Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom
I. Zur Sitzung vom 18. November 1975
Fotografie von Jeff Wall, Untangling, 1994, gedruckt 2006
Folie in Leuchtkasten, 189 x 223,5 cm
National Gallery of Victoria, Melbourne
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, „Das Sinthom”
Jacques Lacan: Seminar 23 von 1975/76: Le sinthome / Das Sinthom
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin ab März 2013
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Ankündigung des Seminars am 9. November 1975
Bei den Studientagen 1975 der École Freudienne de Paris sprach Lacan am 9. November 1975 ein Schlusswort. Darin äußerte er sich unter anderem zu seinem etwa eine Woche später beginnenden Seminar. Bei dieser Gelegenheit verwendete er zum ersten Mal das Wort sinthome.1
DEUTSCH
[…]
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[Pierre] Martin dachte, er müsse mit einer gewissen Hartnäckigkeit auf die berühmt-berüchtigte Psychopathie zurückkommen, die die Seelen bewegt zu haben scheint. Ich begreife sehr gut, warum. Es gibt jedenfalls etwas, das ich [dazu] sagen möchte, nämlich dass es mir keineswegs unangemessen zu sein scheint, darüber sprechen zu wollen. Denn letztlich möchte ich behaupten – offensichtlich mit einem anderen Namen, mit dem Namen, den Sie mich, nicht mehr und nicht weniger, in diesem Jahr mit dem Titel Sinthom haben ankündigen sehen, alte Rechtschreibung, Rechtschreibung vor dem 15. Jahrhundert, Inkunablen-Orthografie, womit ich meine, dass sie nur durch die ersten gedruckten Bücher belegt wird –, letztlich möchte ich behaupten, dass das Sinthom darin besteht, dass man daran leidet, eine Seele zu haben. Eben das ist die Psychopathie, in dem Sinne, dass nichts mehr nervt als eine Seele. Die Bedrückung, unter der fast alle Menschen heute leben, rührt von daher, dass sie eine Seele haben, deren Wesen darin besteht, Symptom zu sein.
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Und wenn wir uns um die Psychopathie und um die Psychose gedreht haben, dann deshalb, weil das Imaginäre, das Symbolische und das Reale, obwohl verknüpft, sich nicht genügt.
Gäbe es nur dieses Komplement – ich zeichne es so –, dieses Komplement zum Symbolischen, diese Art, sich in zwei Fadenringen zu verknüpfen, die jedoch nicht ausreichen, um daraus Eines zu machen, so ist dennoch alles, was das Symptom betrifft, mit dem Symbolischen verklammert.
Und zu dieser dem Symptom eigenen Konsistenz versuche ich, das ist das, was ich versuchen werde – ich gebrauche die Sachen im Präsens, denn es stimmt, das ist das, was ich anfange zu befragen –, werde ich Ihnen in diesem Jahr zu zeigen versuchen, auf welche Weise [das verknüpft ist].
Freud spürte sehr gut, dass er die Stütze seiner Theorie in der Kunst finden musste, im Kunstgriff. Er hat das sehr gut gespürt, er hat es jedoch nur gespürt, denn wenn er an ein Kunstwerk heranging, war er jedes Mal außerstande, das Werk selbst oder dessen Autor einer Psychoanalyse zu unterziehen.
Die Mehrdeutigkeit des Werks und seines Autors ist übrigens wirklich bemerkenswert. Was ist in der Kunst das Bestimmende, ist es das Werk oder vielmehr der Autor? In diesem Jahr werden wir versuchen, das zu erkunden.
[…]
FRANZÖSISCH/DEUTSCH
[…]
Martin a cru devoir revenir avec quelque insistance sur cette fameuse psychopathie qui semble avoir remué les âmes.
[Pierre] Martin dachte, er müsse mit einer gewissen Hartnäckigkeit auf die berühmt-berüchtigte Psychopathie zurückkommen, die die Seelen bewegt zu haben scheint.
Je saisis très bien pourquoi.
Ich begreife sehr gut, warum.
Il y a quand même quelque chose que je voudrais dire, c’est que ce n’est pas, me semble-t-il, tellement hors de saison de vouloir en parler.
Es gibt jedenfalls etwas, das ich [dazu] sagen möchte, nämlich dass es mir keineswegs unangemessen zu sein scheint, darüber sprechen zu wollen.
Puisqu’en somme, évidemment sous un autre nom, sous le nom de ce que vous m’avez vu ni plus ni moins annoncer cette année sous le titre du sinthome, orthographe ancienne, orthographe d’avant le XV e siècle, orthographe incunable, j’entends par là qui n’est attestée que par les premiers volumes imprimés, j’entends avancer que le sinthome, c’est de souffrir d’avoir une âme.
Denn letztlich möchte ich behaupten – offensichtlich mit einem anderen Namen, mit dem Namen, den Sie mich, nicht mehr und nicht weniger, in diesem Jahr mit dem Titel Sinthom haben ankündigen sehen, alte Rechtschreibung, Rechtschreibung vor dem 15. Jahrhundert, Inkunablen-Orthografie, womit ich meine, dass sie nur durch die ersten gedruckten Bücher belegt wird –, letztlich möchte ich behaupten, dass das Sinthom darin besteht, dass man daran leidet, eine Seele zu haben.
C’est la psychopathie à proprement parler, en ce sens qu’une âme, c’est ce qu’il y a de plus emmerdant.
Eben das ist die Psychopathie, in dem Sinne, dass nichts mehr nervt als eine Seele.
L’accablement sous lequel vivent presque tous les hommes de nos jours ressortit à ceci d’avoir une âme dont l’essentiel est d’être symptôme.
Die Bedrückung, unter der fast alle Menschen heute leben, rührt von daher, dass sie eine Seele haben, deren Wesen darin besteht, Symptom zu sein.
Et si on a tournaillé autour de la psychopathie et de la psychose, c’est bien de ce fait que l’imaginaire, le symbolique et le réel, quoique noués, ça ne se suffit pas.
Und wenn wir uns um die Psychopathie und um die Psychose gedreht haben, dann deshalb, weil das Imaginäre, das Symbolische und das Reale, obwohl verknüpft, sich nicht genügt.
N’y aurait-il que ce complément – c’est comme ça que je le dessine – ce complément au symbolique, cette façon de se nouer de deux des ronds de ficelle, qui ne suffisent pas pour autant à en faire un, c’est tout de même bien au symbolique qu’est accroché tout ce qui concerne le symptôme.
Gäbe es nur dieses Komplement – ich zeichne es so –, dieses Komplement zum Symbolischen, diese Art, sich in zwei Fadeningen zu verknüpfen, die jedoch nicht ausreichen, um daraus Eines zu machen, so ist dennoch alles, was das Symptom betrifft, mit dem Symbolischen verklammert.
Et sur cette consistance propre au symptôme, j’essaie, c’est ce que j’essaierai – j’emploie les choses au présent parce que c’est vrai, c’est ce que je commence à interroger – j’essaierai cette année de vous montrer comment.
Und zu dieser dem Symptom eigenen Konsistenz versuche ich, das ist das, was ich versuchen werde – ich gebrauche die Sachen im Präsens, denn es stimmt, das ist das, was ich anfange zu befragen –, werde ich Ihnen in diesem Jahr zu zeigen versuchen, auf welche Weise [das verknüpft ist].
Freud sentait très bien que c’était dans l’art, dans l’artifice qu’il devait trouver le support de sa théorie.
Freud spürte sehr gut, dass er die Stütze seiner Theorie in der Kunst finden musste, im Kunstgriff.
Il l’a senti très bien mais il n’a fait que le sentir, puisque chaque fois qu’il a approché une œuvre d’art, il était hors d’état de soumettre l’œuvre elle-même ni son auteur à une psychanalyse.
Er hat das sehr gut gespürt, er hat es jedoch nur gespürt, denn wenn er an ein Kunstwerk heranging, war er jedes Mal außerstande, das Werk selbst oder dessen Autor einer Psychoanalyse zu unterziehen.
L’ambiguïté d’ailleurs de l’œuvre et de son auteur est tout à fait frappante.
Die Mehrdeutigkeit des Werks und seines Autors ist übrigens wirklich bemerkenswert.
Qu’est-ce qui, dans l’art, commande, est-ce l’œuvre ou bien l’auteur ?
Was ist in der Kunst das Bestimmende, ist es das Werk oder vielmehr der Autor?
C’est ce que nous essaierons de sonder cette année.
In diesem Jahr werden wir versuchen, das zu erkunden.
[…]
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN
Einer von Lacans Vorrednern hatte von Psychopathie gesprochen und Lacan bejaht dieses Thema. Dabei geht es, Lacan zufolge, um das Symptom. Im Titel seiner Seminarankündigung hat er das Sinthom geschrieben, das ist die Rechtschreibung, wie man sie in der Epoche der Inkunablen verwendete, in der Zeit der ersten Bücher [also zwischen 1450 und 1500]. [Das französische Wort sinthome ist lautgleich mit saint homme („heiliger Mann“) und mit Saint Thome (Abkürzung für „Heiliger Thomas“).]
Das, woran man im Symptom leidet, ist die Seele. [Psychopathie bedeutet „Seelenleiden“, und Lacan deutet den Ausdruck als „Leiden durch die Seele“; die Seele ist hiernach nicht etwa der Ort, an dem das Leiden sich ereignet, sondern die Ursache des Leidens.] Die Seele ist wesentlich Symptom.
Themen der Studientage waren die Psychopathologie und die Psychose, und zwar deshalb, weil die Verknüpfung des Imaginären, des Realen und des Symbolischen nicht genügt. [Es braucht etwas Viertes in der borromäischen Verknüpfung: das Symptom bzw. Sinthom, hieraus wird dann im Sinthom-Seminar das Sinthom als viertes Element einer borromäischen Verkettung von vier Elementen.]
Das Symptom ist immer mit dem Symbolischen verknüpft [mit der Sprache und mit dem Unbewussten, aufgefasst als Batterie von Signifikanten, als „Wissen“, S2], das Symptom ist das Komplement des Symbolischen [anders wäre es nicht möglich, ein Symptom mithilfe der Psychoanalyse zu reduzieren]. Man kann das durch zwei Fadenringe darstellen, die miteinander verbunden sind [wobei der eine Ring das Symptom repräsentiert und der andere das Symbolische]. Diese Verknüpfung genügt jedoch nicht, um daraus Eins zu machen [die beiden Ringe halten nicht zusammen, sie bilden ein falsches Loch, wie es später im Seminar heißen wird; eine borromäische Verkettung ist erst ab drei Komponenten möglich].
Dies [die borromäische Verkettung von vier Elementen mit dem Symptom als viertem Element] ist das Thema des demnächst beginnenden Seminars, an dem Lacan bereits arbeitet.
[Welchen empirischen Bezugspunkt wird diese Ausarbeitung haben?] Freud hatte das deutliche Gefühl, dass er als Stütze für seine Theorie die Kunst und den Kunstgriff / das Artefakt brauchte [er hat sich immer wieder auf Werke der Literatur und der bildenden Kunst bezogen]. Aber das war nur ein Gefühl, da er die Autoren und die Werke nicht einer Psychoanalyse unterziehen konnte. [Lacan wird im Sinthom-Seminar Freud folgen und sich auf Joyce und dessen Werke beziehen und er wird dasselbe Problem haben wie Freud; im Seminar wird er sich zu dieser Schwierigkeit mehrfach äußern. Das Seminar-Programm ist also ingesamt: Entwicklung einer Theorie der borromäischen Verkettung von vier Ringen mit dem Symptom (bzw. Sinthom) als viertem Ring, in Auseinandersetzung mit der Biographie und dem Werk von Joyce, mit Joyces Symptom.]
Wie geht man an die Analyse eines Kunstwerks heran – ist das Werk das Bestimmende oder der Autor? Das ist für Lacan offen. [Er hatte immer wieder literarische Werke ohne Bezug auf den Autor untersucht, etwa Shakespeares Hamlet (Seminar 6), Sophokles’ Antigone (Seminar 7), Claudels Coûfontaine-Trilogie (Seminar 8) oder Marguerite Duras’ Die Verzückung der Lol V. Stein (Aufsatz von 1965, vgl. meine Übersetzung hier). Er war aber auch einmal so vorgegangen, dass er sich vor allem auf den Autor bezog, auf André Gide (in dem Aufsatz Gides Jugend von 1958, gestützt auf eine von Jean Delay verfasste Gide-„Psychbiographie“). Im Sinthom-Seminar wird er sich sowohl auf die Biographie von Joyce als auch auf seine Werke beziehen.]
Sitzung vom 18. November 1975
Dritte Fassung vom 2. Dezember 2019. Die zweite Fassung erschien am 14. April 2015. Die erste Fassung erschien, in fünf Teilen, am 3. April, 25. April, 20. Mai, 7. August und 2. September 2013.
Wichtigste Änderungen gegenüber der zweiten Fassung:
(a) Auf der Grundlage der Übersetzung von Max Kleiner wurde eine neue Übersetzung erstellt.
(b) Die „Paraphrase mit Ergänzungen und Fragen“ wurde stark überarbeitet.
(c) Seitenverweise auf die inzwischen erschienene offizielle Übersetzung wurden eingefügt (J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017).
In der von Miller erstellten Version ist dies I. De l’usage logique du symptôme ou Freud avec Joyce, S. 11–25, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann I. Vom logische Gebrauch des Sinthoms oder Freud mit Joyce, S. 9–26.
1. bis 5. Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
am 26. März, 23. April, 21. Mai, 25. Juni und 13. August 2013 in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin.
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QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– die Übersetzung von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der Staferla-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Primärtexten und mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern). .
ZUR NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
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TONAUFNAHME
Die Aufnahmen sind von der Website von Patrick Valas, hier.
Version Lutecium:
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Version Ducan & Valas:
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DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
{9} Also. Auf dem Aushang habe ich Le sinthome angekündigt, Das Sinthom..Das ist eine alte Schreibweise für das, was später symptôme geschrieben wurde, Symptom..
Wenn ich mir diese Änderung der Orthografie erlaubt habe, die offensichtlich ein bestimmtes Datum anzeigt, das Datum, das hier die Injektion des Griechischen in das Französische ist – in das Französische, das ich Lalangue nenne, meine Lalangue –, die Injektion derjenigen Sprache, zu der Joyce im Portrait des Künstlers tatsächlich den Wunsch äußerte, nein, das steht nicht im Portrait des Künstlers, das steht im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es ebenfalls darum to hellenise, die hellenische Sprache zu injizieren, in was, weiß man nicht, da es sich ja nicht um das Gälische handelte, obwohl es um Irland geht, Joyce jedoch Englisch schreiben musste.
Dass er auf Englisch geschrieben hat, auf eine Weise, dass – wie jemand in Tel Quel gesagt hat, von dem ich hoffe, dass er in dieser Versammlung ist, Philippe Sollers –, Joyce hat es auf eine solche Weise geschrieben, dass die englische Sprache nicht mehr existiert.
{10} Sie hatte bereits vorher, möchte ich sagen, wenig Konsistenz, was nicht heißt, dass es einfach wäre, Englisch zu schreiben. Joyce hat ihr jedoch durch die Folge der Werke, die er auf Englisch verfasst hat, jenes Etwas hinzugefügt, das den erwähnten Autor sagen lässt, dass man so schreiben sollte: l’élangues, l, Apostroph, e, l, a, n, g, u, e, s, womit er, nehme ich an, so etwas wie die élation bezeichnen möchte, die gehobene Stimmung, über die uns gesagt wird, sie sei Ursprung eines bestimmten Sinthoms, das wir in der Psychiatrie als Manie bezeichnen.
Dem ähnelt in der Tat sein letztes Werk, also Finnegans Wake, das er so lange befördert hat, damit es die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, das Werk, zu dem ich seinerzeit behauptet habe – zu der Zeit, als ich mich durch ein dringendes Ansuchen dazu habe hinreißen lassen, dringend, muss ich sagen, vonseiten von Jacques Aubert, der hier präsent ist, présent, aber auch pressant – drängend –, dass ich mich habe dazu hinreißen lassen, im Rahmen eines Symposiums Joyce einzuführen.
Dadurch habe ich mich letztlich von meinem Vorhaben abbringen lassen, in diesem Jahr – ich hatte es Ihnen im letzten Jahr angekündigt – diesem Seminar den Titel 4, 5 und 6 zu geben. Ich habe mich mit der 4 begnügt und das freut mich, denn der 4, 5, 6 wäre ich sicherlich unterlegen gewesen. Das heißt nicht, dass die 4, um die es geht, für mich deshalb weniger schwer wäre.
Ohne dass es meine Absicht war, beerbe ich Freud, durch das, was ich seinerzeit geäußert habe und was in guter Logik herausgezogen werden konnte aus dem Gestammel derer, die er seine Bande nannte. Ich muss sie nicht nennen, das ist diese Clique, die an den Zusammenkünften in Wien teilnahm und über die man nicht sagen kann, dass einer davon den Weg verfolgt hätte, den ich den der guten Logik nenne.
Die Natur – möchte ich, um es kurz zu machen, sagen – zeichnet sich dadurch aus, nicht eine zu sein; von daher das logische Vorgehen, um an sie heranzukommen. Nennen Sie Natur das, was Sie bereits dadurch ausschließen, dass Sie sich für etwas interessieren, wobei dieses Etwas sich dadurch unterscheidet, dass es benannt wird; |{11} bei diesem Vorgehen riskiert die Natur nur, sich als Potpourri von Außer-Natur zu behaupten.
Der Vorteil dieser Aussage besteht darin, dass Sie, wenn Sie – um sie wirklich zu berücksichtigen – finden, dass das Benennen im Gegensatz zu dem steht, was das Gesetz der Natur zu sein scheint, und dass es bei ihm, ich meine beim Menschen, kein Verhältnis gibt, dass auf natürliche Weise – dieses auf natürliche Weise also mit allen Vorbehalten –, dass es bei ihm kein Verhältnis gibt, das auf natürliche Weise sexuell wäre, und dass Sie dann logischerweise behaupten, was ja der Fall ist, dass dies kein Vorrecht des Menschen ist.
Geben Sie jedoch Acht, dass Sie nicht so weit gehen zu sagen, dass das Geschlecht nichts Natürliches ist. Versuchen Sie vielmehr herauszufinden, wie es im Einzelfall damit steht, von der Bakterie bis zum Vogel – auf beide habe ich bereits hingewiesen –, von der Bakterie bis zum Vogel, da diese ja Namen haben.
Am Rande wollen wir anmerken, dass in der Schöpfung, die göttlich genannt wird – göttlich allein darin, dass sie sich auf die Benennung bezieht –, die Bakterie nicht benannt wird und dass sie auch dann nicht benannt wird, als Gott dem Menschen, dem angeblichen Urmenschen, damit verulkte, dass er ihm vorschlug, er solle doch anfangen, den Namen eines jeden Tierchens zu sagen.
Von diesem ersten Stussreden, wie man schon sagen muss, haben wir nur von daher eine Spur, dass wir daraus schließen, dass Adam, wie sein Name hinreichend indiziert – das ist jetzt eine Anspielung auf die Indexfunktion von Peirce –, dass Adam – dem joke zufolge, den Joyce daraus macht –, dass Adam natürlich eine madam war und dass er das Vieh nur in ihrer Sprache benannte. Das muss man ja annehmen, denn diejenige, die ich Evita nennen möchte – die ich das Recht habe, so zu nennen, denn Eva heißt auf Hebräisch, wenn das Hebräische denn eine Sprache ist, „die Mutter der Lebenden“ –, Evita also hatte diese Sprache sofort und ziemlich locker, denn nach dem angeblichen Benennen durch Adam ist die erste Person, die sich ihrer bedient, eben sie – um mit der Schlange zu sprechen.
Die göttlich genannte Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch es dazu kommt, |{12} dass Evita die serpent, die Schlange, zu etwas macht, das Sie mir erlauben werden, so zu nennen: zur serre-fesses, zur Arschklemme, später als faille bezeichnet, als Spalte oder Riss, oder besser als Phallus, da es ja einen braucht, um den Fehltritt zu begehen, die Verfehlung, womit zu beginnen der Vorzug von meinem Sinthom ist – sin, das bedeutet ja im Englischen die Sünde, die erste Verfehlung.
Von daher die néscessité – ich glaube ja doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits haben trapsen hören –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte ne cesse pas, nicht aufhört, die Spalte, die sich beständig vergrößert, außer sie erleidet le cesse de la castration, das Aufhören der Kastration, als möglich.
Dieses Mögliche, wie ich mal gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, dass ich das Komma nicht gesetzt hatte, dieses Mögliche, habe ich früher mal gesagt, ist das, was cesse de s’écrire, was aufhört, geschrieben zu werden. Man muss jedoch das Komma setzen, es ist das, was cesse, Komma, de s’écrire, was dadurch aufhört, dass es geschrieben wird oder was vielmehr dann aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, wenn endlich der Diskurs aufkäme, den ich so charakterisiert habe: dass er nicht vom Schein wäre.
Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Savoir-faire wird, des Könnens? Nein.
Sie wird dann jedoch nur halbgesagt werden und sich dabei in einem Signifikanten S Index 1 verkörpern, S1, da, wo es mindestens zwei braucht für die einzigartige Die Frau, die je gewesen ist, mythisch in dem Sinne, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat – es um um Eva, von der ich bereits gesprochen habe –, für die einzigartige Die Frau, die unbestreitbar je besessen wurde, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hatte, vom Baum der Wissenschaft. Evita ist also nicht sterblich, nicht sterblicher als Sokrates. Die Frau, um die es sich handelt, ist ein weiterer Name Gottes, und insofern existiert sie nicht, wie ich schon oft gesagt habe.
Hier sieht man die gewiefte Seite von Aristoteles, der nicht möchte, dass das Einzelne in seine Logik hineinspielt.
Im Gegensatz zu dem, was er annahm, was er in der erwähnten Logik annahm, muss man sagen, dass Sokrates nicht Mensch ist, da er es akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe, denn das akzeptiert er, das ist eine Tatsache.
Außerdem muss man ja sagen, dass er in dieser Situation nicht seine Frau sprechen hören will. Von daher meine Formel, die ich, wenn ich so sagen darf, zu Ihrem Gebrauch noch einmal abwasche, indem ich mich des [gr.] mē |{13} pantes bediene [nicht alle], das ich aus dem Organon habe – wo es mir übrigens nicht gelungen ist, es wiederzufinden, wo ich es jedoch wirklich gelesen habe und sogar bis dahin, dass meine Tochter, die hier anwesend ist, darauf hinwies und mir geschworen hat, die Stelle, an der es steht, für mich wiederzufinden –, dieses mē pantes, als der von Aristoteles zurückgewiesene Gegensatz zur Allgemeinaussage des [gr.] pas [alle].
Die Frau ist alle nur in der Form, deren Äquivokation ihren Reiz von unserer Lalangue hernimmt, in Gestalt des mais pas ça, des nur das nicht / nur es nicht, so wie man sagt: Alles, nur das nicht! Eben das war die Position von Sokrates.
Das mais pas ça, das nur das nicht / nur es nicht, ist das, was ich mit meinem diesjährigen Titel als das Sinthom einführe.
Im Moment gibt es für das Drängen des Buchstabens, wie es sich gegenwärtig abzeichnet – und erhoffen Sie sich nichts Besseres, wie ich bereits gesagt habe, wird das, was noch wirksamer sein wird, das Sinthom bestenfalls verschieben oder es gar vervielfachen –, für das gegenwärtige Drängen also gibt es das SinThom-masvonaquin (Lachen), das ich schreibe, wie Sie möchten, m, a, s, v, o, n, a, q, u, i, n nach Sinthom.
Sie wissen, dass Joyce sich über diesen saint homme, diesen heiligen Mann, ziemlich abgesabbert hat. Man muss die Dinge ja beim Namen nennen – was die Philosophie angeht, ist nie etwas Besseres gemacht worden, das ist das einzig Wahre. Dennoch findet sich Joyce – beziehen Sie sich hierfür auf die Arbeit von Jacques Aubert – darin nicht besonders gut zurecht, bei einer Sache, der er großen Wert beimisst, nämlich bei dem was er das Schöne nennt. Es gibt da beim Heiligen Thomas von Aquin etwas, das er claritas nenn und was Joyce durch so etwas wie Glanz des Seins ersetzt, was eben der Schwachpunkt ist, um den es geht. Ist das eine persönliche Schwäche? Der Glanz des Seins beeindruckt mich nicht.
Und eben darin läßt Joyce das Sinthom von seinem Masvonaquinismus abfallen und ruft – im Gegensatz zu dem, als was es auf den ersten Blick erscheinen mag, nämlich als seine Loslösung von der Politik –, und ruft streng gesagt das hervor, was ich die SintHome-Rule nennen möchte..
Diese Home Rule – die das Freeman’s Journal darstellte, wie sie hinter der Bank von Irland aufgeht, wodurch sie |{14} wie durch Zufall im Nordwesten aufgeht, was für einen Sonnenaufgang nicht so üblich ist –, sie ist gleichwohl, trotz des Knirschens, das wir zu diesem Thema bei Joyce wahrnehmen, sie ist gleichwohl die SintHome-Rolle, das Sinthom auf Rollen, das von Joyce zusammengebracht wird.
Sicherlich kann man diese beiden Termini auch anders nennen, ich nenne sie so nach den beiden Richtungen, die sich der Kunst von Joyce anboten, der uns in diesem Jahr beschäftigen wird, aufgrund von etwas, das ich vorhin erwähnt habe, nämlich dass ich ihn vorgestellt habe und dass ich nichts Besseres tun konnte als dies, ihn Sinthom zu nennen – denn das verdient er –, mit dem Namen, der ihm zukommt, wobei ich, wie gesagt, die Schreibweise davon verschoben habe..
Beide betreffen ihn, beide Schreibweisen. Es ist jedoch eine Tatsache, dass er wählt. Darin ist er wie ich ein Häretiker, denn das, was den Häretiker ausmacht, ist die hairesis [Wahl]. Man muss den Weg wählen, auf dem die Wahrheit zu fassen ist. Dies umso mehr, als die einmal getroffene Wahl niemanden daran hindert, sie einer Bestätigung zu unterziehen, also auf die rechte Weise häretisch zu sein, die, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es auf logische Weise zu verwenden, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wonach er dann keinen Durst mehr hat. Ja.
Natürlich hat er das blind der Nase nach gemacht, denn schlechter als er konnte man nicht anfangen.
In Dublin geboren, mit einem versoffenen und mehr oder weniger fenischen, also fanatischen, Vater, von zwei Familien, denn so stellt es sich für alle dar, wenn man Sohn zweier Familien ist, wenn man denn glaubt, männlich zu sein, weil man ein kleines Stück Schwanz hat. Natürlich – verzeihen Sie mir dieses Wort – braucht es mehr. Da er aber einen etwas schlappen Schwanz hatte, wenn ich so sagen darf, leistete seine Kunst Ersatz für seine phallisches Haltung. Und so ist das immer. Der Phallus ist |{15} die Konjunktion dessen, was ich den Parasiten genannt habe, also des erwähnten Stückchens Schwanz, er ist die Konjunktion davon mit der Funktion des Sprechens.
Abgesehen davon war er, sagen wir, ein pauvre hère – ein armer Schlucker – und sogar ein armer Häretiker.
Joycianer, die seine Häresie genießen, gibt es nur an der Universität. Aber er selbst wollte ganz absichtlich, dass diese Sippschaft sich mit ihm beschäftigte. Das Stärkste ist, dass es ihm über alle Maßen gelungen ist, das dauert an und es wird noch länger andauern. Er wollte das für dreihundert Jahre so, ausdrücklich, er hat es gesagt: Ich möchte, dass die Universitätsleute sich dreihundert Jahre lang mit mir beschäftigen, und er wird sie bekommen, sofern Gott uns nicht atomisiert.
Ce Herr*, dieser Herr – denn man kann nicht sagen cet Herr*, das ist durch die Aspiration untersagt, das nervt alle derart, dass man deshalb sagt le pauvre hère, der arme Schlucker –, dieser Herr* hat sich als ein [engl.] hero aufgefasst: Stephen Hero. Das ist der Titel, den er ausdrücklich dem gegeben hat, von wo aus er A portrait of the artist as a young man vorbereitet.
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Ah, das war das, wovon ich mir wirklich gewünscht hätte, dass – ich habe es nicht mitgebracht, zu dumm! –, das, wovon ich gewünscht hätte, dass Sie – ich hätte es Ihnen zumindest zeigen können –, dass Sie es finden, und ich wusste, dass es mit wenig Informationen schwierig sein würde, und deshalb sage ich Ihnen genauer, wie Sie darauf insistieren müssen. Aber Nicole Sels, die hier anwesend ist, hat mir einen Schrieb geschickt, einen Brief nennt man das, mit äußerst genauen Angaben, worin sie mir zwei Seiten lang darlegt, dass es unmöglich ist, sich das zu beschaffen. Zur Zeit ist es nicht möglich, diesen Text zu bekommen sowie das, was ich den Kritizismus genannt habe, nämlich das, was eine Reihe von Personen, alles Universitätsleute – das ist übrigens eine Weise, an die Universität zu kommen, die Universität saugt die Joycianer an, aber schließlich sind sie schon an der richtigen Stelle, sie gibt ihnen akademische Grade –, kurz, Sie finden weder den, ich weiß nicht, wie das ausgesprochen wird, Jacques Aubert wird es mir sagen: sagt man Bibe oder Bibi?
Jacques Aubert:
Für gewöhnlich sagt man Bibi.
Lacan:
Man sagt Bibi?
{16} Gut, Sie finden nicht den Beebe, der die Liste anführt, mit einem Artikel über Joyce, der, ich muss schon sagen, erste Sahne ist, danach haben Sie Hugh Kenner, der meiner Meinung nach, vielleicht aufgrund des erwähnten Heiligen Thomas von Aquin, der meiner Meinung nach ziemlich gut über Joyce spricht. Und es gibt bis zum Ende hin weitere, bei denen ich bedaure, dass Sie nicht darüber verfügen können.
Ehrlich gesagt, es ist ein blöder Fehler, dass ich – das kann man wirklich sagen –, dass ich diese kleine Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe – ich habe sie verkleinern lassen, Gottseidank –, dass ich diese Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe. Wenn Sie sich davon eine Reihe von Fotokopien machen lassen wollen, müssten Sie sich mit Nicole Sels absprechen. Da ich denke, dass es im Grunde nicht so viele gibt, die in der Lage sind, das Englische, besonders das Englisch von Joyce, ich meine, die darauf eingerichtet sind, es zu sprechen, dürfte es ja wohl nur eine geringe Zahl werden.
Aber dann wird es natürlich ein Nacheifern geben, und ein, mein Gott, legitimes Nacheifern, weil Das Porträt des Künstlers oder genauer Ein Porträt des Künstlers, des Künstlers, den man in der Weise schreiben muss, dass man dabei den ganzen Akzent auf das „des“ setzt, das im Englischen natürlich nicht ganz dasselbe ist wie unser bestimmter Artikel; wir können Joyce aber vertrauen: wenn er „des Künstler” gesagt hat, dann deshalb, weil er denkt, dass er der einzige Künstler ist, dass er darin einzigartig ist.
„As“ a young man, das ist wirklich suspekt, denn im Französischen wäre das mit comme zu übersetzen, anders gesagt, es geht um das comment, um das wie. Das Französische ist hierzu aufschlussreich, von daher aufschlussreich, dass man hier, wenn man von comme – von „wie“ – in der Weise spricht, dass man sich dabei eines Adverbs bedient, wenn man réelle-ment sagt, realer-weise, mentale-ment, mentaler-weise, héroïque-ment, heroischer-weise, dann gibt die Hinzufügung dieses -ment an sich schon genügend Aufschluss darüber, qu’on ment, dass man lügt. In jedem Adverb wird eine Lüge angezeigt und das ist kein Zufall. Wenn wir deuten, müssen wir darauf achtgeben.
Jemand, der mir nicht sehr fern steht, machte mal eine Bemerkung über die Zunge, insofern sie das Werkzeug des Sprechens bezeichnet, nämlich dass es ebenfalls die Zunge ist, die die sogenannten Geschmackspapillen trägt. Nun, ich möchte ihm hiermit erwidern, |{17} dass es nicht umsonst so ist, dass ce qu’on dit ment / ce condiment – was man sagt, lügt / dieses Gewürz. (Lachen)
Sie haben die Güte zu lachen (Lachen), aber das ist nicht komisch. Denn als Waffe gegen das Symptom haben wir letztlich nur dies: die Mehrdeutigkeit.
Es kommt vor, dass ich mir den Luxus leiste, eine Reihe von Leuten zu „supervidieren“, wie man das nennt, eine Reihe von Leuten, die sich, wie meine Formulierung lautet, selbst autorisiert haben, Analytiker zu sein. Es gibt zwei Phasen. Es gibt eine Phase, in der sie wie die Nashörner sind: Sie machen mehr oder weniger irgendwas und ich stimme ihnen immer zu. Sie haben tatsächlich immer recht. Die zweite Phase besteht darin, mit der Mehrdeutigkeit zu spielen, die vom Sinthom befreien könnte, denn die Deutung wirkt einzig und allein durch die Mehrdeutigkeit. Im Signifikanten muss etwas geben, das resoniert.
Man muss sagen, dass man erstaunt ist, dass dies den englischen Philosophen nicht aufgefallen ist, in keiner Weise. Philosophen nenne ich sie, weil es keine Psychoanalytiker sind. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass das Sprechen keine Wirkung hat. Sie irren sich. Sie nehmen an, dass es Triebe gibt, und selbst wenn sie Trieb nicht mit „instinct“ übersetzen wollen, nehmen sie nicht an, dass die Triebe das Echo im Körper der Tatsache sind, dass es ein Sagen gibt.
Dafür aber, dass dieses Sagen resoniert, dass es konsoniert – um ein weiteres Wort des Heiligen Thomas von Aquin zu verwenden –, dass es konsoniert, dafür muss der Körper empfänglich sein, und dass er es ist, ist eine Tatsache. Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste – da sie nicht wie der Mund verschlossen werden kann, nicht zugemacht werden kann –, deren wichtigste das Ohr ist, da es sich nicht verschließen kann, aus diesem Grunde antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe.
Ärgerlich ist natürlich, dass es nicht nur das Ohr gibt und dass ihm der Blick starke Konkurrenz macht.
More geometrico – aufgrund der Form, die Platon so schätzte, präsentiert das Individuum sich so, wie es gebaut ist: als ein Körper. Dieser Körper hat eine derart fesselnde Kraft, dass man bis zu einem gewissen Punkt die Blinden beneiden sollte. Wie kann ein Blinder, |{18} wenn er Brailleschrift verwendet, Euklid lesen?
Das Erstaunliche ist das, was ich sagen werde, nämlich dass die Form nur den Sack liefert oder, wenn Sie so wollen, die Blase..
Sie ist etwas, das sich aufbläht und und wovon ich die Wirkungen bereits erwähnt habe, bezogen auf den Zwangsneurotiker, der davon mehr als andere besessen ist..Der Zwangsneurotiker – habe ich irgendwo gesagt, man mich kürzlich daran erinnert – ist so etwas wie der Frosch, der sich so groß wie der Ochse machen will. Die Folgen sind bekannt, aus einer Fabel. Den Zwangsneurotiker dem Erfasstsein durch den Blick zu entreißen, ist bekanntlich besonders schwierig,
Der Sack, wie er in der Mengenlehre imaginiert wird, wie sie von Cantor begründet wurde, dieser Sack wird manifest, ja sogar demonstriert – wenn jede Beweisführung so aufgefasst wird, dass sie das darin enthaltene Imaginäre demonstriert –, dieser Sack, sage ich, verdient es, durch eine Ambiguität von Eins und Null konnotiert zu werden, der einzigen Stütze, die dem angemessen ist, woran die leere Menge, die sich in dieser Theorie aufnötigt, angrenzt.
Von daher unsere Schreibweise S1 – ich präzisiere, dass sie so gelesen wird: S Index 1 –, sie bildet nicht die Eins, sie verweist jedoch auf sie als etwas, das auch nichts enthalten kann, das ein leerer Sack sein kann. Das ändert nichts daran, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er pot/peau ist, Topf/Haut. Sie müssen für real gehalten werden, diese Ex-sistenz und diese Konsistenz, da das Reale das ist, sie zu zusammenzuhalten. Von daher das Wort Begriff*, das eben dies bedeutet..
Das Imaginäre zeigt hier seine Homogenität mit dem Realen und dass sie, diese Homogeneität, nur mit dem Faktum der Zahl zusammenhängt, insofern die Zahl binär ist, 1 oder 0, das heißt, dass sie die 2 nur dadurch stützt, dass 1 nicht 0 ist, dass sie der 0 ex-sistiert, aber keineswegs daraus „konsistiert“, nicht daraus besteht.
Auf diese Weise muss die Theorie von Cantor wieder vom Paar ausgehen, zu dem dann jedoch die Menge das Dritte ist. Zwischen der ersten Menge und dem, was die andere ist, stellt die Verbindung sich nicht her.
Insofern setzt das Symbol auf das Imaginäre eins drauf; das Symbol hat den Index 2 [S2], und das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, in welches auch immer, durch das, was hier faktisch ausgesagt wird, wobei dieses Faktum vom Rätsel des Aussagens abhängig bleibt, das nur ein in sich |{19} geschlossenes Faktum ist, le fait du fait, so schreibt man das, das Faktum des Faktums, gesprochen wird es [lə fɛt dy fɛ] – auch le faîte du fait, der Gipfel des Faktums – oder [lə fɛ dy fɛt] – auch le fait fu faîte, das Faktum des Gipfels –, égaux en fait [ego ɑ̃ fɛt] – faktisch gleich –, Äquivokationen und Äquivalente und dadurch Grenze des Gesagten.
Es ist unglaublich, dass die Menschen sehr deutlich gesehen haben, dass das Symbol nur ein zerbrochenes Stück sein konnte, und dies, wenn ich so sagen darf, zu allen Zeiten, dass sie aber zu der Zeit – zur Zeit dieses zu allen Zeiten – nicht gesehen haben, dass dies die Einheit und die Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich brachte und dass folglich das ursprüngliche Signifikat nichts bedeutet, dass es nur ein Zeichen der Arbitrage für die Wahl zwischen zwei Signifikanten ist, deshalb jedoch keineswegs ein Zeichen für das Arbiträre der Wahl zwischen ihnen.
Umpire gibt es nur – umpire, um es auf Englisch zu sagen, so schreibt es Joyce –, gibt es nur ausgehend vom [frz.] empire, vom Imperium über den Körper, wie alles dessen Markierung trägt, vom Ordal an.
Die 1 bestätigt hier ihre Ablösung von der 2. Sie macht 3 nur durch imaginäres Aufhetzen, ein Aufhetzen, das dazu nötigt, dass ein Wille dem einen nahelegt, den anderen zu belästigen, ohne an einen von ihnen gebunden zu sein. Jawohl.
Wappen der Familie Borromeo2
Ausschnitt aus dem Borromeo-Wappen
Damit ausdrücklich die Bedingung gestellt wurde, dass man ausgehend von drei Ringen eine Verkettung so bildet, dass das Auftrennen eines beliebigen einzigen Ringes die beiden anderen voneinander befreit, welche sie auch seien – in einer Kette wird dies ja, wenn ich das so verkürzt sagen kann, durch den mittleren Ring realisiert –, die beiden anderen, welche sie auch seien, voneinander befreit, hierfür musste zunächst registriert werden, dass dies in das Wappen der Borromäer eingetragen war, dass also der aus diesem Grunde borromäisch genannte Knoten bereits da war, ohne dass jemand auf den Gedanken gekommen wäre, Konsequenzen daraus zu ziehen.
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)3
Eben daran liegt es, dass es ein Irrtum ist zu denken, dies sei eine Norm für die Beziehung zwischen drei Funktionen, die in ihrer gemeinsamen Realisierung nur bei dem Wesen existieren, das sich von daher |{20} für einen Menschen hält..
Die Perversion ist nicht dadurch definiert, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen wären, sondern dadurch, dass sie bereits unterschieden sind und man ein viertes Element annehmen muss, nämlich das Sinthom, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, dass Perversion nichts anderes besagt als version vers le père, Wendung zum Vater, und dass der Vater kurzgesagt nur ein Symptom ist oder ein sinthome / ein saint homme – ein heiliger Mann –, wie Sie wollen.
Die Ex-sistenz des Symptoms ist das, was in der Position selbst impliziert ist, in derjenigen, durch die das rätselhafte Band des Imaginären, des Symbolischen und des Realen unterstellt wird.
Links: drei getrennte Ringe. Rechts: ihre Verbindung durch den vierten Ring des Sinthoms (Σ)4
Wenn Sie irgendwo – ich habe es bereits gezeichnet – das finden, wodurch das Verhältnis des Imaginären, des Symbolischen und des Realen schematisch so dargestellt wird, dass sie voneinander getrennt sind, dann haben Sie bereits in meinen früheren geplätteten Darstellungen ihrer Beziehung die Möglichkeit, sie zu verbinden. Wodurch? Durch das Sinthom.
|{21} Wenn ich hier eine farbige Kreide hätte …
Gloria Gonzalez:
In welcher Farbe möchten Sie sie?
Lacan:
Wie?
Gonzales:
In welcher Farbe?
Lacan:
Rot, wenn das möglich ist.– Sie sind wirklich zu freundlich.
Alles hängt von Folgendem ab: Wenn Sie dieses groß S umklappen, also das, was sich von der Konsistenz des Symbolischen her behauptet, wenn Sie es umklappen wie es plausibel ist, ich meine, wie es sich anbietet, wenn Sie es auf eine Weise umklappen, die so gezeichnet wird, dann haben Sie, falls diese Figur korrekt ist – ich meine, dass es unter dem Realen durchgeht und es offensichtlich ebenfalls unter dem Imaginären sein muss, abgesehen davon, dass es hier über das Symptomatische laufen muss –, dann sind Sie in der folgenden Position, dass sich das ausgehend von vieren so darstellt:
[an der Tafel:]
das heißt, Sie erhalten das folgende Verhältnis: hier zum Beispiel das Imaginäre, das Reale und das Symptom, das ich mit einem Sigma darstellen werde, Σ, sowie das Symbolische, dass aber jedes von ihnen austauschbar ist.
Um es ausdrücklich zu sagen, die Beziehung von 1 zu 2 kann umgekehrt werden in die Beziehung von 2 zu 1, die von 3 zu 4 kann umgekehrt werden in die von 4 zu 3, auf eine Weise, die Ihnen, wie ich hoffe, als einfach erscheint.
[an der Tafel]
R S Σ I
1 2 3 4
2 1 4 3
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Symbolisches und Symptom zwischen Realem und Imaginärem5
Dadurch sind wir aber in der folgenden Situation: Was 1 zu 2 ist beziehungsweise 2 zu 1, muss bewirken, da es in seiner Mitte, wenn man so sagen kann, das Σ und das S hat – so ist das hier dargestellt –, muss bewirken, dass das Symptom und das Symbol auf eine Weise gehalten werden – ich müsste Ihnen das durch eine einfache Darstellung zeigen –, |{22} dass sie auf eine Weise gehalten werden, dass es – wie Sie dort sehen –, dass es vier gibt, die – Sie sehen es da –, dass es vier gibt, die vom großen R gezogen werden; und hier verbindet sich das I auf spezielle Weise, indem es über dem hier dargestellten Symbol und unter dem Symptom verläuft.
In dieser Gestalt präsentiert sich die Verbindung immer, die Verbindung, die ich hier durch die Opposition von R und I ausgedrückt habe. Anders gesagt, diese beiden, Symptom und Symbol, präsentieren sich so, dass eines der beiden Enden sie hier in ihrer Gesamtheit nimmt, während das andere, sagen wir, über den hinweg läuft, der oben ist und unter dem, der unten ist.
Borromäische Verkettung von vier Ringen6
Das ist die Figur, die Sie regelmäßig erhalten, wenn Sie versuchen, den borromäischen Viererknoten zu bilden, und das ist die, die ich hierhin gesetzt habe, rechts außen.
Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom. Alles wird insofern gestützt, als der Name-des-Vaters auch der Vater des Namens ist – wodurch das Symptom nicht weniger notwendig ist. Dieser Andere, um den es geht, ist jenes Etwas, das sich bei Joyce darin zeigt, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist..
In dem Maße, in dem er diesen Vater, wie sich im Ulysses herausstellt, stützen muß, damit er fortbesteht, lässt Joyce durch seine Kunst, son art, die immer etwas ist, das uns, ausgehend vom Handwerker, vom artisan, vom Grunde der Zeiten her erreicht, lässt Joyce durch seine Kunst nicht nur seine Familie fortbestehen, sondern er „illustriert“ sie, wenn man so sagen kann – er macht sie illuster –, und zugleich „illustriert“ er das, was er irgendwo my country nennt. Der ungeschaffene Geist, sagt er, seiner |{23} Rasse – damit endet das Porträt des Künstlers –, das ist der Auftrag, den er sich gibt.
In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst, sur l’art, sein wird: Auf welche Weise kann l’artifice, der Kunstgriff / das Artefakt, ausdrücklich auf das abzielen, was sich zunächst als Symptom darstellt? Auf welche Weise kann l’art, l’artisanat – können Kunst und Handwerk – das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom her aufnötigt? Nämlich was? Das, was ich in meinen beiden Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.
Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses in einen Tetraeder
Wo ist sie hierbei, die Wahrheit? Ich habe gesagt, im Diskurs des Herrn ist sie etwas, das irgendwo im Subjekt unterstellt wird; insofern es gespalten ist, ist es noch dem Phantasma unterworfen. Das heißt, dass wir hier auf der Ebene der Wahrheit – im Gegensatz zu dem, was ich zunächst dargestellt hatte – das Halbsagen in Betracht ziehen müssen.
Das heißt, dass in diesem Stadium das Subjekt nur durch den Signifikanten Index 1, S1, repräsentiert werden kann und dass der Signifikant Index 2, S2, eben das ist, was – um es so darzustellen, wie ich es eben getan habe –, was durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird. Da ist der Handwerker, der Handwerker, insofern er in der Lage ist, durch die Verbindung von zwei Signifikanten das zu produzieren, was ich eben Objekt a genannt habe oder genauer, ich habe es durch das Verhältnis zum Ohr und zum Auge illustriert sowie auch dadurch, dass ich auf den geschlossenen Mund angespielt habe.
{24} Soweit der Diskurs des Herrn bestimmend ist, spaltet sich das S2, und diese Spaltung ist die in Symbol und Symptom. Die Spaltung in Symbol und Symptom reflektiert sich jedoch, wenn man so sagen kann, in der Spaltung des Subjekts. Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, werden wir durch sein Insistieren genötigt, zu zeigen, dass einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.
In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Artikulation des Symptoms mit dem Symbol lediglich ein, so möchte ich sagen, falsches Loch gibt. Wenn wir die Konsistenz annehmen – die Konsistenz irgendeiner dieser Funktionen, symbolisch, imaginär oder real –, wenn wir annehmen, dass diese Konsistenz einen Kreis bildet, dann unterstellt das ein Loch. Im Falle des Symbols und des Symptoms geht es jedoch um etwas anderes: das, wodurch ein Loch gebildet wird, ist die Gesamtheit – die übereinander geklappte Gesamtheit – dieser beiden Kreise.
Hier muss man, wie es Soury – um ihn beim Namen zu nennen, ich weiß nicht, ob er hier ist –, wie Soury es ziemlich gut dargestellt hat, hier muss man <das> durch etwas einrahmen, was einer Luftkammer ähnelt und was wir in der Topologie als Torus bezeichnen.
Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, das sie zusammenhält, damit wir hier etwas haben, das als echtes Loch qualifiziert werden kann.
Eine unendliche Gerade verwandelt das falsche Loch in ein echtes Loch.
{25} Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, erhalten bleiben, dass man hier einfach eine Gerade annehmen muss, das wird dieselbe Funktion erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich.
Dieser Kreis – darauf werde ich sicherlich zurückkommen müssen –, der Kreis hat eine Funktion, die der Polizei wohlbekannt ist, der Kreis dient dem Zirkulieren, und darin hat die Polizei nicht erst seit gestern eine Stütze. Hegel hatte sehr gut gesehen, was ihre Funktion ist, und er hatte es in einer Form gesehen, die gewiss nicht diejenige ist, um die es sich handelt, die in Frage steht. Für die Polizei handelt es einfach da-|{26} rum, dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht.
Die Tatsache, dass wir zu diesem falschen Loch etwas hinzufügen können, dass wir eine unendliche Gerade hinzufügen können und dass bereits dies aus dem falschen Loch ein Loch macht, das auf borromäische Weise Bestand hat, das ist der Punkt, mit dem ich heute aufhöre.
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FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann..
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[11 ]Voilà. J’ai annoncé sur l’affiche Le sinthome.
{9} Also. Auf dem Aushang habe ich Le sinthome angekündigt, Das Sinthom.7
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C’est une façon ancienne d’écrire ce qui a été ultérieurement écrit symptôme.
Das ist eine alte Schreibweise für das, was später symptôme geschrieben wurde, Symptom.
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Si je me suis permis de cette modification d’orthographe qui marque évidemment une date, une date qui se trouve être l’injection dans le, le français … ce que j’appelle lalangue, lalangue mienne … l’injection de grec … de cette langue dont Joyce, dans le Portrait de l’Artiste, émettait le vœu tout à fait … non, c’est pas dans le Portrait de l’Artiste, c’est dans le Ulysses, dans le Ulysses, au premier chapitre : il s’agit de hellenise [englisch ausgesprochen] … d’injecter de même lalangue hellène, on ne sait pas à quoi, puisque il ne s’agissait pas du gaélique, encore qu’il s’agit de l’Irlande, mais que Joyce devait écrire en anglais.
Wenn ich mir diese Änderung der Orthografie erlaubt habe, die offensichtlich ein bestimmtes Datum anzeigt, das Datum, das hier die Injektion des Griechischen in das Französische ist8 – in das Französische, das ich Lalangue nenne, meine Lalangue –, die Injektion derjenigen Sprache, zu der Joyce im Portrait des Künstlers tatsächlich den Wunsch äußerte, nein, das steht nicht im Portrait des Künstlers, das steht im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es ebenfalls darum to hellenise9, die hellenische Sprache zu injizieren, in was, weiß man nicht, da es sich ja nicht um das Gälische handelte10, obwohl es um Irland geht, Joyce jedoch Englisch schreiben musste.
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Qu’il a écrit en anglais d’une façon telle que … comme l’a dit quelqu’un dont j’espère qu’il est dans cette assemblée, Philippe Sollers, dans Tel Quel … ‚ il l’a écrit d’une façon telle que la langue anglaise n’existe plus.
Dass er auf Englisch geschrieben hat, auf eine Weise, dass – wie jemand in Tel Quel gesagt hat, von dem ich hoffe, dass er in dieser Versammlung ist, Philippe Sollers –, Joyce hat es auf eine solche Weise geschrieben, dass die englische Sprache nicht mehr existiert.
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Elle avait déjà, je dirai peu de consistance, ce qui ne veut pas dire qu’il soit facile d’écrire en anglais.
{10} Sie hatte bereits vorher, möchte ich sagen, wenig Konsistenz11, was nicht heißt, dass es einfach wäre, Englisch zu schreiben.
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Mais Joyce, par la succession d’œuvres | [12] qu’il a écrites en anglais, y a ajouté ce quelque chose qui fait dire au même auteur qu’il faudrait écrire l’é.l.a.n.g.u.e.s, l’élangues; l’élangues par où je suppose qu’il entend désigner quelque chose comme l’élation, cette élation dont on nous dit que c’est au principe de je ne sais quel sinthome que nous appelons – en psychiatrie – la manie.
Joyce hat ihr jedoch durch die Folge der Werke, die er auf Englisch verfasst hat12, jenes Etwas hinzugefügt, das den erwähnten Autor sagen lässt, dass man so schreiben sollte: l’élangues, l, Apostroph, e, l, a, n, g, u, e, s13, womit er, nehme ich an, so etwas wie die élation bezeichnen möchte, die gehobene Stimmung, über die uns gesagt wird, sie sei Ursprung eines bestimmten Sinthoms, das wir in der Psychiatrie als Manie bezeichnen14.
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C’est bien en effet ce à quoi ressemble sa dernière œuvre, à savoir Finnegans Wake, celle qu’il a si longtemps soutenue pour y attirer l’attention générale, celle aussi à propos de quoi j’ai posé dans un temps, au temps où je me suis laissé entraîner à … par une sollicitation pressante, pressante je dois dire de la part de Jacques Aubert, ici présent et tout aussi pressant, … où je me suis laissé entraîner à inaugurer, à inaugurer au titre d’un symposium Joyce.
Dem ähnelt in der Tat sein letztes Werk, also Finnegans Wake, das er so lange befördert hat, damit es die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, das Werk, zu dem ich seinerzeit behauptet habe – zu der Zeit, als ich mich durch ein dringendes Ansuchen dazu habe hinreißen lassen, dringend, muss ich sagen, vonseiten von Jacques Aubert, der hier präsent ist, présent, aber auch pressant – drängend –, dass ich mich habe dazu hinreißen lassen, im Rahmen eines Symposiums Joyce einzuführen.
C’est par là qu’en somme je me suis laissé détourner de mon projet qui était, cette année … je vous l’ai annoncé l’année dernière … d’intituler ce séminaire du 4, 5 et 6.
Dadurch habe ich mich letztlich von meinem Vorhaben abbringen lassen, in diesem Jahr – ich hatte es Ihnen im letzten Jahr angekündigt – diesem Seminar den Titel 4, 5 und 6 zu geben.
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Je me suis contenté du 4 et je m’enréjouis, car le 4, 5, 6 j’y aurais sûrement succombé.
Ich habe mich mit der 4 begnügt und das freut mich, denn der 4, 5, 6 wäre ich sicherlich unterlegen gewesen..
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Ça ne veut pas dire que le 4 dont il s’agit me soit pour autant moins lourd.
Das heißt nicht, dass die 4, um die es geht, für mich deshalb weniger schwer wäre.
J’hérite de Freud, bien malgré moi, par ce que j’ai énoncé – de mon temps – ce qui pouvait être tiré, en bonne logique, des bafouillages de ceux qu’il appelait sa bande.
Ohne dass es meine Absicht war, beerbe ich Freud, durch das, was ich seinerzeit geäußert habe und was in guter Logik herausgezogen werden konnte aus dem Gestammel derer, die er seine Bande nannte.15
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Je n’ai pas besoin de les nommer, c’est cette clique qui suivait les réunions de Vienne et dont on ne peut pas dire qu’aucun ait suivi la voie que j’appelle de bonne logique.
Ich muss sie nicht nennen, das ist diese Clique, die an den Zusammenkünften in Wien teilnahm16 und über die man nicht sagen kann, dass einer davon den Weg verfolgt hätte, den ich den der guten Logik nenne..
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La nature, dirai-je pour couper court, se spécifie de n’être pas une; d’où le procédé logique pour l’aborder.
Die Natur – möchte ich, um es kurz zu machen, sagen – zeichnet sich dadurch aus, nicht eine zu sein; von daher das logische Vorgehen, um an sie heranzukommen.17
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Appelez18 nature ce que vous excluez du fait même de porter intérêt à quelque chose … ce quelque chose se distinguant d’être nommé … la nature par ce procédé ne se risque à rien qu’à s’affirmer d’être un pot-pourri de hors-nature.
Nennen Sie Natur das, was Sie bereits dadurch ausschließen, dass Sie sich für etwas interessieren, wobei dieses Etwas sich dadurch unterscheidet, dass es benannt wird19; |{11} bei diesem Vorgehen riskiert die Natur nur, sich als Potpourri von Außer-Natur zu behaupten.
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L’avantage de cet énoncé est que si vous trouvez … à bien le compter … que le nommer20 tranche sur ce qui paraît être la loi de la nature, qu’il n’y ait pas chez lui … je veux dire chez l’homme … de rapport naturellement … sous toute réserve donc, ce naturellement … naturellement sexuel, vous posez logiquement … ce qui se trouve être le cas … que ce n’est pas là un privilège, un privilège de l’homme.
Der Vorteil dieser Aussage besteht darin, dass Sie, wenn Sie – um sie wirklich zu berücksichtigen – finden, dass das Benennen im Gegensatz zu dem steht, was das Gesetz der Natur zu sein scheint, und dass es bei ihm, ich meine beim Menschen, kein Verhältnis gibt, dass auf natürliche Weise – dieses auf natürliche Weise also mit allen Vorbehalten –, dass es bei ihm kein Verhältnis gibt, das auf natürliche Weise sexuell wäre, und dass Sie dann logischerweise behaupten, was ja der Fall ist, dass dies kein Vorrecht des Menschen ist.
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[13] Veillez pourtant à n’aller pas à dire que le sexe n’est rien de naturel.
Geben Sie jedoch Acht, dass Sie nicht so weit gehen zu sagen, dass das Geschlecht nichts Natürliches ist.
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Tâchez plutôt de savoir ce qu’il en est dans chaque cas : de la bactérie à l’oiseau … j’ai déjà fait allusion à l’un et à l’autre … de la bactérie à l’oiseau, puisque ceux-là ont des noms.
Versuchen Sie vielmehr herauszufinden, wie es im Einzelfall damit steht, von der Bakterie bis zum Vogel – auf beide habe ich bereits hingewiesen –, von der Bakterie bis zum Vogel, da diese ja Namen haben.21
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Remarquons au passage que dans la création dite divine … divine seulement en ceci qu’elle se réfère à la nomination … la bactérie n’est pas nommée, et qu’elle n’est pas plus nommée quand Dieu, bouffonnant l’homme … l’homme supposé originel … lui propose de commencer par dire le nom de chaque bestiole.
Am Rande wollen wir anmerken, dass in der Schöpfung, die göttlich genannt wird – göttlich allein darin, dass sie sich auf die Benennung bezieht –, die Bakterie nicht benannt wird und dass sie auch dann nicht benannt wird, als Gott dem Menschen, dem angeblichen Urmenschen, damit verulkte, dass er ihm vorschlug, er solle doch anfangen, den Namen eines jeden Tierchens zu sagen.22
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De ce premier – faut bien le dire – déconnage, nous n’avons de trace qu’à en conclure qu’Adam … comme son nom l’indique assez, c’est une allusion, ça, à la fonction de l’index de Peirce … qu’Adam était … selon le joke qu’en fait Joyce justement … qu’Adam était bien entendu une Madam, et qu’il n’a nommé les bestiaux que dans la langue de celle-ci.
Von diesem ersten Stussreden, wie man schon sagen muss, haben wir nur von daher eine Spur, dass wir daraus schließen, dass Adam, wie sein Name hinreichend indiziert – das ist jetzt eine Anspielung auf die Indexfunktion von Peirce23 –, dass Adam – dem joke zufolge, den Joyce daraus macht –, dass Adam natürlich eine madam war24 und dass er das Vieh nur in ihrer Sprache benannte.
Il faut bien le supposer, puisque celle que j’appellerai l’Evie, e, v, i, e … l’Evie que j’ai bien le droit d’appeler ainsi puisque c’est ce que ça veut dire en hébreu, si tant est que l’hébreu soit une langue : « la mère des vivants » … eh bien l’Evie l’avait tout de suite, et bien pendue cette langue, puisque après le supposé du nommer par Adam, la première personne qui s’en sert c’est bien elle, pour parler au serpent.
Das muss man ja annehmen, denn diejenige, die ich Evita25 – die ich das Recht habe, so zu nennen, denn Eva heißt auf Hebräisch, wenn das Hebräische denn eine Sprache ist26, „die Mutter der Lebenden“ –, Evita also hatte diese Sprache sofort und ziemlich locker, denn nach dem angeblichen Benennen durch Adam ist die erste Person, die sich ihrer bedient, eben sie – um mit der Schlange zu sprechen.
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La création dite divine se redouble donc de la parlote, du parlêtre comme je l’ai appelé, par quoi l’Evie fait du serpent ce que vous me permettrez d’appeler le, le « serre-fesses », ultérieurement désigné comme faille, ou mieux phallus, puisqu’il en faut bien un pour faire le faux-pas27, la faute dont c’est l’avantage de mon sinthome de commencer par là : sin en anglais veut dire ça, le péché, la première faute.
Die göttlich genannte Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch es dazu kommt, |{12} dass Evita die serpent, die Schlange, zu etwas macht, das Sie mir erlauben werden, so zu nennen: zur serre-fesses, zur Arschklemme28, später als faille bezeichnet, als Spalte oder Riss29, oder besser als Phallus, da es ja einen braucht, um den Fehltritt zu begehen30, die Verfehlung, womit zu beginnen der Vorzug von meinem Sinthom ist – sin, das bedeutet ja im Englischen die Sünde, die erste Verfehlung.31
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D’où la nécessité … je pense tout de même, à vous voir en aussi grand nombre, qu’il y en a bien quelques-uns qui ont déjà entendu mes « bateaux » … d’où la nécessité du fait que ne cesse pas la faille qui s’agrandit toujours, sauf à subir le cesse de la castration comme poss ible.
Von daher die néscessité – ich glaube ja doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits haben trapsen hören –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte ne cesse pas, nicht aufhört, die Spalte, die sich beständig vergrößert32, außer sie erleidet le cesse de la castration, das Aufhören der Kastration33, als möglich.
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Ce possible, comme je l’ai dit … sans que vous le notiez, pour ce que moi-même point je ne l’ai noté de n’y pas mettre la virgule … ce possible, j’ai dit autrefois c’est que c’est ce qui cesse de s’écrire.
Dieses Mögliche, wie ich mal gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, dass ich das Komma nicht gesetzt hatte, dieses Mögliche, habe ich früher mal gesagt, ist das, was cesse de s’écrire, was aufhört, geschrieben zu werden.
Mais il y faut mettre la virgule : c’est ce qui cesse, virgule, de s’écrire ou plutôt cesserait d’en prendre le chemin dans le cas où adviendrait enfin ce discours que j’ai évoqué, tel qu’il ne serait pas de semblant.
Man muss jedoch das Komma setzen, es ist das, was cesse, Komma, de s’écrire, was dadurch aufhört, dass es geschrieben wird oder was vielmehr dann aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, wenn endlich der Diskurs aufkäme, den ich so charakterisiert habe: dass er nicht vom Schein wäre.34
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Y-a-t-il impossibilité que la vérité devienne un produit du savoir-faire ?
Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Savoir-faire wird, des Könnens?35
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Non !
Nein.
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Mais elle ne sera alors que mi-dite, s’incarnant d’un S indice 1 (S1) de signifiant, là où il en faut au moins deux pour que l’unique – La femme – à avoir jamais été… mythique, en ce sens que le mythe l’a fait singulière : | [14] il s’agit d’Eve dont j’ai parlé tout à l’heure …que l’unique – La femme – à avoir jamais été incontestablement possédée, pour avoir goûté du fruit de l’arbre défendu, celui de la science.
Sie wird dann jedoch nur halbgesagt werden und sich dabei in einem Signifikanten S Index 1 verkörpern , S1, da, wo es mindestens zwei braucht für die einzigartige Die Frau, die je gewesen ist, mythisch in dem Sinne, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat – es geht um Eva, von der ich bereits gesprochen habe –, für die einzigartige Die Frau, die unbestreitbar je besessen wurde, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hatte, vom Baum der Wissenschaft.
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L’Evie donc, n’est pas mortelle plus que Socrate.
Evita ist also nicht sterblich, nicht sterblicher als Sokrates.
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La femme dont il s’agit est un autre nom de Dieu, et c’est en quoi elle n’existe pas, comme je l’ai dit maintes fois.
Die Frau, um die es sich handelt, ist ein weiterer Name Gottes, und insofern existiert sie nicht, wie ich schon oft gesagt habe.
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Ici on remarque le côté futé d’Aristote, qui ne veut pas que le singulier joue dans sa logique.
Hier sieht man die gewiefte Seite von Aristoteles, der nicht möchte, dass das Einzelne in seine Logik hineinspielt.36
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Contrairement à ce qu’il admettait, à ce qu’il admettait dans ladite logique, il faut dire que Socrate n’est pas homme, puisqu’il accepte de mourir pour que la cité vive, car il l’accepte, c’est un fait.
Im Gegensatz zu dem, was er annahm, was er in der erwähnten Logik annahm, muss man sagen, dass Sokrates nicht Mensch ist, da er es akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe, denn das akzeptiert er, das ist eine Tatsache.37
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En plus, ce qu’il faut bien dire, c’est qu’à cette occasion, il ne veut pas entendre parler sa femme.
Außerdem muss man ja sagen, dass er in dieser Situation nicht seine Frau sprechen hören will.38
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D’où ma formule, que je relave si je puis dire, à votre usage, en me servant du mē pantes que j’ai relevé dans l’Organon… où d’ailleurs je n’ai pas réussi à le retrouver, mais où quand même, je l’ai bien lu, et même au point que ma fille, ici présente, l’a pointé et qu’elle me jurait qu’elle me retrouverait à quelle place c’était μη παντες (mē pantes) …comme l’opposition écartée – écartée par Aristote – à l’universel du παν (pan).
Von daher meine Formel, die ich, wenn ich so sagen darf, zu Ihrem Gebrauch noch einmal abwasche, indem ich mich des [gr.] mē |{13} pantes bediene [nicht alle], das ich aus dem Organon39 habe – wo es mir übrigens nicht gelungen ist, es wiederzufinden, wo ich es jedoch wirklich gelesen habe und sogar bis dahin, dass meine Tochter, die hier anwesend ist, darauf hinwies und mir geschworen hat, die Stelle, an der es steht, für mich wiederzufinden –, dieses mē pantes, als der von Aristoteles zurückgewiesene Gegensatz zur Allgemeinaussage des [gr.] pas [alle].40
La femme n’est toute que sous la forme dont l’équivoque prend de lalangue nôtre son piquant, sous la forme du mais pas ça, comme on dit : tout, mais pas ça !.
Die Frau ist alle nur in der Form, deren Äquivokation ihren Reiz von unserer Lalangue hernimmt, in Gestalt des mais pas ça, des nur das nicht, so wie man sagt: Alles, nur das nicht / Alles, nur es nicht!41
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C’était bien la position de Socrate.
Eben das war die Position von Sokrates.
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Le mais pas ça c’est ce que j’introduis sous mon titre de cette année comme le sinthome.
Das mais pas ça, das nur das nicht / nur es nicht, ist das, was ich mit meinem diesjährigen Titel als das Sinthom einführe.
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Il y a pour l’instant, pour l’instance de la lettre telle qu’elle s’est ébauchée à présent… et n’espérez pas mieux, comme je l’ai dit ce qui en sera plus efficace ne fera pas mieux que de déplacer le sinthome, voire de le multiplier …pour l’instance donc, présente, il y a le sinthome madaquin (Lachen) que j’écris comme vous voudrez, m.a.d.a.q.u.i.n après sinthome.
Im Moment gibt es für das Drängen des Buchstabens42, wie sie sich gegenwärtig abzeichnet – und erhoffen Sie sich nichts Besseres, wie ich bereits gesagt habe, wird das, was noch wirksamer sein wird, das Sinthom bestenfalls verschieben oder es gar vervielfachen –, für das gegenwärtige Drängen also gibt es das SinThom-masvonaquin (Lachen), das ich schreibe, wie Sie möchten, m, a, s, v, o, n, a, q, u, i, n nach Sinthom.43
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Vous savez que Joyce en bavait assez sur ce saint homme.
Sie wissen, dass Joyce sich über diesen saint homme, diesen heiligen Mann, ziemlich abgesabbert hat.44
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Faut bien dire les choses : pour ce qui est de la philosophie on n’a jamais rien fait de mieux, il y a que ça de vrai.
Man muss die Dinge ja beim Namen nennen – was die Philosophie angeht, ist nie etwas Besseres gemacht worden, das ist das einzig Wahre.
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Ça n’empêche pas que Joyce… consultez là-dessus l’ouvrage de Jacques Aubert …ne s’y retrouve pas très bien, concernant le quelque chose à laquelle il attache un grand prix, à savoir ce qu’il appelle le beau.
Dennoch findet sich Joyce – beziehen Sie sich hierfür auf die Arbeit von Jacques Aubert45 – darin nicht besonders gut zurecht, bei einer Sache, der er großen Wert beimisst, nämlich bei dem, was er das Schöne nennt.
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Il y a dans le Saint Thomas d’Aquin je ne sais quoi qu’il appelle claritas, auquel Joyce substitue quelque chose comme la splendeur de l’être qui est bien le point faible dont il s’agit.
Es gibt da beim Heiligen Thomas von Aquin etwas, das er claritas nennt und was Joyce durch so etwas wie Glanz des Seins ersetzt, was eben der Schwachpunkt ist, um den es geht.46
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Est-ce une faiblesse personnelle : La splendeur de l’être ne me frappe pas.
Ist das eine persönliche Schwäche? Der Glanz des Seins beeindruckt mich nicht.
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Et c’est bien en quoi Joyce fait déchoir le sinthome de son madaquinisme, | [15] et contrairement à ce qu’il pourrait en apparaître, à première vue… à savoir son détachement de la politique … produit à proprement parler ce que j’appellerai le saint-home rule ».
Und eben darin läßt Joyce das Sinthom von seinem Masvonaquinismus abfallen und ruft – im Gegensatz zu dem, als was es auf den ersten Blick erscheinen mag, nämlich als seine Loslösung von der Politik –, und ruft streng gesagt das hervor, was ich die SintHome-Rule nennen möchte.47.
Ce home-rule que le Freeman’s Journal représentait se levant derrière la Banque d’Irlande, ce qui le fait – comme par hasard – se lever au Nord-Ouest… ce qui n’est pas d’usage pour un lever de soleil …c’est quand même… malgré le grincement que nous voyons à ce sujet dans Joyce …c’est quand même bien le « sinthome-roule », le sinthome à roulettes que Joyce conjoint.
Diese Home Rule – die das Freeman’s Journal darstellte, wie sie hinter der Bank von Irland aufgeht, wodurch sie |{14} wie durch Zufall im Nordwesten aufgeht, was für einen Sonnenaufgang nicht so üblich ist48 –, sie ist gleichwohl, trotz des Knirschens, das wir zu diesem Thema bei Joyce wahrnehmen, sie ist gleichwohl die SintHome-Rolle, das Sinthom auf Rollen49, das von Joyce zusammengebracht wird.
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Il est certain que ces deux termes, on peut les nommer autrement, je les nomme ainsi en fonction des deux versants qui s’offraient à l’art de Joyce, lequel nous occupera cette année en raison de ce que j’ai dit tout à l’heure : que je l’ai introduit et que je n’ai pu faire mieux que de le nommer ce sinthome – car il le mérite – du nom qui lui convient en en déplaçant – comme je l’ai dit – l’orthographe…
Sicherlich kann man diese beiden Termini50 auch anders nennen, ich nenne sie so nach dena beiden Richtungen, die sich der Kunst von Joyce anboten, der uns in diesem Jahr beschäftigen wird, aufgrund von etwas, das ich vorhin erwähnt habe, nämlich dass ich ihn vorgestellt habe und dass ich nichts Besseres tun konnte als dies, ihn Sinthom zu nennen – denn das verdient er –, mit dem Namen, der ihm zukommt, wobei ich, wie gesagt, die Schreibweise davon verschoben habe.51
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Les deux, les deux orthographes le concernent.
Beide betreffen ihn, beide Schreibweisen.
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Mais il est un fait qu’il choisit.
Es ist jedoch eine Tatsache, dass er wählt.52
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En quoi, il est comme moi un hérétique, car hairesis c’est bien là ce qui spécifie l’hérétique.
Darin ist er wie ich ein Häretiker, denn das, was den Häretiker ausmacht, ist die hairesis [Wahl].
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Il faut choisir la voie par où prendre la vérité.
Man muss den Weg wählen, auf dem die Wahrheit zu fassen ist.
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Ce d’autant plus, que le choix une fois fait, ça n’empêche personne de le soumettre à confirmation, c’est-à-dire d’être hérétique de la bonne façon, celle qui d’avoir bien reconnu la nature du sinthome, ne se prive pas d’en user logiquement, c’est-à-dire jusqu’à atteindre son réel au bout de quoi il n’a plus soif. Ouais…
Dies umso mehr, als die einmal getroffene Wahl niemanden daran hindert, sie einer Bestätigung zu unterziehen, also auf die rechte Weise häretisch zu sein, die, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es auf logische Weise zu verwenden, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wonach er dann keinen Durst mehr hat.53 Ja.
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Bien entendu il a fait ça, lui, à vue de nez, car on ne pouvait plus mal partir que lui.
Natürlich hat er das blind der Nase nach gemacht, denn schlechter als er konnte man nicht anfangen.
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Etre né à Dublin, avec un père soûlographe et plus ou moins Fénian54, c’est-à-dire fanatique, de deux familles, car c’est ainsi que ça se présente pour tous quand on est fils de deux familles, quand il se trouve qu’on se croit mâle parce que on a un petit bout de queue.
In Dublin geboren, mit einem versoffenen und mehr oder weniger fenischen55, also fanatischen, Vater, von zwei Familien, denn so stellt es sich für alle dar, wenn man Sohn zweier Familien ist, wenn man denn glaubt, männlich zu sein, weil man ein kleines Stück Schwanz hat.56
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Naturellement – pardonnez-moi ce mot – il en faut plus.
Natürlich – verzeihen Sie mir dieses Wort – braucht es mehr..
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Mais comme il avait la queue un peu lâche, si je puis dire, c’est son art qui a suppléé à sa tenue phallique.
Da er aber einen etwas schlappen Schwanz hatte, wenn ich so sagen darf, leistete seine Kunst Ersatz für seine phallisches Haltung.57
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Et c’est toujours ainsi.
Und so ist das immer.
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Le phallus c’est la conjonction de ce que j’ai appelé ce parasite… qui est le petit bout de queue en question …c’est la conjonction de ceci avec la fonction de la parole.
Der Phallus ist |{15} die Konjunktion dessen, was ich den Parasiten genannt habe, also des erwähnten Stückchens Schwanz, er ist die Konjunktion davon mit der Funktion des Sprechens.
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Et c’est en quoi son art est le vrai répondant de son phallus.
Und insofern ist seine Kunst der wahre Bürge für seinen Phallus.58
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À part ça, disons que c’était un pauvre hère, et même un pauvre hérétique.
Abgesehen davon war er, sagen wir, ein pauvre hère – ein armer Schlucker – und sogar ein armer Häretiker.59
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Il n’y a de joyciens à jouir de son hérésie que dans l’université.
Joycianer, die seine Häresie genießen, gibt es nur an der Universität.60
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[16] Mais c’est lui qui l’a délibérément voulu que s’occupât de lui cette engeance.
Aber er selbst wollte ganz absichtlich, dass diese Sippschaft sich mit ihm beschäftigte.
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Le plus fort est qu’il y a réussi, et au-delà de toute mesure : ça dure et ça durera encore.
Das Stärkste ist, dass es ihm über alle Maßen gelungen ist, das dauert an und es wird noch länger andauern.
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Il en voulait pour 300 ans, nommément, il l’a dit : Je veux que les universitaires s’occupent de moi pendant trois cents ans, et il les aura, pour peu que Dieu ne nous atomise pas.
Er wollte das für dreihundert Jahre so, ausdrücklich, er hat es gesagt: Ich möchte, dass die Universitätsleute sich dreihundert Jahre lang mit mir beschäftigen61, und er wird sie bekommen, sofern Gott uns nicht atomisiert.
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Ce Herr*… car on ne peut pas dire cet Herr*, c’est interdit par l’aspiration, ça embête même tellement tout le monde que c’est pour ça qu’on dit le pauvre hère …ce Herr* s’est conçu comme un [engl.] hero62 : Stephen Hero.
Ce Herr*, dieser Herr – denn man kann nicht sagen cet Herr*, das ist durch die Aspiration untersagt63, das nervt alle derart, dass man deshalb sagt le pauvre hère, der arme Schlucker64 –, dieser Herr* hat sich als ein [engl.] hero65 aufgefasst: Stephen Hero66.
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C’est le titre expressément donné pour celui de là où il prépare le A portrait of the artist as a young man.
Das ist der Titel, den er ausdrücklich dem gegeben hat, von wo aus er A portrait of the artist as a young man vorbereitet.67
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Ah ! c’était ce que j’aurais bien souhaité que… je l’ai pas emporté, c’est trop bête …ce que j’aurais souhaité que vous… j’aurais pu au moins vous le montrer …que vous le trouviez et dont, mal averti, je savais que c’était difficile, et c’est pour ça que je vous précise la façon dont vous devez insister.
Ah, das war das, wovon ich mir wirklich gewünscht hätte, dass – ich habe es nicht mitgebracht, zu dumm! –, das, wovon ich gewünscht hätte, dass Sie – ich hätte es Ihnen zumindest zeigen können –, dass Sie es finden, und ich wusste, dass es mit wenig Informationen schwierig sein würde, und deshalb sage ich Ihnen genauer, wie Sie darauf insistieren müssen.68
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Mais Nicole Sels, ici présente, m’a envoyé une bafouille… une lettre on appelle ça …extrêmement précise où pendant deux pages, elle m’explique qu’il est impossible de se le procurer.
Aber Nicole Sels69, die hier anwesend ist, hat mir einen Schrieb geschickt, einen Brief nennt man das, mit äußerst genauen Angaben, worin sie mir zwei Seiten lang darlegt, dass es unmöglich ist, sich das zu beschaffen.
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Il est impossible à l’heure actuelle d’avoir ce texte et ce que j’ai appelé ce criticisme, c’est-à-dire ce qu’un certain nombre de personnes, toutes universitaires… c’est d’ailleurs une façon d’entrer à l’université, l’université aspire les joyciens, mais enfin, ils sont déjà en bonne place, elle leur donne des grades …bref, vous ne trouverez pas ni le… je ne sais pas comment ça se prononce, c’est Jacques Aubert qui va me le dire : est-ce qu’on dit Bibe ou Bibi ?
Zur Zeit ist es nicht möglich, diesen Text zu bekommen sowie das, was ich den Kritizismus70 genannt habe, nämlich das, was eine Reihe von Personen, alles Universitätsleute – das ist übrigens eine Weise, an die Universität zu kommen, die Universität saugt die Joycianer an, aber schließlich sind sie schon an der richtigen Stelle, sie gibt ihnen akademische Grade –, kurz, Sie finden weder den, ich weiß nicht, wie das ausgesprochen wird, Jacques Aubert wird es mir sagen: sagt man Bibe oder Bibi?71
Jacques Aubert:
D’ordinaire, on dit Bibi.
Für gewöhnlich sagt man Bibi.
Lacan:
On dit Bibi ?
Man sagt Bibi?
Bon …vous ne trouver pas le Beebe qui ouvre la liste par un article sur Joyce, je dois dire particulièrement gratiné, à la suite de quoi vous avez Hugh Kenner qui à mon avis… peut-être à cause du Saint Thomas d’Aquin en question …à mon avis, parle assez bien de Joyce.
|{16} Gut, Sie finden nicht den Beebe, der die Liste anführt, mit einem Artikel über Joyce, der, ich muss schon sagen, erste Sahne ist72, danach haben Sie Hugh Kenner, der meiner Meinung nach, vielleicht aufgrund des erwähnten Heiligen Thomas von Aquin, der meiner Meinung nach ziemlich gut über Joyce spricht.73
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Et il y en a d’autres jusqu’à la fin, dont je regrette que vous ne puissiez pas disposer.
Und es gibt bis zum Ende hin weitere, bei denen ich bedaure, dass Sie nicht darüber verfügen können.74
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À la vérité c’est un pas de clerc, que j’aie… c’est le cas de le dire …que j’aie mis cette petite note en petits caractères… je les ai fait rapetisser, Dieu merci …que j’aie fait cette note en petits caractères.
Ehrlich gesagt, es ist ein blöder Fehler, dass ich – das kann man wirklich sagen –, dass ich diese kleine Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe – ich habe sie verkleinern lassen, Gottseidank –, dass ich diese Anmerkung in kleiner Schrift eingefügt habe.75
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Il faudrait que vous vous arrangiez avec Nicole Sels pour vous en faire faire une série de photocopies.
Wenn Sie sich davon eine Reihe von Fotokopien machen lassen wollen, müssten Sie sich mit Nicole Sels absprechen.76
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Comme je pense que dans le fond il y en a pas tellement qui, l’anglais… surtout l’anglais de Joyce …soient prêts, je veux dire parés pour le parler, ça ne fera quand même qu’un petit nombre.
Da ich denke, dass es im Grunde nicht so viele gibt, die in der Lage sind, das Englische, besonders das Englisch von Joyce, ich meine, die darauf eingerichtet sind, es zu sprechen, dürfte es ja wohl nur eine geringe Zahl werden.
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Mais enfin il y aura évidemment de l’émulation, et une émulation – mon Dieu – légitime, | [17] parce que Le Portrait de l’Artiste ou plus exactement Un Portrait de l’Artiste, de l’Artiste qu’il faut écrire en y mettant tout l’accent sur le « le » qui bien sûr en anglais n’est pas tout à fait notre article défini à nous; mais on peut faire confiance à Joyce : s’il a dit « le » c’est bien qu’il pense que d’artiste, c’est lui le seul, que là il est singulier.
Aber dann wird es natürlich ein Nacheifern geben, und ein, mein Gott, legitimes Nacheifern, weil Das Porträt des Künstlers oder genauer Ein Porträt des Künstlers, des Künstlers, den man in der Weise schreiben muss, dass man dabei den ganzen Akzent auf das „des“ setzt, das im Englischen natürlich nicht ganz dasselbe ist wie unser bestimmter Artikel; wir können Joyce aber vertrauen: wenn er „des Künstler” gesagt hat, dann deshalb, weil er denkt, dass er der einzige Künstler ist, dass er darin einzigartig ist.77
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« As » a Young Man, c’est très suspect, car en français, ça se traduirait par « comme », autrement dit, ce dont il s’agit c’est du comment.
„As“ a young man, das ist wirklich suspekt, denn im Französischen wäre das mit comme zu übersetzen, anders gesagt, es geht um das comment, um das wie.78
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Le français là-dessus est, est indicatif, est indicatif de ceci : c’est que quand on parle « comme » en se servant d’un adverbe, quand on dit : réellement, mentalement, héroïquement, l’adjonction de ce ment est déjà en soi suffisamment indicative, indicative de ceci : c’est qu’on ment.
Das Französische ist hierzu aufschlussreich, von daher aufschlussreich, dass man hier, wenn man von comme – von „wie“ – in der Weise spricht, dass man sich dabei eines Adverbs bedient, wenn man réelle-ment sagt, realer-weise, mentale-ment, mentaler-weise, héroïque-ment, heroischer-weise, dann gibt die Hinzufügung dieses -ment an sich schon genügend Aufschluss darüber, qu’on ment, dass man lügt.
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Il y a du mensonge indiqué dans tout adverbe, et ce n’est pas là accident.
In jedem Adverb wird eine Lüge angezeigt und das ist kein Zufall.
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Quand nous interprétons, nous devons y faire attention.
Wenn wir deuten, müssen wir darauf achtgeben.79
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Quelqu’un qui n’est pas très loin de moi, faisait la remarque à propos de la langue en tant qu’elle désigne l’instrument de la parole, que c’était aussi la langue qui portait les papilles dites du goût.
Jemand, der mir nicht sehr fern steht, machte mal eine Bemerkung über die Zunge, insofern sie das Werkzeug des Sprechens bezeichnet, nämlich dass es ebenfalls die Zunge ist, die die sogenannten Geschmackspapillen trägt.80
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Eh bien, je lui rétorquerai que c’est pas pour rien que ce qu’on dit ment / ce condiment. (Lachen).
Nun, ich möchte ihm hiermit erwidern, |{17} dass es nicht umsonst so ist, dass ce qu’on dit ment / ce condiment – was man sagt, lügt / dieses Gewürz. (Lachen)
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Vous avez la bonté de rigoler ( Lachen ), mais c’est pas drôle.
Sie haben die Güte zu lachen (Lachen), aber das ist nicht komisch.
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Car en fin de compte nous n’avons que ça comme arme contre le symptôme : l’équivoque.
Denn als Waffe gegen das Symptom haben wir letztlich nur dies: die Mehrdeutigkeit.
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Il arrive que je me paie le luxe de… de « contrôler » on appelle ça, un certain nombre, un certain nombre de gens qui se sont autorisés eux-mêmes – selon ma formule – à être analystes.
Es kommt vor, dass ich mir den Luxus leiste, eine Reihe von Leuten zu „supervidieren“, wie man das nennt, eine Reihe von Leuten, die sich, wie meine Formulierung lautet, selbst autorisiert haben, Analytiker zu sein.81
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Il y a deux étapes.
Es gibt zwei Phasen.
Il y a une étape où ils sont comme les rhinocéros : ils font à peu près n’importe quoi et je les approuve toujours.
Es gibt eine Phase, in der sie wie die Nashörner sind: Sie machen mehr oder weniger irgendwas und ich stimme ihnen immer zu.82
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Ils ont en effet toujours raison.
Sie haben tatsächlich immer recht.83
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La deuxième étape consiste à jouer de cette équivoque qui pourrait libérer du sinthome, car c’est uniquement par l’équivoque que l’interprétation opère.
Die zweite Phase besteht darin, mit der Mehrdeutigkeit zu spielen, die vom Sinthom befreien könnte, denn die Deutung wirkt einzig und allein durch die Mehrdeutigkeit.
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Il faut qu’il y ait quelque chose dans le signifiant qui résonne.
Im Signifikanten muss etwas geben, das resoniert.84
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Il faut dire que on est surpris que les philosophes anglais, ça ne leur soit nullement apparu.
Man muss sagen, dass man erstaunt ist, dass dies den englischen Philosophen nicht aufgefallen ist, in keiner Weise.
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Je les appelle philosophes parce que ce ne sont pas des psychanalystes.
Philosophen nenne ich sie, weil es keine Psychoanalytiker sind.
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Ils croient dur comme fer à ce que la parole ça n’a pas d’effet.
Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass das Sprechen keine Wirkung hat.
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Ils ont tort.
Sie irren sich.
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Ils s’imaginent qu’il y a des pulsions, et encore quand ils veulent bien ne pas traduire pulsion par « instinct », ils ne s’imaginent pas que les pulsions c’est l’écho dans le corps du fait qu’il y a un dire.
Sie nehmen an, dass es Triebe gibt, und selbst wenn sie Trieb nicht mit „instinct“ übersetzen wollen85, nehmen sie nicht an, dass die Triebe das Echo im Körper der Tatsache sind, dass es ein Sagen gibt.
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Mais que ce dire, pour qu’il résonne, pour qu’il consonne … pour employer un autre mot du Saint Thomas d’Aquin … pour qu’il consonne, il faut que le corps y soit sensible, et qu’il l’est, c’est un fait.
Dafür aber, dass dieses Sagen resoniert, dass es konsoniert – um ein weiteres Wort des Heiligen Thomas von Aquin zu verwenden –, dass es konsoniert, dafür muss der Körper empfänglich sein, und dass er es ist, ist eine Tatsache.[/note]Für Thomas von Aquin ist die consonantia (der „Zusammenklang“, der „Einklang“) eines der drei Merkmale der Schönheit.[/note]
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C’est parce que le corps a quelques orifices dont le plus important… dont le plus important parce qu’il peut pas se boucher, se clore …dont le plus important est l’oreille, parce qu’il peut pas se fermer, que c’est à cause de ça que répond dans le corps ce que j’ai appelé la voix.
Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste – da sie nicht wie der Mund verschlossen werden kann, nicht zugemacht werden kann –, deren wichtigste das Ohr ist, da es sich nicht verschließen kann, aus diesem Grunde antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe.86
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[18] L’embarrassant est assurément qu’il n’y a pas que l’oreille, et que lui fait une concurrence éminente le regard.
Ärgerlich ist natürlich, dass es nicht nur das Ohr gibt und dass ihm der Blick starke Konkurrenz macht.87
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More geometrico, à cause de la forme chère à Platon, l’individu se présente comme il est foutu : comme un corps.
More geometrico88 – aufgrund der Form, die Platon so schätzte89, präsentiert das Individuum sich so, wie es gebaut ist: als ein Körper.
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Ce corps a une puissance de captivation qui est telle que, jusqu’à un certain point, c’est les aveugles qu’il faudrait envier.
Dieser Körper hat eine derart fesselnde Kraft, dass man bis zu einem gewissen Punkt die Blinden beneiden sollte.
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Comment est-ce qu’un aveugle, si tant est qu’il se serve du braille, peut lire Euclide ?
Wie kann ein Blinder, |{18} wenn er Brailleschrift verwendet, Euklid lesen?90
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L’étonnant est ceci que je vais énoncer, c’est que la forme ne livre que le sac, ou si vous voulez la bulle.
Das Erstaunliche ist das, was ich sagen werde, nämlich dass die Form nur den Sack liefert oder, wenn Sie so wollen, die Blase.91
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Elle est quelque chose qui se gonfle, et dont j’ai déjà dit les effets à propos de l’obsessionnel, qui en est féru plus qu’un autre.
Sie ist etwas, das sich aufbläht und und wovon ich die Wirkungen bereits erwähnt habe, bezogen auf den Zwangsneurotiker, der davon mehr als andere besessen ist.92
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L’obsessionnel… ai-je dit, quelque part, on me l’a rappelé récemment …c’est quelque chose de l’ordre de la grenouille qui veut se faire aussi grosse que le boeuf.
Der Zwangsneurotiker – habe ich irgendwo gesagt, man mich kürzlich daran erinnert – ist so etwas wie der Frosch, der sich so groß wie der Ochse machen will.93
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On en sait les effets, par une fable.
Die Folgen sind bekannt, aus einer Fabel.94
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Il est particulièrement difficile, on le sait, d’arracher l’obsessionnel à cette emprise du regard.
Den Zwangsneurotiker dem Erfasstsein durch den Blick zu entreißen, ist bekanntlich besonders schwierig.
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Le sac, en tant qu’il s’imagine dans la théorie de l’ensemble, telle que l’a fondée Cantor, se manifeste, voire se démontre… si toute démonstration est tenue pour démontrer l’imaginaire qu’elle implique …ce sac – dis-je – mérite d’être connoté d’un ambigu de un et de zéro, seul support adéquat de ce à quoi confine l’ensemble vide qui s’impose dans cette théorie.
Der Sack, wie er in der Mengenlehre imaginiert wird, wie sie von Cantor begründet wurde95, dieser Sack wird manifest, ja sogar demonstriert – wenn jede Beweisführung so aufgefasst wird, dass sie das darin enthaltene Imaginäre demonstriert96 –, dieser Sack, sage ich, verdient es, durch eine Ambiguität von Eins und Null konnotiert zu werden, der einzigen Stütze, die dem angemessen ist, woran die leere Menge, die sich in dieser Theorie aufnötigt, angrenzt.
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D’où notre scription : S indice 1 [S1], je precise, qu’elle se lit comme ça; elle fait pas l’un, mais elle l’indique comme pouvant ne rien contenir, être un sac vide.
Von daher unsere Schreibweise S1 – ich präzisiere, dass sie so gelesen wird: S Index 1 –, sie bildet nicht die Eins, sie verweist jedoch auf sie als etwas, das auch nichts enthalten kann, das ein leerer Sack sein kann.97.
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Il n’en reste pas moins qu’un sac vide reste un sac, soit l’un qui n’est imaginable que de l’ex-sistence et de la consistance qu’a le corps, qu’a le corps d’être pot/peau.
Das ändert nichts daran, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er pot/peau ist, Topf/Haut.98
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Il faut les tenir… cette ex-sistence et cette consistence …pour réelles, puisque le réel c’est de les tenir.
Sie müssen für real gehalten werden, diese Ex-sistenz und diese Konsistenz, da das Reale das ist, sie zu zusammenzuhalten.99 .
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D’où le mot Begriff qui veut dire ça.
Von daher das Wort Begriff*, das eben dies bedeutet.100 .
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L’Imaginaire montre ici son homogénéité au réel, et qu’elle ne tient – cette homogénéité – qu’au fait du nombre, en tant qu’il est binaire, 1 ou 0, c’est-à-dire qu’il ne supporte le 2 que de ce qu’1 ne soit pas 0, qu’il ex-siste au 0, mais n’y consiste en rien.
Das Imaginäre zeigt hier seine Homogenität mit dem Realen und dass sie, diese Homogeneität, nur mit dem Faktum der Zahl zusammenhängt, insofern die Zahl binär ist, 1 oder 0, das heißt, dass sie101 die 2 nur dadurch stützt, dass 1 nicht 0 ist, dass sie der 0 ex-sistiert, aber keineswegs daraus „konsistiert“, nicht daraus besteht.102
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C’est ainsi que la théorie de Cantor doit repartir du couple, mais qu’alors l’ensemble y est tiers.
Auf diese Weise muss die Theorie von Cantor wieder vom Paar ausgehen, zu dem dann jedoch die Menge das Dritte ist.103
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De l’ensemble premier à ce qui est l’autre104, la jonction ne se fait pas.
Zwischen der ersten Menge und dem, was die andere ist, stellt die Verbindung sich nicht her.105 .
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C’est bien en quoi le symbole en remet sur l’imaginaire, lui a l’indice 2 [S2], c’est-à-dire qu’indiquant qu’il est couple, il introduit la division dans le sujet – quel qu’il soit – de ce qui s’y énonce de fait [fɛ], le fait [fɛ] restant suspendu à l’énigme de l’énonciation qui n’est que fait [fɛ] fermé sur lui : le fait [fɛ] du fait [fɛ], comme on l’écrit, [lə fɛt dy fɛ] | [19] ou [lə fɛ dy fɛt], comme ça se dit, égaux en fait [ɑ̃fɛt], équivoques et équivalents, et par là limite du dit.
Insofern setzt das Symbol auf das Imaginäre eins drauf; das Symbol hat den Index 2 [S2], und das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, in welches auch immer, durch das, was hier faktisch ausgesagt wird, wobei dieses Faktum vom Rätsel des Aussagens abhängig bleibt,106, das nur ein in sich |{19} geschlossenes Faktum ist, le fait du fait, so schreibt man das, das Faktum des Faktums, gesprochen wird es [lə fɛt dy fɛ] – auch le faîte du fait, der Gipfel des Faktums – oder [lə fɛ dy fɛt] – auch le fait fu faîte, das Faktum des Gipfels –, égaux en fait [ego ɑ̃ fɛt] – faktisch gleich –, Äquivokationen und Äquivalente und dadurch Grenze des Gesagten.107
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L’inouï est que les hommes aient très bien vu que le symbole ne pouvait être qu’une pièce cassée, et ce – si je puis dire – de tous temps, mais qu’ils n’aient pas vu à l’époque… à l’époque de ce tous temps …que cela comportait l’unité et la réciprocité du signifiant et du signifié, conséquemment que le signifié d’origine ne veut rien dire, qu’il n’est qu’un signe d’arbitrage entre deux signifiants, mais de ce fait pas d’arbitraire pour le choix de ceux-ci.
Es ist unglaublich, dass die Menschen sehr deutlich gesehen haben, dass das Symbol nur ein zerbrochenes Stück sein konnte108, und dies, wenn ich so sagen darf, zu allen Zeiten, dass sie aber zu der Zeit – zur Zeit dieses zu allen Zeiten – nicht gesehen haben, dass dies die Einheit und die Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich brachte109 und dass folglich das ursprüngliche Signifikat nichts bedeutet, dass es nur ein Zeichen der Arbitrage für die Wahl zwischen zwei Signifikanten ist, deshalb jedoch keineswegs ein Zeichen für das Arbiträre der Wahl zwischen ihnen.110
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Il n’y a d’umpire… umpire pour le dire en anglais, c’est comme ça que Joyce l’écrit …qu’à partir de l’empire, de l’imperium sur le corps, comme tout en porte la marque dès l’ordalie.
Umpire gibt es nur – umpire, um es auf Englisch zu sagen, so schreibt es Joyce –, gibt es nur ausgehend vom [frz.] empire, vom Imperium über den Körper, wie alles dessen Markierung trägt, vom Ordal an.111
Ici, le 1 confirme son détachement d’avec le 2.
Die 1 bestätigt hier ihre Ablösung von der 2.
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Il ne fait 3 que par forçage imaginaire, celui qui impose qu’une volonté suggère à l’un de molester l’autre, sans être lié à aucun. Ouais…
Sie macht 3 nur durch imaginäres Aufhetzen, ein Aufhetzen, das dazu nötigt, dass ein Wille dem einen nahelegt, den anderen zu belästigen, ohne an einen von ihnen gebunden zu sein. Jawohl.
Wappen der Familie Borromeo2
Ausschnitt aus dem Borromeo-Wappen
Pour que la condition fût expressément posée de ce qu’à partir de trois anneaux, on fît une chaîne telle que la rupture d’un seul rendît – l’un de l’autre – les deux autres libres, quels qu’ils fussent… car dans une chaîne l’anneau du milieu, si je puis dire de cette façon abrégée, réalise ça : les deux autres libres, quels qu’ils fussent …il a fallu qu’on s’aperçût que c’était inscrit aux armoiries des Borromée, que le nœud – de ce fait dit borroméen – était déjà là sans que personne se fût avisé d’en tirer conséquence.
Damit ausdrücklich die Bedingung gestellt wurde, dass man ausgehend von drei Ringen eine Verkettung so bildet, dass das Auftrennen eines beliebigen einzigen Ringes die beiden anderen voneinander befreit, welche sie auch seien – in einer Kette wird dies ja, wenn ich das so verkürzt sagen kann, durch den mittleren Ring realisiert –, die beiden anderen, welche sie auch seien, voneinander befreit, hierfür musste zunächst registriert werden, dass dies in das Wappen der Borromäer eingetragen war, dass also der aus diesem Grunde borromäisch genannte Knoten bereits da war, ohne dass jemand auf den Gedanken gekommen wäre, Konsequenzen daraus zu ziehen.
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C’est bien là, c’est bien là que gît ceci : que c’est une erreur de penser que ce soit une norme pour le rapport de trois fonctions qui n’existent… l’une à l’autre dans leur exercice …que chez l’être qui de ce fait se croit être homme.
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)112
Eben daran liegt es, dass es ein Irrtum ist zu denken, dies sei eine Norm für die Beziehung zwischen drei Funktionen, die in ihrer gemeinsamen Realisierung nur bei dem Wesen existieren, das sich von daher |{20} für einen Menschen hält.
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Ce n’est pas que soient rompus le symbolique, l’imaginaire et le réel qui définit la perversion, c’est que ils sont déjà distinctes113, et qu’il en faut supposer un quatrième… qui est le sinthome en l’occasion …qu’il faut supposer tétradique ce qui fait le lien borroméen, que perversion ne veut dire que version vers le père, et qu’en somme le père est un symptôme ou un sinthome, comme vous le voudrez.
Die Perversion ist nicht dadurch definiert, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen wären, sondern dadurch, dass sie bereits unterschieden sind und man ein viertes Element annehmen muss, nämlich das Sinthom, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, dass Perversion nichts anderes besagt als version vers le père, Wendung zum Vater, und dass der Vater kurzgesagt nur ein Symptom ist oder ein sinthome / ein saint homme – ein heiliger Mann –, wie Sie wollen.
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L’ex-sistence du symptôme c’est ce qui est impliqué par la position même, celle qui suppose ce lien – de l’imaginaire, du symbolique et du réel – énigmatique.
Die Ex-sistenz des Symptoms ist das, was in der Position selbst impliziert ist, in derjenigen, durch die das rätselhafte Band des Imaginären, des Symbolischen und des Realen unterstellt wird.
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Si vous trouvez quelque part… je l’ai déjà dessiné …ceci qui schématise le rapport de l’imaginaire, du symbolique et du réel en tant que séparés l’un de l’autre, vous avez déjà, dans mes précédentes figurations, mis à plat leur rapport, la possibilité de les lier – par quoi ? – Par le sinthome.
Links: drei getrennte Ringe. Rechts: ihre Verbindung durch den vierten Ring des Sinthoms (Σ)4
Wenn Sie irgendwo – ich habe es bereits gezeichnet – das finden, wodurch das Verhältnis des Imaginären, des Symbolischen und des Realen schematisch so dargestellt wird, dass sie voneinander getrennt sind, dann haben Sie bereits in meinen früheren geplätteten Darstellungen ihrer Beziehung die Möglichkeit, sie zu verbinden. Wodurch? Durch das Sinthom.
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Si j’avais ici un craie de couleur…
|{21} Wenn ich hier eine farbige Kreide hätte …
Gloria Gonzalez114:
De quelle couleur vous la voulez ?
In welcher Farbe möchten Sie sie?
Lacan:
Comment ?
Wie?
Gonzales:
De quelle couleur ?
In welcher Farbe?
Lacan:
Rouge, si vous le voulez bien.
Rot, wenn das möglich ist.
Vous êtes vraiment trop gentille.
Sie sind wirklich zu freundlich.
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[20] Tout dépend de ceci : C’est que à rabattre ce grand S… c’est-à-dire ce qui s’affirme de la consistance du symbolique …à le rabattre, comme il est plausible, je veux dire offert, à le rabattre d’une façon qui se trace ainsi, vous avez… si cette figure est correcte, je veux dire que glissant sous le réel, c’est évidemment aussi sous l’imaginaire qu’il doit se trouver, à ceci près qu’ici, c’est sur le symptômatique qu’il doit passer …vous vous trouvez dans la position suivante, c’est qu’à partir de quatre, ce qui se figure est ceci :
[an der Tafel:]
c’est à savoir que vous aurez le rapport suivant, ici par exemple, l’imaginaire, le réel, et le symptôme que je vais figurer d’un sigma, Σ, et le symbolique, mais que chacun d’entre eux est échangeable.
Alles hängt von Folgendem ab: Wenn Sie dieses groß S umklappen, also das, was sich von der Konsistenz des Symbolischen her behauptet, wenn Sie es umklappen wie es plausibel ist, ich meine, wie es sich anbietet, wenn Sie es auf eine Weise umklappen, die so gezeichnet wird, dann haben Sie, falls diese Figur korrekt ist – ich meine, dass es unter dem Realen durchgeht und es offensichtlich ebenfalls unter dem Imaginären sein muss, abgesehen davon, dass es hier über das Symptomatische laufen muss –, dann sind Sie in der folgenden Position, dass sich das ausgehend von vieren so darstellt:
[an der Tafel:]
das heißt, Sie erhalten das folgende Verhältnis: hier zum Beispiel das Imaginäre, das Reale und das Symptom, das ich mit einem Sigma darstellen werde, Σ, sowie das Symbolische, dass aber jedes von ihnen austauschbar ist.
Expressément ; de un à deux peut s’invertir en deux à un, de trois à quatre peut s’invertir de quatre à trois, d’une façon qui, j’espère, vous paraît simple:
[an der Tafel]
R S Σ I
1 2 3 4
2 1 4 3
Um es ausdrücklich zu sagen, die Beziehung von 1 zu 2 kann umgekehrt werden in die Beziehung von 2 zu 1, die von 3 zu 4 kann umgekehrt werden in die von 4 zu 3, auf eine Weise, die Ihnen, wie ich hoffe, als einfach erscheint.
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[21] Mais nous nous trouvons de ce fait dans la situation suivante, c’est que ce qui est un à deux voire deux à un, pour avoir dans son milieu, si l’on peut dire, le Σ et le S, doit faire… c’est précisément ici que c’est figuré …doit faire que le symptôme et le symbole se trouvent pris d’une façon telle… il faudrait que je vous montre par quelque figuration simple …d’une façon telle que il y en a… comme vous le voyez là-bas …qu’il y en a quatre qui sont… vous le voyez là …il y en a quatre qui sont tirés par le grand R ; et ici c’est d’une certaine façon que le I se combine en passant au-dessus du symbole ici figuré, et au-dessous du symptôme.
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Symbolisches und Symptom zwischen Realem und Imaginärem5
Dadurch sind wir aber in der folgenden Situation: Was 1 zu 2 ist beziehungsweise 2 zu 1, muss bewirken, da es in seiner Mitte, wenn man so sagen kann, das Σ und das S hat – so ist das hier dargestellt –, muss bewirken, dass das Symptom und das Symbol auf eine Weise gehalten werden – ich müsste Ihnen das durch eine einfache Darstellung zeigen –, |{22} dass sie auf eine Weise gehalten werden, dass es – wie Sie dort sehen –, dass es vier gibt, die – Sie sehen es da –, dass es vier gibt, die vom großen R gezogen werden; und hier verbindet sich das I auf spezielle Weise, indem es über dem hier dargestellten Symbol und unter dem Symptom verläuft.115
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C’est toujours sous cette forme que se présente le lien, le lien que j’ai exprimé ici par l’opposition du R au I.
In dieser Gestalt präsentiert sich die Verbindung immer, die Verbindung, die ich hier durch die Opposition von R und I ausgedrückt habe.
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Autrement dit, les deux – symptôme et symbole – se présentent de façon telle que ici, un des deux termes les prend dans leur ensemble, alors que l’autre passe, disons sur celui qui est au-dessus et sous celui qui est au-dessous.
Anders gesagt, diese beiden, Symptom und Symbol, präsentieren sich so, dass eines der beiden Enden sie hier in ihrer Gesamtheit nimmt, während das andere, sagen wir, über den hinweg läuft, der oben ist und unter dem, der unten ist.
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C’est la figure que vous obtenez régulièrement dans une tentative de faire le nœud borroméen à quatre et c’est celle que j’ai mis ici, sur l’extrême droite.
Borromäische Verkettung von vier Ringen6
Das ist die Figur, die Sie regelmäßig erhalten, wenn Sie versuchen, den borromäischen Viererknoten zu bilden, und das ist die, die ich hierhin gesetzt habe, rechts außen.
Le complexe d’Œdipe, comme tel, est un symptôme.
Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom..
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C’est en tant que le Nom-du-Père est aussi le père du nom que tout se soutient, ce qui ne rend pas moins nécessaire le symptôme.
Alles wird insofern gestützt, als der Name-des-Vaters auch der Vater des Namens ist – wodurch das Symptom nicht weniger notwendig ist. .
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Cet Autre dont il s’agit, c’est ce quelque chose qui dans Joyce se manifeste par ceci : qu’il est en somme chargé de père.
Dieser Andere, um den es geht, ist jenes Etwas, das sich bei Joyce darin zeigt, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist..
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C’est dans la mesure où ce père… comme il s’avère dans l’Ulysses …il doit le soutenir pour qu’il subsiste, que Joyce par son art… son art qui est toujours le quelque chose qui, du fond des âges, nous vient comme issu de l’artisan …c’est par son art que Joyce fait subsister non seulement sa famille, mais l’illustre si l’on peut dire, et du même coup illustre ce qu’il appelle quelque part my country.
In dem Maße, indem er diesen Vater, wie sich im Ulysses herausstellt, stützen muß, damit er fortbesteht116, lässt Joyce durch seine Kunst, son art, die immer etwas ist, das uns, ausgehend vom Handwerker, vom artisan, vom Grunde der Zeiten her erreicht117, lässt Joyce durch seine Kunst nicht nur seine Familie fortbestehen, sondern er „illustriert“ sie, wenn man so sagen kann – er macht sie illuster –, und zugleich „illustriert“ er das, was er irgendwo my country nennt.118
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L’esprit incréé – dit-il – de sa race… c’est ce par quoi finit Le Portrait de l’Artiste …c’est là ce dont il se donne la mission.
Der ungeschaffene Geist, sagt er, seiner |{23} Rasse – damit endet das Porträt des Künstlers –, das ist der Auftrag, den er sich gibt.119 .
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En ce sens, j’annonce ce que va être cette année mon interrogation sur l’art : en quoi l’artifice peut-il viser expressément ce qui se présente d’abord comme symptôme ?
In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst, sur l’art, sein wird: Auf welche Weise kann l’artifice, der Kunstgriff / das Artefakt, ausdrücklich auf das abzielen, was sich zunächst als Symptom darstellt?
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En quoi l’art, l’artisanat peut—il déjouer, si l’on peut dire, ce qui s’impose du symptôme – à savoir quoi ? – | [23] mais ce que j’ai figuré dans mes deux tétraèdres : la vérité.
Auf welche Weise kann l’art, l’artisanat – können Kunst und Handwerk – das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom her aufnötigt? Nämlich was? Das, was ich in meinen beiden Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.120
Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses in einen Tetraeder121
La vérité, où est-elle dans cette occasion ?
Wo ist sie hierbei, die Wahrheit?
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J’ai dit qu’elle était quelque part dans le discours du maître, comme supposée dans le sujet, en tant que divisé il est encore sujet au fantasme.
Ich habe gesagt, im Diskurs des Herrn ist sie etwas, das irgendwo im Subjekt unterstellt wird; insofern es gespalten ist, ist es noch dem Phantasma unterworfen.122
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C’est, contrairement à ce que j’avais figuré d’abord, c’est ici, au niveau de la vérité que nous devons considérer le mi-dire.
Das heißt, dass wir hier auf der Ebene der Wahrheit – im Gegensatz zu dem, was ich zunächst dargestellt hatte – das Halbsagen in Betracht ziehen müssen.123
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C’est-à-dire que le sujet, à cette étape124, ne peut se représenter que du signifiant indice 1 [S1], que le signifiant indice 2 [S2], c’est très précisément ce qui se représente de la… pour le figurer comme je l’ai fait tout à l’heure …de la duplicité du symbole et du symptôme.
Das heißt, dass in diesem Stadium das Subjekt nur durch den Signifikanten Index 1, S1, repräsentiert werden kann und dass der Signifikant Index 2, S2, eben das ist, was – um es so darzustellen, wie ich es eben getan habe –, was durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird.125
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Là est l’artisan, l’artisan en tant que par la conjonction de deux signifiants, il est capable de produire ce que tout à l’heure j’ai appelé l’objet a ou plus exactement je l’ai illustré du rapport à l’oreille et à l’œil, voire évoquant la bouche close.
Da ist der Handwerker, der Handwerker, insofern er in der Lage ist, durch die Verbindung von zwei Signifikanten das zu produzieren, was ich eben Objekt a genannt habe oder genauer, ich habe es durch das Verhältnis zum Ohr und zum Auge illustriert sowie auch dadurch, dass ich auf den geschlossenen Mund angespielt habe.126
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C’est bien en tant que le discours du maître règne, que S2 se divise, et cette division, c’est la division du symbole et du symptôme.
{24} Soweit der Diskurs des Herrn bestimmend ist, spaltet sich das S2, und diese Spaltung ist die in Symbol und Symptom.
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Mais cette division du symbole et du symptôme, elle est si l’on peut dire, reflétée dans la division du sujet.
Die Spaltung in Symbol und Symptom reflektiert sich jedoch, wenn man so sagen kann, in der Spaltung des Subjekts.
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C’est parce que le sujet c’est ce qu’un signifiant représente auprès d’un autre signifiant que nous sommes nécessités par son insistance, à montrer que c’est dans le symptôme que un de ces deux signifiants du symbolique, prend son support.
Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, werden wir durch sein Insistieren genötigt127, zu zeigen, dass einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.
En ce sens, on peut dire que dans l’articulation du symptôme au symbole, il n’y a, je dirai qu’un faux trou..
Falsches Loch zwischen den Ringen des Symbolischen und des Symptoms
In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Artikulation des Symptoms mit dem Symbol lediglich ein, so möchte ich sagen, falsches Loch gibt.128
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Si nous supposons la consistance… consistance d’une quelconque de ces fonctions, symbolique, imaginaire et réel …si nous supposons cette consistance comme faisant cercle, ceci suppose un trou.
Wenn wir die Konsistenz annehmen – die Konsistenz irgendeiner dieser Funktionen, symbolisch, imaginär oder real –, wenn wir annehmen, dass diese Konsistenz einen Kreis bildet, dann unterstellt das ein Loch. .
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Mais dans le cas du symbole et du symptôme, c’est autre chose dont il s’agit : | [24] ce qui fait trou c’est l’ensemble – c’est l’ensemble pliés l’un sur l’autre – de ces deux cercles.
Im Falle des Symbols und des Symptoms geht es jedoch um etwas anderes: das, wodurch ein Loch gebildet wird, ist die Gesamtheit – die übereinander geklappte Gesamtheit – dieser beiden Kreise.
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Ici, comme l’a assez bien figuré Soury… pour l’appeler par son nom, je sais pas s’il est ici …il faut encadrer par quelque chose qui ressemble à une soufflure, à ce que nous appelons dans la topologie, un tore.
Hier muss man, wie es Soury – um ihn beim Namen zu nennen, ich weiß nicht, ob er hier ist129 –, wie Soury es ziemlich gut dargestellt hat, hier muss man <das> durch etwas einrahmen, was einer Luftkammer ähnelt und was wir in der Topologie als Torus bezeichnen.
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Il faut cerner chacun de ces trous dans quelque chose qui les fait tenir ensemble, pour que nous ayons ici quelque chose qui puisse être qualifié du vrai trou.
Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, das sie zusammenhält, damit wir hier etwas haben, das als echtes Loch qualifiziert werden kann.130
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C’est dire que : il faut imaginer pour que ces trous subsistent, se maintiennent, supposer131 simplement ici une droite… ça remplira le même rôle …une droite pour peu qu’elle soit infinie.
Eine unendliche Gerade verwandelt das falsche Loch in ein echtes Loch.
{25} Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, erhalten bleiben, dass man hier einfach eine Gerade annehmen muss, das wird dieselbe Funktion erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich. .
Ce cercle – il faudra assurément que j’y revienne – le cercle a une fonction qui est bien connue de la police : le cercle ça sert à circuler et c’est bien en ça que la police a un soutien qui ne date pas d’hier.
Dieser Kreis – darauf werde ich sicherlich zurückkommen müssen –, der Kreis hat eine Funktion, die der Polizei wohlbekannt ist, der Kreis dient dem Zirkulieren, und darin hat die Polizei nicht erst seit gestern eine Stütze.132
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Hegel avait très bien vu, quelle en était la fonction, et il l’avait vu sous une forme qui n’est assurément pas celle dont il s’agit, ce qui est en question.
Hegel hatte sehr gut gesehen, was ihre Funktion ist, und er hatte es in einer Form gesehen, die gewiss nicht diejenige ist, um die es sich handelt, die in Frage steht.133
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Il s’agit pour la police, simplement que le tournage en rond se perpétue.
Für die Polizei handelt es einfach da-|{26} rum, dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht.
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Le fait que nous puissions, dans ce faux trou, faire l’adjonction, l’adjonction d’une droite infinie, et qu’à soi seul ceci fasse de ce faux trou, un trou qui borroméennement subsiste, c’est là le point sur lequel je m’arrête aujourd’hui.
Die Tatsache, dass wir zu diesem falschen Loch etwas hinzufügen können, dass wir eine unendliche Gerade hinzufügen können und dass bereits dies aus dem falschen Loch ein Loch macht, das auf borromäische Weise Bestand hat, das ist der Punkt, mit dem ich heute aufhöre.134
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN UND FRAGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen, Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine erläuternden Ergänzungen, Passagen in eckigen Klammern, die mit zwei Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern in grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
Titel und Themen des Seminars
Sinthom
{9} Lacan weist darauf hin, dass er dieses Seminar mit dem Titel Le sinthome angekündigt hatte (hier mit Das Sinthom übersetzt). Sinthome ist eine ältere Schreibweise für das, was dann später symptôme heißen sollte (auf Deutsch: Symptom).
[Die Schreibweise sinthome findet man in der Zeit der Inkunablen, also zwischen 1450 und 1550 (sagt Lacan in der Ankündigung des Seminars eine Woche zuvor bei den Studientagen der ELP). Die Schreibweise symptôme orientiert sich am Griechischen: sun ptōma, „zusammen“ und „Fall“, also „das Zusammenfallende“.]
[Das französische Wort sinthome ist lautgleich mit saint homme („heiliger Mann“) und mit Saint Thome (Abkürzung für „Heiliger Thomas“). Die altertümliche Schreibweise evoziert eine These zum Symptom: Das Symptom beruht darauf, dass ein heiliger Mann ins Spiel kommt (dass der Vater zum heiligen Mann wird); Lacan wird später in dieser Sitzung darauf zurückkommen.]
[Die Änderung der Schreibweise mit der Überlagerung zweier Sprachen erinnert zugleich an die literarische Technik von Joyce, vor allem in Finnegans Wake. Auch das bezieht sich auf das Thema des Seminars: Die Frage des Symptoms soll anhand von Joyce und der Joyce’schen Schreibkunst untersucht werden.]
[Auf den Tonaufnahmen sind sinthome und symptôme gut zu unterscheiden, vorausgesetzt, die Qualität der Aufnahme stimmt einigermaßen. Lacan spricht sehr deutlich und man hört, ob er das Wort ohne p oder mit p spricht.]
[Damit wird eine erste Frage aufgeworfen: Ist Sinthom nur eine andere Schreibweise für Symptom oder unterscheidet Lacan zwei psychische Formationen, das Symptom und das Sinthom? Falls es zwei Formationen sind, wie verhalten sie sich zueinander? Miller und Morel deuten es in ihren Sinthom-Kommentaren so: das Sinthom ist eine Modifikation des ursprünglichen Symptoms.135]
Joyce
Die Veränderung der Schreibweise [die Ersetzung von sinthome durch symptôme] verweist auf ein historisches Ereignis, auf das [mit dem Renaissance-Humanismus verbundene] Injizieren des Griechischen in das Französische, das Französische ist „meine Lalangue“, sagt Lacan an dieser Stelle [er verwendet lalangue hier für eine Nationalsprache, nämlich das Französische, die Bedeutung von meine Lalangue ist „meine Muttersprache“]. Im Ulysses wünscht Joyce sich ebenfalls eine Hellenisierung, also ein Eindringen des Griechischen [im Roman wünscht sich das Buck Mulligan, der hier von Lacan als Sprecher von Joyce genommen wird. Mit dem Rückgang von der griechischen zur alten französischen Schreibweise betreibt Lacan an diesem Punkt eine Enthellenisierung des Französischen, seine Operation läuft den Ansprüchen von Mulligan bzw. Joyce zuwider.] Aber in welche Sprache soll das Griechische eindringen? Joyce geht es um Irland, und die Sprache Irlands ist das Gälische [heute ist es die offizielle Erstsprache der Republik Irland]. Joyce war jedoch gezwungen, Englisch zu schreiben [gewissermaßen die Sprache der Invasoren]. Joyce hat auf sehr spezielle Weise Englisch geschrieben. [Der Schriftsteller und Joyce-Übersetzer] Philippe Sollers [der Lacans Seminare besuchte] hat in einem Aufsatz in Tel Quel erklärt, Joyce habe auf eine Weise geschrieben, dass die englische Sprache nicht mehr existiert [vielleicht im Sinne von: dass sie nicht mehr als geschlossenes Sprachsystem existiert, da Joyce beständig Bezüge zu anderen Sprachen herstellt]. |{10} Allerdings hatte das Englische bereits vorher wenig Konsistenz [unter anderem aufgrund des starken Einflusses der französischen Sprache]. [Damit bringt Lacan den Begriff der Konsistenz ins Spiel, der bei der Beschreibung des borromäischen Knotens im vorangegangenen Seminar, RSI, eine Schlüsselrolle gespielt hatte und der auch in diesem Seminar für die Behandlung der Knoten wichtig werden wird. An dieser Stelle geht es Lacan speziell um die Inkonsistenz des Symbolischen.] Sollers hat außerdem gesagt, Joyce habe dem Englischen durch die Folge seiner Schriften etwas hinzugefügt, sodass man l’élangues schreiben müsse [also nicht les langues, die Sprachen, sondern, mit einem lautgleichen Neologismus, l’élangues]. Lacan deutet das als Anspielung auf l’élation, den Überschwang – die Sprache von Joyce hat etwas Überschwängliches. Joyce hat dem Englischen durch seine Werke also noch etwas [anderes] hinzugefügt [als den symbolischen Bezug auf andere Sprachen]: diesen Überschwang [mit dem Überschwang, der gehobenen Stimmung, sind wir bei den Affekten]. Vom Überschwang sagt man in der Psychiatrie, er sei der Ursprung eines bestimmten Sinthoms, nämlich der Manie, und Finnegans Wake gleicht insgesamt einer Manie. Joyce hat an Finnegans Wake so lange gearbeitet, dass es die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
[Das Schreiben von Joyce hat folgende Merkmale:
– Es steht in Beziehung zur Inkonsistenz des Englischen.
– Es hat im Falle von Finnegans Wake etwas mit einem Überschwang zu tun und ähnelt darin einer Manie.
– Joyce hat durch die Arbeit an Finnegans Wake die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.]
Symptom und Joyce
[Worin besteht die Verbindung zwischen diesen beiden Themen, zwischen dem Thema Symptom und dem Thema Joyce? Da Lacan sich hier vor allem zur Joyce’schen Art des Schreibens äußert, darf man vermuten, dass es ihm darum geht, die Beziehung zwischen der Joyce’schen Art des Schreibens und dem Symptom zu begreifen.]
Borromäische Verkettung von vier Komponenten
Lacan hat auf Drängen von Jacques Aubert [einem Joyce-Spezialist] den Eröffnungsvortrag zum [fünften internationalen] Joyce-Symposium [im Juni 1975 in Paris] gehalten. [Der Vortrag hatte den Titel Joyce das Symptom. Lacan hat diesen Vortrag später für den Druck so stark überarbeitet, dass es zwei sehr verschiedene Texte mit dem Titel Joyce das Symptom gibt: die Transkription des Vortrags (Joyce das Symptom I von 1975) und die Druckfassung (Joyce das Symptom II, Datum unklar, zwischen 1976 und 1979).]
Die Arbeit am Joyce-Vortrag hat Lacan dazu gebracht, das Seminarprogramm für dieses Jahr und damit auch den Seminartitel zu ändern. Er hatte [im vorangegangenen Seminar 22, RSI] angekündigt, dass das Folgeseminar 4, 5 und 6 heißen würde [was sich auf borromäische Verkettungen von vier, fünf und sechs Komponenten beziehen sollte, wie Lacan im RSI-Seminar erläutert hatte].en Wegen des Joyce-Vortrags [der seine Vorbereitungszeit für das Seminar verkürzt hatte] wird er sich jedoch mit der 4 begnügen [mit der borromäischen Verkettung von vier Komponenten]. [Die ersten drei Komponenten beziehen sich auf das Reale, das Symbolische und das Imaginäre, das weiß man aus den Seminaren 21 und 22. Der vierte Ring, so wird man später in dieser Sitzung erfahren, ist der des Symptoms bzw. Sinthoms; der Seminartitel Das Sinthom bezieht sich also auf den vierten Ring einer borromäischen Verkettung von vier Komponenten.] Über diese Programmänderung sei er erleichtert, sagt Lacan, denn es wäre ihm, so meint er, wohl kaum gelungen, alle drei Verkettungsformen darzustellen. Bereits die Konzeption der Vier [also der borromäischen Verkettung von vier Komponenten] sei für ihn schwierig.
[Die Seminarthemen sind also das Symptom, Joyce und die borromäische Verkettung von vier Komponenten.]
Der Weg der guten Logik
Lacan sagt über sich, er beerbe Freud, was eigentlich nicht seine Absicht gewesen sei. Er beerbt Freud, indem er sich auf die erste Generation der Freudschüler bezog, auf diejenigen, die sich in Wien trafen und die Freud seine Bande nannte. [? An welche Mitglieder dieser Gruppe knüpft Lacan vor allem an?] [Wo spricht Freud von „meiner Bande“?]
Er, Lacan, habe aus dem, was diese Generation auf unklare Weise artikuliert hatte, „in guter Logik“ etwas herausgezogen. Niemand von dieser Schülergeneration hat den Weg der „guten Logik“ verfolgt. [Im Folgenden skizziert Lacan, was er unter „guter Logik“ versteht.]
Benennung
[Lacan beginnt seine Skizze der guten Logik mit dem Benennen, d.h. mit einem Thema, das in der klassischen Logik „Begriff“ genannt wird.]
Warum das logische Vorgehen? Deshalb, weil die Natur dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht eine ist. [Bei „Natur“ darf man wohl an den von Lévi-Strauss betonten Gegensatz von Natur und Kultur denken, bei „Kultur“ vor allem an die Sprache. Inwiefern ist die Natur nicht „eine“? Wohl insofern als Einheit im Sinne der zusammenfassenden Ganzheit das Merkmal des Imaginären ist – die Natur ist nicht das Imaginäre, bildet keine Einheit.]
[Warum also ist das logische Vorgehen der Natur angemessen, insofern sie nicht eine ist?]
Die Natur ist das, was durch das Benennen ausgeschlossen wird, obwohl sie gerade das ist, was benannt werden soll. [Das Benennen, so hatte Lacan in Seminar 22 ausgeführt, erzeugt den Sinn, der auf der Verbindung des Symbolischen mit dem Imaginären beruht. Die Natur (das Reale) ist das, was durch den Sinn und damit durch die Benennung ausgeschlossen wird – das Benennen erzeugt gewissermaßen die Natur als Rest. In Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache hatte Lacan es (mit Hegel) so formuliert: Das Symbol manifestiert sich als Mord am Ding.]
{11} Das Benennen führt dazu, dass die Natur sich als Potpourri von Außer-Natur (oder Un-Natur) behauptet. [Die Sinngebung durch Benennung erzeugt einen Bereich des Nicht-Benennbaren: das Reale. Dieser Rest ist keine Einheit (die Natur ist nicht eine), sondern ein Potpourri, ein Sammelsurium. Dieses Potpourri behauptet sich: es ist wirksam, es gibt eine Art Widerkehr des Ausgeschlossenen. Lacans Formulierung erinnert an Freuds Rede von der polymorph-perversen Sexualität: polymorph = nicht eine; pervers = Un-Natur.]
Der Vorteil dieser Aussage [dass die Natur sich gegenüber der Benennung als Potpourri von Außer-Natur behauptet] ist der, dass man – wenn man dies berücksichtigt – Folgendes sieht: Das Benennen steht im Gegensatz zu dem, was das Gesetz der Natur zu sein scheint. Und damit hängt zusammen, dass es beim Menschen kein Verhältnis gibt, das auf natürliche Weise sexuell wäre. [Die sexuelle Beziehung einschließlich des Koitus ist beim Menschen durch das Benennen vermittelt und insofern nicht „natürlich“. Meist formuliert Lacan es so: Es gibt kein sexuelles Verhältnis. Man kann diesen Satz demnach unter anderem so auffassen: „Es gibt kein natürliches sexuelles Verhältnis.“]
[Das logische Vorgehen antwortet darauf, dass es kein natürliches sexuelles Verhältnis gibt.]
Das Fehlen einer natürlichen sexuellen Beziehung ist nichts, was den Menschen auszeichnet, es gibt noch andere Lebewesen, die das natürliche sexuelle Verhältnis nicht kennen [z.B. die Einzeller]. Dies kann man „logischerweise“ behaupten. [? Wieso „logischerweise“?]
Damit soll jedoch nicht gesagt werden, dass beim Menschen das Geschlecht nichts Natürliches wäre [es gibt beim Menschen durchaus eine biologische (anatomisch-hormonale) Zweigeschlechtlichkeit]. Man muss in jedem Einzelfall prüfen, ob es bei einer bestimmten Gattung von Lebewesen ein natürliches sexuelles Verhältnis gibt. Auf [die sogenannte Sexualität von] Bakterien [und deren Nicht-Beziehung] hatte er sich bereits früher [nämlich in Seminar 21] bezogen, ebenso auf die der Vögel, da diese Namen haben [also benannt werden]. [? Wo hatte sich Lacan zum sexuellen Verhältnis bei Vögeln geäußert?]
[Lacan setzt nun seine Adaption der biblischen Schöpfungsgeschichte fort, die er in Seminar 22, RSI, begonnen hatte. Dort hieß es:
„Na ja, die Namen-des-Vaters, das ist dies: das Symbolische, das Imaginäre und das Reale. Insofern in meinem Sinn – mit dem Gewicht, den ich vorhin dem Wort Sinn gegeben habe –, insofern die Namen-des-Vaters eben dies ist: die ersten Namen, insofern sie etwas benennen, ist – wie das, ja genau, wie das von der Bibel angezeigt wird, bezogen auf dieses außergewöhnliche Dingsda, das dort Vater genannt wird –, ist die erste Zeit dieser menschlichen Imagination, nämlich Gottes, dem gewidmet, einen Namen zu geben – mein Gott! –, einen Namen für etwas, das nicht gleichgültig ist, einen Namen für jedes der Tiere.
(…)
Es [das Sprechwesen] benennt die Dinge, wie ich das hier eben in Erinnerung gerufen habe, bezogen auf dieses erste Herumalbern der Bibel, es benennt sie im irdischen Paradies, es benennt die Dinge für das Sprechwesen, also für das Wesen, das selbst eine Tierart ist, sich davon jedoch auf einzigartige Weise unterscheidet. Es ist nur insofern ein Tier – denn Tier, das heißt nichts anderes als dies, dass man das Tier dadurch charakterisiert, wie es sich reproduziert, geschlechtlich oder ungeschlechtlich –, eben das ist ein Tier: das, was sich reproduziert.“136
Gemeint ist vermutlich: Gott, ein Produkt der Einbildungskraft, kümmert sich insofern um die Benennung der Tiere, als er dem Menschen (Adam) den Auftrag gibt, die Tiere für die anderen Menschen zu benennen.
Auf die Benennung der Tiere durch Adam hatte Lacan sich bereits in früheren Seminaren bezogen: in Seminar 2, Das Ich in der Theorie Freuds137 und in Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse138.]
Die Schöpfung wird als göttlich bezeichnet. Göttlich an ihr ist allein, dass sie sich auf die Benennung bezieht [sie bezieht sich auf die Schöpfung aus dem Nichts durch den Signifikanten, also dadurch, dass Gott spricht]. [Der Name-des-Vaters hat die Funktion, den Dingen einen Namen zu geben, heißt es in Seminar 22 (Sitzung vom 11. März 1975).] Als Gott dem mythischen Urmenschen den Auftrag gab, alle Tiere zu benennen, hat er ihn verulkt; zu beachten ist, dass das Bakterium nicht benannt wird. [Das hebräische Wort Adam bedeutet „Mensch“. Der biblischen Schöpfungsgeschichte zufolge bringt Gott die Tiere zum Menschen, zu Adam, um zu sehen, wie er sie benennen würde; wie er sie benennen würde, so sollten sie heißen (von einem „Auftrag“, die Tiere zu benennen, ist nicht die Rede, vgl. 1. Mose 2, 19 f.). Die Benennung besteht darin, dass die Sprache auf das Imaginäre einwirkt (Sitzung vom 11. März 1975), also auf das Sichtbare. Die Bakterien werden nicht benannt, da sie nicht sichtbar sind; die Bakterien gehören, bezogen auf die Benennung durch den Menschen bzw. durch Adam, zum Realen. Der verulkende Charakter des Benennungsauftrags besteht möglicherweise darin, dass einige der „Tierchen“ sich der Sichtbarkeit entziehen und deshalb von Adam nicht benannt werden können. (Bakterien sind keine Tiere, deshalb wohl bestiole, „Tierchen“.)]
Das erste Sprechen ist, dem Mythos zufolge, das Sprechen von Adam, aber tatsächlich erfolgte das erste Sprechen in der Sprache von Eva – Adam war eine Madam, wie der Witz von Joyce lautet. [Die genetische Tatsache, dass das Kind zuerst mit dem Sprechen der Mutter konfrontiert ist, wird hier mythisch reartikuliert.] Lacan nennt Eva l’Évie [homophon mit frz. les vies, „die Leben“] unter Berufung auf die Bedeutung von Eva im Hebräischen: „Mutter der Lebenden“ (ich übersetze l’Évie mit Evita, RN). Sie hat, nach dem behaupteten Benennen der Tiere durch Adam, sofort die Sprache und bedient sich ihrer, um mit der Schlange zu sprechen. Die göttlich genannte Schöpfung [durch das Wort] verdoppelt sich im Gerede des Sprechwesens.
Am Rande sagt Lacan, dass der Name Adam etwas anzeigt, und dass der Ausdruck anzeigen auf den Begriff Index bei Peirce verweist. [Indexikalische Zeichen sind, nach Peirce, Zeichen, deren Objektbezug dadurch hergestellt wird, dass sie auf das Objekt hinweisen, etwa durch Zeigen, im Unterschied zu Symbolen (Objektbezug durch Konvention) und zu Ikonen (Objektbezug durch Ähnlichkeit).]
{12} Durch das Sprechen macht Evita die serpent, die Schlange, zur serre-fesse, zur Arschklemme. [Serrer les fesses, wörtlich „die Arschbacken zusammenkneifen“, meint „Schiss haben“. Die Schlange bringt die Angst ins Spiel, und wie die anschließenden Bemerkungen zeigen, geht es um die Kastrationsangst.] Die serpent bzw. serre-fesses wird später als faille bezeichnet, als Spalte, Bruch, Riss, oder besser noch: Die Schlange wird als Phallus bezeichnet [der imaginäre Phallus ist das, was dem narzisstisch besetzten Objekt fehlt, also die Spalte, der Bruch, der Riss im narzisstisch besetzten Objekt].
Denn es braucht den Phallus, um den Fehltritt (faux-pas) zu begehen, die Verfehlung (faute). [Der Fehltritt stützt sich auf den Phallus-Signifikanten, der Fehltritt ist ein Versuch, das zu bekommen, was auf der sexuellen Ebene fehlt und eben das wird durch den Phallus symbolisiert. Faux-pas (Fehltritt) ist lautgleich mit faut pas (darf nicht); das Begehren stützt sich auf das Gesetz.]
Ein Vorteil der Schreibweise Sinthom besteht darin, dass sie auf den Fehltritt verweist – der Ausdruck beginnt mit „sin“, und das englische Wort sin meint „Sünde“. [Das Symptom ist, so lässt sich das Wortspiel eindeutschen, ein „Sündtom“, es beruht auf dem Verbot und auf dem Schuldgefühl. Das ist klassischer Freud: Das Symptom ist eine Kompromissbildung zwischen Trieb und Verbot und die Installierung des Verbots beruht auf dem Kastrationskomplex.] Es geht also um die erste Schuld [und damit um die Erbsünde].
[Welche Beziehung gibt es zwischen dem Symptom und der Sünde? Vielleicht kann man sagen: Bei der Sünde geht es, wie beim Symptom, um die Wiederkehr des Verdrängten; „Sünde“ wäre dann ein alter Name für das Symptom.]
[In Lacans „guter Logik“ geht es also u.a. um die Benennung (in traditioneller Terminologie: um den Begriff). Lacans Theorem hierzu lautet: Die Benennung ist mit der Inexistenz des natürlichen sexuellen Verhältnisses verbunden ist, was wiederum durch den Phallus symbolisiert wird. Die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses wird von ihm mit der „Sünde“ in Verbindung gebracht und auf diese Weise mit dem Sinthom.]
Modalitäten
[Lacan geht zu einem anderen Thema der Logik über, zu den Modalitäten (Modalitäten sind die Kategorien der Notwendigkeit, der Möglichkeit, der Unmöglichkeit und der Zufälligkeit). Jede Aussage kann dadurch spezifiziert werden, auf welche Weise sie wahr ist: notwendigerweise, möglicherweise, unmöglicherweise oder zufälligerweise. Lacan hatte seine psychoanalytische Rekonstruktion dieser Modi in den Seminaren 19 bis 21 ausgearbeitet.]
Das, was nicht aufhört (Notwendigkeit)
Von daher ist es eine nécessité, eine Notwendigkeit, dass die Spalte nicht aufhört und sich beständig vergrößert. [Was ist das für eine Spalte, die sich beständig vergrößert? Marc Darmon nimmt an, dass es sich um die Spalte handelt, von der Lacan im Encore-Seminar spricht, im Zusammenhang mit Achilles und der Schildkröte, um die Spalte des sexuellen Nicht-Verhältnisses. Lacan sagt dort:
„Achilles, soviel ist klar, kann die Schildkröte nur überholen, er kann sie nicht einholen. Er holt sie nicht ein, außer in der Unendlichkeit.
Darin also das Gesagte für das, was mit dem Genießen ist, als geschlechtlichem. Auf der einen Seite ist das Genießen markiert durch jenes Loch, das ihm keinen anderen Weg läßt als den des phallischen Genusses. Auf der anderen Seite, läßt sich etwas erreichen, das uns sagte, wie das, was bis jetzt nur Spalte ist, Kluft im Genuß, realisiert wäre?
(…)
Ich möchte hier den Begriff der Kompaktheit vortragen. Nichts Kompakteres als eine Spalte, wenn klar ist, daß, wenn der Schnitt von allem, was sich hier schließt, angenommen wird als existierend über eine unendliche Zahl von Mengen, daraus resultiert, daß der Schnitt diese unendliche Zahl impliziert. Das ist die Definition selbst der Kompaktheit.
Dieser Schnitt, von dem ich spreche, ist derjenige, den ich vorgebracht habe vorhin als das, was deckt, was Hindernis macht dem unterstellten Geschlechtsverhältnis.“
(Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972, Übersetzung Haas/Haas/Metzger S. 12 f.)
Dann ginge es also um die Spalte, die von der phallischen Jouissance dadurch erzeugt wird, dass sie ein Hindernis für das unterstellte sexuelle Verhältnis ist. (Vgl. M. Darmon: Introduction et commentaire de la leçon I. In: GNiPL, Groupe niçois de psychanalyse lacanienne, Groupe régional de l’Association Lacanienne Internationale (ALI): Textes des interventions au séminaire d’été 2014: étude du séminaire « Le Sinthome ». https://www.gnipl.fr/le-sinthome/)]
[Die Notwendigkeit ist ein Nichtaufhören. In Seminar 20 hatte Lacan die Notwendigkeit so rekonstruiert: „Das, was nicht aufhört, sich zu schreiben“. Mit dem Hinweis auf das Schreiben bringt Lacan den Begriff des Buchstabens ins Spiel, ein Element zwischen dem Symbolischen und der Jouissance, wie er in dem Aufsatz Lituraterre (1971) geschrieben hatte. Das, was nicht aufhört, sich zu schreiben, bezieht sich auf das Symptom: im Symptom hört etwas nicht auf, sich zu schreiben; der mit dem Symptom verbunende Wiederholungszwang besteht darin, dass unaufhörlich etwas „geschrieben“ wird.]
Das Aufhören durch die Kastration, durch das Geschriebenwerden (Möglichkeit)
Diese Notwendigkeit [also diese wiederholte Wiederkehr des Verdrängten] hält so lange an, bis die Kastration sich ereignet [die Kastration hat zur Folge, dass das hartnäckige „Geschriebenwerden“ des Verdrängten im Symptom, der Wiederholungszwang, aufhört].
Das Aufhören durch die Kastration entspricht dem, dass etwas aufhört, geschrieben zu werden, cesse de s’écrire, und das entspricht der Modalität der Möglichkeit, wie er mal gesagt hatte [so war die Möglichkeit von Lacan in Seminar 21 definiert worden]. [Das Symptom beruht auf dem unvollständigen Durchlaufen des Kastrationskomplexes und hört deshalb dann auf, wenn die Kastration akzeptiert wird. Hierbei geht es um die Möglichkeit, um das, was der Psychoanalyse möglich ist.]
Dabei hatte er vergessen, das Komma zu setzen, es muss heißen, cesse Komma de s’écrire, also nicht „aufhört geschrieben zu werden“ (cesse de s’écrire), sondern „dadurch aufhört, dass es geschrieben wird“ (cesse, de s’écrire). [Die wiederholte Wiederkehr des Verdrängten im Symptom hört dann auf, wenn in einer psychoanalytischen Kur etwas „geschrieben“ wird. Hier bringt Lacan eine zweite Form des „Schreibens“ ins Spiel.]
Der Wechsel von der Notwendigkeit [des Geschriebenwerdens] zum Aufhören des Geschriebenwerdens [zur Auflösung des Symptoms] würde durch einen Diskurs erfolgen, der nicht vom Schein wäre, wie Lacan im Titel von Seminar 18 gesagt hatte, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre. [Der Diskurs, der nicht vom Schein wäre, wäre also die zweite Form des Schreibens. Eine vollständige Reduktion des Symptoms wäre nur möglich, wenn es einen Diskurs gäbe, der die Nicht-Existenz des (natürlichen) sexuellen Verhältnisses nicht durch einen Schein kaschieren würde. Ist ein solcher Diskurs möglich? Lacan lässt das hier wie bereits in Seminar 18 offen.]
Wahrheit, Herrensignifikant, Wissen
[Als nächstes bezieht Lacan sich auf die Frage der Wahrheit und damit auf ein weiteres Thema der Logik. In der (zweiwertigen) klassischen Logik ist eine Aussage wahr oder falsch, und es geht um die formale Übertragung von Wahrheit zwischen Aussagen (formal: unabhängig vom Inhalt), etwa in Gestalt der Frage: Wenn Aussage A wahr ist, und wenn Aussage B wahr ist, kann man dann folgern, dass auch Aussage C wahr ist?]
Kann die Wahrheit [die Aufdeckung des Verdrängten und damit die Reduktion des Symptoms] zu einem Ergebnis des Savoir-faire werden [des knowing how, also der psychoanalytischen „Technik“, wie Freud sagt, des Wissens, S2] oder ist das eine Unmöglichkeit [etwas Reales]? [Lacan bringt eine dritte Modalität ins Spiel und verbindet sie mit der Frage der Wahrheit und des Wissens.] Es ist durchaus möglich, dass die Wahrheit durch ein Know-how herbeigeführt wird [durch die Psychoanalyse als Technik].
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen: Die Wahrheit kann [vom Psychoanalytiker in der Deutung] nur halbgesagt werden [er muss in Andeutungen sprechen: in Mehrdeutigkeiten und in Patienten-Zitaten].
Die Wahrheit wird sich in Herrensignifikanten verkörpern, in S1 [in Worten, die das symbolische Ichideal bilden, welches die imaginären Idealbildungen steuert und damit die Verdrängung als Ursache des Symptoms].
Und zwar dort, wo es mindestens zwei Signifikanten braucht, damit DIE Frau erscheint, die durch den Mythos zu einer Einzigartigen gemachte Frau, Eva oder Evita, da sie ja vom verbotenen Baum gegessen hat, dem der Wissenschaft. [Mindestens zwei Signifikanten, Lacans Symbol hierfür ist S2, das Wissen. Eva hat vom Baum der „Erkenntnis“ gegessen, wie es in der Bibel heißt, Lacan macht daraus den Baum der Wissenschaft. Es braucht mindestens zwei Signifikanten, nämlich die Erkenntnis, die Wissenschaft, das Wissen, S2, damit Eva erscheint.]
Eva ist die einzigartige Frau, „die je besessen wurde“ [das Wort „besitzen“ bezieht sich wohl auf die Kopulation]. [? Worauf zielt hier die Verbindung von Einzigartigkeit und sexuellem Akt?]
Evita, die mythische Eva, ist also unsterblich. [Hier dreht Lacan den Mythos um: In der biblischen Erzählung wird Eva deshalb sterblich, weil sie das Verbot übertreten und vom Baum der Erkenntnis gegessen hat.] [? Was meint hier, dass sie unsterblich ist? In welcher Beziehung steht ihre Unsterblichkeit zum Wissen?]
Evita ist genauso unsterblich wie Sokrates. [Anspielung auf den klassischen Syllogismus Alle Menschen sind sterblich / Sokrates ist ein Mensch / Also ist Sokrates sterblich.– Sokrates ist von den Logikern demnach zu Unrecht zum Musterfall des sterblichen Menschen gemacht worden. Auch Sokrates wird durch die Beziehung zum Wissen definiert, genauer: durch seine Was-ist-Fragen.]
DIE Frau ist ein anderer Gottesname. [„Die“ Frau ist für Lacan die Frau, an die man glaubt, im Gegensatz zu „einer Frau“. Dabei geht es um den Unterschied zwischen „jemandem glauben“ und „an jemanden glauben“.139 „Eine“ Frau ist diejenige, der man glaubt oder auch nicht. „Die“ Frau ist diejenige, an die man glaubt. Diejenige, an die man glaubt, ist in der Position Gottes, d.h. des mit einer Wahrheitsgarantie ausgestatteten Anderen. Die Umgangssprache weiß davon, hier heißt Die Frau als Gottesname „die Angebetete“. Psychoanalytiker sprechen vom Heilige-Hure-Komplex oder vom Madonna-Hure-Komplex.]
[Die Verbindung von Wahrheit, Herrensignifikant (S1) und Wissen (S2) ist grundlegend für sogenannten Diskursmatheme, die Lacan in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse (1969/70) entwickelt hatte; die Wahrheit ist dort der Platz unten links; S1 und S2 zirkulieren auf den vier Plätzen.]
Existiert nicht
Und genau darin existiert DIE Frau nicht [genauso wenig wie Gott].
[Ein weiteres Thema der „guten Logik“ ist die Existenz. In der klassischen Logik ist die Existenzbehauptung kein Thema (sie untersucht partikuläre und universale Aussagen und bei ihnen wird unterstellt, dass es sich zugleich um Existenzbehauptungen handelt). In der symbolischen (an der Mathematik orientierten) Logik hingegen, wie sie im 19. Jh. entwickelt wurde, wird die Existenzbehauptung zu einer eigenen Aussageform, hierauf bezieht sich der Existenzquantor, ∃, der in Lacans Formeln der Sexuierung eine Schlüsselrolle spielt.]
Das Singuläre
Aristoteles war ein gewiefter Logiker; man sieht das daran, dass er nicht wollte, dass das Singuläre [das singuläre Urteil] in seine Logik hineinspielt. [Ein singuläres Urteil ist ein Urteil über ein einzelnes Individuum, z.B. „Sokrates ist Mensch“, dieses Urteil gehört also nicht zur Logik von Aristoteles, er beschränkt sich in der Analytica priora auf allgemeine und partikuläre Aussagen (die singuläre Aussage wird in De interpretatione einmal kurz erwähnt). Eine Wissenschaft vom Einzelnen ist, Aristoteles zufolge, nicht möglich. Die klassische Sentenz hierfür lautet: Individuum ineffabile est, das Individuum ist nicht zu fassen.]
[Vermutlich bringt Lacan hier die „einzigartige“ Frau, nämlich Evita, und die singuläre Aussage zusammen.] [? Inwiefern zeigt Aristoteles seine Könnerschaft in Sachen Logik darin, dass er das singuläre Urteil ausklammert?]
Wenn Aristoteles in seiner Logik allerdings behauptet, dass Sokrates ein Mensch war, hat er sich geirrt. Sokrates akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe, also war er kein Mensch. [? Inwiefern ist deshalb kein Mensch, weil er es akzeptiert, für die Polis zu sterben?]
Nicht alle
Sokrates wollte in den Stunden vor seinem Tod nicht seine Frau sprechen hören. [Platon erzählt das im Phaidon: Xanthippe besuchte Sokrates kurz vor seiner Hinrichtung im Gefängnis und klagte über seinen bevorstehenden Tod, Sokrates ließ sie daraufhin fortbringen.]
{13} Darauf bezieht sich Lacans Verwendung des Quantors nicht alle [den er in den Formeln der Sexuierung verwendet, die er in den Seminaren 18 bis 21 und im Aufsatz L’étourdit entwickelt hatte]. Lacan hatte das nicht alle (griechisch mē pantes) in Aristoteles’ Organon entdeckt; er kann die Stelle jedoch nicht mehr finden. [Sie steht in der Ersten Analytik ganz am Anfang, Buch 1, Kapitel 1, 24 a 19; Miller weist in seiner Ausgabe darauf hin. Aristoteles sagt dort: „Allgemein nenne ich sie [die Rede], wenn etwas jedem oder keinem zukommt, partikulär, wenn es irgendeinem nicht oder nicht jedem (μὴ παντὶ, mē panti) zukommt“.] Für Aristoteles steht das nicht alle nicht im Gegensatz zur Allgemeinaussage. [Für Aristoteles bedeutet nicht alle „zumindest einige“, die Aussage „Nicht alle A sind B“ ist deshalb für ihn vereinbar mit „Alle A sind B“. Er würde also beispielsweise „Nicht alle Pilze sind essbar“ so deuten: „Zumindest einige Pilze sind essbar“; so begriffen ist diese Aussage vereinbar mit „Alle Pilze sind essbar“. In der Umgangssprache ist das anders, wenn ich hier sage „Nicht alle Pilze sind essbar“, verstehe ich das nicht alle als „nur einige“ – „Nur einige Pilze sind essbar“; damit unterstelle ich, dass einige Pilze nicht essbar sind; hier steht das nicht alle im Gegensatz zum alle.]
„Alle“ ist die Frau nur in der Wendung tout mais pas ça, „alles, nur das nicht“ / „alles, nur es nicht“. [Frauen sind nicht „alle“, sondern „nicht alle“, dies ist eine der Thesen der Formeln der Sexuierung. „Alle“ sind Frauen nur in einer bestimmten sprachlichen Wendung, nämlich in der Phrase tout mais pas ça. Im Kontext bezieht sich „alles nur das nicht“ auf die Frau von Sokrates, sie ist für Sokrates „alles, nur das nicht“ – er schickt sie weg.]
[Das freudsche Es heißt im Französischen le ça; tout mais pas ça verweist auch auf die Abwehr des Es (der Triebe) durch das Alles, durch die narzisstische Totalität: „Alles, nur nicht Es.“]
Die Wendung tout mais pas ça bekommt ihren Reiz durch die Mehrdeutigkeit des mais pas. [Das bezieht sich auf die Laut- und Schreibähnlichkeit des französichen mais pas (aber nicht) und des griechischen mē pas (nicht alle).]
Diese Äquivokation bekommt ihren Reiz durch „unsere lalangue“ [also durch das Französische]. [Festzuhalten ist, dass Lacan auch hier den Ausdruck lalangue für eine Nationalsprache verwendet, nicht etwa für die Sprache der Mutter aus der Perspektive des Säuglings.]
Dieses „alles, nur das nicht“ / „alles, nur nicht es“, das war die Position von Sokrates. [Was ist gemeint? Ich nehme an, die Position von Sokrates im Verhältnis zu Xanthippe. Die Totalität des Diskurses von Sokrates – vor allem seiner speziellen Art des Dialogs mit ihren Was-ist-Fragen – konstituiert sich durch den Ausschluss eines bestimmten mit Jouissance verbundenen Sprechens, wobei die Jouissance in diesem Falle das Leiden von Xanthippe ist.]
[Marc Darmon nimmt an, dass Sokrates an sich den Platz des mais pas ca einnimmt, wobei er den Bezug zu seiner Frau ausklammert.140 Möglicherfweise ist beides gemeint: Für Sokrates war Xanthippe des „alles nur das nicht“, für die Polis Athen war Sokrates das „alles nur das nicht“.
Das mais pas ça, „nur das nicht“ / „nur es nicht“, entspricht dem Titel des Seminars, also dem Sinthom. [Das Sinthom oder Symptom beruht auf der Abwehr des Es (des Triebs) durch das Alle (durch den Narzissmus).
[In Seminar 22 hatte Lacan erklärt: Für den Mann ist eine Frau ein Symptom (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Eine Frau ist ein Symptom des Mannes“). Das könnte heißen: In Xanthippes Jammern gibt es für Sokrates die Wiederkehr des Verdrängten und insofern ist Xanthippes Jammern das Symptom von Sokrates. Freud sagt, der „Kampf gegen die Triebregung findet seine Fortsetzung in dem Kampf gegen das Symptom“ und er nennt dies den „sekundären Abwehrkampf“141; wenn Sokrates Xanthippe wegbringen lässt, führt er einen sekundären Abwehrkampf. Aber vielleicht ist zugleich Sokrates das Symptom der Polis.]
Für das Drängen des Buchstabens [für die Wiederkehr des Verdrängten im Symptom], wie es sich im Augenblick abzeichnet, ist nichts Besseres zu erwarten. [Ich vermute: Für den Zugang zum Symptom ist nichts besseres zu erwarten als die Arbeit mit solchen Mehrdeutigkeiten wie mē pas / mais pas.] Angeblich wirkungsvollere Techniken werden höchstens eine Symptomverschiebung herbeiführen oder sogar eine Vervielfachung des Symptoms.
[Die Quantoren existiert nicht und nicht alle, auf die sich Lacan in den letzten Sätzen bezogen hatte, sind grundlegend für die sogenannten Formeln der Sexuierung.]
Joyce das Symptom
Joyces Wahl: vom SinThom-masvonaquin zur SintHome-Rule
Für das gegenwärtige Drängen des Buchstabens [für das Drängen des Buchstabens bei Joyce] gibt es das SaintThome-madaquin, das Heiliger-Thomas-von-Aquin-Symptom. [In Joyce das Symptom I (Juni 1975) hatte Lacan gesagt, dass die Schreibweise sinthome auf die Beziehung zum Heiligen verweisen soll. Mit SinThome-madaquin macht Lacan ein Wortspiel mit Saint Thomas d’Aquin (Heiliger Thomas von Aquin), saint homme (heiliger Mann) und sinthome (Saint Thom-, saint homme und sinthome sind lautgleich). Das Verhältnis von Joyce zum Heiligen Thomas ist ein Sinthom.] Joyce hat sich häufig zu Thomas von Aquin geäußert; Thomas ist [für Joyce und] für Lacan ein großer Philosoph. Allerdings kam Joyce mit Thomas von Aquin in einem Punkt nicht gut zurecht, wie Jacques Aubert gezeigt hat [in seiner 1973 erschienenen Einführung in die Ästhetik von James Joyce]: Joyce interessierte sich für die Frage des Schönen und er orientierte sich hierbei an Thomas; Thomas zufolge ist eines der Merkmale des Schönen die claritas und Joyce übersetzt das mit [radiance, also mit] „Glanz“, „Glanz des Seins“; und eben das ist bei Joyce ein schwacher Punkt [? Inwiefern ist die Übersetzung von claritas mit radiance ein Schwachpunkt von Joyce? Die Begründung findet man vermutlich in Auberts Buch.] Der Glanz des Seins, das ist nichts, was Lacan berührt, wie er über sich sagt. [Im Seminar über die Ethik der Psychoanalyse liest es sich anders. Lacan spricht hier vom éclat (Leuchten, Strahlen, Glanz) von Antigone und stützt sich dabei auf den „Glanz des Seins“, eine Formulierung von Heidegger (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Zweiter Tod“ und „Zwischen-zwei-Toden“ in Lacans Seminar über die Ethik der Psychoanalyse).]
An einem bestimmten Punkt bringt Joyce das Sinthom seiner Verehrung des Heiligen Thomas zum Einsturz und vollzieht eine Wendung. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine Abwendung von der Politik [vom Kampf um die Befreiung Irlands von englischer Herrschaft]. Tatsächlich aber ist das Sinthom, dass Joyce hervorbringt [als zweites Sinthom nach dem Sinthome-madaquin, nach dem Heiliger-Thomas-von-Aquin-Symptom], ein Sinthom, das man als SintHome-Rule oder Saint-Home-Rule bezeichnen kann, als Home-Rule-Symptom [also als ein Symptom, das mit der Home Rule verbunden ist, mit dem Streben nach irischer Selbstverwaltung innerhalb des Vereinigten Königreichs. Das neue große Thema von Joyce wird, nach der Ästhetik von Thomas von Aquin, Irland sein. Bei Joyce gibt es also eine Symptom-Verschiebung; er wechselt von Religion/Ästhetik zur Politik.] Im Freeman’s Journal [einer nationalistischen irischen Zeitung] wird die Home Rule [die Selbstvewaltung Irlands] durch eine Sonne dargestellt, die hinter der Bank von Irland aufgeht, was |{14} heißen würde, dass sie im Nordwesten aufgeht [siehe das Logo des Freeman’s Journal oben]. [Im Ulysses mokiert sich Bloom mit eben diesem Argument über das Bild.] Aber durch das Knirschen zu diesem Thema [durch Joyces scharfe Kritik am irischen Nationalismus] darf man sich nicht irreführen lassen: Joyce entwickelt ein Sinthom, das sich auf die Home Rule bezieht, und dieses Sinthom, das er zusammenbringt [ein Symptom ist, der Etymologie nach, etwas Zusammengefügtes], ist ein Sinthom, das gut läuft. [Das Irland-Thema ist für sämtliche Schriften von Joyce ab den Dubliners (geschrieben 1904–1907) bestimmend; dieses Sinthom hat für die Produktivität von Joyce und für seine psychische Stabilität eine entscheidende Bedeutung.]
Natürlich kann man das, worum es geht, auch anders bezeichnen als mit „SinThom-masvonaquin“ und „SinHome-Rule“ (bzw. SaintThom-masvonaquin“ und „SaintHome-Rule“). Die beiden Ausdrücke sollen zeigen, dass Joyce seine Kunst in zwei Richtungen verfolgen konnte [und dass beide ein Sinthom darstellten]. [Joyce stand vor einer Wahl, er konnte sein Schreiben auf Thomas von Aquin stützen und auf die Home Rule.] Beide Formen des Sinthoms betrafen ihn und deshalb nannte Lacan ihn [in seinem Kongressvortrag] Joyce das Symptom, wobei er die Schreibweise [mit dem Seminartitel zu Sinthom] verschoben hat. Joyce wählte schließlich die „Saint-Home-Rule“ [er wählte Irland, also die Politik]. Durch diese Wahl definierte er sich als Häretiker, als Ketzer, denn das griechische Wort hairesis, von dem sich „Häresie“ herleitet, meint „Wahl“. [Im Porträt des Künstlers wird Stephen Daedalus (Joyces Alter Ego) von einem Lehrer der Häresie beschuldigt, weil er geschrieben hatte, es sei unmöglich, sich Gott zu nähern; von seinem Klassenkameraden wird er daraufhin als Häretiker verprügelt.]
Joyce war „wie ich“ ein Häretiker, wie Lacan sagt [in einer ausdrücklich vollzogenen Identifizierung mit Joyce]. [Worin bestand Lacans Ketzerei? Vermutlich bezieht sich Lacan hier auf die Aberkennung der Position des Lehranalytikers, die er als „Exkommunikation“ gedeutet hatte. Überdies war er der Auffassung, dass dieser Ausschluss mit seinem geplanten Seminar über die Namen-des-Vaters zu tun hatte; es gibt hier, zumindest vom Thema her, ein Nähe zur Ketzerei von Daedalus/Joyce, dass es unmöglich sei, sich Gott zu nähern.]
[Die Charakterisierung des Künstlers durch die Wahl, die er trifft, findet sich auch bei Sartre, etwa in dessen Studie über Baudelaire, wo er den Begriff der Urwahl verwendet. Möglicherweise orientiert sich Lacan bei seiner Joyce-Deutung an Sartres Schriftstelleranalysen.]
Man muss den Weg wählen, auf dem man die Wahrheit angeht. [Das Sinthom, so erfährt man auf diese Weise indirekt, ist ein Weg, auf dem man die Wahrheit angeht, ein Weg, auf dem man einen Bezug zum Verdrängten herstellt.] Man kann die Wahl jedoch überprüfen. Wenn man die Natur des Sinthoms einmal erkannt hat, kann man es auf logische Weise angehen und dies ist das richtige Vorgehen [Lacan kommt zurück auf die „gute Logik“]. Mit den Mitteln der Logik kommt man bis an das Reale. [Der logische Umgang mit dem Sinthom steht im Gegensatz zur Sinndeutung, zur Aufdeckung der verborgenen Wahrheit. Das Reale ist das logisch Unmögliche; einen Zugang zum Realen – und damit zur Beziehung des Sinthoms zur Jouissance – hat man deshalb auf dem Weg über eine Logik der Inkonsistenz, der Unentscheidbarkeit, der Unvollständigkeit, der Unbeweisbarkeit.] [? Was heißt, „das Sinthom auf logische Weise angehen“?] [? Welches Verhältnis zwischen Wahrheit und Realem wird hier angedeutet?]
Danach hat man dann keinen Durst mehr. [? Was ist damit gemeint?]
Joyces Vater: faul, fanatisch, versoffen
Joyce traf seine Wahl blind, denn er begann unter den schlechtesten Voraussetzungen. Dazu gehörte, dass er in [dem armen und unter englischer Herrschaft stehenden] Dublin geboren wurde und dass er einen Vater hatte, der, ja was war? Hier gibt es ein Transkriptionsproblem. Der fénian oder feignant oder faitnéant war, was alles gleich ausgesprochen wird. Der Vater war fénian: ein Anhänger der Fenier, ein irischer Nationalist. Der Vater war feignant: faul bzw. er war fainéant, was ebenfalls „faul“ heißt. [? Was ist gemeint: faul oder Fenier oder beides?] Dieser Vater war außerdem versoffen.
[Mit seinen Symptomen, so wird angedeutet, antwortete Joyce auf ein Problem in der Beziehung zum Vater.]
Joyces Kunst: ein Ersatz für seinen „schlappen Schwanz“
So stellt sich das für alle dar, wenn man Sohn von zwei Familien ist. [? Was meint „Sohn zweier Familien sein“? Bezieht sich das auf die Familie väterlicherseits und die Familie mütterlicherseits? Falls ja, warum bezieht sich Lacan hier darauf?]
So stellt sich das für alle dar, wenn man davon überzeugt ist, deshalb, weil man ein kleines Stück Schwanz hat, ein männliches Wesen zu sein. [Alle biologisch männlichen Wesen werden deshalb als „männlich“ klassifiziert, weil sie einen Penis haben, und die Kinder übernehmen das; Joyce ist hier keine Ausnahme.]
Natürlich braucht man mehr [der Penis dient nicht nur zur Klassifikation männlich/weiblich, er steht auch in Beziehung zur sexuellen Lust und zur Herstellung einer Beziehung zu einem Sexualpartner].
Joyce hatte einen „schlappen Schwanz“. [Damit wird, wenn ich es recht verstehe, Joyce nicht eine erektile Dysfunktion zugeschrieben. Der Satz bezieht sich vielmehr darauf, nehme ich an, dass es in der sexuellen Beziehung zwischen den Geschlechtern immer Schwierigkeiten gibt (dass es kein natürliches sexuelles Verhältnis gibt), und der „schlappe Schwanz“ ist ein Symbol dafür.]
Seine Kunst leistete hierfür Ersatz, und so ist das immer. [Das könnte heißen: Die Sublimierung ist letztlich immer eine Antwort darauf, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt.]
Der Phallus ist eben dies: |{15} eine Montage aus dem männlichen Organ und der Funktion des Sprechens. [Im Falle von Joyce besteht die Funktion des Sprechens im Kontext in seiner Kunst, im Schreiben.] Das männliche Organ ist eine Art Parasit [es ist Ort einer Jouissance, die der sonstigen körperlichen Jouissance äußerlich ist]. [? Wie ist in der Beziehung zwischen dem Penis und der Sprache der Phallus zu verorten?]
Abgesehen davon war Joyce ein pauvre hère – ein armer Schlucker –, ja, ein armer Häretiker. [Inwiefern war Joyce ein pauvre hère? Wegen seiner Beziehung zum (fanatischen, faulen, versoffenen) Vater? Weil er einen „schlappen Schwanz“ hatte?]
Joycianer, die seine Häresie genießen, gibt es nur an der Universität [dies ist also eine Jouissance im Rahmen des Universitätsdiskurses]. Joyce wollte, dass die Universitätsmenschen sich an ihm abarbeiten, und das Verblüffende ist, dass ihm das gelungen ist und dass das noch anhalten wird. [Das ist eine Bemerkung, die sich auch an Jacques Aubert richtet, der im Hörsaal sitzt.]
Diskurs der Universität
[Damit wird die Frage aufgeworfen, welche Rolle Joyce im Universitätsdiskurs spielt, was hier also den Termen S2 (oben links), a (oben rechts), $ (unten rechts) und S1 (unten links) entspricht.]
[Miller deutet die Stelle so, dass die Universitätsleute Joyce deuten, dass Lacan im Verhältnis zu Joyce die Aufgabe der Psychoanalyse nicht im Deuten sieht, sie könne bei Joyce einzig den Bezug zum Genießen erfassen. Allerdings gelte dies nur für Finnegans Wake.142]
Joyce: ein Herr / ein armer Schlucker
Joyce war ein Herr* (Lacan verwendet an dieser Stelle das deutsche Wort), ein pauvre hère, ein armer Schlucker [das französische Wort hère geht möglicherweise (spottend) auf das deutsche Wort Herr zurück].
[Lacan deutet hier an, dass sich der Fall Joyce vom Konzept des Herrendiskurses aus begreifen lässt, wie Lacans es in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, entwickelt hatte. Später in dieser Sitzung wird er auf den Herrendiskurs ausdrücklich zurückkommen.]
Diskurs des Herrn
[S1: Herrensignifikant
S2: Wissen
a: Objekt a
$: gespaltenes/versperrtes Subjekt]
[Dieser Herr* ist ein pauvre hère. Der Platz oben links ist der Platz des Scheins, die Wahrheit des Herrn ist das versperrte Subjekt, auf das sich hier wohl auf die Rede vom pauvre hère und vom schlappen Schwanz bezieht.]
Dieser Herr hat sich als Held begriffen, wie der Titel seines ersten [autobiographischen] Romans ausweist: Stephen Hero, Stephen der Held. [Joyce war u.a. insofern ein Herr, als er sich als Held begriff. In der Formel des Herrendiskurses kann man im Falle von Joyce oben links (Platz des Scheins) für S1 also vielleicht „Held“ einsetzen und unten links (Platz der Wahrheit) für $ „schlapper Schwanz“.]
Diskurs des Herrn: Joyce
Sein zweiter [ebenfalls autobiographischer] Roman, der auf Stephen der Held aufbaut, heißt Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Lacan empfiehlt hierzu die Lektüre der von Chester G. Anderson herausgegebenen Edition von A portrait of the artist, |{16} darin vor allem die Beiträge von Maurice Beebe und Hugh Kenner. Das sind alles Universitätsleute, und die Universität ist der richtige Ort für sie, denn sie verleiht ihnen akademische Grade.
[In Seminar 17 (Die Kehrseite der Psychoanalyse) hatte Lacan erläutert, dass im Universitätsdiskurs das Symbol S1 unter anderem für „Abschlüsse und Grade“ steht. Man könnte die Joycianer im Universitätsdiskurs demnach so verorten:]
Diskurs der Universität: Joycianer
Im Titel Ein Porträt des Künstlers als junger Mann ist das Wort „des“ zu betonen; Joyce ist, in seiner eigenen Sicht, „der“ einzigartige Künstler. [Einzigartig: wie Evita.]
[Das könnte man so schreiben:]
Diskurs des Herrn: Joyce
In dieser Funktion, als „der“ Künstler, wird Joyce legitime Nacheiferer finden. [Genau insofern, als Joyce sich als einzigartig begreift, wird er paradoxerweise Nachahmer finden.]
A portrait of the artist as a young man – in diesem Titel muss man nicht nur das „the“ hervorheben, sondern auch das „as“. Im Französischen heißt „as“ comme, „als“, und von comme ist es nicht weit zu comment, „wie“. Comment beruht auf der Verbindung von comme und ment, comme-ment; das ment kann man auch mit „lügt“ übersetzen, was dann heißt: das „als“ bzw. das „wie“ hat etwas Lügnerisches. Beim Deuten muss man auf das Lügnerische des comment, des „wie“, achtgeben.
Das Französische ist, was das comme betrifft – also das „wie“ –, aufschlussreich. Wenn ein Ausdruck als Adverb verwendet wird, hängt man hier -ment an, man sagt also comment, so wie man réellement sagt, real, auf reale Weise, oder héroiquement, heroisch, auf heroische Weise, oder mentalement. mental, auf mentale Weise. Nun bedeutet ment aber auch „lügt“. [Das Heroische ist eine Lüge.] Comment gibt also einen Hinweis darauf, dass man mit dem „wie“ lügt: comme-ment. [Lacan ist offenbar wieder beim faute, beim Zusammenhang von Sprechen und Verfehlung.] Jedes Adverb verweist auf eine Lüge. Wenn Psychoanalytiker interpretieren, müssen sie darauf achtgeben. [? Was heißt das konkret?]
[In den Diskursformeln heißt der Platz oben links ab Seminar 18 Platz des Scheins. Wenn man héroique-ment in die Diskursformeln übersetzt, erhält man: Der Heros ist am Platz des Scheins.]
Gegen das Symptom gibt es nur eine Waffe: die Mehrdeutigkeit
[Lacan kommt indirekt auf seine Frage zurück, ob die Wahrheit (und damit die Reduktion des Symptoms) zu einem Produkt des Savoir-faire werden kann.]
Das Wort „Zunge“ bezeichnet sowohl das Werkzeug des Sprechens als auch den Sitz der Geschmackspapillen. Lacan macht hierzu ein unübersetzbares Wortspiel: Ce qu’on dit ment / ce condiment: Was man sagt, lügt / dieses Gewürz.
[Warum diese Wortspiele?] Letztlich hat man gegen das Symptom nur eine Waffe: die Äquivokation, die Mehrdeutigkeit. Wenn Analytiker bei ihm in einer Kontrollanalyse sind, versucht er, ihnen eben dies beizubringen – allerdings erst in einer zweiten Phase. Anfangs gibt er ihnen immer recht, und wie die Nashörner [von Ionesco] haben Sie tatsächlich immer recht / immer einen Grund [raison; sie gehen rationalistisch vor, sie bleiben in der Ordnung des Sinns]. Sie müssen lernen, mit der Äquivokation zu spielen, um das Sinthom zu reduzieren – die Deutung wirkt einzig und allein durch die Mehrdeutigkeit. [Dies ist ein Aspekt das „Halbsagens“ der Wahrheit, von dem Lacan in dieser Sitzung bereits gesprochen hatte.] Es muss im Signifikanten etwas geben, das Resonanz gibt [résonance statt raison].
Resonanz der Stimme als Objekt a
Den englischen Philosophen [? wer ist gemeint?] scheint das nicht aufgefallen zu sein. Sie sind davon überzeugt, dass das Sprechen keine Wirkungen hat. Sie irren sich. Sie nehmen zwar an, dass es Triebe gibt und sie machen auch nicht den Fehler, Trieb mit „instinct“ zu übersetzen. Sie begreifen jedoch nicht, dass die Triebe ein Echo im Körper sind, ein Echo der Tatsache, dass es ein Sagen gibt. [Sie begreifen nicht, dass die Triebe durch das Sagen strukturiert sind. Im Graphen des Begehrens steht hierfür in der Formel für den Trieb ($◊D) das große D, für den Anspruch (demande).]
Die Tatsache der Empfänglichkeit des Körpers für das Sagen
Dafür, dass das Sagen Resonanz erzeugt, dass es Konsonanz gibt – um einen weiteren Begriff des Heiligen Thomas zu verwenden –, dafür muss der Körper empfänglich sein. [Consonantia, Zusammenklang, ist für Thomas eines der drei Merkmale des Schönen.] Und dass der Körper für das Sagen empfänglich ist [dass durch das Sprechen die Erregungsabläufe verändert werden können], ist eine Tatsache. [Lacan wird den Begriff der Tatsache in dieser Sitzung noch stärker betonen; möglicherweise ist dies für ihn die Tatsache schlechthin: dass der Körper für das Sagen empfänglich ist.]
Das, was im Körper [auf das Sagen] antwortet, ist die Stimme [die Stimme im Sinne des Objekts a, wie Lacan es definiert hat, als ein Bündel von Erregungen, die einen Fremdkörper bilden, eine Art Erinnerung an eine auf immer verlorene Jouissance]. Die Stimme antwortet deshalb, weil die wichtigste Körperöffnung das Ohr ist; das Ohr ist deshalb so wichtig, weil es, anders als der Mund, nicht verschlossen werden kann.
[Lacan betont hier, wo es um das Symptom oder Sinthom von Joyce geht, die Stimme als Objekt a. Möglicherweise will er damit andeuten, dass für Joyce die Stimme das entscheidende Objekt a ist. In diese Richtungen gehen die späteren Bemerkungen über das Symptom der aufgezwungenen Worte (Sitzung vom 17. Februar 1976).]
Konkurrenz des Blicks, Beziehung zum Körperbild
Ärgerlich ist, dass es etwas gibt, was der Stimme Konkurrenz macht: der Blick als Objekt a. [Die Objekte a stehen in Verbindung miteinander, und eine dieser Verbindungen ist die Konkurrenz zwischen Stimme und Blick. Der Blick stört die Wirksamkeit des Sprechens. Man denke an das psychoanalytische Setting: Die Analytikerin sitzt hinter dem Analysanten, um die Wirksamkeit des Blicks zu schwächen und die der Stimme zu stärken.]
[Vom Blick als Objekt a geht Lacan über zum Körperbild, also zum Imaginären, zum Narzissmus, zum Ideal-Ich i(a), zu dem, was den Zugang zum Unbewussten versperrt; er bleibt damit im visuellen Feld. In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, hatte Lacan die Beziehung zwischen dem Blick und dem Schirm entwickelt: auf den gefräßigen Blick antwortet das Subjekt mit einem Schirm, so dass im Tableau sein Mangel nicht gesehen wird.]
„More geometrico“ [auf geometrische Weise: dies ist ein Zugang zur Ordnung des Visuellen, des „skopischen Feldes“, wie Lacan auch sagt.]
Das Individuum präsentiert sich als Körper. [Unter „Körper“ versteht Lacan meist das Körperbild, so auch hier. Das Körperbild ist grundlegend für die Ordnung des Imaginären. Zu ergänzen ist im Kontext: Es präsentiert sich dem bedrohlichen Blick als Körper.]
Es präsentiert sich als Körper aufgrund der Form, die Platon so teuer ist. [Platons Idee (griechisch eidos) heißt im Lateinischen forma. Ein passender deutscher Begriff ist hier Gestalt. Das Körperbild funktioniert als Gestalt, als geschlossene Figur, die sich von einem Hintergrund abhebt. Die Orientierung am Körperbild ist, Lacan zufolge, auch die Grundlage der traditionellen, also der euklidischen Geometrie, weshalb er sich um den Wechsel zur Topologie bemüht, welche die Bindung an das Körperbild (letztlich an die Sphäre) zurückdrängt.]
Der Körper hat eine fesselnde Kraft, sodass unter diesem Gesichtspunkt die Blinden ein wenig zu beneiden sind. [Der Zugang zum Unbewussten ist, Lacan zufolge, nur möglich, wenn man die Fesselung durch das Körperbild (durch den Narzissmus) schwächt.] |{18}Wenn man Braille liest, kann man nicht Euklid lesen [Brailleschrift besteht aus Punkten, nicht aus Kreisen, Dreiecken, Rechtecken, nicht aus geschlossenen Linien].
Der Körper liefert nur den Sack, die Blase [topologisch: die Sphäre (die Kugeloberfläche)]. Das ist erstaunlich [vielleicht: es ist erstaunlich, dass sich der Narzissmus letztlich auf die Bindung an den Körpersack reduzieren lässt].
Die Form bläht sich auf [es gibt hier eine Dynamik des Wachstums, der Narzissmus strebt danach, immer mehr zu erfassen].
Beim Zwangsneurotiker ist die Bindung an den sich aufblähenden Körpersack besonders ausgeprägt. Er will sich aufblasen wie der Frosch [in der Fabel von Lafontaine], der so groß sein wollte wie ein Ochse, und man weiß, wie das ausging. [Der Frosch platzte; die narzisstische Wachstumsdynamik führt in eine Krise des Narzissmus, und diese Krise führt einen Zwangsneurotiker bisweilen zum Psychoanalytiker. Wenn der Zwangsneurotiker sich aufblasen will, geht es um den Schirm, der dem gefährlichen Blick dargeboten wird.]
Es ist sehr schwierig, den Zwangsneurotiker der Fesselung durch den Blick zu entreißen.
Null bis Drei
≈ 0/1-Ambiguität
[Seminarthema ist die borromäische Verkettung von vier statt wie bisher von drei Elementen, es geht also darum, den Übergang zu vollziehen von der Drei zur Vier. Im ersten Schritt versucht Lacan nun, ausgehend von der leeren Menge – vom leeren Sack –, die Zahlen von Null bis Drei zu rekonstruieren, wobei er zwischen Mengenlehre und Zahlentheorie hin und her wechselt.]
In der Mengenlehre wird die Menge durch einen Sack veranschaulicht, durch einen Sack imaginiert. [Die Menge wird durch ein Paar geschweifter Klammern notiert, {}; veranschaulicht wird sie gewöhnlich durch eine kreisartige Umrisslinie, dreidimensional aufgefasst ist das ein Sack. Der Sack wiederum beruht, Lacan zufolge, auf dem Körperbild, auf dem menschlichen Körper, sofern er auf seine Oberfläche reduziert wird. Also kann man sagen: Die Menge stützt sich auf das Körperbild. Die Mengenlehre, die der Mathematik heute meist als Grundlage dient, hat einen imaginären Aspekt.]
Der Sack, die leere Menge, kann durch die Ambiguität von 0 und 1 konnotiert werden; die Ambiguität von 0 und 1 ist die einzige Stütze, die dem angemessen ist, woran die leere Menge angrenzt. [Lacan stellt hier eine Beziehung zwischen Mengen und Zahlen her. Der leere Sack entspricht der leeren Menge und damit konnotiert er die Zahl 0. Er hat die Funktion, Elemente zusammenzufassen, und diese Funktion kann durch die Zahl 1 konnotiert werden. Der leeren Menge entspricht also in der Welt der Zahlen zugleich die 0 und die 1. Die leere Menge grenzt an die 0/1-Ambiguität jedoch nur an, Mengen sind nicht automatisch mit Zahlen gleichzusetzen.]
Hierfür muss die Beweisführung so aufgefasst werden, dass sie das in ihr enthaltene Imaginäre beweist. [Jeder Beweis stützt sich auf etwas Imaginäres, er ist nicht nur diskursiv, sondern auch anschaulich, intuitiv, und dieses Imaginäre zeigt sich in der Beweisführung.]
S1, S2, $
[In welcher Verbindung steht dieser Hinweis zur Psychoanalyse? Um diese Frage zu beantworten, bezieht Lacan sich nun auf die von ihm entwickelten Symbole S1 und S2. Ab Seminar 17 wird S1 als „Herrensignifikant“ bezeichnet, Nachfolger des Begriffs „Ichideal“; ab Seminar 16 ist S2 das Symbol für „Wissen“, im Sinne von: die von Freud entdeckte Form des Wissens, nämlich das Unbewusste.143]
Lacans Symbol S1, zu lesen als „S Index 1“, [der Herrensignifikant] bezieht sich auf den Sack, insofern er auch leer sein kann, aber zugleich eins ist. Damit ist nicht gemeint, dass das Symbol S1 die Eins ist. sondern dass sich das Symbol S1 auf die Eins bezieht; aus diesem Grunde ist die Eins hier die Indexzahl. [Wenn man „sich beziehen auf“ durch einen Pfeil symbolisiert, könnte man schreiben: S1 → {}/1-Ambiguität.]
Der leere Sack als Eins [also in der Funktion des Zusammenfassens] kann durch die Kategorien der Ex-sistenz und der Konsistenz näher bestimmt werden [also durch Begriffe, mit denen Lacan in Seminar 22 die borromäische Verkettung beschrieben hatte]. [In den Seminaren 21 und 22 hatte Lacan die einzelnen Ringe sowie die borromäische Verkettung durch drei Merkmale charakterisiert: Konsistenz, Ex-sistenz und Loch, die Konsistenz hatte er dem Imaginären zugeordnet, die Ex-sistenz dem Realen und das Loch dem Symbolischen.]
[Der Sack ist dem, was in ihm enthalten ist, äußerlich, das ist seine Ex-sistenz.] Die Konsistenz besteht im Zusammenhalten, der Körper hat Konsistenz, insofern er Haut (peau) ist (in sich zusammenhält) / insofern er Topf (pot) ist (das in ihm Enthaltene zusammenhält).
Man muss diese Ex-sistenz und diese Konsistenz für real halten, denn das Reale besteht darin, sie zusammenzuhalten. [Möglicherweise ist gemeint: Man muss diese Verbindung von Ex-sistenz und Konsistenz für real halten, da das Reale die Ex-sistenz und die Konsistenz zusammenhält.]
Hierauf verweist der deutsche Ausdruck „Begriff“. [Begriff“ kommt von „Greifen“, bezieht sich also etymologisch auf das Greifen der Hand und damit auf das „Zusammen-Fassen“. Vermutlich spielt Lacan hier darauf an, dass Cantor die Menge ursprünglich als „Inbegriff“ bezeichnet hatte.]
Es gibt hier eine Homogenität des Imaginären und des Realen. [? Welche Homogenität des Imaginären und des Realen ist gemeint?]
Die Homogenität des Imaginären und des Realen ist verbunden mit dem Faktum der Zahl, insofern sie binär ist, 0 oder 1. [Lacan wechselt hier definitiv von der Menge zur Zahl.]
Der Übergang zur 2 wird dadurch möglich, dass man [die Ambiguität von 0 und 1 aufgibt und] festlegt, dass 0 ungleich 1 ist, dass die 0 sich ihrem Wesen nach auf die 1 als auf etwas bezieht, das ihr äußerlich ist, das ihr „ex-sistiert“ [und umgekehrt]. [Von hier aus kann dann die 2 als der Nachfolger der 1 aufgefasst werden.]
Außerdem legt man fest, dass es zwischen 0 und 1 keine Konsistenz gibt. [Das könnte sich auf Zahlen und Mengen zugleich beziehen: Die 0 (bzw. die leere Menge, ) und die 1 (bzw. die Funktion des Zusammenhaltens) halten nicht von sich aus zusammen, sie benötigten, als Nullemnge und Zusammenhaltfunmton aufgefasst die Menge, (dargestellt durch die geschweiften Klammern) als das sie Zusammenhaltende: {/} (so deutet Miller in seiner Seminar-Ausgabe diesen Satz).]
Auf diese Weise geht Cantors Theorie vom Paar aus [vom geordneten Paar, nämlich von den Teilmengen {a} und {a, b}]. Jedoch stellt sich zwischen der ersten Menge [also {a}] und der anderen Menge [also {a, b}] die Verbindung nicht [von selbst] her. Damit beide zusammen eine Menge bilden, muss etwas Drittes hinzukommen, nämlich die [sie zusammenfassende] Menge [die in der Mengenlehre durch das Symbol der geschweiften Klammer dargestellt wird: {}, zusammen ergibt das {{a}, {a, b}} als Schreibung für das geordnete Paar.] [Die Drei wird hier also dadurch eingeführt, dass die Mengen gezählt werden, im geordneten Paar gibt es drei Mengen, zwei Teilmengen und eine Gesamtmenge.]
Insofern setzt das Symbol, nämlich S2, auf das Imaginäre eins drauf. [? Inwiefern setzt das Symbol auf das Imaginäre eins drauf?]
Das Symbol S2, zu lesen als S Index 2, verweist [mit der 2] darauf, dass es ein Paar ist. [S2 steht seit in Seminar 16, Von einem Anderen zum anderen, für ein Signifikantenpaar; die Paarbeziehung, etwa die der Rivalität, hat für Lacan imaginären Charakter. S2 steht aber auch für mindestens zwei Signifikanten.]
Mit diesem Hinweis auf das Signifikantenpaar führt S2 in das Subjekt die Spaltung ein [Lacans Symbol hierfür ist $]. Sie wird in das Subjekt dadurch eingeführt, dass das, was hier ausgesagt wird, vom Aussagen abhängig bleibt. [Die Spaltung des Subjekts besteht in der Spaltung zwischen dem Ausgesagten (énoncé) und dem Aussagen (énonciation). Das Ausgesagte ist der Sinn eines Satzes; das Aussagen ist das unbewusste Sprechen, wie es beispielsweise in einem Versprecher wirksam ist. Zwischen diesen beiden Seiten gibt es eine Abhängigkeitsbeziehung: das Ausgesagte ist vom Aussagen abhängig.]
Genauer: Das, was ausgesagt wird, bleibt vom Rätsel des Aussagens abhängig. [Das Aussagen fungiert hier als Rätsel. Lacans Formel für das Verhältnis zwischen dem Ausgesagten und dem Rätsel des Aussagens lautet: „Er sagt mir das, aber was will er?“144 Das Rätsel des Aussagens ist das Rätsel des Begehrens des Anderen.]
Noch genauer: Die Spaltung wird eingeführt durch das Faktum des Ausgesagten, das vom Faktum des Rätsels des Aussagens abhängig bleibt.
[Etwas früher in dieser Sitzung sprach Lacan von der „Tatsache“ des Sagens.] [? Besteht die Tatsache des Sagens darin, dass die Tatsache des Ausgesagten von der Tatsache des Rätsels des Aussagens abhängig bleibt?]
Es geht hier um ein in sich geschlossenes Faktum, |{19} um le fait du fait, um das Faktum des Faktums. Gesprochen wird das [lə fɛt dy fɛ] oder [lə fɛ dy fɛt] [und [lə fɛt] kann als le faîte aufgefasst werden, „der Gipfel“; das ergibt dann „der Gipfel der Tatsache“ oder „die Tatsache des Gipfels“]. [? Worauf will Lacan mit dem Faktum des Verhältnisses von Aussage und Aussagen hinaus? In welchem Sinne geht es hier um den „Gipfel“ eines Faktums?]
Für das Aussagen ist charakteristisch, dass die Signifikanten mehrdeutig sind [wie etwa das Wort fɛt, das zugleich als fait, „Tatsache“ und als faîte, „Gipfel“ verstanden werden kann]. [Die Signifikanten des Aussagens sind mehrdeutig: „überdeterminiert“, sagt Freud. Sie stehen in Äquivalenzbeziehungen, mit Freud: es gibt hier „symbolische Gleichungen“145.]
Der Äquivokationen und Äquivalente sind eine Grenze für Gesagte [eine Grenze für das Ausgesagte]. [Der Versuch, das Sprechen durch den Sinn zu beherrschen, stößt hier auf eine Grenze.]
Symbol: 1, 2, 3
Bekanntlich wird der Begriff des Symbols auf das symbolon zurückgeführt, ein Erkennungszeichen, das aus einem zerbrochenen Stück besteht. Dies haben die Menschen zu aller Zeit gesehen. [Das entspricht wohl der Eins.]
Das symbolon bringt aber auch die Einheit und die Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich. [Die beiden Bruchstücke können als Signifikant und Signifikat aufgefasst werden. Ihre Einheit zeigt sich darin, dass sie zusammenpassen, ihre Reziprozität besteht darin, dass jedes der beiden Teile als ein Signifikant aufgefasst werden kann, für den das andere Teil das Signifikat ist.] Dies ist nie gesehen worden. [Damit sind wir offenbar bei der Zwei.]
Daraus ergibt sich, dass das ursprüngliche Signifikat nichts bedeutet. [Das Signifikat ist nichts Ursprüngliches, sondern ein Effekt; am Anfang steht die Signifikantenbeziehung.]
Das ursprüngliche Signifikat ist vielmehr Zeichen der Arbitrage – der Schlichtung, des Schiedsspruchs – zwischen zwei Signifikanten. [Der Schiedsspruch entspricht der Drei.]
[Das Signifikat ist der Effekt der Beziehung zwischen zwei Signifikanten. Hierbei kommt ein weiteres Element ins Spiel, die Schlichtung; sie regelt, welcher Signifikant als Signifikat fungiert. Bei der Rekonstruktion des Signifikatseffekts muss man also, neben dem Signifikantenpaar, ein drittes Element ins Spiel bringen, eine Art Schlichterspruch.] Das ursprüngliche Signifikat ist jedoch keineswegs Zeichen des Arbiträren – der Willkür – in der Beziehung zwischen ihnen [Saussures Konzept der Arbitrarität der Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat ist nicht haltbar]. [Im Beispiel könnte gemeint sein: Die beiden Bruchstücke müssen durchaus zusammenpassen.]
[Woher aber gibt es diesen Schiedsrichter zwischen den beiden Signifikanten?] Diesen Schiedsrichter – auf Englisch: diesen umpire – gibt es ausgehend vom (frz.) empire über den Körper, vom Imperium über den Körper [also ausgehend von der Körperbeherrschung]. [Hier kommt das Imaginäre ins Spiel.] Alles trägt die Markierung der Körperbeherrschung, angefangen mit dem Ordal [mit dem Gottesurteil]. [Eine der Formen des Schiedsspruchs ist demnach das Gottesurteil. Bei einem Gottesurteil wird der Angeklagte gezwungen, über glühende Kohlen zu laufen oder er wird ins Wasser geworfen, und das Urteil wird davon abhängig gemacht, wie er das bewältigt.]
Hier bestätigt sich die Ablösung der 1 von der 2. [Vielleicht: Das Zerbrechen der Scherbe entspricht der Stabilisierung der Null/Eins-Opposition.]
[Wodurch wird nun die 3 gebildet?] Die 3 entsteht durch imaginäres Aufhetzen [also durch das Aufhetzen der beiden Akteure einer Rivalitätsbeziehung]. [Lacan wechselt jetzt den Typ des sozialen Dreierverhältnisses: von der Schiedsrichterbeziehung zur Aufhetzerbeziehung.] Bei diesem Aufhetzen gibt es einen Willen [den des Aufhetzers, S1], und dieser Wille drängt den einen der beiden [der beiden Signifikanten von S2] dazu, den anderen zu belästigen [soweit entspricht das dem Anfeuern einer Mannschaft bei einem Fußballspiel], jedoch ohne an einen der beiden gebunden zu sein [der Aufhetzer ist in Lacans Illustration also keineswegs ein Fan, sondern ein Neutraler, der sich mit dem Aufhetzen der einen Seite nicht zugleich an sie bindet]. [? Warum skizziert Lacan hier soziologische Modelle für die Dreier-Beziehung zwischen S1 und S2?]
[Die beiden soziologischen Miniaturen von Lacan erinnern an Georg Simmels Über die quantitative Bestimmtheit der Gruppe (ein Kapitel von Simmels Soziologie von 1908). Simmels Beispiele für die Dreiergruppe sind (1) Der Unparteiische und der Vermittler, (2) Der tertius gaudens (Der lachende Dritte), (3) Divide et impera (Teile und herrsche). Simmel: „Die Zwei stellte, wie die erste Synthese und Vereinheitlichung, so auch die erste Scheidung und Antithese dar; das Auftreten des Dritten bedeutet Übergang, Versöhnung, Verlassen des absoluten Gegensatzes – freilich gelegentlich auch die Stiftung eines solchen.“146 – Lacans Bemerkung über das Aufhetzen beschreibt die Stiftung eines Gegensatzes.]
Die borromäische Verkettung von vier Elementen
Die borromäische Dreierverkettung ist nicht die Norm
[Ausgehend von der Null, der Eins und der Zwei ist Lacan bei der Drei angelangt. Von der Drei kann er nun zur Vier übergehen: von der borromäischen Verkettung von drei Elementen, die er in den vorangegangenen Seminaren 21 und 22 vorwiegend behandelt hatte, zur borromäischen Verkettung von vier Elementen und damit zum Thema des aktuellen Seminars: zur Topologie des Sinthoms.]
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)3
Der borromäische Knoten [oder besser die borromäische Verkettung] ist eine Verschlingung von drei Ringen, derart dass, wenn ein beliebiger Ring geöffnet wird, die beiden anderen auseinanderfallen. In einer [nicht-borromäischen] Verkettung [von drei Elementen, die direkt ineinandergreifen] wird das durch den mittleren Ring realisiert [also durch einen bestimmten Ring, nicht durch jeden beliebigen]. Die zuerst erwähnte Art von Verkettung hat man im Wappen der Borromeo-Familie gefunden, daher der Name [„borromäische Ringe“, was die übliche Bezeichnung ist bzw., wie Lacan bisher meist gesagt sagt hat] „borromäischer Knoten“. Niemand hat jedoch zunächst die Konsequenzen daraus gezogen [erst die mathematische Knotentheorie, ein Zweig der mathematischen Topologie, hat sich für diese Gebilde eingehender interessiert].
Wappen der Familie Borromeo
Ausschnitt aus dem Borromeo-Wappen
[Zur Terminologie:
– Knotentheoretiker bezeichnen die einzelnen Ringe als „Knoten“ – genauer als „Unknoten“ oder „triviale Knoten“, da sie keine Selbstverschlingung haben.
– „Knoten“ sind für Topologen immer geschlossene Gebilde; ein Faden mit einem Knoten im Sinne der Umgangssprache und zwei offenen Enden ist für einen Knotentheoretiker kein Knoten.
– Die Verbindung zwischen den Elementen heißt in der Terminologie der Knotentheoretiker „Verkettung“, „Verschlingung“ oder „Link“. Die borromäischen Ringe sind für sie also eine Verkettung (eine Verschlingung, ein Link) von drei trivialen Knoten (von drei Unknoten).
– Statt von „borromäischer“ Verkettung spricht man in der Knotentheorie von einer „Verkettung mit Brunn’scher Eigenschaft“, wobei die Brunn’sche Eigenschaft eben darin besteht, dass, wenn man ein beliebiges Element auftrennt, die übrigen Elemente auseinanderfallen. Das, was Lacan „borromäischer Dreierknoten“ nennt, ist für die Topologen also eine Verkettung (eine Verschlingung, ein Link) von drei trivialen Knoten (von drei Unknoten), wobei die Verkettung die Brunn’sche Eigenschaft hat.]
[Eine borromäische Verkettung kann aus beliebig vielen Komponenten bestehen, das Borromäische daran (bzw. die Brunn’sche Eigenschaft daran) ist, dass immer gilt: wenn ein beliebiges Element geöffnet wird, fallen die übrigen auseinander. In diesem Seminar geht es Lacan vor allem um die borromäische Verkettung von vier Komponenten.]
[Lacan wird sich im Verlauf dieses Seminars nicht nur auf die die borromäische Verkettung von Elementen ohne Selbstverschlingung beziehen (von Ringen, trivialen Knoten, Unknoten), sondern auch auf die die borromäische Verkettung von Elementen mit Selbstverschlingung. Dabei interessiert ihn vor allem die einfachste Form des Knotens mit Selbstverschlingung, „Kleeblattknoten“ oder „Dreierknoten“ geheißen. Eine borromäische Verkettung kann auch aus Kleeblattknoten bestehen.]
Hopf-Verkettung
[Die übliche Art der Verkettung, bei der Ringe direkt ineinandergreifen, also wie bei einer handelsüblichen Gliederkette, heißt in der Sprache der Topologen „Hopf-Verkettung“ (oder „Hopf-Verschlingung“, „Hopf-Link“). Die von Lacan erwähnte Dreierkette, bei der zwei Elemente sich voneinander lösen, wenn man das mittlere auftrennt, ist eine „Hopf-Verschlingung“ von drei Elementen.]
Borromäische Ringe mit Zuordnung zum Realen (R), Symbolischen (S) und Imaginären (I)112
Es ist ein Irrtum, anzunehmen, dies [die borromäische Verkettung von drei Komponenten] sei die Norm für das Zusammenwirken von drei Funktionen [die drei Funktionen wirken häufig nur durch das Eingreifen einer weiteren Funktion zusammen]; diese Bemerkung bezieht sich auf die drei Funktionen, die es in ihrem Zusammenwirken |{20} nur beim Menschen gibt [also auf das Reale, das Symbolische und das Imaginäre]. Genauer: Das Zusammenspiel dieser drei Funktionen [nämlich des Realen, des Symbolischen und des Imaginären] gibt es nur bei den Wesen, die sich aufgrund dieses Zusammenwirkens von drei Funktionen für Menschen halten [die These lautet also: Wenn ich mich als Mensch auffasse, begreife ich mich damit zwangsläufig als Wesen, bei dem das Reale, das Symbolische und das Imaginäre ineinandergreifen].
Das vierte Element ist der Vater als Sinthom / als sainte-homme
Die Perversion zeichnet sich keineswegs dadurch aus, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale auseinanderfallen. [? Wer nimmt das an?] Die Struktur der Perversion besteht vielmehr darin, dass es diese drei Elemente als voneinander unterschiedene gibt und dass man ein viertes Element annehmen muss, das sie auf borromäische Weise zusammenhält. Das vierte Element ist das Sinthom. Man muss die borromäische Verkettung hier als tetradisch auffassen [als viergliedrig]. [? Ist nur die Perversion viergliedrig oder die Neurose? Falls auch die Neurose (was ich annehme), warum die Einführung der Viererverkettung über die Perversion?]
Perversion meint père-version, Wendung zum Vater [z.B. als masochistische Aufopferung des Sohnes für den Vater, wie Lacan in einer späteren Sitzung dieses Seminars ausführen wird; „Perversion meint Perversohn“, könnte man Lacans Wortspiel ins Deutsche bringen].
[So gesehen zeichnet sich Joyce durch seine Wendung zum Vater aus (von der später in dieser Sitzung die Rede sein wird), durch „Perversion“.]
Der Vater ist nur ein Symptom oder Sinthom – Lacan verwendet hier beide Termini. Sinthome ist homophon mit saint homme, heiliger Mann; der Vater ist ein heiliger Mann. [Das darf man wohl so zusammenziehen: Das Symptom beruht darauf, dass der Vater für das Subjekt ein heiliger Mann ist, ein saint homme, und eben hierauf bezieht sich die Schreibweise sinthome. Das Symptom stütz sich immer auf eine père-version, eine Wendung zum Vater.]
[In Seminar 22, RSI, spricht Lacan am Schluss über die borromäische Verkettung von drei und vier Ringen: Die borromäische Verkettung von drei Ringen steht für das Subjekt, für das es den Ödipuskomplex – den Namen-des-Vaters – zwar gibt, für das er aber nicht die Funktion hat, alles zusammenzuhalten (alles: das Imaginäre, das Symbolische und das Reale). Dieses Subjekt ist möglich, es ist aber nur selten anzutreffen. Der Normalfall ist die borromäische Verkettung von vier Ringen (vgl. in Lacan entziffern den Beitrag Vom Dreierknoten zum Viererknoten).]
Das Symptom bezieht sich auf die anderen drei Register – auf das Imaginäre, das Symbolische und das Reale – von einer Position der Ex-sistenz aus. [In der borromäischen Verkettung von vier Ringen ist der Ring des Symptoms den anderen drei Ringen äußerlich, er geht nicht kontinuierlich in sie über und durchdringt sie nicht.]
Konstruktion und Darstellungsweisen der borromäischen Viererverkettung
Das Band des Realen, des Symbolischen und des Imaginären ist rätselhaft [gemeint ist, wie das Folgende zeigt, dass man diese drei Funktoinen als unverbunden auffassen kann]. In ihm wird unterstellt, dass es die Ex-sistenz des Sinthoms gibt [dass es ein viertes Element gibt, durch das eine borromäische Verkettung der vier Elemente hergestellt wird].
Links: drei getrennte Ringe. Rechts: ihre Verbindung durch den vierten Ring des Sinthoms (Σ)4
Das lässt sich so darstellen, dass man zunächst drei Ringe zeichnet, die unverkettet aufeinanderliegen. Diese drei Ringe können dann in der Zeichnung durch einen vierten Ring verbunden werden, so, dass die Verkettung borromäischen Charakter bekommt. Dieser vierte Ring ist das Sinthom.
[Man muss hierbei im Auge behalten, dass auch die borromäische Verkettung von vier Ringen symmetrisch ist: Wie der Symptom-Ring die anderen drei verbindet, die sonst auseinanderfallen würden, so verknüpft auch der Ring des Imaginären die anderen drei usw. Jeder der vier Ringe ist für die anderen Ringe ein für deren Zusammenhalt wesentliches Außen.]
{21} Lacan beschreibt dann eine bestimmte Anordnung der vier borromäisch verknüpften Elemente. Er schematisiert die Beziehungen durch die folgende Figur:
[Seminarthema ist das Symptom. Das Symptom ist dadurch charakterisiert, dass es sich immer auf das Symbolische bezieht, hieß es in Lacans Ankündigung des Seminars bei den Studientagen der EFP am 9. November 1975. Also ist die erste Frage die, wie sich das Symptom zum Symbolischen verhält. Die Zeichnung soll offenbar veranschaulichen, dass die Beziehung zwischen dem Symptom und dem Symbolischen – zwischen den Termen oben und unten, zwischen Σ und S – durch das Reale und das Imaginäre vermittelt ist, also durch die Beziehung zu den Termen links und rechts, zwischen R und I.]
Man kann den Knoten demnach so zeichnen, dass die vier Komponenten in folgender Reihenfolge angeordnet sind: Reales, Symbolisches, Symptom, Imaginäres, also R S Σ I. Man kann das erste und das zweite Element gegeneinander austauschen, ebenso das dritte und das vierte, das ergibt dann S R I Σ. [Die Beziehung zwischen dem Symbolischen und dem Symptom, zwischen S und Σ , kann sowohl als die Mitte aufgefasst werden, die durch das Reale und das Imaginäre gerahmt wird, als auch umgekehrt; das Symbolische und das Symptom bilden dann den Rahmen für die Beziehung zwischen dem Realen und dem Imaginären.]
R S Σ I
1 2 3 4
2 1 4 3
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Symbolisches und Symptom zwischen Realem und Imaginärem5
Zur ersten Anordnung kann man sagen: die Beziehung zwischen den beiden äußeren Elementen, also R und I ist durch die beiden mittleren Elemente vermittelt, also durch S und Σ. |{22}
Borromäische Verkettung von vier Ringen6
[Lacan bietet hier einen anschaulichen Zugang zur borromäischen Verkettung von vier Komponenten durch deren Linearisierung. Die von ihm skizzierte Kombinatorik lässt sich verlängern, beliebige Elemente können die beiden äußeren Platz einnehmen und die beiden vermittelnden Elemente können immer auf zwei Weisen angeordnet werden. Hier interessiert ihn jedoch vor allem das Symptom und das damit immer verbundene Symbolische, also das Paar Symbolisches – Symptom.]
Der Ödipuskomplex ist ein Symptom
Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom. [Vielleicht darf man das so auf Lacans frühere Bemerkungen in dieser Sitzung beziehen: Beim Ödipuskomplex geht es darum, dass der Vater ein heiliger Mann ist, und der Vater als heiliger Mann ist ein Symptom.]
[Der vierte Ring der borromäischen Viererverkettung steht also für das Sinthom bzw. Symptom, und das Symptom besteht darin, dass der Vater ein heiliger Mann ist, anders gesagt, im Ödipuskomplex.]
Der Name des Vaters ist auch der Vater des Namens
[Wie kommt es, dass der Name-des-Vaters zum Symptom wird, zum heiligen Mann?] Alles wird dadurch gestützt, dass der Name-des-Vater auch der „Vater des Namens“ ist. [Eine der Vaterfunktionen ist das Namengeben, der Vater ist auch derjenige, dem zugeschrieben wird, dass er die Namen gibt, dass er die Dinge benennt. Diese These hatte Lacan zuerst am Schluss von Seminar 22 von 1974/75, RSI, aufgestellt und er hatte daran bereits zu Beginn dieser Sitzung angeknüpft, mit der Anspielung auf die Benennung der Tiere durch Adam – Urvater als Namensgeber.]
[? Was ist damit gemeint, dass der Name-des-Vaters der Vater des Namens ist?]
Die Realisierung der Vaterfunktion durch die Namensgebung verhindert nicht, dass das Symptom notwendig ist. [Auch dann, wenn die Vaterfunktion voll realisiert wird, gibt es Symptome, und zwar notwendigerweise, im Sinne von „unvermeidlich“. Das Symptom ist noch in einem weiteren Sinn notwendig: es „hört nicht auf sich zu schreiben“, es wiederholt sich.]
[Das könnte heißen im Kontext dieser Sitzung heißen: Bei Joyce hat die Vaterfunktion der Namensgebung den Charakter eines Symptoms.]
Joyce das Symptom im Herrendiskurs
Σ
Der Andere, um den es dabei geht [nämlich beim Namen-des-Vaters als Vater des Namens] zeigt sich bei Joyce darin, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist [für seinen Vater, der als Vater weitgehend ausfiel]; er muss den Vater [der weitgehend ausgefallen ist] stützen, damit er [der Vater] fortbesteht [darin besteht Joyces „Wendung zum Vater“, Joyces père-version]. Das stellt sich im Ulysses heraus [insofern es dort darum geht, dass Stephen Dedalus – Joyces Alter Ego – einen Vater sucht und nicht findet]. Joyce lässt seine Familie durch seine Kunst fortbestehen [vermutlich: auf der symbolischen Ebene, als Name], mehr noch, durch seine Kunst „illustriert“ er seine Familie [durch seine Kunst macht er seine Familie berühmt, illustre, durch ihn wird sie zu einer „illustren“ Familie]. [Vorher hieß es, der Name-des-Vaters sei das Symptom. Also wird man sagen können: Das Stützen des Vaters und der Familie ist das Symptom von Joyce.]
Dasselbe gilt für sein Land, Irland ist für Joyce my country, wie er sagt [die Joyce’sche Kunst dient dem Ruhme Irlands]. [Vorher hatten wir erfahren, dass Joyce ein bestimmtes Symptom hatte, das SintHome-Rule, das wird hier mit der Beziehung zum Vater und zur Familie parallelisiert.]
[Also gilt wohl: Das Symptom von Joyce besteht darin, dass er sich genötigt sieht, den Vater, die Familie und Irland zu stützen.]
S2
Die Kunst ist, historisch gesehen, vom Handwerk ausgegangen. [Der französische Begriff für Kunst, art, geht auf das lateinische Wort ars zurück, und ars meint das Handwerk, die Technik, die Kunstfertigkeit. Das deutsche Wort „Kunst“ meint ursprünglich eine Technik, wie z.B. heute noch im Begriff „Wasserkunst“. In Lacans Terminologie ist das Können bzw. die Technik eine Form von Savoir, von Wissen (S2), ein Savoir-faire.]
[Das alter Ego von Joyce im Porträt des Künstlers und im Ulysses heißt mit Nachnamen Daedalus bzw. Dedalus. Daedalus ist in den griechischen Mythen der große Handwerker-Erfinder.]
Im Porträt des Künstlers gibt Joyce [bzw. Stephen Dedalus] sich die Mission, der esprit, der Geist, |{23} seiner „Rasse“ zu sein [seines Volkes]. [Bei Joyce findet man conscience of my race, Bewusstsein / Gewissen meiner Rasse, meines Volkes, Lacan macht daraus esprit, also „Geist“ im Sinne der Hegelschen Geistphilosophie – Joyce gibt sich die Mission, der irische Volksgeist zu sein. Eben darin besteht sein Symptom, seine SintHome-Rule.]
[Das Symptom der Namensgebung zeigt sich bei Joyce darin, dass er seiner Familie und seiner „Rasse“, seinem Volk, einen „Namen gibt“, dass er beide berühmt macht.– „Einen Namen geben“ meint bei Lacan demnach auch „sich einen Namen machen“. Wenn Joyce darauf aus ist, sich, seiner Familie und seinem Volk einen Namen zu machen, dann realisiert er damit eine bestimmte Funktion des Vaters, nämlich das Namengeben, und im Falle von Joyce hat das den Charakter eines Symptoms.] [? Worin zeigt sich bei Joyce des Symptomcharakter des Namengebens / des Sich-einen-Namen-Machens?]
Dies ist der Hintergrund, vor dem Lacan in diesem Seminar fragen wird, was es mit der Kunst auf sich hat, mit l’art. Inwiefern kann l’artifice – der Kunstgriff, das Artefakt [also beispielsweise Joyces literarische Technik] – sich ausdrücklich auf das beziehen, was sich zunächst als Symptom präsentiert? [Die Joyce’sche Kunst ist ein Savoir-faire, es geht hier um das Verhältnis von Symptom und Savoir bzw. Savoir-faire, um das Eingreifen des literarischen Savoir-faire in das Symptom.]
$ am Platz der Wahrheit
Wie kann sich die Kunst bzw. das Handwerk so auf das Symptom beziehen, dass damit verhindert wird, dass sich im Symptom die Wahrheit zeigt [der unbewusste Sinn des Symptoms]? [Wie kann die literarische Technik dafür sorgen, dass der Zugang zur Wahrheit, den das Symptom ermöglicht, versperrt wird? Dies im Unterschied zur Technik der Psychoanalyse, die darauf abzielt, dass sich die im Symptom enthaltene Wahrheit offenbart.]
[Lacans Thesen zu Joyce sind bis hierher:
(1) Joyce begreift sich als Herr, als Held und ist ein pauvre hère, ein armer Schlucker, hat einen schlappen Schwanz.
(2) Das Symptom von Joyce besteht darin, dass er den Vater stützten muss (dass er für ihn ein heiliger Mann ist), dass er seine Familie stützen muss, dass er zunächst Thomas von Aquin verehrt und später Irland stützen muss, dass er sich als Geist seines Volks begreift.
(3) Das Wissen von Joyce, sein Savoir-faire, ist die Kunst als literarische Technik.
(4) Joyces greift mit seiner Kunst in das ein, was sich zunächst als Symptom darstellt.
(5) Die Joyce’sche Kunst hat den Effekt, dass sich die Wahrheit des Unbewussten gerade nicht zeigt; darin besteht der Gegensatz zur Technik der Psychoanalyse.
(6) Eine Joyce’sche Mehrdeutigkeit funktioniert nicht wie ein „freudscher Versprecher“; Joyces Kunst kann nicht nach dem Schema des Unbewussten gedeutet werden.
Die fünfte und sechste These sind zuerst von C. G. Jung formuliert worden, in einem Aufsatz über Ulysses aus dem Jahr 1932.]
Wo ist hierbei die Wahrheit?
Die Wahrheit hat Lacan [an der Tafel] mit zwei Tetraedern dargestellt [mit zwei Dreieckspyramiden].
Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses in einen Tetraeder
[Das linke Diagramm zeigt das Schema des Herrendiskurses, wie Lacan es in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, entwickelt hatte. Es ist mit senkrechten und waagerechten Strichen versehen sowie mit zwei Diagonalen; eine der Diagonalen ist gestrichelt gezeichnet. Damit wird signalisiert, dass das Schema dreidimensional aufgefasst werden soll – die gestrichelte Linie repräsentiert eine verdeckte Kante; das Quadrat wird hierdurch zu einem Tetraeder, zu einer Dreieckspyramide. Das sieht man am besten, wenn man das Schema um 45 Grad im Uhrzeigersinn dreht, wie im rechten Bild. Man erkennt dann, dass man einen Tetraeder vor sich hat, dessen hintere waagerechte Kante verdeckt ist.]
[Warum verwandelt Lacan das Diskurs-Schema in einen Tetraeder?]
[Außerdem hat das rechte Schema eine gewisse Ähnlichkeit mit dem kreisförmigen Schema R S Σ I, auf das Lacan sich weiter bezogen hatte. Man könnte probeweise Gleichsetzungen vornehmen – etwa R mit $, S mit S2, Σ mit a und I mit S1 (oder wie auch immer) – und sich fragen, was man dann sieht. Mir ist nicht klar, ob Lacan hier auf etwas Derartiges abzielt.]
[Das Diagramm verweist darauf, dass Lacan den Fall Joyce im Rahmen des Herrndiskurses begreift. Damit kommt er zurück auf das „Dieser Herr“ früher in dieser Sitzung. Die Frage, warum sich in der Joyce’schen Kunst die Wahrheit nicht zeigt, wird indirekt so beantwortet: Weil seine Kunst vom Herrendiskurses bestimmt wird.]
Im Herrendiskurs wird der Platz der Wahrheit [der Platz unten links] vom gespaltenen Subjekt ($) eingenommen, die Wahrheit wird dem gespaltenen Subjekt unterstellt.
[Das gespaltene Subjekt entspricht vermutlich der Rede vom pauvre hère und vom „schlappen Schwanz“ früher in dieser Sitzung. Also kann man vielleicht sagen:
- $ am Platz der Wahrheit: pauvre hère (armer Schlucker), schlapper Schwanz]
Als gespaltenes Subjekt ist es dem Phantasma unterworfen. [Betrachtet man im Herrendiskurs den Zusammenhang der beiden unteren Plätze, also die unbewusste Ebene insgesamt, sieht man, dass das gespaltene Subjekt sich auf das Objekt a am Platz unten rechts bezieht; zusammen ergibt das die Formel für das Phantasma, $ ◊ a.]
[? Welches ist im Falle von Joyce das im Phantasma dominierende Objekt a?]
Das heißt, wir müssen auf dieser Ebene der Wahrheit das Halbsagen berücksichtigen [also dies, dass die Wahrheit sich nur halbsagen lässt, wie Lacan ab Seminar 17 immer wieder sagt], dies im Gegensatz zu dem, wie er, Lacan, es zunächst [vor Seminar 17] dargestellt hatte. [Die Selbstkritik bezieht sich vermutlich vor allem auf den Aufsatz Die freudsche Sache von 1956147.]
S1
Im Diskurs des Herrn wird das Subjekt durch den Signifikanten Index 1 (S1) [am Platz oben links] repräsentiert [durch den Herrensignifikanten, das Ichideal]. [Welchen Signifikanten kann man hier im Falle von Joyce annehmen? Ich nehme an: Joyce als Held, als Der Künstler.]
[- S1: Held, DER Künstler]
S2 = Symptom + Symbol
Der Signifikant Index 2 (S2) [„Wissen“, im Herrendiskurs am Platz oben rechts als „Savoir-faire“] repräsentiert die Duplizität von Symbol und Symptom, so wie Lacan es eben [in Bezug auf den Äußerungsvorgang] erläutert hatte. [S2 ist ein Signifikantenpaar:] Der eine dieser beiden Signifikanten repräsentiert das Symptom [dies ist der manifeste Signifikant], der andere repräsentiert das Symbol [dies ist der latente Signifikant, das Verdrängte]. [So etwa findet man das in Seminar 11:
„Das Urverdrängte / le refoulé primordial ist ein Signifikant, und wir können, was über diesem sich aufbaut und das Symptom konstituiert, ohne weiteres als Signifikantengerüst betrachten. Verdrängtes und Symptom sind homogen und reduzierbar auf Signifikantenfunktionen. Ihre Struktur, die sich zwar wie ein jedes Gebäude nach und nach aufbaut, ist, am Ende, gleichwohl in synchronischen Termen einschreibbar.“148]
Hier ist der Handwerker. [Im Herrendiskurs ist dies der Platz oben rechts. Dieser Platz wird im Herrendiskurs vom Symbol S2 eingenommen. Bereits in Seminar 17 steht S2 für den Sklaven, den Knecht, den Handwerker (qua Wissen bzw. Savoir-faire). Im Falle von Joyce ist am Platz oben rechts vermutlich Joyce als Handwerker-Künstler zu verorten. Für den Handwerker-Künstler steht im Porträt und im Ulysses der Nachname von Stephen, nämlich Dedalus.]
Dieser Handwerker fügt zwei Signifikanten zusammen [im Herrendiskurs ist dies das Symbol S2 am Platz oben rechts].
[Einer dieser beiden Signifikanten ist das Symptom, bei Joyce also das SinThome-madaquin bzw. die SintHome-Rule.]
[Das lässt sich etwa so darstellen:
----------------------------------------------------------Sinthom
----------------------------------------------------------(Vater als saint-homme)
- S2: Handwerker-Künstler <
--------------------- ------------------- --------------Symbolisches
[Bei Sinthom ist „Vater als saint-homme“ durch die darauf aufbauenden Sinthome zu ergänzen, durch „SinThome-madaquin“ und „SintHome-Rule“.]
Objekt a
Durch das Zusammenfügen von zwei Signifikanten produziert der Handwerker das Objekt a. [Im Herrendiskurs ist das Objekt a am Platz unten rechts, am Platz der Produktion.] Lacan erinnert daran, dass er sich auf die Objekte a bereits früher in dieser Sitzung bezogen hatte, als er über das Ohr, das Auge und den geschlossenen Mund sprach [über die Körperöffnungen, die die imaginären Gegenstücke zu den Objekten a bilden: der Mund bezieht sich auf die Brust, das Auge auf den Blick, das Ohr auf die Stimme].
[Damit stellt sich die Frage, welches im Falle von Joyce qua Herrendiskurs das Objekt a ist.]
{24} Wann immer der Diskurs des Herrn bestimmend ist, spaltet sich das S2 in Symptom und Symbol [in das manifeste Symptom und den verdrängten Signifikanten als den unbewussten Sinn dieses Symptoms].
Die Spaltung in Symbol und Symptom [S2] wird jedoch reflektiert in der Spaltung des Subjekts [$].
[Die Position von Joyce im Herrendiskurs lässt sich jetzt etwa so darstellen:]
Diskurs des Herrn: Joyce
Das Insistieren des Signifikanten nötigt uns, zu akzeptieren, dass einer der beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom hat. [Ich nehme an, dass die beiden Signifikanten des Symbolischen S1 und S2 sind. Einer von ihnen, S2, hat seine Stütze im Symptom. S2 wird aufgefasst als Beziehung zwischen dem Symbolischen und dem Symptom, zwischen Σ und S.]
[S2 = Σ + S]
Symbol und Symptom in der borromäischen Verkettung
Falsches Loch zwischen den Ringen des Symbolischen und des Symptoms
[Nachdem Lacan die Unterscheidung von Symbol und Symptom im Herrendiskurs verortet hat (als Aufspaltung von S2), geht er jetzt zurück zur Knoten-Topologie und stellt sich die Frage, wie die Beziehung zwischen Symbolischem und Symptom dort dargestellt werden kann. Diese Verbindung ist grundlegend für die Psychoanalyse, auf ihr beruht die Möglichkeit, ein Symptom auf dem Weg über das Sprachen zu reduzieren.] Als Beziehung zwischen zwei Ringen aufgefasst (zwischen zwei trivialen Knoten), bildet die Verbindung von Symptom und Symbol[ischem] nur ein falsches Loch, ein unechtes Loch. [Lacan setzt hier die Überlegungen zum falschen Loch zweier Ringe fort, die er in der letzten Sitzung des vorangehenden Seminars, also RSI, begonnen hatte. Kann man aus zwei Ringen, die nicht direkt wie zwei Kettenglieder ineinandergreifen, ein Loch bilden, das irreduzibel ist, d.h. das bei Verformung erhalten bleibt? Die Antwort ist negativ: Wenn man die beiden Ringe so ineinanderlegt, dass sie miteinander ein Loch bilden, ist dieses Loch falsch, unecht, es ist reversibel, es lässt sich durch Verformung der Ringe zum Verschwinden bringen.]
Jeder der beiden Ringe hat eine Konsistenz, die eine Art Kreis bildet [jeder Ring lässt sich durch eine Art verbogene Kreislinie darstellen, d.h. durch eine Linie, auf auf sich zurückkommt und insofern zusammenhält, und eben dies nennt Lacan „Konsistenz“]. Jeder dieser Kreise ist um ein Loch herum organisiert. [Lacan charakterisiert in Seminar 22, RSI, die einzelnen Ringe und die Verkettung insgesamt durch drei Begriffe: Konsistenz, Ex-sistenz und Loch, die er dem Imaginären (Konsistenz), dem Realen (Ex-sistenz) und dem Symbolischen (Loch) zuordnet.]
[Dieses Loch ist hier jedoch nicht gemeint.] Es geht um ein anderes Loch: das Loch, das Symbol[isches] und Symptom zusammen bilden, und zwar dadurch, dass sie auf bestimmte Weise – wie in der Zeichnung – ineinandergefaltet sind.
Man muss dies [die Verbindung der beiden Ringe mit dem falschen Loch] in einen hohlen Torus einschließen, also in eine Art Luftkammer [damit das Loch stabil ist]; Soury hat das gut dargestellt. [Ich vermute, dass etwas gemeint ist, das man annäherungsweise in Version Miller/Mitelman/Dielmann auf S. 87 findet, man muss dort nur den grünen Ring entfernen.]
{25} [Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, das falsche Loch in ein echtes Loch zu verwanden.] Dazu muss in das falsche Loch etwas eingeschoben werden: eine Gerade, und diese Gerade muss unendlich lang sein, denn eine unendliche Gerade ist einem Kreis verwandt [wie Lacan bereits im vorangehenden Seminar RSI erläutert hatte]. [Die eingeschobene unendliche Gerade entspricht einem dritten Ring und ermöglicht so eine borromäische Verkettung von drei Elementen.]
[Lacan legt auch später in diesem Seminar großen Wert darauf, dass in einer borromäischen Verkettung ein Ring (ein trivialer Knoten) durch eine unendliche Gerade ersetzen werden kann. Warum?]
Diskurs der Universität
Der Kreis hat eine Funktion: er dient dazu, zu zirkulieren. Dieses Zirkulieren ist der Polizei wohlbekannt [sie sagt: „Circulez“, Weiterfahren]. Hegel hatte [in den Grundlinien der Philosophie des Rechts] gut die Funktion der Polizei gesehen, sie allerdings in einer Form beschrieben, die anders ist als die von Lacan [vermutlich: Hegel beschrieb sie mithilfe seiner Dialektik]. Für die Polizei geht es darum, |{26} dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht. [Lacan wechselt hier offenbar zum Diskurs der Universität, der auch der Diskurs der Bürokratie ist; das Circulez! ist hier der Herrensignifikant am Platz unten links.] Hegel hatte die Funktion des Kreises in einer Form gesehen, die sicherlich nicht die ist, um die es [Lacan] geht.
KLEINES LACAN-LEXIKON
Das Lexikon ist nicht alphabetisch geordnet, sondern nach der Reihenfolge des Auftretens der Begriffe und Thesen in Lacans Vortrag.
Die Zahlen in Klammern nach den Überschriften und nach den Lacan-Zitaten zu Beginn der Einträge beziehen sich auf die Seiten von Max Kleiners Übersetzung von Seminar 23; oben in der Übersetzung sind sie im deutschen Text nach jedem Satz angegeben.
Am Ende jedes Lexikoneintrags steht ein Pfeil nach unten mit der Spitze nach links (↩); wenn man ihn anklickt, kommt man zur entsprechenden Stelle der Übersetzung zurück.
Sinthom (1)
Zu: „Ich habe auf dem Aushang ‚Das Sinthom‘ angekündigt. Das ist eine alte Schreibweise für das, was später ‚Symptom‘ geschrieben wurde.“ (1)
Der Begriff „Symptom“ geht zurück auf das griechische Wort συμπίπτω (sumpiptō), „zusammentreffen“. Das Wort σύμπτωμα (sumptōma) meint „Unfall“, „Zusammentreffen“; es beruht au dem Präfix σύν (sun), „mit“, und dem Stammwort πίπτω (piptō), „geschehen“, „sich ereignen“. „Symptom“ meint also, seiner Herkunft nach: das was zusammen auftritt (vgl. hier). Im Spätlateinischen wird hieraus „symptoma“, im mittelalterlichen Latein „sinthoma“ (siehe hier). Lacan geht mit „Sinthom“ also von der heute üblichen, gräzisierenden Schreibweise zurück auf die latinisierende, „mittelalterliche“ oder „scholastische“ Orthographie.
„Symptôme“ wird mit p ausgesprochen, „sinthome“ ohne; da Lacan sehr deutlich artikuliert, ist auf guten Tonaufnahmen meist klar zu erkennen, ob es um das eine oder um das andere geht. ↩
Lalangue (1, 3 f.)
Zu: „Wenn ich mir diese Abänderung der Orthografie erlaubt habe, die offensichtlich kennzeichnend ist für ein bestimmtes Datum, für das Datum, das hier die Einbringung in das Französische ist – das ich Lalangue nenne, die meinige Sprache –, die Einbringung des Griechischen, dieser Sprache, von der Joyce sich im Porträt des Künstlers ganz und gar wünschte – nein, nicht im Porträt des Künstlers, sondern im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es darum, ‚to hellenise‘, obgleich es um Irland geht, aber Joyce in Englisch schreiben musste.“ (1)
„Von diesem ersten, man muss schon sagen, Stuss haben wir nur eine Spur, indem wir daraus schließen, dass Adam, wie es sein Name zur Genüge anzeigt – das ist eine Anspielung, das hier, auf die Funktion des Index bei Peirce –, dass Adam, gemäß des joke, den Joyce daraus macht, dass Adam natürlich eine M’Adam war, und dass er das Vieh nur in eben ihrer Sprache / in ihrer Lalangue benannt hat, das muss man gewiss annehmen, denn die, die ich l’Evie (E-V-I-E) nennen werde – l’Evie, die ich das Recht habe, so zu nennen, denn das heißt es auf Hebräisch, falls das Hebräische eine Sprache ist: die Mutter der Lebenden –, also l’Evie hatte sie sofort und ziemlich hängend, diese Sprache / Zunge, denn nach dem vermeintlichen Benennen durch Adam ist sie die erste Person, die sich ihrer bedient: um zur Schlange zu sprechen.“ (3 f.)
„Lalangue“ ist ein von Lacan gebildeter Neologismus, er dient bei ihm als Gegenbegriff zu langage. Mit langage („Sprache“) meint Lacan das durch Regeln der Grammatik bestimmte Sprachsystem, das weitgehend eine theoretische Fiktion ist – die, so darf man Lacan ergänzen, durch Schulsystem und Verlagswesen mit ihrer Orientierung an der Schriftlichkeit praktisch wirksam ist. Lalangue (von la langue, „die Sprache“, in einem Wort geschrieben) ist die tatsächlich gesprochene Sprache, wie sie in der Perspektive der Psychoanalyse erscheint: durch Mehrdeutigkeiten und Lautverzerrungen bestimmt und mit Genießen verbunden, mit Erregungen, wie Freud sagen würde Freud. Lacan schreibt la langue deshalb in einem Wort, als lalangue, um damit, wie er sagt, an lallation zu erinnern, womit sowohl das La-la-la-Singen gemeint ist, mit dem man Kinder zum Schlafen bringt, als auch das Lallen oder Brabbeln eines Säuglings.
Unter genetischem Aspekt ist lalangue das Sprechen der Mutter, mit dem das Kind konfrontiert ist, und zwar aus der Perspektive des Kindes aufgefasst, das nicht oder kaum sprechen kann (in Lacans strukturalistischer Perspektive ist der genetische Gesichtspunkt zwar nicht zurückzuweisen, aber doch sekundär).
Lacan verwendet den Ausdruck „lalangue“ zum ersten Mal am 4. November 1971, im ersten Vortrag seiner Vorlesungsreihe mit dem Titel „Le savoir de l’analyste“ (Das Wissen des Analytikers).149
In Seminar 20 von 1972/73, Encore, sagt er:
„Die Sprache (langage) ist ein Elaborat des Wissens (élucubration du savoir) über lalangue.“150
In L’étourdit (1973) heißt es: Lalangue ist das
„Gesamt der Äquivokationen (intégrale des équivoques)“151.
Michael Turnheim erläutert den Begriff so, dass es
„bei Sprache zunächst weniger um Kommunikation als um Genießen als etwas Ungeregeltem geht. Gemeint ist damit, dass dasjenige, was die Linguistik an Ordnung bezüglich Sprache festzumachen versucht und worin Lacan im Großen und Ganzen lange Zeit größtes Vertrauen gesetzt hat, bereits einer Idealisierung entspricht. In Wirklichkeit haben wir es ursprünglich mit einer Art mehr oder weniger formloser Sprachsuppe namens lalangue zu tun, die von Zweideutigkeiten wimmelt.“152
Die Zeitschrift Essaim hat dem Thema lalangue ein Heft gewidmet; in der Ankündigung wird der Begriff so bestimmt:
„In einem Wort (so muss man das sagen), lalangue ist die Muttersprache. Sie trägt in sich die ersten Zeugnisse der Stimmübungen zwischen dem Säugling und seiner Mutter. Sie ist sonor und signifikant. Lalangue hat ihren Ursprung im Lallen, im Gesang (und auch im Feld) der Signifikanten [unübersetzbares Wortspiel: „du chant (et aussi du champ) signifiant“]. Die Homophonie nimmt hier einen herausragenden Platz ein, den der Analytiker bei der Deutung später wird nutzen können. Lalangue ist ein neuer Stein, der von Lacan in den Garten seiner Linguisterie gesetzt worden ist, Jungbrunnen der Sprache, in einer alten Diskussion – wie schon in Platons Kratylos – über das Verhältnis zwischen der Arbitrarität und der Ikonizität des Zeichens.“153 ↩
Lacans berühmteste Fomel lautet L’inconscient est structuré comme un langage, „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache“. Unter langage versteht Lacan die Einzelsprache, etwa das Französische oder das Chinesische.154 Diese Formel wird durch den Begriff Lalangue zurückgenommen oder zumindest stark modifiziert. Das Unbewusste ist nicht strukturiert wie eine langage – nicht wie eine Einzelsprache –, sondern wie lalangue.
Joyce (1)
Zu: „Wenn ich mir diese Abänderung der Schreibweise erlaubt habe, die offensichtlich ein Datum markiert, ein Datum, das hier die Einbringung in das Französische ist – das ich Lalangue nenne, die meinige Sprache –, die Einbringung von Griechisch, dieser Sprache, von der Joyce sich im Portrait des Künstlers ganz und gar wünschte – nein, nicht im Portrait des Künstlers, sondern im Ulysses, im Ulysses im ersten Kapitel, da geht es darum, ‚to hellenise‘ – die hellenische Sprache auch einzubringen in ich-weiß-nicht-was, da es ja noch gar nicht um das Gälische geht, obgleich es um Irland geht, aber Joyce in Englisch schreiben musste.“ (1)
Auf Joyce verweist Lacan zum ersten Mal in dem Aufsatz Das Seminar über „Der gestohlene Brief“ (1956); er bezieht sich dort auf ein Wortspiel, das im literarischen Kreis um Joyce erfunden worden war und das Joyce aufgegriffen hatte: a letter, a litter (ein Brief, eine Streu).155
In den Seminaren hatte Lacan sich in den folgenden Sitzungen auf Joyce bezogen:
– Seminar 18: am 12. Mai 1971.156
– Seminar 20: am 9. Januar 1973.157
– Seminar 22: Am 8. April 1975 verweist er darauf, dass er sich bei Joyce umgeschaut hat, weil man ihn gebeten hat, auf einem Kongress über Joyce einen Vortrag zu halten.
Vom 16. bis zum 20. Juni 1975 fand in Paris das fünfte internationale Joyce-Symposium statt, auf dem Lacan am 16. Juni zur Eröffnung den Vortrag „Joyce le symptôme“ hielt. Von diesem Vortrag gibt es zwei Versionen, die sich stark unterscheiden: eine Transkription des mündlichen Vortrags (meist „Joyce le symptôme I“ genannt) und eine von Lacan für den Druck bearbeitete Fassung („Joyce le symptôme II“).
Joyce das Symptom I
Die mündliche Fassung beruht auf einer Mitschrift von Eric Laurent und wurde 1982 von Jacques-Alain Miller herausgegeben, in: L’âne, 1982, Nr. 6. Diese Version wurde außerdem veröffentlicht in:
– Jacques Aubert (Hg.): Joyce avec Lacan. Navarin, Paris 1987, S. 21–30
– Lacan, Seminar 23, Version Miller 2005, S. 161–169
– Im Internet hier
– Meine Übersetzung findet man in Lacan entziffern hier.
Joyce das Symptom II
Die von Lacan für den Druck überarbeitete Fassung erschien zuerst 1979 in den Akten des Kongresses, im Band mit den französischsprachigen Beiträgen (ein zweiter Kongressband, mit englischem Titel, enthält die in englischer Sprache gehaltenen Vorträge):
– Jacques Aubert, Maria Jolas (Hg.): Joyce & Paris. 1902 … 1920–1940 … 1975. Actes du 5. Symposium International James Joyce, Paris 16 – 20 juin 1975. Publications de l’Université de Lille, Éditions du C.N.R.S., Paris 1979, S. 13–17.
Die zweite Version wurde außerdem veröffentlicht in:
– Jacques Aubert (Hg.): Joyce avec Lacan. Navarin, Paris 1987, S.31–37
– Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 565–570
– Im Internet hier.
Hinweise auf spätere Vorträge von Lacan über Joyce findet man m Kommentar „ ‚Das Sinthom‘ entziffern“ hier (unter „Weitere Texte Lacans im Umkreis von Seminar 23“). ↩
Logik (2)
Zu: „Ich beerbe Freud, ohne dass das eigentlich meine Absicht war, durch das, was ich zuzeiten ausgesprochen habe, das, was in guter Logik dem Gestammel jener entnommen werden konnte, die er ’seine Bande‘ nannte.“ (2)
„Die Natur, möchte ich sagen, um es kurz zu machen, zeichnet sich dadurch aus, nicht-eine zu sein; von daher das logische Vorgehen, um sie zu anzugehen.“ (2 f.)
„Der Vorteil dieser Aussage ist, dass, wenn Sie finden – um das zu berücksichtigen –, dass, es zu benennen, darüber entscheidet, was das Gesetz der Natur zu sein scheint, dass es bei ihm, ich meine beim Menschen, kein natürliches – mit allen Einschränkungen also, dieses „natürlich“ – sexuelles Verhältnis gibt, Sie logischerweise behaupten, was ja der Fall ist, dass das kein Vorrecht des Menschen ist.“ (3)
In L’acte psychanalytique (1969), einer Zusammenfassung des gleichnamigen Seminars 15 von 1967/68, schreibt Lacan:
„nichts verweist darauf, dass das Objekt klein a nicht eine Konsistenz hätte, die durch reine Logik gestützt wird“158.
Positiv formuliert: Das Objekt a zeichnet sich durch Konsistenz aus, und zwar durch eine Konsistenz, die durch reine Logik gestützt wird. Was wohl heißt: Man kann das Objekt a mit dem Mitteln der Logik begründen, durch Buchstaben-Manipulationen. Falls ich recht sehe, fasst der Satz nicht das Seminar zusammen, sondern hat programmatischen Charakter.
Seit Seminar 18 von 1971, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, entwickelt Lacan eine Logik der Sexuierung mit dem Quantor „nicht-alle“. Möglicherweise ist dies ein Versuch, den programmatischen Satz aus L’acte psychanalytique einzulösen.
Die Logik beruht nicht auf dem Sinn, sondern auf der Manipulation von Buchstaben. Dies ermöglicht es, den Widerspruch zu isolieren (die Paradoxie, die Antinomie). Der formalisierte Widerspruch ermöglicht, vom Symbolischen aus, einen Zugang zum Realen, d.h. zu dem, was sich nicht symbolisieren lässt.
Viergliedrige Strukturen (2)
Zu: „Ich habe mich mit der 4 begnügt [mit einem borromäischen Knoten aus vier Ringen], und darüber freue ich mich, denn der 4, 5, 6 wäre ich sicherlich unterlegen gewesen.“ (2)
Viergliedrige Strukturen sind für Lacans Diagramme und Formeln charakteristisch.
– Das in Seminar 2 eingeführte Schema L hat vier Eckpunkte159, dieses Diagramm liegt mehreren anderen Schemata zugrunde.
– Im Seminar über E.A. Poes “Der entwendete Brief“ (1957) wird die Folge α, β, γ, δ untersucht.160
– Der in Seminar 5 vorgestellte Graph des Begehrens zeichnet sich durch vier Knotenpunkte aus.161
– Das sogenannte ödipale Dreieck wird von Lacan als Viereck aufgefasst, bestehend aus Mutter, Kind, Phallus und Vater.162
– In Seminar 9 stützt Lacan sich auf das sogenannte logische Quadrat.163
– Das in Seminar 14 vorgeführte Schema der Entfremdung besteht aus vier Euler-Diagrammen.164
– Die in Seminar 17 behandelten Diskursformeln stehen für vier Diskurse mit je vier Plätzen, auf denen sich vier Symbole verschieben.165
– Bei den Formeln der Sexuierung, die in den Seminaren 18 bis 21 entwickelt werden sowie in dem Aufsatz L’étourdit, handelt es sich um genau vier Formeln.166.
Ist die Viergliedrigkeit zwingend? Das ist eine Frage, die Lacan beschäftigt. In Seminar 6 sagt er:
„Es ist diese Synchronie der Signifikanten, nämlich die Existenz einer bestimmten Signifikantenbatterie, in bezug auf die man das Problem stellen kann, welches die minimale Batterie ist. Ich habe versucht, mich an diesem kleinen Problem zu betätigen. Die Frage, ob man mit dem, was die Minimalbatterie zu sein scheint, nämlich mit einer Vierer-Batterie, letztlich eine Sprache (langage) schaffen kann, würde Sie von Ihrer Erfahrung nicht allzu weit entfernen. Ich glaube nicht, dass das undenkbar ist, aber lassen wir das beiseite.“167
In Kant mit Sade (1963) schreibt er zu einer Abwandlung von Schema L:
„Eine vierteilige Struktur ist vom Unbewussten her beim Aufbau einer subjektiven Anordnung stets erforderlich. Dem folgen unsere didaktischen Schemata.„168
Für die Viergliedrigkeit des Schemas der Entfremdung beruft Lacan sich auf die Klein’sche Vierergruppe.169 Diese Gruppe ist grundlegend für die Psychologie von Jean Piaget, sie bildet hier die Basis des sogenannten INCR-Schemas; Lacans Rechteck der Entfremdung ist deutlich von Piagets Schema inspiriert. ↩
4, 5, 6
In Seminar 22 hatte Lacan das folgende Seminar – also das hier kommentierte Seminar 23 – mit einem Kindervers angekündigt:
„Dieses Jahr habe ich RSI gesagt [für Reales, Symbolisches, Imaginäres]. Warum nicht un, deux, trois [eins, zwei, drei]? .…. nous irons au bois [wir werden in den Wald gehen]. Sie wissen, wie es weitergeht – quatre, cinq, six [vier, fünf, sechs], cueillir des cérises [Kirschen pflücken], sept, huit, neuf [sieben, acht, neun], dans mon panier neuf [in meinen neuen Korb]. Ich werde bei 4, 5, 6 aufhören.“170
Er erklärt dort, dass man, wenn man von der Vier ausgeht, also von einer borromäischen Verkettung aus vier Ringen, „einen bestimmten Weg findet, der nur bis zur Sechs führt“, also bis zur borromäischen Verkettung von sechs Ringen. Miller vermutet, dass dieser „besondere Weg“ in einer bestimmten Kombinatorik besteht.171 ↩
Nicht-eine (2 f.)
Zu: „Die Natur, möchte ich sagen, um es kurz zu machen, zeichnet sich dadurch aus, nicht-eine zu sein; von daher das logische Vorgehen, um sie anzugehen.“ (2 f.)
Den Ausdruck „pas-une“ (nicht-eine) im Sinne eines logischen Terminus verwendet Lacan zuerst in Seminar 19, er gehört zu den „Formeln der Sexuierung“.172 „Nicht-eine“ bezieht bezieht sich auf den negierten Existenzquantor: , zu lesen als „Es gibt nicht eine x“. Dieser Formel wird von Lacan die modale Kategorie des „Unmöglichen“ zugeordnet173; das Unmögliche wird von ihm definiert als „das, was nicht aufhört, sich nicht zu schreiben / nicht geschrieben zu werden“. „Die Natur ist nicht-eine“ meint also auch: Die Natur „existiert“ nicht, im Sinne von: es ist unmöglich, sie zu schreiben, sie hört nicht auf, nicht geschrieben zu werden.
Der negierte Existenzquantor (nicht-eine) bezieht sich in den Formeln der Sexuierung auf das weibliche Genießen; der vollständige Ausdruck sieht so aus:
„Es gibt nicht eine x, für die gilt, dass das Genießen nicht eine Funktion des Phallus ist.“174 ↩
Natur behauptet sich als Potpourri von Außer-Natur (3)
Zu: „Nennen Sie Natur das, was Sie allein schon durch die Tatsache, einer Sache Interesse entgegenzubringen, ausschließen, wobei sich diese Sache dadurch hervorhebt, dass sie benannt wird: die Natur lässt sich durch dieses Vorgehen lediglich darauf ein, sich als Potpourri von Außer-Natur zu behaupten.“ (3)
Die Natur (das angeblich natürliche sexuelle Verhältnis) behauptet sich als Außer-natur (es gibt kein natürliches sexuelles Verhältnis), was es an dieser Stelle gibt, ist ein Potpourri.
Max Kleiner verweist in seiner Übersetzung auf die Etymologie von „pot-pourri“: Topf von Verfaultem.
Mit dem „Verfaulten“ spielt Lacan vermutlich auf Freuds Konzeption der Partialtriebe an. Der Sexualtrieb besteht aus einer Reihe unterschiedlicher Komponenten, in diesem Sinne ist er ein „Potpourri“. Diese Strebungen sind pervers, was häufig mit „unnatürlich“ gleichgesetzt wird. Es sind vor allem die koprophilen Triebanteile, die verdrängt werden – das Potpourri ist ein Topf von „Verfaultem“.175
Pot, „Topf“, ist homophon mit peau, „Haut“; die Haut fungiert als eine Art Topf. Dies verweist voraus auf die Bemerkungen über den Hautsack später in dieser Sitzung.
Jacques-Alain Miller macht darauf aufmerksam, dass die These „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ hier verallgemeinert wird; diese Verallgemeinerung ermöglicht den Übergang zu anderen Lebensformen, etwa zu den Bakterien.176↩
Es gibt kein sexuelles Verhältnis (3)
Zu: „Der Vorteil dieser Aussage ist, dass, wenn Sie finden – um das zu berücksichtigen –, dass, es zu benennen, darüber entscheidet, was das Gesetz der Natur zu sein scheint, dass es bei ihm, ich meine beim Menschen, kein natürliches – mit allen Einschränkungen also, dieses „natürlich“ – sexuelles Verhältnis gibt, Sie logischerweise behaupten, was ja der Fall ist, dass das kein Vorrecht des Menschen ist.“ (3)
„Rapport sexuel“ meint in der Umgangssprache, dass zwei Menschen Sex miteinander haben. Die Formel „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ meint „Es gibt kein natürliches sexuelles Verhältnis“, das Angezogenwerden durch das andere Geschlecht ist nichts Natürliches; Menschen werden nicht durch Instinkte auf das biologische Gegengeschlecht bezogen und auch nicht durch das Unbewusste. Wenn ein Mann und eine Frau miteinander Sex haben, ist das also, allen Behauptungen zum Trotz, nichts Natürliches. Sie bedienen sich kulturell tradierter Erfindungen.
Die Triebe sind, wie Freud sagt, polymorph-pervers, keineswegs auf Zweigeschlechtlichkeit hin ausgelegt. Die biologische Zweigeschlechtlichkeit wird, Freud zufolge, während der kindlichen Entwicklung nicht repräsentiert, beide Geschlechter kennen nur ein Organ, das männliche und ersetzen die Geschlechterdifferenz durch die Vorstellung von der Anwesenheit und Abwesenheit des Penis. Die infantile Genitalorganisation zeichnet sich dadurch aus, schreibt Freud,
„dass für beide Geschlechter nur ein Genitale, das männliche, eine Rolle spielt. Es besteht also nicht ein Genitalprimat, sondern ein Primat des Phallus.“[1. S. Freud: Die infantile Genitalorganisation (1923). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 238.]
Zögernd sagt er: Die Libido ist männlich:
„Ja, wüßte man den Begriffen ‚männlich und weiblich‘ einen bestimmteren Inhalt zu geben, so ließe sich auch die Behauptung vertreten, die Libido sei regelmäßig und gesetzmäßig männlicher Natur, ob sie nun beim Manne oder beim Weibe vorkomme und abgesehen von ihrem Objekt, mag dies der Mann oder das Weib sein.“177
In der Neuen Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse schreibt Freud:
„Nun wäre es eine Lösung von idealer Einfachheit, wenn wir annehmen dürften, von einem bestimmten Alter an mache sich der elementare Einfluß der gegengeschlechtlichen Anziehung geltend und dränge das kleine Weib zum Mann, während dasselbe Gesetz dem Knaben das Beharren bei der Mutter gestatte. Ja man könnte hinzunehmen, daß die Kinder den Winken folgen, die ihnen die geschlechtliche Bevorzugung der Eltern gibt. Aber so gut sollen wir es nicht haben, wir wissen kaum, ob wir an jene geheimnisvolle, analytisch nicht weiter zersetzbare Macht, von der die Dichter soviel schwärmen, im Ernst glauben dürfen.“178
Lacan übernimmt diese Konzeption: im Unbewussten ist die Zweigeschlechtlichkeit – die Beziehung zum anderen Geschlecht – nicht repräsentiert:
„Aber nichts – und das ist der Grund, weshalb die gesamte Affektpsychologie bis hin zu Freud zum Scheitern verurteilt war –, nichts repräsentiert hier den Andern, das radikale Andere, den Andern als solchen. Und genau diese Repräsentation des Andern fehlt zwischen den beiden entgegengesetzten Welten, die Sexualität im Männlichen und im Weiblichen aufzeigen.“179 ↩
Das Geschlecht (le sexe) (3)
Zu: „Passen Sie jedoch auf, dass Sie nicht auch noch sagen, dass das Geschlecht nichts Natürliches sei.“ (3)
„Le sexe“ meint das Geschlecht, das Geschlechtsorgan oder den Geschlechtsverkehr, bei Lacan aber auch die Geschlechtszellen (Gameten, Keimzellen). In Seminar 19 spricht er über das Geschlecht (le sexe) als reales und fährt fort:
„Vor allem, seit einiger Zeit haben wir im Mikroskop gesehen, was das war. Ich spreche nicht von den Geschlechtsorganen, sondern von den Gameten.“180
Das erinnert an eine Bemerkung von Freud über die Unterscheidung von „männlich“ und „weiblich“:
„Die zweite, biologische Bedeutung von männlich und weiblich ist die, welche die klarste Bestimmung zuläßt. Männlich und weiblich sind hier durch die Anwesenheit der Samen-, respektive Eizelle und durch die von ihnen ausgehenden Funktionen charakterisiert.„181
Lacan bezieht sich mit „le sexe“ also auf das biologische Geschlecht im Sinne von Freud. ↩
Bakterien (3)
Zu: „Versuchen Sie vielmehr zu erfahren, wie es in jeden einzelnen Fall damit steht, von der Bakterie bis zum Vogel – auf beide habe ich bereits angespielt –, von der Bakterie bis zum Vogel, da diese Namen haben.“ (3)
Um das Verhältnis von Bakterien und Sexualität ging es bereits in den Seminaren 18 und 21.
In Seminar 18 von 1971, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, heißt es, wenn man irgendwo anfangen könne, sich die biologische Seite der Sexualität klarzumachen, dann eher auf der Seite der Bakterien.182
In Seminar 21 von 1973/74, Les non-dupes errent, bezieht sich Lacan für einen ähnlichen Gedanken ausdrücklich auf das Buch von Elie Wollman und François Jacob: La sexualité des bacteries. Éditions Masson, Paris 1959, genauer, auf die englische Übersetzung dieser Arbeit: Sexuality and the genetics of bacteria. Academic press, New York 1961.183
Er fragt sich hier, ob Bakterien „genießen“ – ob sie Empfindungen haben – , und er erklärt, ihm sei zu Ohren gekommen, der einzige Moment sei möglicherweise der, in dem sie von Bakteriophagen (von bakterienfressenden Viren) infiziert (also „gefressen“) werden. Was also heißt, dass Bakterien möglicherweise eine Form des Genießens kennen, das bezogen auf den Menschen als passiv-oralsadistisch oder passiv-kannibalistisch zu bezeichnen wäre, als Lust am Gefressenwerden.
Des weiteren interessiert ihn diejenige Beziehung, die Wollmann und Jacob als „Sexualität“ von Bakterien bezeichnen, wobei Lacan betont, dass dies keine wirkliche Sexualität ist, sondern nur eine Strukturähnlichkeit; es ist klar, dass Bakterien sich durch Zellteilung vermehren.
Wollmann und Jacob argumentieren so: Angenommen, es gibt zwei Mutationen von Bakterien von derselben Abstammungslinie, und die eine Linie vermehrt sich stärker als die andere, dann herrscht zwischen diesen Linien folgende Beziehung:
– Wenn Bakterien, die sich stärker vermehren, auf solche treffen, die sich schwächer vermehren, führt dies dazu, dass diejenigen mit schwächerer Vermehrung so mutieren, dass sie sich stärker vermehren. (Falls ich Lacans Formulierung richtig verstanden habe. Er sagt: „Les foisonnantes-plus, quand elles se rencontrent avec les foisonnantes-moins, les font muter du côté du foisonnement.“)
– Im umgekehrten Fall ist es nicht so: Falls Bakterien, die sich schwächer vermehren, auf solche treffen, die sich stärker vermehren, führt dies nicht dazu, dass diejenigen mit stärkerer Vermehrung so mutieren, dass sie sich schwächer vermehren.
Lacan hebt hervor, dass es bei dieser primitiven Form des Lebens demnach das gibt, was er als „Nicht-Verhältnis“ bezeichnet. ↩
Benennung (3 f.)
Zu: „Merken wir nebenbei an, dass in der göttlich genannten Schöpfung, göttlich allein darin, dass sie sich auf die Benennung bezieht, das Bakterium nicht benannt wird, und dass es auch nicht benannt wird, als Gott, den Menschen verulkend, den als ursprünglich unterstellten Menschen, ihm vorschlägt, damit anzufangen, den Namen eines jeden Tierchens zu sagen. Von diesem ersten, man muss schon sagen, Stuss haben wir nur eine Spur, indem wir daraus schließen, dass Adam, wie es sein Name zur Genüge anzeigt – das ist eine Anspielung, das hier, auf die Funktion des Index bei Peirce –, dass Adam, gemäß des joke, den Joyce daraus macht, dass Adam natürlich eine M’Adam war, und dass er das Vieh nur in eben ihrer Sprache / in ihrer lalanguebenannt hat, das muss man gewiss annehmen, denn die, die ich l’Evie (E-V-I-E) nennen werde – l’Evie, die ich das Recht habe, so zu nennen, denn das heißt es auf Hebräisch, falls das Hebräische eine Sprache ist: die Mutter der Lebenden –, also l’Evie hatte sie sofort und ziemlich hängend, diese Sprache/Zunge, denn nach dem vermeintlichen Benennen durch Adam ist sie die erste Person, die sich ihrer bedient: um zur Schlange zu sprechen.“ (3 f.)
Benennung der Tiere in früheren Seminaren
Über die Benennung und den biblischen Mythos von der Benennung der Tiere spricht Lacan bereits in Seminar 2 von 1954/55, Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse.
„Die Macht, die Objekte zu benennen, strukturiert die Wahrnehmung selbst. Das percipi des Menschen vermag sich nur innerhalb einer Zone der Benennung zu halten. Durch die Benennung läßt der Mensch die Objekte in einer gewissen Konsistenz bestehen. Stünden sie nur in einer narzißtischen Beziehung zum Subjekt, dann würden die Objekte immer nur in instantaner Weise wahrgenommen. Das Wort, das Wort, welches benennt, ist das Identische. Das Wort entspricht nicht der räumlichen Distinktion des Objekts, die immer bereit ist, sich in einer Identifikation mit dem Subjekt aufzulösen, sondern seiner zeitlichen Dimension. Das Objekt, einen Augenblick konstituiert als ein dem menschlichen Subjekt Ähnliches, ein Double seiner selbst, zeigt dennoch einen gewissen Permanenzaspekt durch die Zeit hindurch, der nicht unendlich dauerhaft ist, denn alle Objekte sind vergänglich. Diese Erscheinung, die eine gewisse Zeit andauert, ist streng nur durch die Vermittlung des Namens erkennbar. Der Name ist die Zeit des Objekts.“137
Die Benennung stiftet die vorübergehende Dauer des Gegenstands, in der Sprache der Psychologie: die Objektkonstanz. Lacan fährt fort:
„Die Benennung konstituiert einen Pakt, durch den zwei Subjekte gleichzeitig übereinkommen, dasselbe Objekt zu erkennen (reconnaitre). Wenn das menschliche Subjekt – was, wie die Genesis sagt, im irdischen Paradies geschehen ist – nicht zunächst die Hauptgattungen benennt, wenn die Subjekte sich nicht über diese Erkenntnis (reconnaissance) verständigen, dann gibt es keine Welt, nicht einmal eine perzeptive, die länger als einen Augenblick haltbar wäre.“184
Die Benennung ist reconnaissance, zugleich Erkenntnis und Anerkennung. Die Subjekte kommen darin überein, dasselbe Objekt zu erkennen, sie vollziehen dabei eine wechselseitige Anerkennung in Bezug darauf, dass es bestimmte Objekte gibt. Der nächste Satz lautet:
„Da ist das Bindeglied, das Auftauchen der Dimension des Symbolischen im Imaginären.“184
Die Benennung ist hiernach im Überschneidungsbereich zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen zu verorten; in der Begrifflichkeit von Seminar 23 wäre dies das Feld des Sinns.
In Seminar 20 von 1972/73, Encore, heißt es:
„Ist das nicht etwas, das Ihnen erscheinen mag — wenn’s überhaupt so ist, daß laparesse [die Trägheit], die die Ihre ist, aufgeweckt werden könnte durch irgendeine Erscheinung — in der Genesis? Sie erzählt uns nichts anderes als die Schöpfung — aus nichts in der Tat — woraus? — aus nichts anderem als aus Signifikanten. Sobald diese Schöpfung auftaucht, artikuliert sie sich durch die Benamung dessen, was ist. Ist das nicht die Schöpfung in ihrem Wesen? Wenn Aristoteles nicht umhin kann zu sagen, daß, wenn es je etwas gegeben hat, es seit je war, daß es da war, geht es dann nicht, in der kreationistischen Idee, um die Schöpfung ausgehend von nichts, und also aus dem Signifikanten?“185
Die zeitliche Struktur ist hier unklar. Erste Lesart: Nach der Schöpfung aus dem Nichts durch Gott, aus nichts als Signifikanten, kommt es zur Benennung dessen, was ist. Zweite Lesart: Zusammen mit der göttlichen Schöpfung aus dem Nichts kommt es zur Benennung dessen was ist, beides fällt mehr oder weniger zusammen.
Benennung vs. Kommunikation
In Seminar 23 geht es in der Sitzung vom 18. November 1975 in der Passage über die Benennung der Tiere offenbar um den Unterschied zwischen drei Funktionen von Lalangue: Genießen, Benennen und Kommunikation.
In Seminar 21 heißt es: Der Signifikant unterscheidet sich vom Zeichen darin, dass wir mit dem Zeichen in einer objektivierten Welt Zirkulation herstellen können, das Zeichen ist das, was vom Sender zum Empfänger geht und das, was dem Empfänger das Zeichen des Senders gibt.186 Unter Kommunikation versteht Lacan demnach die Beziehung zum Anderen durch Zeichen: ein Zeichen repräsentiert etwas für jemanden.
In Seminar 22 wird die Benennung von der Kommunikation unterschieden:
„Benennung ist nicht Kommunikation. An dieser Stelle knüpft sich die Spreche (la parlotte) an etwas Reales.“187
Die Benennung bezieht das Symbolische demnach nicht auf das Imaginäre, wie es in Seminar 2 geheißen hatte, sondern auf das Reale.
Auf die Beziehung zum Realen verweist in zitierten der Passage aus Seminar 23 der Begriff „Index“. Peirce unterscheidet drei Zeichenfunktionen, ikonische, symbolische und indexikalische Zeichen; das indexikalische Zeichen bezieht sich auf den Referenten, in Lacans Terminologie: auf das Reale.188
Die Benennung „macht Loch“
Die Formulierung faire trou ohne Artikel, „Loch machen“, ist antiquiertes Französisch; heute gehört sie zum Jargon der Lacanianer.
In Seminar 22, RSI, heißt es:
„Die Benennung ist das einzige, von dem wir sicher sein können, daß es Loch macht.“189
„Loch“ ist eine der drei Kategorien, mit denen Lacan in Seminar 22, RSI, den borromäischen Knoten beschreibt: Konsistenz, Ex-sistenz und Loch. Konsistenz meint, dass eine Schnur in sich zusammenhält und auf diese Weise einen Ring bildet; die Ex-sistenz besteht darin, dass die Schnur-Ringe aneinanderstoßen, sich äußerlich sind, sich nicht durchdringen und auf diese Weise zusammenhalten; das Loch ist gewissermaßen das Innere des Schnur-Rings, das, wodurch man den Finger oder die Hand stecken kann; der Ring ist um ein Loch herum gebaut. Man muss also zwei Arten des Zusammenhalts unterscheiden: den Zusammenhalt einer Schnur oder eines Ringes in sich (Konsistenz) und den Zusammenhalt der Ringverkettung (Ex-sistenz).
Jeder der drei Ringe zeichnet sich aus durch Konsistenz, Ex-sistenz und Loch; es gibt also ein Loch im Imaginären, eines im Realen und eines im Symbolischen. Das Loch im im Ring des Imaginären repräsentiert die Körperöffnungen190, das Loch im Ring des Realen bezieht sich auf die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses191; das Inzestverbot ist insofern ein Loch, als die Verdrängung des Inzestverbots nicht aufgehoben werden kann, es ist „urverdrängt“, wie Freud sagt.[Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 9. Dezember 1973, hier; Version Miller S. 41; Übersetzung von Max Kleiner S. 33.]
Das Loch, das durch die Benennung erzeugt wird, ist, so nehme ich an, das Loch im Realen, die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses.
Der Vater als Benennender
Die Benennung wird von Lacan in Seminar 22 mit der Funktion des Vaters zusammengebracht. Mit dem Namen-des-Vaters (Lacans Version des Zusammenhangs von Ödipuskomplex, Inzestverbot und Kastrationskomplex) ist auch der Vater als benennender gemeint, heißt es dort.
Benennung und Symptom
Die Benennung wird in Seminar 22 auf das Symptom bezogen: Das Symptom ist eine Form der Benennung. Vgl. hierzu in Lacan entziffern den Artikel Vom Dreierknoten zum Viererknoten. Über die Verbindung zwischen dem RSI-Seminar und dem Sinthom-Seminar. Der Vortrag Joyce das Symptom bezog sich bereits mit dem Titel auf die Benennung: der Titel soll wie Joyces Name gelesen werden, erläutert Lacan in diesem Vortrag, also beispielsweise wie „Jack the Knife“. ↩
Sprechwesen (parlêtre) (4)
Zu: „Die sogenannte göttliche Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch l’Evie die serpent /serre-pan / Schlange zu dem macht, was Sie mir erlauben werden, die serre-fesses / Arschbacken-Klemme zu nennen, späterhin bezeichnet als Spalte oder besser als Phallus, da es ja einen solchen braucht, um das Faut-pas / den Faux-pas / das Darf-nicht /den falschen Schritt zu tun, die Schuld, mit der zu beginnen mein Sinthom sich auszeichnet. Sin bedeutet im Englischen: die Sünde, die erste Schuld.“ (4)
Parlêtre, „Sprechwesen“: ein von Lacan erfundener Neologismus, mit dem Doppelsinn von „sprechendes Wesen“ und (vom Sprechen der Eltern) „gesprochenes Wesen“. Der Terminus enthält den Begriff des Seins (être); das Sein des Menschen ist der durch das Sprechen hergestellte Bezug zur Sprache, darin besteht der Unterschied zu den anderen Tieren. Gemeint ist nicht „das auf das Sprechen reduzierbare Wesen“, sondern „das durch das Sprechen bestimmte Wesen“, also ein Wesen, das über die pure Signifikantenverkettung hinausgeht.
Der Mensch als Sprechwesen wird von der Sprache „parasitiert“.192 Sprechwesen ist der Mensch insofern, als auf seinen Körper Signifikanten einwirken: sowohl auf den realen Körper, den Körper als Ort des Genießens (der Erregungen), als auch auf den imaginären Körper, auf die Beziehung zum Körperbild. Die Einwirkung der Signifikanten transformiert sowohl die Erregungsabläufe als auch die Wirkungsweise des Körpersbildes.
Lacan verwendet den Ausdruck parlêtre zuerst in Seminar 22 von 1974/75, RSI, in der Sitzung vom 11. Februar 1975. In den von ihm veröffentlichten Texten findet man parlêtre ausschließlich in Joyce le Symptôme II, der für den Druck überarbeiteten Version des Joyce-Vortrags von 1975, die 1979 veröffentlicht wurde.193 ↩
faut-pas / Faux-pas, faute (4)
Zu: „Die sogenannte göttliche Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede, des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch l’Evie die serpent / serre-pan / Schlange zu dem macht, was Sie mir erlauben werden, die serre-fesses / Arschbacken-Klemme zu nennen, späterhin bezeichnet als Spalte oder besser als Phallus, da es ja einen solchen braucht, um das Faut-pas / den Faux-pas / das Darf-nicht /den falschen Schritt zu tun, die Schuld, mit der zu beginnen mein Sinthom sich auszeichnet. Sin bedeutet im Englischen: die Sünde, die erste Schuld.“ (4)
Der Phallus ist das Merkmal desjenigen, der das Verbot ausspricht, der das faut-pas sagt (il ne faut pas: „man darf nicht“, „das darf man nicht“), also des symbolischen Vaters.
Das Verbot ist die Bedingung für den Fehltritt (faux pas) – ohne Gesetz gäbe es keine Sünde.194
Die Übertretung ist die Bedingung für die Schuld und das Schuldgefühl.
Die Schuld ist die Voraussetzung für die Symptombildung, also für das, was das Thema des Seminars ist. ↩
Notwendiges, Unmögliches, Mögliches, Zufälliges (4)
Zu: „Von daher die Notwendigkeit – ich glaube doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits trapsen gehört haben –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte nicht aufhöre, welche sich stets vergrößert, außer sie erleidet das Aufhören der Kastration als ‚möglich‘. Dieses Mögliche, wie ich gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, das Komma nicht gesetzt zu haben, dieses Mögliche, habe ich früher gesagt, das ist das, was aufhört, geschrieben zu werden, aber man muss [im Französischen] das Komma setzen, es ist das, was dadurch aufhört, dass es geschrieben wird, oder vielmehr aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, im Fall, da endlich der Diskurs aufkäme, den ich als einen solchen beschrieben habe, der nicht über den Schein wäre.“ (4)
Notwendigkeit und Möglichkeit sind Kategorien der Modalität; zu den Modalkategorien gehören außerdem Existenz und Zufälligkeit (Kontingenz), sowie deren Negationen: vor allem Nicht-Notwendigkeit und Unmöglichkeit.
Modalkategorien werden in Urteilen über die Wahrheit von anderen Urteilen verwandt. Das andere Urteil sei p (p kann z.B. sein „Er liebt mich“), dann kann man folgende Urteile über dieses Urteil bilden: „Es ist notwendig, dass p“ („Es ist notwendig, dass er mich liebt“), „Es ist möglich, dass p“, „Es ist der Fall, dass p“, „Es ist zufällig/kontingent, dass p“ usw., sowie deren Negationen: „Es ist unmöglich, dass p“ usw.
Lacan hatte sich gefragt, wie sich die Modalkategorien von der Psychoanalyse aus darstellen. Eine erste Deutung findet man in Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse195, den Dreh- und Angelpunkt bildet hier die Formel „Das Reale ist das Unmögliche“.
In Seminar 23 bezieht Lacan sich auf seine Rekonstruktion der Modalkategorien in den Seminaren 20 (Encore, 1972/73) und 21 (Les non-dupes errent, 1973/74). Dort geht er vom französischen Wort „nécessité“ aus, Notwendigkeit. Es setzt sich zusammen aus „ne“, nicht, und „cesser“, aufhören. Die „nécessité“ ist also das, was nicht aufhört. Das ergibt eine erste Alternative: Ist es notwendig oder nicht notwendig? Anders gefragt: Hört etwas auf oder hört es nicht auf? Das bringt die Zeit ins Spiel; Lacan knüpft hier offenkundig an sein altes Projekt einer Logik der Zeit an.196
Ein zweiter Bezugspunkt ist, nach der Zeit, das „Schreiben“. Das Schreiben ist für Lacan diejenige Operation, durch die vom Symbolischen aus ein Bezug zum Realen hergestellt werden kann. Mathematik und Logik beruhen auf der Schrift; die schriftgestützten Verfahren der Logik und der Mathematik ermöglichen es, das zu bestimmen, was „unmöglich“ ist. Das logisch oder mathematisch Unmögliche ist für Lacan das Reale. Anders formuliert: das, was „nicht geschrieben werden kann“, ist das Reale.
Das Schreiben verweist außerdem auf den Begriff des Buchstabens. Ab Seminar 18 von 1971 (Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre) unterscheidet Lacan scharf zwischen dem Signifikanten und dem Buchstaben. Ein Signifikant hat einen Sinn, der entziffert werden kann (einen verdrängten Signifikanten); ein Buchstabe ist ein Element, das unmittelbar mit einem Genießen verknüpft ist.
Im nächsten Schritt verknüpft Lacan die beiden Alternativen, ob etwas aufhört oder nicht aufhört und ob etwas geschrieben wird oder nicht geschrieben wird. Die Verbindung erfolgt durch eine Vier-Felder-Matrix; hieraus ergeben sich vier Modalkategorien:
Das Schema hat einen bestimmten Bezugspunkt: es ist unmöglich, möglich, notwendig, zufällig, dass das sexuelle Verhältnis geschrieben wird.
Unmögliches:
-- ce qui ne cesse pas de ne pas s’écrire
-- das, was nicht aufhört, nicht geschrieben zu werden
-- intuitive Annäherung (RN): eine Schreibblockade – etwas, was geschrieben werden soll, kann hartnäckig nicht geschrieben werden;
-- Lacans Anwendung: vor allem das Geschlechterverhältnis. Anders gesagt: „Es gibt kein sexuelles Verhältnis.“ (Vgl. in Lacan entziffern den Artikel Die Formeln der Sexuierung.)
-- zuerst in Seminar 20, Version Miller/Haas u.a., S. 65
Notwendiges:
-- ce qui ne cesse pas de s’écrire
-- das, was nicht aufhört, geschrieben zu werden
-- intuitive Annäherung (RN): eine Schreibzwang – etwas muss zwanghaft immer wieder geschrieben werden, ohne dass sich das stoppen lässt
-- Lacans Anwendung: der Wiederholungszwang, das Symptom197
-- zuerst in Seminar 20, Version Miller/Haas u.a., S. 65
-- Entsprechung bei Freud: Wiederholungszwang
Zufälliges/Kontingentes
-- ce qui cesse de ne pas s’écrire
-- das, was aufhört, nicht geschrieben zu werden
-- intuitive Annäherung (RN): Auflösung einer Schreibblockade – etwas, was lange nicht geschrieben werden konnte, kann endlich geschrieben werden
-- Lacans Anwendung: die Kontingenz, den Penis zu haben; S1 als Herrensignifikant des phallischen Genießens, Grundlage der Liebe (Penis haben/nichthaben, also Phallus und Herrensignifikant verweisen auf die Vatermetapher; die Kontingenz ist also vermutlich die Metapher als Grundlage für die Entstehung von neuen Bedeutungen)
-- zuerst Seminar 20, S. 101, Grundlage der Liebe (Version Miller/Haas u.a., S. 158)
-- Entsprechung bei Freud: Aufdeckung des Unbewussten (nehme ich an)
Mögliches
-- ce qui cesse de s’écrire
-- was aufhört, geschrieben zu werden
-- intuitive Annäherung (RN): Auflösung eines Schreibzwangs – etwas, was beständig geschrieben werden musste, hört auf, geschrieben werden zu müssen
-- Lacans Anwendung: das Geschlechterverhältnis in Gesellschaften mit Initiation198, das Ende des mit dem Symptom verbundenen Wiederholungszwangs199
-- Entsprechung bei Freud: Beseitigung des Symptoms
Unmögliches und Notwendiges
-- intuitiv (RN): Unmögliches und Notwendiges sind zwei Formen der Nicht-Veränderung, des Nicht-Aufhörens: es lässt sich nicht abstellen, dass etwas immer wieder geschrieben wird (Notwendiges) bzw. dass etwas harntäckig nicht geschrieben werden kann (Unmögliches)
Zufälliges/Kontingentes und Mögliches
-- intuitiv (RN): Zufälliges/Kontingentes und Mögliches sind Formen der Veränderung, des Aufhörens
---- etwas, was nicht geschrieben werden konnte, kann endlich geschrieben werden (Zufälliges/Kontingentes); etwas, was hartnäckig geschrieben werden musste, kommt endlich zur Ruhe (Mögliches) ↩
Spalte, gespaltenes Subjekt (4)
Zu: „Von daher die Notwendigkeit – ich glaube doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits trapsen gehört haben –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte nicht aufhöre, welche sich stets vergrößert, außer sie erleidet das Aufhören der Kastration als ‚möglich‘.“ (4)
Lacan zufolge entsteht das Subjekt, mit dem die Psychoanalyse es zu tun hat, durch eine Spaltung, geschrieben als durchgestrichenes S (S barré), also $, für das sujet barré, das ausgesperrte Subjekt – das Subjekt, das von einem wesentlichen Teil von sich ausgesperrt ist, dem Unbewusstem – und das deshalb ein sujet divisé ist, ein gespaltenes Subjekt.
Die Spaltung ist nichts, was zum Subjekt hinzukommt – das Subjekt der Psychoanalyse wird durch die Spaltung konstituiert.
Der Begriff des gespaltenen Subjekts lässt sich auf die erste Freudsche Topik beziehen, auf die Spaltung in Bewusstes und Unbewusstes sowie auf den Zusammenhang von Verdrängung (oder Abwehr) und Wiederkehr des Verdrängten. Der Begriff verweist aber auch auf die zweite Topik, auf das Verhältnis zwischen der abwehrenden Instanz, dem Ich, und dem, was abgewehrt wird, dem Es; der Buchstabe S steht dann für das Es, das Durchstreichen des S, in Freuds Terminologie, für die Triebunterdrückung.
In Lacans Sicht besteht die Spaltung in der Teilung zwischen dem Ausgesagten (énoncé) und dem Äußerungsvorgang (énonciation), zwischen dem sinnorientierten Sprechen (énoncé) und den „Sprechen“ des Symptoms (énonciation), dessen Sinn dem Subjekt versperrt ist. Die Spaltung des Subjekts zeigt sich also im Symptom. Der Gegensatz zwischen diesen beiden Dimensionen des Sprechens, der sinnhaften Aussage und dem überraschenden Äußerungsvorgang, ist die Spaltung des Subjekts.
Mit dem Äußerungsvorgang (énonciation) ist, bezogen auf die psychoanalytische Kur, dasjenige Sprechen gemeint, auf das die Regel der freien Assoziation abzielt: die Bekundung des Unbewussten, etwa durch einen Versprecher oder einen überraschenden Einfall, also ein Sprechen, bei dem das Subjekt nicht weiß, was es tut.200
Im „Grafen des Begehrens“ wird das Ausgesagte durch die untere Signifikantenlinie dargestellt, der Äußerungsvorgang durch die obere.201
In L’étourdit formuliert Lacan es so:
„qu’on dise reste oublié derrière ce qui se dit dans ce qui s’entend.“202
„Dass man sagt, bleibt vergessen hinter dem, was gesagt wird in dem, was verstanden wird.“
Die Tatsache, dass man spricht – der Äußerungsvorgang (énonciation) – wird vergessen, durch die Wirkung dessen, was gesagt und verstanden wird, also des Ausgesagten (énoncé).
Durch die in Seminar 23 vorangehende Bemerkung über Schuld und Sünde wird die abwehrende Seite der Spaltung auf das Über-Ich bezogen. Das Ich, sagt Freud, führt seinen Abwehrkampf gegen bestimmte Triebregungen bisweilen im Auftrag des Über-Ichs.203 ↩
Kastration (4)
Zu: „Von daher die Notwendigkeit – ich glaube doch, wenn ich Sie in so großer Zahl sehe, dass es wohl einige gibt, die meine Nachtigall bereits trapsen gehört haben –, von daher die Notwendigkeit der Tatsache, dass die Spalte nicht aufhöre, welche sich stets vergrößert, außer sie erleidet das Aufhören der Kastration als ‚möglich‘.“ (4)
Lacan verwendet den Ausdruck „Kastration“ in zwei Bedeutungen. Zum einen ist damit der Verlust an Genießen gemeint, der durch die Sprache erlitten wird, entsprechend Freuds Vorstellung von der Einschränkung des libidinösen Körpers auf wenige Libidozonen. Zum anderen verwendet er „Kastration“ als Kürzel für das Akzeptieren dieses Verlusts, für seine Annahme, Aufsichnahme (assomption); diese Übernahme erfolgt die durch die Symbolisierung der Kastration des Anderen. An dieser Stelle ist die zweite Bedeutung gemeint. Durch das Akzeptieren der Kastration des Anderen ist es möglich, den Bann des Wiederholungszwangs zu brechen: er hört auf, geschrieben zu werden. ↩
Schreiben (4)
Zu: „Dieses Mögliche, wie ich gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, das Komma nicht gesetzt zu haben, dieses Mögliche, habe ich früher gesagt, das ist das, was aufhört, geschrieben zu werden, aber man muss (im Französischen) das Komma setzen, es ist das, was dadurch aufhört, dass es geschrieben wird, oder vielmehr aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, im Fall, da endlich der Diskurs aufkäme, den ich als einen solchen beschrieben habe, der nicht über den Schein wäre.“ (4)
Die ausführlichste Darstellung des späten Lacan zum Begriff des Buchstabens findet man ihn seinem Aufsatz Lituraterre (1971); vgl. die Übersetzung in Lacan entziffern hier.
Der Buchstabe wird in Lituraterre funktional bestimmt: ein Buchstabe ist das, was den Schein auflöst. Im Diskurs der Wissenschaft sind dies die Buchstaben im üblichen Sinne des Wortes, und zwar speziell die Symbole der physikalischen Formeln. Im Diskurs der Psychoanalyse hat diese scheinauflösende Funktion das Objekt a, die Mehrlust, und insofern funktioniert das Genießen hier als Buchstabe. Auch der symbolische Phallus löst den Schein auf, er ist also Buchstabe. ↩
Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre (4)
Zu: „Dieses Mögliche, wie ich gesagt habe, ohne dass Sie es bemerkt hätten, zumal auch ich keineswegs bemerkt habe, das Komma nicht gesetzt zu haben, dieses Mögliche, habe ich früher gesagt, das ist das, was aufhört, geschrieben zu werden, aber man muss [im Französischen] das Komma setzen, es ist das, was dadurch aufhört, Komma, dass es geschrieben wird, oder vielmehr aufhören würde, diesen Weg zu nehmen, im Fall, da endlich derjenige Diskurs aufkäme, den ich als einen solchen beschrieben habe, der nicht vom Schein wäre. (4)
Anspielung auf den Titel von Seminar 18 von 1971, D’un discours qui ne serait pas du semblant, „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“. In den Diskursformeln, die Lacan in Seminar 17 von 1969/70 entwickelt (Die Kehrseite der Psychoanalyse), ist der Platz oben links derjenige des Agenten und der Platz unten links der der (verborgenen) Wahrheit. Der Platz des Agenten ist der dominante Platz, von dem aus der Diskurs kontrolliert wird oder besser: zu kontrollieren versucht wird.204 In Seminar 18 bezeichnet er den Platz oben links als den des Scheins.205 Damit beziehen sich die beiden linken Plätze auf die klassische Opposition von Wahrheit und Schein. Alle vier Diskursarten gehen also vom Schein aus und sind in diesem Sinne „vom Schein“.
Der Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist vermutlich der von Lacan angezielte Diskurs der Psychoanalyse. Im Mittelpunkt dieses Diskurses steht, dass es kein Geschlechtsverhältnis gibt.
Der Begriff „Schein“ (semblant) meint eine imaginäre Figuration, die den Mangel im Anderen kaschiert. Im Feld der Psychoanalyse bezieht sich der Mangel im Anderen auf das sexuelle Verhältnis – es gibt im Unbewussten keinen Signifikanten, der die Anziehung durch das biologische Gegengeschlecht herbeiführt. Das Fehlen des sexuellen Verhältnisses wird durch die geschlechtsspezifische Kleidung, den geschlechtsspezifischen Habitus usw. kaschiert, die damit die Funktion des Scheins übernehmen. ↩
Wahrheit (4)
Zu: „Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Könnens wird, des Savoir-faire?“ (4)
Wahrheit bezieht sich, Lacan zufolge, auf Sinn:
„Wahr ist nur, was einen Sinn hat.“206
Wahrheit wird von Lacan häufig prozesshaft verstanden, als Geschehen, als Vorgang der Enthüllung, als Entbergen, wie Heidegger es nennt. Das Wahrheitsgeschehen besteht darin, dass durch das Sprechen ein verborgener Sinn enthüllt wird, d.h. Signifikanten, die dadurch, dass sie verdrängt sind, die Funktion von Signifikaten haben.
Wahrheit als die Enthüllung von verborgenen Signifikanten ist eines der Ziele der psychoanalytischen Behandlung. Die verdrängten Signifikanten zeigen sich jedoch bereits unabhängig davon im Symptom. Das Symptom ist, wie Freud sagt, Wiederkehr des Verdrängten, mit Lacan: es besteht aus Signifikanten, die zu den verdrängten und aufzudeckenden Signifikanten in Verbindung stehen.
Das Symptom, schreibt Lacan im Jahr 1966, repräsentiert
„die Wiederkehr der Wahrheit als solcher im Riss eines Wissens„207.
Das Symptom repräsentiert die Wiederkehr des Verdrängten (das Verdrängte ist die verborgene Wahrheit).
Und weiter:
„Das Symptom wahrte dadurch eine Unschärfe, dass es einen gewissen Einbruch einer Wahrheit repräsentiert. In Wirklichkeit ist es dadurch Wahrheit, da es aus demselben Holz geschnitzt ist, aus dem sie geschnitzt ist, wenn wir materialistisch setzen, dass die Wahrheit das ist, was aus der signifikanten Kette errichtet wird.“208 ↩
Wissen, Können, Savoir-faire (4)
Zu: „Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Könnens wird, des Savoir-faire?“ (4)
Lacan versteht unter savoir, Wissen (von ihm mit S2 symbolisiert):
(a) Signifikantenverknüpfungen, im einfachsten Fall ein Signifikantenpaar,
(b) Wissen (das auf Signifikantendifferenzen beruht),
(c) Savoir-faire, also Können, Know-how, in Freuds Terminologie: Technik,
(d) im Feld der Psychoanalyse: das Unbewusste.209 ↩
Die Wahrheit lässt sich nur halbsagen (4)
Zu: „Aber sie [die Wahrheit] wird dann nur halbgesagt werden, sich in einem S Index 1 (S1) des Signifikanten verkörpern, da, wo es mindestens zwei braucht, damit [daraus] die Einzigartige Die-Frau [erscheint], die jemals gewesen ist – mythisch in dem Sinn, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat: es handelt sich um Eva, von der ich gerade gesprochen habe – damit die einzigartige Die-Frau [erscheint], die jemals unbestreitbar besessen worden ist, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hat, dem der Wissenschaft.“ (4)
Die Sentenz bezieht sich auf die Deutung durch den Analytiker und hat den Charakter einer technischen Empfehlung. Der Psychoanalytiker soll berücksichtigen, dass, wenn er eine Wahrheit vorbringt, die Wahrheit sich zugleich entzieht (vgl. hierzu in Lacan entziffern den Artikel „Die Wahrheit lässt sich nur halbsagen.“).
Als Antwort auf dieses Problem empfiehlt Lacan den Analytikerinnen, ihre Deutungen in Form von Rätseln und von Zitaten vorzubringen; von Rätseln: von mehrdeutigen Formulierungen; von Zitaten: von Wiederholungen der Äußerungen des Patienten.210
Das Sagen der Wahrheit stößt auf eine Grenze, und diese Grenze ist das Genießen.
Die Wahrheit lässt sich nur halbsagen – diese These formuliert Lacan zuerst in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse. In den von Lacan veröffentlichten Texten erscheint der Begriff des Halbsagens zuerst in Lacans Vorwort zu Anika Rifflet-Lemaires Buch Jacques Lacan, Brüssel 1970. Der psychoanalytische Diskurs ist
„lehrbar, jedoch ausgehend von einem Halbsagen, nämlich der Technik, die berücksichtigt, dass die Wahrheit immer nur zur Hälfte gesagt wird. Dies setzt voraus, dass der Psychoanalytiker sich immer nur in einem asymptomatischen Diskurs manifestiert, was ja auch das mindeste ist, was man davon erwartet.“211 ↩
S1, Herrensignifikant (4)
Zu: „Aber sie wird dann nur halbgesagt werden, sich in einem S Index 1 (S1) des Signifikanten verkörpern, da, wo es mindestens zwei braucht, damit [daraus] die Einzigartige Die-Frau [erscheint], die jemals gewesen ist – mythisch in dem Sinn, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat: es handelt sich um Eva, von der ich gerade gesprochen habe – damit die einzigartige Die-Frau [erscheint], die jemals unbestreitbar besessen worden ist, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hat, dem der Wissenschaft. (4)
S1 ist Lacans Kürzel für den Signifikanten, um den ein bestimmter Diskurs kreist. Das Symbol S1 wird, in dieser speziellen Funktion, in Seminar 16 eingeführt und dem Herrn, „maître“, zugeordnet212; in Seminar 17 wird der S1 erstmals als „signifiant maître“ bezeichnet, als Herrensignifikant.213 Er wird hier mit dem point de capiton gleichgesetzt, dem Polsterstich oder Stepppunkt aus Seminar 3.214
In der Psychoanalyse ist der Herrensignifikant der urverdrängte Signifikant, um den das Unbewusste (S2) kreist. In Seminar 16 von 1968/69, Von einem Anderen zum anderen, wird S1 mit dem symbolischen Phallus gleichgesetzt215, so auch in Seminar 22, Sitzung vom 11 März 1975: der Herrendiskurs macht den Phallus zum S1216 – der symbolische Phallus ist der immer fehlende Signifikant217, also das Urverdrängte. ↩
Es braucht mindestens zwei Signifikanten (4)
Zu: „Aber sie wird dann nur halbgesagt werden, sich in einem S Index 1 (S1) des Signifikanten verkörpern, da, wo es mindestens zwei braucht, damit [daraus] die Einzigartige Die-Frau [erscheint], die jemals gewesen ist – mythisch in dem Sinn, dass der Mythos sie einzigartig gemacht hat: es handelt sich um Eva, von der ich gerade gesprochen habe – damit die einzigartige Die-Frau [erscheint], die jemals unbestreitbar besessen worden ist, da sie von der Frucht des verbotenen Baumes gekostet hat, dem der Wissenschaft. (4)
Die Frage nach der minimalen Signifikantenkopplung, durch die das Subjekt entsteht, beschäftigt Lacan seit dem Aufsatz Über einer Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht von 1957. Hier heißen die beiden Ursignifikanten „Begehren der Mutter“ und „Name-des-Vaters“.
In Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, entwickelt Lacan die Idee, dass es eine ursprüngliche Signifikantenkopplung gibt, die darin besteht, dass das Subjekt im Feld des Andern von einem unären Signifikanten für den binären Signifikanten repräsentiert wird; der binäre Signifikant ist die Vorstellungsrepräsentanz, der zentrale Punkt der Urverdrängung, er bewirkt die Aphanisis (das Verschwinden) des Subjekts.218
Ab Seminar 16 von 1968/69 werden die beiden Mindest-Signifikanten als S1 und S2 bezeichnet219, S2 wird „Wissen“ genannt220; ab Seminar 17 wird S1 als Herrensignifikant bezeichnet.221
S2 oder Wissen steht für eine Beziehung zwischen mindestens zwei Signifikanten (so in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse) – Wissen ist ein Differenzsystem.
Die Beziehung zwischen S2 und S1 ist die Form der Totalisierung im Symbolischen: eine Reihe von Elementen (S2), die in Beziehung zu einem Ausnahmeelement (S1) steht. ↩
Sokrates ist unsterblich
Zu: „Die l’Evie also ist nicht sterblich, mehr noch als Sokrates.“ (4)
Eva ist unsterblich, unsterblicher noch als Sokrates. Sokrates ist demnach keineswegs sterblich, sondern unsterblich.
Lacan bezieht sich hier auf den berühmten Syllogismus:
– Wenn dies wahr ist: Alle Menschen sind sterblich.
– Und wenn dies wahr ist: Sokrates ist ein Mensch.
– Dann ist auch dies wahr: Sokrates ist sterblich.
In Seminar 8 von 1960/61, Die Übertragung, spricht Lacan über das Todesbegehren von Sokrates222: Sokrates ist sich gewiss, dass er unsterblich ist. Sein Begehren ist „atopisch“, ortlos, d.h. nicht einzuordnen, rätselhaft. Dieses Begehren richtet sich darauf, nach dem Tode im Hades beständig weiterzudiskutieren. Es stützt sich also darauf, dass die Kohärenz des Signifikanten zu einem absoluten Wert erhoben wird, möglicherweise zum ersten Mal in der Geschichte.
In Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, befasst Lacan sich ausführlich mit der Proposition „Sokrates ist sterblich“ (vgl. in Lacan entziffern die Übersetzungen in J. Lacan: Über den Eigennamen. Zweiter Teil).
DIE Frau ist ein anderer Name für Gott (4 f.)
Zu: „DIE Frau, um die es geht, ist ein weiterer Gottesname, und insofern existiert sie nicht, wie ich es schon häufig gesagt habe.“ (4 f.)
Diese These wird in Seminar 20, 1973, Encore, vorgetragen. Gott ist ein Name für die Vollkommenheit, für die Vollständigkeit (vgl. die Gottesprädikate „All-Wissen“, „All-Macht“, „All-Güte“ usw.). Der Name Gottes, der auch „DIE Frau“ ist, wird von Lacan auch als Name-des-Vaters bezeichnet. In Seminar 22, RSI, heißt es:
„Ich beharre nicht darauf und ich verfolge weiter, was es mit dem Namen-des-Vaters auf sich hat, um ihn auf seinen Prototyp zurückzuführen und zu sagen, dass Gott – Gott in der Ausarbeitung, die wir diesem Symbolischen, diesem Imaginären und diesem Realen geben –, Gott ist Die-Frau, ‚alle‘ gemacht.“223
Der symbolische Vater (auf dem die Gottesvorstellung aufbaut) ist derjenige, der dem Mythos von Totem und Tabu zufolge alle Frauen genießt, der sich also nicht von bestimmten Frauen angezogen fühlt, sondern von der Frau schlechthin, der sich also auf DIE Frau bezieht.
„Die“ Frau ist für Lacan auch die Frau, an die man glaubt, im Gegensatz zu „eine Frau“. Es geht hier um den Unterschied zwischen „jemandem glauben“ und „an jemanden glauben“. „Eine“ Frau ist diejenige, der man glaubt oder auch nicht. „Die“ Frau ist diejenige, an die man glaubt. Diejenige, an die man glaubt (im Unterschied zu: diejenige, der man glaubt), ist in der Position Gottes, d.h. der mit einer Wahrheitsgarantie ausgestatteten Anderen.139 ↩
DIE Frau existiert nicht (4 f.)
Zu: „DIE Frau, um die es geht, ist ein weiterer Gottesname, und insofern existiert sie nicht, wie ich es schon häufig gesagt habe.“ (4 f.)
„DIE Frau existiert nicht“: Ein Thema Lacans seit Seminar 18 von 1970/71, Von einem Diskurs, der nicht über den Schein wäre. Statt „DIE Frau existiert nicht“ heißt es auch „Die Frau ist nicht-alle“, eben dies wird von den Formeln der Sexuierung dargestellt (rechte Seite des Schemas). Die Formeln wurden zuerst in der Sitzung vom 12. Januar 1972 vorgestellt.224 ↩
Aristoteles will nicht, dass das Einzelne in seine Logik hineinspielt (5)
Zu: „Hier bemerkt man die gewiefte Seite von Aristoteles, der nicht will, dass das Einzelne in seine Logik hineinspielt.“ (5)
In der Logik unterscheidet man drei Arten von Urteilen:
– Urteile über Alles = universale Urteile, z.B. „Alle Menschen sind sterblich“.
-- Urteile über Einiges = partikulare Urteile, z.B. „Einige Menschen sind sterblich“.
– Urteile über Einzelnes = singuläre Urteile, z.B. „Sokrates ist sterblich“.
Partikulare und singuläre Urteile werden nicht immer unterschieden; an dieser Stelle verwendet Lacan „singulär“ offenbar für „partikular“, seine These scheint also zu lauten: Aristoteles will nicht, dass partikulare Urteile in seine Logik hineinspielen.
Den Hintergrund dieser Bemerkung erläutert Miller in den Anmerkungen zur offiziellen Ausgabe des Seminars.225 Demnach bezieht Lacan sich auf den Anfang von Aristoteles’ Erster Analytik; außerdem erfährt man von Miller, dass Lacan sich für die Deutung der Aristoteles-Stelle auf einen Artikel von Jacques Brunschwig bezieht.226
Miller weist darauf hin, dass Lacan mit diesem negativen partikularen Urteil entgegengesetzt verfährt wie Aristoteles. Während Aristoteles das partikulare Urteil zurückweist, baut Lacan auf ihm auf. Er bildet seinen negativen All-Quantor „nicht-alle“ ausgehend vom negativen partikularen Urteil: „Es gibt nicht ‚alle Frauen‘ “, es gibt kein weibliches Universales, es gibt nicht DIE Frau. ↩
nicht alle, mē pantes (5)
Zu: „Von daher meine Formulierung, die ich, wenn ich so sagen darf, zu Ihrem Gebrauch noch einmal wasche, indem ich mich des μη παντες (mē pantes, nicht alle) bediene, das ich im Organon aufgegriffen habe, wo es mir übrigens nicht gelungen ist, es wiederzufinden, wo ich es aber doch wirklich gelesen habe, und sogar meine Tochter, die hier anwesend ist, hat es angestrichen, und sie hat mir geschworen, dass sie wiederfinden wird, an welcher Stelle das war, dieses μη παντες (mē pantes), als der durch Aristoteles beiseitegeschobene Gegensatz zur Allgemeinaussage des πας (pas, dt.: alles). Die Frau ist nur alle in der Gestalt, deren Äquivok seinen Reiz aus der unsrigen Sprache zieht, in Gestalt des „mais pas ça“ (nur das nicht / nur es nicht), wie man sagt: Alles, nur das nicht!“ (5)
Das Organon ist eine Schrift von Aristoteles; eines der sechs Bücher des Organon ist die Erste Analytik. Die von Lacan gesuchte Stelle findet sich am Anfang der ersten Analytik. In Zekls Übersetzung liest sie sich so:
„Was verstehen wir unter ‚über alles oder von keinem ausgesagt werden‘? Vorgegebener Satz ist also eine Rede, die etwas von etwas bejahend oder verneinend aussagt. Diese erfolgt entweder in der Allform oder in der Teilform oder ist (in der Hinsicht) unbestimmt. Mit ‚Allform‘ meine ich: Entweder allem oder keinem zukommen, mit ‚Teilform‘: Einigem oder einigem nicht oder nicht allem (mē panti) zukommen, ‚unbestimmt‘: Zukommen oder Nicht-Zukommen ohne Zusatz der All- oder Teilaussage, z. B. der Satz: ‚Gegensätze sind Gegenstand eines und desselben Wissens‘ oder: ‚Lust ist nicht ein Gut‘.“ (Erste Analytik, 1. Buch, 24 a, 15-22)227
Meine Beispiele zur Erläuterung (ich wähle ein absurdes Beispiel, damit die formale Struktur deutlicher hervortritt):
– Allform: z.B. die Aussage „Alle Menschen sind sterblich“ oder „Kein Mensch ist sterblich“ (positives oder negatives universales Urteil).
– Teilform: z.B. „Einige Menschen sind sterblich“ oder „Einige Menschen sind nicht sterblich“ oder „Nicht alle Menschen sind sterblich“ (positives oder negatives partikulares Urteil).
– Unbestimmt: z.B. „Menschen sind sterblich“ oder „Menschen sind nicht sterblich“. Die Quantität – ob alle oder einige – ist unbestimmt.
Die von Lacan gesuchte Formulierung lautet also nicht „mē pantes“, sondern „mē panti“; sie findet sich in der Ersten Analytik, dort im ersten Buch, 24a, 19. ↩
Alles, nur das/es nicht (5)
Zu: „Von daher meine Formulierung, die ich, wenn ich so sagen darf, zu Ihrem Gebrauch noch einmal wasche, indem ich mich des μη παντες (mē pantes, nicht alle) bediene, das ich im Organon aufgegriffen habe, wo es mir übrigens nicht gelungen ist, es wiederzufinden, wo ich es aber doch wirklich gelesen habe, und sogar meine Tochter, die hier anwesend ist, hat es angestrichen, und sie hat mir geschworen, dass sie wiederfinden wird, an welcher Stelle das war, dieses μη παντες (mē pantes), als der durch Aristoteles beiseitegeschobene Gegensatz zur Allgemeinaussage des πας (pas, dt.: alles). Die Frau ist nur alle in der Gestalt, deren Äquivok seinen Reiz aus der unsrigen Sprache zieht, in Gestalt des „mais pas ça“ (nur das nicht / nur es nicht), wie man sagt: Alles, nur das nicht!“ (5)
Zu: „Es ist das ‚mais pas ça‘ (nur das nicht / nur es nicht / aber nicht Es), was ich in diesem Jahr mit meinem Titel als das Sinthom einführe.“ (5)
„Alles“ steht für die Totalität, „nur das nicht“ für die Ausnahme. Die Totalität stützt sich auf eine Ausnahme, auf etwas Ausgeschlossenes. Das entspricht den Formeln der Sexuierung aus Seminar 19 und 20 (siehe links), und zwar der linken Seite der Tabelle, der Seite des Mannes. Das „alles“ findet man in der unteren Zeile (das umgedrehte A steht für „alle“ („für alle x gilt, dass sie der phallischen Funktion unterworfen sind“). Das „nur das nicht“ entspricht der oberen, das umgekehrte E meint „Es gibt“, „Es existiert“ („Es gibt ein x, für das gilt, dass es nicht der phallischen Funktion unterworfen ist“).
Im Sokratesbeispiel ist „Alles“ der von Sokrates akzeptierte streng geregelte Diskurs, das Definitionsfragespiel, das mit einer Was-ist-Frage beginnt, beispielsweise mit der Frage: Was ist Tapferkeit? und bei dem Sokrates die Gesprächsteilnehmer in Widersprüche zu verwickeln versucht. Das „nur das nicht“ bezieht sich auf das Sprechen seiner Frau, Xanthippe. Ein Dialogsystem wie das Sokrates Zugeschriebene konstituiert sich durch eine Ausschließung, in diesem Fall: durch die Ausschließung des Wehklagens der Frauen.
Tout, mais pas ça, Alles, nur das/es nicht.– Ça ist die französische Übersetzung von Freuds „Es“. Das Alles (die Totalisierung des Symbolischen, das heißt die Bindung des Symbolischen an die imaginäre Figur der Ganzheit) konstituiert sich durch einen Ausschluss. Der Ausschluss betrifft das Es, den Trieb, das Reale. Das Symptom ist eine Ersatzbefriedigung, sagt Freud228, also eine Befriedigung des Es (ça), die vom Ich – von der Instanz der imaginären Totalisierung – zurückgewiesen wird. ↩
Sinthome / Saint Thome / saint homme (5)
Zu: „Es gibt im Moment für die Instanz des Buchstabens, wie sie sich gegenwärtig abzeichnet – und erhoffen Sie nichts Besseres, wie ich gesagt habe, was davon noch wirksamer sein wird, wird nicht mehr tun, als das Sinthom zu verschieben oder es gar vervielfachen – für die gegenwärtige Instanz also gibt es das Sinthom-masvonaquin, das ich schreibe, wie Sie möchten, M A S V O N A Q U I N nach Sinthom. Sie wissen, dass Joyce sich ziemlich über diesen heiligen Mann / dieses Sinthom absabberte.“ (5)
Die drei Ausdrücke „sinthome“, „Saint Thome“ und „saint homme“ sind homophon, was in der Übersetzung nicht nachgebildet werden kann.
– sinthome: Sinthom; alte Schreibweise von symptôme, Symptom
– Saint Thome: Heiliger Thom; Lacans Abkürzung für „heiliger Thomas“ (im Französischen heißt er in der Regel Saint Thomas)
– saint homme: heiliger Mensch/Mann
„Sinthome madaquin“ (wörtlich: „masvonaquinsches Sinthom“) ist homophon mit „Saint Thomas d’Aquin“ (Heiliger Thomas von Aquin).
Die Schreibweise „sinthome“ ermöglicht es Lacan, eine Verbindung herzustellen zwischen dem Symptom und der Idealisierung des Vaters, dem Vater als saint homme, eine Funktion, die im Falle von Joyce von Thomas von Aquin übernommen wird.
Die Idealisierung des Vaters oder allgemein des Anderen ist die Grundlage der Neurose und also die Ursache des Symptoms.
„Die absolut grundlegende Triebfeder der Neurose ist, nicht zu wollen, dass der Andere kastriert ist.“229
Über den Psychoanalytiker als Heiligen hatte Lacan sich 1973 in Television geäußert.230 ↩
Das Symptom ist eine Weise, die Wahrheit anzugehen (6)
Zu: „Man muss den Weg wählen, auf dem die Wahrheit anzugehen ist. Dies umso mehr, als die Wahl, einmal getroffen, niemanden daran hindert, sie der Überprüfung zu unterziehen, das heißt, auf die gute Weise häretisch zu sein, welche, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es logisch zu benutzen, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wo er dann genug hat.“ (6)
Im Symptom äußert sich das Begehren, es zeigt die Wahrheit über das Subjekt.
In einem Text von 1966 schreibt Lacan:
„Der Signifikant hat nur Sinn durch seine Beziehung zu einem anderen Signifikanten. Auf dieser Artikulation beruht die Wahrheit des Symptoms. Das Symptom hat die Unbestimmtheit bewahrt, einen Einbruch der Wahrheit zu repräsentieren. Tatsächlich ist es Wahrheit, da es aus demselben Holz gemacht ist, aus der sie gemacht ist, wenn wir materialistisch annehmen, dass die Wahrheit das ist, was von der Signifikantenkette eingesetzt wird.“231 ↩
Mit der Logik kommt man zum Realen (6)
Zu: „Man muss den Weg wählen, auf dem die Wahrheit anzugehen ist. Dies umso mehr, als die Wahl, einmal getroffen, niemanden daran hindert, sie der Überprüfung zu unterziehen, das heißt, auf die gute Weise häretisch zu sein, welche, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es logisch zu benutzen, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wo er dann genug hat.“ (6)
Für Lacan gibt es vom Symbolischen aus einen Zugang zum Realen: nicht über den Sinn, sondern über die Logik. Das Reale ist das Unmögliche, wie es ab Seminar 9 heißt, und das Unmögliche kann mit den Mitteln der Logik bestimmt werden; das Reale kann in logischen Formeln geschrieben werden, auf dem Weg über die Sackgasse der Formalisierung, d.h. durch das, was sich in einer Formalisierung als Sackgasse erweist.232 Das ist das von Lacan in den Seminaren 18 und 19 verfolgte Projekt. Die „Sackgasse der Formalisierung“ ist der Widerspruch, der nur in der Logik präzisierbar ist. Die Logik, die Lacan im Sinn hat, ist vor allem eine Logik der Unentscheidbarkeit.
„Was wichtig ist, was das Reale konstituiert, ist dies, dass durch die Logik etwas geschieht, wodurch nicht etwa bewiesen wird, dass zugleich p und nicht-p falsch sind, sondern dass weder das eine noch das andere logisch auf irgendeine Weise verifiziert werden können.“233
Vgl. vorher in dieser Sitzung von Seminar 23 die Bemerkung, er, Lacan, habe ausgesprochen, was dem Gestammel der Freud-Schüler „in guter Logik“ entnommen werden konnte und dass niemand von ihnen dem Weg der „guten Logik“ gefolgt sei234. ↩
Phallus (7)
Zu: „Der Phallus ist die Zusammenfügung dieses Parasiten, wie ich ihn genannt habe, also des fraglichen Stückchen Schwanz, er ist die Zusammenfügung von diesem mit der Funktion des Sprechens.“ (7)
Der „Phallus” ist für Lacan eine „Zusammenfügung“, eine Montage, zwischen etwas Realem – dem auf den Penis bezogenen Genießen – und der Funktion des Sprechens. ↩
Diskurs der Universität (7)
Zu: „Nur an der Universität gibt es Joycianer, um seine Häresie52 zu genießen.“ (7)
Lacan bezieht sich hier indirekt und später direkt auf die Lehre von den vier Diskursen, die er zuerst in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse, entwickelt hatte; einer dieser Diskurse ist der Diskurs der Universität.
Grundlage von Lacans Diskurs-Formeln ist eine Vier-Felder-Matrix. Die beiden Spalten stehen für zwei Akteure, die linke für denjenigen, der als Agent des jeweiligen Diskurses auftritt und nach dem der Diskurs benannt wird. Die rechte Spalte repräsentiert den Adressaten des Diskurses. Die obere Zeile steht für die bewusste Ebene, die untere für die unbewusste.Die Bezeichnungen der Spalten findet man nicht bei Lacan (er hat hierfür keine speziellen Termini), ich habe sie deshalb in eckige Klammern gesetzt.
Die vier Plätze des Schemas werden von Lacan als der des Agenten, der des Anderen, der der Wahrheit und der der Produktion bezeichnet. Ihr Zusammenhang ist so zu lesen: Der Agent bezieht sich auf einen Anderen, einen Adressaten. Dabei stützt sich der Agent auf eine unbewusste Wahrheit, auf eine Wahrheit, die ihm entgeht. Die Beziehung des Agenten zum Anderen führt dazu, dass der Andere etwas produziert; diese Produktion ist unbewusst.
Lacan unterscheidet in Seminar 17 vier Diskurse: den Diskurs des Herrn, den Diskurs des Hysterikers, den Diskurs des Analytikers und den Diskurs der Universität. Im Diskurs des Herrn steht die linke Spalte für den Herrn, die rechte – in Hegelscher Terminologie – für den Knecht. Im Diskurs des Hysterikers repräsentiert die linke Seite den Hysteriker, die rechte den Herrn. Im Diskurs des Analytikers steht die linke Seite für den Analytiker, die rechte für den Patienten (der Patient erscheint also zweimal, im Diskurs des Hysterikers als Agent, im Diskurs des Analytikers als Anderer). Im Diskurs des Universität steht die Universität (links) den Studierenden (rechts) gegenüber.
Die vier Plätzen sind Orte, die von vier Elementen besetzt werden. Diese Elemente sind S1, S2, a und $.
S1 der Herrensignifikant. Psychoanalytisch gesehen, geht es um die symbolische Identifizierung und das Ichideal.
S2 steht für das Wissen, mit der zwei ist die Verbindung von (mindestens) zwei Signifikanten gemeint. Im Register der Psychoanalyse ist dies das Unbewusste, in der Begrifflichkeit der Umgangssprache das Wissen in seinen beiden Formen, als knowing that und als knowing how, als Können und abfragbares Faktenwissen.
a ist das Objekt a, die Mehrlust, das Mehrgenießen (plus-de-jouir), das Partialobjekt als Symbol für das Genießen, dass durch die Einwirkung der Sprache verlorengegangen ist, und auf sich der Versuch stützt, da Verlorene wiederzugewinnen (Objekt a als Ursache des Begehrens).
$ ist das gespaltene Subjekt. Psychoanalytisch geht es, mit Freud, um die Spaltung in Bewusstes und Unbewusstes, mit Lacan in die Spaltung in, einerseits, das Ausgesagte (énoncé), das sinnorientierte Sprechen, und, andererseits, den Äußerungsvorgang (énonciation), das Symptom, die freie Assoziation, den Versprecher, die Fehlleistung.
Diese vier Elemente haben eine feste Reihenfolge: S1, S2, a, $. Sie sind kreisförmig angeordnet, nach $ geht es also mit S1 weiter. Hieraus ergeben sich die vier Diskurse:
Beginnt man mit dem Diskurs des Herrn und dreht die vier Elemente um eine Vierteldrehung im Uhrzeigersinn, kommt man zum Diskurs des Hysterikers. Durch Wiederholung der Operation ergibt sich der Diskurs des Analytikers, dann der Diskurs der Universität und schließlich wieder der Diskurs des Herrn. ↩
Als Waffe gegen das Symptom haben wir nur die Mehrdeutigkeit (9)
Zu: „Denn letztlich haben wir als Waffe gegen das Symptom nur dies: die Mehrdeutigkeit.“ (9)
In Seminar 21 von 1973/74, Les non-dupes errent, sagt Lacan:
„Das signans ist insofern von Belang, als es uns die Möglichkeit gibt, in der Analyse zu operieren, zu lösen, auch wenn wir, wie alle anderen, nur einen Gedanken auf einmal haben können, uns aber in diesen Zustand zu versetzen, der schamhaft als ‚freischwebende Aufmerksamkeit‘ bezeichnet wird, der bewirkt, dass genau dann, wenn hier der Partner, der Analysierende (l’analysant) einen Gedanken aussendet, wir davon einen ganz anderen haben können; das ist ein glücklicher Zufall, aus dem ein Blitz aufschießt. Und genau von daher kann die Deutung vorgenommen werden, d.h. aufgrund der Tatsache, dass wir eine freischwebende Aufmerksamkeit haben, hören wir das, was er gesagt hat, manchmal einfach aufgrund einer Art Äquivokation, d.h. einer materiellen Äquivalenz; wir bekommen mit, dass das, was er gesagt hat, wir bekommen es mit, weil wir dem ausgesetzt sind, dass das, was er gesagt hat, ganz anders verstanden werden konnte. Und genau dadurch, dass wir ihn ganz anders verstehen, ermöglichen wir es ihm, mitzubekommen, von wo seine Gedanken, seine ihm eigene Semiotik, von wo sie auftaucht: sie taucht aus nichts anderem auf als aus der Ex-sistenz von Lalangue. Lalangue ex-sistiert anderswo als in dem, was er für seine Welt hält.“235
Der Begriff des Signfikanten, auf lateinisch: des signans, ist deshalb wichtig, weil er es ermöglicht, auf die Mehrdeutigkeiten des Patienten zu achten, des Analysierenden (analysant), wie Lacan sagt; die Deutung bezieht sich auf solche Äquivokationen.
Die Mehdeutigkeit (die Äquivokation) steht bei Lacan in einem Spannungsverhältnis zum Sinn. In Seminar 22, RSI, heißt es:
„Was ist dieser Sinn? In der analytischen Praxis verfahren Sie vom Sinn aus. Aber auf einer anderen Seite verfahren Sie nur so, daß Sie ihn reduzieren, da Sie immer von der Äquivokation aus verfahren – ich spreche hier zu jenen, die der Bezeichnung ‚Analytiker‘ würdig sind. Die Äquivokation ist nicht der Sinn. Die Äquivokation ist grundlegend für das Symbolische, also für das, worauf sich das Unbewußte stützt, so wie ich es strukturiere. Der Sinn ist das, wodurch etwas antwortet, das etwas anderes ist als das Symbolische, nämlich – kein Mittel, es anders zu sagen – das Imaginäre.“236
Ein Beispiel für die Deutung einer Mehrdeutigkeit durch Lacan in der Analyse im Jahr 1974 gibt Susanne Hommel in dem Dokumentarfilm Rendez-vous chez Lacan von Gérard Miller, 2011; die von der Patientin vorgebrachte Äquivokation ist hier Gestapo / gèste à peau (Haut-Geste); im Internet: siehe hier. ↩
Der Psychoanalytiker autorisiert sich selbst (9)
Zu: „Es kommt vor, dass ich mir den Luxus leiste, eine gewisse Anzahl von Leuten zu kontrollieren – wie man das nennt –, von Leuten, die sich selbst, gemäß meiner Formulierung, autorisiert haben, Analytiker zu sein.“ (9)
Lacan spricht hier über den Werdegang des Psychoanalytikers in der 1964 von ihm gegründeten École Freudienne de Paris. In der Proposition du 9 octobre 1967 sur le psychanalyste de l’École (Vorschlag vom 9. Oktober 1967 über den Psychoanalytiker der Schule) schreibt er:
„Zunächst ein Prinzip: Der Psychoanalytiker wird nur von ihm selbst autorisiert.“237
Später hat er das modifiziert:
„Er wird nur von ihm selbst autorisiert, und ich füge hinzu: und von einigen anderen.“238
Resonanz der Interpretation (9)
Zu: „Es ist nötig, dass es im Signifikanten etwas gibt, das resoniert, das Resonanz gibt.“ (9)
Der Analytiker hat zu lernen, seine Deutung nicht argumentativ vorzubringen, sondern mit Mehrdeutigkeiten zu arbeiten.
Von den „Resonanzen der Deutung“ spricht Lacan bereits in Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse.239 ↩
Sagen versus Gesagtes (9)
Zu: „Sie stellen sich vor, dass es Triebe gibt, und obwohl sie ‚Trieb‘ durchaus nicht mit ‚Instinkt‘ übersetzen wollen, stellen sie sich nicht vor, dass die Triebe das Echo im Körper der Tatsache sind, dass es ein Sagen gibt.“ (9)
„Sagen“, dire, meint hier vermutlich das an Äquivokationen reiche Sprechen, im Gegensatz zum „Gesagten“ (dit), dem am Sinn orientierten Sprechen. Verwandt oder vielleicht sogar synonym mit der Unterscheidung zwischen dem „Äußerungsvorgang“ (énonciation) und dem „Ausgesagten“ (énoncé). ↩
Stimme (10)
Zu: „Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste, weil es nicht verstopft, nicht geschlossen werden kann, deren wichtigste das Ohr ist, weil es nicht verschlossen, nicht zugemacht werden kann, aus diesem Grund antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe.“ (10)
Mit „Stimme“ ist hier nicht der von Menschen mit seinem Stimmapparat erzeugte Schall gemeint, sondern ein bestimmtes „Objekt a“.
Die Einfügung in die Sprache und das Sprechen führt zu einem unwiederbringlichen Verlust des Genießens; im Ethik-Seminar wird dieses unzugängliche Genießen „das Ding“ genannt. Das Objekt a, auf das die Wiederholung abzielt, ist ein Rest dieses verlorenen Genießens, sein durch die Wiederholung erreichbarer Stellvertreter. (Vgl. in Lacan entziffern den Artikel Das Ding – Objekt a – Objekt des Begehrens.) Das Objekt a wird ab Seminar 16 auch als plus-de-jouir bezeichnet, als „Mehrlust“.240
Das grundlegende Merkmal eines Objekt a darin besteht, dass es abgetrennt ist, dass es nicht assimilierbar ist, dass es im psychischen Apparat einen Fremdkörper darstellt, ein inneres Außen.
Lacan unterscheidet vier Objekte a: Brust, Kot, Stimme und Blick.
Die Stimme erscheint bei ihm zunächst als die vom Psychotiker halluzinierte Stimme.241 Als Objekt a wird sie eingeführt in Seminar 10 von 1962/63, Die Angst, in den Sitzungen vom 22. Mai und vom 5. Juni 1963; dabei geht es um die Stimme des Über-Ichs. Zur Resonanzfunktion der Stimme als Objekt a äußert Lacan sich bereits dort.242 ↩
Körper (10)
Zu: „More geometrico – auf Grund der Form, die Platon so schätzte, erweist sich das Individuum so, wie es gebaut ist: als ein Körper. Dieser Körper hat eine solche fesselnde Kraft, dass, bis zu einem gewissen Punkt, die Blinden zu beneiden wären. (…) Das Erstaunliche ist dies, was ich sagen werde, dass die Form nur den Sack liefert, oder, wenn Sie so wollen, die Blase.“ (10)
Lacan bezieht sich hier auf seine Theorie des Imaginären, wonach das Subjekt im Bild seines Körpers die Einheit antizipiert, die ihm fehlt. Dabei fungiert der Körper als Umhüllung, gewissermaßen als Sack mit Öffnungen. ↩
Mengenlehre und Zahlentheorie (10)
Zu: „Der Sack, wie er in der Mengenlehre vorgestellt wird, so wie Cantor sie begründet hat, wird manifest, ja gar bewiesen, wenn jeder Beweis aufgefasst wird als das in ihm enthaltene Imaginäre beweisend, dieser Sack, sage ich, verdient es konnotiert zu werden mit einer Ambiguität von eins und von Null, dem einzigen Träger, der dem angemessen ist, an das die leere Menge grenzt, welche sich in dieser Theorie aufzwingt.“ (10)
Lacan spricht hier über die Beziehung zwischen Mengenlehre und Zahlentheorie. Die Mengenlehre soll für die verschiedenen Zweige der Mathematik eine Grundlage liefern, um so die Mathematik zu vereinheitlichen. Hierzu ist es vor allem nötig, die elementaren Objekte der Mathematik, die Zahlen, mengentheoretisch zu begründen, und das heißt zunächst: die ganzen Zahlen und damit Null, Eins und Zwei (Peano lässt die Reihe der ganzen Zahlen mit Null beginnen).
Lacan begreift Null und Eins ausgehend von der leeren Menge. Die leere Menge ist einerseits Null („Nullmenge“), andererseits aber Eins, da sie ja eine Menge ist; darin besteht ihre Ambiguität.243 In Seminar 22, RSI, sagt Lacan, in einem früheren Seminar habe er erläutert, dass es keinen Unterschied zwischen Null und Eins gibt, denn „nichts ist besser geeignet als die leere Menge, um die 1 zu suggerieren“244. Er bezieht sich damit vermutlich auf Seminar 16, Sitzung vom 11. Juni 1969.245 ↩
Das Imaginäre des Beweises (10)
Zu: „Der Sack, wie er in der Mengenlehre imaginiert wird, so wie Cantor sie begründet hat, wird manifest, ja gar bewiesen, wenn jeder Beweis aufgefasst wird als das in ihm enthaltene Imaginäre beweisend, dieser Sack, sage ich, verdient es konnotiert zu werden mit einer Ambiguität von Eins und Null, dem einzigen Träger, der dem angemessen ist, an das die leere Menge grenzt, die sich in dieser Theorie aufzwingt.“ (10)
Jeder Beweis beruht auf einer anschaulichen Grundlage, auch in der Mathematik stützt sich das Symbolische auf ein imaginäres Fundament und erzeugt so den Sinneffekt. Beispielsweise gründet sich die Mengenlehre auf ein bestimmtes Bild: auf der Umrisszeichnung eines Sacks.246 ↩
Körper als Hautsack (10)
Zu: „Von daher unsere Schreibweise S Index 1 (S1), ich präzisiere, dass sie so gelesen wird; sie bildet nicht die Eins, aber sie zeigt diese an als etwas, das nichts enthalten kann, ein leerer Sack sein kann.“ (10)
Die Körperoberfläche ist die Haut; reduziert man den Körper auf die Haut und fügt man eine Öffnung hinzu, erhält man einen Sack. Im Hintergrund steht hier Freuds Bemerkung, das Ich sei „nicht nur ein Oberflächenwesen, sondern die Projektion einer Oberfläche“247. Lässt man den Sack erstarren, verwandelt er sich einem Topf; vielleicht hatte Lacan hierauf vorher angespielt, als er sagte, die benannte Natur behaupte sich als pot/peau-pourri von Außernatur, als „Topf“/„Haut“ von Verfaultem (3). ↩
Ex-sistenz und Konsistenz (10 f.)
Zu: „Nichtsdestoweniger bleibt, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er Haut/Topf ist. Sie müssen für real gehalten werden, diese Ex-sistenz und diese Konsistenz, da das Reale ist, sie zu halten.“ (10 f.)
Die Begriffe Ex-sistenz und Konsistenz – sowie, als dritter Terminus, „Loch“ – wurden von Lacan in Seminar 22, RSI, zur Beschreibung des borromäischen Knotens eingeführt.
Die Ex-sistenz (statt „Existenz“) besteht darin, dass die drei Ringe einer borromäischen Verkettung einander äußerlich (ex) sind, dass sie gegeneinanderstoßen, füreinander einen Widerstand bilden, und zwar in der Weise, dass sie nicht auseinanderfallen. Die Ex-sistenz (im Sinne der Äußerlichkeit) sorgt dafür, dass die Verkettung Bestand hat (dass sie existitiert).
Die Konsistenz des Rings besteht darin, dass er geschlossen ist und nicht etwa eine offene Schnur bildet.248 In der Sprache der Mathematiker: Die Konsistenz eines Rings (eines Knotens) besteht in seiner Geschlossenheit. (Allerdings bezieht Lacan den Begriff der Konsistenz auch auf das offene Seil, hier besteht die Konsistenz darin, dass das Seil nicht zerreißt, wenn man sich daran festhält.190) Man muss also zwei Formen des Zusammenhalts unterscheiden: den Zusammenhalt einer Schnur oder eines Rings in sich (Konsistenz) und den Zusammenhalt einer Verkettung mehrerer Ring (Ex-sistenz).
Der Knoten ist für Lacan ein Torus (eine Art Reifen); das Loch ist das Innere dieses Torus, das, wodurch man die Hand stecken kann.
Die Ex-sistenz wird von Lacan dem Realen zugeordnet249; die Konsistenz dem Imaginären250, das Loch dem Symbolischen.
Man muss die Register des Realen, des Imaginären und des Symbolischen also auf doppelte Weise dem Knoten zuordnen: zum einen entspricht jeder Ring je einem der drei Register, zum anderen hat jeder Ring einen realen, einen imaginären und einen symbolischen Aspekt.
Der Terminus „ex-sistence“ wird von Lacan in Seminar 20 von 1972/73, Encore, eingeführt, sicherlich inspiriert von Heideggers Begriff der „Ek-sistenz“ (im Brief über den Humanismus, 1947).
Bezogen auf die Körperoberfläche besteht die Ex-sistenz darin, dass die Oberfläche gegenüber dem, was im Hautsack enthalten ist, äußerlich ist. Mit Konsistenz ist gemeint, dass die Körperoberfläche in sich zusammenhält. ↩
Das Reale im borromäischen Knoten (10 f.)
Zu: „Nichtsdestoweniger bleibt, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er Haut/Topf ist. Sie müssen für real gehalten werden, diese Ex-sistenz und diese Konsistenz, da das Reale ist, sie zu halten.“ (10 f.)
Das Reale spielt beim borromäischen Knoten eine doppelte Rolle: einer der Ringe steht für das Reale, zugleich hat jeder der Ringe eine reale Dimension, nämlich dass er die anderen Ringe nicht durchdringt, dass er ihnen äußerlich ist und sich an ihnen stößt, was von Lacan als „Ex-sistenz“ bezeichnet wird.251 ↩
Homogenität der Ringe (11)
Zu: „Das Imaginäre zeigt hier seine Homogenität mit dem Realen, und dass sie, diese Homogenität, nur von dem Faktum der Zahl abhängt, insofern diese binär ist, eins oder Null, das heißt, dass sie die Zwei nur dadurch stützt, dass Eins nicht Null ist, dass sie der Null ex-sistiert, jedoch hier in nichts konsistiert.“ (11)
Die borromäische Verkettung repräsentiert das Imaginäre, das Reale und das Symbolische durch je einen Ring und stellt diese drei Ordnungen damit als strukturgleich dar, als homogen. Alle sind gleichermaßen durch Konsistenz, Ex-sistenz und Loch charakterisiert, d.h. jeder dieser Ringe besteht aus einem Torus, der in sich zusammenhält, jeder ist den beiden anderen Tori äußerlich und jeder Torus hat ein zentrales Loch, durch das er mit den beiden anderen verschlungen ist. ↩
1, 2, 3 (11 f.)
Zu: „Auf diese Weise muss Cantors Theorie wieder vom Paar ausgehen, zu dem dann aber die Menge das Dritte ist. (…) Hier bestätigt die Eins ihre Ablösung von der Zwei. Sie bildet eine Drei nur durch imaginäres Aufhetzen, dasjenige, das dazu nötigt, dass ein Wille dem einen nahelegt, den anderen zu belästigen, ohne an einen von beiden gebunden zu sein.“ (11 f.)
Die Verbindung zwischen der leeren Menge und der 1 stellt sich nicht von selbst her: beide Elemente bilden nicht bereits von sich aus eine Menge. Die Verbindung wird durch etwas Drittes hervorgebracht: durch die Menge, die in der Mengenlehre durch geschweifte Klammern symbolisiert wird: {}.
Die zitierte Formulierung bezieht sich auf das Paarmengenaxiom: Zu zwei beliebigen Elementen A und B gibt es genau eine Menge C, die diese Elemente als Menge enthält.
Vgl. hierzu auch Lacans Bemerkung über die Sentenz „Numero Deus impare gaudet“ in Seminar 22, RSI. Der Wendung stammt aus Vergils achter Ekloge und meint „an der ungeraden Zahl erfreut sich Gott“. Die scherzhafte Pennäler-Übersetzung lautet: „Die Zahl zwei freut sich darüber, dass sie ungrade ist“, Gide äußert sich hierzu zustimmend in Paludes (Die Sümpfe, 1895), und Lacan merkt hierzu an:
„Wie ich es schon seit langem sage, hat er völlig recht, denn nichts würde die Zwei realisieren, wenn es nicht das Ungerade gäbe, das Ungerade, insofern es bei der Zahl Drei beginnt – was nicht sofort ersichtlich ist und den borromäischen Knoten notwendig macht.“252
Entscheidend für die Konstituierung der Zwei ist also die Drei; die Zwei als etwas, was sich klar von der Eins unterscheidet, wird gewissermaßen rückwirkend durch die Drei konstituiert. ↩
S2 (11)
Zu: „Insofern das Symbol auf das Imaginäre einen draufsetzt, hat es, das Symbol, den Index 2 (S2), das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, welches dies auch sei, durch das, was sich darin de facto aussagt, wobei das Faktum geknüpft bleibt an das Rätsel des Aussagens, welches nur in sich geschlossenes Fakt ist, das Fakt des Fakts, wie man schreibt, der Gipfel an Tatsache (le faîte du fait) oder das Fakt des ‚tut‘, wie man das sagt, faktisch gleich, äquivok und äquivalent, und damit Grenzen des Gesagten.“ (11)
S2 steht für ein Signifikantenpaar (so schon in Seminar 16, Version Miller S. 74). Mit dieser Dualität verweist das Symbol S2 auf das Imaginäre, auf die Stützung des Symbolischen durch das Imaginäre. Der soziale Aspekt des Imaginären besteht für Lacan in der Rivalität, einer Beziehung zwischen Zweien. Wenn man sich an einem Signifikantenpaar orientiert – wie Gerecht und Ungerecht, Gut und Böse, Links und Rechts, Ja und Nein – beruht dies auf der Bindung des Symbolischen an das Imaginäre.
Die Beziehung zwischen, einerseits, der leeren Menge und den Elementen und, andererseits, S1 und S2 wird von Lacan zuerst entwickelt in Seminar 16, Sitzung vom 11. Juni 1969. ↩
Das Faktum des Äußerungsvorgangs (11)
Zu: „Insofern das Symbol auf das Imaginäre einen draufsetzt, hat es, das Symbol, den Index 2 (S2), das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, welches dies auch sei, durch das, was sich darin de facto aussagt, wobei das Faktum geknüpft bleibt an das Rätsel des Aussagens, welches nur in sich geschlossenes Fakt ist, das Fakt des Fakts, wie man schreibt, der Gipfel an Tatsache (le faîte du fait) oder das Fakt des „tut“, wie man das sagt, faktisch gleich, äquivok und äquivalent, und von daher Grenze des Gesagten.“ (11)
Ist das Unbewusste eine Tatsache? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst über den Begriff der Tatsache verständigen, des Faktums.
In Seminar 18 heißt es, bezogen auf den Titel dieses Seminars, D’un discours qui ne serait pas du semblant (Über einem Diskurs, der nicht vom Schein wäre):.
„Das kann von meinem Platz aus geäußert werden und abhängig davon, was ich früher geäußert habe. Auf jeden Fall ist es ein Faktum, dass ich es äußere. Beachten Sie, dass es ein Faktum auch deshalb ist, weil ich es äußere. Mag sein, dass Sie hier nichts bemerken, d.h. dass Sie denken, dass es nicht mehr gibt als das Faktum, dass ich es äußere. Nur, wenn ich in Bezug auf den Diskurs von ‚Artefakt‘ gesprochen habe, dann deshalb, weil für den Diskurs kein Faktum, wenn ich so sagen kann, bereits da ist; ein Faktum gibt es nur durch das Faktum des Diskurses. Das geäußerte Faktum ist ganz und gar das Faktum des Diskurses. Das ist das, was ich mit dem Ausdruck ‚Artefakt‘ bezeichne, und das ist natürlich das, was reduziert werden muss.“253
Das Faktum des Faktums – die grundlegende Tatsache – ist das Faktum des Diskurses.
Das lässt sich auf das Unbewusste beziehen. In L’étourdit (1973) liest man,
„das Unbewusste ist ein Faktum, insofern es durch den Diskurs gestützt wird, der es etabliert“254.
In Seminar 22, RSI, sagt Lacan:
„Ich versuche da, Ihnen zu zeigen, daß mein Sagen an der Tatsache orientiert ist, daß alleine das Sprechen handelt. Im Anfang war die Tat*, sagt jener da, und er glaubt, das stünde im Widerspruch zu das Wort*. Aber wenn es nicht das Wort* gibt vor der Tat*, gibt es überhaupt keine Tat*. Die Analyse erfaßt, in einem gewiß sehr begrenzten Ausmaß, daß das Sprechen eine Wirklichkeit* hat. Sie tut (fait) was sie kann. Sie kann vielleicht nicht übermäßig viel, aber schließlich ist das immerhin eine Tatsache (fait).“255
Das Sprechen ist ein Handeln und es fundiert das Handeln. Das Sprechen hat eine Wirklichkeit, nämlich eine Wirksamkeit, das Sprechen bewirkt etwas. Dies, dass das Sprechen etwas bewirkt, ist für die Psychoanalyse die grundlegende Tatsache. ↩
Signifikant und Signifikat (11)
Zu: „Das Unerhörte ist, dass die Menschen zwar sehr deutlich gesehen haben, dass das Symbol nur ein zerbrochenes Stück sein konnte, und dies, wenn ich so sagen darf, zu aller Zeit, dass sie aber zu der Zeit, zur Zeit dieses zu aller Zeit, nicht gesehen haben, dass dies Einheit und Reziprozität von Signifikant und Signifikat mit sich führte und als Konsequenz, dass das ursprüngliche Signifikat nichts besagt, dass es nur ein Zeichen der Arbitrage zwischen zwei Signifikanten ist, und dadurch kein Arbiträres für deren Wahl.“ (11)
Die klassische Symboletymologie ist eine bewusstlose Darstellung der Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat. Sie zeigt, dass es nicht etwa ein ursprüngliches Signifikat gibt, das dann sekundär mit einem Signifikanten versehen worden wäre, sondern dass es von Anfang an die Einheit und Reziprozität von zwei Signifikanten gibt.
Durch die Verdrängung kommt einer der beiden Signifikanten in die Position des Signifikats – der unbewussten Bedeutung. Dies geschieht durch eine Art Schiedsspruch (arbitrage), der Schiedsspruch ist ein Befehl, eine Entscheidung, und entspricht damit dem S1, dem Herrensignifikanten. Es geht hier um den Übergang von der Zwei zur Drei, und zwar durch die Intervention von S1 in die Beziehung zwischen den beiden Signifikanten von S2. ↩
Schiedsspruch zwischen zwei Signifikanten (11 f.)
Zu: „Es gibt einen umpire (engl. für Schiedsrichter) – umpire, um es auf Englisch zu sagen, so schreibt es Joyce – nur ausgehend vom empire, vom Imperium über den Körper, wie alles dessen Markierung trägt, vom Ordal an. Hier bestätigt die Eins ihre Ablösung von der Zwei. Sie bildet eine Drei nur durch imaginäres Aufhetzen, dasjenige, das dazu nötigt, dass ein Wille dem einen nahelegt, den anderen zu belästigen, ohne an irgendeinen der beiden gebunden zu sein. Nun ja.“ (11 f.)
Das Ordal, das Gottesurteil, ist eine Art Schiedsspruch.
Bereits das Ordal verweist auf die Körperbeherrschung: man denke an die klassischen Beispiele: über glühende Kohlen gehen, gefesselt ins Wasser geworfen werden.
Das Ordal ist ein Beispiel für die Beziehung zwischen S2 und S1. S2 ist in diesem Fall ein Paar von möglichen Urteilen: „Sie ist eine Hexe / Sie ist keine Hexe“. Zwischen beiden wird die Entscheidung durch das Gottesurteil gefällt (sie hat es überlebt / nicht überlebt, dass sie ins Wasser geworfen wurde, also ist sie keine Hexe / eine Hexe).
Das imaginäre Aufhetzen besteht darin, dass ein Wille (der des Schiedsrichters) zwei Akteure in eine Rivalitätsbeziehung bringt, so dass diese einander belästigen. Der Dritte ist an keinen der beiden Rivalen gebunden, er ist neutral. Lacan bezieht sich hier auf das Prinzip Divide et impera, teile und herrsche, es dient ihm als soziologisches Beispiel für die Ablösung der Eins von der Zwei in der Dreierbeziehung.↩
Die borromäischen Ringe (12)
Zu: „Damit die Bedingung ausdrücklich gestellt werde, dass man ausgehend von drei Ringen eine Verkettung bilde dergestalt, dass das Zerreißen eines einzigen beliebigen die beiden anderen voneinander befreie, welche sie auch seien – denn in einer Verkettung wird dies, wenn ich das in dieser verkürzenden Weise sagen darf, durch den mittleren Ring realisiert –, die beiden anderen voneinander befreie, welche sie auch seien, musste man erst bemerken, dass dies in das Wappen der Borromäer eingeschrieben war, dass der aufgrund dessen borromäisch genannte Knoten schon da war, ohne dass jemand sich hätte einfallen lassen, daraus die Konsequenzen zu ziehen.“ (12)
Hier wird die borromäische Verkettung aus drei Ringen beschrieben. Drei Ringe sind so ineinandergefügt, dass, wenn man einen beliebigen Ring öffnet, die beiden anderen auseinanderfallen. Bei Lacan steht einer der Ringe für das Imaginäre, ein anderer für das Symbolische (im Feld der Psychoanalyse für das Unbewusste256) und der dritte für das Reale.
Die borromäische Verkettung wird von Lacan zuerst in Seminar 19 erwähnt, sie ist das Hauptthema des vorangegangenen Seminars, also Seminar 22 von 1974/75, RSI.
Lacan bezeichnet die borromäischen Ringe also mit zwei termini, er spricht vom „borromäischen Knoten“ (nœud borroméen) oder von der borromäischen „Verkettung“ (chaîne). Die Bezeichnung als „borromäischer Knoten“ steht im Gegensatz zur der in der Topologie etablierten Terminologie; für Topologen ist das Element der borromäischen Ringe, also der einzelne Ring, ein Knoten (genauer gesagt, ein „trivialer Knoten“ oder „Unknoten“), nicht die Verbindung dieser Elemente. Die Bezeichnung als chaîne („Verkettung“, „Verschlingung“, „Link“) entspricht der in der Topologie üblichen Terminologie.
Von chaîne borroméenne hatte Lacan bereits im vorangegangenen Seminar 22 gesprochen.257 Neben chaîne borroméenne findet man in Seminar 23 aber auch die alte Terminologie; Lacan verwendet in Seminar 23 also nœud borroméen und chaîne borroméenne nebeneinander. ↩
Borromäische Verkettung von vier Ringen (12)
Zu: „Nicht dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen seien, definiert die Perversion, sondern dass sie schon unterschieden sind, und dass man ein viertes unterstellen muss, das hierbei das Sinthom ist, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, dass ‚Perversion‘ nichts anderes besagt als ‚Wendung zum Vater‘, und dass der Vater alles in allem nur ein Symptom ist, oder ein Sinthom / ein saint homme, ganz wie Sie möchten.“ (12)
Lacan stellt einen Übergang her von drei nicht verschlungenen Ringen zur borromäischen Verkettung aus vier Ringen. Diese Umwandlung wird dadurch erzeugt, dass ein vierter Ring in die drei anderen Ringe eingefädelt und dann geschlossen wird. Der vierte Ring wird so durch die anderen Ringe geführt, dass die Verkettung borromäischen Charakter hat: wenn ein beliebiger Ring geöffnet wird, fallen die drei anderen auseinander.
In Lacans Anwendung der borromäischen Verkettung auf die Psychoanalyse repräsentiert der vierte Ring das Symptom bzw. das Sinthom.
Eine borromäische Verkettung aus vier Ringen hatte Lacan zuerst in Seminar 22, RSI, vorgestellt, dort in der Sitzung vom 14. Januar 1975. Er hatte hier behauptet, dies sei die Operation, die Freud vollzieht. Bei Freud hielten die drei Ringe des Imaginären, des Symbolischen und des Realen nicht von sich aus zusammen. Den Zusammenhalt stelle Freud dadurch her, dass er einen vierten Ring hinzufüge.
Dieser vierte Ring wird von Lacan gleichgesetzt mit der psychischen Realität, mit dem Ödipuskomplex, mit dem Namen-des-Vaters, mit dem Symptom bzw. Sinthom. Zur Erläuterung dieser Äquivalenzenkette (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Vom borromäischen Dreierknoten zum borromäischen Viererknoten). ↩
Der Vater als saint homme / Sinthom / Symptom (12)
Zu: „Nicht dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen seien, definiert die Perversion, sondern dass sie schon unterschieden sind, und dass man ein viertes unterstellen muss, das hierbei das Sinthom ist, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, dass ‚Perversion‘ nichts anderes besagt als ‚Wendung zum Vater‘, und dass schließlich der Vater nur ein Symptom ist, oder ein Sinthom / ein saint homme, ganz wie Sie möchten.“ (12)
Die Neurose beruht auf der Idealisierung des Vaters, also darauf, dass der Vater als saint homme fungiert, als heiliger Mann. Der Neurotiker weigert sich, die Kastration des Anderen zu akzeptieren, sagt Lacan in Seminar 10:
„Nicht vor der Kastration weicht der Neurotiker zurück, sondern davor, aus seiner Kastration das zu machen, was dem anderen fehlt.“258
Die Idealisierung des Anderen ist die Ursache des Symptoms. Das Symptom wird hervorgerufen durch den saint homme und ist in diesem Sinne ein Sinthom.
Dies wird hier nicht auf die Neurose bezogen, sondern auf die Perversion. Demnach beruhen beide auf der Idealisierung des Vaters. ↩
Die Ex-sistenz des Symptoms
Zu: „Die Ex-sistenz des Symptoms ist das, was von der Position impliziert wird, derjenigen, die jenes rätselhafte Band des Imaginären, des Symbolischen und des Realen unterstellt.“ (12)
In Bezug auf das Symptom muss man von seiner Ex-sistenz sprechen, nämlich von seiner äußerlichen Position im Verhältnis zum Imaginären, zum Symbolischen und zum Realen. In der borromäischen Verkettung von vier Ringen besteht diese Äußerlichkeit darin, dass der Ring des Symptoms an die drei anderen Ringe anstößt und nicht kontinuierlich in sie übergeht. ↩
Plättung (12)
Zu: „Wenn Sie irgendwo – ich habe es bereits gezeichnet – das finden, was das Verhältnis des Imaginären, des Symbolischen und des Realen schematisch darstellt, insofern sie voneinander getrennt sind, dann haben Sie bereits in meinen früheren figürlichen Darstellungen, in der Plättung ihrer Beziehungen, die Möglichkeit, sie durch was zu verbinden? durch das Sinthom.“ (12)
„Plättung“ (mis à plat) ist Lacans Terminus für die zweidimensionale Darstellung einer dreidimensionalen Verkettung der in der Topologie übliche Terminus ist „Diagramm“. Dass Verkettungen für die Theoriebildung zweidimensional dargestellt werden müssen, d.h. als Verkettung von kreisartigen Gebilden mit einem Innen-Außen-Gegensatz, gehört für Lacan zum Imaginären des Knotens bzw. der Verkettung.259 ↩
Positionsveränderung der Ringe in der borromäischen Verkettung von vier Ringen (13 f.)
Zu: „Alles hängt hiervon ab: Wenn Sie dieses groß S umklappen, das heißt das, was sich aus der Konsistenz des Symbolischen behauptet, wenn Sie es umklappen – wie es plausibel ist, ich meine, sich anbietet –, wenn Sie es umklappen auf eine Weise, die so zu zeichnen ist, dann haben Sie, wenn diese Figur korrekt ist – ich will sagen, dass es unter dem Reale durchgeht und Sie es offensichtlich ebenfalls unter dem Imaginären finden, abgesehen davon, dass es hier über das Symbolische läuft –, dann befinden Sie sich in der folgenden Position: dass sich ausgehend von vier dieses darstellt:
(nicht gesprochen, vermutlich auf der Tafel)
I R Σ S
1 2 3 4
2 1 4 3
(Ende der Einfügung)
das heißt, Sie erhalten das folgende Verhältnis: hier zum Beispiel das Imaginäre, das Reale und etwas anderes, das ich mit einem Σ darstellen werde, und das Symbolische, und dass ein jedes von ihnen ausdrücklich austauschbar ist. Von 1 zu 2 kann umgekehrt werden zu von 2 zu 1, von 3 zu 4 kann umgekehrt werden zu von 4 zu 3 auf eine Weise, die Ihnen, wie ich hoffe, einfach erscheint. Aber wir finden uns dadurch in der folgenden Situation: was 1 zu 2 ist, oder auch 2 zu 1, da es in seiner Mitte, wenn man so sagen kann, das Σ und das S hat, muss bewirken – genauso ist es dargestellt –, muß bewirken, dass das Symptom und das Symbol auf eine Weise gehalten werden, dass ich Ihnen durch eine einfache Darstellung werde zeigen müssen, auf eine Weise, dass es – wie Sie es dort sehen – dass es 4 gibt, die – Sie sehen es da – es 4 gibt, die von groß R gezogen werden, und hier verbindet sich das I auf spezielle Weise, indem es über dem Symbol und unter dem Symptom verläuft. In dieser Gestalt präsentiert sich das Band immer, das Band, das ich hier durch die Opposition von R und I ausgedrückt habe. Anders gesagt: die beiden, Symptom und Symbol, präsentieren sich so, dass hier eines der beiden Enden sie in ihrer Gesamtheit nimmt, während das andere, sagen wir, über den hinweg läuft, der oben ist und unter dem, der unten ist. Das ist die Figur, die Sie regelmäßig erhalten, wenn Sie versuchen, den borromäischen 4er-Knoten zu machen, und das ist die, die ich hier ganz rechts gezeichnet habe.“ (13 f.)
Lacan beschreibt eine Manipulation, die man mit der borromäischen Verkettung aus vier Ringen im dreidimensionalen Raum vornehmen kann und bei der zwei unterschiedliche Plättungen entstehen, also zwei unterschiedliche Darstellungen im zweidimensionalen Raum. Diese Umwandlung ist möglich, ohne einen der Ringe zu öffnen.
(a) Man kann den Knoten so hinlegen, dass man, wenn man die Ringe von links nach rechts betrachtet, die Reihenfolge IRΣS erhält (im Bild: blauer, roter, schwarzer, grüner Ring).
(b) Die Ringe werden dabei so angeordnet, dass die beiden äußeren Ringe, I (blau) und S (grün), sich nicht berühren. Die vier Ringe haben also zwei unterschiedliche Positionen: außen (I und S) und vermittelnd (R und Σ). Es gibt einen linken äußeren Ring (I) und einen rechten äußeren Ring (S) und es gibt einen linken vermittelnden Ring (R) und einen rechten vermittelnden Ring (Σ).
(c) Dann können die Ringe so „umgeklappt“ werden, dass die ersten beiden Ringe und die letzten beiden untereinander ausgetauscht werden. Hierdurch verwandelt sich die Reihenfolge IRΣS in die Reihenfolge RISΣ, aus 1234 wird 2143.
(d) Die Ringe sind hierbei so anzuordnen, dass R (rot) und Σ (schwarz) die äußeren Ringe sind, die sich nicht berühren, und I (blau) und S (grün) die ineinander verschlungenen vermittelnden Ringe.
Eine ähnliche (oder dieselbe?) Manipulation hatte Lacan in der letzten Sitzung von Seminar 22, RSI, beschrieben:
„In jeder borromäischen Verkettung gibt es eine 1, dann eine 2, hierauf ein Drittes, das Schleife macht (Figur 10). Wenn wir in einer beliebigen Verkettung – beschränken wir uns auf die Verkettung 1 – 2 – 3 – 4 – ein beliebiges der beiden ersten an die dritte Stelle setzen, so wird die 1 sowohl durch die 3 wie durch die 4 an die 2 geknüpft sein. (…) Es ist klar, dass die 1 und die 2 gegeneinander austauschbar sind, das heißt, dass am Anfang einer Verkettung das erste und das zweite unbegrenzt gegeneinander austauschbar sind. Wenn wir nun das eine dieser beiden an die Stelle 3 setzen, so beobachten wir nicht nur, dass die 3 betroffen ist und an den Platz der 2 gelangt, sondern mit der 3 auch die 4. Hierin rechtfertigt sich das Interesse, das ich dem Viererknoten entgegenbringe, den ich im nächsten Jahr entwickeln werde.“260 ↩
Der Ödipuskomplex ist ein Symptom (14)
Zu: „Der Ödipuskomplex als solcher ist ein Symptom.“ (14)
Lacan knüpft hier an die Einführung der borromäischen Verkettung aus vier Ringen in Seminar 22 von 1974/75, RSI, an. Dort heißt es über die drei Ringe des Imaginären, des Realen und des Symbolischen:
„Bei Freud halten die drei nicht, sie sind nur übereinander gelegt. Nun, was hat er getan? Er hat eine Schlinge hinzugefügt, wodurch er mit einer vierten die drei auseinanderdriftenden Konsistenzen verknüpfte (…). Diese vierte Konsistenz nennt er die psychische Realität. Was ist die psychische Realität bei Freud? Das ist der Ödipuskomplex.“261
Der vierte Ring, der in Seminar 23 vor allem als der des Symptoms bezeichnet wird, steht in Seminar 22 zunächst für die psychische Realität bzw. für den Ödipuskomplex. „Psychische Realität“ ist ein von Freud eingeführter und häufig benutzter Terminus.262 Lacans implizite These lautet: Das, was Freud zunächst als „psychische Realität“ bezeichnet hatte, die Wirksamkeit der Phantasie von der Verführung durch Erwachsene, wird von ihm später „Ödipuskomplex“ genannt. ↩
Der Name-des-Vaters ist der Vater des Namens (14)
Zu: „Insofern der Name-des-Vaters ebenfalls der Vater des Namens ist, wird alles gestützt – wodurch das Symptom nicht minder notwendig wird.“ (14)
„Name-des-Vaters“ (oder „symbolischer Vater“) ist Lacans Begriff für den Kern des Ödipuskomplexes: für den Vater in der Funktion desjenigen, der das Gesetz repräsentiert, das Inzestverbot, für denjenigen, der Nein sagt (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Der Name des Vaters).
Der Name-des-Vaters (und damit der Ödipuskomplex) wird in Seminar 23 auf den „Vater des Namens“ bezogen, d.h. auf den Vater als Benennenden. Lacan setzt hier einen Gedanken aus den Seminaren 21 und 22 fort. In Seminar 21 von 1973/74, Les non-dupes errent, heißt es:
„Es gibt etwas, dessen Auswirkung ich bezeichnen möchte. Denn das ist die Richtung eines bestimmten Augenblicks, nämlich desjenigen, den wir in der Geschichte durchleben – es gibt eine Geschichte, auch wenn es nicht zwangsläufig diejenige ist, die man glaubt.
Was wir leben ist sehr genau dies, dass merkwürdigerweise der Verlust, der Verlust dessen, was durch die Dimension der Liebe gestützt werden würde, wenn sie eben die ist, nicht, dass ich sage, ich kann sie nicht sagen –.
An die Stelle dieses Namens-des-Vaters tritt eine Funktion, die keine andere ist als die des „Ernennens“ [nommer-à]. Zu etwas ernannt sein, das ist das, was in einer Ordnung sprießt, die tatsächlich den Namens-des-Vaters ersetzt.
Bis auf dies, dass hier im Allgemeinen die Mutter ganz allein hinreicht, um das Projekt dieser Ordnung zu bezeichnen, um ihre Spur zu ziehen, um ihren Weg anzuzeigen. Wenn ich das Begehren des Menschen dafür definiert habe, das Begehren des Anderen zu sein, dann wird das eben hier in der Erfahrung angezeigt. Und selbst in dem Fall, in dem es sich einfach so, letztlich durch Zufall ergibt, dass sie durch einen Unfall nicht mehr da ist, ist es dennoch sie, ihr Begehren, die ihrem Sprössling das Projekt bezeichnet, das durch das Ernennen ausgedrückt wird.
Zu etwas ernannt zu sein, das ist für uns, an dem Punkt der Geschichte, an dem wir sind, etwas, was präferiert wird, ich meine wirklich präferieren, vorwärtsgehen, was gegenüber dem, was es mit dem Namen-des-Vaters auf sich hat, präferiert wird. Es ist ganz merkwürdig, dass das Soziale hier die Geltung eines Knotens bekommt, und was buchstäblich den Rahmen von so vielen Existenzen bildet, das ist, dass es diese Macht des Ernennens innehat, bis dahin, dass sich schließlich von daher eine Ordnung wiederherstellt, eine Ordnung, die aus Stahl ist.
Was bezeichnet diese Spur als Wiederkehr des Namens-des-Vaters im Realen, genau insofern, als der Name-des-Vaters verworfen*, zurückgewiesen ist; und dass es mit dieser Kategorie bezeichnet, ob diese Verwerfung, von der ich gesagt habe, dass sie das Prinzip des Wahnsinns ist –; ist dieses Ernennen nicht das Zeichen einer katastrophalen Degeneration?“263
Der Name-des-Vaters wird dadurch ersetzt, dass jemand zu etwas ernannt wird, also wohl: dass er Titel und Stelle hat. Die „Ordnung aus Stahl“ verweist auf Max Webers „stählernes Gehäuse der Hörigkeit“ und damit auf die Bürokratie. Diese Ordnung stützt sich letztlich auf das Begehren der Mutter.
In Seminar 22, RSI (1974/75) setzt Lacan diesen Gedanken fort. Das Inzestverbot, heißt es hier,
„besteht im Loch des Symbolischen, damit, individualisiert im Knoten, etwas erscheine, das ich nicht den Ödipuskomplex nenne – so komplex ist er auch nicht –, sondern den Namen-des-Vaters, was den Vater als Namen meint – was zu Beginn nichts meint –, und nicht nur den Vater als Namen, sondern den Vater als Benennenden [nommant].“264
Statt um das Ernennen (nommer à) geht es jetzt um das Benennen (nommer), und der Akzent verschiebt sich vom Begehren der Mutter zum Benennen durch den Vater.
Dass der Name-des-Vaters zugleich für den Vater als Benennenden steht, ist eine Neuerung des RSI-Seminars.265
Die Benennung hatte Lacan bereits zu Beginn dieser Sitzung angesprochen, mit dem Hinweis auf den biblischen Mythos von der Benennung der Tiere durch Adam.
Im RSI-Seminar erfährt man auch, dass die psychische Realität mit dem Namen-des-Vaters identisch ist:
„Freud, so habe ich gesagt, umgeht meine Reduktion auf das Imaginäre, das Symbolische und das Reale als drei Verknüpfte. Durch seinen Namen-des-Vaters, identisch damit, was er die psychische Realität nennt, und die nichts anderes als die religiöse Realität ist, durch diese Traumfunktion richtet Freud die Verbindung des Symbolischen, des Imaginären und des Realen ein.“266
Die Benennung ist der vierte Ring eines borromäischen Viererknotens:
„Die ganze Frage liegt darin, ob die Benennung, wie es den Anschein hat, vom Symbolischen kommt. Das mindeste, was man sagen kann, ist, daß für meinen Knoten die Benennung ein viertes Element ist. Ich habe Ihnen diese Figur (Figur 7) gezeichnet. Ein vierter Kreis verknüpft die drei zunächst als unverknüpft gesetzten.“267
Der vierte Ring, der des Symptoms, beruht also auf der Äquivalenz von
– psychischer Realität, Ödipuskomplex und Name-des-Vaters,
– benennender Funktion des Vaters und
– Symptom.
Die enge Beziehung zwischen dem Namen des Vaters bzw. dem Über-Ich und dem Symptom hatte Lacan bereits in Seminar 4 hergestellt. Der Name des Vaters (bzw. der „symbolische Vater“), so heißt es dort, ist der Kern des Über-Ichs.268
„Es gibt beim Menschen einen Signifikanten, der seine Beziehung zum Signifikanten verzeichnet, und dieser heißt Über-Ich. Es gibt deren sogar vielmehr als einen, und diese heißen Symptome.“269
Vgl. hierzu in Lacan entziffern den Beitrag Vom Dreierknoten zum Viererknoten. Über die Verbindung zwischen dem RSI-Seminar und dem Sinthom-Seminar. ↩
Artefakt (14)
Zu: „In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst sein wird: inwiefern kann der Kunstgriff / das Artefakt ausdrücklich das anzielen, was sich zunächst als Symptom präsentiert?“ (14)
In Seminar 18 erläutert Lacan, wie er den Ausdruck „Artefakt“ verwendet:
„[W]enn ich in Bezug auf den Diskurs vom Artefakt gesprochen habe, dann deshalb, weil es für den Diskurs nichts Faktisches gibt, wenn ich so sagen kann; ein Faktum gibt es nur aufgrund des Faktums, dass es gesagt wird. Das geäußerte Faktum ist insgesamt das Faktum des Diskurses. Das ist das, was ich mit dem Terminus des Artefakts bezeichne, und wohlgemerkt geht es darum, das zu reduzieren.“270
Das Artefakt ist ein Diskurs-Artefakt, und Lacan bezieht sich auf dieses Artefakt in der Perspektive es zu reduzieren. ↩
Die Wahrheit des Symptoms (14)
Zu: „Inwiefern kann die Kunst, das Handwerk, das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom aufzwingt, nämlich was? was ich in meinen zwei Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.“ (14)
Die Wahrheit des Symptoms ist der verborgene Sinn des Symptoms. Der Sinn wird durch die Überschneidung des Symbolischen mit dem Imaginären erzeugt (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Sinn im Knoten). Durch Deutung – durch Offenlegung des verborgenen Sinns – kann ein Sympt0m beeinflusst werden.
Das Symptom ist jedoch nicht nur mit dem Sinn verbunden, also mit der Verklammerung von Imaginärem und Symbolischem, sondern auch mit dem Realen, mit dem Genießen. Freud spricht nicht nur vom Sinn des Symptoms, sondern auch von der – meist als Unlust empfundenen – „Ersatzbefriedigung“ durch das Symptom271; vgl. dazu in Lacan entziffern den Vergleich von Freuds und Lacans Symptombegriff. ↩
Die Kunst kann die Wahrheit vereiteln, die sich vom Symptom aufzwingt (14)
Zu: „Inwiefern kann die Kunst, das Handwerk, das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom aufzwingt, nämlich was? was ich in meinen zwei Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.“ (14)
Die Joycesche Kunst ermöglicht keinen Zugang zur Wahrheit des Symptoms, zu seinem verborgenen Sinn; sie kann nicht (im Sinne der Psychoanalyse) gedeutet werden. Diese These wurde zuerst von C. G. Jung artikuliert. Über Ulysses hatte Jung geschrieben, „jeder Satz ist eine Pointe“, „es ist kein Traum und keine Offenbarung des Unbewussten“272. ↩
Diskurs des Herrn (14 f.)
Zu: „Inwiefern kann die Kunst, das Handwerk, das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom aufzwingt, nämlich was? was ich in meinen zwei Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.
Die Wahrheit, wo ist sie in diesem Zusammenhang? Ich habe gesagt, sie sei irgendwo im Diskurs des Herrn als unterstellt im Subjekt, insofern es, gespalten, noch dem Phantasma unterworfen ist. Hier, im Gegensatz zu dem, wie ich es zunächst dargestellt habe, hier auf der Ebene der Wahrheit müssen wir das Halbsagen in Betracht ziehen. Das heißt, dass das Subjekt in dieser Etappe nur durch den Signifikanten Index 1, (S1) repräsentiert werden kann, dass der Signifikant Index 2 (S2) genau das ist, was – um es darzustellen, wie ich es eben gemacht habe – durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird. Da [ich vermute: S1 am Platz oben links, RN] ist der Handwerker, der Handwerker, insofern er durch die Zusammenfügung zweier Signifikanten in der Lage ist, das, was ich eben das Objekt klein a genannt habe, zu produzieren, oder genauer, ich habe es mit dem Verhältnis zum Ohr und zum Auge illustriert, wie auch mit dem Verweis auf den geschlossenen Mund.“ (14 f.)
Das linke Viereck repräsentiert den Herrendiskurs. Das zweite Viereck entsteht dadurch, dass das erste Viereck eine Achteldrehung im Uhrzeigersinn vollzieht. Welcher Diskurs von diesem zweiten Viereck repräsentiert wird, ist mir nicht klar – offenbar ein Zwischending zwischen dem Diskurs des Herrn und dem Diskurs der Universität. Der Diskurs des Künstlers?
In allen vier Diskursen ist der Platz der Wahrheit das Feld unten links. Im Herrendiskurs ist hier das gespaltene Subjekt, $, verortet. Dieses Subjekt ist dem Phantasma unterworfen; im Diskursschema wird dies durch die Beziehung der beiden unteren Terme dargestellt, $ und a.
Lacan wechselt kurz zum psychoanalytischen Diskurs: am Platz der Wahrheit ist im hier nicht, wie im Diskurs des Herrn, das Subjekt des Phantasma verortet, sondern S2, das hier für das Halbsagen der Wahrheit steht, für das Sprechen in Mehrdeutigkeiten.
Im Diskurs des Herrn wird das Subjekt $ durch den Signifikanten S1 (oben links) repräsentiert, durch den Befehl. Dieser Signifikant bezieht sich auf den Signifikantenpaar S2 oben rechts, das als Beziehung zwischen dem Symptom und dem Symbol gedeutet wird. Damit nimmt Lacan eine Zuordnung vor zwischen dem Schema der vier Diskurse und der borromäischen Verkettung aus vier Ringen: S2 entspricht den beiden Ringen des Symbolischen und des Symptoms.
Der Handwerker produziert das Objekt a, mit dieser Aussage wechselt Lacan im Herrendiskurs zum Platz unten rechts.
Lacan spricht dann über drei Formen des Objekts a. „Ohr“ verweist auf die Stimme, „Auge“ auf den Blick, der „geschlossene Mund“ auf die Brust. Im Diskurs des Herrn sind die drei Objekte a demnach durch ihr Gegenstück im imaginären Körper vertreten: durch die korrespondierenden Körperöffnungen. ↩
Ein Signifikant ist das, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert (15)
Zu: „Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, wird es uns durch sein Insistieren notwendig, zu zeigen, dass einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.“ (15)
Die im Zitat unterstrichene Sentenz, auf die Lacan immer wieder zurückkommt, erscheint in den Seminaren zuerst in Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung:
„Le signifiant, à l’envers du signe, n’est pas ce qui représente quelque chose pour quelqu’un, c’est ce qui représente précisément le sujet pour un autre signifiant.”273
“Der Signifikant ist, im Gegensatz zum Zeichen, nicht das, was etwas für jemanden repräsentiert, er ist das, wodurch genau das Subjekt für einen anderen Signifikanten repräsentiert wird.“
In den Schriften findet man den Aphorismus zuerst in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudschen Unbewussten (Vortrag von 1960, der zuerst 1966 veröffentlicht wurde):
„Notre définition du signifiant (il n’y en a pas d’autre) est : un signifiant, c’est ce qui représente le sujet pour un autre signifiant.“274
„Unsere Definition des Signifikanten (es gibt keine andere dafür) ist: Ein Sigifikant ist das, was das Subjekt für einen anderen Signifikanten repräsentiert.“275
Im Diskurs des Herrn wird dieser Zusammenhang durch die Beziehung zwischen den Plätzen unten links, oben links und oben rechts dargestellt: das Subjekt ($ am Platz unten links) wird repräsentiert durch den Signifikanten S1 (oben links) für den anderen Signifikanten S2 (oben rechts).
Die Formel steht in Opposition zur klassischen Definition des Zeichens: „Ein Zeichen repräsentiert etwas für jemanden.“ Ein Signifikant repräsentiert, aber das von ihm Repräsentierte ist nicht ein Etwas, sondern das Subjekt. Ein Signifikant repräsentiert für einen Adressaten, dieser ist aber nicht ein Jemand, sondern ein anderer Signifikant. Ein Signifikant repräsentiert nicht für jemanden – er ist kein Werkzeug der Kommunikation, sondern unverständlich. Ein Signifikant repräsentiert für einen anderen Signifikanten: er repräsentiert das Subjekt in einer Signifikantenbeziehung, die vom sprechenden Subjekt nicht kontrolliert werden kann. Vgl. die Erläuterung von Juan-David Nasio in Lacan entziffern hier.
Lacans Aphorismus lässt sich mit einer Erläuterung von Freud zum Namensvergessen auf einfache Weise veranschaulichen. Freud erzählt, dass eine Fahrkarte kaufen will und sich nicht mehr an den Namen der nächsten größeren Stadt erinnern kann, an das Wort „Rosenheim“. Der Grund: Er hatte gerade seine Schwester Rosa besucht; der Name „Rosenheim“ rührte an seinen „persönlichen Komplex“, wie er sagt, an seinen „Familienkomplex“, wie er es auch nennt.276 In Lacans Begrifflichkeit: Der Signifikant „Rosa“ ist das, was für den Signifikanten „Rosenheim“ das Subjekt Freud repräsentiert. ↩
Falsches Loch (15)
Zu: „In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Verbindung des Symptoms mit dem Symbol nur, möchte ich sagen, ein falsches Loch gibt.“ (15)
Grundlegend für die Knotentheorie ist die Unterscheidung zwischen zwei Ebenen: der Ebene des Knotens und der Ebene des Diagramm des Knotens, von Lacan als „Plättung“ bezeichnet. Von ein und demselben Knoten können unterschiedliche Diagramme hergestellt werden. Ein falsches Loch ist ein Loch, das nur im Diagramm existiert, nicht aber auf stabile Weise im Knoten. Im Knoten kann man das falsche Loch durch Ziehen an den Schnur-Ringen zum Verschwinden bringen. In der Zeichnung erkennt man die Falschheit des Lochs daran, dass es im Diagramm durch Veränderung des Kurvenverlaufs zum Verschwinden gebracht wird. Die Bewegung, durch die im Diagramm ein solches Loch erzeugt und wieder zum Verschwinden gebracht wird, heißt in der Knotentheorie Reidemeister-Bewegung (nach dem Begründer der Knotentheorie, Kurt Reidemeister); damit sind Bewegungen im Diagramm gemeint, die nur das Diagramm verändern, nicht aber die Struktur des Knotens. Es gibt drei solche Bewegungen; diejenige, die mit Lacans „falschem Loch“ verbunden ist, wird als Typ II bezeichnet. Das Lacansche „falsche Loch“ ist, wie die Abbildung zeigt, eine der beiden Extremfiguren der Reidemeister-Bewegung vom Typ II.
„Symbol“ ist hier eine Kurzform für „das Symbolische“: das falsche Loch ist eine Beziehung zwischen dem Symptom und dem Symbolischen (in der nächsten Sitzung wird Lacan es genau so formulieren, also „Symbol“ durch „Symbolischeds“ ersetzen).
Allerdings bezeichnet Lacan auch der Loch eines einzelnen Rings als falsches Loch: Eine Öffnung reicht nicht hin, um ein Loch zu bilden, heißt es in Seminar 22, RSI.277 ↩
Die Äquivalenz von unendlicher Gerader und Kreis (16)
Zu: „Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, was bewirkt, dass sie zusammenhalten, damit wir hier etwas hätten, das als echtes Loch qualifiziert werden könnte. Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, sich aufrechterhalten, dass man einfach hier eine Gerade annehmen muss, das wird denselben Zweck erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich.“ (16).
Lacan zufolge kann in der borromäischen Verkettung ein Ring durch eine unendliche Gerade ersetzt werden (so schon in Seminar 22, RSI). Er begründet dies damit, dass ein Kreis einer unendlichen Geraden äquivalent ist.
Die Äquivalenz der unendlichen Graden mit einem Kreis ist ein Grundgedanke der Projektiven Geometrie; als einer ihrer Begründer gilt Gérard Desargues (1591–1661), auf den Lacan im RSI-Seminar verweist. Für die Projektive Geometrie gilt, dass Parallelen sich im Unendlichen schneiden, im Gegensatz zur euklidischen Geometrie, die setzt, dass sie sich nicht schneiden. Die Projektive Geometrie liefert also eine mathematische Ausarbeitung der Zentralperspektive. Man kann sie sich als Geometrie auf einer Kugeloberfläche vorstellen – auf dieser Fläche ist eine unendliche Gerade ein Kreis.
Also repräsentiert beispielsweise die Zeichnung rechts einen borromäischen Knoten aus drei Ringen – ein Ring wird durch die linke Niere dargestellt, der zweite Ring durch die rechte Niere und der dritte Ring durch die Gerade, die eine unendliche Gerade symbolisiert.
In Seminar 22 von 1974/75, RSI, heißt es:
„Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß der Begriff des borromäischen Knoten keineswegs einschließt, daß es sich um Schnurschlingen oder um Tori handelt. Es ist ebenso vorstellbar, im Einklang mit der Intuition eines Desargues in der gewöhnlichen Geometrie, daß sich diese Schlingen öffnen oder, um es einfach zu sagen, zu Schnüren werden, die sich, warum nicht, im Unendlichen wieder treffen sollen.“278
„Und zuerst, welche Gemeinsamkeit besteht zwischen der Geraden als unendlicher und dem Kreis? Es ist dies – das Zerreißen des Kreises ist dem Zerreißen der unendlichen Geraden in seinen Wirkungen auf den Knoten äquivalent – es befreit die anderen Elemente des Knotens. Aber dieses Zerreißen hat in beiden Fällen nicht dieselben bleibenden Wirkungen auf das Element. Was bleibt denn wirklich vom Kreis, nachdem er zerrissen ist? Eine endliche Gerade als solche, die man ohne weiteres wegwerfen kann, ein Fetzen, ein Stück Seil aus gar nichts.“279
Und:
„Desargues hat vor langer Zeit entdeckt, daß die unendliche Gerade in allem dem Kreis homolog ist, womit er Riemann vorgegriffen hat.“280
Lacan verknüpft hier zwei Arten von Geometrie, die Topologie mit dem Teilgebiet der Knotentheorie und die projektive Geometrie. Die Knotentheorie stellt dreidimensionale Gebilde (Knoten) im zweidimensionalen Raum dar (als Diagramme oder, wie Lacan sagt, als Plättungen). In der projektiven Geometrie geht es ebenfalls um die Darstellung von dreidimensionalen Gegenständen im zweidimensionalen Raum. Von daher liegt die Frage nahe, wie sie sich verbinden lassen.
Lacans Gedanke scheint zu sein:
(a) Ebene der dreidimensionalen Knoten
– Ringe (Unknoten, triviale Knoten) sind Gebilde im dreidimensionalen Raum.
– Ringe können beliebig verformt werden, also auch eine unendliche Ausdehnung haben.
– Ringe können unter anderem die Form von kreisförmigen Kurven haben.
– Ringe können also auch die Form von Kreisen mit unendlichem Durchmesser haben.
(b) Ebene des zweidimensionalen Diagramms
– Knotendiagramme (Plättungen) liegen in der zweidimensionalen Ebene und beziehen sich auf dreidimensionale Gegenstände.
– Die Diagrammebene wird spontan im Sinne der euklidischen Geometrie gedeutet, aber nichts zwingt uns dazu – wir können sie auch im Sinne der projektiven Geometrie auffassen.
– In der projektiven Geometrie entspricht eine unendliche Gerade einem Kreis.
– In der projektiven Geometrie repräsentiert die unendliche Gerade einen Kreis im dreidimensionalen Raum.
(c) Verbindung
– Also lassen sich dreidimensionale Ringe im Diagramm durch Linien darstellen, die unendliche Geraden repräsentieren.
Problem: die unendliche Geometrie bezieht sich auf Kreise, nicht auf beliebig verformbare Kurven. Man kann durch eine unendliche Gerade einen Kreis im dreidimensionalen Raum repräsentieren, aber nicht eine geschlossene Kurve beliebiger Form.
Lacan beschreibt borromäische Knoten mit den Begriffen der Konsistenz, der Ex-sistenz und des Lochs. Wenn man einen Kreis oder Ring durch eine unendliche Gerade ersetzt, wird der Ring auf seine Konsistenz reduziert (seinen Zusammenhalt)281 sowie auf seine Ex-sistenz (auf die Äußerlichkeit im Verhältnis zu den anderen Ringen, durch die die Verkettung zusammenhält); das Loch, um das herum der Ring gebaut ist, verschwindet.
Das Zumverschwindenbringen des Lochs durch Verwandlung des Rings in eine unendliche Gerade steht Lacan zufolge für die imaginäre Benennung, nämlich für den Bezug auf den Referenten im Sinne der Logik.282
In Seminar 22, RSI, stellt Lacan Kreis und Loch einander gegenüber.
„Das Loch, von dem ich spreche, löst uns los von dem Denken, das einen Kreis bildet, vom Denken, das plättet, und das aus dieser Tatsache heraus das Innen vom Außen unterscheidet.“266
Das Loch ist ein Loch im dreidimensionalen Raum, der Kreis liegt im zweidimensionalen Raum. Der Kreis ist grundlegend für die Innen-Außen-Differenz; die Innen-Außen-Differenz ist grundlegend für das Imaginäre. Das Loch des Torus (des Knotenrings) im dreidimensionalen Raum bewirkt, dass der Torus nicht auf der Innen-Außen-Differenz beruht. ↩
Verwandlung des falschen Lochs von Symbol und Symptom in ein echtes Loch
Zu: „Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, wird es uns durch sein Insistieren notwendig, zu zeigen, daß einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.
In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Verbindung des Symptoms mit dem Symbol nur, möchte ich sagen, ein falsches Loch gibt. Wenn wir die Konsistenz, die Konsistenz irgendeiner dieser Funktionen, Symbolisches, Imaginäres und Reales, wenn wir annehmen, dass diese Konsistenz einen Kreis bildet, dann unterstellt das ein Loch.
Aber im Fall des Symbols und des Symptoms geht es um etwas anderes: das, was ein Loch bildet, ist die Gesamtheit – die übereinander gefaltete Gesamtheit – dieser beiden Kreise. (…) Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, was bewirkt, dass sie zusammenhalten, damit wir hier etwas hätten, das als echtes Loch qualifiziert werden könnte. Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, sich aufrechterhalten, dass man einfach hier eine Gerade annehmen muss, das wird denselben Zweck erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich.“ (15 f.) im Fall des Symbols und des Sym
Durch Hinzufügung einer unendlichen Geraden können zwei Ringe, die aufeinanderliegen, in einen borromäischen Knoten verwandelt werden und so ein echtes Loch bilden, ein Loch, das nicht nur auf der Ebene der Plättung, sondern des Knotens existiert, durch Verformung der Kurvenverläufe im Diagramm also nicht beseitigt werden kann. Diese Figur (zwei Tori, die durch Hinzufügung einer unendlichen Geraden ein echtes Loch bilden) hatte Lacan bereits in Seminar 22, RSI, vorgestellt.283
Das Insistieren – der mit dem Symptom verbundene Wiederholungszwang – macht es erforderlich, dass einer der Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet (welcher dieser Signifikanten gemeint ist, ist mir nicht klar). Das Symbolische spaltet sich damit auf in das Unbewusste (das Symbol bzw. das Symbolische) und das Symptom.
Die Frage ist dann, wie das Unbewusste (das Symbol) mit dem Symptom verbunden ist.
Beide werden durch Ringe repräsentiert. Jeder dieser Ringe ist gewissermaßen um ein Loch herum gebaut; dieses ist im Augenblick jedoch nicht relevant. Ein weiteres Loch kommt ins Spiel: ein Loch, dass die beiden Ringe gemeinsam bilden.
Dieses Loch kann ein falsches Loch sein, d.h. die beiden Ringe sind nur scheinbar miteinander verschlungen, und das Loch verschwindet, wenn man die Ringe manipuliert. Das falsche Loch kann in ein echtes Loch verwandelt werden, durch Einführung eines dritten Rings, der eine borromäische Verkettung erzeugt.
Statt eines dritten Schnur-Rings präferiert Lacan eine unendliche Gerade. Da sie unendlich ist, treffen sich ihre beiden Enden im Unendlichen; sie bildet also eine Art Kreis und kann deshalb die Ringe des Symbols und des Symptoms miteinander verschlingen.
Lacan setzt hier seine Überlegungen zum falschen Loch zweier Ringe fort, die er in in Seminar 22, RSI, begonnen hatte, im Vortrag vom 13.5.1975, also in der vorangegangenen Sitzung (vgl. Kleiner-Übersetzung S. 78).
Woraus besteht der dritte Ring, aus dem Imaginären oder dem Realen? Vermutlich aus dem Realen. Das Symptom bezieht sich nicht nur auf das Unbewusste (das den verborgenen Sinn des Symptoms liefert), sondern auch auf das Reale des Genießens, es ist eine Form der „Ersatzbefriedigung“, wie Freud sagt.
Polizei: der Herrensignifikant im Diskurs der Universität bzw. der Bürokratie (16)
Zu: „Dieser Kreis – es wird gewiss nötig sein, dass ich darauf zurückkomme –, der Kreis hat eine Funktion, die der Polizei wohlbekannt ist: der Kreis dient dazu, zu zirkulieren, und eben darin hat die Polizei eine Stütze, die es nicht erst seit gestern gibt. Hegel hatte sehr gut gesehen, was ihre Funktion ist, und er hat es in einer Gestalt gesehen, die gewiss nicht diejenige ist, um die es geht, die in Frage steht. Für die Polizei geht es einfach darum, dass das Sich-im-Kreise-Drehen weitergeht.“ (16)
In Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse, erklärt Lacan, der Diskurs der Universität sei auch der Diskurs der Bürokratie284 – also der Policey im Sinne von Hegel. Im Diskurs der Wissenschaft (der von Lacan an dieser Stelle mit dem Diskurs der Universität gleichgesetzt wird) ist am Platz der Wahrheit (unten links) der Befehl:
„Mach weiter. Vorwärts. Mach damit weiter, immer mehr zu wissen.“285
In Seminar 22 von 1974/75, RSI, heißt es:
„Von der Polizei behauptet Hegel zu Recht, daß alles, was mit Politik zu tun hat, in ihr seine Wurzeln finde. Es gibt nichts in der Politik, das nicht schließlich, in letzter Reduktion, schlicht und einfach Polizei wäre. Nun führt die Polizei immer nur dieses Wort im Munde – Weiterfahren (Circulez)!“286
Die Polizei fordert, dass sich alles weiter im Kreis dreht; sie sorgt dafür, dass die Wiederholung zu keinem Ende kommt. ↩
ZUR SEKUNDÄRLITERATUR
Die Zahlen in Klammern nach den Überschriften und nach den Lacan-Zitaten zu Beginn der Einträge beziehen sich auf die Seiten von Max Kleiners Übersetzung von Seminar 23; oben in der Übersetzung sind sie im deutschen Text nach jedem Satz angegeben.
Orthografie von „Sinthom“ (1)
Jacques-Alain Miller, der offizielle Herausgeber des Sinthom-Seminars, sagt in seiner Vorlesung zu diesem Seminar, er wolle über das sprechen,
„was Lacan mit der Vokabel des Sinthoms in die Klinik eingeführt hat. Nicht ‚Symptom‘, sondern ‚Sinthom‘. Danach spricht Lacan bewusst vom Symptom, und ich habe nicht gedacht, dass ich das zu korrigieren hätte, wenn man einmal erfasst hat, von wo er zurückkommt, er sorgt dafür, dass man es sofort erfasst, sowohl durch den Titel als auch dadurch, dass er gleich zu Beginn ankündigt, dass er eine alte Schreibweise aufgreift, griechisch, griechischen Ursprungs schließlich.“287
Stimmt, letztlich hat „sinthome“ einen griechischen Ursprung, aber das gilt auch für „symptôme“. Lacan geht mit „sinthome“ auf die lateinische Schreibweise zurück. Die moderne Schreib- und Sprechweise „symptôme“ ist ein Versuch, korrektes Griechisch zu schreiben und zu sprechen, also ein typisches Produkt des Renaissance-Humanismus.
Herabsetzung der Logik? (3 f.)
Zu: „Von diesem ersten, man muss schon sagen, Stuss haben wir nur eine Spur, indem wir daraus schließen, dass Adam, wie es sein Name zur Genüge anzeigt – das ist eine Anspielung, das hier, auf die Funktion des Index bei Peirce –, dass Adam, gemäß des joke, den Joyce daraus macht, dass Adam natürlich eine M’Adam war, und dass er das Vieh nur in eben ihrer Sprache / in ihrer Lalangue benannt hat, das muss man gewiss annehmen, denn diejenige, die ich die l’Evie (E-V-I-E) nennen werde – l’Evie, die ich das Recht habe, so zu nennen, denn das heißt es auf Hebräisch, falls das Hebräische eine Sprache ist: „die Mutter der Lebenden“ – also l’Evie hatte sie sofort und ziemlich hängend, diese Sprache / Zunge, denn nach dem vermeintlichen Benennen durch Adam ist die erste Person, die sich ihrer bedient, eben sie: um mit der Schlange zu sprechen.“ (3 f.)
Morel schreibt über diese Passage, alles, was Lacan traditionell am Symbolischen hervorhebe, werde hier herabgesetzt, „selbst die Logik“, a.a.O., S. 114.[/note]. Von einer Herabsetzung der Logik kann ich in dieser Sitzung des Seminars nichts erkennen. Den Freudschülern der ersten Generation wirft Lacan mangelnde Logik vor; da die Natur „nicht-eine“ ist, müsse man – so erklärt er –, um sie zu erfassen, logisch vorgehen.
Verhältnis von Herrensignifikant und Eins (10)
Zu: „Von daher unsere Schreibweise ‚S Index 1‘, S1, ich präzisiere, dass sie so gelesen wird; sie bildet nicht die Eins, aber sie verweist auf sie als etwas, das nichts enthalten kann, das ein leerer Sack sein kann.“ (10)
Lacan sagt zur Schreibung als S1, „elle fait pas l’un, mais elle l’indique“ (Staferla S. 12), sie bildet nicht die Eins, sie macht nicht die Eins, aber sie zeigt diese an – als etwas, das nichts enthalten kann, das ein leerer Sack sein kann (Kleiner-Übersetzung S. 10).
Morel kommentiert die Passage so:
„In diesem neuen Kommentar ist das S1, das ‚Ein‘, vom Körper aus zu denken„288, sie setzt also S1 und Ein miteinander gleich. Genau diese Deutung wird von Lacan an dieser Stelle zurückgewiesen. S1 ist nicht die Eins (oder das Ein), sondern verweist auf die Eins im Sinne der leeren Menge. Der Herrensignifikant bezieht sich auf den Hautsack, auf die Eins im Sinne der leeren Menge, er muss davon jedoch unterschieden werden.
Rolle des Körpers (10 f.)
Zu: „Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste – deren wichtigste, weil sie nicht weil es nicht verstopft, geschlossen werden kann –, deren wichtigste das Ohr ist, weil es nicht verschlossen, nicht zugemacht werden kann, aus diesem Grund antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe. (…) More geometrico – auf Grund der Form, die Platon so schätzte, erweist sich das Individuum so, wie es gebaut ist: als ein Körper. Dieser Körper hat eine solche fesselnde Kraft, dass, bis zu einem gewissen Punkt, die Blinden zu beneiden wären.“ (10)
„Nichtsdestoweniger bleibt, dass ein leerer Sack ein Sack bleibt, nämlich die Eins, die nur vorstellbar ist aus der Ex-sistenz und aus der Konsistenz, die der Körper hat, die der Körper von daher hat, dass er Haut/Topf ist.“ (10 f.)
„Es gibt einen umpire [engl. für Schiedsrichter] – umpire, um es auf Englisch zu sagen, so schreibt es Joyce – nur ausgehend vom empire, vom Imperium über den Körper, wie alles dessen Markierung trägt, vom Ordal an.“ (11)
Morel schreibt über den Körper bei Lacan:
„zunächst in Das Spiegelstadium imaginär und durch das Spiegelbild gestützt, wird er stückweise signifikant, bis hin zu Radiophonie, wo er nur dank des Symbolischen existiert, das sein Gestell bildet“289.
Von einer solchen Ent-Imaginarisierung des Körpers kann ich in dieser Sitzung des Seminars nichts erkennen. Das Körperbild liefert gewissermaßen den Rohstoff für die leere Menge und damit für die Fundierung der Mathematik, es wird damit aber nicht zum Signifikanten. Morels These von der Verdrängung des Imaginären durch das Symbolische steht auch im Gegensatz zum Grundgedanken des borromäischen Knotens, in dem das Imaginäre ja gleichwertig neben dem Symbolischen und dem Realen steht.
Die Spaltung des Subjekts (11)
Zu: „Insofern das Symbol auf das Imaginäre einen draufsetzt, hat es (das Symbol) den Index 2 (S2), das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Spaltung in das Subjekt ein, welches dies auch sei, durch das, was sich darin de facto aussagt, wobei das Faktum geknüpft bleibt an das Rätsel des Aussagens, welches nur in sich geschlossenes Fakt ist, das Fakt des Fakts, wie man schreibt, der Gipfel an Tatsache (le faîte du fait) oder das Fakt des „tut“, wie man das sagt, faktisch gleich, äquivok und äquivalent, und damit Grenzen des Gesagten.“ (11)
Worin besteht die Spaltung des Subjekts? Morel deutet die Stelle so, dass S2 das Subjekt zwischen dem Äußerungsvorgang (énonciation) und dem Faktum spaltet.290 Die beiden Seiten der Spaltung sind für sie also der Äußerungsvorgang und das Faktum.
Ich nehme an, die beiden Seiten der Spaltung sind, einerseits, der Äußerungsvorgang, der ein Faktum ist, und, andererseits, das Ausgesagte, bin mir aber nicht sicher, die Stelle ist zu andeutungshaft. Ich vermute, dass gemeint ist: Solche Sprechereignisse sind das Faktum schlechthin, das, auf dem die gesamte Analyse aufbaut. Für Sartre ist das Bewusstsein eine „absolute Tatsache“291, für Lacan – so nehme ich an – der Äußerungsvorgang, in dem sich das Unbewusste manifestiert.
Ein Signifikant repräsentiert ein Subjekt für einen anderen Signifikanten (15)
Zu: „Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, wird es uns durch sein Insistieren notwendig, zu zeigen, daß einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.“ (15)
Morel schreibt über das RSI- und das Sinthom-Seminar:
„Verschwunden ist die klassische zirkuläre Definition des Subjekt und des Signifikanten, ‚ein Signifikant repräsentiert ein Subjekt für einen anderen Signifikanten‘. Die repräsentative Funktion des Signifikanten als S1 tendiert, wie gezeigt, dazu, zugunsten der Mehrdeutigkeit abgeschafft zu werden.“292
Etwas später spricht sie vom „Ende des Repräsentiertwerdens des Subjekts durch den Signifikanten und also der damit verbundenen zirkulären Definition des Signifikanten und des Subjekts.“293 Zumindest in dieser Passage des Sinthom-Seminars ist die von Morel erwähnte Definition des Signifikanten noch in vollem Betrieb. Das Subjekt, sagt Lacan zunächst, wird „durch den Signifikanten Index 1 repräsentiert“, anschließend erläutert er den Signifikanten mit dem Index 2. Die „klassische“ Definition des Signifikanten, wie Morel sie nennt, wird hier nicht abgeschafft, sondern ausgebaut, durch die Neudefinition von S2 als Beziehung zwischen Symbol und Symptom.
„Der Signifikant“,
schreibt Morel zur Erläuterung ihrer These,
„reduziert sich auf die gesprochene Mehrdeutigkeit, auf eine Verwindung der Stimme.“294
Ich denke, dass die Unterscheidung von S1 und S2 von Lacan im Sinthom-Seminar keineswegs aufgelöst wird. Sie wird vielmehr bekräftigt: in die Dualität zweier Signifikanten, S2, greift ein dritter Signifikant ein, S1, und bewirkt die Verdrängung eines der beiden. Die Joyceschen Äquivokationen werden durch S2 dargestellt (das zugleich für die Spaltung in Symbol und Symptom steht). Der das Subjekt repräsentierende Signifikant S1 ist etwas anderes: die Home Rule als Vaterersatz. Ein Beispiel für diese Beziehung gibt Lacan etwas weiter unten: Das Gottesurteil (S1) steht in Beziehung zur Körperbeherrschung (zur Eins im Sinne der leeren Menge).
Umwandlung eines falschen Lochs in ein echtes Loch (15 f.)
Zu: „Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, wird es uns durch sein Insistieren notwendig, zu zeigen, daß einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.
In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Verbindung des Symptoms mit dem Symbol nur, möchte ich sagen, ein falsches Loch gibt. Wenn wir die Konsistenz, die Konsistenz irgendeiner dieser Funktionen, Symbolisches, Imaginäres und Reales, wenn wir annehmen, dass diese Konsistenz einen Kreis bildet, dann unterstellt das ein Loch.
Aber im Fall des Symbols und des Symptoms geht es um etwas anderes: das, was ein Loch bildet, ist die Gesamtheit – die übereinander gefaltete Gesamtheit – dieser beiden Kreise. (…) Man muss jedes dieser Löcher in etwas einschließen, was bewirkt, dass sie zusammenhalten, damit wir hier etwas hätten, das als echtes Loch qualifiziert werden könnte. Das heißt, dass man sich vorstellen muss, damit diese Löcher bestehen bleiben, sich aufrechterhalten, dass man einfach hier eine Gerade annehmen muss, das wird denselben Zweck erfüllen, eine Gerade, vorausgesetzt, sie ist unendlich.“ (15 f.)
Bezogen auf die beiden Ringe, die ein falsches Loch bilden, das durch das Einschieben einer unendlichen Geraden in ein echtes Loch verwandelt wird, nimmt Morel folgende Zuordnungen vor:
– Symptom: Reales
– Symbol: Unbewusstes
– unendliche Gerade: Imaginäres.295
Im RSI-Seminar und im Sinthom-Seminar wird das Symptom mit dem vierten Ring des borromäischen Viererknotens gleichgesetzt. Also kann es nicht mit dem Realen identifiziert werden. Die unendliche Gerade ist demnach entweder das Imaginäre oder das Reale.
DEUTUNGSIDEEN
Die Zahlen in Klammern nach den Überschriften und nach den Lacan-Zitaten zu Beginn der Einträge beziehen sich auf die Seiten von Max Kleiners Übersetzung von Seminar 23; oben in der Übersetzung sind sie im deutschen Text nach jedem Satz angegeben.
Joyce und der Diskurs des Herrn (7)
Zu: „Dieser Herr*, ce Herr* – man kann nicht sagen ‚cet Herr‘“ (mit ausgesprochenem t), das verbietet die Aspiration, das nervt alle Leute so sehr, dass man deswegen sagt ‚le pauvre hère‘, der arme Tropf –, dieser Herr* hat sich als ein hero aufgefasst: Stephen Hero.“ (7)
Miller zufolge begreift Lacan den Diskurs der Joyceschen Kunst nicht als Herrendiskurs.296 Ich denke, dass Lacan ihn durchaus als Herrendiskurs auffasst.
„Ce Herr“, sagt Lacan über Joyce, „dieser Herr*“. Das ist, nehme ich an, eine Anspielung auf den Diskurs des Herrn, der sich wiederum auf die Hegelsche Dialektik von „Herr und Knecht“ bezieht und damit auf das deutsche Wort „Herr“.
Ich vermute, dass Lacan in seinen Bemerkungen zu Joyce folgende Bezüge herstellt:
S1: Joyce (linke Seite) agiert von bestimmten Herrensignifikanten aus (S1 am Platz oben links): „Häretiker“, „Held“, „der“ Künstler. Der Künstler „als“, „comme“: das „comme“ lügt, wie „comment“ anzeigt, durch die Identifizierung mit dem Herrensignifikanten (Thomas von Aquin, Home-Rule) wird die Wahrheit über das Begehren verhüllt.
$ (unten links): Die verborgene Wahrheit ist, dass er „einen etwas laschen Schwanz hatte“, dass die Übermittlung des Phallus vom Vater an den Sohn nur unzureichend stattgefunden hatte.
S2 (oben rechts): Die Universitätsmenschen nehmen im Joyceschen Diskurs des Herrn die Position des Sklaven bzw. des Knechts ein (rechte Seite der Formel); die abwertende Charakterisierung als engeance, Klüngel, spielt vermutlich darauf an. Joyce lässt die Universitätsleute für sich arbeiten, und das heißt, dass er ihr Wissen in seinen Dienst stellt.
a (unten rechts): Das Produkt dieses Diskurses besteht darin, dass die Universitätsmenschen die Häresie genießen; dem entspricht in der Formel das a für die Mehrlust.
Joyce und der Diskurs der Universität (8)
Zu: „Zur Zeit ist es unmöglich, diesen Text zu bekommen und das, was ich den Kritizismus genannt habe, nämlich das, was eine gewisse Anzahl von Personen, alles Universitätsleute – das ist im übrigen eine Weise, an die Universität zu gelangen, die Universität saugt die Joycianer an, aber schließlich sind sie schon an der richtigen Stelle, sie gibt ihnen Dienstgrade (…)“ (8)
Damit bezieht Lacan sich, nehme ich an, auf den Diskurs der Universität.
S2, das Wissen, ist in diesem Fall: das gelehrte Wissen über Joyce.
S1: Für die Stellen und die Dienstgrade (und auch die Titel) steht in der Formel das Kürzel S1 am Platz unten links, der Herrensignifikant am Platz der verborgenen Wahrheit. In Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, heißt es, im Diskurs der Universität bestehe der Herrensignifikant im Doktortitel und im Autorennamen.297
Spaltung von S2 (14 f.)
Zu: „Die Wahrheit, wo ist sie in diesem Zusammenhang? Ich habe gesagt, sie sei irgendwo im Diskurs des Herrn als unterstellt im Subjekt, insofern es, gespalten, noch dem Phantasma unterworfen ist. Hier, im Gegensatz zu dem, wie ich es zunächst dargestellt habe, hier auf der Ebene der Wahrheit müssen wir das Halbsagen in Betracht ziehen. Das heißt, dass das Subjekt in dieser Etappe nur durch den Signifikanten Index 1, (S1) repräsentiert werden kann, dass der Signifikant Index 2 (S2) genau das ist, was – um es darzustellen, wie ich es eben gemacht habe – durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird.“ (14 f.)
Wann immer der Diskurs des Herrn die Herrschaft innehat, „spaltet sich das S2″, wie Lacan sagt, „und diese Spaltung ist die zwischen Symbol und Symptom“ (Staferla-Version, S. 17).
Morel deutet die Stelle so:
„Das Reale der Spaltung des Subjekts in S1 und S2 spiegelt die Duplizität des Symbol und des Symptoms wider„298.
Die Zweiheit von Symbol und Symptom besteht ihr zufolge also in der Dualität von S1 und S2.
Lacan sagt etwas anderes: Es ist S2, das sich spaltet, und zwar in Symbol und Symptom. Er formuliert eine neue These zum Herrendiskurs: unter der Wirkung dieses Diskurses – des Herrensignifikanten am Platz des Agenten – spaltet sich derjenige Teil des Symbolischen, der in der Formel des Herrendiskurses durch S2 repräsentiert wird (das „Wissen“); es teilt sich auf in das Symbol (in das Unbewusste) und in das Symptom. In Freudscher Terminologie: durch die Identifizierung mit dem Ichideal kommt es zur Verdrängung bestimmter Vorstellungen und zur Wiederkehr des Verdrängten im Symptom.
Position des Handwerkers im Herrendiskurs (15)
Zu: „Da [Ich vermute: S1 am Platz oben links, RN] ist der Handwerker, der Handwerker, insofern er durch die Zusammenfügung zweier Signifikanten in der Lage ist, das, was ich eben das Objekt klein a genannt habe, zu produzieren, oder genauer, ich habe es mit dem Verhältnis zum Ohr und zum Auge illustriert, wie auch mit dem Verweis auf den geschlossenen Mund.“ (15)
„Là est l’artisan“, da ist der Handwerker, sagt Lacan und deutet dabei auf das Diagramm des Herrendiskurses an der Tafel. Wohin zeigt er?
Erste Möglichkeit: auf S2 am Platz oben rechts. Hierfür spricht, dass Lacan in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse, das Symbol S2 mit dem Sklaven, dem Knecht, dem Handwerker gleichsetzt.299
Zweite Möglichkeit: Lacan deutet auf S1 am Platz oben links. Für die zweite Möglichkeit spricht, dass Joyce im Herrendiskurs den Platz S1 einnimmt – was allerdings voraussetzt, dass man die Zuordnung von Joyce zum Herrendiskurs akzeptiert.
ZUSAMMENSTELLUNG ZU SYMPTOM/SINTHOM
Im Folgenden werden alle Stellen aufgeführt, an denen Lacan die Ausdrücke „Symptom“ oder „Sinthom“ verwendet. Die Zahlen in runden Klammern sind Seitenzahlen, sie verweisen auf die Übersetzung von Max Kleiner.
Allgemeines zum Symptom/Sinthom
Schreibweise
Sinthome („Sinthom“) ist eine alte Schreibweise für das, was später symptôme („Symptom“) geschrieben wurde. Sinthome orientiert sich am mittelalterlichen Latein, symptôme ist eine gräzisierende Schreibweise, die sich unter dem Einfluss des Renaissance-Humanismus durchsetzt.
Da Lacan äußerst deutlich artikuliert, ist auf der Tonaufnahme dieser Sitzung zweifelsfrei zu erkennen, wann er sinthome sagt und wann symptôme; ich habe die Transkription überprüft, sie ist korrekt.
Verwendung von „Sinthom“ und „Symptom“
In der Sitzung vom 18. November 1975 verwendet Lacan die Ausdrücke „Sinthom“ und „Symptom“ synonym.
(a) Er bezeichnet den vierten Ring der borromäischen Verkettung abwechselnd als „Sinthom“ und als „Symptom“. Der vierte Ring ist der des „Symptoms“:
„Die Ex-sistenz des Symptoms ist das, was von der Position impliziert wird, derjenigen, die jenes rätselhafte Band des Imaginären, des Symbolischen und des Realen unterstellt.“ (12)
Der vierte Ring ist der des „Sinthoms“:
„Nicht dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale zerrissen seien, definiert die Perversion, sondern dass sie schon unterschieden sind, und dass man ein viertes unterstellen muss, das hierbei das Sinthom ist, dass man das, was das borromäische Band ausmacht, als tetradisch unterstellen muss, (…).“ (12)
(b) Der Vater wird von Lacan synonym als „Symptom“ und als „Sinthom“ bezeichnet. Das letzte Zitat geht so weiter:
„… dass ‚Perversion‘ nichts anderes besagt als ‚Wendung zum Vater‘, und dass der Vater alles in allem nur ein Symptom ist, oder ein Sinthom / ein saint homme, ganz wie Sie möchten.“ (12)
(c) Zu Beginn der Sitzung heißt es über den Überschwang,
„er sei der Ursprung eines Sinthoms, das wir, in der Psychiatrie, als Manie bezeichnen.“ (1 f.)
Hier bezieht der Ausdruck „Sinthom“ sich nicht auf eine spezielle Formation, er dient als Synonym zu „Symptom“, wie der Ausdruck von Psychiatern verwendet wird.
Trotzdem könnte es sinnvoll sein, „Symptom“ und „Sinthom“ zu unterscheiden, nämlich dann, wenn Lacans frühere Erklärung des Symptoms anders ist als die im Sinthom-Seminar; man könnte dann den Ausdruck „Sinthom“ für die neue Symptom-Konzeption reservieren, auch wenn das nicht mit Lacans Sprachgebrauch übereinstimmt.
Außerdem ist es natürlich möglich, dass Lacan in späteren Sitzungen des Sinthom-Seminars „Symptom“ und „Sinthom“ unterscheidet.
Das Heilige und die Schuld
Mit der Schreibweise sinthome bringt Lacan den Gegensatz des Heiligen und der Sünde bzw. der Schuld ins Spiel.
Sinthome spielt auf saint homme an „heiliger Mann“. Im Genf-Vortrag von 1975 heißt es:
„Ein gewisser Heiliger Thomas von Aquin – auch er ist ein Heiliger Mann / un saint homme, und sogar ein Symptom, hat etwas geschrieben was sich De ente et essentia nennt.„300
Die Verbindung zu Sünde und Schuld wird in Seminar 23 durch die folgende Bemerkung hergestellt:
„Die sogenannte göttliche Schöpfung verdoppelt sich also im Gerede des Sprechwesens, wie ich es genannt habe, wodurch l’Evie die serpent / serre-pan / Schlange zu dem macht, was Sie mir erlauben werden, die serre-fesses / Arschbacken-Klemme zu nennen, späterhin bezeichnet als Spalte oder besser als Phallus, da es ja einen solchen braucht, um das Faut-pas / den Faux-pas / das Darf-nicht / den falschen Schritt zu tun, die Schuld, mit der zu beginnen mein Sinthom sich auszeichnet. Sin bedeutet im Englischen: die Sünde, die erste Schuld.“ (4)
Die Schreibweise als „Sinthom“ bringt also den Zusammenhang zwischen Symptom und Über-Ich ins Spiel.
In Seminar 4, Die Objektbeziehungen (1956/57), hatte Lacan das Heilige so erklärt:
„Diese heilige Macht (puissance), die in den mythischen Erzählungen, welche erklären, wie der Mensch mit ihr in Beziehung getreten ist, unterschiedlich bezeichnet wird, läßt sich für uns in einer offenkundigen Identität mit der Macht der Bedeutungsgebung (pouvoir de la signification) und ganz speziell ihres Instrumentes Signifikant verorten.“[Seminar 4, Version Miller/Gondek, S. 301 f., Übersetzung geändert nach Version Staferla.]
Das Heilige ist die Macht der Bedeutungsgebung durch den Signifikanten.
Das Symptom ist das Abgewehrte
Das Sinthom hat die Struktur „nur das nicht“:
„Es ist das ‚mais pas ça‘ (nur das nicht / nur es nicht / aber nicht Es), was ich in diesem Jahr mit meinem Titel als das Sinthom einführe.“ (5)
Das Sinthom ist das Zurückgewiesene, in Freudscher Terminologie: Das Symptom ist das vom Ich Abgewehrte, die Wiederkehr des Verdrängten.
Borromäische Verkettung
In der borromäischen Verkettung von vier Ringen ist der vierte Ring der des „Sinthoms“ bzw. des „Symptoms“. (13 f.)
Umgang mit dem Symptom
Ein Sinthom kann logisch benutzt werden, bis sein Reales erreicht ist.
„Dies umso mehr, als die Wahl, einmal getroffen, niemanden daran hindert, sie der Überprüfung zu unterziehen, das heißt, auf die gute Weise häretisch zu sein, welche, da sie die Natur des Sinthoms richtig erkannt hat, nicht darauf verzichtet, es logisch zu benutzen, das heißt bis sein Reales erreicht ist, wo er dann genug hat.“ (6)
Gegen das Symptom hilft nur die mehrdeutige Rede.
„Denn letztlich haben wir als Waffe gegen das Symptom nur dies: die Äquivokation. (9)
Was heißt, das Sinthom (bzw. das Symptom) logisch zu benutzen, bis sein Reales erreicht ist? Als Waffe gegen das Symptom die Äquivokation zu verwenden, so dass das Sprechen den Zusammenhang zwischen dem Symptom und dem Genießen erreicht?
Aufspaltung von S2 in Symptom und Symbol
„ … hier auf der Ebene der Wahrheit müssen wir das Halbsagen in Betracht ziehen. Das heißt, dass das Subjekt in dieser Etappe nur durch den Signifikanten Index 1, (S1) repräsentiert werden kann, dass der Signifikant Index 2 (S2) genau das ist, was – um es darzustellen, wie ich es eben gemacht habe – durch die Duplizität von Symbol und Symptom repräsentiert wird. (…) Weil das Subjekt das ist, was ein Signifikant bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, wird es uns durch sein Insistieren notwendig, zu zeigen, dass einer dieser beiden Signifikanten des Symbolischen seine Stütze im Symptom findet.“ (14 f.)
Das Subjekt wird in dieser Etappe – im Herrendiskurs – nur durch den Signifikanten S1 repäsentiert, durch den Signifikanten, der den Sinneffekt hervorbringt. Der Signifikant S2 steht für ein Signifikantenpaar und repräsentiert das Unbewusste, das unbewusste Wissen (so hatte Lacan den Ausdruck S2 von Anfang an erläutert, in den Seminaren 16 und 17). Jetzt wird das Signifikantenpaar S2 aufgespalten in Symbol (in das Symbolische) und Symptom, womit vermutlich gemeint ist: in das Verdrängte (das Symbolische im Sinne des Unbewussten) und die Wiederkehr des Verdrängten (Symptom).
Falsches Loch zwischen Symptom und Symbol
„In diesem Sinne kann man sagen, dass es in der Verbindung des Symptoms mit dem Symbol nur, möchte ich sagen, ein falsches Loch gibt.“ (15).
Ein falsches Loch ist ein Loch, das durch Überlagerung zweier Ringe entsteht, aber durch Ziehen an den Ringen rückgängig gemacht werden kann. Das heißt, eine stabile Verbindung zwischen dem Symptom und dem Symbolischen gibt es nur dadurch, dass ein dritter Ring ins Spiel kommt, das Imaginäre oder das Reale.
Das heißt: es ist nicht möglich, ein Symptom nur durch die Beziehung zum Unbewussten zu erklären (es steht nicht nur in Beziehung zum „Symbol“, zum Symbolischen), man muss es auf etwas Drittes beziehen – auf das Reale des Genießens (nehme ich an).
Zu Joyce
Zwei Sinthome
Joyce entwickelte zunächst das sinthome-madaquin, das Thomas-von-Aquin-Sinthom, und dann das sinthome-rule, das Home-Rule-Sinthom; dies sind die beiden Richtungen, die sich der Kunst von Joyce anboten. Joyce wählt das Home-Rule-Sinthom (vgl. 5 f.).
Das Sinthom gibt vor, in welche Richtung sich die Kunst entwickeln kann.
Vereitelung der Wahrheit des Symptoms durch die Kunst
„In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst sein wird: inwiefern kann der Kunstgriff / das Artefakt ausdrücklich das anzielen, was sich zunächst als Symptom präsentiert? Inwiefern kann die Kunst, das Handwerk, das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom aufzwingt, nämlich was? was ich in meinen zwei Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.“ (14)
Vom Symptom her zwingt sich eine Wahrheit auf, die Aufdeckung eines verborgenen Sinns. Das Artefakt, das Kunstwerk kann den Zugang zur Wahrheit gezielt vereiteln, es kann dafür sorgen, dass das Symptom nicht gedeutet werden kann.
OFFENE FRAGEN
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Max Kleiner. Sie sind oben in der Übersetzung nach jedem Satz angegeben.
Hauptfragen
Man muss das Sinthom logisch benutzen, bis sein Reales erreicht ist (6); als Waffe gegen das Symptom haben wir nur die Äquivokation (9). Ist die Äquivokation die logische Verwendung des Sinthoms?
Das Mögliche ist das, was aufhört geschrieben zu werden, dadurch, dass es geschrieben wird (4). Was meint, dass im Verlauf einer psychoanalytischen Behandung etwas „geschrieben“ wird?
In der Perversion ist der Vater ein Symptom (12). Ist der Vater in der Neurose kein Symptom? Wenn ja: worin unterscheidet sich das Vater-Sympton in der Perversion von dem in der Neurose?
Das Symptom hört auf geschrieben zu werden oder würde vielmehr aufhören, wenn der Diskurs aufkäme, der nicht über den Schein wäre (4). Meint Lacan, dass es noch nie dazu gekommen ist, dass es aufhört, sich zu schreiben, und zwar deshalb, weil es den Diskurs, der nicht über den Schein wäre, noch nicht gibt?
Der Name des Vaters ist auch der Vater des Namens (14). Was ist hier mit Benennung durch den Vater gemeint? Inwiefern ist die Benennung eine Funktion des Vaters?
Der Ring des Symbolische und der des Symptoms bilden ein falsches Loch, dass durch eine unendliche Gerade zu einem echten Loch wird (15 f.). Stimmt die Vermutung, dass es bei dem vom Symbolischen und vom Symptom gebildeten Loch um das Objekt a geht?
Die unendliche Gerade ist einem Kreis verwandt (16). Warum interessiert Lacan die Verwandtschaft zwischen dem Kreis und der unendlichen Geraden? Was ist die psychoanalytische Entsprechung?
Worin besteht der Zusammenhang dazwischen, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, und dem Herrensignifikanten?
Weitere Fragen
Sinthom (1): Gibt es im alten Deutsch die Schreibweise „Sinthom“ oder etwas Ähnliches?
Lacan orientierte sich zunächst an denjenigen, die Freud „meine Bande“ nannte (2). Wo spricht Freud von „meiner Bande“?
Lacan fordert seine Hörer auf, sich daran zu erinnern, wo er bereits über das sexuelle Verhältnis bei den Vögeln gesprochen hatte (vgl. 3). Wo hatte er das getan?
Lacan stellt die Frage, ob das Hebräische eine Sprache ist (3). Warum sollte das Hebräische keine Sprache sein? Bezieht Lacan sich hier darauf, dass das Bibelhebräische zu dem Zeitpunkt, als die Bibel geschrieben wurde, eine tote Sakralsprache war?
Es braucht mindestens zwei Signifikanten, damit DIE Frau erscheint (4). Welche beiden Signifikanten sind gemeint?
„tout, mais pa ça“ (alles, nur das nicht) – „mē panti“ (nicht alle) (5). Die Sokratische Position ist „alles, nur das/es nicht“ (tout, mais pas ça), d.h. die Totalität gründet sich auf eine Ausnahme. In den Formeln der Sexuierung entspricht dies der linken (männlichen) Seite des Diagramms. Das „nicht alles“ (mê pantes), gehört zur rechten (weiblichen) Seite des Schemas mit dem negierten Allquantor. Wo steht Sokrates, auf der männlichen oder auf der weiblichen Seite?
Aristoteles will nicht, dass das Singuläre in seine Logik hineinspielt (5). Warum identifiziert Lacan die Zurückweisung des negierten allgemeinen Urteils durch Aristoteles (die Zurückweisung von „Nicht alle x sind y“) mit der Zurückweisung des Singulären?
Für die „Instanz des Buchstabens“ ist im Moment nichts Besseres zu erwarten als die Mehrdeutigkeit (.…). Was meint hier „Instanz des Buchstabens“?
Für die „gegenwärtige Instanz“ gibt es nur das Sinthome-madaquin (5). Was meint hier „Instanz“?
Dass Joyce claritas mit radiance/splendeur übersetzt, ist ein schwacher Punkt (5 f.). Wo liegt für Lacan das Problem? (Eine Antwort findet man möglicherweise in Auberts Buch über die Joycesche Ästhetik.)
Joyces Vater war versoffen und was? (6 f.) War der Vater „Fénian“ oder „feignant“ / „faitnéant“, „Fenier“ oder „faul“ oder beides? (6 f.)
Ein Häretiker ist derjenige, der ein Wahl trifft; Lacan war wie Joyce ein Häretiker (6). Welche Wahl hat Lacan getroffen?
Sohn zweier Familien (6 f.). Was ist mit den „zwei Familien“ gemeint, auf die Joyce-Vater oder Joyce-Sohn sich beziehen?
Den englischen Philosophen scheint nicht aufgefallen zu sein, dass es im Signifikanten etwas gibt, das Resonanz gibt (9). Welche Philosophen sind gemeint?
Der Blick macht dem Ohr Konkurrenz (10). Worin genau besteht der Zusammenhang zwischen dem Blick als Objekt a und dem Imaginären im Sinne der Fixierung auf das Bild des ganzen Körpers?
Die Homogenität von Imaginärem und Realem hängt nur vom Faktum der Zahl ab, insofern diese binär ist, Eins oder Null, insofern Eins nicht Null ist (11). Was meint das?
Aufgrund der drei Funktionen des Imaginären, des Symbolischen und des Realen glaubt ein bestimmtes Wesen, Mensch zu sein (12). Was meint hier „glaubt“? Dass der Begriff des Menschen letztlich auf das Zusammenwirken der drei Funktionen verweist?
Die Perversion zeichnet sich keineswegs dadurch aus, dass das Symbolische, das Imaginäre und das Reale auseinanderfallen (12). Wer nimmt das an?
Im borromäischen Viererknoten können die Ringe für das Symbolische und für das Symptom ausgetauscht werden (13). Worum geht es bei dieser Austauschbarkeit? Ist die Austauschbarkeit der Ringe des Symbolischen und des Symptoms eine andere Darstellungsweise für das Verhältnis zwischen S1 und S2?
Bei Joyce zeigt sich die Bedeutung der Vaterfunktion darin, dass er letztlich für den Vater verantwortlich ist, er muss den Vater stützen, das stellt sich im Ulysses heraus (14). Inwiefern stellt sich im Ulysses heraus, dass Joyce den Vater stützen muss?
Das Schema des Herrendiskurses wird im Diagramm um eine Achteldrehung im Uhrzeigersinn gedreht (14). Was bedeutet die Achteldrehung des Herrendiskurses?
Ich habe Lacans Beschreibung von Joyce als Künstler dem Herrendiskurs zugeordnet (14 f.). Ist das haltbar?
Lacan setzt S2 gleich mit der Spaltung in Symbol und Symptom (14 f.). Ist das eine Neuerung des Sinthom-Seminars?
Das Subjekt ist das, was von einem Signifikanten für einen anderen Signifikanten repräsentiert wird. Nun gibt es ein Insistieren des Signifikanten. Einer der beiden Signifikanten findet seine Stütze im Symptom (15). Ist dies der Signifikant, der das Subjekt repräsentiert oder derjenige, für den es repräsentiert wird? Wie ist „Stütze“ hier gemeint: unterscheidet sich der Signifikant vom Symptom oder fällt er mit ihm zusammen?
Soury hat gezeigt, das man einen Torus in eine Art Gussblase einschließen muss (15 f.). Wieso muss ein Torus in eine Gussblase eingeschlossen werden?
Die unendliche Gerade steht für einen dritten Ring, genauer gesagt für eine Art Kreis (16). Wofür steht der durch die unendliche Gerade dargestellte dritte Ring, für das Imaginäre oder für das Reale?
LITERATURVERZEICHNIS
Das Verzeichnis beschränkt sich auf die in diesem Beitrag zitierte oder erwähnte Literatur.
Die Übersetzungen von Zitaten sind von Rolf Nemitz, falls nicht anders vermerkt.
Lacan, Sinthom-Seminar
Version ALI
Herausgegeben von der Association Freudienne Internationale, 2001 umbenannt in Association Lacanienne Internationale.
Als PDF auf der Internetseite der ELP, hier. S. 212–380.
Version Miller 2005
Jacques Lacan: Le séminaire, livre XXIII. Le sinthome. 1975–1976. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2005
Version Miller/Mitelman/Dielmann
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017
Version Miller/Price
Jacques Lacan: The Sinthome. The seminar of Jacques Lacan, Book XXIII. Edited by Jacques-Alain Miller, translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2016
Version NN
Lacan: Le sinthome. Wort-für-Wort-Transkription eines anonymen Herausgebers, ohne Ort, ohne Jahr. Schreibmaschine, durch Fotokopien verbreitet. Auf diese Version bezieht sich Max Kleiners Übersetzung, linke Spalte.
Version NN/Kleiner und Version Miller 1976–77/Kleiner
Le sinthom. 1975 — 1976. Seminar XXIII von Jacques Lacan. Übersetzt von Max Kleiner. Herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007
Der Text enthält zwei Übersetzungen. Das Layout ist dreispaltig. Erste Spalte: Übersetzung der Transkription eines anonymen Herausgebers (=Version NN/Kleiner), zweite Spalte: Übersetzung der Version Miller 1976/77, dritte Spalte: Anmerkungen des Übersetzers. Zu bestellen beim Lacan-Archiv Bregenz; für 20 Euro erhält man eine PDF-Datei.
Version Staferla
Jacques Lacan: Le sinthome. 1975 — 76. Wort-für-Wort-Transkription, herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr, ohne Ort. Diese Transkription wird von Zeit zu Zeit überarbeitet, es gibt also mehrere Varianten der Staferla-Version. Für diesen Kommentar wurde die Variante vom 28.6.2013 verwendet; man findet sie hier.
Version Staferla/Nemitz
Jacques Lacan: Das Sinthom. Seminar 23 von 1975/76. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, 2019, hier
Version Stenotypie ELP
Jacques Lacan: Le sinthome. Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier
Weitere Texte von Lacan
Conférence à Genève sur le symptôme (4. Oktober 1975). In: La Cause du désir, Nr. 95 (2017/1), S. 9–13, hier.
Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626
Das Seminar über „Der gestohlene Brief“. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 12–76
Die Freud’sche Sache oder Sinn der Rückkehr zur Freud in der Psychoanalyse. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 472–513
Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 231–251
Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–381
Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013
Joyce das Symptom (I).
(a) Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 11. September 2013, hier.
(b) Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Turia und Kant, Wien 2017, S. 181–191
Joyce das Symptom (II). Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 20. Mai 2019, hier
Kant mit Sade. In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 289–321
L’acte psychanalytique. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 375–383
Le nombre treize et la forme logique de la suspicion. In: Cahiers d’art, 1946, S. 389–393, im Internet auf der Seite der ELP in Pas-tout Lacan, hier
L’étourdit. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 449–497, Teilübersetzung von Max Kleiner in Lacan entziffern, Beitrag vom 23. März 2018, hier
Préface à L’Éveil du printemps. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 561–563
Préface à une thése. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 393–402 [Vorwort zu Anika Rifflet-Lemaire: Jacques Lacan. Dessart, Brüssel 1970]
Radiophonie (1970). Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J.L.: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin 1988, S. 5–54
Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368
Television. Übersetzt von Jutta Prasse und Hinrich Lühmann. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 55–95
Über das Subjekt endlich in Frage (1966). In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text.Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 269–277
Vorschlag vom 9. Oktober 1967 über den Psychoanalytiker der École. Übersetzt von Ulrike Oudée Dünkelsbühler. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 24. Juni 2009, hier
Seminare
Seminar 2 = Das Seminar, Buch II (1954–1955). Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Walter-Verlag, Olten u.a. 1980
Seminar 3 = Das Seminar, Buch III (1955–1956). Die Psychosen. Übersetzt von Michael Turnheim nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1997
Seminar 4 = Das Seminar, Buch IV (1956–1957). Die Objektbeziehung. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Turia und Kant, Wien 2003
Seminar 5 = Das Seminar, Buch V (1957–1958). Die Bildungen des Unbewussten. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Turia und Kant, Wien 2006
Seminar 6 = Le séminaire, livre VI. Le désir et son interprétation. 1958–1959. Texterstellung Jacques-Alain Miller. La Martinière, Paris 2013
Seminar 7 = Das Seminar, Buch VII (1959–1960). Die Ethik der Psychoanalyse. Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1996
Seminar 8 = Das Seminar, Buch VIII (1960–1961). Die Übertragung. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version in der zweiten, korrigierten Auflage von 2002. Passagen, Wien 2008
Seminar 9 = L’identification. 1961–62. Herausgegeben von der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Versionen JL, rue CB und Roussan. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 10 = Das Seminar, Buch X. Die Angst. 1962-1963. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Turia und Kant, Wien 2010
Seminar 11 = Das Seminar, Buch XI (1964).Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Walter, Olten u.a. 1978
Seminar 14 =Logique du fantasme. 1966-67. Herausgegeben von der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Versionen ELP, rue CB u.a. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 16 = Le séminaire, livre XVI. D’un Autre à l’autre. 1968-1969. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2006
Seminar 17 = Le séminare, livre XVII. L’envers de la psychanalyse. 1969-1970. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1991
Seminar 18 = Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre. Seminar 18 von 1971. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, hier
Seminar 19 = Le séminare, livre XIX. … ou pire. 1971–1971. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2011, Teilübersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla in Lacan entziffern, hier
Seminar 20 = Das Seminar, Buch XX (1972–1973). Encore. Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger, nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1986
Seminar 21 = Les non-dupes errent. 1973–74. Hg. v. der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage einer Tonaufnahme sowie der Transkriptionen auf den Websites Lutecium und Gaogoa. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 22 = Seminar XXII. RSI. 1974–75. Übersetzt von Max Kleiner auf der Grundlage einer von Jacques-Alain Miller erstellten vorläufigen Version. Herausgegeben vom Lacan-Archiv Bregenz 2012
Andere Autoren
Aristoteles: Erste Analytik. Zweite Analytik. Griechisch-deutsch. Organon Band 3/4. Übersetzt von Hans Günter Zekl. Meiner, Hamburg 1998
Aubert, Jacques: Introduction à l’esthétique de James Joyce. Didier, Paris u.a. 1973 (engl. Übersetzung: The Aesthetics of James Joyce. Johns Hopkins University Press 1992)
---: Joyce und Thomas von Aquin. Zur Ästhetik des Polaer Notizbuchs. In: Klaus Reichert, Fritz Senn (Hg.): Materialien zu James Joyces „Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 290–303
---: Anmerkungen. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 214–225
Beebe, Maurice: The artist as hero. In: James Joyce: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968, S. 340–357, im Internet hier (aus M. Beebe: Ivory towers and sacred founts. New York, New York University Press 1964)
Brunschwig, Jacques: La proposition particulière et les preuves de non-concluance chez Aristote. In: Cahiers pour l’analyse, Nr. 10, 1969, S. 3–26
Burde, Gerhard; Zieschang, Heiner: Knots. Zweite überarbeite und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2003
Darmon, Marc: Introduction et commentaire de la leçon I. In: GNiPL, Groupe niçois de psychanalyse lacanienne, Groupe régional de l’Association Lacanienne Internationale (ALI): Textes des interventions au séminaire d’été 2014: étude du séminaire « Le Sinthome ». https://www.gnipl.fr/le-sinthome/)]
Ellmann, Richard: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Essaim (Zeitschrift, Éditions Érès, Toulouse), Nr. 29 vom Herbst 2012
Fallend, Karl: Sonderlinge, Träumer, Sensitive. Psychoanalyse auf dem Weg zur Institution und Profession. Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und biographische Studien. Geyer, Wien 1995
Fierens, Christian: Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018
Freud, Sigmund: Studienausgabe in 10 Bänden und einem Ergänzungsband. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2013 (=Werke, Bd. 7)
Ionesco, Eugène: Die Nashörner. Schauspiel in drei Akten. Aus dem Französischen von Claus Bremer und H. R. Stauffacher. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2009
Joyce, James: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968. – Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übersetzt von Klaus Reichert. In: J. Joyce: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–533
---: Finnegans Wake. Oxford University Press, Oxford 2012.– Finnegans Wake. Deutsch. Hg. v. Klaus Reichert und Fritz Senn. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989
---: Oeuvres, Bd. 1. Hg. v. J. Aubert. Gallimard, Paris 1996
---: Stephen Hero. Hg. v. Theodore Spencer. Cape, London 1991.– Stephen der Held. Übersetzt von Klaus Reichert. In: In: J. Joyce: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 5–250
---: Ulysses. Penguin Books, London 2000 (Serie „Penguin Classics“).– Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Jung, Carl Gustav: Ulysses. Ein Monolog. In: Ders.: Wirklichkeit der Seele. Zürich 1934, S. 132–169 (zuerst in: Europäische Revue 8, 1932, S. 547–568, auch in: Ders.: Gesammelte Werke. Walter-Verlag, Olten 1971, Bd. 15, Über das Phänomen des Geistes in Kunst und Wissenschaft, S. 121–149), im Internet auszugsweise hier
Kenner, Hugh: The Portrait in perspective. In: James Joyce: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968, S. 416–439, im Internet hier (aus: H. Kenner: Dublin’s Joyce. Indiana University Press und Chatto und Windos, Bloomington 1956)
Kiberd, Declan: Introduction. In: James Joyce: Ulysses. Penguin Books, London 2000, S. IX–LXXX
La Fontaine, Jean de: Die Fabeln. Fourier und Fertig, Wiesbaden 1978
Laplanche, Jean; Pontalis, Jean-Bertrand: Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975
Miller, Jacques-Alain: Pièces détachées. Seminar 2004/05. In: La Cause freudienne 60–63, 2005–2006 (Teile I–II in: La Cause freudienne, 60 (2005), S. 153–172; III–IV in: La Cause freudienne, 61 (2005), S. 131–153; VI in: La Cause freudienne, 62 (2006), S. 75–83; VII–VIII in: La Cause freudienne, 63 (2006), S. 119–145). Die Transkription des gesamten Seminars findet man im Internet hier.
---: Nachwort, in dem eins zum anderen führt. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 226–284
Morel, Geneviève: Das Gesetz der Mutter. Versuch über das sexuelle Sinthom. Übersetzt von Anna-Lisa Dieter. Turia und Kant, Wien 2017
Nunberg, Hermann; Federn, Ernst (Hg.): Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1906–1918. Bd. I–IV. S. Fischer, Frankfurt am Main 1976–1981
Platon: Phaidon. Übersetzt von Friedrich Schleiermacher. In: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. 2. Neu herausgegeben von Ursula Wolf. Reinbek, Rowohlt 2011
Porge, Erik: Jacques Lacan, un psychanalyste. Érès, Ramonville Saint-Agne 2000
Roudinesco, Elisabeth: Jacques Lacan. Bericht über ein Leben, Geschichte eines Denksystems. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996
Sartre, Jean-Paul: Die Transzendenz des Ego. In: Ders.: Die Transzendenz des Ego. Philosophische Essays 1931–1939. Rowohlt, Reinbek 1994, S. 39–96
Saussure, Ferdinand de: Cours de linguistique générale. Publié par Charles Bailly et Albert Séchehaye. Édition critique préparée par Tulio de Mauro. Éditions Payot & Rivages, Paris 1995
---: Grundlagen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Übersetzt von Peter von Polenz. Walter de Gruyter, Berlin 2. Aufl. 1967
Simmel, Georg: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Hg. v. Otthein Rammstedt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992
Slepon, Raphael: Finnegans Wake Extensible Treasury. Website. https://www.fweet.org/
Sollers, Philippe: Joyce et Cie. In: Tel Quel, Nr. 64, November 1975, S. 15–24 (englische Teilübersetzung: Philippe Sollers: Joyce & Co. In: D. Hayman, E. Anderson (Hg.): In the Wake of the Wake. University of Wisconsin Press, Madison u.a. 1978)
Turnheim, Michael: Lacans sinthome. In: Ders.: Mit der Vernunft schlafen. diaphanes, Zürich, Berlin 2009, S. 55-75
Wittgenstein, Ludwig: Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik (1956). Hg. v. G.E.M. Anscombe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986 (= Werkausgabe, Bd. 6), Teil 4, Nr. 21, S. 235, „Das Bild als Beweis“
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Anmerkungen
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Jacques Lacan: Conclusions. Journées d’étude de l’École Freudienne de Paris (Schlussworte. Studientage der École Freudienne de Paris), 9. November 1975. In: Lettres de l’École freudienne, 1978, Nr. 24, S. 247–250, hier: S. 248 f., Übersetzung Rolf Nemitz.
Im Internet findet man das gesamte Heft 24 der Lettres de l’EFP auf der Seite der ELP hier und das Schlusswort als Einzeltext hier.
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller 2005, Sitzung vom 18. November 1975, S. 20.
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller 2005, Sitzung vom 18. November 1975, S. 20, bearbeitet.
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller 2005, Sitzung vom 18. November 1975, S. 21, bearbeitet.
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller 2005, Sitzung vom 18. November 1975, S. 22.
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Das bezieht sich auf die schriftliche Seminarankündigung.
Das französische Wort sinthome ist lautgleich mit saint homme („heiliger Mann“) und mit Saint Thome (Abkürzung für „Heiliger Thomas“).
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Die Schreibweise sinthome findet man in der Zeit der Inkunablen, der Wiegendrucke, also zwischen 1450 und 1500, sagt Lacan in der Ankündigung des Seminars bei den Studientagen am 9. November 1975.
Das französische Wort symptôme geht, ebenso wie das deutsche Wort Symptom, zurück auf das Griechische: sun (zusammen) und ptōma (Fall), „das Zusammenfallende“.
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Buck Mulligan sagt zu Stephen Dedalus:
„-- Cracked lookingglass of a servant! Tell that to the oxy chap downstairs and touch him for a guinea. He’s stinking with money and thinks you’re not a gentleman. His old fellow made his tin by selling jalap tokk Zulus or some bloody swindle or other. God, Kinch, if you and I could only work together we might do something for the island. Hellenise it.“
(J. Joyce: Ulysses. Penguin Books, London 2000 (Serie „Penguin Classics“), S. 6)
„Der geborstene Spiegel eines Dienstmädchens. Erzähl das doch mal dem ochsigen Schnösel da unten und hau ihn um eine Guinee an. Der stinkt doch vor Geld, und für einen Gentleman hält er dich sowieso nicht. Sein alter Herr hat den Zulus Jalapen angedreht oder sonst einen dreckigen Schwindel und damit sein Moos gemacht. Gott, Kinch, wenn wir beide bloß zusammenarbeiten könnten, wir würden vielleicht was tun für die Insel! Sie hellenisieren.“
(J. Joyce: Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp 1979, S. 12)
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Das Gälische oder Irische ist die ursprünglich in Irland gesprochene Sprache. Unter der englischen Kolonialherrschaft wurde es zu einer Minderheitensprache. Im Ulysses beklagt Stephen die Unterdrückung des Irischen durch das Englische; in diesem Roman und in Finnegans Wake erscheinen immer wieder Bruchstücke des Irischen. „Der Künstler in Joyce war mit Aspekten der englischen Sprache unzufrieden“ (Declan Kiberd: Introduction. In: Joyce: Ulysses. Penguin Books, London 2000, S. IX–LXXX, hier: S. XXXVIII).
In der Republik Irland ist das Irische heute die offizielle Erstsprache, in Nordirland eine offiziell anerkannte Minderheitensprache.
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Das Altenglische wurde vom Keltischen, vom Lateinischen und, sehr stark, vom Französischen beeinflusst.
Der Begriff der Konsistenz wurde in Seminar 22 von 1974/75, RSI, zur Beschreibung des borromäischen Knotens eingeführt, er meint dort den Zusammenhalt eines einzelnen Rings in sich oder der gesamten Verbindung aller Ringe. Hier geht es um die Nicht-Konsistenz einer bestimmten Form des Symbolischen: einer bestimmten Sprache.
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Joyces Hauptwerke: Dubliners (1914), A portrait of the artist as a young man (1916), Ulysses (1922), Finnegans Wake (1939).
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Sollers schreibt statt „les langues“ (die Sprachen) „lélangues“. „Les langues“ und „lélangues“ sind homophon; „lélangues“ ist ein Neologismus, vielleicht mit einer Anspielung auf élan, den Elan.
Der Schriftsteller Philippe Sollers, der Lacans Seminare besuchte, hat zusammen mit Stephen Heath Passagen aus Finnegans Wake übersetzt, veröffentlicht in Tel Quel Nr. 54. Auf dem Joyce-Symposium hat er mehrere Beiträge gehalten, die in Tel Quel unter dem Titel Joyce et Cie. zusammengefasst wurden (Tel Quel Nr. 64, November 1975, S. 15–24). Einen Auszug aus Joyce et Cie findet man hier, eine englische Übersetzung ist: Philippe Sollers: Joyce & Co. In: D. Hayman, E. Anderson (Hg.): In the Wake of the Wake. University of Wisconsin Press, Madison u.a. 1978.
Sollers schreibt in Joyce et Cie.:
„Pour la plupart, en ce moment, nous parlons anglais. Mais je vous demande simplement si vous avez conscience que, depuis que Finnegans Wake a été écrit, l’anglais n’existe plus. Il n’existe plus en tant que langue auto-suffisante, pas plus d’ailleurs qu’aucune autre langue. Joyce introduit un report permanent du sens de langue à langues, d’énoncé à énoncés, de ponctualité de sujet d’énonciation à séries.“ (meine Hervorhebung)
„Derzeit sprechen wir meist englisch. Aber ich frage Sie ganz einfach, ob Ihnen bewusst ist, dass das Englische, seit Finnegans Wake geschrieben worden ist, nicht mehr existiert. Es existiert nicht mehr als sich selbst genügende Sprache, so wenig übrigens wie irgendeine andere Sprache. Joyce führt eine permanente Beziehung des Sinns von Sprache zu Sprachen ein, von Aussage zu Aussagen, der Punktualität des Subjekts der Äußerung zu Serien.“
„Das Englische“ existiert also insofern nicht mehr, als es nicht mehr als eine sich selbst genügende Sprache existiert; es ist nicht mehr ein geschlossenes System, sondern bezieht sich auf andere Sprachen. Man könnte auch sagen: „Das“ Englische existiert nicht, so wie Lacan sagt, „Die“ Frau existiert nicht.
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In einer manischen Episode ist die gehobene Stimmung häufig mit Redseligkeit oder Redezwang verbunden (vgl. DSM-IV TR).
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In Seminar 19, … oder schlimmer, hatte Lacan von seiner „Arbeit einer logischen Wiederaufnahme“ gesprochen, die ihren Ausgangspunkt im Romvortrag gehabt habe (Sitzung vom 10. Mai 1972, Version Miller S. 171 f.).
Auf die Logik beziehen sich bereits zwei frühe Texte (Die logische Zeit, 1945; Le nombre treize et la forme logique de la suspicion, 1946).
Auf die Logik im engeren Sinne bezieht Lacan sich ab dem Seminar über die Identifizierung (Seminar 9 von 1961/62, Quadrantenschema von Peirce, vgl. auf dieser Website den Artikel „Das Reale ist das Unmögliche“); in den sogenannten Formeln der Sexuierung gipfelt diese Auseinandersetzung mit der Logik (Seminare 18 bis 21 und Aufsatz L’étourdit von 1972).
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Ab 1902 versammelte sich im Hause Freuds regelmäßig eine „Psychologische Mittwoch-Gesellschaft“. Sie wurde 1908 in „Wiener Psychoanalytische Vereinigung“ umbenannt; zu diesem Zeitpunkt hatte sie 22 Mitglieder. Das offizielle Gründungsdatum ist der 12. Oktober 1910. Zu den Mitgliedern gehörten u.a. Karl Abraham, Alfred Adler, Ludwig Binswanger, Sandor Ferenczi, Carl Jung, Otto Rang und Sabina Spielrein. Vgl. Hermann Nunberg, Ernst Federn (Hg.): Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1906–1918. Bd. I–IV. S. Fischer, Frankfurt am Main 1976–1981.– Karl Fallend: Sonderlinge, Träumer, Sensitive. Psychoanalyse auf dem Weg zur Institution und Profession. Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und biographische Studien. Geyer, Wien 1995.
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Vom Symbolischen aus gibt es einen Zugang zum Realen, allerdings nicht durch den Sinn (der die Einheit voraussetzt), sondern durch die Logik. Das Reale ist dögliche, diese These entwickelt Lacan ab Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Das Reale ist das Unmögliche“); man kann das Reale deshalb auf dem Weg über die Sackgassen der Logik angehen: Unentscheidbarkeit, Inkonsistenz, Unbeweisbarkeit und Unvollständigkeit, wie Lacan in Radiophonie sagt (J.L.: Radiophonie (1970). Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J.L.: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin 1988, S. 5–54, hier: S. 30.– vgl. auch J.L.: L’Ètourdit, a.a.O., S. 452.
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Vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Das Symbol manifestiert sich als Mord am Ding“.
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Version NN schreibt „que le nommé“, von Kleiner mit „dass das Benannte“ übersetzt. Miller 2005 hört wie NN und fügt zur Verdeutlichung „homme“ hinzu, Mensch/Mann, (das Wort ist nicht auf dem Band); zusammen ergibt das „que le nommé homme“, „dass genannter Mensch“.
- Einige Tiere vermehren sich ungeschlechtlich, andere geschlechtlich.
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Lacan setzt hier seine Adaption des biblischen Mythos von der Benennung der Tiere fort, die er in Seminar 22, RSI, begonnen hatte. Dort hieß es:
„Na ja, die Namen-des-Vaters, das ist dies: das Symbolische, das Imaginäre und das Reale. Insofern in meinem Sinn – mit dem Gewicht, den ich vorhin dem Wort Sinn gegeben habe –, insofern die Namen-des-Vaters eben dies ist: die ersten Namen, insofern sie etwas benennen, ist – wie das, ja genau, wie das von der Bibel angezeigt wird, bezogen auf dieses außergewöhnliche Dingsda, das dort Vater genannt wird –, ist die erste Zeit dieser menschlichen Imagination, nämlich Gottes, dem gewidmet, einen Namen zu geben – mein Gott! –, einen Namen für etwas, das nicht gleichgültig ist, einen Namen für jedes der Tiere.
(…)
Es [das Sprechwesen] benennt die Dinge, wie ich das hier eben in Erinnerung gerufen habe, bezogen auf dieses erste Herumalbern der Bibel, es benennt sie im irdischen Paradies, es benennt die Dinge für das Sprechwesen, also für das Wesen, das selbst eine Tierart ist, sich davon jedoch auf einzigartige Weise unterscheidet. Es ist nur insofern ein Tier – denn Tier, das heißt nichts anderes als dies, dass man das Tier dadurch charakterisiert, wie es sich reproduziert, geschlechtlich oder ungeschlechtlich –, eben das ist ein Tier: das, was sich reproduziert.“
(Seminar 22, RSI, Sitzung vom 11. März, Übersetzung RN nach Version Staferla)
Gemeint ist vermutlich: Gott, ein Produkt der Einbildungskraft, kümmert sich insofern um die Benennung der Tiere, als er dem Menschen (Adam) den Auftrag gibt, die Tiere für die anderen Menschen zu benennen.
Auf die Benennung der Tiere durch Adam hatte Lacan sich bereits in früheren Seminaren bezogen: in Seminar 2, Das Ich in der Theorie Freuds (Sitzung vom 16. März 1955, Version Miller/Metzger S. 217), in Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse (Sitzung vom 11. Mai 1960, Version Miller/Haas S. 274) und in Seminar 22, RSI (Sitzung vom 11. März 1975).
Gott gab „dem Menschen“ diesen Auftrag; das hebräische Wort Adam bedeutet „Mensch“.
-
Charles Sanders Peirce unterscheidet drei Zeichenarten oder besser Zeichenfunktionen: ikonische, symbolische und indexikalische Zeichen. Sie unterscheiden sich danach, wie der Objektbezug hergestellt wird: bei ikonischen Zeichen durch Ähnlichkeit, bei symbolischen Zeichen durch Konvention, bei indexikalischen Zeichen durch eine „existentielle Relation“, etwa durch Hinweisen in einem konkreten Kontext. Dies entspricht, wie Lacan später in Seminar 23 erklären wird, Lacans Unterscheidung zwischen dem Imaginären, dem Symbolischen und dem Realen (Seminar 23, Sitzung vom 16. März 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 131). Gemeint ist an dieser Stelle also also die Beziehung zum Realen.
-
Kleiner verweist in seiner Übersetzung auf das Palindrom „Madam, I’m Adam“. Im Ulysses erscheint es zusammen mit einem weiteren Palindrom:
„Lenehan bowed to a shape of air, announcing: -- Madam, I’m Adam. And Able was I ere I saw Elba.“
(Aeolus-Episode, Penguin-Classic-Ausgabe, S. 174; Wollschläger-Übersetzung 1975, S. 192)
Auch in Finnegans Wake gibt es einen Übergang von „Adam“ zu „Madam“:
„when Adam was delvin and his madameen spinning watersilts“ (S. 21),
eine Umformung von „when Adam delved and Eve span“ (Als Adam grub und Eva spann); aus „Eva“ wird „madameen“, eine Anspielung auf die Registerarie in Mozarts Don Giovanni, die im Italienischen mit „Madamina“ beginnt (im Deutschen mit „Schöne Donna“, im Englischen mit „My dear lady“). (Diese Informationen sind aus Raphael Slepons FAAW.)
-
„L’Evie“ enthält frz. vie: Leben; l’Évie ist homophon mit les vies, „die Leben“.
-
Möglicherweise im Sinne von „und das Hebräische ist ja nun wirklich eine Sprache, nämlich eine heilige Sprache“.
-
Faux-pas (Fehltritt) ist homophon mit faut-pas (darf-nicht). Kleiners Vorlage NN transkribiert mit „faux-pas“, Staferla und Miller 2005 transkribieren „faut-pas“. Da Lacan anschließend auf die Sünde verweist und nicht auf das Verbot, passt „faux-pas“ besser.
-
Lacan verwandelt serpent (Schlange) in serre-fesses. Serrer les fesses (wörtlich „die Arschbacken zusammenkneifen“) bedeutet „Schiss haben“, die Schlange wird hier auf die Angst bezogen.
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Der imaginäre Phallus ist das, was dem narzisstisch besetzten Objekt fehlt.
(Vgl. J. Lacan: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: S. 361.– J. Lacan: Seminar 8, Die Übertragung (1960/61), Sitzung vom 21. Juni 1961.)
Lacan stützt sich für diese Konzeption des Phallus auf Karl Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido auf Grund der Psychoanalyse seelischer Störungen (1924). In: Ders.: Gesammelte Schriften in zwei Bänden. Zweiter Band. Hg. v. J. Cremerius. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1982, S. 32–202, hier: S. 97.
- Faux-pas (Fehltritt) ist gleichlautend mit faut-pas (darf nicht); Anspielung auf die Verbindung von Begehren und Gesetz; vgl. Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse (1959/69), Sitzung vom 23. Dezember 1959.
-
Die Rede von der ersten Verfehlung erinnert an den lateinischen Begriff peccatum originale (wörtlich „ursprüngliche Sünde“, frz. péché originel, dt. Erbsünde). Dieser Begriff findet sich zuerst bei Augustinus in Ad Simplicianum (396 n. Chr.).
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Was ist das für eine Spalte, die sich beständig vergrößert? Marc Darmon nimmt an, dass es sich um die Spalte handelt, von der Lacan im Encore-Seminar spricht, im Zusammenhang mit Achilles und der Schildkröte, um die Spalte des sexuellen Nicht-Verhältnisses. Lacan sagt dort:
„Achilles, soviel ist klar, kann die Schildkröte nur überholen, er kann sie nicht einholen. Er holt sie nicht ein, außer in der Unendlichkeit.
Darin also das Gesagte für das, was mit dem Genießen ist, als geschlechtlichem. Auf der einen Seite ist das Genießen markiert durch jenes Loch, das ihm keinen anderen Weg läßt als den des phallischen Genusses. Auf der anderen Seite, läßt sich etwas erreichen, das uns sagte, wie das, was bis jetzt nur Spalte ist, Kluft im Genuß, realisiert wäre?
(…)
Ich möchte hier den Begriff der Kompaktheit vortragen. Nichts Kompakteres als eine Spalte, wenn klar ist, daß, wenn der Schnitt von allem, was sich hier schließt, angenommen wird als existierend über eine unendliche Zahl von Mengen, daraus resultiert, daß der Schnitt diese unendliche Zahl impliziert. Das ist die Definition selbst der Kompaktheit.
Dieser Schnitt, von dem ich spreche, ist derjenige, den ich vorgebracht habe vorhin als das, was deckt, was Hindernis macht dem unterstellten Geschlechtsverhältnis.“
(Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972, Übersetzung Haas/Haas/Metzger S. 12 f.)
Dann ginge es also um die Spalte, die von der phallischen Jouissance dadurch erzeugt wird, dass sie ein Hindernis für das unterstellte sexuelle Verhältnis ist. (Vgl. M. Darmon: Introduction et commentaire de la leçon I. In: GNiPL, Groupe niçois de psychanalyse lacanienne, Groupe régional de l’Association Lacanienne Internationale (ALI): Textes des interventions au séminaire d’été 2014: étude du séminaire « Le Sinthome ». https://www.gnipl.fr/le-sinthome/)
- „das Aufhören der Kastration“ im Sinne von „das Aufhören durch die Kastration“. Die Kastration ermöglicht das Aufhören.
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Anspielung auf den Titel von Seminar 18 (1971), D’un discours qui ne serait pas du semblant, „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“. Übersetzung in Lacan entziffern hier.
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„Savoir-faire“ heißt wörtlich „Zu-tun-Wissen“. Das Französische unterscheidet „savoir“ und „savoir-faire“, was im Englischen der Unterscheidung zwischen „knowing that“ und „knowing how“ entspricht, zwischen einem Wissen, das abgefragt werden kann, und einem Wissen, das sich darin zeigt, dass man etwas tun kann, dass man etwas „zu tun weiß“, etwa Fahrradfahren. Im Deutschen wird das Begriffspaar meist mit „Wissen und Können“ übersetzt oder auch mit „Kenntnisse und Fertigkeiten“.
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Aristoteles beschränkt sich in der Analytica priora auf universale und partikuläre Aussagen, singuläre Aussagen (Aussagen über Einzelnes wie „Sokrates ist ein Mensch“) sind dort kein Thema. In De interpretatione weist er einmal darauf hin, dass eine singuläre affirmative Aussage und eine singuläre negative Aussage zueinander im Widerspruch stehen (Kap. 7, 17b).
Das Singuläre (etwa ein einzelner Mensch) ist, Aristoteles zufolge, kein möglicher Gegenstand der Wissenschaft. Hierauf bezieht sich die klassische Sentenz Individuum ineffabile est, „Das Individuum ist nicht fassbar“.
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Vielleicht ist gemeint: Sokrates akzeptiert zu sterben, damit die Polis lebe; damit reduziert er sich ganz und gar auf die symbolische Dimension – auf die symbolische Ordnung der Polis – und insofern ist er kein lebendiger Mensch.
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Platons Dialog Phaidon handelt von Sokrates am Tag der Hinrichtung. Sokrates wurde an diesem Tag von Freunden und Verwandten besucht; er ließ Xanthippe wegen ihres Jammerns fortbringen. Phaidon berichtet:
„Als wir nun hineintraten, fanden wir den Sokrates eben entfesselt, und Xanthippe (du kennst sie doch), sein Söhnchen auf dem Arm haltend, saß neben ihm. Als uns Xanthippe nun sah, wehklagte sie und redete allerlei dergleichen, wie die Frauen pflegen, wie: »O Sokrates, nun reden diese deine Freunde zum letztenmale mit dir, und du mit ihnen!« Da wendete sich Sokrates zum Kriton und sprach: »O Kriton, laß doch jemand diese nach Hause führen!« Da führten einige von Kritons Leuten sie ab, heulend und sich übel gebärdend.“ (Seite 734 der Stephanus-Zählung, Schleiermacher-Übersetzung)
Danach tritt Sokrates in einen Dialog über das Fortleben der Seele nach dem Tode ein.
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πας (pas), dt.: alle.– Das Wort „alle“ hat im Griechischen drei grammatische Geschlechter: Maskulinum: pas; Femininum: pasa; Neutrum: pan. Das lässt sich mit der Deklination von „jeder“ im Deutschen vergleichen: „jeder“, „jede“, „jedes“.
Die von Lacan gesuchte Stelle findet sich in der Ersten Analytik, Buch 1, Kapitel 1, 24 a 19 (Miller weist in seiner Ausgabe darauf hin). Der gesamte Satz lautet:
„Allgemein nenne ich sie [die Rede], wenn etwas jedem oder keinem zukommt, partikulär, wenn es irgendeinem nicht oder nicht jedem zukommt“.
(Aristoteles: Lehre vom Schluß oder Erste Analytik (Organon III). Übersetzt von Eugen Rolfes. Metzler, Hamburg 1975, S. 1, Hervorhebung RN)
Die griechische Formulierung ist mē panti.
Das „nicht alle“ kann auf zwei Weisen aufgefasst werden, so, dass es das „alle“ ausschließt, oder so, dass es mit dem „alle“ vereinbar ist. Wenn ich in der Umgangssprache sage „Nicht alle Pilze sind essbar“, impliziert dies, dass einige Pilze essbar sind; „nicht alle“ meint hier „nur einige“, bei dieser Interpretation ist das „nicht alle“ mit dem „alle“ nicht vereinbar. Das „nicht alle“ kann aber auch so definiert werden, dass es sich auf „mindestens einige“ bezieht; in diesem Falle ist es mit dem „alle“ vereinbar; so wird das „nicht alle“ von Aristoteles verwendet, das „nicht alle“ steht für ihn also nicht im Gegensatz zum „alle“.
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Lacan spielt hier mit der Lautähnlichkeit von griechisch mē pas (nicht alles) und französisch mais pas (aber nicht).
Das freudsche Es wird mit le ça ins Französische übersetzt.
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„Pour l’instant“ heißt „im Moment“; „pour l’instance“ heißt „hinsichtlich der Instanz / des Drängens“. Die Formulierung spielt an auf Lacans Aufsatz von 1957, L’instance de la lettre dans l’inconscient ou la raison depuis Freud, auf deutsch: Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626.
In Seminar 19 hatte Lacan gesagt:
„Die Idee, die ich zur Schrift habe – um sie zu verorten, um von da auszugehen, später könnte man, sagen wir, zwei Punkte sicherlich diskutieren: das ist die Wiederkehr des Verdrängten.“
(Seminar 19, … oder schlimmer, Sitzung vom 15. Dezember 1971, meine Übersetzung nach Version Staferla, von hier; vgl. Version Miller S. 26)
Also bezieht sich das Drängen des Buchstabens hier wohl auf die Wiederkehr des Verdrängten im Symptom bzw. Sinthom.
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Etwa einen Monat vor dieser Sitzung hatte Lacan in einem Vortrag erklärt:
„Un certain Saint Thomas d’Aquin – c’est un saint homme lui aussi, et même un symptôme – a écrit quelque chose qui s’appelle De ente et essentia.“
„Ein gewisser Heiliger Thomas von Aquin – auch er ist ein Heiliger Mann / un saint homme, und sogar ein Symptom, hat etwas geschrieben was sich De ente et essentia nennt.“ (Conférence à Genève sur le symptôme, 4. Oktober 1975. In: Pas-tout Lacan, PDF-Datei auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, S. 1672–1685, hier: S. 1677)
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Der junge Joyce hatte die Absicht, ausgehend von Thomas von Aquin eine Abhandlung über Ästhetik zu schreiben. Vgl. J. Joyce: Oeuvres, Bd. 1. Hg. v. J. Aubert. Gallimard, Paris 1996, S. 735 f., 1003 (Hinweis von Jacques Aubert in ders.: Anmerkungen. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 214–225, hier: S. 215.– Vgl. auch Jacques Aubert: Joyce und Thomas von Aquin. Zur Ästhetik des Polaer Notizbuchs. In: Klaus Reichert, Fritz Senn (Hg.): Materialien zu James Joyces „Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S.290–303)
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Lacan bezieht sich hier auf: Jacques Aubert: Introduction à l’esthétique de James Joyce. Didier, Paris u.a. 1973 (engl. Übersetzung: The Aesthetics of James Joyce. Johns Hopkins University Press 1992).
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„claritas (..) Glanz des Seins“
Thomas von Aquin zufolge hat die Schönheit drei Aspekte: integritas, consonantia, claritas (Ganzheitlichkeit, Zusammenklang, Klarheit). In Joyces A portrait of the artist as a young man nimmt der Protagonist, Stephen, hierauf Bezug:
„—To finish what I was saying about beauty, said Stephen, the most satisfying relations of the sensible must therefore correspond to the necessary phases of artistic apprehension. Find these and you find the qualities of universal beauty. Aquinas says: AD PULCRITUDINEM TRIA REQUIRUNTUR INTEGRITAS, CONSONANTIA, CLARITAS. I translate it so: THREE THINGS ARE NEEDED FOR BEAUTY, WHOLENESS, HARMONY, AND RADIANCE. Do these correspond to the phases of apprehension? Are you following?“ (Version Project Gutenberg, hier.)
„– Um zu Ende zu bringen, was ich über die Schönheit sagen wollte, sagte Stephen, so müssen also die befriedigenden Relationen des Sensiblen den notwendigen Phasen der künstlerischen Wahrnehmung korrespondieren. Finde die, und du findest die Qualitäten der universalen Schönheit. Der Aquinate sagt: ad pulcritudinem tria requirunter, integritas, consonantia, claritas. Ich übersetze das so: Dreierlei ist der Schönheit wesentlich, Ganzheit, Harmonie und Ausstrahlung. Korrespondieren diese den Phasen der Wahrnehmung? Kannst du folgen?“ (Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übersetzt von Klaus Reichert. In: Joyce: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–534, hier: S. 486.)
Stephen bzw. Joyce übersetzt also claritas mit „radiance“ (in Reicherts Übersetzung: „Ausstrahlung“). Lacan übersetzt radiance mit „splendeur“ (Glanz) und ergänzt „d’être“, Glanz des Seins.
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Home Rule, „Heimat-Herrschaft“, „Herrschaft über die Heimat“, nationale Selbstverwaltung innerhalb des Vereinigten Königreichs. Das Streben nach nationaler Selbstbestimmung Irlands wurde ab etwa 1870 bis ins frühe 20 Jahrhundert hinein u.a. im Namen der Home Rule geführt. Eine Alternative zur Home Rule war die Bestrebung, eine vom Vereinigten Königreich unabhängige Republik Irland zu schaffen.
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Anspielung auf eine Passage im Ulysses, die sich auf das Freeman’s Journal bezieht, eine nationalistische irische Zeitung.
„Probably not a bit like it really. Kind of stuff you read: in the track of the sun. Sunburst on the titlepage. He smiled, pleasing himself. What Arthur Griffith said about the headpiece over the FREEMAN leader: a homerule sun rising up in the northwest from the laneway behind the bank of Ireland. He prolonged his pleased smile. Ikey touch that: homerule sun rising up in the north-west.“ (Penguin Classics 2000, S. 68)
„Wahrscheinlich ja kein bißchen so in Wirklichkeit. Irgend so ein Zeug bloß, was du mal gelesen hast: Auf den Spuren der Sonne. Der Sunburst auf dem Titelblatt: Aufgang des Glanzes. Er lächelte selbstzufrieden. Was Arthur Griffith von der Kopfleiste über dem Freeman-Leitartikel sagte: eine Homerule-Sonne, die im Nordwesten aus der Gasse hinter der Bank von Irland aufgeht. Er verlängerte sein zufriedenes Lächeln. Hat direkt ein bißchen was Itziges an sich: Homerule-Sonne, die im Nordwesten aufgeht.“ (Wollschläger-Übersetzung 1975, S. 81)
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Sinthome à roulette, Assonanz zu SintHome-Rule. Meint vermutlich „ein Symptom, das gut läuft“.
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Die Schreibweise von symptôme wurde zu sinthome verschoben, aus sinthome wurde sinthome-madaquin und sinthome-rule.
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Joyce wählt zwischen den beiden Sinthomen, er wählt die SintHome-Rule und weist das Sinthom-madaquin zurück.
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Das Reale ist für Lacan das Unmögliche, und das ermöglicht den logische Zugang zum Realen.
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Es gibt hier drei Transkriptionsmöglichkeiten.
(a) Staferla und Miller transkribieren „Fénian“.
(b) Aubert macht einen anderen Vorschlag: „Der Vater von Joyce war weniger fénian (fenisch) als vielmehr feignant (faul).“ (Aubert, Notes de lecture, a.a.O., S. 190) „Fénian“ und „feignant“ sind homophon; vielleicht handelt es sich auch um eine gezielte Äquivokation.
(c) „fáinéant“ (ebenfalls „faul“).
Für „Fénian“ spricht die anschließende Charakterisierung als „fanatique“. -
Vater von James Joyce war John Stanislaus Joyce, 1849–1931.
Als Fenier werden die Anhänger der irischen Unabhängigkeitsbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet; demnach wäre der Vater ein irischer Nationalist. Ellmann erwähnt, dass sich John Joyce während der Studienzeit in Cork mit dem Fenianismus einließ (Richard Ellmann: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 38).
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Was ist mit den zwei Familien gemeint?
(a) Kleiner weist in seiner Übersetzung darauf hin, dass die Fenier 1858/59 in zwei Teilen gegründet wurden, der (geheimen) Irish Republican Brotherhood in Dublin und der Fenian Brotherhood in New York. Diese Deutung setzt voraus, dass die Transkription „fénian“ richtig ist.
(b) Vielleicht bezieht sich Lacan hier aber auch auf die Verwandten auf Seiten des Vaters einerseits und auf Seiten der Mutter andererseits. Ellmanns Joyce-Biographie beginnt so:
„Stephen Dedalus sagte, die Familie sei ein Netz, an dem er vorbeifliegen wolle, James Joyce aber zog es vor, sich selbst und seine Werke in diesem Netz zu verstricken. Seine Verwandten erscheinen in seinen Büchern unter leicht durchschaubaren Masken. Im allgemeinen kommen dabei die Träger des Namens Joyce besser weg als die Familie mütterlicherseits: die Murrays. Mit diesem etwas einseitigen Vorgehen wandelt Joyce in den Fußstapfen seines Vaters, der sich einmal darüber beklagte, der Name Murray beleidige seine Nase, während vom Klang des Namens Joyce ein berauschender Wohlgeruch ausgehe.“ (Ellmann, a.a.O., S. 31)
Dann wäre „de deux familles“ nicht auf den Vater zu beziehen, sondern auf den Sohn. „… einem mehr oder weniger fenianischen/faulen, d.h. fanatischen Vater, von zwei Familien …“.
Für (b) spricht die Fortsetzung mit „denn so stellt es sich für alle dar, wenn man Sohn zweiter Familien ist“.
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Was ist hier mit dem „schlappen Schwanz“ gemeint?
(a) Eine erektile Dysfunktion als typisch für alle Männer.
(b) Eine erektile Dysfunktion als Merkmal von James Joyce.
(c) Die unzureichende Ausbildung des Phallus-Symbols im Sinne der Übertragung des männlichen Symbols vom Vater auf dem Sohn. So versteht Michael Turnheim diese Bemerkung: Lacans sinthome. In: Ders.: Mit der Vernunft schlafen. diaphanes, Zürich, Berlin 2009, S. 55–75, hier: S. 61.
Für (a) spricht, dass es anschließend heißt, „Und so ist das immer“.
Gegen (c) spricht, dass Lacan Wert darauf legt, das Organ und das Symbol (den Penis und den Phallus) zu unterscheiden und er einige Sätze später die Rede vom „Stück Schwanz“ ausdrücklich auf das Organ bezieht und vom Sprechen unterscheidet (der Phallus ist die Verbindung zwischen dem Stück Schwanz und dem Sprechen).
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Wohl im Sinne von: Die Kunst springt dort ein, wo der Phallus (die Verbindung von Penis und Sprechen) ausfällt.
Im Porträt des Künstlers schildert Joyce eine Szene, in der Stephen Daedalus, sein Alter Ego, von seinen Klassenkameraden verprügelt wird (in der letzten Sitzung des Seminars, am 11. Mai 1976, bezieht sich Lacan ausführlich darauf). Ausgangspupnkt ist, dass er von einem Lehrer der Häresie beschuldigt wurde, der Ketzerei (da er in einem Aufsatz geschrieben hatte, es sei unmöglich, Gott näher zu kommen). Die Klassenkameraden übernehmen diese Anklage und verprügeln ihn. (Vgl. J. Joyce. A portrait of the artist as a young man. In: Ders.: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism, and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. Penguin Books, Harmondsworth 1977, S. 5–254, zur Häresie: S. 79–81; dt.: J. Joyce: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übersetzt von Klaus Reichert. In: J. Joyce: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–533, zur Häresice: S. 334–337.
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Das französische Wort hérésie (Häresie, Ketzerei) ist homophon mit RSI, Lacans Abkürzung für die Triade von Realem, Symbolischem und Imaginärem.
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Kleiner zitiert in den Anmerkungen zu seiner Übersetzung Ellmann:
„‚Warum haben Sie das Buch (Finnegans Wake) gerade so geschrieben?‘ wollte jemand anderes wissen. ‚Um die Kritiker dreihundert Jahre lang zu beschäftigen.‘“ (Ellmann, a.a.O., S. 1033)
Und zum französischen Übersetzer des Ulysses, der den Plan des Buches haben wollte, sagte Joyce:
„Wenn ich alles sofort preisgäbe, würde ich meine Unsterblichkeit verlieren. Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren jahrhundertelang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit.“ (Ellmann, a.a.O., S. 773)
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Lacan spricht das deutsche Wort Herr mit einem gehauchten h im Anlaut aus, wie in der Tonaufnahme zu hören ist (Version Duncan & Valas 37:24).
Im Französischen unterscheidet man zwei Formen des h am Wortanfang (und an einigen anderen Positionen), das „stumme h“ und das „aspirierte h“. Beide werden nicht gesprochen, der Unterschied bezieht sich auf die Verknüpfung zwischen einem vorangehenden Konsonanten und einem folgenden Vokal. Beim „stummen h“ wird zwischen einem vorhergehenden geschriebenen Konsonanten und einem folgenden Vokal eine Bindung hergestellt und ein voranstehendes ce wird zu cet, wie z.B. in cet hôpital (dieses Krankenhaus): [sɛtɔpital]. Beim „aspirierten h“ wird keine Bindung zwischen einem vorhergehenden geschriebenen Konsonanten und dem folgenden Vokal hergestellt und bei ce also kein t eingeschoben, z.B. in ce héro (dieser Held): [sə´eʀo], das Akzentzeichen steht für einen (kaum hörbaren) Kehlkopfverschlusslaut.
Lacan deutet hier das H am Anfang des deutschen Wortes „Herr“ (das gehaucht wird) nach dem Muster des Französischen „aspirierten h“ (das, dem Namen zum Trotz, nicht gehaucht wird); man kann nicht sagen: [sɛt hɛʁ], man muss sagen: [sə hɛʁ].
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Das französische Wort hère wird u.a. auf das deutsche Wort Herr zurückgeführt.
Lacan deutet hier an, dass sich Joyce vom Herrendiskurs aus begreifen lässt; am Ende dieser Sitzung wird er darauf zurückkommen.
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Dass Joyce sich, wie viele Autoren, als Held begriffen hat, ist eine These von Maurice Beebe, auf dessen Artikel The artist as hero sich Lacan weiter unten zustimmend beziehen wird.
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Titel von Joyces erstem Roman, 1904/05 geschrieben, 1944 postum veröffentlicht.
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A portrait of the artist as a young man: zweiter Roman von Joyce, 1914 bis 1916 veröffentlicht, auf einer Umarbeitung von Stephen Hero beruhend.
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Das bezieht sich, Aubert zufolge, auf die von Lacan in der Ankündigung des Seminars empfohlene Ausgabe von „Ein Porträt des Künstlers“: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968 (vgl. Aubert, Notes de lecture, a.a.O., S. 191).
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Miller zufolge ist sie die Sekretärin der École freudienne de Paris (vgl. J.-A. Miller: Nachwort, in dem eins zum anderen führt. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 226–284, hier: S. 240. Roudinesco bezeichnet sie als deren Bibliothekarin (vgl. Elisabeth Roudinesco: Jacques Lacan. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996, S. 606).
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Frz. criticisme, zugleich das englische Wort criticism, (Literatur-)Kritik, Literaturwissenschaft; der Ausdruck erscheint im Untertitel der Ausgabe von „Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“, auf die Lacan verweist.
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In Andersons Ausgabe von Ein Porträt des Künstlers als junger Mann, auf die Lacan sich bezieht, findet man: Maurice Beebe, „The artist as hero“, S. 340–357, aus M. Beebe: Ivory towers and sacred founts. New York University Press 1964; im Internet hier.
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Die Anderson-Ausgabe von A Portrait enthält: Hugh Kenner, „The Portrait in perspective“, S. 416–439, aus: H. Kenner: Dublin’s Joyce. Indiana University Press und Chatto und Windos, Bloomington 1956, im Internet hier.
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Inhaltsverzeichnis im Internet hier.
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Das könnte sich auf die Seminarankündigung mit der Angabe der Anderson-Ausgabe von A portrait of the artist beziehen. Vielleicht so: Es war ein Fehler, diesen Hinweis eingefügt zu haben, nur gut, dass er in kleiner Schrift ist.
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Gemeint sind Kopien von Andersons Ausgabe von A portrait of the artist.
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Maurice Beebe zufolge ist Joyces Roman nicht ein Porträt eines Künstlers, sondern ein Porträt des Künstlers (a.a.O., S. 343); er verweist darauf, dass Künstler sich ihrer Individualität rühmen, dass sich aber die Künstler in den vielen Porträt-des-Künstlers-Romanen sehr ähnlich sind: empfindsam, introvertiert, passiv, geistesabwesend usw., a.a.O., S. 342 f.
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Lacan deutet im Folgenden das Suffix -ment (-weise) als Verb ment (lügt); und comme (als, wie) wird zu comment (wie, auf welche Weise), das sich wiederum in comme ment verwandelt, in „wie lügt“.
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Möglicherweise ist Folgendes gemeint: Wenn der Patient sich mit jemandem vergleicht und comme sagt, „wie“ (z.B. „Je parle comme mon père“, „Ich spreche wie man Vater“), verweist das auf eine Identifizierung; eine Identifizierung ist eine „Lüge“, Abwehr eines Begehrens; der Analytiker muss sich davor hüten, solche Identifizierungen zu verstärken.
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Das französische Wort langue bedeutet sowohl „Sprache“ als auch „Zunge“.
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Lacan bezieht sich hier auf seinen Vorschlag vom 9. Oktober 1967 über den Psychoanalytiker der École, worin es heißt: „Zunächst ein Prinzip: der Psychoanalytiker autorisiert sich allein durch sich selbst. Dieses Prinzip ist den ursprünglichen Texten der École eingeschrieben und entscheidet über ihre Position.“ (J. Lacan: Autres écrits. Seuil, Paris 2001, S. 243–259, hier: S. 243, übersetzt von Ulrike Oudée Dünkelsbühler, in: Lacan entziffern, hier).
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Anspielung auf Die Nashörner von Eugène Ionesco, im Original: Rhinocéros, Erzählung von 1957, Theaterstück von 1959. Die Einwohner einer Stadt verwandeln sich in Nashörner, bis auf den Protagonisten Bérenger (in der deutschen Übersetzung: Behringer) und seine Freundin Daisy. Daisy bezweifelt, dass sie beide das Recht haben, Menschen zu bleiben, da die Mehrheit sich in Nashörner verwandelt hat und die Mehrheit immer recht habe.
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Ils ont en effet toujours raison, sie haben tatsächlich immer raison. Raison meint Verstand, Vernunft, Grund. (a) Lacan gibt ihnen immer recht, (b) sie gehen vernünftig vor, rationalistisch.
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qui résonne, „das resoniert“, „das Resonanz gibt“. Lacan spielt mit der Lautähnlichkeit von raison, Verstand, und résonne, gibt Resonanz. Die Schreibung réson statt raison geht auf Francis Ponge zurück (Pour un Malherbe, 1952); Lacan verweist hierauf in seinem Rom-Vortrag in einem Kapitel über die „Resonanz der Deutung“, dort in einer Fußnote von 1966 (vgl. J. Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–381, hier: S. 381 Fn. 50).
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Freuds Terminus Trieb wird mit „instinct“ oder mit „drive“ ins Englische übersetzt. Schon in den ersten Seminaren kritisiert Lacan die Übersetzung mit „instinct“; der Einwand, den er immer wieder vorbringt, lautet: der Instinktbegriff setzt eine Umweltanpassung der sexuellen Strebungen voraus, die beim Menschen – da er spricht – nicht gegeben ist.
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Gemeint ist hier die Stimme als Objekt a, die von Lacan im Seminar Die Angst eingeführt wird (Seminar 10 von 1962/63).
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Mit Blick ist hier der Blick als Objekt a gemeint. Der Blick als Objekt a wurde von Lacan ebenfalls in Seminar 9, Die Angst, eingeführt, in der Sitzung vom 8. Mai 1963. Anders als das Ohr ist die Augenöffnung verschließbar.
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More geometrico
More geometrico („nach geometrischer Art“), über eine Theorie ausgesagt, bedeutet, dass die Theorie beansprucht, nach Art von Euklids Elementen aufgebaut zu sein, d.h. in Form einer zwingenden Ableitung, ausgehend von obersten Sätzen, die evident sind, d.h. die ohne Begründung jedermann einleuchten (Axiomen, Prinzipien). Die bekanntesten Philosophen, die sich um diesen Typ der Theoriebildung bemühten, sind Descartes und Spinoza (René Descartes, Mediationen über die Erste Philosophie (1641), darin die Erläuterungen zur geometrischen Methode in den „Erwiderungen auf die zweiten Einwände“; Baruch Spinoza, Ethik (1677) im lateinischen Original lautet der Titel: Ethica, ordine geometrico demonstrata, „Ethik, nach geometrischer Methode demonstriert“. Lacan bezieht sich im Folgenden allerdings nicht auf den deduktiven Aufbau, sondern auf die Beziehung zwischen Geometrie und und dem menschlichen Körper als Maß; vgl. Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse, Sitzung vom 4. Mai 1966.
Zu Spinozas more geometrico hatte Lacan sich in Seminar 22 von 1974/75, RSI, so geäußert:
„Ein Spinoza brüstete sich damit, nach dem von den Alten vorgegebenen Modell weiterzuspinnen, zu deduzieren. Dieses more geometrico definiert einen im eigentlichen Sinne mathematischen Intuitionsmodus, der sich keineswegs von selbst versteht. Der Punkt, die Linie werden von einer Fiktion angezettelt, und ebenso die Fläche, die sich nur durch den Spalt aufrechterhält, durch eine Bruchstelle, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie zwei Dimensionen hat – aber da die Linie eine Dimension nur ist, insofern sie im eigentlichen Sinne ohne Konsistenz ist, besagt es nicht viel, wenn man eine weitere hinzufügt. Und die dritte, die sich durch eine Lotrechte zur Fläche aufrichtet, ist ebenfalls sehr seltsam. Das ist nichts als Abstraktion, gegründet auf einen Sägeschnitt. Wie, ohne zum Seil zurückzufinden, diese Konstruktion zusammenhalten lassen? Andererseits haben sich diese Dinge sicherlich nicht durch Zufall so ergeben. Sicherlich gibt es da eine Notwendigkeit, die herrührt von der Schwäche eines Handwesens, Homo faber, wie man gesagt hat. Aber warum ist dieser Homo faber, der manipuliert, der webt und spinnt, zum Punkt gelangt, zur Linie, zur Fläche, ohne beim Knoten stehenzubleiben? Vielleicht steht das in Zusammenhang mit einer Verdrängung. Ist dieses Verdrängte das ursprüngliche, das Urverdrängte*, das, was Freud als das Unzugängliche des Unbewußten bezeichnet?“ (Sitzung vom 18. Februar 1975; Kleiner-Übersetzung S. 34)
Und etwas später im selben Seminar:
„Dies, um sie spüren zu lassen, was ich darunter verstehe, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt. Gewiß gebe ich dem Wort Verhältnis den Sinn Proportion, aber der mos geometricum (sic) Euklids, der so lange Zeit als das Muster an Logik erschien, ist völlig unzureichend. So gibt es, wenn man sich auf die Figur des Knotens einläßt, eine ganz andere Weise, das Nichtverhältnis der Geschlechter darzustellen – zwei Kreise als unverknüpfte.“ (Sitzung vom 13. Mai 1974, Kleiner-Übersetzung S. 74)
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Platons Termini für die Idee sind die griechischen Wörter eidos und idea; eidos, Bild, ist für Lacan eine gute Übersetzung für das Imaginäre (Seminar 20, Sitzung vom 11. März 1975; Kleiner-Übersetzung S. 41); im Lateinischen heißt die Platon’sche Idee forma, Form, Gestalt.
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Gemeint sind Euklids Elemente (ca. 3. Jh. v. Chr.), ein Werk, das die geometrischen Objekte und die natürlichen Zahlen untersucht und das, von Definitionen, Postulaten und Axiomen ausgehend, deduktiv aufgebaut ist: das Vorbild für einen Theorieaufbau more geometrico.
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Das Körperbild liefert den Umriss, die Differenz von Figur und Hintergrund; dreidimensional aufgefasst ist das ein Sack.– Den Begriff der Blase verwendet Freud in Jenseits des Lustprinzips: „Stellen wir uns den lebenden Organismus in seiner größtmöglichen Vereinfachung als undifferenziertes Bläschen reizbarer Substanz vor, dann ist seine der Außenwelt zugekehrte Oberfläche durch ihre Lage selbst differenziert und dient als reizaufnehmendes Organ.“ (Freud: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 236)
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Zum frenetischen Narzissmus des Zwangsneurotikers vgl. Seminar 8, Version Miller/Gondek, S. 218. Man denke an die bekannten Ordnungs- und Sauberkeitszwänge des Zwangsneurotikers; sie beruhen demnach auf der besonders starken Bindung an die geschlossene Gestalt, an die Einheit des Körperbildes.
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Vgl. Seminar 8, Sitzung vom 26. April 1961; vgl. Version Miller/Gondek S. 320.
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Der Frosch platzt; vgl. La Fontaine, Der Frosch, der groß sein will wie ein Ochse, Fabeln, Buch 1, Fabel 3.
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Georg Cantor, 1845–1918.
Mit dem Sack in der Mengenlehre ist die leere Menge gemeint; sie wird in der anschaulichen Darstellung durch eine Zeichnung durch eine Umrisslinie veranschaulicht, dreidimensional entspricht dem einen Sack. In der üblichen Notation wird die leere Menge durch ein Paar geschweifter Klammern bezeichnet: {}.
Dieser Sack wird „imaginiert“, er gehört zur Ordnung des Imaginären.
Bereits in Seminar 19, … oder schlimmer, hatte Lacan die leere Menge durch einen Sack veranschaulicht, durch einen Sack mit Loch (Sitzung vom 19. April 1972, Version Miller S. 147).
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Der Hinweis erinnert an Wittgensteins Behauptung, der Beweis sei ein Bild. Vgl.: Ludwig Wittgenstein: Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik (1956). Hg. v. G.E.M. Anscombe. Werkausgabe, Bd. 6. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, Teil 4, Nr. 21, S. 235, „Das Bild als Beweis“.
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S1 steht demnach für die Mehrdeutigkeit von Null und Eins, von leerer Menge und Eins bzw. Unärstrich. Man könnte das so schreiben: S1 =
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Die französischen Wörter pot (Topf) und peau (Haut) sind homophon.
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Vermutlich ist gemeint: Das Reale ist das, was die Ex-sistenz und die Konsistenz zusammenhält. Das „und“ wäre also zu betonen: Die Ex-sistenz UND die Konsistenz (ihre Verbindung) muss für real gehalten werden.
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Lacan bezieht das deutsche Wort „Begriff“ auf den Griff, das In-die-Hand-Nehmen (vgl. Seminar 22, Sitzung vom 11. März 1975, Kleiner-Übersetzung S. 40; Sitzung vom 18. März 1975, Kleiner-Übersetzung S. 50).
Cantors anfänglicher Terminus für die Menge ist „Inbegriff“.
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Der Bezug von il ist unklar. Das Pronomen kann sich auf die Zahl beziehen, auf das Imaginäre und auf das Reale.
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Die Ambiguität von 0 und 1 wird aufgegeben und 0 und 1 werden in Gegensatz zueinander gebracht.
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Mit dem „Paar“ ist Cantors Begriff des „geordneten Paars“ gemeint (vgl. Darmon, Introduction, a.a.O., S. 6 f.).
Eine Menge mit den Teilmengen {a} und {b} als ihren Elementen kann so geschrieben werden: {{a}, {b}}, dieses Paar wird als „nicht geordnet“ bezeichnet; über {a} und {b} weiß man hier nur, dass sie sich unterscheiden und Elemente derselben Menge sind. Bei einem geordneten Paar besteht die Menge aus den folgenden beiden Teilmengen: aus einer Teilmenge mit dem Element a , also aus {a}, und aus einer Teilmenge, die die Elemente a und b enthält, also aus {a, b}. Das Paar dieser beiden Teilmengen lässt sich so schreiben:
{{a}, {a, b}}
Die aus diesen beiden Teilmengen bestehende Menge bildet ein geordnetes Paar. Die Beziehung zwischen der Teilmenge {a} und der Teilmenge {a, b} ist komplexer als die zwischen der Teilmenge {a} und der Teilmenge {b} – die Teilmenge {a, b} baut auf der Teilmenge {a} auf, zwischen {a} und {a, b} gibt es nicht nur eine Relation der Differenz, sondern darüber hinaus eine solche der Ordnung.
Das Paar besteht also aus den Teilmengen {a} und {a, b}, die Gesamtmenge kommt als Drittes hinzu – die Gesamtmenge als Drittes, das die beiden Teilmengen zusammenhält, wird durch die äußere (im Folgenden rot geschriebene) geschweifte Klammer dargestellt: {{a}, {a, b}}.
Häufig wird das geordnete Paar durch runde Klammern dargestellt, nämlich so:
(a, b)
Dabei gilt:
-
Die erste Menge ist {a}, die andere Menge ist {a, b}, zwischen ihnen stellt eine Verbindung sich erst dadurch her, dass eine dritte Menge hinzukommt, die beide enthält.
-
Lacans Formulierung für das das Verhältnis zwischen dem Ausgesagten und dem Rätsel des Aussagens lautet: „Er sagt mir das, aber was will er?“ (Vgl. Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 27. Mai 1964, Version Miller/Haas S. 225.)
- :
Das Substantiv fait (Tatsache, Faktum) wird im Singular auf zwei Weisen ausgesprochenen, für gewöhnlich mit t [fɛt], in bestimmten Wendungen ohne t, also [fɛ].
Beispielswiese wird „c’est un fait“ von den meisten Französischsprachigen so ausgesprochen: [cɛtɛ̃fɛt]. In der Wendung en fait („in der Tat“) wird das t von den meisten Sprechern ausgesprochen: [ɑ̃fɛt], ebenso in au fait („übrigens“): [ofɛt]; in de fait („de facto“): [dəfɛt]; in sur le fait („dadurch, dass“): [syrləfɛt].
Die Aussprache ohne t, als [fɛ], ist gebräuchlich bei tout à fait („durchaus“), man sagt also [tutafɛ]; sowie bei en fait de („in Bezug auf“), also [ɑ̃fɛdə].
Auf der Tonaufnahme (auf der Internetseite von Patrick Valas) findet man die Passage ab 1:06:38.
Lacan spricht das Substantiv fait zunächst als [fɛ] aus, „le fait du fait“ als [ləfɛdyfɛ]. Dann wechselt er zur normalen gesprochenen Sprache und betont, dass „le fait du fait“ auf zwei Weisen ausgesprochen werden kann, als [ləfɛtdyfɛ] und als [ləfɛdyfɛt]. Im anschließenden „en fait“ spricht er „fait“ mit t aus: [ɑ̃fɛt].
Hierdurch ergeben sich, wie er sagt, Äquivalenzen und Äquivokationen, Äquivalenzen, da [fɛ] und [fɛt] dasselbe bedeuten können.
Zu den Äquivokationen:
[fɛ] ist nicht nur eine Aussprache von fait („Tatsache“), sondern auch die Aussprache von (le) faix („Last“). [ləfɛdyfɛt] kann auch aufgefasst werden als „le faix du fait“, „die Last der Tatsache“.
[fɛt] ist nicht nur eine der Aussprachemöglichkeiten von fait („Tatsache“), sondern auch die Aussprache von (le) faîte („Wipfel“, „Gipfel“). [ləfɛtdyfɛ] kann unter anderem verstanden werden als „le faîte du fait“, der Gipfel der Tatsache“. -
Lacan bezieht sich hier auf die klassische Etymologie des griechischen Worts symbolon: Symballein heißt „zusammenfügen“; das symbolon war eine in zwei Teile zerbrochene Tessera, das nur die beiden Besitzer bei einem späteren Treffen wieder richtig zusammensetzen konnten (eine Tessera ist ein viereckiges Steinchen).
Auf diese Etymologie von Symbol verweist Adams in Surface and Symbol, in dem Kapitel Surface or Symbol. Darmon vermutet, dass Lacan sich durch die Lektüre dieses Kapitels zu dieser Bemerkung über das Symbol hat anregen lassen (vgl. Darmon, Introduction, a.a.O. , S. 5 f.).
-
Signifikant und Signifikat sind beide Signifikanten – das Thema ist also weiterhin das Signifikantenpaar, S2.
-
Arbitrarität des Zeichens
Lacan spielt hier auf Saussures These vom arbiträren Charakter des Zeichens an, im Sinne der willkürlichen, beliebigen Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat. Diese These wird von Lacan (wie schon von Jakobson) abgelehnt; sie beruht, ihm zufolge, auf der Stützung des Universitätsdiskurses durch den Herrensignifikanten. In Radiophonie (1970) heißt es:
„Es, dies Besondere [der Sprache], als arbiträr qualifizieren, ist Lapsus, den Saussure begangen hat, daraus daß, widerwillig gewiß, aber dadurch um so mehr dem Stolpern ausgesetzt, er sich da ‚verschanzte‘ (denn man bringt mir bei, daß das ein Wort von mir ist) hinter dem universitären Diskurs, von dem ich gezeigt habe, daß der Hehl eben dieser Signifikant ist, der den Diskurs des Herrn beherrscht, den des Arbiträren.“ (J. Lacan: Radiophonie. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: Ders.: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 14)
Der Hehl ist im Schema der Diskursformeln der Platz unten links, der der verborgenen Wahrheit; im Diskurs der Universität ist an diesem Platz der Herrensignifikant. Zur Kritik am Begriff der Arbitrarität vgl. auch Seminar 20, Encore (1972/73), Sitzung vom 19. Dezember 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 24.
Die arbitrage – das Ausüben des Schiedsrichteramts – ist nicht arbitraire, nicht willkürlich, nicht beliebig. Bei Saussure heißt es:
„Premier principe: l’arbitraire du signe“: „Le lien unissant le signifiant au signifié est arbitraire, ou encore, puisque nous entendons par signe le total résultant de l’association d’un signifiant à un signifié, nous pouvons dire plus simplement : le signe linguistique est arbitraire*.“ (Ferdinand de Saussure: Cours de linguistique générale. Publié par Charles Bailly et Albert Séchehaye. Édition critique préparée par Tulio de Mauro. Éditions Payot & Rivages, Paris 1995, S. 100)
Zu Deutsch:
„Erster Grundsatz: Beliebigkeit des Zeichens“. „Das Band, welches das Bezeichnete mit der Bezeichnung verknüpft, ist beliebig; und da wir unter Zeichen das durch die assoziative Verbindung einer Bezeichnung mit einem Bezeichneten erzeugte Ganze verstehen, so können wir dafür auch einfacher sagen: das sprachliche Zeichen ist beliebig.“ (F. de Saussure: Grundlagen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Übersetzt von Peter von Polenz. Walter de Gruyter, Berlin 2. Aufl. 1967, S. 79)
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Joyce verwendet den Ausdruck umpire (Schiedsrichter) vier Mal in „Finnegans Wake“: S. 337, 481, 543, 556; vgl. die Website von Raphael Slepon, Finnegans Wake Extensible Treasary, www.fweet.org. In A portrait und im Ulysses wird das Wort nicht verwendet. Aubert vermutet, dass Lacan sich hier auf eine Szene in der zweiten Episode von Ulysses bezieht, in der Mr. Deasy in einen Streit zwischen Schülern eingreift (Aubert, Notes de lecture, a.a.O., S. 191; vgl. Joyce, Ulysses, Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 42).
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller, Sitzung vom 18. November 1975, S. 20.
-
In den Seminar-23-Versionen von Staferla und Miller „distincts“, Korrektur nach der Tonaufnahme.
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Mit „Symbol“ ist hier das Symbolische gemeint.
Warum wechselt Lacan an dieser Stelle vom „Symbolischen“ zum „Symbol“? Darmon vermutet, dass Lacan hier von einem Buch von Robert Martin Adams beeinflusst ist, Surface and Symbol: The Consistency of James Joyce’s Ulysses, (1962), eine Arbeit auf die Lacan sich später im Seminar mehrmals beziehen wird (in den Sitzungen vom 13. Januar 1976, vom 20. Janaur 1976 und vom 16. März 1976). (Vgl. Darmon, Introduction, a.a.O., S. 5 f.)
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Am 13. Januar 1976 wird es im Sinthom-Seminar über Stephen Dedalus heißen:
„Es ist sein Vater, an den er dieses Gebet richtet, sein Vater, der sich gerade dadurch auszeichnet, dass er, na ja, wir können ihn letztlich so nennen, ein unwürdiger Vater ist, ein ausfallender Vater, einer, den er im ganzen Ulysses in Gestalten suchen wird, in denen er ihn nicht im geringsten Maße findet, weil es offenkundig irgendwo einen Vater gibt, nämlich Bloom, einen Vater, der sich einen Sohn sucht. Aber Stephen entgegnet ihm ein „Ohne mich, bei dem Vater, den ich gehabt habe, davon habe ich die Nase voll, keinen Vater mehr. Und vor allem ist dieser Bloom, dieser fragliche Bloom, nicht verlockend.“ (Kleiner-Übersetzung S. 58)
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Stephen Dedalus ist die Hauptperson in Stephen der Held und in Ein Porträt des Künstlers als Junger Mann sowie eine der beiden Hauptfiguren in Ulysses (in Stephen der Held wird der Nachname anders geschrieben, als „Daedalus“). Dieser Name verweist auf das Handwerk: in den griechischen Mythen ist Daidalos der geniale Handwerker und Erfinder.
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Die Formulierung „my country“ findet sich nicht in Ein Porträt, jedoch mehrfach im Ulysses. Vielleicht bezieht Lacan sich auf diese Stelle:
„Mr Bloom halted behind the foreman’s spare body, admiring a glossy crown. Strange he never saw his real country. Ireland my country.“ (Penguin Classics 2000, S. 150)
„Mr Bloom blieb hinter dem Körper des Faktors stehen, eine glänzende Glatze bewundernd. Komisch, seine wirkliche Heimat hat der nie gesehen. Irland mein Vaterland.“ (Wollschläger-Übersetzung 1979, S. 167)
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Der vorletzte Satz des Romans lautet:
„Welcome, O life, I go to encounter for the millionth time the reality of experience and to forge in the smithy of my soul the uncreated conscience of my race.“
Reichert übersetzt so:
„Willkommen, Leben! Als Millionster zieh ich aus, um die Wirklichkeit der Erfahrung zu finden und in der Schmiede meiner Seele das ungeschaffne Gewissen meines Volkes zu schmieden.“ (A.a.O., S. 284 f.)
Lacan übersetzt „conscience“ (Gewissen/Bewusstsein) mit esprit und nähert den Begriff so Hegels Geistbegriff an (im Französischen esprit), aber auch dem des Heiligen Geistes (saint esprit) und damit der Dreiheit Vater, Sohn und Heiliger Geist.
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Ein Tetraeder ist ein Vierflächner aus vier Dreiecken, darstellbar als Pyramide mit dreieckiger Grundfläche.
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Das Diagramm zeigt die Umwandlung des Schemas des Herrendiskurses – eines Rechtecks mit zwei diagonalen Pfeilen (links) – in einen Tetraeder (rechts).
Hierzu wird einer der diagonalen Pfeile gestrichelt dargestellt und das Schema wird um 90° im Uhrzeigersinn gedreht. Das rechte Bild muss man sich räumlich vorstellen, der gestrichelte Pfeil stellt hier die verdeckte Kante des Tetraeders dar.
Das rechteckige Schema des Herrendiskurses wurde von Lacan zuerst in Seminar 17 von 1969/70 vorgestellt, Die Kehrseite der Psychoanalyse; die beiden diagonalen Pfeile findet man dort zuerst in der Sitzung vom 17. Mai 1971 (vgl. Version Miller S. 101). Die Umdeutung des Rechtecks in einen Tetraeder nimmt Lacan zuerst in der Vorlesungsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers vor, in der Sitzung vom 2. Dezember 1971 (vgl. J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, S. 65), dann wieder in Seminar 19 von 1971/72 vor, … oder schlimmer, in der Sitzung vom 3. Februar 1972 (vgl. Version Miller S. 66 f., Übersetzung hier).
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Im Schema der vier Diskurses ist der Platz der Wahrheit der Platz unten links; im Schema des Herrendiskurses ist am Platz der Wahrheit das Subjekt; die beiden unteren Terme, $ und a, repräsentieren das Phantasma.
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Vgl. in Lacan entziffern den Artikel Die Wahrheit lässt sich nur halbsagen.
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Version NN hört „état“, die Tonaufnahme ermöglicht keine Entscheidung.
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Vermutlich entspricht S1 dem Vater und S2 Joyce qua Handwerker-Künstler.
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Lacan bezieht sich auf die beiden rechten Terme der Formel des Herrendiskurses; S2 am Platz oben rechts entspricht dem Handwerker, das a am Platz unten rechts entspricht dem Objekt a (hier Blick, Stimme und Brust).
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Insistieren: es hört nicht auf, geschrieben zu werden. Es geht also um den Modus der Notwendigkeit.
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„Symbol“ meint hier „Symbolisches“; in der Folgesitzung spricht Lacan vom falschen Loch zwischen dem Symptom und dem Symbolischen.
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Pierre Soury, Mathematiker, 1936–1981. Vgl. zu Soury: E. Roudinesco: Jacques Lacan. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1996 (Seitenangaben im Personenregister).
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Offenbar soll man sich die beiden Kreise, die das falsche Loch bilden, durch Linien realisiert vorstellen; wenn die Verbindung der beiden Kreise mit dem falschen Loch in einen Torus eingebettet wird, hat das Loch Bestand. Eine Abbildung findet man in Version Miller/Mitelman/Dielmann in der Sitzung vom 10. Februar 1976 auf S. 87 (dort mit einem zusätzlichen, dritten, Kreis).
In der Sitzung vom 10. Februar 1976 dieses Seminars wird Lacan auf die Luftkammer zurückkommen (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 92).
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Circuler meint auch „weiterfahren“, la circulation ist der Verkehr. „Circuler!“ ist der typische Befehl eines Verkehrspolizisten.
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Über die Polizei schreibt Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 231–249 (vgl. den Hinweis von Miller in Version Miller 2005 auf S. 215). „Polizei“ (geschrieben „Policey“) ist der ältere deutsche Ausdruck für das, was man heute „Verwaltung“ nennt. Mit der „Form“, in der Hegel die Polizei gesehen hat, ist vielleicht die Dialektik gemeint.
-
Erst drei Ringe bilden zusammen also ein echtes Loch. Dieses von drei Ringen in der Plättung gemeinsam gebildete Loch ist das Objekt a, wie in Seminar 22 ausgeführt wird. Vgl. die nebenstehende Zeichnung aus Seminar 23, Sitzung vom 13. Januar 1976, Version Miller 2005 auf S. 72.
Vgl. Miller, Pièces détachées, a.a.O.; Geneviève Morel: Das Gesetz der Mutter. Versuch über das sexuelle Sinthom. Übersetzt von Anna-Lisa Dieter. Turia und Kant, Wien 2017.-
Seminar 22, RSI, Sitzung vom 11. März, Übersetzung RN nach Version Staferla.
-
Seminar 2, Sitzung vom 16. März 1955, Version Miller/Metzger S. 217.
-
Seminar 7, Sitzung vom 11. Mai 1960, Version Miller/Haas S. 274.
-
Freud, Hemmung, Symptom und Angst (1926). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 243.[
-
Vgl. etwa Seminar 22, Sitzung vom 18. Februar 1975, Kleiner-Übersetzung S. 36.
-
Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 27. Mai 1964, Version Miller/Haas S. 225.
-
Vgl. Freud, Der Untergang des Ödipuskomplexes (1925), a.a.O., S. 250.
-
Georg Simmel: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Hg. v. Otthein Rammstedt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, S. 124 f.
-
Vgl. J. Lacan: Die Freud’sche Sache oder Sinn der Rückkehr zur Freud in der Psychoanalyse. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 472–513.
-
Seminar 11, Sitzung vom 13. Mai 1964, Version Miller/Haas S. 184.
-
Vgl. J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Turia und Kant, Wien u. a. 2013, S. 18 (Sitzung vom 4. November 1971).
-
Sitzung vom 26. Juni 1973; Version Miller S. 127; Version Miller/Haas u.a. S. 151, Übersetzung geändert.
-
J. Lacan: L’étourdit. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 449–497, hier: S. 490.
-
Michael Turnheim: Lacans sinthome. In: Ders.: Mit der Vernunft schlafen. diaphanes, Zürich und Berlin 2009, S. 55–75, hier: S. 64.
-
Essaim, Nummer 29 vom Herbst 2012, hier.
-
Vgl. etwa den Baltimore-Vortrag (vgl. in Lacan entziffern den Kommentar hier) oder Seminar 18, Sitzung vom 10. Februar 1971, Übersetzung in Lacan entziffern hier.
-
Vgl. J. Lacan: Das Seminar über „Der gestohlene Brief“. In: ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gonek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 12–76, hier: 30.
-
Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 377.– Hinweis von Jacques-Alain Miller in Pièces détachées. Seminar 2004/05. In: La Cause freudienne 60–63, 2005–2006, Sitzung vom 19. Januar 2005, S. 57.
-
Seminar 2, Sitzung vom 25. Mai 1955, Version Miller/Metzger, S. 310.
-
Schriften Band I, übers. v. H.-D. Gondek, „Einführung“, S. 53 ff.
-
Vgl. Seminar 5, Sitzung vom 23. April 1958, Version Miller/Gondek S. 402.
-
Zuerst in der Sitzung vom 17. Dezember 1969, Version Miller S. 31.
-
Endgültige Fassung zuerst Seminar 19, Sitzung vom 12. Januar 1972, Version Miller S. 39.
-
Kant mit Sade. In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 289–321, hier: S. 300.
-
Vgl. Miller, Notice de fil en aiguille, a.a.O., S. 202 f.
-
Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 1. Juni 1972; Version Miller S. 209.
-
Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 1. Juni 1970; Version Miller S. 207.
-
Den gesamten Ausdruck findet man zuerst in Seminar 19, Sitzung vom 12. Januar 1972; Version Miller S. 39.
-
Vgl. etwa S. Freud: Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens (1912). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 208.
-
Vgl. Jacques-Alain Miller: Pièces détachées. Cours 2004/05, Sitzung vom 8. Dezember 2004, Transkription S. 33.
-
Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 123.
-
S. Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 550.
-
Seminar 11, Sitzung vom 20. Mai 1964, Version Miller/Haas S. 202.
- Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–145, hier: S. 123 (Zusatz von 1915).
-
Seminar 20, Sitzung vom 16. Januar 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 45 f.
-
Diese Zuordnung nimmt Lacan später in Seminar 23 vor; vgl. Sitzung vom 16. März 1976, Version Miller S. 120 f.
-
Sitzung vom 5. April 1975; Übersetzung von Max Kleiner S. 74.
-
Im Vorwort zu Frank Wedekinds Frühlingserwachen schreibt Lacan 1974:
„Freud hat herausgefunden, dass das, was er Sexualität nennt, im Realen Loch macht.“ (J. Lacan: Préface à L’Éveil du printemps. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 562).
Im selben Jahr heißt es in Seminar 21:
„Aber wir wissen alles, weil alles – wir erfinden ein truc, ein Dingsda, einen Trick, um das Loch im Realen zu stopfen. Da, wo es kein sexuelles Verhältnis gibt, ruft das ein Trauma hervor. Man erfindet! Man erfindet was man kann natürlich.“ (Sitzung vom 19. Februar 1974)
Das Loch im Realen besteht darin, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt. Wir wissen also nicht alles. Die Illusion, alles zu wissen beruht auf etwas dem Phantasma. Das Loch im Symbolischen besteht im Inzestverbot (vgl. Seminar 22, Sitzung vom 15. April 1975).
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In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 565–570.
-
Vgl. Seminar 7, Sitzung vom 23. Dezember 1959, Version Miller/Haas S. 104.
-
Vgl. J. Lacan: Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung. Ein neues Sophisma (1945). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 321–251.
-
Vgl. Seminar 6, Sitzung vom 3. Dezember 1958, sowie die Diagramme in Version Miller S. 113, 142.
-
Vgl. S. Freud: Hemmung, Symptom und Angst (1926). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag 2000, S. 237.
-
Vgl. Seminar 17, Sitzung vom 10. Juni 1970; Version Miller S. 196, übersetzt hier.
-
Vgl. Sitzung vom 20. Januar 1971; Version Miller S. 25.
-
Seminar 23, Sitzung vom 9. März 1976; Version Miller S. 116; Übersetzung von Max Kleiner S. 118.
-
Über das Subjekt endlich in Frage. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 269–277, hier: S. 274.
-
Vgl. Seminar 17, Sitzung vom 10. Dezember 1969, Version Miller S. 21.
-
Vgl. Seminar 17, Sitzung vom 17. Dezember 1969, Version Miller S. 40.
-
Vgl. Seminar 17, Sitzung vom 18. Februar 1970; Version Miller S. 101.
-
Vgl. Seminar 17, Sitzung vom 17. Juni 1970, Version Miller S. 219.
-
Vgl. Seminar 16, Sitzung vom 25. Juni 1969, Version Miller S. 398.
-
Vgl. Seminar 6, Sitzung vom 12. November 1958, Version Miller S. 34.
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Sitzung vom 3. Juni 1964, Version Miller/Haas u.a. S. 229.
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Ab der ersten Sitzung dieses Seminars, 13. November 1968.
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Zuerst in Seminar 16, Sitzung vom 25. Juni 1969; Version Miller S. 398.
-
Zuerst Seminar 17, Sitzung vom 18. Februar 1970; Version Miller S. 101. Die Zuordnung zwischen dem S1 und dem Herrn findet man bereits in der letzten Sitzung von Seminar 16 (25. Juni 1969; Version Miller S. 398), dort wird jedoch noch nicht der Ausdruck „signifiant maître“ verwendet.
-
Vgl. Version Miller/Gondek, Sitzung vom 21. Dezember 1960, S. 110; Sitzung vom 11. Januar 1961, S. 134–137.
-
Seminar 22, Sitzung vom 11. März 1975; Version Staferla S. 173; vgl. Version NN/Kleiner S. 45.
-
Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 12. Januar 1972, Version Miller S. 39.
-
Vgl. Miller, Notice de fil en aiguille, a.a.O., S. 207 f., § 4.
-
Jacques Brunschwig: La proposition particulière et les preuves de non-concluance chez Aristote. In: Cahiers pour l’analyse, Nr. 10, 1969, S. 3–26.
-
Aristoteles: Erste Analytik. Zweite Analytik. Griechisch-deutsch. Organon Band 3/4. Übersetzt von Hans Günter Zekl. Meiner, Hamburg 1998.
-
Vgl. S. Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 220.
-
Seminar 6, Sitzung vom 11. Februar 1959, Version Miller S. 275.
-
J. Lacan: Television. In: Ders.: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 55–95, zum Heiligen: S. 70–72.
-
Du sujet enfin en question (1966), in: Ecrits, S. 235.
-
Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 20. März 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 100.
-
Seminar 21, Sitzung vom 11. Juni 1974, meine Übersetzung nach Version Staferla.
-
Sitzung vom 10. Dezember 1974; Kleiner-Übersetzung S. 3 f., Übersetzung geändert
-
In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 243–260, hier: S. 243.
-
Vortrag von 1953, veröffentlicht 1956, in: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–382, hier: S. 341.
-
Vgl. Seminar 16, Sitzung vom 13. November 1968; Version Miller S. 17.
-
In Seminar 3 von 1955/56, Die Psychosen.
-
Seminar 10, Sitzung vo 5. Juni 1963, Version Miller/Gondek S. 344–347.
-
Vgl. die Erläuterung von J.–A. Miller, „D’un corps à la Cantor“, in: ders.: Notice de fil en aiguille, a.a.O., S.211–215, Übersetzung in diesem Kommentar hier.
-
Vgl. Seminar 16, v.a. Sitzung vom 11. Juni 1969, Version Miller S. 360.
-
Vgl. hierzu Lacans Bemerkungen über das Verhältnis von Argumentation und Anschauung (Intuition) in der Mathematik in Seminar 18, Sitzung vom 17. März 1971; Version Miller S. 98–101, Übersetzung in Lacan entziffern hier.
-
S. Freud: Das Ich und das Es (1923). In: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 294.
-
Vgl. Seminar 22, Sitzung vom 11. März 1975; Übersetzung von Max Kleiner, S. 42.
-
Sitzungen vom 17. Dezember 1974, Kleiner-Übersetzung S. 11; vom 13. Mai 1975, Kleiner-Übersetzung S. 75.
-
Vgl. Seminar 22, Sitzung vom 10. Dezember 1974, Kleiner-Übersetzung S. 9.
-
Seminar 18, Sitzung vom 12. Januar 1971; meine Übersetzung nach Version Staferla; Version Miller S. 12 .
-
J. Lacan: L’étourdit (1973). In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 449–495, hier: 478, meine Übersetzung.
-
Sitzung vom 15. April 1975; Übersetzung von Max Kleiner, S. 68.
-
Vgl. Seminar 22, Sitzung vom 11. März 1975, Kleiner-Übersetzung S. 46.
-
„Dans toute chaîne… pour vous imaginer la plus simple : …dans toute chaîne borroméenne, il y a un Un puis un deux.“ (Sitzung vom 13. Mai 1975, zitiert nach Version Staferla.
-
Seminar 10, Sitzung vom 5. Dezember 1962; Version Miller/Gondek, S. 64.
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Sitzung vom 14. Januar 1975, Kleiner-Übersetzung S. 20.
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Vgl. den Artikel „Realität, psychische“ in: Jean Laplanche, Jean-Bertrand Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 425–427.
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Seminar 21, Sitzung vom 19. März 1974; meine Übersetzung nach Version Staferla.
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Sitzung vom 15. April 1975; Übersetzung von Max Kleiner, S. 69.
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Vgl. Erik Porge: Jacques Lacan, un psychanalyste. Érès, Ramonville Saint-Agne 2000, S. 163–168; eine Übersetzung dieser Passage findet man in Lacan entziffern hier.
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Sitzung vom 11. Februar 1975; Kleiner-Übersetzung S. 31.
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Sitzung vom 13. Mai 1975; Übersetzung von Max Kleiner, S. 74.
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Vgl. Seminar 4, Sitzung vom 6. März 1957, Version Miller/Gondek S. 245, 250.
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Seminar 18, Sitzung vom 13. Januar 1971; Version Miller S. 12.
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S. Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, S. 220.
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Carl Gustav Jung: Ulysses. Ein Monolog. In: Ders.: Wirklichkeit der Seele. Zürich 1934, S. 132–169, hier: S. 136 und 156 (zuerst in: Europäische Revue 8, 1932, S. 547–568, auch in: Ders.: Gesammelte Werke. Walter-Verlag, Olten 1971, Bd. 15, Über das Phänomen des Geistes in Kunst und Wissenschaft, S. 121–149; im Internet auszugsweise hier). Den Hinweis auf Jung findet man in Michael Turnheims Aufsatz „Lacans sinthome“, in: M. Turnheim: Mit der Vernunft schlafen. diaphanes, Zürich, Berlin 2009, S. 55–75, hier: S. 62.
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Sitzung vom 6. Dezember 1961, Version Staferla, S. 81.
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J. Lacan: Écrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 819.
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Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. in: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: 357.
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S. Freud: Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglauben und Irrtum (1904). Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Mai 1954, S. 28 f.
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Sitzung vom 10. Dezember 1974, Kleiner-Übersetzung S. 6.
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Sitzung vom 13. Mai 1975, Kleiner-Übersetzung von Seminar 22, S. 74.
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Sitzung vom 13. Mai 1975; vgl. Kleiner-Übersetzung von Seminar 22, S. 75.
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Vgl. Seminar 22, Sitzung vom 17. Dezember 1974, Kleiner-Übersetzung S. 12.
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Vgl. Sitzung vom 17. Dezember 1969, Version Miller S. 32.
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Miller, Pièces détachées, a.a.O., Sitzung vom 12. Januar 2005, S. 47.
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Morel, Das Gesetz der Mutter, a.a.O., S. 130, sie wiederholt diese Identifizierung auf S. 139.
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Morel, Das Gesetz der Mutter, a.a.O., S. 122, Übersetzung geändert.
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J.-P. Sartre: Die Transzendenz des Ego. In: Ders.: Die Transzendenz des Ego. Philosophische Essays 1931–1939. Rowohlt, Reinbek 1994, S. 39–96, hier: S. 42 f.
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Vgl. die Zeichnung in Morel, Das Gesetz der Mutter, a.a.O., S. 136.
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Vgl. Miller, Pièces détachées, a.a.O., Sitzung vom 15. Dezember 2004, S. 41.
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So deutet das Morel, vgl. Morel, Das Gesetz der Mutter, a.a.O., S. 131.
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Conférence à Genève sur le symptôme, 4. Oktober 1975. In: Pas-tout Lacan, PDF-Datei auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, S. 1672–1685, hier: S. 1677.