfolgte das erste Sprechen in der Sprache von Eva – Adam war eine Madam, wie der Witz von Joyce lautet. [Die genetische Tatsache, dass das Kind zuerst mit dem Sprechen der Mutter konfrontiert ist, wird hier mythisch reartikuliert.] Lacan nennt Eva l’Évie [homophon mit frz. les vies, „die Leben“] unter Berufung auf die Bedeutung von Eva im Hebräischen: „Mutter der Lebenden“ (ich übersetze l’Évie mit Evita, RN). Sie hat, nach dem behaupteten Benennen der Tiere durch Adam, sofort die Sprache und bedient sich ihrer, um mit der Schlange zu sprechen. Die göttlich genannte Schöpfung [durch das Wort] verdoppelt sich im Gerede des Sprechwesens.
Am Rande sagt Lacan, dass der Name Adam etwas anzeigt, und dass der Ausdruck anzeigen auf den Begriff Index bei Peirce verweist. [Indexikalische Zeichen sind, nach Peirce, Zeichen, deren Objektbezug dadurch hergestellt wird, dass sie auf das Objekt hinweisen, etwa durch Zeigen, im Unterschied zu Symbolen (Objektbezug durch Konvention) und zu Ikonen (Objektbezug durch Ähnlichkeit).]
{12} Durch das Sprechen macht Evita die serpent, die Schlange, zur serre-fesse, zur Arschklemme. [Serrer les fesses, wörtlich „die Arschbacken zusammenkneifen“, meint „Schiss haben“. Die Schlange bringt die Angst ins Spiel, und wie die anschließenden Bemerkungen zeigen, geht es um die Kastrationsangst.] Die serpent bzw. serre-fesses wird später als faille bezeichnet, als Spalte, Bruch, Riss, oder besser noch: Die Schlange wird als Phallus bezeichnet [der imaginäre Phallus ist das, was dem narzisstisch besetzten Objekt fehlt, also die Spalte, der Bruch, der Riss im narzisstisch besetzten Objekt].
Denn es braucht den Phallus, um den Fehltritt (faux-pas) zu begehen, die Verfehlung (faute). [Der Fehltritt stützt sich auf den Phallus-Signifikanten, der Fehltritt ist ein Versuch, das zu bekommen, was auf der sexuellen Ebene fehlt und eben das wird durch den Phallus symbolisiert. Faux-pas (Fehltritt) ist lautgleich mit faut pas (darf nicht); das Begehren stützt sich auf das Gesetz.]
Ein Vorteil der Schreibweise Sinthom besteht darin, dass sie auf den Fehltritt verweist – der Ausdruck beginnt mit „sin“, und das englische Wort sin meint „Sünde“. [Das Symptom ist, so lässt sich das Wortspiel eindeutschen, ein „Sündtom“, es beruht auf dem Verbot und auf dem Schuldgefühl. Das ist klassischer Freud: Das Symptom ist eine Kompromissbildung zwischen Trieb und Verbot und die Installierung des Verbots beruht auf dem Kastrationskomplex.] Es geht also um die erste Schuld [und damit um die Erbsünde].
[Welche Beziehung gibt es zwischen dem Symptom und der Sünde? Vielleicht kann man sagen: Bei der Sünde geht es, wie beim Symptom, um die Wiederkehr des Verdrängten; „Sünde“ wäre dann ein alter Name für das Symptom.]
[In Lacans „guter Logik“ geht es also u.a. um die Benennung (in traditioneller Terminologie: um den Begriff). Lacans Theorem hierzu lautet: Die Benennung ist mit der Inexistenz des natürlichen sexuellen Verhältnisses verbunden ist, was wiederum durch den Phallus symbolisiert wird. Die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses wird von ihm mit der „Sünde“ in Verbindung gebracht und auf diese Weise mit dem Sinthom.]
Modalitäten
[Lacan geht zu einem anderen Thema der Logik über, zu den Modalitäten (Modalitäten sind die Kategorien der Notwendigkeit, der Möglichkeit, der Unmöglichkeit und der Zufälligkeit). Jede Aussage kann dadurch spezifiziert werden, auf welche Weise sie wahr ist: notwendigerweise, möglicherweise, unmöglicherweise oder zufälligerweise. Lacan hatte seine psychoanalytische Rekonstruktion dieser Modi in den Seminaren 19 bis 21 ausgearbeitet.]
Das, was nicht aufhört (Notwendigkeit)
Von daher ist es eine nécessité, eine Notwendigkeit, dass die Spalte nicht aufhört und sich beständig vergrößert. [Was ist das für eine Spalte, die sich beständig vergrößert? Marc Darmon nimmt an, dass es sich um die Spalte handelt, von der Lacan im Encore-Seminar spricht, im Zusammenhang mit Achilles und der Schildkröte, um die Spalte des sexuellen Nicht-Verhältnisses. Lacan sagt dort:
„Achilles, soviel ist klar, kann die Schildkröte nur überholen, er kann sie nicht einholen. Er holt sie nicht ein, außer in der Unendlichkeit.
Darin also das Gesagte für das, was mit dem Genießen ist, als geschlechtlichem. Auf der einen Seite ist das Genießen markiert durch jenes Loch, das ihm keinen anderen Weg läßt als den des phallischen Genusses. Auf der anderen Seite, läßt sich etwas erreichen, das uns sagte, wie das, was bis jetzt nur Spalte ist, Kluft im Genuß, realisiert wäre?
(…)
Ich möchte hier den Begriff der Kompaktheit vortragen. Nichts Kompakteres als eine Spalte, wenn klar ist, daß, wenn der Schnitt von allem, was sich hier schließt, angenommen wird als existierend über eine unendliche Zahl von Mengen, daraus resultiert, daß der Schnitt diese unendliche Zahl impliziert. Das ist die Definition selbst der Kompaktheit.
Dieser Schnitt, von dem ich spreche, ist derjenige, den ich vorgebracht habe vorhin als das, was deckt, was Hindernis macht dem unterstellten Geschlechtsverhältnis.“
(Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972, Übersetzung Haas/Haas/Metzger S. 12 f.)
Dann ginge es also um die Spalte, die von der phallischen Jouissance dadurch erzeugt wird, dass sie ein Hindernis für das unterstellte sexuelle Verhältnis ist. (Vgl. M. Darmon: Introduction et commentaire de la leçon I. In: GNiPL, Groupe niçois de psychanalyse lacanienne, Groupe régional de l’Association Lacanienne Internationale (ALI): Textes des interventions au séminaire d’été 2014: étude du séminaire « Le Sinthome ». https://www.gnipl.fr/le-sinthome/)]
[Die Notwendigkeit ist ein Nichtaufhören. In Seminar 20 hatte Lacan die Notwendigkeit so rekonstruiert: „Das, was nicht aufhört, sich zu schreiben“. Mit dem Hinweis auf das Schreiben bringt Lacan den Begriff des Buchstabens ins Spiel, ein Element zwischen dem Symbolischen und der Jouissance, wie er in dem Aufsatz Lituraterre (1971) geschrieben hatte. Das, was nicht aufhört, sich zu schreiben, bezieht sich auf das Symptom: im Symptom hört etwas nicht auf, sich zu schreiben; der mit dem Symptom verbunende Wiederholungszwang besteht darin, dass unaufhörlich etwas „geschrieben“ wird.]
Das Aufhören durch die Kastration, durch das Geschriebenwerden (Möglichkeit)
Diese Notwendigkeit [also diese wiederholte Wiederkehr des Verdrängten] hält so lange an, bis die Kastration sich ereignet [die Kastration hat zur Folge, dass das hartnäckige „Geschriebenwerden“ des Verdrängten im Symptom, der Wiederholungszwang, aufhört].
Das Aufhören durch die Kastration entspricht dem, dass etwas aufhört, geschrieben zu werden, cesse de s’écrire, und das entspricht der Modalität der Möglichkeit, wie er mal gesagt hatte [so war die Möglichkeit von Lacan in Seminar 21 definiert worden]. [Das Symptom beruht auf dem unvollständigen Durchlaufen des Kastrationskomplexes und hört deshalb dann auf, wenn die Kastration akzeptiert wird. Hierbei geht es um die Möglichkeit, um das, was der Psychoanalyse möglich ist.]
Dabei hatte er vergessen, das Komma zu setzen, es muss heißen, cesse Komma de s’écrire, also nicht „aufhört geschrieben zu werden“ (cesse de s’écrire), sondern „dadurch aufhört, dass es geschrieben wird“ (cesse, de s’écrire). [Die wiederholte Wiederkehr des Verdrängten im Symptom hört dann auf, wenn in einer psychoanalytischen Kur etwas „geschrieben“ wird. Hier bringt Lacan eine zweite Form des „Schreibens“ ins Spiel.]
Der Wechsel von der Notwendigkeit [des Geschriebenwerdens] zum Aufhören des Geschriebenwerdens [zur Auflösung des Symptoms] würde durch einen Diskurs erfolgen, der nicht vom Schein wäre, wie Lacan im Titel von Seminar 18 gesagt hatte, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre. [Der Diskurs, der nicht vom Schein wäre, wäre also die zweite Form des Schreibens. Eine vollständige Reduktion des Symptoms wäre nur möglich, wenn es einen Diskurs gäbe, der die Nicht-Existenz des (natürlichen) sexuellen Verhältnisses nicht durch einen Schein kaschieren würde. Ist ein solcher Diskurs möglich? Lacan lässt das hier wie bereits in Seminar 18 offen.]
Wahrheit, Herrensignifikant, Wissen
[Als nächstes bezieht Lacan sich auf die Frage der Wahrheit und damit auf ein weiteres Thema der Logik. In der (zweiwertigen) klassischen Logik ist eine Aussage wahr oder falsch, und es geht um die formale Übertragung von Wahrheit zwischen Aussagen (formal: unabhängig vom Inhalt), etwa in Gestalt der Frage: Wenn Aussage A wahr ist, und wenn Aussage B wahr ist, kann man dann folgern, dass auch Aussage C wahr ist?]
Kann die Wahrheit [die Aufdeckung des Verdrängten und damit die Reduktion des Symptoms] zu einem Ergebnis des Savoir-faire werden [des knowing how, also der psychoanalytischen „Technik“, wie Freud sagt, des Wissens, S2] oder ist das eine Unmöglichkeit [etwas Reales]? [Lacan bringt eine dritte Modalität ins Spiel und verbindet sie mit der Frage der Wahrheit und des Wissens.] Es ist durchaus möglich, dass die Wahrheit durch ein Know-how herbeigeführt wird [durch die Psychoanalyse als Technik].
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen: Die Wahrheit kann [vom Psychoanalytiker in der Deutung] nur halbgesagt werden [er muss in Andeutungen sprechen: in Mehrdeutigkeiten und in Patienten-Zitaten].
Die Wahrheit wird sich in Herrensignifikanten verkörpern, in S1 [in Worten, die das symbolische Ichideal bilden, welches die imaginären Idealbildungen steuert und damit die Verdrängung als Ursache des Symptoms].
Und zwar dort, wo es mindestens zwei Signifikanten braucht, damit DIE Frau erscheint, die durch den Mythos zu einer Einzigartigen gemachte Frau, Eva oder Evita, da sie ja vom verbotenen Baum gegessen hat, dem der Wissenschaft. [Mindestens zwei Signifikanten, Lacans Symbol hierfür ist S2, das Wissen. Eva hat vom Baum der „Erkenntnis“ gegessen, wie es in der Bibel heißt, Lacan macht daraus den Baum der Wissenschaft. Es braucht mindestens zwei Signifikanten, nämlich die Erkenntnis, die Wissenschaft, das Wissen, S2, damit Eva erscheint.]
Eva ist die einzigartige Frau, „die je besessen wurde“ [das Wort „besitzen“ bezieht sich wohl auf die Kopulation]. [? Worauf zielt hier die Verbindung von Einzigartigkeit und sexuellem Akt?]
Evita, die mythische Eva, ist also unsterblich. [Hier dreht Lacan den Mythos um: In der biblischen Erzählung wird Eva deshalb sterblich, weil sie das Verbot übertreten und vom Baum der Erkenntnis gegessen hat.] [? Was meint hier, dass sie unsterblich ist? In welcher Beziehung steht ihre Unsterblichkeit zum Wissen?]
Evita ist genauso unsterblich wie Sokrates. [Anspielung auf den klassischen Syllogismus Alle Menschen sind sterblich / Sokrates ist ein Mensch / Also ist Sokrates sterblich.– Sokrates ist von den Logikern demnach zu Unrecht zum Musterfall des sterblichen Menschen gemacht worden. Auch Sokrates wird durch die Beziehung zum Wissen definiert, genauer: durch seine Was-ist-Fragen.]
DIE Frau ist ein anderer Gottesname. [„Die“ Frau ist für Lacan die Frau, an die man glaubt, im Gegensatz zu „einer Frau“. Dabei geht es um den Unterschied zwischen „jemandem glauben“ und „an jemanden glauben“.143 „Eine“ Frau ist diejenige, der man glaubt oder auch nicht. „Die“ Frau ist diejenige, an die man glaubt. Diejenige, an die man glaubt, ist in der Position Gottes, d.h. des mit einer Wahrheitsgarantie ausgestatteten Anderen. Die Umgangssprache weiß davon, hier heißt Die Frau als Gottesname „die Angebetete“. Psychoanalytiker sprechen vom Heilige-Hure-Komplex oder vom Madonna-Hure-Komplex.]
[Die Verbindung von Wahrheit, Herrensignifikant (S1) und Wissen (S2) ist grundlegend für sogenannten Diskursmatheme, die Lacan in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse (1969/70) entwickelt hatte; die Wahrheit ist dort der Platz unten links; S1 und S2 zirkulieren auf den vier Plätzen.]
Existiert nicht
Und genau darin existiert DIE Frau nicht [genauso wenig wie Gott].
[Ein weiteres Thema der „guten Logik“ ist die Existenz. In der klassischen Logik ist die Existenzbehauptung kein Thema (sie untersucht partikuläre und universale Aussagen und bei ihnen wird unterstellt, dass es sich zugleich um Existenzbehauptungen handelt). In der symbolischen (an der Mathematik orientierten) Logik hingegen, wie sie im 19. Jh. entwickelt wurde, wird die Existenzbehauptung zu einer eigenen Aussageform, hierauf bezieht sich der Existenzquantor, ∃, der in Lacans Formeln der Sexuierung eine Schlüsselrolle spielt.]
Das Singuläre
Aristoteles war ein gewiefter Logiker; man sieht das daran, dass er nicht wollte, dass das Singuläre [das singuläre Urteil] in seine Logik hineinspielt. [Ein singuläres Urteil ist ein Urteil über ein einzelnes Individuum, z.B. „Sokrates ist Mensch“, dieses Urteil gehört also nicht zur Logik von Aristoteles, er beschränkt sich in der Analytica priora auf allgemeine und partikuläre Aussagen (die singuläre Aussage wird in De interpretatione einmal kurz erwähnt). Eine Wissenschaft vom Einzelnen ist, Aristoteles zufolge, nicht möglich. Die klassische Sentenz hierfür lautet: Individuum ineffabile est, das Individuum ist nicht zu fassen.]
[Vermutlich bringt Lacan hier die „einzigartige“ Frau, nämlich Evita, und die singuläre Aussage zusammen.] [? Inwiefern zeigt Aristoteles seine Könnerschaft in Sachen Logik darin, dass er das singuläre Urteil ausklammert?]
Wenn Aristoteles in seiner Logik allerdings behauptet, dass Sokrates ein Mensch war, hat er sich geirrt. Sokrates akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe, also war er kein Mensch. [? Inwiefern ist deshalb kein Mensch, weil er es akzeptiert, für die Polis zu sterben?]
Nicht alle
Sokrates wollte in den Stunden vor seinem Tod nicht seine Frau sprechen hören. [Platon erzählt das im Phaidon: Xanthippe besuchte Sokrates kurz vor seiner Hinrichtung im Gefängnis und klagte über seinen bevorstehenden Tod, Sokrates ließ sie daraufhin fortbringen.]
{13} Darauf bezieht sich Lacans Verwendung des Quantors nicht alle [den er in den Formeln der Sexuierung verwendet, die er in den Seminaren 18 bis 21 und im Aufsatz L’étourdit entwickelt hatte]. Lacan hatte das nicht alle (griechisch mē pantes) in Aristoteles’ Organon entdeckt; er kann die Stelle jedoch nicht mehr finden. [Sie steht in der Ersten Analytik ganz am Anfang, Buch 1, Kapitel 1, 24 a 19; Miller weist in seiner Ausgabe darauf hin. Aristoteles sagt dort: „Allgemein nenne ich sie [die Rede], wenn etwas jedem oder keinem zukommt, partikulär, wenn es irgendeinem nicht oder nicht jedem (μὴ παντὶ, mē panti) zukommt“.] Für Aristoteles steht das nicht alle nicht im Gegensatz zur Allgemeinaussage. [Für Aristoteles bedeutet nicht alle „zumindest einige“, die Aussage „Nicht alle A sind B“ ist deshalb für ihn vereinbar mit „Alle A sind B“. Er würde also beispielsweise „Nicht alle Pilze sind essbar“ so deuten: „Zumindest einige Pilze sind essbar“; so begriffen ist diese Aussage vereinbar mit „Alle Pilze sind essbar“. In der Umgangssprache ist das anders, wenn ich hier sage „Nicht alle Pilze sind essbar“, verstehe ich das nicht alle als „nur einige“ – „Nur einige Pilze sind essbar“; damit unterstelle ich, dass einige Pilze nicht essbar sind; hier steht das nicht alle im Gegensatz zum alle.]
„Alle“ ist die Frau nur in der Wendung tout mais pas ça, „alles, nur das nicht“ / „alles, nur es nicht“. [Frauen sind nicht „alle“, sondern „nicht alle“, dies ist eine der Thesen der Formeln der Sexuierung. „Alle“ sind Frauen nur in einer bestimmten sprachlichen Wendung, nämlich in der Phrase tout mais pas ça. Im Kontext bezieht sich „alles nur das nicht“ auf die Frau von Sokrates, sie ist für Sokrates „alles, nur das nicht“ – er schickt sie weg.]
[Das freudsche Es heißt im Französischen le ça; tout mais pas ça verweist auch auf die Abwehr des Es (der Triebe) durch das Alles, durch die narzisstische Totalität: „Alles, nur nicht Es.“]
Die Wendung tout mais pas ça bekommt ihren Reiz durch die Mehrdeutigkeit des mais pas. [Das bezieht sich auf die Laut- und Schreibähnlichkeit des französichen mais pas (aber nicht) und des griechischen mē pas (nicht alle).]
Diese Äquivokation bekommt ihren Reiz durch „unsere lalangue“ [also durch das Französische]. [Festzuhalten ist, dass Lacan auch hier den Ausdruck lalangue für eine Nationalsprache verwendet, nicht etwa für die Sprache der Mutter aus der Perspektive des Säuglings.]
Dieses „alles, nur das nicht“ / „alles, nur nicht es“, das war die Position von Sokrates. [Was ist gemeint? Ich nehme an, die Position von Sokrates im Verhältnis zu Xanthippe. Die Totalität des Diskurses von Sokrates – vor allem seiner speziellen Art des Dialogs mit ihren Was-ist-Fragen – konstituiert sich durch den Ausschluss eines bestimmten mit Jouissance verbundenen Sprechens, wobei die Jouissance in diesem Falle das Leiden von Xanthippe ist.]
[Marc Darmon nimmt an, dass Sokrates an sich den Platz des mais pas ca einnimmt, wobei er den Bezug zu seiner Frau ausklammert.144 Möglicherfweise ist beides gemeint: Für Sokrates war Xanthippe des „alles nur das nicht“, für die Polis Athen war Sokrates das „alles nur das nicht“.
Das mais pas ça, „nur das nicht“ / „nur es nicht“, entspricht dem Titel des Seminars, also dem Sinthom. [Das Sinthom oder Symptom beruht auf der Abwehr des Es (des Triebs) durch das Alle (durch den Narzissmus).
[In Seminar 22 hatte Lacan erklärt: Für den Mann ist eine Frau ein Symptom (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Eine Frau ist ein Symptom des Mannes“). Das könnte heißen: In Xanthippes Jammern gibt es für Sokrates die Wiederkehr des Verdrängten und insofern ist Xanthippes Jammern das Symptom von Sokrates. Freud sagt, der „Kampf gegen die Triebregung findet seine Fortsetzung in dem Kampf gegen das Symptom“ und er nennt dies den „sekundären Abwehrkampf“145; wenn Sokrates Xanthippe wegbringen lässt, führt er einen sekundären Abwehrkampf. Aber vielleicht ist zugleich Sokrates das Symptom der Polis.]
Für das Drängen des Buchstabens [für die Wiederkehr des Verdrängten im Symptom], wie es sich im Augenblick abzeichnet, ist nichts Besseres zu erwarten. [Ich vermute: Für den Zugang zum Symptom ist nichts besseres zu erwarten als die Arbeit mit solchen Mehrdeutigkeiten wie mē pas / mais pas.] Angeblich wirkungsvollere Techniken werden höchstens eine Symptomverschiebung herbeiführen oder sogar eine Vervielfachung des Symptoms.
[Die Quantoren existiert nicht und nicht alle, auf die sich Lacan in den letzten Sätzen bezogen hatte, sind grundlegend für die sogenannten Formeln der Sexuierung.]
Joyce das Symptom
Joyces Wahl: vom SinThom-masvonaquin zur SintHome-Rule
Für das gegenwärtige Drängen des Buchstabens [für das Drängen des Buchstabens bei Joyce] gibt es das SaintThome-madaquin, das Heiliger-Thomas-von-Aquin-Symptom. [In Joyce das Symptom I (Juni 1975) hatte Lacan gesagt, dass die Schreibweise sinthome auf die Beziehung zum Heiligen verweisen soll. Mit SinThome-madaquin macht Lacan ein Wortspiel mit Saint Thomas d’Aquin (Heiliger Thomas von Aquin), saint homme (heiliger Mann) und sinthome (Saint Thom-, saint homme und sinthome sind lautgleich). Das Verhältnis von Joyce zum Heiligen Thomas ist ein Sinthom.] Joyce hat sich häufig zu Thomas von Aquin geäußert; Thomas ist [für Joyce und] für Lacan ein großer Philosoph. Allerdings kam Joyce mit Thomas von Aquin in einem Punkt nicht gut zurecht, wie Jacques Aubert gezeigt hat [in seiner 1973 erschienenen Einführung in die Ästhetik von James Joyce]: Joyce interessierte sich für die Frage des Schönen und er orientierte sich hierbei an Thomas; Thomas zufolge ist eines der Merkmale des Schönen die claritas und Joyce übersetzt das mit [radiance, also mit] „Glanz“, „Glanz des Seins“; und eben das ist bei Joyce ein schwacher Punkt [? Inwiefern ist die Übersetzung von claritas mit radiance ein Schwachpunkt von Joyce? Die Begründung findet man vermutlich in Auberts Buch.] Der Glanz des Seins, das ist nichts, was Lacan berührt, wie er über sich sagt. [Im Seminar über die Ethik der Psychoanalyse liest es sich anders. Lacan spricht hier vom éclat (Leuchten, Strahlen, Glanz) von Antigone und stützt sich dabei auf den „Glanz des Seins“, eine Formulierung von Heidegger (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Zweiter Tod“ und „Zwischen-zwei-Toden“ in Lacans Seminar über die Ethik der Psychoanalyse).]
An einem bestimmten Punkt bringt Joyce das Sinthom seiner Verehrung des Heiligen Thomas zum Einsturz und vollzieht eine Wendung. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine Abwendung von der Politik [vom Kampf um die Befreiung Irlands von englischer Herrschaft]. Tatsächlich aber ist das Sinthom, dass Joyce hervorbringt [als zweites Sinthom nach dem Sinthome-madaquin, nach dem Heiliger-Thomas-von-Aquin-Symptom], ein Sinthom, das man als SintHome-Rule oder Saint-Home-Rule bezeichnen kann, als Home-Rule-Symptom [also als ein Symptom, das mit der Home Rule verbunden ist, mit dem Streben nach irischer Selbstverwaltung innerhalb des Vereinigten Königreichs. Das neue große Thema von Joyce wird, nach der Ästhetik von Thomas von Aquin, Irland sein. Bei Joyce gibt es also eine Symptom-Verschiebung; er wechselt von Religion/Ästhetik zur Politik.] Im Freeman’s Journal [einer nationalistischen irischen Zeitung] wird die Home Rule [die Selbstvewaltung Irlands] durch eine Sonne dargestellt, die hinter der Bank von Irland aufgeht, was |{14} heißen würde, dass sie im Nordwesten aufgeht [siehe das Logo des Freeman’s Journal oben]. [Im Ulysses mokiert sich Bloom mit eben diesem Argument über das Bild.] Aber durch das Knirschen zu diesem Thema [durch Joyces scharfe Kritik am irischen Nationalismus] darf man sich nicht irreführen lassen: Joyce entwickelt ein Sinthom, das sich auf die Home Rule bezieht, und dieses Sinthom, das er zusammenbringt [ein Symptom ist, der Etymologie nach, etwas Zusammengefügtes], ist ein Sinthom, das gut läuft. [Das Irland-Thema ist für sämtliche Schriften von Joyce ab den Dubliners (geschrieben 1904–1907) bestimmend; dieses Sinthom hat für die Produktivität von Joyce und für seine psychische Stabilität eine entscheidende Bedeutung.]
Natürlich kann man das, worum es geht, auch anders bezeichnen als mit „SinThom-masvonaquin“ und „SinHome-Rule“ (bzw. SaintThom-masvonaquin“ und „SaintHome-Rule“). Die beiden Ausdrücke sollen zeigen, dass Joyce seine Kunst in zwei Richtungen verfolgen konnte [und dass beide ein Sinthom darstellten]. [Joyce stand vor einer Wahl, er konnte sein Schreiben auf Thomas von Aquin stützen und auf die Home Rule.] Beide Formen des Sinthoms betrafen ihn und deshalb nannte Lacan ihn [in seinem Kongressvortrag] Joyce das Symptom, wobei er die Schreibweise [mit dem Seminartitel zu Sinthom] verschoben hat. Joyce wählte schließlich die „Saint-Home-Rule“ [er wählte Irland, also die Politik]. Durch diese Wahl definierte er sich als Häretiker, als Ketzer, denn das griechische Wort hairesis, von dem sich „Häresie“ herleitet, meint „Wahl“. [Im Porträt des Künstlers wird Stephen Daedalus (Joyces Alter Ego) von einem Lehrer der Häresie beschuldigt, weil er geschrieben hatte, es sei unmöglich, sich Gott zu nähern; von seinem Klassenkameraden wird er daraufhin als Häretiker verprügelt.]
Joyce war „wie ich“ ein Häretiker, wie Lacan sagt [in einer ausdrücklich vollzogenen Identifizierung mit Joyce]. [Worin bestand Lacans Ketzerei? Vermutlich bezieht sich Lacan hier auf die Aberkennung der Position des Lehranalytikers, die er als „Exkommunikation“ gedeutet hatte. Überdies war er der Auffassung, dass dieser Ausschluss mit seinem geplanten Seminar über die Namen-des-Vaters zu tun hatte; es gibt hier, zumindest vom Thema her, ein Nähe zur Ketzerei von Daedalus/Joyce, dass es unmöglich sei, sich Gott zu nähern.]
[Die Charakterisierung des Künstlers durch die Wahl, die er trifft, findet sich auch bei Sartre, etwa in dessen Studie über Baudelaire, wo er den Begriff der Urwahl verwendet. Möglicherweise orientiert sich Lacan bei seiner Joyce-Deutung an Sartres Schriftstelleranalysen.]
Man muss den Weg wählen, auf dem man die Wahrheit angeht. [Das Sinthom, so erfährt man auf diese Weise indirekt, ist ein Weg, auf dem man die Wahrheit angeht, ein Weg, auf dem man einen Bezug zum Verdrängten herstellt.] Man kann die Wahl jedoch überprüfen. Wenn man die Natur des Sinthoms einmal erkannt hat, kann man es auf logische Weise angehen und dies ist das richtige Vorgehen [Lacan kommt zurück auf die „gute Logik“]. Mit den Mitteln der Logik kommt man bis an das Reale. [Der logische Umgang mit dem Sinthom steht im Gegensatz zur Sinndeutung, zur Aufdeckung der verborgenen Wahrheit. Das Reale ist das logisch Unmögliche; einen Zugang zum Realen – und damit zur Beziehung des Sinthoms zur Jouissance – hat man deshalb auf dem Weg über eine Logik der Inkonsistenz, der Unentscheidbarkeit, der Unvollständigkeit, der Unbeweisbarkeit.] [? Was heißt, „das Sinthom auf logische Weise angehen“?] [? Welches Verhältnis zwischen Wahrheit und Realem wird hier angedeutet?]
Danach hat man dann keinen Durst mehr. [? Was ist damit gemeint?]
Joyces Vater: faul, fanatisch, versoffen
Joyce traf seine Wahl blind, denn er begann unter den schlechtesten Voraussetzungen. Dazu gehörte, dass er in [dem armen und unter englischer Herrschaft stehenden] Dublin geboren wurde und dass er einen Vater hatte, der, ja was war? Hier gibt es ein Transkriptionsproblem. Der fénian oder feignant oder faitnéant war, was alles gleich ausgesprochen wird. Der Vater war fénian: ein Anhänger der Fenier, ein irischer Nationalist. Der Vater war feignant: faul bzw. er war fainéant, was ebenfalls „faul“ heißt. [? Was ist gemeint: faul oder Fenier oder beides?] Dieser Vater war außerdem versoffen.
[Mit seinen Symptomen, so wird angedeutet, antwortete Joyce auf ein Problem in der Beziehung zum Vater.]
Joyces Kunst: ein Ersatz für seinen „schlappen Schwanz“
So stellt sich das für alle dar, wenn man Sohn von zwei Familien ist. [? Was meint „Sohn zweier Familien sein“? Bezieht sich das auf die Familie väterlicherseits und die Familie mütterlicherseits? Falls ja, warum bezieht sich Lacan hier darauf?]
So stellt sich das für alle dar, wenn man davon überzeugt ist, deshalb, weil man ein kleines Stück Schwanz hat, ein männliches Wesen zu sein. [Alle biologisch männlichen Wesen werden deshalb als „männlich“ klassifiziert, weil sie einen Penis haben, und die Kinder übernehmen das; Joyce ist hier keine Ausnahme.]
Natürlich braucht man mehr [der Penis dient nicht nur zur Klassifikation männlich/weiblich, er steht auch in Beziehung zur sexuellen Lust und zur Herstellung einer Beziehung zu einem Sexualpartner].
Joyce hatte einen „schlappen Schwanz“. [Damit wird, wenn ich es recht verstehe, Joyce nicht eine erektile Dysfunktion zugeschrieben. Der Satz bezieht sich vielmehr darauf, nehme ich an, dass es in der sexuellen Beziehung zwischen den Geschlechtern immer Schwierigkeiten gibt (dass es kein natürliches sexuelles Verhältnis gibt), und der „schlappe Schwanz“ ist ein Symbol dafür.]
Seine Kunst leistete hierfür Ersatz, und so ist das immer. [Das könnte heißen: Die Sublimierung ist letztlich immer eine Antwort darauf, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt.]
Der Phallus ist eben dies: |{15} eine Montage aus dem männlichen Organ und der Funktion des Sprechens. [Im Falle von Joyce besteht die Funktion des Sprechens im Kontext in seiner Kunst, im Schreiben.] Das männliche Organ ist eine Art Parasit [es ist Ort einer Jouissance, die der sonstigen körperlichen Jouissance äußerlich ist]. [? Wie ist in der Beziehung zwischen dem Penis und der Sprache der Phallus zu verorten?]
Abgesehen davon war Joyce ein pauvre hère – ein armer Schlucker –, ja, ein armer Häretiker. [Inwiefern war Joyce ein pauvre hère? Wegen seiner Beziehung zum (fanatischen, faulen, versoffenen) Vater? Weil er einen „schlappen Schwanz“ hatte?]
Joycianer, die seine Häresie genießen, gibt es nur an der Universität [dies ist also eine Jouissance im Rahmen des Universitätsdiskurses]. Joyce wollte, dass die Universitätsmenschen sich an ihm abarbeiten, und das Verblüffende ist, dass ihm das gelungen ist und dass das noch anhalten wird. [Das ist eine Bemerkung, die sich auch an Jacques Aubert richtet, der im Hörsaal sitzt.]
Diskurs der Universität
[Damit wird die Frage aufgeworfen, welche Rolle Joyce im Universitätsdiskurs spielt, was hier also den Termen S2 (oben links), a (oben rechts), $ (unten rechts) und S1 (unten links) entspricht.]
[Miller deutet die Stelle so, dass die Universitätsleute Joyce deuten, dass Lacan im Verhältnis zu Joyce die Aufgabe der Psychoanalyse nicht im Deuten sieht, sie könne bei Joyce einzig den Bezug zum Genießen erfassen. Allerdings gelte dies nur für Finnegans Wake.146]
Joyce: ein Herr / ein armer Schlucker
Joyce war ein Herr* (Lacan verwendet an dieser Stelle das deutsche Wort), ein pauvre hère, ein armer Schlucker [das französische Wort hère geht möglicherweise (spottend) auf das deutsche Wort Herr zurück].
[Lacan deutet hier an, dass sich der Fall Joyce vom Konzept des Herrendiskurses aus begreifen lässt, wie Lacans es in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, entwickelt hatte. Später in dieser Sitzung wird er auf den Herrendiskurs ausdrücklich zurückkommen.]
Diskurs des Herrn
[S1: Herrensignifikant
S2: Wissen
a: Objekt a
$: gespaltenes/versperrtes Subjekt]
[Dieser Herr* ist ein pauvre hère. Der Platz oben links ist der Platz des Scheins, die Wahrheit des Herrn ist das versperrte Subjekt, auf das sich hier wohl auf die Rede vom pauvre hère und vom schlappen Schwanz bezieht.]
Dieser Herr hat sich als Held begriffen, wie der Titel seines ersten [autobiographischen] Romans ausweist: Stephen Hero, Stephen der Held. [Joyce war u.a. insofern ein Herr, als er sich als Held begriff. In der Formel des Herrendiskurses kann man im Falle von Joyce oben links (Platz des Scheins) für S1 also vielleicht „Held“ einsetzen und unten links (Platz der Wahrheit) für $ „schlapper Schwanz“.]
Diskurs des Herrn: Joyce
Sein zweiter [ebenfalls autobiographischer] Roman, der auf Stephen der Held aufbaut, heißt Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Lacan empfiehlt hierzu die Lektüre der von Chester G. Anderson herausgegebenen Edition von A portrait of the artist, |{16} darin vor allem die Beiträge von Maurice Beebe und Hugh Kenner. Das sind alles Universitätsleute, und die Universität ist der richtige Ort für sie, denn sie verleiht ihnen akademische Grade.
[In Seminar 17 (Die Kehrseite der Psychoanalyse) hatte Lacan erläutert, dass im Universitätsdiskurs das Symbol S1 unter anderem für „Abschlüsse und Grade“ steht. Man könnte die Joycianer im Universitätsdiskurs demnach so verorten:]
Diskurs der Universität: Joycianer
Im Titel Ein Porträt des Künstlers als junger Mann ist das Wort „des“ zu betonen; Joyce ist, in seiner eigenen Sicht, „der“ einzigartige Künstler. [Einzigartig: wie Evita.]
[Das könnte man so schreiben:]
Diskurs des Herrn: Joyce
In dieser Funktion, als „der“ Künstler, wird Joyce legitime Nacheiferer finden. [Genau insofern, als Joyce sich als einzigartig begreift, wird er paradoxerweise Nachahmer finden.]
A portrait of the artist as a young man – in diesem Titel muss man nicht nur das „the“ hervorheben, sondern auch das „as“. Im Französischen heißt „as“ comme, „als“, und von comme ist es nicht weit zu comment, „wie“. Comment beruht auf der Verbindung von comme und ment, comme-ment; das ment kann man auch mit „lügt“ übersetzen, was dann heißt: das „als“ bzw. das „wie“ hat etwas Lügnerisches. Beim Deuten muss man auf das Lügnerische des comment, des „wie“, achtgeben.
Das Französische ist, was das comme betrifft – also das „wie“ –, aufschlussreich. Wenn ein Ausdruck als Adverb verwendet wird, hängt man hier -ment an, man sagt also comment, so wie man réellement sagt, real, auf reale Weise, oder héroiquement, heroisch, auf heroische Weise, oder mentalement. mental, auf mentale Weise. Nun bedeutet ment aber auch „lügt“. [Das Heroische ist eine Lüge.] Comment gibt also einen Hinweis darauf, dass man mit dem „wie“ lügt: comme-ment. [Lacan ist offenbar wieder beim faute, beim Zusammenhang von Sprechen und Verfehlung.] Jedes Adverb verweist auf eine Lüge. Wenn Psychoanalytiker interpretieren, müssen sie darauf achtgeben. [? Was heißt das konkret?]
[In den Diskursformeln heißt der Platz oben links ab Seminar 18 Platz des Scheins. Wenn man héroique-ment in die Diskursformeln übersetzt, erhält man: Der Heros ist am Platz des Scheins.]
Gegen das Symptom gibt es nur eine Waffe: die Mehrdeutigkeit
[Lacan kommt indirekt auf seine Frage zurück, ob die Wahrheit (und damit die Reduktion des Symptoms) zu einem Produkt des Savoir-faire werden kann.]
Das Wort „Zunge“ bezeichnet sowohl das Werkzeug des Sprechens als auch den Sitz der Geschmackspapillen. Lacan macht hierzu ein unübersetzbares Wortspiel: Ce qu’on dit ment / ce condiment: Was man sagt, lügt / dieses Gewürz.
[Warum diese Wortspiele?] Letztlich hat man gegen das Symptom nur eine Waffe: die Äquivokation, die Mehrdeutigkeit. Wenn Analytiker bei ihm in einer Kontrollanalyse sind, versucht er, ihnen eben dies beizubringen – allerdings erst in einer zweiten Phase. Anfangs gibt er ihnen immer recht, und wie die Nashörner [von Ionesco] haben Sie tatsächlich immer recht / immer einen Grund [raison; sie gehen rationalistisch vor, sie bleiben in der Ordnung des Sinns]. Sie müssen lernen, mit der Äquivokation zu spielen, um das Sinthom zu reduzieren – die Deutung wirkt einzig und allein durch die Mehrdeutigkeit. [Dies ist ein Aspekt das „Halbsagens“ der Wahrheit, von dem Lacan in dieser Sitzung bereits gesprochen hatte.] Es muss im Signifikanten etwas geben, das Resonanz gibt [résonance statt raison].
Resonanz der Stimme als Objekt a
Den englischen Philosophen [? wer ist gemeint?] scheint das nicht aufgefallen zu sein. Sie sind davon überzeugt, dass das Sprechen keine Wirkungen hat. Sie irren sich. Sie nehmen zwar an, dass es Triebe gibt und sie machen auch nicht den Fehler, Trieb mit „instinct“ zu übersetzen. Sie begreifen jedoch nicht, dass die Triebe ein Echo im Körper sind, ein Echo der Tatsache, dass es ein Sagen gibt. [Sie begreifen nicht, dass die Triebe durch das Sagen strukturiert sind. Im Graphen des Begehrens steht hierfür in der Formel für den Trieb ($◊D) das große D, für den Anspruch (demande).]
Die Tatsache der Empfänglichkeit des Körpers für das Sagen
Dafür, dass das Sagen Resonanz erzeugt, dass es Konsonanz gibt – um einen weiteren Begriff des Heiligen Thomas zu verwenden –, dafür muss der Körper empfänglich sein. [Consonantia, Zusammenklang, ist für Thomas eines der drei Merkmale des Schönen.] Und dass der Körper für das Sagen empfänglich ist [dass durch das Sprechen die Erregungsabläufe verändert werden können], ist eine Tatsache. [Lacan wird den Begriff der Tatsache in dieser Sitzung noch stärker betonen; möglicherweise ist dies für ihn die Tatsache schlechthin: dass der Körper für das Sagen empfänglich ist.]
Das, was im Körper [auf das Sagen] antwortet, ist die Stimme [die Stimme im Sinne des Objekts a, wie Lacan es definiert hat, als ein Bündel von Erregungen, die einen Fremdkörper bilden, eine Art Erinnerung an eine auf immer verlorene Jouissance]. Die Stimme antwortet deshalb, weil die wichtigste Körperöffnung das Ohr ist; das Ohr ist deshalb so wichtig, weil es, anders als der Mund, nicht verschlossen werden kann.
[Lacan betont hier, wo es um das Symptom oder Sinthom von Joyce geht, die Stimme als Objekt a. Möglicherweise will er damit andeuten, dass für Joyce die Stimme das entscheidende Objekt a ist. In diese Richtungen gehen die späteren Bemerkungen über das Symptom der aufgezwungenen Worte (Sitzung vom 17. Februar 1976).]
Konkurrenz des Blicks, Beziehung zum Körperbild
Ärgerlich ist, dass es etwas gibt, was der Stimme Konkurrenz macht: der Blick als Objekt a. [Die Objekte a stehen in Verbindung miteinander, und eine dieser Verbindungen ist die Konkurrenz zwischen Stimme und Blick. Der Blick stört die Wirksamkeit des Sprechens. Man denke an das psychoanalytische Setting: Die Analytikerin sitzt hinter dem Analysanten, um die Wirksamkeit des Blicks zu schwächen und die der Stimme zu stärken.]
[Vom Blick als Objekt a geht Lacan über zum Körperbild, also zum Imaginären, zum Narzissmus, zum Ideal-Ich i(a), zu dem, was den Zugang zum Unbewussten versperrt; er bleibt damit im visuellen Feld. In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, hatte Lacan die Beziehung zwischen dem Blick und dem Schirm entwickelt: auf den gefräßigen Blick antwortet das Subjekt mit einem Schirm, so dass im Tableau sein Mangel nicht gesehen wird.]
„More geometrico“ [auf geometrische Weise: dies ist ein Zugang zur Ordnung des Visuellen, des „skopischen Feldes“, wie Lacan auch sagt.]
Das Individuum präsentiert sich als Körper. [Unter „Körper“ versteht Lacan meist das Körperbild, so auch hier. Das Körperbild ist grundlegend für die Ordnung des Imaginären. Zu ergänzen ist im Kontext: Es präsentiert sich dem bedrohlichen Blick als Körper.]
Es präsentiert sich als Körper aufgrund der Form, die Platon so teuer ist. [Platons Idee (griechisch eidos) heißt im Lateinischen forma. Ein passender deutscher Begriff ist hier Gestalt. Das Körperbild funktioniert als Gestalt, als geschlossene Figur, die sich von einem Hintergrund abhebt. Die Orientierung am Körperbild ist, Lacan zufolge, auch die Grundlage der traditionellen, also der euklidischen Geometrie, weshalb er sich um den Wechsel zur Topologie bemüht, welche die Bindung an das Körperbild (letztlich an die Sphäre) zurückdrängt.]
Der Körper hat eine fesselnde Kraft, sodass unter diesem Gesichtspunkt die Blinden ein wenig zu beneiden sind. [Der Zugang zum Unbewussten ist, Lacan zufolge, nur möglich, wenn man die Fesselung durch das Körperbild (durch den Narzissmus) schwächt.] |{18}Wenn man Braille liest, kann man nicht Euklid lesen [Brailleschrift besteht aus Punkten, nicht aus Kreisen, Dreiecken, Rechtecken, nicht aus geschlossenen Linien].
Der Körper liefert nur den Sack, die Blase [topologisch: die Sphäre (die Kugeloberfläche)]. Das ist erstaunlich [vielleicht: es ist erstaunlich, dass sich der Narzissmus letztlich auf die Bindung an den Körpersack reduzieren lässt].
Die Form bläht sich auf [es gibt hier eine Dynamik des Wachstums, der Narzissmus strebt danach, immer mehr zu erfassen].
Beim Zwangsneurotiker ist die Bindung an den sich aufblähenden Körpersack besonders ausgeprägt. Er will sich aufblasen wie der Frosch [in der Fabel von Lafontaine], der so groß sein wollte wie ein Ochse, und man weiß, wie das ausging. [Der Frosch platzte; die narzisstische Wachstumsdynamik führt in eine Krise des Narzissmus, und diese Krise führt einen Zwangsneurotiker bisweilen zum Psychoanalytiker. Wenn der Zwangsneurotiker sich aufblasen will, geht es um den Schirm, der dem gefährlichen Blick dargeboten wird.]
Es ist sehr schwierig, den Zwangsneurotiker der Fesselung durch den Blick zu entreißen.
Null bis Drei
≈ 0/1-Ambiguität
[Seminarthema ist die borromäische Verkettung von vier statt wie bisher von drei Elementen, es geht also darum, den Übergang zu vollziehen von der Drei zur Vier. Im ersten Schritt versucht Lacan nun, ausgehend von der leeren Menge – vom leeren Sack –, die Zahlen von Null bis Drei zu rekonstruieren, wobei er zwischen Mengenlehre und Zahlentheorie hin und her wechselt.]
In der Mengenlehre wird die Menge durch einen Sack veranschaulicht, durch einen Sack imaginiert. [Die Menge wird durch ein Paar geschweifter Klammern notiert, {}; veranschaulicht wird sie gewöhnlich durch eine kreisartige Umrisslinie, dreidimensional aufgefasst ist das ein Sack. Der Sack wiederum beruht, Lacan zufolge, auf dem Körperbild, auf dem menschlichen Körper, sofern er auf seine Oberfläche reduziert wird. Also kann man sagen: Die Menge stützt sich auf das Körperbild. Die Mengenlehre, die der Mathematik heute meist als Grundlage dient, hat einen imaginären Aspekt.]
Der Sack, die leere Menge, kann durch die Ambiguität von 0 und 1 konnotiert werden; die Ambiguität von 0 und 1 ist die einzige Stütze, die dem angemessen ist, woran die leere Menge angrenzt. [Lacan stellt hier eine Beziehung zwischen Mengen und Zahlen her. Der leere Sack entspricht der leeren Menge und damit konnotiert er die Zahl 0. Er hat die Funktion, Elemente zusammenzufassen, und diese Funktion kann durch die Zahl 1 konnotiert werden. Der leeren Menge entspricht also in der Welt der Zahlen zugleich die 0 und die 1. Die leere Menge grenzt an die 0/1-Ambiguität jedoch nur an, Mengen sind nicht automatisch mit Zahlen gleichzusetzen.]
Hierfür muss die Beweisführung so aufgefasst werden, dass sie das in ihr enthaltene Imaginäre beweist. [Jeder Beweis stützt sich auf etwas Imaginäres, er ist nicht nur diskursiv, sondern auch anschaulich, intuitiv, und dieses Imaginäre zeigt sich in der Beweisführung.]
S1, S2, $
[In welcher Verbindung steht dieser Hinweis zur Psychoanalyse? Um diese Frage zu beantworten, bezieht Lacan sich nun auf die von ihm entwickelten Symbole S1 und S2. Ab Seminar 17 wird S1 als „Herrensignifikant“ bezeichnet, Nachfolger des Begriffs „Ichideal“; ab Seminar 16 ist S2 das Symbol für „Wissen“, im Sinne von: die von Freud entdeckte Form des Wissens, nämlich das Unbewusste.147]
Lacans Symbol S1, zu lesen als „S Index 1“, [der Herrensignifikant] bezieht sich auf den Sack, insofern er auch leer sein kann, aber zugleich eins ist. Damit ist nicht gemeint, dass das Symbol S1 die Eins ist. sondern dass sich das Symbol S1 auf die Eins bezieht; aus diesem Grunde ist die Eins hier die Indexzahl. [Wenn man „sich beziehen auf“ durch einen Pfeil symbolisiert, könnte man schreiben: S1 → {}/1-Ambiguität.]
Der leere Sack als Eins [also in der Funktion des Zusammenfassens] kann durch die Kategorien der Ex-sistenz und der Konsistenz näher bestimmt werden [also durch Begriffe, mit denen Lacan in Seminar 22 die borromäische Verkettung beschrieben hatte]. [In den Seminaren 21 und 22 hatte Lacan die einzelnen Ringe sowie die borromäische Verkettung durch drei Merkmale charakterisiert: Konsistenz, Ex-sistenz und Loch, die Konsistenz hatte er dem Imaginären zugeordnet, die Ex-sistenz dem Realen und das Loch dem Symbolischen.]
[Der Sack ist dem, was in ihm enthalten ist, äußerlich, das ist seine Ex-sistenz.] Die Konsistenz besteht im Zusammenhalten, der Körper hat Konsistenz, insofern er Haut (peau) ist (in sich zusammenhält) / insofern er Topf (pot) ist (das in ihm Enthaltene zusammenhält).
Man muss diese Ex-sistenz und diese Konsistenz für real halten, denn das Reale besteht darin, sie zusammenzuhalten. [Möglicherweise ist gemeint: Man muss diese Verbindung von Ex-sistenz und Konsistenz für real halten, da das Reale die Ex-sistenz und die Konsistenz zusammenhält.]
Hierauf verweist der deutsche Ausdruck „Begriff“. [Begriff“ kommt von „Greifen“, bezieht sich also etymologisch auf das Greifen der Hand und damit auf das „Zusammen-Fassen“. Vermutlich spielt Lacan hier darauf an, dass Cantor die Menge ursprünglich als „Inbegriff“ bezeichnet hatte.]
Es gibt hier eine Homogenität des Imaginären und des Realen. [? Welche Homogenität des Imaginären und des Realen ist gemeint?]
Die Homogenität des Imaginären und des Realen ist verbunden mit dem Faktum der Zahl, insofern sie binär ist, 0 oder 1. [Lacan wechselt hier definitiv von der Menge zur Zahl.]
Der Übergang zur 2 wird dadurch möglich, dass man [die Ambiguität von 0 und 1 aufgibt und] festlegt, dass 0 ungleich 1 ist, dass die 0 sich ihrem Wesen nach auf die 1 als auf etwas bezieht, das ihr äußerlich ist, das ihr „ex-sistiert“ [und umgekehrt]. [Von hier aus kann dann die 2 als der Nachfolger der 1 aufgefasst werden.]
Außerdem legt man fest, dass es zwischen 0 und 1 keine Konsistenz gibt. [Das könnte sich auf Zahlen und Mengen zugleich beziehen: Die 0 (bzw. die leere Menge, ) und die 1 (bzw. die Funktion des Zusammenhaltens) halten nicht von sich aus zusammen, sie benötigten, als Nullemnge und Zusammenhaltfunmton aufgefasst die Menge, (dargestellt durch die geschweiften Klammern) als das sie Zusammenhaltende: {/} (so deutet Miller in seiner Seminar-Ausgabe diesen Satz).]
Auf diese Weise geht Cantors Theorie vom Paar aus [vom geordneten Paar, nämlich von den Teilmengen {a} und {a, b}]. Jedoch stellt sich zwischen der ersten Menge [also {a}] und der anderen Menge [also {a, b}] die Verbindung nicht [von selbst] her. Damit beide zusammen eine Menge bilden, muss etwas Drittes hinzukommen, nämlich die [sie zusammenfassende] Menge [die in der Mengenlehre durch das Symbol der geschweiften Klammer dargestellt wird: {}, zusammen ergibt das {{a}, {a, b}} als Schreibung für das geordnete Paar.] [Die Drei wird hier also dadurch eingeführt, dass die Mengen gezählt werden, im geordneten Paar gibt es drei Mengen, zwei Teilmengen und eine Gesamtmenge.]
Insofern setzt das Symbol, nämlich S2, auf das Imaginäre eins drauf. [? Inwiefern setzt das Symbol auf das Imaginäre eins drauf?]
Das Symbol S2, zu lesen als S Index 2, verweist [mit der 2] darauf, dass es ein Paar ist. [S2 steht seit in Seminar 16, Von einem Anderen zum anderen, für ein Signifikantenpaar; die Paarbeziehung, etwa die der Rivalität, hat für Lacan imaginären Charakter. S2 steht aber auch für mindestens zwei Signifikanten.]
Mit diesem Hinweis auf das Signifikantenpaar führt S2 in das Subjekt die Spaltung ein [Lacans Symbol hierfür ist $]. Sie wird in das Subjekt dadurch eingeführt, dass das, was hier ausgesagt wird, vom Aussagen abhängig bleibt. [Die Spaltung des Subjekts besteht in der Spaltung zwischen dem Ausgesagten (énoncé) und dem Aussagen (énonciation). Das Ausgesagte ist der Sinn eines Satzes; das Aussagen ist das unbewusste Sprechen, wie es beispielsweise in einem Versprecher wirksam ist. Zwischen diesen beiden Seiten gibt es eine Abhängigkeitsbeziehung: das Ausgesagte ist vom Aussagen abhängig.]
Genauer: Das, was ausgesagt wird, bleibt vom Rätsel des Aussagens abhängig. [Das Aussagen fungiert hier als Rätsel. Lacans Formel für das Verhältnis zwischen dem Ausgesagten und dem Rätsel des Aussagens lautet: „Er sagt mir das, aber was will er?“148 Das Rätsel des Aussagens ist das Rätsel des Begehrens des Anderen.]
Noch genauer: Die Spaltung wird eingeführt durch das Faktum des Ausgesagten, das vom Faktum des Rätsels des Aussagens abhängig bleibt.
[Etwas früher in dieser Sitzung sprach Lacan von der „Tatsache“ des Sagens.] [? Besteht die Tatsache des Sagens darin, dass die Tatsache des Ausgesagten von der Tatsache des Rätsels des Aussagens abhängig bleibt?]
Es geht hier um ein in sich geschlossenes Faktum, |{19} um le fait du fait, um das Faktum des Faktums. Gesprochen wird das [lə fɛt dy fɛ] oder [lə fɛ dy fɛt] [und [lə fɛt] kann als le faîte aufgefasst werden, „der Gipfel“; das ergibt dann „der Gipfel der Tatsache“ oder „die Tatsache des Gipfels“]. [? Worauf will Lacan mit dem Faktum des Verhältnisses von Aussage und Aussagen hinaus? In welchem Sinne geht es hier um den „Gipfel“ eines Faktums?]
Für das Aussagen ist charakteristisch, dass die Signifikanten mehrdeutig sind [wie etwa das Wort fɛt, das zugleich als fait, „Tatsache“ und als faîte, „Gipfel“ verstanden werden kann]. [Die Signifikanten des Aussagens sind mehrdeutig: „überdeterminiert“, sagt Freud. Sie stehen in Äquivalenzbeziehungen, mit Freud: es gibt hier „symbolische Gleichungen“149.]
Der Äquivokationen und Äquivalente sind eine Grenze für Gesagte [eine Grenze für das Ausgesagte]. [Der Versuch, das Sprechen durch den Sinn zu beherrschen, stößt hier auf eine Grenze.]
Symbol: 1, 2, 3
Bekanntlich wird der Begriff des Symbols auf das symbolon zurückgeführt, ein Erkennungszeichen, das aus einem zerbrochenen Stück besteht. Dies haben die Menschen zu aller Zeit gesehen. [Das entspricht wohl der Eins.]
Das symbolon bringt aber auch die Einheit und die Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich. [Die beiden Bruchstücke können als Signifikant und Signifikat aufgefasst werden. Ihre Einheit zeigt sich darin, dass sie zusammenpassen, ihre Reziprozität besteht darin, dass jedes der beiden Teile als ein Signifikant aufgefasst werden kann, für den das andere Teil das Signifikat ist.] Dies ist nie gesehen worden. [Damit sind wir offenbar bei der Zwei.]
Daraus ergibt sich, dass das ursprüngliche Signifikat nichts bedeutet. [Das Signifikat ist nichts Ursprüngliches, sondern ein Effekt; am Anfang steht die Signifikantenbeziehung.]
Das ursprüngliche Signifikat ist vielmehr Zeichen der Arbitrage – der Schlichtung, des Schiedsspruchs – zwischen zwei Signifikanten. [Der Schiedsspruch entspricht der Drei.]
[Das Signifikat ist der Effekt der Beziehung zwischen zwei Signifikanten. Hierbei kommt ein weiteres Element ins Spiel, die Schlichtung; sie regelt, welcher Signifikant als Signifikat fungiert. Bei der Rekonstruktion des Signifikatseffekts muss man also, neben dem Signifikantenpaar, ein drittes Element ins Spiel bringen, eine Art Schlichterspruch.] Das ursprüngliche Signifikat ist jedoch keineswegs Zeichen des Arbiträren – der Willkür – in der Beziehung zwischen ihnen [Saussures Konzept der Arbitrarität der Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat ist nicht haltbar]. [Im Beispiel könnte gemeint sein: Die beiden Bruchstücke müssen durchaus zusammenpassen.]
[Woher aber gibt es diesen Schiedsrichter zwischen den beiden Signifikanten?] Diesen Schiedsrichter – auf Englisch: diesen umpire – gibt es ausgehend vom (frz.) empire über den Körper, vom Imperium über den Körper [also ausgehend von der Körperbeherrschung]. [Hier kommt das Imaginäre ins Spiel.] Alles trägt die Markierung der Körperbeherrschung, angefangen mit dem Ordal [mit dem Gottesurteil]. [Eine der Formen des Schiedsspruchs ist demnach das Gottesurteil. Bei einem Gottesurteil wird der Angeklagte gezwungen, über glühende Kohlen zu laufen oder er wird ins Wasser geworfen, und das Urteil wird davon abhängig gemacht, wie er das bewältigt.]
Hier bestätigt sich die Ablösung der 1 von der 2. [Vielleicht: Das Zerbrechen der Scherbe entspricht der Stabilisierung der Null/Eins-Opposition.]
[Wodurch wird nun die 3 gebildet?] Die 3 entsteht durch imaginäres Aufhetzen [also durch das Aufhetzen der beiden Akteure einer Rivalitätsbeziehung]. [Lacan wechselt jetzt den Typ des sozialen Dreierverhältnisses: von der Schiedsrichterbeziehung zur Aufhetzerbeziehung.] Bei diesem Aufhetzen gibt es einen Willen [den des Aufhetzers, S1], und dieser Wille drängt den einen der beiden [der beiden Signifikanten von S2] dazu, den anderen zu belästigen [soweit entspricht das dem Anfeuern einer Mannschaft bei einem Fußballspiel], jedoch ohne an einen der beiden gebunden zu sein [der Aufhetzer ist in Lacans Illustration also keineswegs ein Fan, sondern ein Neutraler, der sich mit dem Aufhetzen der einen Seite nicht zugleich an sie bindet]. [? Warum skizziert Lacan hier soziologische Modelle für die Dreier-Beziehung zwischen S1 und S2?]
[Die beiden soziologischen Miniaturen von Lacan erinnern an Georg Simmels Über die quantitative Bestimmtheit der Gruppe (ein Kapitel von Simmels Soziologie von 1908). Simmels Beispiele für die Dreiergruppe sind (1) Der Unparteiische und der Vermittler, (2) Der tertius gaudens (Der lachende Dritte), (3) Divide et impera (Teile und herrsche). Simmel: „Die Zwei stellte, wie die erste Synthese und Vereinheitlichung, so auch die erste Scheidung und Antithese dar; das Auftreten des Dritten bedeutet Übergang, Versöhnung, Verlassen des absoluten Gegensatzes – freilich gelegentlich auch die Stiftung eines solchen.“150 – Lacans Bemerkung über das Aufhetzen beschreibt die Stiftung eines Gegensatzes.]
Die borromäische Verkettung von vier Elementen
Die borromäische Dreierverkettung ist nicht die Norm
[Ausgehend von der Null, der Eins und der Zwei ist Lacan bei der Drei angelangt. Von der Drei kann er nun zur Vier übergehen: von der borromäischen Verkettung von drei Elementen, die er in den vorangegangenen Seminaren 21 und 22 vorwiegend behandelt hatte, zur borromäischen Verkettung von vier Elementen und damit zum Thema des aktuellen Seminars: zur Topologie des Sinthoms.]
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)151
Der borromäische Knoten [oder besser die borromäische Verkettung] ist eine Verschlingung von drei Ringen, derart dass, wenn ein beliebiger Ring geöffnet wird, die beiden anderen auseinanderfallen. In einer [nicht-borromäischen] Verkettung [von drei Elementen, die direkt ineinandergreifen] wird das durch den mittleren Ring realisiert [also durch einen bestimmten Ring, nicht durch jeden beliebigen]. Die zuerst erwähnte Art von Verkettung hat man im Wappen der Borromeo-Familie gefunden, daher der Name [„borromäische Ringe“, was die übliche Bezeichnung ist bzw., wie Lacan bisher meist gesagt sagt hat] „borromäischer Knoten“. Niemand hat jedoch zunächst die Konsequenzen daraus gezogen [erst die mathematische Knotentheorie, ein Zweig der mathematischen Topologie, hat sich für diese Gebilde eingehender interessiert].
Wappen der Familie Borromeo
Ausschnitt aus dem Borromeo-Wappen
[Zur Terminologie:
– Knotentheoretiker bezeichnen die einzelnen Ringe als „Knoten“ – genauer als „Unknoten“ oder „triviale Knoten“, da sie keine Selbstverschlingung haben.
– „Knoten“ sind für Topologen immer geschlossene Gebilde; ein Faden mit einem Knoten im Sinne der Umgangssprache und zwei offenen Enden ist für einen Knotentheoretiker kein Knoten.
– Die Verbindung zwischen den Elementen heißt in der Terminologie der Knotentheoretiker „Verkettung“, „Verschlingung“ oder „Link“. Die borromäischen Ringe sind für sie also eine Verkettung (eine Verschlingung, ein Link) von drei trivialen Knoten (von drei Unknoten).
– Statt von „borromäischer“ Verkettung spricht man in der Knotentheorie von einer „Verkettung mit Brunn’scher Eigenschaft“, wobei die Brunn’sche Eigenschaft eben darin besteht, dass, wenn man ein beliebiges Element auftrennt, die übrigen Elemente auseinanderfallen. Das, was Lacan „borromäischer Dreierknoten“ nennt, ist für die Topologen also eine Verkettung (eine Verschlingung, ein Link) von drei trivialen Knoten (von drei Unknoten), wobei die Verkettung die Brunn’sche Eigenschaft hat.]
[Eine borromäische Verkettung kann aus beliebig vielen Komponenten bestehen, das Borromäische daran (bzw. die Brunn’sche Eigenschaft daran) ist, dass immer gilt: wenn ein beliebiges Element geöffnet wird, fallen die übrigen auseinander. In diesem Seminar geht es Lacan vor allem um die borromäische Verkettung von vier Komponenten.]
[Lacan wird sich im Verlauf dieses Seminars nicht nur auf die die borromäische Verkettung von Elementen ohne Selbstverschlingung beziehen (von Ringen, trivialen Knoten, Unknoten), sondern auch auf die die borromäische Verkettung von Elementen mit Selbstverschlingung. Dabei interessiert ihn vor allem die einfachste Form des Knotens mit Selbstverschlingung, „Kleeblattknoten“ oder „Dreierknoten“ geheißen. Eine borromäische Verkettung kann auch aus Kleeblattknoten bestehen.]
Hopf-Verkettung
[Die übliche Art der Verkettung, bei der Ringe direkt ineinandergreifen, also wie bei einer handelsüblichen Gliederkette, heißt in der Sprache der Topologen „Hopf-Verkettung“ (oder „Hopf-Verschlingung“, „Hopf-Link“). Die von Lacan erwähnte Dreierkette, bei der zwei Elemente sich voneinander lösen, wenn man das mittlere auftrennt, ist eine „Hopf-Verschlingung“ von drei Elementen.]
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)152
Es ist ein Irrtum, anzunehmen, dies [die borromäische Verkettung von drei Komponenten] sei die Norm für das Zusammenwirken von drei Funktionen [die drei Funktionen wirken häufig nur durch das Eingreifen einer weiteren Funktion zusammen]; diese Bemerkung bezieht sich auf die drei Funktionen, die es in ihrem Zusammenwirken |{20} nur beim Menschen gibt [also auf das Reale, das Symbolische und das Imaginäre]. Genauer: Das Zusammenspiel dieser drei Funktionen [nämlich des Realen, des Symbolischen und des Imaginären] gibt es nur bei den Wesen, die sich aufgrund dieses Zusammenwirkens von drei Funktionen für Menschen halten [die These lautet also: Wenn ich mich als Mensch auffasse, begreife ich mich damit zwangsläufig als Wesen, bei dem das Reale, das Symbolische und das Imaginäre ineinandergreifen].
Das vierte Element ist der Vater als Sinthom / als sainte-homme
Die Perversion zeichnet sich keineswegs dadurch aus, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale auseinanderfallen. [? Wer nimmt das an?] Die Struktur der Perversion besteht vielmehr darin, dass es diese drei Elemente als voneinander unterschiedene gibt und dass man ein viertes Element annehmen muss, das sie auf borromäische Weise zusammenhält. Das vierte Element ist das Sinthom. Man muss die borromäische Verkettung hier als tetradisch auffassen [als viergliedrig]. [? Ist nur die Perversion viergliedrig oder die Neurose? Falls auch die Neurose (was ich annehme), warum die Einführung der Viererverkettung über die Perversion?]
Perversion meint père-version, Wendung zum Vater [z.B. als masochistische Aufopferung des Sohnes für den Vater, wie Lacan in einer späteren Sitzung dieses Seminars ausführen wird; „Perversion meint Perversohn“, könnte man Lacans Wortspiel ins Deutsche bringen].
[So gesehen zeichnet sich Joyce durch seine Wendung zum Vater aus (von der später in dieser Sitzung die Rede sein wird), durch „Perversion“.]
Der Vater ist nur ein Symptom oder Sinthom – Lacan verwendet hier beide Termini. Sinthome ist homophon mit saint homme, heiliger Mann; der Vater ist ein heiliger Mann. [Das darf man wohl so zusammenziehen: Das Symptom beruht darauf, dass der Vater für das Subjekt ein heiliger Mann ist, ein saint homme, und eben hierauf bezieht sich die Schreibweise sinthome. Das Symptom stütz sich immer auf eine père-version, eine Wendung zum Vater.]
[In Seminar 22, RSI, spricht Lacan am Schluss über die borromäische Verkettung von drei und vier Ringen: Die borromäische Verkettung von drei Ringen steht für das Subjekt, für das es den Ödipuskomplex – den Namen-des-Vaters – zwar gibt, für das er aber nicht die Funktion hat, alles zusammenzuhalten (alles: das Imaginäre, das Symbolische und das Reale). Dieses Subjekt ist möglich, es ist aber nur selten anzutreffen. Der Normalfall ist die borromäische Verkettung von vier Ringen (vgl. in Lacan entziffern den Beitrag Vom Dreierknoten zum Viererknoten).]
Das Symptom bezieht sich auf die anderen drei Register – auf das Imaginäre, das Symbolische und das Reale – von einer Position der Ex-sistenz aus. [In der borromäischen Verkettung von vier Ringen ist der Ring des Symptoms den anderen drei Ringen äußerlich, er geht nicht kontinuierlich in sie über und durchdringt sie nicht.]
Konstruktion und Darstellungsweisen der borromäischen Viererverkettung
Das Band des Realen, des Symbolischen und des Imaginären ist rätselhaft [gemeint ist, wie das Folgende zeigt, dass man diese drei Funktoinen als unverbunden auffassen kann]. In ihm wird unterstellt, dass es die Ex-sistenz des Sinthoms gibt [dass es ein viertes Element gibt, durch das eine borromäische Verkettung der vier Elemente hergestellt wird].
Links: drei getrennte Ringe. Rechts: ihre Verbindung durch den vierten Ring des Sinthoms (Σ)153
Das lässt sich so darstellen, dass man zunächst drei Ringe zeichnet, die unverkettet aufeinanderliegen. Diese drei Ringe können dann in der Zeichnung durch einen vierten Ring verbunden werden, so, dass die Verkettung borromäischen Charakter bekommt. Dieser vierte Ring ist das Sinthom.
[Man muss hierbei im Auge behalten, dass auch die borromäische Verkettung von vier Ringen symmetrisch ist: Wie der Symptom-Ring die anderen drei verbindet, die sonst auseinanderfallen würden, so verknüpft auch der Ring des Imaginären die anderen drei usw. Jeder der vier Ringe ist für die anderen Ringe ein für deren Zusammenhalt wesentliches Außen.]
{21} Lacan beschreibt dann eine bestimmte Anordnung der vier borromäisch verknüpften Elemente. Er schematisiert die Beziehungen durch die folgende Figur:
[Seminarthema ist das Symptom. Das Symptom ist dadurch charakterisiert, dass es sich immer auf das Symbolische bezieht, hieß es in Lacans Ankündigung des Seminars bei den Studientagen der EFP am 9. November 1975. Also ist die erste Frage die, wie sich das Symptom zum Symbolischen verhält. Die Zeichnung soll offenbar veranschaulichen, dass die Beziehung zwischen dem Symptom und dem Symbolischen – zwischen den Termen oben und unten, zwischen Σ und S – durch das Reale und das Imaginäre vermittelt ist, also durch die Beziehung zu den Termen links und rechts, zwischen R und I.]
Man kann den Knoten demnach so zeichnen, dass die vier Komponenten in folgender Reihenfolge angeordnet sind: Reales, Symbolisches, Symptom, Imaginäres, also R S Σ I. Man kann das erste und das zweite Element gegeneinander austauschen, ebenso das dritte und das vierte, das ergibt dann S R I Σ. [Die Beziehung zwischen dem Symbolischen und dem Symptom, zwischen S und Σ , kann sowohl als die Mitte aufgefasst werden, die durch das Reale und das Imaginäre gerahmt wird, als auch umgekehrt; das Symbolische und das Symptom bilden dann den Rahmen für die Beziehung zwischen dem Realen und dem Imaginären.]
R S Σ I
1 2 3 4
2 1 4 3
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Symbolisches und Symptom zwischen Realem und Imaginärem154
Zur ersten Anordnung kann man sagen: die Beziehung zwischen den beiden äußeren Elementen, also R und I ist durch die beiden mittleren Elemente vermittelt, also durch S und Σ. |{22}
Borromäische Verkettung von vier Ringen155
[Lacan bietet hier einen anschaulichen Zugang zur borromäischen Verkettung von vier Komponenten durch deren Linearisierung. Die von ihm skizzierte Kombinatorik lässt sich verlängern, beliebige Elemente können die beiden äußeren Platz einnehmen und die beiden vermittelnden Elemente können immer auf zwei Weisen angeordnet werden. Hier interessiert ihn jedoch vor allem das Symptom und das damit immer verbundene Symbolische, also das Paar Symbolisches – Symptom.]
Der Ödipuskomplex ist ein Symptom
Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom. [Vielleicht darf man das so auf Lacans frühere Bemerkungen in dieser Sitzung beziehen: Beim Ödipuskomplex geht es darum, dass der Vater ein heiliger Mann ist, und der Vater als heiliger Mann ist ein Symptom.]
[Der vierte Ring der borromäischen Viererverkettung steht also für das Sinthom bzw. Symptom, und das Symptom besteht darin, dass der Vater ein heiliger Mann ist, anders gesagt, im Ödipuskomplex.]
Der Name des Vaters ist auch der Vater des Namens
[Wie kommt es, dass der Name-des-Vaters zum Symptom wird, zum heiligen Mann?] Alles wird dadurch gestützt, dass der Name-des-Vater auch der „Vater des Namens“ ist. [Eine der Vaterfunktionen ist das Namengeben, der Vater ist auch derjenige, dem zugeschrieben wird, dass er die Namen gibt, dass er die Dinge benennt. Diese These hatte Lacan zuerst am Schluss von Seminar 22 von 1974/75, RSI, aufgestellt und er hatte daran bereits zu Beginn dieser Sitzung angeknüpft, mit der Anspielung auf die Benennung der Tiere durch Adam – Urvater als Namensgeber.]
[? Was ist damit gemeint, dass der Name-des-Vaters der Vater des Namens ist?]
Die Realisierung der Vaterfunktion durch die Namensgebung verhindert nicht, dass das Symptom notwendig ist. [Auch dann, wenn die Vaterfunktion voll realisiert wird, gibt es Symptome, und zwar notwendigerweise, im Sinne von „unvermeidlich“. Das Symptom ist noch in einem weiteren Sinn notwendig: es „hört nicht auf sich zu schreiben“, es wiederholt sich.]
[Das könnte heißen im Kontext dieser Sitzung heißen: Bei Joyce hat die Vaterfunktion der Namensgebung den Charakter eines Symptoms.]
Joyce das Symptom im Herrendiskurs
Σ
Der Andere, um den es dabei geht [nämlich beim Namen-des-Vaters als Vater des Namens] zeigt sich bei Joyce darin, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist [für seinen Vater, der als Vater weitgehend ausfiel]; er muss den Vater [der weitgehend ausgefallen ist] stützen, damit er [der Vater] fortbesteht [darin besteht Joyces „Wendung zum Vater“, Joyces père-version]. Das stellt sich im Ulysses heraus [insofern es dort darum geht, dass Stephen Dedalus – Joyces Alter Ego – einen Vater sucht und nicht findet]. Joyce lässt seine Familie durch seine Kunst fortbestehen [vermutlich: auf der symbolischen Ebene, als Name], mehr noch, durch seine Kunst „illustriert“ er seine Familie [durch seine Kunst macht er seine Familie berühmt, illustre, durch ihn wird sie zu einer „illustren“ Familie]. [Vorher hieß es, der Name-des-Vaters sei das Symptom. Also wird man sagen können: Das Stützen des Vaters und der Familie ist das Symptom von Joyce.]
Dasselbe gilt für sein Land, Irland ist für Joyce my country, wie er sagt [die Joyce’sche Kunst dient dem Ruhme Irlands]. [Vorher hatten wir erfahren, dass Joyce ein bestimmtes Symptom hatte, das SintHome-Rule, das wird hier mit der Beziehung zum Vater und zur Familie parallelisiert.]
[Also gilt wohl: Das Symptom von Joyce besteht darin, dass er sich genötigt sieht, den Vater, die Familie und Irland zu stützen.]
S2
Die Kunst ist, historisch gesehen, vom Handwerk ausgegangen. [Der französische Begriff für Kunst, art, geht auf das lateinische Wort ars zurück, und ars meint das Handwerk, die Technik, die Kunstfertigkeit. Das deutsche Wort „Kunst“ meint ursprünglich eine Technik, wie z.B. heute noch im Begriff „Wasserkunst“. In Lacans Terminologie ist das Können bzw. die Technik eine Form von Savoir, von Wissen (S2), ein Savoir-faire.]
[Das alter Ego von Joyce im Porträt des Künstlers und im Ulysses heißt mit Nachnamen Daedalus bzw. Dedalus. Daedalus ist in den griechischen Mythen der große Handwerker-Erfinder.]
Im Porträt des Künstlers gibt Joyce [bzw. Stephen Dedalus] sich die Mission, der esprit, der Geist, |{23} seiner „Rasse“ zu sein [seines Volkes]. [Bei Joyce findet man conscience of my race, Bewusstsein / Gewissen meiner Rasse, meines Volkes, Lacan macht daraus esprit, also „Geist“ im Sinne der Hegelschen Geistphilosophie – Joyce gibt sich die Mission, der irische Volksgeist zu sein. Eben darin besteht sein Symptom, seine SintHome-Rule.]
[Das Symptom der Namensgebung zeigt sich bei Joyce darin, dass er seiner Familie und seiner „Rasse“, seinem Volk, einen „Namen gibt“, dass er beide berühmt macht.– „Einen Namen geben“ meint bei Lacan demnach auch „sich einen Namen machen“. Wenn Joyce darauf aus ist, sich, seiner Familie und seinem Volk einen Namen zu machen, dann realisiert er damit eine bestimmte Funktion des Vaters, nämlich das Namengeben, und im Falle von Joyce hat das den Charakter eines Symptoms.] [? Worin zeigt sich bei Joyce des Symptomcharakter des Namengebens / des Sich-einen-Namen-Machens?]
Dies ist der Hintergrund, vor dem Lacan in diesem Seminar fragen wird, was es mit der Kunst auf sich hat, mit l’art. Inwiefern kann l’artifice – der Kunstgriff, das Artefakt [also beispielsweise Joyces literarische Technik] – sich ausdrücklich auf das beziehen, was sich zunächst als Symptom präsentiert? [Die Joyce’sche Kunst ist ein Savoir-faire, es geht hier um das Verhältnis von Symptom und Savoir bzw. Savoir-faire, um das Eingreifen des literarischen Savoir-faire in das Symptom.]
$ am Platz der Wahrheit
Wie kann sich die Kunst bzw. das Handwerk so auf das Symptom beziehen, dass damit verhindert wird, dass sich im Symptom die Wahrheit zeigt [der unbewusste Sinn des Symptoms]? [Wie kann die literarische Technik dafür sorgen, dass der Zugang zur Wahrheit, den das Symptom ermöglicht, versperrt wird? Dies im Unterschied zur Technik der Psychoanalyse, die darauf abzielt, dass sich die im Symptom enthaltene Wahrheit offenbart.]
[Lacans Thesen zu Joyce sind bis hierher:
(1) Joyce begreift sich als Herr, als Held und ist ein pauvre hère, ein armer Schlucker, hat einen schlappen Schwanz.
(2) Das Symptom von Joyce besteht darin, dass er den Vater stützten muss (dass er für ihn ein heiliger Mann ist), dass er seine Familie stützen muss, dass er zunächst Thomas von Aquin verehrt und später Irland stützen muss, dass er sich als Geist seines Volks begreift.
(3) Das Wissen von Joyce, sein Savoir-faire, ist die Kunst als literarische Technik.
(4) Joyces greift mit seiner Kunst in das ein, was sich zunächst als Symptom darstellt.
(5) Die Joyce’sche Kunst hat den Effekt, dass sich die Wahrheit des Unbewussten gerade nicht zeigt; darin besteht der Gegensatz zur Technik der Psychoanalyse.
(6) Eine Joyce’sche Mehrdeutigkeit funktioniert nicht wie ein „freudscher Versprecher“; Joyces Kunst kann nicht nach dem Schema des Unbewussten gedeutet werden.
Die fünfte und sechste These sind zuerst von C. G. Jung formuliert worden, in einem Aufsatz über Ulysses aus dem Jahr 1932.]
Wo ist hierbei die Wahrheit?
Die Wahrheit hat Lacan [an der Tafel] mit zwei Tetraedern dargestellt [mit zwei Dreieckspyramiden].
Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses in einen Tetraeder
[Das linke Diagramm zeigt das Schema des Herrendiskurses, wie Lacan es in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, entwickelt hatte. Es ist mit senkrechten und waagerechten Strichen versehen sowie mit zwei Diagonalen; eine der Diagonalen ist gestrichelt gezeichnet. Damit wird signalisiert, dass das Schema dreidimensional aufgefasst werden soll – die gestrichelte Linie repräsentiert eine verdeckte Kante; das Quadrat wird hierdurch zu einem Tetraeder, zu einer Dreieckspyramide. Das sieht man am besten, wenn man das Schema um 45 Grad im Uhrzeigersinn dreht, wie im rechten Bild. Man erkennt dann, dass man einen Tetraeder vor sich hat, dessen hintere waagerechte Kante verdeckt ist.]
[Warum verwandelt Lacan das Diskurs-Schema in einen Tetraeder?]
[Außerdem hat das rechte Schema eine gewisse Ähnlichkeit mit dem kreisförmigen Schema R S Σ I, auf das Lacan sich weiter bezogen hatte. Man könnte probeweise Gleichsetzungen vornehmen – etwa R mit $, S mit S2, Σ mit a und I mit S1 (oder wie auch immer) – und sich fragen, was man dann sieht. Mir ist nicht klar, ob Lacan hier auf etwas Derartiges abzielt.]
[Das Diagramm verweist darauf, dass Lacan den Fall Joyce im Rahmen des Herrndiskurses begreift. Damit kommt er zurück auf das „Dieser Herr“ früher in dieser Sitzung. Die Frage, warum sich in der Joyce’schen Kunst die Wahrheit nicht zeigt, wird indirekt so beantwortet: Weil seine Kunst vom Herrendiskurses bestimmt wird.]
Im Herrendiskurs wird der Platz der Wahrheit [der Platz unten links] vom gespaltenen Subjekt ($) eingenommen, die Wahrheit wird dem gespaltenen Subjekt unterstellt.
[Das gespaltene Subjekt entspricht vermutlich der Rede vom pauvre hère und vom „schlappen Schwanz“ früher in dieser Sitzung. Also kann man vielleicht sagen:
- $ am Platz der Wahrheit: pauvre hère (armer Schlucker), schlapper Schwanz]
Als gespaltenes Subjekt ist es dem Phantasma unterworfen. [Betrachtet man im Herrendiskurs den Zusammenhang der beiden unteren Plätze, also die unbewusste Ebene insgesamt, sieht man, dass das gespaltene Subjekt sich auf das Objekt a am Platz unten rechts bezieht; zusammen ergibt das die Formel für das Phantasma, $ ◊ a.]
[? Welches ist im Falle von Joyce das im Phantasma dominierende Objekt a?]
Das heißt, wir müssen auf dieser Ebene der Wahrheit das Halbsagen berücksichtigen [also dies, dass die Wahrheit sich nur halbsagen lässt, wie Lacan ab Seminar 17 immer wieder sagt], dies im Gegensatz zu dem, wie er, Lacan, es zunächst [vor Seminar 17] dargestellt hatte. [Die Selbstkritik bezieht sich vermutlich vor allem auf den Aufsatz Die freudsche Sache von 1956156.]
S1
Im Diskurs des Herrn wird das Subjekt durch den Signifikanten Index 1 (S1) [am Platz oben links] repräsentiert [durch den Herrensignifikanten, das Ichideal]. [Welchen Signifikanten kann man hier im Falle von Joyce annehmen? Ich nehme an: Joyce als Held, als Der Künstler.]
[- S1: Held, DER Künstler]
S2 = Symptom + Symbol
Der Signifikant Index 2 (S2) [„Wissen“, im Herrendiskurs am Platz oben rechts als „Savoir-faire“] repräsentiert die Duplizität von Symbol und Symptom, so wie Lacan es eben [in Bezug auf den Äußerungsvorgang] erläutert hatte. [S2 ist ein Signifikantenpaar:] Der eine dieser beiden Signifikanten repräsentiert das Symptom [dies ist der manifeste Signifikant], der andere repräsentiert das Symbol [dies ist der latente Signifikant, das Verdrängte]. [So etwa findet man das in Seminar 11:
„Das Urverdrängte / le refoulé primordial ist ein Signifikant, und wir können, was über diesem sich aufbaut und das Symptom konstituiert, ohne weiteres als Signifikantengerüst betrachten. Verdrängtes und Symptom sind homogen und reduzierbar auf Signifikantenfunktionen. Ihre Struktur, die sich zwar wie ein jedes Gebäude nach und nach aufbaut, ist, am Ende, gleichwohl in synchronischen Termen einschreibbar.“157]
Hier ist der Handwerker. [Im Herrendiskurs ist dies der Platz oben rechts. Dieser Platz wird im Herrendiskurs vom Symbol S2 eingenommen. Bereits in Seminar 17 steht S2 für den Sklaven, den Knecht, den Handwerker (qua Wissen bzw. Savoir-faire). Im Falle von Joyce ist am Platz oben rechts vermutlich Joyce als Handwerker-Künstler zu verorten. Für den Handwerker-Künstler steht im Porträt und im Ulysses der Nachname von Stephen, nämlich Dedalus.]
Dieser Handwerker fügt zwei Signifikanten zusammen [im Herrendiskurs ist dies das Symbol S2 am Platz oben rechts].
[Einer dieser beiden Signifikanten ist das Symptom, bei Joyce also das SinThome-madaquin bzw. die SintHome-Rule.]
[Das lässt sich etwa so darstellen:
----------------------------------------------------------Sinthom
----------------------------------------------------------(Vater als saint-homme)
- S2: Handwerker-Künstler <
--------------------- ------------------- --------------Symbolisches
[Bei Sinthom ist „Vater als saint-homme“ durch die darauf aufbauenden Sinthome zu ergänzen, durch „SinThome-madaquin“ und „SintHome-Rule“.]
Objekt a
Durch das Zusammenfügen von zwei Signifikanten produziert der Handwerker das Objekt a. [Im Herrendiskurs ist das Objekt a am Platz unten rechts, am Platz der Produktion.] Lacan erinnert daran, dass er sich auf die Objekte a bereits früher in dieser Sitzung bezogen hatte, als er über das Ohr, das Auge und den geschlossenen Mund sprach [über die Körperöffnungen, die die imaginären Gegenstücke zu den Objekten a bilden: der Mund bezieht sich auf die Brust, das Auge auf den Blick, das Ohr auf die Stimme].
[Damit stellt sich die Frage, welches im Falle von Joyce qua Herrendiskurs das Objekt a ist.]
{24} Wann immer der Diskurs des Herrn bestimmend ist, spaltet sich das S2 in Symptom und Symbol [in das manifeste Symptom und den verdrängten Signifikanten als den unbewussten Sinn dieses Symptoms].
Die Spaltung in Symbol und Symptom [S2] wird jedoch reflektiert in der Spaltung des Subjekts [$].
[Die Position von Joyce im Herrendiskurs lässt sich jetzt etwa so darstellen:]
Diskurs des Herrn: Joyce
Das Insistieren des Signifikanten nötigt uns, zu akzeptieren, dass einer der beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom hat. [Ich nehme an, dass die beiden Signifikanten des Symbolischen S1 und S2 sind. Einer von ihnen, S2, hat seine Stütze im Symptom. S2 wird aufgefasst als Beziehung zwischen dem Symbolischen und dem Symptom, zwischen Σ und S.]
[S2 = Σ + S]
Symbol und Symptom in der borromäischen Verkettung
Falsches Loch zwischen den Ringen des Symbolischen und des Symptoms
[Nachdem Lacan die Unterscheidung von Symbol und Symptom im Herrendiskurs verortet hat (als Aufspaltung von S2), geht er jetzt zurück zur Knoten-Topologie und stellt sich die Frage, wie die Beziehung zwischen Symbolischem und Symptom dort dargestellt werden kann. Diese Verbindung ist grundlegend für die Psychoanalyse, auf ihr beruht die Möglichkeit, ein Symptom auf dem Weg über das Sprachen zu reduzieren.] Als Beziehung zwischen zwei Ringen aufgefasst (zwischen zwei trivialen Knoten), bildet die Verbindung von Symptom und Symbol[ischem] nur ein falsches Loch, ein unechtes Loch. [Lacan setzt hier die Überlegungen zum falschen Loch zweier Ringe fort, die er in der letzten Sitzung des vorangehenden Seminars, also RSI, begonnen hatte. Kann man aus zwei Ringen, die nicht direkt wie zwei Kettenglieder ineinandergreifen, ein Loch bilden, das irreduzibel ist, d.h. das bei Verformung erhalten bleibt? Die Antwort ist negativ: Wenn man die beiden Ringe so ineinanderlegt, dass sie miteinander ein Loch bilden, ist dieses Loch falsch, unecht, es ist reversibel, es lässt sich durch Verformung der Ringe zum Verschwinden bringen.]
Jeder der beiden Ringe hat eine Konsistenz, die eine Art Kreis bildet [jeder Ring lässt sich durch eine Art verbogene Kreislinie darstellen, d.h. durch eine Linie, auf auf sich zurückkommt und insofern zusammenhält, und eben dies nennt Lacan „Konsistenz“]. Jeder dieser Kreise ist um ein Loch herum organisiert. [Lacan charakterisiert in Seminar 22, RSI, die einzelnen Ringe und die Verkettung insgesamt durch drei Begriffe: Konsistenz, Ex-sistenz und Loch, die er dem Imaginären (Konsistenz), dem Realen (Ex-sistenz) und dem Symbolischen (Loch) zuordnet.]
[Dieses Loch ist hier jedoch nicht gemeint.] Es geht um ein anderes Loch: das Loch, das Symbol[isches] und Symptom zusammen bilden, und zwar dadurch, dass sie auf bestimmte Weise – wie in der Zeichnung – ineinandergefaltet sind.
Man muss dies [die Verbindung der beiden Ringe mit dem falschen Loch] in einen hohlen Torus einschließen, also in eine Art Luftkammer [damit das Loch stabil ist]; Soury hat das gut dargestellt. [Ich vermute, dass etwas gemeint ist, das man annäherungsweise in Version Miller/Mitelman/Dielmann auf S. 87 findet, man muss dort nur den grünen Ring entfernen.]
{25} [Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, das falsche Loch in ein echtes Loch zu verwanden.] Dazu muss in das falsche Loch etwas eingeschoben werden: eine Gerade, und diese Gerade muss unendlich lang sein, denn eine unendliche Gerade ist einem Kreis verwandt [wie Lacan bereits im vorangehenden Seminar RSI erläutert hatte]. [Die eingeschobene unendliche Gerade entspricht einem dritten Ring und ermöglicht so eine borromäische Verkettung von drei Elementen.]
[Lacan legt auch später in diesem Seminar großen Wert darauf, dass in einer borromäischen Verkettung ein Ring (ein trivialer Knoten) durch eine unendliche Gerade ersetzen werden kann. Warum?]
Diskurs der Universität
Der Kreis hat eine Funktion: er dient dazu, zu zirkulieren. Dieses Zirkulieren ist der Polizei wohlbekannt [sie sagt: „Circulez“, Weiterfahren]. Hegel hatte [in den Grundlinien der Philosophie des Rechts] gut die Funktion der Polizei gesehen, sie allerdings in einer Form beschrieben, die anders ist als die von Lacan [vermutlich: Hegel beschrieb sie mithilfe seiner Dialektik]. Für die Polizei geht es darum, |{26} dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht. [Lacan wechselt hier offenbar zum Diskurs der Universität, der auch der Diskurs der Bürokratie ist; das Circulez! ist hier der Herrensignifikant am Platz unten links.] Hegel hatte die Funktion des Kreises in einer Form gesehen, die sicherlich nicht die ist, um die es [Lacan] geht.
KLEINES LACAN-LEXIKON
Das Lexikon ist nicht alphabetisch geordnet, sondern nach der Reihenfolge des Auftretens der Begriffe und Thesen in Lacans Vortrag.
Die Zahlen in Klammern nach den Überschriften und nach den Lacan-Zitaten zu Beginn der Einträge beziehen sich auf die Seiten von Max Kleiners Übersetzung von Seminar 23; oben in der Übersetzung sind sie im deutschen Text nach jedem Satz angegeben.
Am Ende jedes Lexikoneintrags steht ein Pfeil nach unten mit der Spitze nach links (↩); wenn man ihn anklickt, kommt man zur entsprechenden Stelle der Übersetzung zurück.
Sinthom (1)
Zu: „Ich habe auf dem Aushang ‚Das Sinthom‘ angekündigt. Das ist eine alte Schreibweise für das, was später ‚Symptom‘ geschrieben wurde.“ (1)
Der Begriff „Symptom“ geht zurück auf das griechische Wort συμπίπτω (sumpiptō), „zusammentreffen“. Das Wort σύμπτωμα (sumptōma) meint „Unfall“, „Zusammentreffen“; es beruht au dem Präfix σύν (sun), „mit“, und dem Stammwort πίπτω (piptō), „geschehen“, „sich ereignen“. „Symptom“ meint also, seiner Herkunft nach: das was zusammen auftritt (vgl. hier). Im Spätlateinischen wird hieraus „symptoma“, im mittelalterlichen Latein „sinthoma“ (siehe hier). Lacan geht mit „Sinthom“ also von der heute üblichen, gräzisierenden Schreibweise zurück auf die latinisierende, „mittelalterliche“ oder „scholastische“ Orthographie.
„Symptôme“ wird mit p ausgesprochen, „sinthome“ ohne; da Lacan sehr deutlich artikuliert, ist auf guten Tonaufnahmen meist klar zu erkennen, ob es um das eine oder um das andere geht. ↩
Lalangue (1, 3 f.)
Zu: „Wenn ich mir diese Abänderung der Orthografie erlaubt habe, die offensichtlich kennzeichnend ist für ein bestimmtes Datum, für das Datum, das hier die Einbringung in das Französische ist – das ich Lalangue nenne, die meinige Sprache –, die Einbringung des Griechischen, dieser Sprache, von der Joyce sich im Porträt des Künstlers ganz und gar wünschte – nein, nicht im Porträt des Künstlers, sondern im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es darum, ‚to hellenise‘, obgleich es um Irland geht, aber Joyce in Englisch schreiben musste.“ (1)
„Von diesem ersten, man muss schon sagen, Stuss haben wir nur eine Spur, indem wir daraus schließen, dass Adam, wie es sein Name zur Genüge anzeigt – das ist eine Anspielung, das hier, auf die Funktion des Index bei Peirce –, dass Adam, gemäß des joke, den Joyce daraus macht, dass Adam natürlich eine M’Adam war, und dass er das Vieh nur in eben ihrer Sprache / in ihrer Lalangue benannt hat, das muss man gewiss annehmen, denn die, die ich l’Evie (E-V-I-E) nennen werde – l’Evie, die ich das Recht habe, so zu nennen, denn das heißt es auf Hebräisch, falls das Hebräische eine Sprache ist: die Mutter der Lebenden –, also l’Evie hatte sie sofort und ziemlich hängend, diese Sprache / Zunge, denn nach dem vermeintlichen Benennen durch Adam ist sie die erste Person, die sich ihrer bedient: um zur Schlange zu sprechen.“ (3 f.)
„Lalangue“ ist ein von Lacan gebildeter Neologismus, er dient bei ihm als Gegenbegriff zu langage. Mit langage („Sprache“) meint Lacan das durch Regeln der Grammatik bestimmte Sprachsystem, das weitgehend eine theoretische Fiktion ist – die, so darf man Lacan ergänzen, durch Schulsystem und Verlagswesen mit ihrer Orientierung an der Schriftlichkeit praktisch wirksam ist. Lalangue (von la langue, „die Sprache“, in einem Wort geschrieben) ist die tatsächlich gesprochene Sprache, wie sie in der Perspektive der Psychoanalyse erscheint: durch Mehrdeutigkeiten und Lautverzerrungen bestimmt und mit Genießen verbunden, mit Erregungen, wie Freud sagen würde Freud. Lacan schreibt la langue deshalb in einem Wort, als lalangue, um damit, wie er sagt, an lallation zu erinnern, womit sowohl das La-la-la-Singen gemeint ist, mit dem man Kinder zum Schlafen bringt, als auch das Lallen oder Brabbeln eines Säuglings.
Unter genetischem Aspekt ist lalangue das Sprechen der Mutter, mit dem das Kind konfrontiert ist, und zwar aus der Perspektive des Kindes aufgefasst, das nicht oder kaum sprechen kann (in Lacans strukturalistischer Perspektive ist der genetische Gesichtspunkt zwar nicht zurückzuweisen, aber doch sekundär).
Lacan verwendet den Ausdruck „lalangue“ zum ersten Mal am 4. November 1971, im ersten Vortrag seiner Vorlesungsreihe mit dem Titel „Le savoir de l’analyste“ (Das Wissen des Analytikers).158
In Seminar 20 von 1972/73, Encore, sagt er:
„Die Sprache (langage) ist ein Elaborat des Wissens (élucubration du savoir) über lalangue.“159
In L’étourdit (1973) heißt es: Lalangue ist das
„Gesamt der Äquivokationen (intégrale des équivoques)“160.
Michael Turnheim erläutert den Begriff so, dass es
„bei Sprache zunächst weniger um Kommunikation als um Genießen als etwas Ungeregeltem geht. Gemeint ist damit, dass dasjenige, was die Linguistik an Ordnung bezüglich Sprache festzumachen versucht und worin Lacan im Großen und Ganzen lange Zeit größtes Vertrauen gesetzt hat, bereits einer Idealisierung entspricht. In Wirklichkeit haben wir es ursprünglich mit einer Art mehr oder weniger formloser Sprachsuppe namens lalangue zu tun, die von Zweideutigkeiten wimmelt.“161
Die Zeitschrift Essaim hat dem Thema lalangue ein Heft gewidmet; in der Ankündigung wird der Begriff so bestimmt:
„In einem Wort (so muss man das sagen), lalangue ist die Muttersprache. Sie trägt in sich die ersten Zeugnisse der Stimmübungen zwischen dem Säugling und seiner Mutter. Sie ist sonor und signifikant. Lalangue hat ihren Ursprung im Lallen, im Gesang (und auch im Feld) der Signifikanten [unübersetzbares Wortspiel: „du chant (et aussi du champ) signifiant“]. Die Homophonie nimmt hier einen herausragenden Platz ein, den der Analytiker bei der Deutung später wird nutzen können. Lalangue ist ein neuer Stein, der von Lacan in den Garten seiner Linguisterie gesetzt worden ist, Jungbrunnen der Sprache, in einer alten Diskussion – wie schon in Platons Kratylos – über das Verhältnis zwischen der Arbitrarität und der Ikonizität des Zeichens.“162 ↩
Lacans berühmteste Fomel lautet L’inconscient est structuré comme un langage, „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache“. Unter langage versteht Lacan die Einzelsprache, etwa das Französische oder das Chinesische.163 Diese Formel wird durch den Begriff Lalangue zurückgenommen oder zumindest stark modifiziert. Das Unbewusste ist nicht strukturiert wie eine langage – nicht wie eine Einzelsprache –, sondern wie lalangue.
Joyce (1)
Zu: „Wenn ich mir diese Abänderung der Schreibweise erlaubt habe, die offensichtlich ein Datum markiert, ein Datum, das hier die Einbringung in das Französische ist – das ich Lalangue nenne, die meinige Sprache –, die Einbringung von Griechisch, dieser Sprache, von der Joyce sich im Portrait des Künstlers ganz und gar wünschte – nein, nicht im Portrait des Künstlers, sondern im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es darum, ‚to hellenise‘ – die hellenische Sprache auch einzubringen in ich-weiß-nicht-was, da es ja noch gar nicht um das Gälische geht, obgleich es um Irland geht, aber Joyce in Englisch schreiben musste.“ (1)
Auf Joyce verweist Lacan zum ersten Mal in dem Aufsatz Das Seminar über „Der gestohlene Brief“ (1956); er bezieht sich dort auf ein Wortspiel, das im literarischen Kreis um Joyce erfunden worden war und das Joyce aufgegriffen hatte: a letter, a litter (ein Brief, eine Streu).164
In den Seminaren hatte Lacan sich in den folgenden Sitzungen auf Joyce bezogen:
– Seminar 18: am 12. Mai 1971.165
– Seminar 20: am 9. Januar 1973.166
– Seminar 22: Am 8. April 1975 verweist er darauf, dass er sich bei Joyce umgeschaut hat, weil man ihn gebeten hat, auf einem Kongress über Joyce einen Vortrag zu halten.
Vom 16. bis zum 20. Juni 1975 fand in Paris das fünfte internationale Joyce-Symposium statt, auf dem Lacan am 16. Juni zur Eröffnung den Vortrag „Joyce le symptôme“ hielt. Von diesem Vortrag gibt es zwei Versionen, die sich stark unterscheiden: eine Transkription des mündlichen Vortrags (meist „Joyce le symptôme I“ genannt) und eine von Lacan für den Druck bearbeitete Fassung („Joyce le symptôme II“).
Joyce das Symptom I
Die mündliche Fassung beruht auf einer Mitschrift von Eric Laurent und wurde 1982 von Jacques-Alain Miller herausgegeben, in: L’âne, 1982, Nr. 6. Diese Version wurde außerdem veröffentlicht in:
– Jacques Aubert (Hg.): Joyce avec Lacan. Navarin, Paris 1987, S. 21–30
– Lacan, Seminar 23, Version Miller 2005, S. 161–169
– Im Internet hier
– Meine Übersetzung findet man in Lacan entziffern hier.
Joyce das Symptom II
Die von Lacan für den Druck überarbeitete Fassung erschien zuerst 1979 in den Akten des Kongresses, im Band mit den französischsprachigen Beiträgen (ein zweiter Kongressband, mit englischem Titel, enthält die in englischer Sprache gehaltenen Vorträge):
– Jacques Aubert, Maria Jolas (Hg.): Joyce & Paris. 1902 … 1920–1940 … 1975. Actes du 5. Symposium International James Joyce, Paris 16 – 20 juin 1975. Publications de l’Université de Lille, Éditions du C.N.R.S., Paris 1979, S. 13–17.
Die zweite Version wurde außerdem veröffentlicht in:
– Jacques Aubert (Hg.): Joyce avec Lacan. Navarin, Paris 1987, S.31–37
– Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 565–570
– Im Internet hier.
Hinweise auf spätere Vorträge von Lacan über Joyce findet man m Kommentar „ ‚Das Sinthom‘ entziffern“ hier (unter „Weitere Texte Lacans im Umkreis von Seminar 23“). ↩
Logik (2)
Zu: „Ich beerbe Freud, ohne dass das eigentlich meine Absicht war, durch das, was ich zuzeiten ausgesprochen habe, das, was in guter Logik dem Gestammel jener entnommen werden konnte, die er ’seine Bande