Jacques Lacan
Seminar XVIII, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre
1. Sitzung, 13. Januar 1971
Übersetzung und Erläuterung
Masaccio, Die Vertreibung aus dem Paradies
1426-1428, Fresko, 208 x 88 cm, Brancacci-Kapelle, Florenz
Jacques Lacan:
Seminar XVIII (1971): Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre
1. Sitzung, 13. Januar 1971
Übersetzt von Rolf Nemitz
Vollständige Übersetzung von Seminar 18 auf der Grundlage der Version Staferla, der Version Espaces Lacan und einer Tonaufnahme
In Millers Version des Seminars ist dies Kapitel I, „Introduction au titre de ce séminaire“ („Einführung in den Titel dieses Seminars“), S. 9–21.
Die Übersetzung wird zweimal gebracht, zunächst einsprachig deutsch, dann zweisprachig, Satz für Satz gegenüberstellelnd.
Die zweisprachige Fassung enthält in den Anmerkungen zum französischen Text Hinweise auf Transkriptionsprobleme und auf größere Abweichungen in Millers Version; im deutschen Text findet man Links und Bilder, in den Anmerkungen zum deutschen Text Literaturangaben und inhaltliche Erläuterungen.
Einen Überblick über die verschiedenen Ausgaben von Seminar 18 findet man hier, Links zu Übersetzungen weiterer Sitzungen des Seminars hier.
Herzlichen Dank an Gerhard Herrgott für geduldige Hilfe beim Übersetzen!
Textgrundlage
Grundlage der Übersetzung ist:
Version Staferla von Seminar 18:
Jacques Lacan: D’un discours qui ne serait pas du semblant. Auf der Website staferla.free.fr, PDF-Datei, Fassung vom 25.10.2015, hier
Die Lacan-Seminare auf der Staferla-Website werden von Zeit zu Zeit überarbeitet, ohne dass dies kenntlich gemacht wird. Aus diesem Grunde habe ich oben das Datum der von mir verwendeten Fassung angegeben.1 Zur Sicherheit habe ich diese Fassung der Staferla-Version hier gespeichert.
Die Transkription der Staferla-Version wurde von mir mit einer Tonbandaufnahme der Sitzung und mit der von Jacques-Alain Miller erstellten (redaktionell bearbeiteten) Version verglichen und an wenigen Stellen geändert. Wortwiederholungen, bei denen offenkundig ist, dass Lacan nach einer Formulierung sucht, habe ich gestrichen. Der Schnitt der Sätze (Punkt oder Semikolon oder Komma) sowie die Orthografie wurden bisweilen verändert. Die Gliederung in Absätze ist von mir.
Die Tonaufnahme findet man auf der Website von Patrick Valas, valas.fr, hier. Millers Version ist: J. Lacan: Le séminaire, livre XVIII. D’un discours qui ne serait pas du semblant. 1971. Textherstellung Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2007.
Die chinesischen Schriftzeichen wurden aus der Staferla-Version übernommen, die Transkription dieser Schriftzeichen aus Millers Ausgabe.
Wörter mit Sternchen: im Original deutsch.
Der Schrägsstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
Einfügungen in eckigen Klammern sind nicht von Lacan.
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z..B. [10], verweisen auf die Seiten von Millers Ausgabe des Seminars.
Titel des Seminars
D’un discours qui ne serait pas du semblant
Lacan zufolge ist mit „du semblant“ sowohl der Genitivus subjectivus als auch der Genitivus objectivus gemeint.2
Genitivus objectivus: „Von einem Diskurs, der nicht über den Schein wäre“.
Genitivus subjectivus: „Von einem Diskurs, der nicht vom Schein hervorgerufen würde“.
Die hier gewählte Übersetzung „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ hat beide Bedeutungen.
Sitzung vom 13. Januar 1971
Tonaufnahme
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Jacques Lacan, Seminar 18, D’un discours qui ne serait pas du semblant (1971), 1. Sitzung (13. Januar 1971)
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Deutsch
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift verweisen auf die Seiten von Millers Ausgabe des Seminars.
[9] An der Tafel
Über einen Diskurs,
der nicht vom Schein wäre (D’un discours, qui ne serait pas du semblent)
Über einen Diskurs – es ist nicht meiner, um den es geht.
Ich denke, ich habe Sie letztes Jahr hinreichend spüren lassen, was man unter dem Ausdruck Diskurs verstehen soll. Ich erinnere an den Diskurs des Herrn und an diese vier – sagen wir – Positionen und die Verschiebungen dieser Terme, bezogen auf eine Struktur, die darauf reduziert ist, tetraedrisch zu sein.
Ich habe es denjenigen, die sich damit befassen möchten, überlassen, genauer auszuarbeiten, wodurch es gerechtfertigt ist, dass ich diese Gleitbewegungen, die mehr diversifiziert hätten sein können, auf vier reduziert habe. Zum Vorrang dieser vier, falls niemand sich damit beschäftigt, werde ich Ihnen in diesem Jahr vielleicht nebenbei einen Hinweis geben.
Ich habe diese Bezüge nur im Hinblick auf das gewählt, was mein Ziel war, und was mit diesem Titel ausgedrückt wurde: Die Kehrseite der Psychoanalyse. Der Diskurs des Herrn ist nicht die Kehrseite der Psychoanalyse, die Kehrseite der Psychoanalyse ist dort, wo sich, so möchte ich sagen, die eigene Verwindung des Diskurses der Psychoanalyse zeigt, das, was dazu führt, dass dieser Diskurs die Frage nach einer Vorderseite und einer Rückseite aufwirft, denn Sie kennen ja das Gewicht des Betonung, die in der Theorie, seit Freud sie in die Welt gesetzt hat, das Gewicht der Betonung, die auf die zweifache Niederschrift gelegt wird. Was ich Sie spüren lassen wollte, war die Möglichkeit einer zweifachen Niederschrift, auf der Vorderseite und auf der Rückseite, ohne dass dabei ein Rand überschritten werden muss. Das ist die seit langem bekannte Struktur des sogenannten Möbiusbandes, von der ich einfach nur Gebrauch machen musste.
[10] Mit diesen Plätzen und diesen Elementen wird bezeichnet, dass das, was im eigentlichen Sinne Diskurs ist, seinen Bezug in keiner Weise von einem Subjekt her nehmen kann, obwohl er es determiniert.
Da ist sicherlich die Mehrdeutigkeit dessen, womit ich das eingeführt habe, was ich glaubte, im Inneren des psychoanalytischen Diskurses zu Gehör bringen zu müssen. Erinnern Sie sich doch bitte an meine Termini zu der Zeit, als ich einem bestimmten Bericht diesen Titel gegeben habe: Über Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. „Intersubjektivität“ habe ich damals geschrieben, und Gott weiß, zu welch falscher Spur das Äußern solcher Termini Anlass geben kann. Man möge mir nachsehen, dass ich sie, diese Spuren, zunächst habe machen müssen – nur durch das Missverständnis konnte ich vorankommen. „Inter“, gewiss, das ist das, was erst die Folge mir ermöglicht hat, über eine Inter-Signifikanz zu äußern, „Subjektivität“, über das Ergebnis der Inter-Signifikanz, wobei der Signifikant das ist, wodurch ein Subjekt repräsentiert wird, für einen anderen Signifikanten, wo das Subjekt nicht ist. Insofern es dort, wo es repräsentiert ist, abwesend ist, es aber gleichwohl repräsentiert ist, findet es sich auf diese Weise gespalten.
Der Diskurs, es geht nicht nur darum, dass er von da an nicht mehr anders als im Lichte seiner unbewussten Triebfeder beurteilt werden kann, sondern darum, dass er nicht mehr anders ausgesagt werden kann denn als das, was von einer Struktur her artikuliert ist, in der er irgendwo auf irreduzible Weise entfremdet ist. Von daher meine einleitende Bemerkung über den Diskurs: „Über einen Diskurs“, ich halte inne, „es ist nicht meiner“. Von dieser Bemerkung über den Diskurs als etwas, das als solches nicht Diskurs einer bestimmten Person sein kann, sondern durch eine Struktur gegründet ist, sowie von der Betonung, den er durch die Aufteilung und das Gleiten bestimmter seiner Terme erhält, von da gehe ich in diesem Jahr aus, bezogen auf das, was den Titel hat: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre.
Diejenigen, die im letzten Jahr diesen Ausführungen, die hier vorausgesetzt sind, nicht folgen konnten, weise ich darauf hin, dass das Erscheinen von Scilicet 2/3, das bereits mehr als einen Monat zurückliegt, ihnen die hauptsächlichen Bezüge liefern wird. Sciliet 2/3, da es eine Schrift ist, ist das ein Ereignis, wenn nicht eine Ankunft, des Diskurses. Zunächst insofern, als derjenige [Diskurs], dessen Instrument ich bin --; ohne dass man umgehen könnte, dass hierfür Ihre presse nötig ist, Ihr Drängen, anders gesagt, dass sie da sind, und zwar genau unter dem Aspekt, aus dem etwas Einzigartiges uns das Drängen macht. Sicherlich, mit, sagen wir, den Auswirkungen unserer Geschichte ist das etwas, das sich spüren lässt, |[11] etwas, wodurch die Frage erneuert wird, was mit dem Diskurs, insofern er der Diskurs des Herrn ist, auf sich haben mag. Dieses etwas, das nichts tun kann als [die Diskurse] miteinander zu verbinden, etwas, wobei man sich fragt, wie man es nennen soll --; seien wir nicht zu schnell damit, uns des Wortes Revolution zu bedienen. Aber es ist klar, dass man das, was es damit auf sich hat, von dem unterscheiden muss, was es mir insgesamt ermöglicht, meine Äußerung dieser Formel fortzusetzen: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre.
Zwei Merkmale sind hier in diesem Heft von Scilicet festzuhalten.
Nämlich dass ich meinen Diskurs vom letzten Jahr auf die Probe stelle, im Großen und Ganzen – bis auf etwas, das hinzukommt –, in einer Konfiguration, die eben gerade durch die Abwesenheit dessen charakterisiert ist, was ich das Drängen Ihrer Präsenz genannt habe. Und um hier die volle Betonung darauf zu legen, werde ich es in diesen Termini sagen: Das, was diese Präsenz bedeutet, werde ich als drängende Mehrlust bezeichnen.
Denn genau von dieser Figur aus kann beurteilt werden, wenn sie über ein Unbehagen, wie man sagt, hinausgeht, bezogen auf ein Zuviel an semblance, an Scheinhaftigkeit, in dem Diskurs, in den sie eingeschrieben sind, den Universitätsdiskurs, diejenige, die leicht zu kritisieren ist: bezogen auf eine Neutralität beispielsweise, die zu stützen dieser Diskurs keineswegs vorgeben kann; bezogen auf eine Selektion durch Konkurrenz, während es doch nur um Zeichen geht, die sich an diejenigen wenden, die bereits Bescheid wissen; bezogen auf eine Bildung des Subjekts, wo es doch um etwas ganz anderes geht. Wenn man über dieses Unbehagen am Schein hinausgehen will und damit etwas erhofft, das es ermöglicht, da herauszukommen, so ist dies nur dadurch möglich, dass man annimmt, dass ein bestimmter Modus der Strenge im Vorbringen eines Diskurses nicht das spaltet, in dominanter Position in diesem Diskurs, was es mit der Auslese dieser Kügelchen an Mehrlust auf sich hat, in deren Namen Sie vom Universitätsdiskurs erfasst werden.
Eben dies, dass jemand, ausgehend vom analytischen Diskurs, sich für Ihren Blick in die Position des Analysanten bringt – das ist nicht neu, ich habe es bereits gesagt, aber niemand hat dem Beachtung geschenkt –, das ist es, was die Originalität dieses Unterrichts ausmacht. Und das, was das Motiv für das liefert, was Sie zu ihm mit ihrem Drängen beisteuern, das ist es, was ich, als ich im Radio sprach, der Probe der Subtraktion eben dieser Präsenz ausgesetzt habe, dieser Raum, in dem Sie sich drängen, annulliert und ersetzt durch das reine es existiert dieser Inter-Signifikanz, von der ich eben gesprochen habe, damit das Subjekt hier ins Wanken gerät. Das ist einfach eine Weichenstellung in Richtung auf etwas, dessen mögliche Reichweite die Zukunft zeigen wird.
Es gibt noch ein weiteres Merkmal dessen, was ich dieses Ereignis, diese Ankunft des Diskurses genannt habe, und das ist diese gedruckte Sache, die Scilicet heißt, das ist – wie eine Reihe von Ihnen bereits wissen –, dass man hier schreibt, ohne zu unterzeichnen. Was ist damit |[12] gemeint? Dass jeder dieser Namen, die man in einer Spalte auf der letzten Seite dieser drei Hefte findet, die ein Jahr bilden, dass jeder mit jedem anderen permutiert werden kann, wodurch bekräftigt wird, dass kein Diskurs der eines Autors sein kann. Da spricht es, im anderen Fall ist es die Weiche, da wird die Zukunft zeigen, ob dies die Formel ist, die in, sagen wir, fünf, sechs Jahren alle Zeitschriften übernehmen werden, die guten Zeitschriften, versteht sich. [Gelächter] Nun, man wird sehen!
Bei dem, was ich sage, versuche ich nicht, aus dem herauszukommen, was in meinen Aussagen als etwas gespürt wird, erlebt wird, womit das Artefakt des Diskurses betont wird und womit es festgehalten wird.
Das heißt natürlich – das ist das Mindeste –, wenn ich das tue, dann schließt das aus, dass ich vorgebe, damit alles abzudecken. Das kann kein System sein, und insofern ist das keine Philosophie. Es ist klar, dass für jeden, der die Perspektive übernimmt, durch die die Analyse es uns gestattet, das zu erneuern, worum es beim Diskurs geht, dass dies für jeden impliziert, dass man sich, ich möchte sagen, in einem Desuniversum hin und her bewegt. Das ist nicht dasselbe wie ein Diverses. Aber auch diesem Diversen würde ich mich nicht widersetzen, nicht nur soweit, als es die Diversität enthält, sondern auch bis dahin, was es an Diversion einbringt. Es ist auch ganz klar, dass ich nicht über alles spreche, dass selbst in dem, was ich äußere, sich etwas dem widersetzt, über alles seine Meinung zu sagen. Das ist täglich mit dem Finger zu spüren, auch bezogen darauf, dass ich äußere, dass ich nicht alles sage, das ist etwas anderes, ich habe es bereits gesagt: das beruht darauf, dass die Wahrheit sich nur halbsagen lässt.
Dieser Diskurs also, der sich darauf beschränkt, nur im Artefakt zu handeln, ist letztlich nur die Verlängerung der Position des Analytikers, insofern sie dadurch definiert ist, dass sie das Gewicht seiner Mehrlust an einen bestimmten Platz stellt. Das ist jedoch die Position, die ich hier nicht einnehmen kann, und dies genau deshalb nicht, weil ich nicht in der Position des Analytikers bin. Wie ich eben gesagt habe – bis auf dies, dass Ihnen hier das Wissen fehlt –, es ist vielmehr so, dass Sie da sind, mit ihrem Drängen.
Was kann, nach dem Gesagten, die Tragweite dessen sein, dass ich in diesem Bezug Folgendes äußere: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre? Das kann von meinem Platz aus geäußert werden und abhängig von dem, was ich früher geäußert habe. Auf jeden Fall ist es ein Faktum, dass ich es äußere. Beachten Sie, dass es auch deshalb ein Faktum ist, weil ich es äußere. Mag sein, dass Sie hier nichts bemerken, das heißt, dass Sie denken, dass es nicht mehr gibt als das Faktum, dass ich es äußere. Nur, wenn ich in Bezug auf den Diskurs von Artefakt gesprochen habe, dann deshalb, weil für den Diskurs kein Faktum, wenn ich so sagen kann, bereits da ist; ein Faktum gibt es nur durch das Faktum des Diskurses. Das geäußerte Faktum ist ganz und gar das Faktum des Diskurses. Das ist das, was ich mit dem Ausdruck Artefakt bezeichne, und das ist natürlich das, was reduziert werden muss.
[13] Denn wenn ich vom Artefakt spreche, dann nicht deshalb, um daraus die Idee von etwas auftauchen zu lassen, was anders wäre, einer Natur, in Bezug worauf Sie einen Fehler machen würden, wenn Sie sich daranmachen würden, sich deren Behinderungen entgegenzusetzen, da Sie da nicht wieder herauskämen.
Die Frage stellt sich nicht in diesen Ausdrücken: „Ist es sagbar oder nicht?“, sondern in diesen: „Es ist gesagt oder es ist nicht gesagt“.
Ich gehe von dem aus, was in einem Diskurs gesagt ist, von dessen Artefakt angenommen wird, dass es dafür hinreicht, dass Sie da sind. Hier ein Schnitt, denn ich füge nicht hinzu, „dafür, dass Sie da sind im Zustand der gedrängten Mehrlust“. Ich habe Schnitt gesagt, da es fraglich ist, ob mein Diskurs Sie bereits als gedrängte Mehrlust versammelt. Es ist nicht entschieden, was auch immer der eine oder andere darüber denken mag, ob es dieser Diskurs ist – derjenige, der aus der Folge der Äußerungen besteht, die ich Ihnen präsentiere –, der Sie in diese Position bringt, von der aus er befragt werden kann, durch das „pas“, durch das nicht / durch den Schritt, eines Diskurses, der nicht vom Schein wäre.
*
Vom Schein, was bedeutet das? Was bedeutet das in dieser Äußerung?
Beispielsweise vom Schein des Diskurses? Wie Sie wissen, ist das die Position des sogenannten logischen Positivismus. Nämlich wenn man von einem Signifikanten ausgeht, der auf etwas hin zu überprüfen ist, was mit Ja oder Nein entschieden wird, dann ist das, was dieser Prüfung nicht unterzogen werden kann, das, was als sinnlos definiert wird. Aber damit glaubt man, eine bestimmte Anzahl von Fragen los zu sein, die als metaphysisch qualifiziert werden. Das ist sicherlich nichts, woran ich mich halte, ich halte aber daran fest, darauf aufmerksam zu machen, dass die Position des logischen Positivismus unhaltbar ist, auf jeden Fall, wenn man von der analytischen Erfahrung ausgeht, insbesondere von ihr. Wenn die analytische Erfahrung darin impliziert ist, dass sie ihre Adelstitel vom Ödipusmythos hernimmt, dann bewahrt sie damit das Schneidende der Äußerung – der énonciation – des Orakels. Und ich möchte darüber hinaus sagen, dass die Deutung immer auf genau dieser Ebene bleibt. Wahr ist sie nur durch ihre Folgen, ganz wie das Orakel. Die Deutung wird nicht auf eine Wahrheit hin überprüft, die sich durch Ja oder durch Nein entscheiden ließe – sie entfesselt die Wahrheit als solche. Sie ist nur insofern wahr, als ihr wahrhaft gefolgt wird.
Wir werden bald noch sehen, dass die Schemata der Implikation, ich meine der logischen Implikation, in ihren klassischsten Formen, dass diese Schemata selbst den Boden dieses Veri- |[14] dischen notwendig machen, insofern es zum Sprechen gehört, selbst wenn es, streng gesagt, sinnlos ist. Der Übergang von dem Moment, in dem über die Wahrheit allein durch ihre Entfesselung entschieden wird, zu demjenigen einer Logik, die versuchen wird, dieser Wahrheit Körper zu verleihen, ist genau der Moment, in welchem der Diskurs als Vorstellungsrepräsentanz zurückgewiesen wird, disqualifiziert wird. Und wenn das mit ihm geschehen kann, dann deshalb, weil er es teilweise immer schon ist, und eben das nennt man Verdrängung. Es ist nicht mehr eine Vorstellung, die er repräsentiert.
Was als Wahrheitseffekt charakterisiert wird, ist diese Fortsetzung des Diskurses. Dieser Wahrheitseffekt ist nicht vom Schein.
Und der Ödipuskomplex ist da, um uns zu klarzumachen – wenn Sie gestatten –, um uns klarzumachen, dass hier Blut geflossen ist. [Gelächter] Allerdings, das Blut widerlegt nicht den Schein, es färbt ihn, es verleiht ihm neuen Schein, es verbreitet ihn. Ein bisschen Sägemehl und der Zirkus beginnt von vorn. Und eben deshalb kann sich die Frage nach einem Diskurs, der nicht vom Schein wäre, auf der Ebene des Artefakts stellen, auf der Ebene der Diskursstruktur. Während man darauf wartet, gibt es keinen Schein des Diskurses, gibt es, um das zu beurteilen, keine Metasprache, gibt es keinen Anderen des Anderen, gibt es nicht Wahres über das Wahre.
Ich habe mich mal damit amüsiert, die Wahrheit sprechen zu lassen.
Ich frage, wo hier die Paradoxie ist, was könnte wahrer sein als die Äußerung „ich lüge“? Die klassische Mäkelei, die zum Terminus Paradoxie vorgebracht wird, erhält nur dann einen Körper, wenn Sie dieses „ich lüge“ als etwas Geschriebenes zu Papier bringen. Jeder spürt, dass man bei bestimmten Gelegenheiten nichts Wahreres sagen kann als dass man sagt „ich lüge“. Das ist sogar ganz gewiss die einzige Wahrheit, die dann nicht zerbricht. Wer wüsste nicht, dass man, wenn man sagt, „ich lüge nicht“, absolut nicht davor geschützt ist, etwas Falsches zu sagen.
Was soll das heißen? Die Wahrheit, um die es geht, wenn sie spricht – diejenige, von der ich gesagt habe, dass sie „ich“ sagt, die sich als Orakel äußert –, wer spricht da? Dieser Schein ist der Signifikant an sich selbst.
Wer sieht denn nicht, dass das, was ihn charakterisiert, diesen Signifikanten, von dem ich in den Augen von Sprachwissenschaftlern einen Gebrauch mache, der sie peinlich berührt --. Es hat sich einer gefunden, diese Zeilen zu schreiben, die dazu ausersehen sind, die Warnung zu verkünden, dass, ganz ohne Zweifel, Ferdinand de Saussure davon nicht die geringste Vorstellung hatte. Was weiß man darüber? Ferdinand de Saussure machte es wie ich, er sagte nicht alles, der Beweis dafür ist, dass man unter seinen Papieren Sachen gefunden hat, die er niemals herausbringen wollte.
Der Signifikant, man glaubt, dass das ein nettes kleines Ding ist, einfach so, das vom Strukturalismus gezähmt worden ist. Man glaubt, das ist der Andere als Anderes und die Signifikantenbatterie und natürlich all das, was ich erkläre. Das kommt natürlich vom Himmel, da ich, bei dieser Gelegenheit, Idealist bin.
[15] Artefakt habe ich zuerst gesagt, gewiss, das Artefakt, es ist absolut sicher, dass es unser alltägliches Schicksal ist. Wir finden es an jeder Straßenecke, in Reichweite der geringsten Geste unserer Hände.
Wenn es etwas gibt, das ein haltbarer Diskurs ist oder jedenfalls ein Diskurs, der sich gehalten hat, nämlich derjenige der Wissenschaft, so ist es vielleicht nicht unnütz, sich daran zu erinnern, dass er ganz speziell von der Erörterung von Formen des Scheins ausgegangen ist. Der Ausgangspunkt des wissenschaftlichen Denkens, ich spreche über die Geschichte, was ist das? Die Beobachtung der Sterne. Was ist das anderes als die Konstellation, d..h. der typische Schein? Die ersten Schritte der modernen Physik, worum drehen sie sich zu Beginn? Nicht, wie man glaubt, um Elemente, denn die Elemente, die vier – und selbst dann, wenn Sie die Quintessenz hinzufügen –, das gehört bereits zum philosophischen Diskurs, und wie! Das dreht sich um die Meteore. Descartes schreibt eine Abhandlung über Meteore. Der entscheidende Schritt, einer der entscheidenden Schritte dreht sich um die Theorie des Regenbogens. Und wenn ich von einem Meteor spreche, dann ist das etwas, das dadurch definiert ist, dass es als solches durch einen Schein charakterisiert ist. Niemand hat je geglaubt, dass der Regenbogen – nicht einmal bei den primitivsten Leuten –, dass der Regenbogen ein Ding wäre, das da ist, gebogen und aufgerichtet. Er wird als Meteor befragt.
Der charakteristischste Meteor, der ursprünglichste, derjenige, bei dem nicht zu bezweifeln ist, dass er mit der Struktur von allem, was Diskurs ist, verbunden ist, das ist der Donner. Wenn ich meine Rom-Rede mit der Anrufung des Donners beendet habe, dann absolut nicht einfach so, aus meiner Phantasie heraus. Es gibt keinen haltbaren Namen-des-Vaters ohne den Donner, wobei alle sehr gut wissen, dass man nicht einmal weiß, von was der Donner ein Zeichen ist. Eben das ist die Gestalt des Scheins.
Und insofern gibt es keinen Schein des Diskurses. Alles, was Diskurs ist, kann sich nur von dem her als Schein geben und nichts wird darauf aufgebaut, was nicht auf der Grundlage dessen ist, was Signifikant genannt wird, der in dem Licht, in dem ich ihn heute für Sie vorbringe, mit diesem Status des Scheins als solchem identisch ist. Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre – damit daraus eine Aussage wird, darf dieses vom Schein keinesfalls durch Bezug auf |[16] Diskurs vervollständigt werden.
*
Es geht um etwas anderes und zweifellos um den Referenten. Halten Sie sich ein ganz klein wenig zurück! [Gelächter] Dieser Referent ist wahrscheinlich nicht sogleich der Gegenstand, denn das bedeutet genau dies, dass es eben dieser Referent ist, der herumwandert.
Der Schein, in dem der Signifikant mit sich selbst identisch ist – das ist eine Ebene des Ausdrucks Schein –, ist der Schein in der Natur. Nicht ohne Grund habe ich Sie daran erinnert, dass kein Diskurs, der die Natur beschwört, jemals etwas anderes getan hat als von dem auszugehen, was in der Natur Schein ist, denn die Natur ist voll davon. Ich spreche nicht von der tierischen Natur, bei der ganz offensichtlich ist, dass sie davon im Überfluss hat. Das ist ja das, was dazu führt, dass es sanfte Träumer gibt, die denken, dass die gesamte tierische Natur, von den Fischen bis zu den Vögeln, das Lob Gottes singt. Das versteht sich von selbst – jedes Mal, wenn sie, einfach so, etwas öffnen, einen Kopf, einen Mund, einen Kiemendeckel, ist das ein manifester Schein, und nichts macht dieses Aufklaffen notwendig.
Wenn wir in etwas eintreten, dessen Wirkungsweise nicht geklärt ist, aus dem einfachen Grunde, dass wir nicht wissen, wie es gekommen ist, dass hier, wenn ich so sagen darf, eine Signifikantenakkumulation stattgefunden hat, denn die Signifikanten, Achtung, ich sag’s Ihnen, sind in der Welt verbreitet, in der Natur gibt es sie haufenweise.
Damit die Sprache entsteht – das ist schon was, das in Gang zu setzen! –, damit die Sprache entsteht, musste irgendwo das eingerichtet werden, worauf ich Sie bereits anlässlich der Wette hingewiesen habe – da ging’s um Pascals Wette, wir erinnern uns nicht mehr daran –, wenn man das annimmt, ist das Ärgerliche, dass dies das Funktionieren der Sprache bereits voraussetzt.
Da es um das Unbewusste geht, das Unbewusste und sein Spiel, bedeutet das, dass es unter den zahlreichen Signifikanten, die in der Welt in Umlauf sind, darüber hinaus den zerstückelten Körper geben wird.
Gleichwohl gibt es Dinge, die --, von denen man ausgehen kann, indem man denkt, dass sie bereits existieren, sie existieren bereits in einem bestimmten Funktionieren, bei dem wir nicht gezwungen wären, die Akkumulation des Signifikanten zu berücksichtigen. Das sind die Geschichten über das Territorium.
Wenn der Signifikant Ihr rechter Arm im Territorium Ihres Nachbarn etwas erntet – solche Dinge geschehen fortwährend –, dann ergreift Ihr Nachbar natürlich Ihren Signifikanten rechter Arm und wirft ihn Ihnen über den Zaun wieder zurück, das ist das, was Sie sonderbarerweise Projektion nennen, das ist eine Art und Weise, sich zu verstehen. [Gelächter] Von einem solchen Phänomen sollte man ausgehen.
Wenn Ihr rechter Arm im Garten Ihres Nachbarn nicht völlig mit dem Ernten beispielsweise von Äpfeln beschäftigt gewesen wäre, wenn er ruhig geblieben wäre, dann ist ziemlich wahrscheinlich, dass Ihr |[17] Nachbar ihn angebetet hätte. Das ist der Ursprung des Herrensignifikanten: ein rechter Arm, das Szepter. Der Herrensignifikant, dafür ist nur erforderlich, dass man auf diese Weise beginnt, ganz am Anfang. Unglücklicherweise braucht es etwas mehr; das ist kein sehr befriedigendes Schema. Darüber hinaus liefert es Ihnen das Szepter. Sofort sehen Sie, wie sich die Sache als Signifikant materialisiert.
Der Prozess der Geschichte stellt sich – nach allen Zeugnissen, soweit wir sie haben – als ein ganz klein wenig komplizierter dar. Es ist gewiss, dass die kleine Parabel, diejenige, mit der ich zunächst angefangen hatte, nicht wahr, der Arm, der Ihnen vom einen Territorium zum anderen wieder zurückgeschickt wird, es ist nicht zwangsläufig so, dass es Ihr Arm ist, der zu Ihnen zurückkommt [Gelächter], denn die Signifikanten sind nicht individuell, man weiß nicht, welcher wem gehört.
Also sehen Sie, hier treten wir in eine Art von anderem Ursprungsspiel ein, bezogen auf die Funktion des Zufalls, anders als das des Ödipuskomplexes. Sie schaffen eine Welt – in diesem Fall sagen wir: ein Schema –, eine Stütze, die auf diese Weise in eine Reihe von Territorialzellen aufgeteilt ist. Das geschieht auf einem bestimmten Niveau, demjenigen, auf dem es darum geht, vorzubringen, auf dem es darum geht, das, was geschehen ist, ein wenig zu begreifen.
Letztlich kann man nicht nur einen Arm erhalten, der nicht der eigene ist – durch diesen Prozess der Ausstoßung, den Sie, man weiß nicht warum, Projektion genannt haben, außer natürlich, weil Ihnen das zugeworfen/projiziert wird –, nicht nur einen Arm, der nicht der Ihre ist, sondern mehrere andere Arme. Na ja, von diesem Moment an ist nicht mehr wichtig, ob es Ihrer ist oder nicht Ihrer ist.
Aber nun ja, da man vom Inneren eines Territoriums aus letztlich nur dessen eigene Grenzen kennt und man nicht genötigt ist, zu wissen, dass hinter dieser Grenze sechs weitere Territorien liegen, schleudert man das ein klein bisschen so, wie man’s grad kann, und dann kann es passieren, dass es davon [in diesen] Territorien einen Regen gibt. Die Idee, dass es eine Beziehung geben kann zwischen der Zurückweisung von etwas und der Entstehung dessen, was ich Ihnen eben als Herrensignifikanten bezeichnet habe, ist sicherlich eine Idee, die man festhalten sollte. Damit sie aber ihren vollen Wert annimmt, ist es sicherlich nötig, dass so, durch einen Zufallsprozess, an bestimmten Punkten eine Signifikantenakkumulation stattgefunden hat. Von da aus kann etwas begriffen werden, was die Entstehung einer Sprache wäre.
Das, was wir als ersten Modus sehen, was im strengen Sinne aufgebaut wird, um das, was als Sprache dient, durch die Schrift zu unterstützen, gibt davon jedenfalls eine gewisse Vorstellung. Jeder weiß, dass der Buchstabe A ein umgedrehter Stierkopf ist und dass eine bestimmte Anzahl von ähnlichen beweglichen Elementen noch ihre Spuren hinterlassen haben.
Es ist wichtig, nicht zu schnell voranzuschreiten, zu sehen, wo weiterhin Löcher bleiben. Beispielsweise ist ganz offensichtlich, dass der Ausgangspunkt |[18] dieser Skizze bereits mit etwas verbunden war, was den Körper mit einer Möglichkeit der Ektopie und des „Ausflugs“ markierte, die offenkundig problematisch bleibt. Aber alles in allem ist auch hier noch immer alles da. Wir hatten – das ist schließlich ein sehr empfindlicher Punkt, den wir noch täglich überprüfen können – vor gar nicht langer Zeit, noch in dieser Woche, etwas, ein sehr schönes Foto einer Zeitung, an dem sich sicherlich alle ergötzt haben. Die Möglichkeiten, das Zerschneiden eines menschlichen Wesens auf einem menschlichen Wesen zu vollziehen, sind absolut beeindruckend, von da ist alles ausgegangen.
Es bleibt ein weiteres Loch. Wie Sie wissen, hat man sich den Kopf darüber zerbrochen, man hat ja die Bemerkung gemacht, dass das bei Hegel alles sehr schön ist, dass es aber dennoch etwas gibt, was er nicht erklärt. Er erklärt die Dialektik von Herr und Knecht, aber er erklärt nicht, warum es eine Gesellschaft von Herren gibt. Es ist völlig klar, dass das, was ich Ihnen eben erklärt habe, sicherlich insofern interessant ist, als allein schon durch das Spiel der Projektion und der Retorsion klar ist, dass es am Ende einer bestimmten Anzahl von Zügen sicherlich, möchte ich sagen, in einigen Territorien einen Durchschnitt an Signifikanten geben wird, der höher ist als in anderen. Es bleibt jedoch noch zu sehen, wie diese Signifikanten in einem Territorium gewissermaßen eine Signifikantengesellschaft werden bilden können. Man sollte, unter dem Vorwand, dass es einem ja gelungen ist, einen kleinen Erklärungsansatz zu liefern, niemals das, was man nicht erklärt, im Schatten lassen.
Wie auch immer, die Aussage unseres diesjährigen Titels, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, betrifft etwas, das mit einer Ökonomie zu tun hat. Hier das vom Schein – wir sagen nicht für ihn selbst, es ist nicht Schein von etwas anderem, es ist im Sinne des Genitivus objectivus zu nehmen, es geht um den Schein als ein eigenen Gegenstand, von dem her die Ökonomie des Diskurses geregelt wird.
Werden wir sagen, dass es auch ein Genitivus subjectivus ist? Bezieht sich das vom Schein auch auf das, was den Diskurs hält? Nur das Wort subjektiv ist hier zurückzuweisen, aus dem einfachen Grunde, weil das Subjekt nur erscheint, wenn irgendwo diese Signifikantenverbindung eingerichtet ist, weil ein Subjekt nur das Produkt der Signifikantenverknüpfung sein kann, weil ein Subjekt als solches niemals, in keinem Fall, diese Artikulation beherrscht, sondern davon im eigentlichen Sinne determiniert ist.
Ein Diskurs macht, seiner Natur nach, Schein, so wie man sagen kann, qu’il fait florès – dass er seine Freude zeigt –, oder qu’il fait léger – dass er locker wirkt, leicht aussieht –, oder qu’il fait chic – dass er was hermacht, schick wirkt. Wenn das, was an Sprechen geäußert wird, genau deshalb wahr ist, weil es immer ganz authentisch das ist, was es auf der Ebene ist, auf der wir sind, auf der des Objektiven und der Artikulation, dann tritt der Schein also genau als Objekt dessen auf, was im Diskurs produziert wird. Von daher der, streng gesagt, |[19] unsinnige Charakter dessen, was artikuliert wird.
Man muss jedoch sagen, dass eben da enthüllt wird, was es mit dem Reichtum der Sprache auf sich hat, dass sie nämlich eine Logik enthält, die weit über alles hinausgeht, was uns gelingt, aus ihr herauszukristallisieren, herauszulösen. Ich habe die hypothetische Form verwendet, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre. Jeder kennt die Entwicklungen, die die Logik nach Aristoteles genommen hat, dass sie die Betonung auf die hypothetische Funktion gelegt hat. Alles, was artikuliert wird, indem der Artikulation der Hypothese der Wert wahr oder falsch zugeordnet wird, und indem die Schlussfolgerung gezogen wird, die sich daraus ergibt, dass ein bestimmter Term im Inneren dieser Hypothese als wahr angezeigt wird, das ist die Einsetzung dessen, was man den Modus ponens nennt sowie vieler anderer Modi. Jeder weiß, was daraus gemacht worden ist. Es ist verblüffend, dass, zumindest meiner Kenntnis nach, niemals irgendjemand irgendwo die Ressource zu einem eigenen Gegenstand gemacht hat, die die Verwendung dieser Hypothese in negativer Form mit sich führt.
Eine verblüffende Sache, wenn man sich beispielsweise auf das bezieht, was dazu in meine Schriften aufgenommen wurde, als es jemandem – in der heroischen Zeit, als ich damit begann, das Terrain der Analyse urbar zu machen –, als es jemandem gelang, zur Entzifferung der Verneinung* einen Beitrag zu leisten. Und doch hat er, indem er Freud Buchstabe für Buchstabe kommentierte, sehr gut wahrgenommen, Freud sagt das sehr deutlich, dass die Bejahung* nur ein Attributionsurteil enthält – worin Freud wirklich eine Finesse und eine Kompetenz an den Tag legt, die zu der Zeit, als er das schrieb, völlig außergewöhnlich war, denn nur einige Logiker von bescheidener Verbreitung konnten das zu dieser Zeit herausgearbeitet haben –, ein Attributionsurteil, das kein Urteil über die Existenz vorwegnimmt. Einzig das Setzen einer Verneinung* impliziert die Existenz von etwas, nämlich dessen, was negiert wird. Ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre, behauptet, dass der Diskurs, wie ich eben geäußert habe, vom Schein ist.
Wenn man es so formuliert, hat das den großen Vorteil, dass man nicht sagt, vom Schein von was. Nun, natürlich liegt da der Punkt, um den herum wir vorhaben, unsere Aussagen vorzubringen, nämlich dazu, worum es dort geht, wo es nicht vom Schein wäre.
Natürlich ist das Gelände vorbereitet, durch einen einzigartigen und zaghaften Schritt, denjenigen, den Freud in Jenseits des Lustprinzips getan hat. Ich will hier nur – da ich mehr jetzt nicht tun kann – auf den Knoten hinweisen, den in diesen Aussagen die Wiederholung und die Jouissance bilden. Davon ist abhängig, dass die Wiederholung dem Lustprinzip zuwiderläuft, das sich davon, möchte ich sagen, nicht wieder erholt.
Im Lichte der analytischen Erfahrung kann der Hedonismus nur wieder zu dem zurückkehren, was er ist, nämlich ein philosophischer Mythos, ich meine ein Mythos einer streng definierten Klasse. Das ist eine These, und ich habe sie |[20] letztes Jahr geäußert, über die Hilfe, die sie, die Philosophen, bei einem bestimmten Prozess des Herrn geleistet haben, indem sie es dem Diskurs des Herrn als solchem ermöglicht haben, ein Wissen aufzubauen. Dieses Wissen ist Wissen des Herrn. Dieses Wissen hat angesichts des Herrn – denn der philosophische Diskurs trägt noch die Spur davon – die Existenz eines anderen Wissens unterstellt, wovon --. Gott sei Dank ist der philosophische Diskurs nicht verschwunden, ohne zuvor festgehalten zu haben, dass es zwischen diesem Wissen und dem Genuss – der jouissance – eine Beziehung geben muss. Derjenige, der den philosophischen Diskurs so abgeschlossen hat – Hegel, um seinen Namen zu nennen –, sieht natürlich nur die Art und Weise, in der es dem Knecht durch die Arbeit gelingen wird, was zu vollenden? Nichts anderes als das Wissen des Herrn.
Aber was führt das, was ich die Freud’sche Hypothese nennen möchte, was führt sie an Neuem ein? Das ist, in einer außergewöhnlich vorsichtigen, aber gleichwohl syllogistischen Form, das Folgende: Wenn wir Lustprinzip dies nennen, dass das Lebendige durch sein Verhalten beständig auf ein Niveau zurückgekommen ist, welches das der minimalen Erregung ist und dass hierdurch seine Ökonomie reguliert wird, und wenn sich erweist, dass die Wiederholung auf eine Weise operiert, die dazu führt, dass ein gefährlicher Genuss zurückgebracht wird, eine Jouissance, die diese minimale Erregung übersteigt, ist es dann möglich – in dieser Form äußert Freud die Frage –, dass man annimmt, dass das Leben, in seinem Zyklus erfasst – das ist etwas Neues bezogen auf die Welt, die das nicht universal enthält –, dass das Leben diese Möglichkeit der Wiederholung enthält, die die Rückkehr zu dieser Welt wäre, insofern sie Schein ist?
Mit einer Graphik an der Tafel kann ich Ihnen zeigen, dass dies umfasst – anstatt einer Folge von aufsteigenden und abfallenden Erregungskurven, die alle an eine Grenze herangehen, die eine obere Grenze ist –, dass dies die Möglichkeit einer Erregungsintensität umfasst, die auch bis ins Unendliche gehen kann, wobei das, was als Jouissance aufgefasst wird, in sich selbst im Prinzip keine andere Grenze enthält als diesen unteren Tangentialpunkt, diesen Punkt, den wir |[21] suprem nennen werden, indem wir diesem Wort seinen eigentlichen Sinn geben, der den niedrigsten Punkt einer oberen Grenze bedeutet, so wie infim der höchste Punkt einer unteren Grenze ist, die Kohärenz, die von dem tödlichen Punkt gegeben wird, der von da an, ohne dass Freud das hervorhebt, als ein Charakteristikum des Lebens aufgefasst wird.
Aber in Wahrheit ist das, woran man nicht denkt, tatsächlich dies, nämlich dass man das mit dem verwechselt, was zum Nicht-Leben gehört und was weit davon entfernt ist – Achtung! –, sich nicht zu bewegen, dieses „ewige Schweigen der unendlichen Räume“, das Descartes [Verwechslung, richtig wäre: Pascal] in Erstaunen versetzte – sie sprechen, sie singen, sie bewegen sich auf jede Weise, jetzt, für unsere Blicke. Die sogenannte unbelebte Welt ist nicht der Tod.
Der Tod ist ein Punkt, wird als ein Endpunkt bezeichnet, als ein Endpunkt von was? der Jouissance des Lebens. Das ist genau das, was durch die Freud’sche Aussage eingeführt wird, durch diejenige, die wir als Hyper-Hedonismus qualifizieren möchten, wenn ich mich auf diese Weise ausdrücken darf.
Wer nicht sieht, dass die Ökonomie – selbst diejenige der Natur – immer ein Diskursfaktum ist, der kann nicht erfassen, dass dies darauf verweist, dass es sich hier um die Jouissance nur insofern handeln kann, als sie nicht nur ein Fakt, sondern ein Effekt ist, ein Diskurseffekt.
Wenn etwas, was das Unbewusste heißt, als Sprachstruktur halbgesagt werden kann, dann deshalb, damit uns schließlich die Konturen dieses Diskurseffekts erscheinen, der uns bis dahin als unmöglich erschien, nämlich die Mehrlust.
Heißt das – um an eine meiner Formeln anzuschließen –, dass sie, insofern es wie unmöglich war, als Reales funktionierte?
Ich werfe die Frage auf, denn in Wahrheit impliziert nichts, dass der Einbruch des Diskurses des Unbewussten – so stammelnd er bleibt – irgendetwas impliziert, in dem, was ihm vorausging, was seiner Struktur unterworfen war.
Der Diskurs des Unbewussten ist eine Emergenz, er ist die Emergenz einer bestimmten Funktion des Signifikanten. Dass er, der Signifikant, bis dahin als enseigne existierte, als Aushängeschild, unter diesem Aspekt habe ich ihn vor Ihnen an den Ursprung des Scheins gesetzt. Und die Konsequenzen seiner Emergenz, das ist das, was eingeführt werden muss, damit sich etwas verändert – was sich nicht verändern kann, denn das gehört nicht zum Möglichen. Wenn ein Diskurs vielmehr dadurch zentriert wird, dass seine Wirkung etwas Unmögliches ist, hätte er eine gewisse Chance, ein Diskurs zu sein, der nicht vom Schein wäre.
Französisch/Deutsch mit Anmerkungen
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift verweisen auf die Seiten von Millers Ausgabe des Seminars.
[9] Au tableau
D’un discours qui ne serait pas du semblant
An der Tafel
Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre3
D’un discours : ce n’est pas du mien qu’il s’agit.
Über einen Diskurs – es ist nicht meiner, um den es geht.
Je pense l’année dernière vous avoir assez fait sentir ce qu’il faut entendre par ce terme « discours ».
Ich denke, ich habe Sie letztes Jahr hinreichend spüren lassen, was man unter dem Ausdruck Diskurs verstehen soll.4
Je rappelle le discours du maître et ces quatre – disons – positions, les déplacements de ces termes au regard d’une structure, réduite à être tétraédrique.
Ich erinnere an den Diskurs des Herrn und an diese vier – sagen wir – Positionen und die Verschiebungen dieser Terme5, bezogen auf eine Struktur, die darauf reduziert ist, tetraedrisch zu sein6.
J’ai laissé à qui voudrait s’y employer de préciser ce qui justifie que ces glissements qui auraient pu être plus diversifiés, je les ai réduits à quatre.
Ich habe es denjenigen, die sich damit befassen möchten, überlassen, genauer auszuarbeiten, wodurch es gerechtfertigt ist, dass ich diese Gleitbewegungen, die mehr diversifiziert hätten sein können, auf vier reduziert habe.
Le privilège de ces quatre, si personne ne s’y emploie, peut-être cette année vous en donnerais-je en passant l’indication.
Zum Vorrang dieser vier, falls niemand sich damit beschäftigt, werde ich Ihnen in diesem Jahr vielleicht nebenbei einen Hinweis geben.
Je ne prenais ces références qu’au regard de ce qui était ma fin, énoncée dans ce titre L’envers de la psychanalyse.
Ich habe diese Bezüge nur im Hinblick auf das gewählt, was mein Ziel war, und was mit diesem Titel ausgedrückt wurde: Die Kehrseite der Psychoanalyse.
Le discours du maître n’est pas l’envers de la psychanalyse, il est où se démontre la torsion propre, dirais-je, du discours de la psychanalyse : ce qui fait que ce discours fait poser la question d’un « endroit » et d’un « envers », puisque vous savez l’importance de l’accent qui est mis dans la théorie, dès son émission par Freud, l’importance de l’accent qui est mis sur la double inscription.
Der Diskurs des Herrn ist nicht die Kehrseite der Psychoanalyse7, sie ist dort, wo sich, so möchte ich sagen, die eigene Verwindung des Diskurses der Psychoanalyse zeigt, das, was dazu führt, dass dieser Diskurs die Frage nach einer Vorderseite und einer Rückseite aufwirft, denn Sie kennen ja das Gewicht des Betonung, die in der Theorie, seit Freud sie in die Welt gesetzt hat, das Gewicht der Betonung, die auf die zweifache Niederschrift8 gelegt wird.
Or ce qu’il s’agissait de vous faire toucher du doigt, c’est la possibilité d’une inscription double, à l’endroit, à l’envers, sans qu’ait à être franchi un bord.
Was ich Sie spüren lassen wollte, war die Möglichkeit einer zweifachen Niederschrift, auf der Vorderseite und auf der Rückseite, ohne dass dabei ein Rand überschritten werden muss.
C’est la structure, dès longtemps bien connue, dont je n’ai eu qu’à faire usage, dite de la bande de Mœbius.
Das ist die seit langem bekannte Struktur des sogenannten Möbiusbandes, von der ich einfach nur Gebrauch machen musste.9
[10] Ces places et ces éléments, c’est où se désigne que ce qui est, à proprement parler, discours ne saurait d’aucune façon se référer d’un sujet, bien qu’il le détermine.
Mit diesen Plätzen und diesen Elementen wird bezeichnet, dass das, was im eigentlichen Sinne Diskurs ist, seinen Bezug in keiner Weise von einem Subjekt her nehmen kann, obwohl er es determiniert.
C’est là sans doute l’ambiguïté de ce par quoi j’ai introduit ce que je pensais devoir faire entendre à l’intérieur du discours psychanalytique.
Da ist sicherlich die Mehrdeutigkeit dessen, womit ich das eingeführt habe, was ich glaubte, im Inneren des psychoanalytischen Diskurses zu Gehör bringen zu müssen.
Rappelez-vous mes termes au temps où j’intitulais un certain rapport De la fonction et du champ de la parole et du langage dans la psychanalyse.
Erinnern Sie sich doch bitte an meine Termini zu der Zeit, als ich einem bestimmten Bericht diesen Titel gegeben habe: Über Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse.10
« Intersubjectivité » écrivais-je alors, et Dieu sait à quelle fausse trace l’énoncé de termes tels que celui-là peut donner occasion.
„Intersubjektivität“ habe ich damals geschrieben, und Gott weiß, zu welch falscher Spur das Äußern solcher Termini Anlass geben kann.
Qu’on m’excuse d’avoir eu – ces traces – à les faire premières, je ne pouvais aller au devant que du malentendu.
Man möge mir nachsehen, dass ich sie, diese Spuren, zunächst habe machen müssen – nur durch das Missverständnis konnte ich vorankommen.
« Inter» certes, en effet, c’est ce que seule la suite m’a permis d’énoncer d’une intersignifiance, « subjectivité » de sa conséquence, le signifiant étant ce qui représente un sujet pour un autre signifiant, où le sujet n’est pas.
„Inter“, gewiss, das ist das, was erst die Folge mir ermöglicht hat, über eine Inter-Signifikanz zu äußern, „Subjektivität“, über das Ergebnis der Inter-Signifikanz, wobei der Signifikant das ist, wodurch ein Subjekt repräsentiert wird, für einen anderen Signifikanten, wo das Subjekt nicht ist.[notgeschrieben e]
In den Schriften findet man das Diktum „Ein Signifikant ist, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert“ zuerst in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens (geschrieben vermutlich 1962), in den Seminaren wird es zuerst vorgebracht in Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung (Sitzung vom 24. Januar 1962); vgl. hierzu diesen Blogartikel. In den vier Diskursen wird dieses Verhältnis durch die Beziehung zwischen den Termen S1, S2 und $ repräsentiert.[/note]
C’est bien en cela que : pour ce que là où il est représenté, il est absent, que représenté tout de même, il se trouve ainsi divisé.
Insofern es dort, wo es repräsentiert ist, abwesend ist, es aber gleichwohl repräsentiert ist, findet es sich auf diese Weise gespalten.
Le discours, ce n’est pas seulement qu’il ne peut plus dès lors être jugé qu’à la lumière de son ressort inconscient, c’est qu’il ne peut plus être énoncé comme quelque chose d’autre que ce qui s’articule d’une structure où quelque part il se trouve aliéné d’une façon irréductible.
Der Diskurs, es geht nicht nur darum, dass er von da an nicht mehr anders als im Lichte seiner unbewussten Triebfeder beurteilt werden kann, sondern darum, dass er nicht mehr anders ausgesagt werden kann denn als das, was von einer Struktur her artikuliert ist, in der er irgendwo auf irreduzible Weise entfremdet ist.
D’où mon énoncé du discours introductif : « D’un discours », je m’arrête, « ce n’est pas le mien ».
Von daher meine einleitende Bemerkung über den Diskurs: „Über einen Diskurs“, ich halte inne, „es ist nicht meiner“.
C’est de cet énoncé du discours comme ne pouvant être comme tel discours d’aucun particulier, mais se fondant d’une structure, et de l’accent que lui donne la répartition, le glissement, de certains de ses termes, c’est de là que je pars cette année pour ce qui s’intitule D’un discours qui ne serait pas du semblant.
Von dieser Bemerkung über den Diskurs als etwas, das als solches nicht Diskurs einer bestimmten Person sein kann, sondern durch eine Struktur gegründet ist, sowie von der Betonung, den er durch die Aufteilung und das Gleiten bestimmter seiner Terme erhält, von da gehe ich in diesem Jahr aus, bezogen auf das, was den Titel hat: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre.
À ceux qui n’ont pu l’année dernière suivre ces énoncés qui sont donc préalables, j’indique que la parution, qui date déjà de plus d’un mois, de Scilicet 2/3 leur en donnera les références principales.
Diejenigen, die im letzten Jahr diesen Ausführungen, die hier vorausgesetzt sind, nicht folgen konnten, weise ich darauf hin, dass das Erscheinen von Scilicet 2/3, das bereits mehr als einen Monat zurückliegt, ihnen die hauptsächlichen Bezüge liefern wird.11
Scilicet 2/3, parce que c’est un écrit, est un événement, sinon avènement de discours.
Sciliet 2/3, da es eine Schrift ist, ist das ein Ereignis, wenn nicht eine Ankunft, des Diskurses.12
D’abord en ceci : c’est que celui dont je me trouve instrument13 – sans qu’on puisse éluder qu’il nécessite votre presse, autrement dit que vous soyez là, et très précisément sous cet aspect dont quelque chose de singulier nous fait la presse.
Zunächst insofern, als derjenige [Diskurs], dessen Instrument ich bin --; ohne dass man umgehen könnte, dass hierfür Ihre presse nötig ist, Ihr Drängen, anders gesagt, dass sie da sind, und zwar genau unter dem Aspekt, aus dem etwas Einzigartiges uns das Drängen macht.
Assurément avec, disons les incidences de notre histoire, il est quelque chose qui se touche, qui |[11] renouvelle la question de ce qui peut en être du discours en tant qu’il est le discours du maître.
Sicherlich, mit, sagen wir, den Auswirkungen unserer Geschichte ist das etwas, das sich spüren lässt, etwas, wodurch die Frage erneuert wird, was mit dem Diskurs, insofern er der Diskurs des Herrn ist, auf sich haben mag.
.
Ce quelque chose qui ne peut faire que de lier, quelque chose dont on s’interroge à le dénommer – n’allons pas trop vite à nous servir du mot « révolution ».
Dieses etwas, das nichts tun kann als [die Diskurse] miteinander zu verbinden, etwas, wobei man sich fragt, wie man es nennen soll --; seien wir nicht zu schnell damit, uns des Wortes Revolution zu bedienen.14
Mais il est clair qu’il faut discerner ce qu’il en est de ce qui en somme me permet de poursuivre mes énoncés de cette formule D’un discours qui ne serait pas du semblant.
Aber es ist klar, dass man das, was es damit auf sich hat, von dem unterscheiden muss, was es mir insgesamt ermöglicht, meine Äußerung dieser Formel fortzusetzen: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre.
Deux traits sont ici à retenir dans ce numéro de Scilicet.
Zwei Merkmale sind hier in diesem Heft von Scilicet festzuhalten.
C’est que je mets à l’épreuve somme toute, à peu près – à quelque chose près qui est en plus – mon discours de l’année dernière, dans une configuration qui justement se caractérise par l’absence de ce que j’ai appelé cette presse de votre présence.
Nämlich dass ich meinen Diskurs vom letzten Jahr auf die Probe stelle, im Großen und Ganzen – bis auf etwas, das hinzukommt –, in einer Konfiguration, die eben gerade durch die Abwesenheit dessen charakterisiert ist, was ich das Drängen Ihrer Präsenz genannt habe.15
Et pour y mettre son plein accent, je la dirai de ces termes : ce que cette présence (signifie, je l’épinglerai du plus-de-jouir pressé.
Und um hier die volle Betonung darauf zu legen, werde ich es in diesen Termini sagen: Das, was diese Präsenz bedeutet, werde ich als drängende Mehrlust bezeichnen.
Car c’est très précisément de cette figure que peut être estimé, si elle va au-delà d’une gêne, comme on dit, concernant trop de semblance dans le discours où vous êtes inscrits : le discours universitaire, celle qu’il est facile de dénoncer, d’une neutralité par exemple, que ce discours ne peut prétendre soutenir, d’une sélection compétitive, quand il ne s’agit que des signes qui s’adressent aux avertis, d’une formation du sujet, quand il s’agit de bien autre chose.
Denn genau von dieser Figur aus kann beurteilt werden, wenn sie über ein Unbehagen, wie man sagt, hinausgeht, bezogen auf ein Zuviel an semblance, an Scheinhaftigkeit, in dem Diskurs, in den sie eingeschrieben sind, den Universitätsdiskurs, diejenige, die leicht zu kritisieren ist: bezogen auf eine Neutralität beispielsweise, die zu stützen dieser Diskurs keineswegs vorgeben kann; bezogen auf eine Selektion durch Konkurrenz, während es doch nur um Zeichen geht, die sich an diejenigen wenden, die bereits Bescheid wissen16; bezogen auf eine Bildung des Subjekts, wo es doch um etwas ganz anderes geht.17
Pour aller au-delà de cette gêne des semblants, pour que quelque chose s’espère qui permette d’en sortir, rien ne le permet que de poser qu’un certain mode, un certain mode de rigueur dans l’avancement d’un discours ne clive [?], en position dominante dans ce discours, ce qu’il en est de ces triages de ces globules de plus-de-jouir au titre de quoi vous vous trouvez, dans le discours universitaire, pris.
Wenn man über dieses Unbehagen am Schein hinausgehen will und damit etwas erhofft, das es gestattet, da herauszukommen, so ist dies nur dadurch möglich, dass man annimmt, dass ein bestimmter Modus der Strenge im Vorbringen eines Diskurses nicht das spaltet, in dominanter Position in diesem Diskurs, was es mit der Auslese dieser Kügelchen an Mehrlust auf sich hat, in deren Namen Sie vom Universitätsdiskurs erfasst werden.18
C’est précisément que quelqu’un, à partir du discours analytique, se mette à votre regard19 dans la position de l’analysant – ce n’est pas nouveau, je l’ai déjà dit, mais personne n’y a fait attention – ce qui constitue l’originalité de cet enseignement.
Eben dies, dass jemand, ausgehend vom analytischen Diskurs, sich für Ihren Blick in die Position des Analysanten bringt – das ist nicht neu, ich habe es bereits gesagt, aber niemand hat dem Beachtung geschenkt –, das ist es, was die Originalität dieses Unterrichts ausmacht.20
Et ce qui motive ce que vous lui apportez de votre « presse », c’est ce qu’à parler à la radio [Radiophonie], j’ai mis à l’épreuve de cette soustraction précisément de cette présence, cet espace où vous vous pressez, annulé et remplacé par l’« il existe » pur de cette inter-signifiance dont je parlais tout à l’heure, pour qu’y vacille le sujet.
Und das, was das Motiv für das liefert, was Sie zu ihm mit ihrem Drängen beisteuern, das ist es, was ich, als ich im Radio sprach, der Probe der Subtraktion eben dieser Präsenz ausgesetzt habe, dieser Raum, in dem Sie sich drängen, annulliert und ersetzt durch das reine es existiert dieser Inter-Signifikanz, von der ich eben gesprochen habe, damit das Subjekt hier ins Wanken gerät.21
C’est simplement une aiguillage vers quelque chose dont l’avenir dira la portée possible.
Das ist einfach eine Weichenstellung in Richtung auf etwas, dessen mögliche Reichweite die Zukunft zeigen wird.
Il est un autre trait dans ce que j’ai appelé cet événement, cet avènement de discours, c’est cette chose imprimée qui s’appelle Scilicet, c’est – comme un certain nombre déjà le savent – qu’on y écrit sans signer.
Es gibt noch ein weiteres Merkmal dessen, was ich dieses Ereignis, diese Ankunft des Diskurses genannt habe, und das ist diese gedruckte Sache, die Scilicet heißt, das ist – wie eine Reihe von Ihnen bereits wissen –, dass man hier schreibt, ohne zu unterzeichnen.22
Qu’est-ce que ça |[12] veut dire ?
Was ist damit gemeint?
Que chacun de ces noms, qui se trouvent mis en colonne à la dernière page de ces trois numéros qui constituent une année, peut être permuté avec chacun des autres, affirmant de là qu’aucun discours ne saurait être d’auteur.23
Dass jeder dieser Namen, die man in einer Spalte auf der letzten Seite dieser drei Hefte findet, die ein Jahr bilden, dass jeder mit jedem anderen permutiert werden kann, wodurch bekräftigt wird, dass kein Diskurs der eines Autors sein kann.24
Là ça parle, dans l’autre cas c’est l’aiguille, là l’avenir dira si c’est la formule que, disons dans cinq, six ans, adopteront toutes les revues, les revues bien s’entend. [Gelächter]
Da spricht es, im anderen Fall ist es die Weiche, da wird die Zukunft zeigen, ob dies die Formel ist, die in, sagen wir, fünf, sechs Jahren alle Zeitschriften übernehmen werden, die guten Zeitschriften, versteht sich. [Gelächter]
Enfin25, on verra !
Nun, man wird sehen!
Je n’essaie pas, dans ce que je dis, de sortir de ce qui est ressenti, éprouvé, dans mes énoncés comme accentuant, comme tenant à l’artefact du discours.
Bei dem, was ich sage, versuche ich nicht, aus dem herauszukommen, was in meinen Aussagen als etwas gespürt wird, erlebt wird, womit das Artefakt des Diskurses betont wird und womit es festgehalten wird.
C’est dire bien sûr – c’est la moindre des choses – que ce faisant, ça exclut que je prétende tout en couvrir.
Das heißt natürlich – das ist das Mindeste –, wenn ich das tue, dann schließt das aus, dass ich vorgebe, damit alles abzudecken.
Ça ne peut être un système, ça n’est – à ce titre – pas une philosophie.
Das kann kein System sein, und insofern ist das keine Philosophie.
Il est clair qu’à quiconque prend sous le biais où l’analyse nous permet de renouveler ce qu’il en est du discours, ceci implique qu’on se déplace, je dirais dans un désunivers.
Es ist klar, dass für jeden, der die Perspektive übernimmt, durch die die Analyse es uns gestattet, das zu erneuern, worum es beim Diskurs geht, dass dies für jeden impliziert, dass man sich, ich möchte sagen, in einem Desuniversum hin und her bewegt.
Ce n’est pas la même chose qu’un divers.
Das ist nicht dasselbe wie ein Diverses.26
Mais même à ce divers je ne répugnerais pas, et pas seulement pour ce qu’il implique de diversité, mais jusqu’à ce qu’il applique de diversion.
Aber auch diesem Diversen würde ich mich nicht widersetzen, nicht nur soweit, als es die Diversität enthält, sondern auch bis zu dem, was es an Diversion einbringt.
Il est très clair aussi que je ne parle pas de tout, que même dans ce que j’énonce ça résiste à ce qu’on parle de tout à son propos.
Es ist auch ganz klar, dass ich nicht über alles spreche, dass selbst in dem, was ich äußere, sich etwas dem widersetzt, über alles seine Meinung zu sagen.
Ça se touche du doigt tous les jours, même sur ce que j’énonce que je ne dise pas tout, cela est autre chose, je l’ai déjà dit, ça tient à ceci que la vérité n’est qu’à mi-dire.
Das ist täglich mit dem Finger zu spüren, auch bezogen darauf, dass ich äußere, dass ich nicht alles sage, das ist etwas anderes, ich habe es bereits gesagt: das beruht darauf, dass die Wahrheit sich nur halbsagen lässt.
Ce discours donc, qui se confine à n’agir que dans l’artefact, n’est en somme que le prolongement de la position de l’analyste, en tant qu’elle se définit de mettre le poids de son plus-de-jouir à une certaine place.
Dieser Diskurs also, der sich darauf beschränkt, nur im Artefakt zu handeln, ist letztlich nur die Verlängerung der Position des Analytikers, insofern sie dadurch definiert ist, dass sie das Gewicht seiner Mehrlust an einen bestimmten Platz stellt.27
C’est néanmoins la position qu’ici je ne saurai soutenir, très précisément de n’être pas dans cette position de l’analyste.
Das ist jedoch die Position, die ich hier nicht einnehmen kann, und dies genau deshalb nicht, weil ich nicht in der Position des Analytikers bin.
Comme je l’ai dit tout à l’heure – à ceci près qu’il vous y manque le savoir – c’est plutôt vous qui y seriez, dans votre presse.
Wie ich eben gesagt habe – bis auf dies, dass Ihnen hier das Wissen fehlt –, es ist vielmehr so, dass Sie da sind, mit ihrem Drängen.28
Ceci dit, quelle peut être la portée de ce que dans cette référence j’énonce D’un discours qui ne serait pas du semblant ?
Was kann, nach dem Gesagten, die Tragweite dessen sein, dass ich in diesem Bezug Folgendes äußere: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre?
Ça peut s’énoncer de ma place et en fonction de ce que j’ai énoncé précédemment.
Das kann von meinem Platz aus geäußert werden und abhängig von dem, was ich früher geäußert habe.
C’est un fait en tout cas que je l’énonce.
Auf jeden Fall ist es ein Faktum, dass ich es äußere.
Remarquez que c’est un fait aussi puisque je l’énonce.
Beachten Sie, dass es auch deshalb ein Faktum ist, weil ich es äußere.
Vous pouvez n’y voir que du feu, c’est-à-dire penser qu’il n’y a rien de plus que le fait que je l’énonce.
Mag sein, dass Sie hier nichts bemerken, das heißt, dass Sie denken, dass es nicht mehr gibt als das Faktum, dass ich es äußere.
Seulement si j’ai parlé à propos du discours d’« artefact », c’est que pour le discours il n’y a rien de fait si je puis dire, déjà, il n’y a de fait que du fait du discours.
Nur, wenn ich in Bezug auf den Diskurs von Artefakt gesprochen habe, dann deshalb, weil für den Diskurs kein Faktum, wenn ich so sagen kann, bereits da ist; ein Faktum gibt es nur durch das Faktum des Diskurses.
Le fait énoncé est tout ensemble le fait du discours.
Das geäußerte Faktum ist ganz und gar das Faktum des Diskurses.
C’est ça que je désigne par le terme d’artefact, et, bien entendu, c’est ce qu’il s’agit de réduire.
Das ist das, was ich mit dem Ausdruck Artefakt bezeichne, und das ist natürlich das, was reduziert werden muss.
[13] Parce que si je parle d’artefact c’est pas pour en faire surgir l’idée de quelque chose qui serait autre, d’une nature dont vous auriez tort de vous y engager pour en affronter les embarras parce que vous n’en sortiriez pas.
Denn wenn ich vom Artefakt spreche, dann nicht deshalb, um daraus die Idee von etwas auftauchen zu lassen, was anders wäre, einer Natur, in Bezug worauf Sie einen Fehler machen würden, wenn Sie sich daranmachen würden, sich deren Behinderungen entgegenzusetzen, da Sie da nicht wieder herauskämen.
La question ne s’instaure pas dans les termes « Est-ce, ou n’est-ce pas dicible ? », mais dans ceci : « c’est dit ou ce n’est pas dit ».
Die Frage stellt sich nicht in diesen Ausdrücken: „Ist es sagbar oder nicht?“29, sondern in diesen: „Es ist gesagt oder es ist nicht gesagt“.
Je pars de ce qui est dit dans un discours dont l’artefact est supposé suffire à ce que vous soyez là.
Ich gehe von dem aus, was in einem Diskurs gesagt ist, von dessen Artefakt angenommen wird, dass es dafür hinreicht, dass Sie da sind.
Ici coupure, car je n’ajoute pas : « à ce que vous soyez là à l’état de plus-de-jouir pressé ».
Hier ein Schnitt, denn ich füge nicht hinzu, „dafür, dass Sie da sind im Zustand der gedrängten Mehrlust“.
J’ai dit coupure parce qu’il est questionnable de savoir si c’est en tant que plus-de-jouir pressé déjà que mon discours vous rassemble.
Ich habe Schnitt gesagt, da es fraglich ist, ob mein Diskurs Sie bereits als gedrängte Mehrlust versammelt.
Il n’est pas tranché, quoi qu’en pense tel ou tel, que ce soit ce discours, celui de la suite des énoncés que je vous présente, qui vous mette vous dans cette position d’où il est questionnable par le « pas » d’un discours qui ne serait pas du semblant.30
Es ist nicht entschieden, was auch immer der eine oder andere darüber denken mag, ob es dieser Diskurs ist – derjenige, der aus der Folge der Äußerungen besteht, die ich Ihnen präsentiere –, der Sie in diese Position bringt, von der aus er befragt werden kann, durch das „pas“, durch das nicht / durch den Schritt, eines Diskurses, der nicht vom Schein wäre.
Du semblant, qu’est-ce que ça veut dire ?
Vom Schein, was bedeutet das?
Qu’est-ce que ça veut dire dans cet énoncé ?
Was bedeutet das in dieser Äußerung?
Du semblant de discours par exemple ?
Beispielsweise vom Schein des Diskurses?
Vous le savez, c’est la position dite du logico-positivisme.
Wie Sie wissen, ist das die Position des sogenannten logischen Positivismus.31
C’est que si à partir d’un signifiant à mettre à l’épreuve de quelque chose qui tranche par oui ou par non, ce qui ne permet pas de s’offrir à cette épreuve voilà ce qui est défini ne vouloir rien dire.
Nämlich wenn man von einem Signifikanten ausgeht, der auf etwas hin zu überprüfen ist, was mit Ja oder Nein entschieden wird, dann ist das, was dieser Prüfung nicht unterzogen werden kann, das, was als sinnlos definiert wird.
Mais avec ça on se croit quitte d’un certain nombre de questions qualifiées de métaphysiques.
Aber damit glaubt man, eine bestimmte Anzahl von Fragen los zu sein, die als metaphysisch qualifiziert werden.32
Ce n’est pas certes que j’y tienne, mais je tiens à faire remarquer que la position du logico-positivisme est intenable, en tout cas à partir de l’expérience analytique notamment.
Das ist sicherlich nichts, woran ich mich halte, ich halte aber daran fest, darauf aufmerksam zu machen, dass die Position des logischen Positivismus unhaltbar ist, auf jeden Fall, wenn man von der analytischen Erfahrung ausgeht, insbesondere von ihr.
Si l’expérience analytique se trouve impliquée, de prendre ses titres de noblesse du mythe œdipien, c’est bien qu’elle préserve le tranchant de l’énonciation de l’oracle.
Wenn die analytische Erfahrung darin impliziert ist, dass sie ihre Adelstitel vom Ödipusmythos hernimmt, dann bewahrt sie damit das Schneidende der Äußerung – der énonciation – des Orakels.33
Et je dirai plus : que l’interprétation y reste toujours du même niveau.
Und ich möchte darüber hinaus sagen, dass die Deutung immer auf genau dieser Ebene bleibt.
Elle n’est vraie que par ses suites, tout comme l’oracle.
Wahr ist sie nur durch ihre Folgen, ganz wie das Orakel.34
L’interprétation n’est pas mise à l’épreuve d’une vérité qui se trancherait par oui ou par non, elle déchaîne la vérité comme telle.
Die Deutung wird nicht auf eine Wahrheit hin überprüft, die sich durch Ja oder durch Nein entscheiden ließe – sie entfesselt die Wahrheit als solche.
Elle n’est vraie qu’en tant que vraiment suivie.
Sie ist nur insofern wahr, als ihr wahrhaft gefolgt wird.
Nous verrons tout à l’heure les schémas de l’implication – j’entends de l’implication logique – dans leurs formes les plus classiques, ces schémas eux-mêmes nécessitent le fond de ce véri- |[14] dique en tant qu’il appartient à la parole, fût-elle à proprement parler insensée.
Wir werden bald noch sehen, dass die Schemata der Implikation, ich meine der logischen Implikation, in ihren klassischsten Formen, dass diese Schemata selbst den Boden dieses Veridischen notwendig machen, insofern es zum Sprechen gehört, selbst wenn es, streng gesagt, sinnlos ist.35
Le passage de ce moment où la vérité se tranche de son seul déchaînement, à celui d’une logique qui va tenter de donner corps à cette vérité, c’est très précisément le moment où le discours en tant que représentant de la représentation est renvoyé, disqualifié.
Der Übergang von dem Moment, in dem über die Wahrheit allein durch ihre Entfesselung entschieden wird, zu demjenigen einer Logik, die versuchen wird, dieser Wahrheit Körper zu verleihen, ist genau der Moment, in welchem der Diskurs als Vorstellungsrepräsentanz zurückgewiesen wird, disqualifiziert wird.36
Et s’il peut l’être c’est parce qu’en quelque partie il l’est toujours déjà, que c’est ça que l’on appelle le refoulement.
Und wenn das mit ihm geschehen kann, dann deshalb, weil er es teilweise immer schon ist, und eben das nennt man Verdrängung.
Ce n’est plus une représentation qu’il représente.
Es ist nicht mehr eine Vorstellung, die er repräsentiert.
C’est cette suite de discours qui se caractérise comme effet de vérité.
Was als Wahrheitseffekt charakterisiert wird, ist diese Fortsetzung des Diskurses.
Cet effet de vérité n’est pas du semblant.
Dieser Wahrheitseffekt ist nicht vom Schein.
Et l’œdipe est là pour nous apprendre – si vous me permettez – pour nous apprendre que c’est du sang rouge. [Gelächter]
Und der Ödipuskomplex ist da, um uns zu klarzumachen – wenn Sie gestatten –, um uns klarzumachen, dass hier Blut geflossen ist. [Gelächter]
Seulement voilà, le sang rouge ne réfute pas le semblant, il le colore, il le rend re-semblant, il le propage.
Allerdings, das Blut widerlegt nicht den Schein, es färbt ihn, es verleiht ihm neuen Schein, es verbreitet ihn.37
Un peu de sciure et le cirque recommence.
Ein bisschen Sägemehl und der Zirkus beginnt von vorn.
C’est bien pour cela que c’est au niveau de l’artefact, de la structure du discours, que peut s’élever la question d’un discours qui ne serait pas du semblant.
Und eben deshalb kann sich die Frage nach einem Diskurs, der nicht vom Schein wäre, auf der Ebene des Artefakts stellen, auf der Ebene der Diskursstruktur.
En attendant, il n’y a pas de semblant de discours, il n’y a pas de métalangage pour en juger, il n’y a pas d’Autre de l’Autre, il n’y a pas de vrai sur le vrai.
Während man darauf wartet, gibt es keinen Schein des Diskurses, gibt es, um das zu beurteilen, keine Metasprache38, gibt es keinen Anderen des Anderen, gibt es nicht Wahres über das Wahre.39
Je me suis amusé un jour à faire parler la vérité.
Ich habe mich mal damit amüsiert, die Wahrheit sprechen zu lassen.40
Je demande où il y a un paradoxe : qu’est-ce qu’il peut y avoir de plus vrai que l’énonciation « je mens » ?
Ich frage, wo hier die Paradoxie ist, was könnte wahrer sein als die Äußerung „ich lüge“?41
Le chipotage classique qui s’énonce du terme de paradoxe, ne prend corps que si ce « je mens », vous le mettez sur un papier à titre d’écrit.
Die klassische Mäkelei, die zum Terminus Paradoxie vorgebracht wird, erhält nur dann einen Körper, wenn Sie dieses „ich lüge“ als etwas Geschriebenes zu Papier bringen.
Tout le monde sent qu’il n’y a rien de plus vrai qu’on puisse dire à l’occasion, que de dire « je mens ».
Jeder spürt, dass man bei bestimmten Gelegenheiten nichts Wahreres sagen kann als dass man sagt, „ich lüge“.
C’est même très certainement la seule vérité qui à l’occasion ne soit pas brisée.
Das ist sogar ganz gewiss die einzige Wahrheit, die dann nicht zerbricht.
Qui ne sait qu’à dire que « je ne mens pas » on n’est absolument pas à l’abri de dire quelque chose de faux.
Wer wüsste nicht, dass man, wenn man sagt, „ich lüge nicht“, absolut nicht davor geschützt ist, etwas Falsches zu sagen.
Qu’est-ce à dire ?
Was soll das heißen?
La vérité dont il s’agit quand elle parle – celle dont j’ai dit qu’elle parle « je », qui s’énonce comme oracle – qui parle ?
Die Wahrheit, um die es geht, wenn sie spricht – diejenige, von der ich gesagt habe, dass sie „ich“ sagt, die sich als Orakel äußert –, wer spricht da?
Ce semblant, c’est le signifiant en lui-même.
Dieser Schein ist der Signifikant an sich selbst.42
Qui ne voit que ce qui le caractérise ce signifiant, dont au regard des linguistes je fais cet usage qui les gêne ?
Wer sieht denn nicht, dass das, was ihn charakterisiert, diesen Signifikanten, von dem ich in den Augen von Sprachwissenschaftlern einen Gebrauch mache, der sie peinlich berührt --.
Il s’en est trouvé pour écrire ces lignes, destinées à bien avertir que sans doute,Ferdinand de Saussure n’en avait pas la moindre idée.
Es hat sich einer gefunden, diese Zeilen zu schreiben, die dazu ausersehen sind, die Warnung zu verkünden, dass, ganz ohne Zweifel, Ferdinand de Saussure davon nicht die geringste Vorstellung hatte.
Qu’est-ce qu’on en sait ?
Was weiß man darüber?
Ferdinand de Saussure faisait comme moi, il ne disait pas tout, la preuve c’est qu’on a trouvé dans ses papiers des choses qu’il n’a jamais voulu faire sortir.
Ferdinand de Saussure machte es wie ich, er sagte nicht alles, der Beweis dafür ist, dass man unter seinen Papieren Sachen gefunden hat, die er niemals herausbringen wollte.43
Le signifiant, on croit que c’est une bonne petite chose, comme ça, qui est apprivoisée par le structuralisme.
Der Signifikant, man glaubt, dass das ein nettes kleines Ding ist, einfach so, das vom Strukturalismus gezähmt worden ist.
On croit que c’est l’Autre en tant qu’Autre et la batterie du signifiant, et tout ce que j’explique bien sûr.
Man glaubt, das ist der Andere als Anderes44 und die Signifikantenbatterie45 und natürlich all das, was ich erkläre.
Bien entendu ça vient du ciel parce que je suis un idéaliste, pour l’occasion…
Das kommt natürlich vom Himmel, da ich, bei dieser Gelegenheit, Idealist bin.46
[15] « Artefact » ai-je dit d’abord, bien sûr, l’artefact, c’est absolument certain que ce soit notre sort de tous les jours.
Artefakt habe ich zuerst gesagt, gewiss, das Artefakt, es ist absolut sicher, dass es unser alltägliches Schicksal ist.
Nous le trouvons à tous les coins de rue, à la portée du moindre geste de nos mains.
Wir finden es an jeder Straßenecke, in Reichweite der geringsten Geste unserer Hände.
S’il y a quelque chose qui soit un discours soutenable, en tout cas soutenu, celui de la science nommément, ce n’est peut-être pas vain de se souvenir qu’il est parti très spécialement de la considération de semblants.
Wenn es etwas gibt, das ein haltbarer Diskurs ist oder jedenfalls ein Diskurs, der sich gehalten hat, nämlich derjenige der Wissenschaft, so ist es vielleicht nicht unnütz, sich daran zu erinnern, dass er ganz speziell von der Erörterung von Formen des Scheins ausgegangen ist.47
Le départ de la pensée scientifique – je parle de l’histoire – qu’est-ce que c’est ?
Der Ausgangspunkt des wissenschaftlichen Denkens, ich spreche über die Geschichte, was ist das?
L’observation des astres.
Die Beobachtung der Sterne.
Qu’est-ce que c’est si ce n’est la constellation, c’est-à-dire le semblant typique ?
Was ist das anderes als die Konstellation, d..h. der typische Schein?48
Les pas premiers de la physique moderne, autour de quoi est-ce que ça tourne au départ ?
Die ersten Schritte der modernen Physik, worum drehen sie sich zu Beginn?
Non pas comme on le croit des éléments, car les éléments, les quatre – enfin même si vous y ajoutez – la quintessence – c’est déjà du discours, du discours philosophique, et comment !
Nicht, wie man glaubt, um Elemente, denn die Elemente, die vier49 – und selbst dann, wenn Sie die Quintessenz50 hinzufügen –, das gehört bereits zum philosophischen Diskurs, und wie!
C’est des météores !
Das dreht sich um die Meteore.51
Descartes fait un traité des météores.
Descartes schreibt eine Abhandlung über Meteore.52
Le pas décisif – un des pas décisifs – tourne autour de la théorie de l’arc-en-ciel.
Der entscheidende Schritt, einer der entscheidenden Schritte dreht sich um die Theorie des Regenbogens.
Et quand je parle d’un météore, c’est quelque chose qui se définit d’être qualifié comme tel d’un semblant.
Und wenn ich von einem Meteor spreche, dann ist das etwas, das dadurch definiert ist, dass es als solches durch einen Schein charakterisiert ist.
Personne n’a jamais cru que l’arc-en-ciel – même parmi les gens les plus primitifs – que l’arc-en-ciel était une chose qui était là, courbée, dressée.
Niemand hat je geglaubt, dass der Regenbogen – nicht einmal bei den primitivsten Leuten –, dass der Regenbogen ein Ding wäre, das da ist, gebogen und aufgerichtet.
C’est en tant que météore qu’il est interrogé.
Er wird als Meteor befragt.53
Le météore le plus caractéristique, le plus originel, celui dont il est hors de doute qu’il est lié à la structure même de tout ce qui est discours, c’est le tonnerre.
Der charakteristischste Meteor, der ursprünglichste, derjenige, bei dem nicht zu bezweifeln ist, dass er mit der Struktur von allem, was Diskurs ist, verbunden ist, das ist der Donner.
Si j’ai terminé mon Discours de Rome sur l’évocation du tonnerre, ce n’est pas absolument comme ça par fantaisie.
Wenn ich meine Rom-Rede mit der Anrufung des Donners beendet habe, dann absolut nicht einfach so, aus meiner Phantasie heraus.54
Il n’y a pas de Nom-du-Père tenable sans le tonnerre, dont tout le monde sait très bien qu’on ne sait même pas le signe de quoi c’est, le tonnerre.
Es gibt keinen haltbaren Namen-des-Vaters ohne den Donner, wobei alle sehr gut wissen, dass man nicht einmal weiß, von was der Donner ein Zeichen ist.55
.
C’est la figure même du semblant.
Eben das ist die Gestalt des Scheins.
C’est en cela qu’il n’y a pas de semblant du discours.
Und insofern gibt es keinen Schein des Diskurses.56
Tout ce qui est discours ne peut que se donner en semblant, et rien ne s’y édifie qui ne soit à base de ce quelque chose qui s’appelle signifiant, qui dans la lumière où je vous le produis aujourd’hui, est identique à ce statut comme tel du semblant.
Alles, was Diskurs ist, kann sich nur von dem her als Schein geben und nichts wird darauf aufgebaut, was nicht auf der Grundlage dessen ist, was Signifikant genannt wird, der in dem Licht, in dem ich ihn heute für Sie vorbringe, mit diesem Status des Scheins als solchem identisch ist.57
D’un discours qui ne serait pas du semblant – pour que ça fasse énoncé, il faut donc que d’aucune façon ce « du semblant » ne soit complétable de la |[16] référence de discours.
Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre – damit daraus eine Aussage wird, darf dieses vom Schein keinesfalls durch Bezug auf Diskurs vervollständigt werden.58
C’est d’autre chose qu’il s’agit, du référent sans doute.
Es geht um etwas anderes und zweifellos um den Referenten.
Contenez-vous un tout petit peu. [Gelächter]
Halten Sie sich ein ganz klein wenig zurück! [Gelächter]
Ce référent n’est pas probablement tout de suite l’objet, puisque justement ce que ça veut dire c’est que ce référent c’est justement lui qui se promène.
Dieser Referent ist wahrscheinlich nicht sogleich der Gegenstand, denn das bedeutet genau dies, dass es genau dieser Referent ist, der herumwandert.59
Le semblant dans lequel le signifiant60 est identique à lui-même, c’est un niveau du terme « semblant » , c’est le semblant dans la nature.
Der Schein, in dem der Signifikant mit sich selbst identisch ist – das ist eine Ebene des Ausdrucks Schein – ist der Schein in der Natur.61
Ce n’est pas pour rien que je vous ai rappelé qu’aucun discours qui évoque la nature n’a jamais fait que de partir de ce qui dans la nature est semblant, car la nature en est pleine.
Nicht ohne Grund habe ich Sie daran erinnert, dass kein Diskurs, der die Natur beschwört, jemals etwas anderes getan hat als von dem auszugehen, was in der Natur Schein ist, denn die Natur ist voll davon.
Je ne parle pas de la nature animale dont il est bien évident qu’elle en surabonde.
Ich spreche nicht von der tierischen Natur, bei der ganz offensichtlich ist, dass sie davon im Überfluss hat.
C’est même ce qui fait qu’il y a de doux rêveurs qui pensent que toute entière la nature animale, des poissons aux oiseaux, chante la louange divine.
Das ist ja das, was dazu führt, dass es sanfte Träumer gibt, die denken, dass die gesamte tierische Natur, von den Fischen bis zu den Vögeln, das Lob Gottes singt.62
Ça va de soi, chaque fois qu’ils ouvrent comme ça quelque chose – une tête, une bouche, un opercule – c’est un semblant manifeste, et rien nécessite ces béances.
Das versteht sich von selbst – jedes Mal, wenn sie, einfach so, etwas öffnen, einen Kopf, einen Mund, einen Kiemendeckel, ist das ein manifester Schein, und nichts macht dieses Aufklaffen notwendig.
Quand nous entrons dans quelque chose dont l’efficace n’est pas tranché pour la simple raison que nous ne savons pas comment ça s’est fait qu’il y ait eu, si je puis dire, accumulation de signifiants, car les signifiants – hein, je vous le dis – sont répartis dans le monde, dans la nature, il y en a à la pelle.
Wenn wir in etwas eintreten, dessen Wirkungsweise nicht geklärt ist, aus dem einfachen Grunde, dass wir nicht wissen, wie es gekommen ist, dass hier, wenn ich so sagen darf, eine Signifikantenakkumulation stattgefunden hat63, denn die Signifikanten, Achtung, ich sag’s Ihnen, sind in der Welt verbreitet, in der Natur gibt es sie haufenweise.
Pour que naisse le langage – c’est déjà quelque chose d’amorcer ça ! – pour que naisse le langage il a fallu que quelque part s’établisse ce quelque chose que je vous ai déjà indiqué à propos du pari : c’était le pari de Pascal, nous ne nous en souvenons, supposer ceci, l’ennuyeux c’est que ça suppose déjà le fonctionnement du langage.
Damit die Sprache entsteht – das ist schon was, das in Gang zu setzen! –, damit die Sprache entsteht, musste irgendwo das eingerichtet werden, worauf ich Sie bereits anlässlich der Wette hingewiesen habe – da ging’s um Pascals Wette, wir erinnern uns nicht mehr daran64 –, wenn man das annimmt, ist das Ärgerliche, dass dies das Funktionieren der Sprache bereits voraussetzt.
Parce qu’il s’agit de l’inconscient, l’inconscient et son jeu, ça veut dire que parmi les nombreux signifiants qui courent le monde, il va y avoir en plus le corps morcelé.
Da es um das Unbewusste geht, das Unbewusste und sein Spiel, bedeutet das, dass es unter den zahlreichen Signifikanten, die in der Welt in Umlauf sind, darüber hinaus den zerstückelten Körper geben wird.65
Il y a quand même des choses qui… dont on peut partir en pensant qu’elles existent déjà, elles existent déjà dans un certain fonctionnement où nous ne serions pas forcés de considérer l’accumulation du signifiant.
Gleichwohl gibt es Dinge, die --, von denen man ausgehen kann, indem man denkt, dass sie bereits existieren, sie existieren bereits in einem bestimmten Funktionieren, bei dem wir nicht gezwungen wären, die Akkumulation des Signifikanten zu berücksichtigen.
C’est les histoires de territoire.
Das sind die Geschichten über das Territorium.
Si le signifiant « votre bras droit » va dans le territoire du voisin faire une cueillette – c’est des choses qui arrivent tout le temps – naturellement votre voisin saisit votre signifiant « bras droit » et vous le re-balance par-dessus la chose mitoyenne, c’est ce que vous appelez curieusement « projection », c’est une façon de s’entendre. [Gelächter]
Wenn der Signifikant Ihr rechter Arm66 im Territorium Ihres Nachbarn etwas erntet – solche Dinge geschehen fortwährend –, dann ergreift Ihr Nachbar natürlich Ihren Signifikanten rechter Arm und wirft ihn Ihnen über den Zaun wieder zurück, das ist das, was Sie sonderbarerweise Projektion nennen67, das ist eine Art und Weise, sich zu verstehen. [Gelächter]
C’est d’un phénomène comme ça qu’il faudrait partir.
Von einem solchen Phänomen sollte man ausgehen.68
Si votre bras droit chez votre voisin n’était pas entièrement occupé à la cueillette, des pommes par exemple, s’il était resté tranquille, il est assez probable que votre |[17] voisin l’aurait adoré.
Wenn Ihr rechter Arm im Garten Ihres Nachbarn nicht völlig mit dem Ernten beispielsweise von Äpfeln beschäftigt gewesen wäre, wenn er ruhig geblieben wäre, dann ist ziemlich wahrscheinlich, dass Ihr Nachbar ihn angebetet hätte.
C’est l’origine du signifiant-maître: un bras droit, le sceptre.
Das ist der Ursprung des Herrensignifikanten: ein rechter Arm, das Szepter.
Le signifiant-maître, ça ne demande qu’à commencer comme ça, tout au début.
Der Herrensignifikant, dafür ist nur erforderlich, dass man auf diese Weise beginnt, ganz am Anfang.
Il en faut malheureusement un peu plus, c’est un schéma pas très satisfaisant.
Unglücklicherweise braucht es etwas mehr; das ist kein sehr befriedigendes Schema.
En plus ça vous donne le sceptre.
Darüber hinaus liefert es Ihnen das Szepter.
Tout de suite vous voyez la chose se matérialiser comme signifiant.
Sofort sehen Sie, wie sich die Sache als Signifikant materialisiert.
Le procès de l’histoire se montre, d’après tous les témoignages de ce qu’on a, un tout petit peu plus compliqué.
Der Prozess der Geschichte stellt sich – nach allen Zeugnissen, soweit wir sie haben – als ein ganz klein wenig komplizierter dar.
Il est certain que la petite parabole – celle par laquelle j’avais commencé d’abord, n’est-ce pas – le bras qui vous est re-renvoyé d’un territoire à l’autre – c’est pas forcé que ce soit votre bras qui vous revienne [Gelächter], parce que les signifiants c’est pas individuel, on ne sait pas lequel est à qui.
Es ist gewiss, dass die kleine Parabel, diejenige, mit der ich zunächst angefangen hatte, nicht wahr, der Arm, der Ihnen vom einen Territorium zum anderen wieder zurückgeschickt wird, es ist nicht zwangsläufig so, dass es Ihr Arm ist, der zu Ihnen zurückkommt [Gelächter], denn die Signifikanten sind nicht individuell, man weiß nicht, welcher wem gehört.
Alors voyez-vous, là nous entrons dans une espèce de… d’autre jeu originel quant au… à la fonction du hasard, que celui d‘œdipe.
Also sehen Sie, hier treten wir in eine Art von anderem Ursprungsspiel ein, bezogen auf die Funktion des Zufalls, anders als das des Ödipuskomplexes.
Vous faites un monde, pour l’occasion disons un schéma : un support divisé comme ça en un certain nombre de cellules territoriales.
Sie schaffen eine Welt – in diesem Fall sagen wir: ein Schema –, eine Stütze, die auf diese Weise in eine Reihe von Territorialzellen aufgeteilt ist.69
Cela se passe à un certain niveau, celui où il s’agit de produire, où il s’agit de comprendre un peu ce qui s’est passé.
Das geschieht auf einem bestimmten Niveau, demjenigen, auf dem es darum geht, vorzubringen, auf dem es darum geht, das, was geschehen ist, ein wenig zu begreifen.
Après tout, non seulement on peut recevoir un bras qui n’est pas le sien – par ce processus d’expulsion que vous avez appelé on ne sait pourquoi « projection », si ce n’est que ça vous est projeté, bien sûr – non seulement un bras qui n’est pas le vôtre, mais plusieurs autres bras.
Letztlich kann man nicht nur einen Arm erhalten, der nicht der eigene ist – durch diesen Prozess der Ausstoßung, den Sie, man weiß nicht warum, Projektion genannt haben, außer natürlich, weil Ihnen das zugeworfen/projiziert wird –, nicht nur einen Arm, der nicht der Ihre ist, sondern mehrere andere Arme.
Alors à partir de ce moment-là, cela n’a plus d’importance que ce soit le vôtre ou que ce ne soit pas le vôtre.
Na ja, von diesem Moment an ist nicht mehr wichtig, ob es Ihrer ist oder nicht Ihrer ist.
Mais enfin comme après tout, de l’intérieur d’un territoire, on ne connaît que ses propres frontières, et qu’on n’est pas forcé de savoir que sur cette frontière il y a six autres territoires, on balance ça un petit peu comme on peut, et alors il se peut que [dans ces]70 territoires il y en ait une pluie.
Aber nun ja, da man vom Inneren eines Territoriums aus letztlich nur dessen eigene Grenzen kennt und man nicht genötigt ist, zu wissen, dass hinter dieser Grenze sechs weitere Territorien liegen, schleudert man das ein klein bisschen so, wie man’s grad kann, und dann kann es passieren, dass es davon [in diesen] Territorien einen Regen gibt.71
L’idée du rapport qu’il peut y avoir entre le rejet de quelque chose et la naissance de ce que je vous appelais tout à l’heure le signifiant-maître est certainement une idée à retenir.
Die Idee, dass es eine Beziehung geben kann zwischen der Zurückweisung von etwas und der Entstehung dessen, was ich Ihnen eben als Herrensignifikanten bezeichnet habe, ist sicherlich eine Idee, die man festhalten sollte.72
Mais pour qu’elle prenne tout son prix, il faut certainement qu’il y ait eu, comme ça, par un processus de hasard, en certains points accumulation de signifiants.
Damit sie aber ihren vollen Wert annimmt, ist es sicherlich nötig, dass so, durch einen Zufallsprozess, an bestimmten Punkten eine Signifikantenakkumulation stattgefunden hat.
À partir de là, peut se concevoir quelque chose qui soit la naissance d’un langage.
Von da aus kann etwas begriffen werden, was die Entstehung einer Sprache wäre.
Ce que nous voyons à proprement parler s’édifier comme premier mode de supporter dans l’écriture ce qui sert de langage, en donne en tout cas une certaine idée.
Das, was wir als ersten Modus sehen, was im strengen Sinne aufgebaut wird, um das, was als Sprache dient, durch die Schrift zu unterstützen, gibt davon jedenfalls eine gewisse Vorstellung.
Chacun sait que la lettre « A » est une tête de taureau renversée et qu’un certain nombre d’éléments comme celui-là, mobiliers, laissent encore leur trace.
Protosinaitische und protophönizische Zeichen73
Jeder weiß, dass der Buchstabe A ein umgedrehter Stierkopf ist und dass eine bestimmte Anzahl von ähnlichen beweglichen Elementen noch ihre Spuren hinterlassen haben.74
Ce qui est important, c’est de ne pas aller trop vite et de voir où continuent de rester les trous.
Es ist wichtig, nicht zu schnell voranzuschreiten, zu sehen, wo weiterhin Löcher bleiben.
Par exemple, il est bien évident que le départ |[18] de cette esquisse était déjà lié à quelque chose de marquant le corps d’une possibilité d’ectopie et de « balade », qui évidemment reste problématique.
Beispielsweise ist ganz offensichtlich, dass der Ausgangspunkt dieser Skizze bereits mit etwas verbunden war, was den Körper mit einer Möglichkeit der Ektopie75 und des „Ausflugs“ markierte, die offenkundig problematisch bleibt.76
Mais après tout, là encore, tout est toujours là.
Aber alles in allem ist auch hier noch immer alles da.
Nous avons – enfin, c’est un point très sensible que nous pouvons encore contrôler tous les jours – il y a pas très longtemps, encore cette semaine, quelque chose : une très jolie photo d’un journal dont certainement tout le monde s’est délecté.
Wir hatten – das ist schließlich ein sehr empfindlicher Punkt, den wir noch täglich überprüfen können – vor gar nicht langer Zeit, noch in dieser Woche, etwas, ein sehr schönes Foto einer Zeitung, an dem sich sicherlich alle ergötzt haben.
Les possibilités de l’exercice du découpage de l’être humain, sur l’être humain sont tout à fait impressionnantes, c’est de là que tout est parti.
Die Möglichkeiten, das Zerschneiden eines menschlichen Wesens auf einem menschlichen Wesen zu vollziehen, sind absolut beeindruckend, von da ist alles ausgegangen.
Il reste un autre trou.
Es bleibt ein weiteres Loch.
Vous le savez on s’est cassé la tête, on a bien fait la remarque que Hegel c’est très joli mais qu’il y a quand même quelque chose qu’il n’explique pas, il explique la dialectique du maître et de l’esclave, mais il n’explique pas qu’il y ait une société de maîtres.
Wie Sie wissen, hat man sich den Kopf darüber zerbrochen, man hat ja die Bemerkung gemacht, dass das bei Hegel alles sehr schön ist, dass es aber dennoch etwas gibt, was er nicht erklärt. Er erklärt die Dialektik von Herr und Knecht, aber er erklärt nicht, warum es eine Gesellschaft von Herren gibt.
Il est tout à fait clair que ce que je viens de vous expliquer est certainement intéressant en ceci : que par le seul jeu de la projection, de la rétorsion, il est clair qu’au bout d’un certain nombre de coups, il y aura certainement, je dirais, une moyenne de signifiants plus importante dans certains territoires que dans d’autres.
Es ist völlig klar, dass das, was ich Ihnen eben erklärt habe, sicherlich insofern interessant ist, als allein schon durch das Spiel der Projektion und der Retorsion77 klar ist, dass es am Ende einer bestimmten Anzahl von Zügen sicherlich, möchte ich sagen, in einigen Territorien einen Durchschnitt an Signifikanten geben wird, der höher ist als in anderen.78
Mais enfin il reste encore à voir comment ces signifiants vont pouvoir dans un territoire en quelque sorte faire société de signifiants.
Es bleibt jedoch noch zu sehen, wie diese Signifikanten in einem Territorium gewissermaßen eine Signifikantengesellschaft werden bilden können.79
Il convient de ne jamais laisser dans l’ombre ce qu’on n’explique pas, sous prétexte que l’on a réussi à donner un petit commencement d’explication.
Man sollte, unter dem Vorwand, dass es einem ja gelungen ist, einen kleinen Erklärungsansatz zu liefern, niemals das, was man nicht erklärt, im Schatten lassen.
Quoi qu’il en soit, l’énoncé de notre titre de cette année, D’un discours qui ne serait pas du semblant, concerne quelque chose qui a affaire avec une économie.
Wie auch immer, die Aussage unseres diesjährigen Titels, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, betrifft etwas, das mit einer Ökonomie zu tun hat.
Ici le du semblant, nous tairons à lui-même, il n’est pas semblant d’autre chose, il est à prendre au sens du génitif objectif, il s’agit du semblant comme objet propre dont se règle l’économie du discours.
Hier das vom Schein – wir sagen nicht für ihn selbst, es ist nicht Schein von etwas anderem, es ist im Sinne des Genitivus objectivus zu nehmen, es geht um den Schein als ein eigenen Gegenstand, von dem her die Ökonomie des Diskurses geregelt wird.80
Est-ce que nous allons dire que c’est aussi un génitif subjectif ?
Werden wir sagen, dass es auch ein Genitivus subjectivus ist?81
Est-ce que le du semblant concerne aussi ce qui tient le discours ?
Bezieht sich das vom Schein auch auf das, was den Diskurs hält?
Seul le mot subjectif est ici à repousser, pour la simple raison que le sujet n’apparaît qu’une fois instaurée quelque part cette liaison des signifiants, qu’un sujet ne saurait être produit que de l’articulation signifiante, qu’un sujet comme tel ne maîtrise jamais en aucun cas cette articulation mais en est à proprement parler déterminé.
Nur das Wort subjektiv ist hier zurückzuweisen, aus dem einfachen Grunde, weil das Subjekt nur erscheint, wenn irgendwo diese Signifikantenverbindung eingerichtet ist, weil ein Subjekt nur das Produkt der Signifikantenverknüpfung sein kann82, weil ein Subjekt als solches niemals, in keinem Fall, diese Artikulation beherrscht, sondern davon im eigentlichen Sinne determiniert ist.83
Un discours, de sa nature, fait semblant, comme on peut dire « qu’il fait florès » ou « qu’il fait léger » ou « qu’il fait chic ».
Ein Diskurs macht, seiner Natur nach, Schein, so wie man sagen kann, qu’il fait florès – dass er seine Freude zeigt84 –, oder qu’il fait léger – dass er locker wirkt, leicht aussieht –, oder qu’il fait chic – dass er was hermacht, schick wirkt.
Si ce qui s’énonce de parole est justement vrai d’être toujours très authentiquement ce qu’elle est, au niveau où nous sommes de l’objectif et de l’articulation, c’est donc très préciséent comme objet de ce qui se produit dans le discours que le semblant se pose.
Wenn das, was an Sprechen geäußert wird, genau deshalb wahr ist, weil es immer ganz authentisch das ist, was es auf der Ebene ist, auf der wir sind, auf der des Objektiven und der Artikulation, dann tritt der Schein also genau als Objekt dessen auf, was im Diskurs produziert wird.
D’où le caractère à proprement parler |[19] insensé de ce qui s’articule.
Von daher der, streng gesagt, unsinnige Charakter dessen, was artikuliert wird.
Mais il faut dire que c’est bien là que se révèle ce qu’il en est de la richesse du langage, à savoir qu’il détient une logique qui dépasse de beaucoup tout ce que nous arrivons à en cristalliser, à en détacher.
Man muss jedoch sagen, dass eben da enthüllt wird, was es mit dem Reichtum der Sprache auf sich hat, dass sie nämlich eine Logik enthält, die weit über alles hinausgeht, was uns gelingt, aus ihr herauszukristallisieren, herauszulösen.85
J’ai employé la forme hypothétique, D’un discours qui ne serait pas du semblant.
Ich habe die hypothetische Form verwendet, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre.
Chacun sait les développements qu’a pris après Aristote la logique, de mettre l’accent sur la fonction hypothétique.
Jeder kennt die Entwicklungen, die die Logik nach Aristoteles genommen hat, dass sie die Betonung auf die hypothetische Funktion gelegt hat.86
Tout ce qui s’est articulé… de donner la valeur « vrai » ou « faux » à l’articulation de l’hypothèse, et à combiner ce qui en résulte de l’implication d’un terme, à l’intérieur de cette hypothèse, comme étant signalé comme vrai, c’est l’inauguration de ce qu’on appelle le modus ponens et bien d’autres modes encore.
Alles, was artikuliert wird, indem der Artikulation der Hypothese87 der Wert wahr oder falsch zugeordnet wird, und indem die Schlussfolgerung gezogen wird, die sich daraus ergibt, dass ein bestimmter Term im Inneren dieser Hypothese als wahr angezeigt wird, das ist die Einsetzung dessen, was man den Modus ponens nennt sowie vieler anderer Modi.88
Chacun sait ce qu’on en a fait.
Jeder weiß, was daraus gemacht worden ist.89
Il est frappant qu’au moins à ma connaissance, jamais personne nulle part n’ait individualisé la ressource que comporte l’usage de cet hypothétique sous la forme négative.
Es ist verblüffend, dass, zumindest meiner Kenntnis nach, niemals irgendjemand irgendwo die Ressource zu einem eigenen Gegenstand gemacht hat, die die Verwendung dieser Hypothese in negativer Form mit sich führt.90
Chose frappante, si l’on se réfère par exemple à ce qui en est recueilli dans mes Écrits, quand quelqu’un à l’époque, à l’époque héroïque où je commençais de défricher le terrain de l’analyse, quand quelqu’un venait contribuer au déchiffrage de la Verneinung.
Eine verblüffende Sache, wenn man sich beispielsweise auf das bezieht, was dazu in meine Schriften aufgenommen wurde, als es jemandem – in der heroischen Zeit, als ich damit begannt, das Terrain der Analyse urbar zu machen –, als es jemandem gelang, zur Entzifferung der Verneinung*91 einen Beitrag zu leisten.92
Encore qu’à commenter Freud lettre à lettre, il s’aperçut fort bien – Freud le dit en toutes lettres – que la Bejahung ne comporte qu’un jugement d’attribution, en quoi Freud vraiment marque une finesse et une compétence tout à fait exceptionnelles à l’époque où il écrit ceci, car seuls quelques logiciens de diffusion modeste pouvaient, à la même époque, l’avoir souligné …jugement d’attribution qui ne préjuge en rien de l’existence.
Und doch hat er, indem er Freud Buchstabe für Buchstabe kommentierte, sehr gut wahrgenommen, Freud sagt das sehr deutlich, dass die Bejahung* nur ein Attributionsurteil enthält – worin Freud wirklich eine Finesse und eine Kompetenz an den Tag legt, die zu der Zeit, als er das schrieb, völlig außergewöhnlich war, denn nur einige Logiker von bescheidener Verbreitung konnten das zu dieser Zeit herausgearbeitet haben –, ein Attributionsurteil, das kein Urteil über die Existenz vorwegnimmt.93
La seule position d’une Verneinung implique l’existence de quelque chose qui est très précisément ce qui est nié.
Einzig das Setzen einer Verneinung* impliziert die Existenz von etwas, nämlich dessen, was negiert wird.94
Un discours qui ne serait pas du semblant pose que le discours – comme je viens de l’énoncer – est du semblant.
Ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre, behauptet, dass der Diskurs, wie ich eben geäußert habe, vom Schein ist.95
Ce qui a un grand avantage de le poser ainsi, c’est qu’on ne dit pas du semblant de quoi.
Wenn man es so formuliert, hat das den großen Vorteil, dass man nicht sagt, vom Schein von was.
Or c’est là bien sûr c’est là ce autour de quoi se proposent d’avancer nos énoncés, c’est de savoir de quoi il s’agit, là où ce ne serait pas du semblant.
Nun, natürlich liegt da der Punkt, um den herum wir vorhaben, unsere Aussagen vorzubringen, nämlich dazu, worum es dort geht, wo es nicht vom Schein wäre.
Bien sûr le terrain est préparé d’un pas singulier et timide qui est celui que Freud a fait dans l’Au-delà du principe du plaisir.
Natürlich ist das Gelände vorbereitet, durch einen einzigartigen und zaghaften Schritt, denjenigen, den Freud in Jenseits des Lustprinzips getan hat.
Je ne veux ici – parce que je ne peux pas en faire plus – qu’indiquer le nœud que forment dans ces énoncés la répétition et la jouissance.
Ich will hier nur – da ich mehr jetzt nicht tun kann – auf den Knoten hinweisen, den in diesen Aussagen die Wiederholung und die Jouissance bilden.96
C’est en fonction de ceci que la répétition va contre le principe du plaisir qui, je dirai, ne s’en relève pas.
Davon ist abhängig, dass die Wiederholung dem Lustprinzip zuwiderläuft, das sich davon, möchte ich sagen, nicht wieder erholt.97
L’hédonisme ne peut, à la lumière de l’expérience analytique, que rentrer dans ce qu’il est, à savoir un mythe philosophique, j’entends : un mythe d’une classe parfaitement définie.
Im Lichte der analytischen Erfahrung kann der Hedonismus nur wieder zu dem zurückkehren, was er ist, nämlich ein philosophischer Mythos, ich meine ein Mythos einer streng definierten Klasse.
C’est une thèse, et je l’ai |[20] énoncée l’année dernière, de l’aide qu’ils [les philosophes] ont apportée à un certain procès du maître, en permettant au discours du maître comme tel, d’édifier un savoir; ce savoir est savoir de maître.
Das ist eine These, und ich habe sie letztes Jahr geäußert, über die Hilfe, die sie, die Philosophen, bei einem bestimmten Prozess des Herrn geleistet haben, indem sie es dem Diskurs des Herrn als solchem ermöglicht haben, ein Wissen aufzubauen; dieses Wissen ist Wissen des Herrn.98
Ce savoir a supposé, puisque le discours philosophique en porte encore la trace, l’existence en face du maître d’un autre savoir dont –.
Dieses Wissen hat angesichts des Herrn – denn der philosophische Diskurs trägt noch die Spur davon – die Existenz eines anderen Wissens unterstellt, wovon --.
Dieu merci, le discours philosophique n’a pas disparu sans avoir épinglé avant qu’il devait y avoir un rapport entre ce savoir et la jouissance.
Gott sei Dank ist der philosophische Diskurs nicht verschwunden, ohne zuvor festgehalten zu haben, dass es zwischen diesem Wissen und dem Genuss – der jouissance – eine Beziehung geben muss.99
Celui qui a ainsi clos le discours philosophique – Hegel pour le nommer – bien sûr ne voit que la façon dont, par le travail, l’esclave arrivera à accomplir – quoi ? – rien d’autre que le savoir du maître.
Derjenige, der den philosophischen Diskurs so abgeschlossen hat – Hegel, um seinen Namen zu nennen –, sieht natürlich nur die Art und Weise, in der es dem Knecht durch die Arbeit gelingen wird, was zu vollenden? Nichts anderes als das Wissen des Herrn.
Mais qu’introduit, qu’introduit de nouveau ce que j’appellerai l’hypothèse freudienne ?
Aber was führt das, was ich die Freud’sche Hypothese nennen möchte, was führt sie an Neuem ein?
C’est sous une forme extraordinairement prudente, mais tout de même syllogistique, ceci.
Das ist, in einer außergewöhnlich vorsichtigen, aber gleichwohl syllogistischen Form, das Folgende:
Si nous appelons principe du plaisir ceci : que toujours de par le comportement du vivant, il est revenu à un niveau qui est celui de l’excitation minimale, et ceci règle son économie, s’il s’avère que la répétition s’exerce de façon telle qu’une jouissance dangereuse, qu’une jouissance qui outrepasse cette excitation minimale, soit ramenée, est-il possible – c’est sous cette forme que Freud énonce la question – qu’il soit pensé que la vie prise elle-même dans son cycle – c’est une nouveauté au regard du monde qui ne la comporte pas universellement – que la vie comporte cette possibilité de répétition qui serait le retour à ce monde en tant qu’il est semblant?
Wenn wir Lustprinzip dies nennen, dass das Lebendige durch sein Verhalten beständig auf ein Niveau zurückgekommen ist, welches das der minimalen Erregung ist und dass hierdurch seine Ökonomie reguliert wird, und wenn sich erweist, dass die Wiederholung auf eine Weise operiert, die dazu führt, dass ein gefährlicher Genuss zurückgebracht wird, eine Jouissance, die diese minimale Erregung übersteigt, ist es dann möglich – in dieser Form äußert Freud die Frage –, dass man annimmt, dass das Leben, in seinem Zyklus erfasst – das [Leben] ist etwas Neues bezogen auf die Welt, die das nicht universal enthält –, dass das Leben diese Möglichkeit der Wiederholung enthält, die die Rückkehr zu dieser Welt wäre, insofern sie Schein ist?
Je peux vous faire remarquer par un graphique au tableau que ceci comporte, au lieu d’une suite de courbes d’excitation ascendante et descendante, toutes confinant à une limite, qui est une limite supérieure : la possibilité d’une intensité d’excitation qui peut aussi bien aller à l’infini, ce qui est conçu comme jouissance ne comportant de soi en principe d’autre limite que ce point de tangence inférieur : ce point que nous |[21] appellerons « suprême » en donnant son sens propre à ce mot, qui veut dire le point le plus bas d’une limite supérieure, de même qu’« infime » est le point le plus haut d’une limite inférieure, la cohérence donnée du point mortel dès lors conçu, sans que Freud le souligne, comme une caractéristique de la vie.
Mit einer Graphik an der Tafel kann ich Ihnen zeigen, dass dies umfasst – anstatt einer Folge von aufsteigenden und abfallenden Erregungskurven, die alle an eine Grenze herangehen, die eine obere Grenze ist –, dass dies die Möglichkeit einer Erregungsintensität umfasst, die auch bis ins Unendliche gehen kann, wobei das, was als Jouissance aufgefasst wird, in sich selbst im Prinzip keine andere Grenze enthält als diesen unteren Tangentialpunkt, diesen Punkt, den wir suprem nennen werden, indem wir diesem Wort seinen eigentlichen Sinn geben, der den niedrigsten Punkt einer oberen Grenze bedeutet – so wie infim der höchste Punkt einer unteren Grenze ist –, die Kohärenz, die von dem tödlichen Punkt gegeben wird, der von da an, ohne dass Freud das hervorhebt, als ein Charakteristikum des Lebens aufgefasst wird.100
Mais à la vérité ce à quoi on ne songe pas est en effet ceci : c’est qu’on confond ce qui est de la non-vie et qui est loin – fichtre – de ne pas remuer, ce « silence éternel des espaces infinis » qui sidérait Descartes [Pascal] : ils parlent, ils chantent, ils se remuent de toutes les façons à nos regards maintenant.
Aber in Wahrheit ist das, woran man nicht denkt, tatsächlich dies, nämlich dass man das mit dem verwechselt, was zum Nicht-Leben gehört und was weit davon entfernt ist – Achtung! –, sich nicht zu bewegen, dieses „ewige Schweigen der unendlichen Räume“, das Descartes [Verwechslung, richtig wäre: Pascal] in Erstaunen versetzte – sie sprechen, sie singen, sie bewegen sich auf jede Weise, jetzt, für unsere Blicke.101
Le monde dit inanimé n’est pas la mort.
Die sogenannte unbelebte Welt ist nicht der Tod.
La mort est un point, est désignée comme un point-terme – comme un point-terme de quoi ? – de la jouissance de la vie.
Der Tod ist ein Punkt, wird als ein Endpunkt bezeichnet, als ein Endpunkt von was? der Jouissance des Lebens.
C’est très précisément ce qui est introduit par l’énoncé freudien, celui que nous qualifierons de l’hyper-hédonisme, si je puis m’exprimer de cette façon.
Das ist genau das, was durch die Freud’sche Aussage eingeführt wird, durch diejenige, die wir als Hyper-Hedonismus qualifizieren möchten, wenn ich mich auf diese Weise ausdrücken darf.
Qui ne voit pas que l’économie – même celle de la nature – est toujours un fait de discours, celui-là ne peut saisir que ceci indique qu’il ne saurait s’agir ici de la jouissance qu’en tant qu’elle est elle-même non seulement « fait » mais « effet de discours ».
Wer nicht sieht, dass die Ökonomie – selbst diejenige der Natur – immer ein Diskursfaktum ist, der kann nicht erfassen, dass dies darauf verweist, dass es sich hier um die Jouissance nur insofern handeln kann, als sie nicht nur ein Fakt, sondern ein Effekt ist, ein Diskurseffekt.102
Si quelque chose qui s’appelle l’inconscient peut être mi-dit comme structure langagière, c’est pour qu’enfin nous apparaisse le relief de cet « effet de discours » qui jusque-là nous paraissait comme impossible, à savoir le plus-de-jouir.
Wenn etwas, was das Unbewusste heißt, als Sprachstruktur halbgesagt werden kann, dann deshalb, damit uns schließlich die Konturen dieses Diskurseffekts erscheinen, der uns bis dahin als unmöglich erschien, nämlich die Mehrlust.
Est-ce à dire – pour suivre une de mes formules – qu’en tant que c’était comme impossible qu’il fonctionnait comme réel ?
Heißt das – um an eine meiner Formeln anzuschließen –, dass sie, insofern es wie unmöglich war, als Reales funktionierte?103
J’ouvre la question, car à la vérité rien n’implique que l’irruption du discours de l’inconscient – tout balbutiant qu’il reste – implique quoi que ce soit, dans ce qui le précédait, qui fut soumis à sa structure.
Ich werfe die Frage auf, denn in Wahrheit impliziert nichts, dass der Einbruch des Diskurses des Unbewussten – so stammelnd er bleibt – irgendetwas impliziert, in dem, was ihm vorausging, was seiner Struktur unterworfen war.104
Le discours de l’inconscient est une émergence, c’est l’émergence d’une certaine fonction du signifiant.
Der Diskurs des Unbewussten ist eine Emergenz, er ist die Emergenz einer bestimmten Funktion des Signifikanten.
Qu’il existât jusque-là comme enseigne, c’est bien en quoi je vous l’ai mis au principe du semblant.
Dass er, der Signifikant, bis dahin als enseigne existierte, als Aushängeschild, unter diesem Aspekt habe ich ihn vor Ihnen an den Ursprung des Scheins gesetzt.105
Et les conséquences de son émergence, c’est cela qui doit être introduit pour que quelque chose change – qui ne peut pas changer, car ce n’est pas du possible.
Und die Konsequenzen seiner Emergenz, das ist das, was eingeführt werden muss, damit sich etwas verändert – was sich nicht verändern kann, denn das gehört nicht zum Möglichen.
C’est au contraire de ce qu’un discours se centre de son effet comme impossible qu’il aurait quelque chance d’être un discours qui ne serait pas du semblant.
Wenn hingegen ein Diskurs dadurch zentriert wird, dass seine Wirkung etwas Unmögliches ist, hätte er eine gewisse Chance, ein Diskurs zu sein, der nicht vom Schein wäre.106
Paraphrase mit Erläuterungen und Fragen
Schwarze Schrift: Paraphrase
Grüne Schrift: meine Erläuterungen
Grün unterlegte Schrift: meine Fragen
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [11]: die entsprechenden Seiten von Millers Ausgabe des Seminars
Das Seminar hat den Titel „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ (D’un discours qui ne serait pas du semblant), und in dieser Sitzung erläutert Lacan die Bestandteile des Titels sowie den Titel insgesamt. Die Elemente des Titels, die er erläutert, sind: „Über einen Diskurs“, „Diskurs“, „Schein“, „vom Schein“, „nicht wäre“. Eingeschoben ist eine Parabel über die Entstehung der Sprache des Unbewussten aus dem Schein – aus einer Himmelserscheinung. Am Schluss erläutert Lacan, wo er hier an Freud anknüpft, und er gibt eine erste Definition, was das ist: ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre.
Die Erläuterung des Titels verbindet Lacan damit, dass er, wie häufig in der ersten Sitzung eines Seminars, einen gerafften Überblick über seine Theorie gibt – für einen fiktiven Adresssaten, der zum ersten Mal eine Lacan-Vorlesung hört und der in der Lage wäre, Lacans Andeutungen zu folgen.
Der Text ist also doppelt gegliedert: auf der Ebene des Titel und auf der Ebene der übrigen Grundbegriffe.
Titel | Begriffe |
„Über einen Diskurs“ „Diskurs“ |
Gespaltenes Subjekt ($) Intersignifikanz (S1 → S2) (Gepresste) Mehrlust (a) Artefakt |
„Schein“ | Wahrheit und Lüge „Ich“ (je), Signifikant an sich selbst Zeichen, Anzeichen (enseigne) Nicht Schein: der Referent |
(Parabel von der Entstehung der Sprache) | Herrensignifikant (S1),
Signifikantenakkumulation (S2) |
„vom Schein“ | |
„nicht wäre“ | Negation Existenzbehauptung („Es gibt nicht“) |
„Ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ | Wissen und Jouissance Mehrlust (a) als unmöglich Das Unmögliche als Zentrum des Diskurses |
„Diskurs“
Die vier Diskurse
„Über einen Diskurs“
[9] Lacans erster Satz in diesem Seminar lautet: „Über einen Diskurs – es ist nicht meiner, um den es geht.“ [Der Diskurs, um den es gehen wird, ist nicht der von Lacan als Autor. Das bezieht sich auf die hauptsächliche Verwendung von discours in der Umgangssprache, dort ist discours meist die Rede, die jemand hält.]
„Diskurs“
Für den Begriff „Diskurs“ verweist er auf das vorangegangene Seminar, Die Kehrseite der Psychoanalyse (Seminar 17 von 1969/70). Ein Diskurs besteht demnach aus vier Plätzen, auf denen vier Terme rotieren [die eine feste Anordnung haben]; die Terme sind S1, S2, a und $ [die Plätze werden von Lacan in dieser Sitzung nicht erläutert].
[Durch die Rotation ergeben sich vier Diskurse, Lacan nennt sie „Diskurs des Herrn“, „Diskurs der Universität“, „Diskurs des Analytikers“ und „Diskurs der Hysterikerin“.] Warum gibt es genau vier Rotationsphasen? Lacan wirft die Frage auf und lässt sie offen.
[In Seminar 4 hatte Lacan gesagt, das elementare, grundlegende Spiel des Signifikanten sei die Permutation.107 In Seminar 5 referiert Lacan Roman Jakobsons These, wonach man mindestens vier Signifikanten benötigt, damit die elementaren Bedingungen für eine linguistische Analyse gegeben sind.108 Da die vier Terme eine festgelegte Reihenfolge haben, ergeben sich durch die Rotation zwangsläufig vier Diskurse. Die eigentliche Frage ist also, warum die Reihenfolge der Terme festgelegt ist.]
Lacan hatte, wie er sagt, dieses Diskurskonzept entwickelt, um die „Kehrseite der Psychoanalyse“ darzustellen. Er betont, dass er darunter keineswegs den Diskurs des Herrn versteht, sondern die eigene Verwindung des Diskurses der Psychoanalyse [ich nehme an: die Beziehung zwischen den beiden unteren Plätzen in diesem Diskurs mit den Elementen S1 und S2]. [In Seminar 17 hingegen hatte er ausdrücklich erklärt, der Diskurs des Herrn sei die Kehrseite des Diskurses der Psychoanalyse.109] Die Beziehung zwischen der Vorderseite [vermutlich: den oberen beiden Plätzen] und der Rückseite oder Kehrseite der Psychoanalyse [den unteren beiden Plätzen, der unbewussten Seite] ist als Möbiusband aufzufassen, das heißt, man gelangt von der einen Seite zur anderen, ohne dabei einen Rand zu überschreiten. [Seit Seminar 9, Die Identifizierung, ist das Möbiusband für Lacan die Oberfläche, die das gespaltene Subjekt repräsentiert: man gelangt vom Bewussten zum Unbewussten, ohne einen Rand überwinden zu müssen.] |[10] Hierfür hatte Lacan, so sagt er, an das Konzept der zweifachen Niederschrift angeknüpft, wie Freud es entwickelt hatte. [Das Konzept der zweifachen Niederschrift bezieht sich bei Freud auf das Verhältnis zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten. Lacan repräsentiert die zweifache Niederschrift (ebenfalls seit Seminar 9) durch die sogenannte Innenacht als Linie auf dem Möbiusband.]
Gespaltenes Subjekt als Effekt der Intersignifikanz
Lacan gibt eine negative Bestimmung des Begriffs „Diskurs“: Ein Diskurs ist nicht von seinem Bezug auf ein Subjekt her aufzufassen. Vielmehr determiniert ein Diskurs ein Subjekt. [Der Begriff „Diskurs“ ist also nicht alltagssprachlich zu verstehen, er ist nicht die Rede eines Subjekts, ein Subjekt ist nicht Urheber eines Diskurses. Man kann nicht sagen „Das Subjekt X hält einen Diskurs“ oder „mein Diskurs“, zumindest nicht, wenn man Lacans Diskursbegriff verwenden will.]
[Damit ist zugleich der Begriff des Subjekts eingeführt: Ein Subjekt ist das, was durch eine zweifache Niederschrift gekennzeichnet ist – darstellbar mit Hilfe eines Möbiusbandes – und das durch einen Diskurs determiniert wird.]
Lacan erläutert den Status des Subjektbegriffs in der Entwicklung seiner Theorie. Im sogenannten Rom-Vortrag von 1953 (Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse) hatte er von „Intersubjektivität“ gesprochen. Dieses Konzept hat er später korrigiert. Der Ausgangspunkt der Theoriebildung ist dann nicht mehr die Beziehung zwischen Subjekten, also nicht die Inter-Subjektivität, sondern die Beziehung zwischen Signifikanten, die Inter-Signifikanz [und das Subjekt wird als Wirkung einer Signifikantenbeziehung aufgefasst]. Hierfür steht Lacans Formel „Ein Signifikant ist, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert“. In der Signifikantenbeziehung [z.B. in einem „Traumgedanken“, wie Freud sagt, oder in der Wiederholung eines Symptoms] ist das Subjekt zugleich repräsentiert und abwesend, und insofern ist es gespalten. [Es ist gespalten zwischen den Signifikanten einerseits und dem Signifikantenmangel andererseits.]
Diskurs als Struktur
Die erste These zum Diskurs lautet, dass der Diskurs im Lichte seiner unbewussten Triebfedern beurteilt werden muss [seiner Kehrseite]. [? Bezieht Lacan sich hier auf den Diskurs im Sinne der Alltagssprache, also auf die Rede, die sich als die eines Subjekts darstellt, oder auf die beiden unteren Terme der Diskursformeln?]
Die zweite These zum Diskurs besagt, dass ein Diskurs durch eine Struktur bestimmt wird, in der er irreduzibel entfremdet ist. [Erste Bedeutungsmöglichkeit: Der Diskurs im Sinne der Alltagssprache, die Rede, die als die eines Subjekts erscheint, ist durch eine Struktur bestimmt, nämlich durch den Diskurs im begrifflichen Sinne. Zweite Möglichkeit: Die beiden oberen Plätze eines Diskurses sind durch die beiden unteren Plätze entfremdet.] Deshalb hatte Lacan, wie er, sich selbst kommentierend, sagt, das Seminar mit diesem Satz begonnen: „Über einen Diskurs – es ist nicht meiner.“ Unter einem Diskurs versteht er etwas, was nicht Diskurs einer bestimmten Person sein kann, sondern was durch eine Struktur begründet ist [ein Diskurs im strengen Sinne ist letztlich diese Struktur selbst].
Radiophonie in Scilicet
Lacan gibt an, wo man seine Konzeption des Diskurses nachlesen kann: in Radiophonie, einem Artikel in dem gerade erschienenen Heft 2/3 der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Scilicet. In diesem Artikel stellt er seinen Diskurs vom letzten Jahr [seinen Diskurs über den Diskurs] auf die Probe [also das Seminar Die Kehrseite der Psychoanalyse]. Bis auf etwas, das hinzukommt [auf das Seminar Die Kehrseite der Psychoanalyse bezieht Lacan sich nur im letzten, siebten Teil dieses Artikels].
Die Beziehung zwischen den Diskursen: Ankunft, Ereignis, Revolution
Scilicet ist, da es eine Schrift ist, ein Ereignis, wenn nicht eine Ankunft des Diskurses. [Lacan spielt hier auf Heidegger an; die Begriffe „Ereignis“ und „Ankunft“ findet man in den beiden Aufsätzen, die Heidegger unter dem Titel Identität und Differenz (1957) zusammengestellt hat. „Ankunft des Diskurses“ meint vermutlich: „Ankunft eines neuen Diskurses“.]
Von hier aus kann die Frage neu gestellt werden, was mit dem Diskurs des Herrn sein mag.
[11] Die Diskurse sind miteinander verbunden, aber wie nennt man das, was sie verbindet? Lacan warnt davor, hierfür allzu schnell das Wort „Revolution“ zu verwenden [also davor, beispielsweise zu sagen, zwischen dem Diskurs des Herrn und dem Diskurs, der nicht vom Schein wäre, gibt es eine Revolution]. Aber dennoch ist klar, dass man den Diskurs des Herrn und den Diskurs, der es Lacan ermöglicht, von dem Diskurs zu sprechen, der nicht vom Schein wäre, unterscheiden muss. [Unter einer „Revolution“, wörtlich „Umdrehung“, versteht er in Seminar 17 die Drehung, die dazu führt, dass ein Diskurs in einen anderen übergeht.]
Zuhörer als gepresste Mehrlust
Lacan skizziert, was für eine Art Diskurs bei dem Seminar im Spiel ist, das gerade läuft.
In diesem Diskurs ist er, Lacan, das Instrument.
Damit er das Instrument dieses Diskurses sein kann, ist für ihn die presse seiner Zuhörer nötig, ihr „Druck“, ihr „Pressen“, ihr „Drängen“, ihre „Presse“. [Das französische Wort presse meint, ähnlich wie das deutsche Wort „Druck“, sowohl die auf eine Fläche wirkende Kraft als auch den Vorgang, durch den ein Druckerzeugnis hergestellt wird. Lacan verwendet einen Signifikanten, der durch seine Mehrdeutigkeit eine Verbindung zwischen dem Andrang in seinem Seminar und der Zeitschrift Scilicet als einem Druckerzeugnis herstellt.]
Das, was den Druck macht, ist etwas „Einzigartiges“. [? Sinn?]
Bei Radiophonie war der Druck der Präsenz der Zuhörer abwesend. [Er hat diesen Text ohne Zuhörer gesprochen, vermutlich in einem Tonstudio.]
Die Präsenz der Zuhörer bedeutet für ihn „gepresste Mehrlust“ (plus-de-jouir pressé). [Die gedrängte Präsenz der Zuhörer hat für Lacan die Funktion des Objekts a qua Mehrlust.]
Diskurs der Universität
Von dieser Figur her [von der Figur der gepressten Mehrlust her] kann der Universitätsdiskurs beurteilt werden, hinsichtlich dessen, dass es hier ein Zuviel an Scheinhaftigkeit (semblance) gibt. [Das ist eine erste Annäherung an den Terminus semblant. Der Universitätsdiskurs ist demnach einer der Diskurse, die vom Schein sind. Statt vom Schein (semblant) spricht Lacan hier von Scheinhaftigkeit (semblance).] Worin besteht die Scheinhaftigkeit des Universitätsdiskurses?
Der Universitätsdiskurs gibt vor, neutral zu sein, ist es aber nicht. [Die Staferla-Version des Seminrs verweist hierfür auf S1 am Platz unten links, also auf die versteckt determinierende Funktion des Herrensignifikanten. Die Herrensignifikanten des Universitätsdiskurses sind, so Lacan in Seminar 17, die Titel, mit denen die Lehrberechtigung erworben wird, etwa der Doktortitel, sowie die Autorennamen.]
Der Universitätsdiskurs behauptet, dass er eine Selektion durch Konkurrenz ermöglicht, wo er doch vor allem Zeichen an diejenigen gibt, die bereits Bescheid wissen. [Hier könnte Lacan sich auf Bourdieu und Passeron stützen (Les Héritiers, 1964, dt. Die Illusion der Chancengleichheit, 1971.] [? Ist der Ausdruck „Zeichen“ hier theoretisch belastbar, will er sagen, dass es in diesem Diskurs um Zeichen geht?]
Der Universitätsdiskurs verspricht die Bildung des Subjekts, wo es doch um etwas ganz anderes geht. [Diese Bemerkung bezieht sich im Schema der Diskurse auf den Platz unten rechts, den Platz der Produktion. Im Universitätsdiskurs ist hier das gespaltene Subjekt; das Produkt des Universitätsdiskurses ist also das gespaltene Subjekt. In Seminar 17 erläutert Lacan das so: Das, was vom Universitätsdiskurs produziert wird, ist die Scham (die eine Form der Subjektspaltung ist), und die Scham zeigt sich in der Unverschämtheit (als einer Abwehr der Scham).]
Lacans Seminar als Diskurs der Analyse
Wie ist es möglich, über das bloße Unbehagen am Schein [des Universitätsdiskurses] hinauszukommen?
Durch einen bestimmten Modus der Strenge im Vorbringen eines Diskurses.
Dieser Modus würde die Mehrlustkügelchen nicht spalten, wie es jedoch im Universitätsdiskurs durch die Auslese geschieht. [Lacan spielt hier wieder auf die rechte Seite der Formel des Universitätsdiskurses an. Der Platz oben rechts ist der des Adressaten, im Universitätsdiskurs findet man hier die Mehrlust, a, womit gemeint ist: in diesem Diskurs verkörpern die Studierenden die Mehrlust. Am Platz unten rechts steht das gespaltene Subjekt, $, als das Produkt des Universitätsdiskurses. Die Spaltung wird durch die „triage“ hervorgerufen, durch die Auslese, durch die Selektion mithilfe von Hausarbeiten, Prüfungen, Zertifikaten; die Spaltung besteht in der Scham. In diesem Sinne spaltet der Universitätsdiskurs die Kügelchen der Mehrlust.]
Die Originalität von Lacans Unterricht besteht darin, dass dessen Grundlege der analytische Diskurs ist und dass sich hier jemand [nämlich Lacan] für den Blick der Zuhörer in die Position des Analysanten bringt. [Im Diskurs des Psychoanalytikers ist am Platz oben links der Analytiker als Verkörperung der Mehrlust (a), am Platz oben rechts der Analysant als gespaltenes Subjekts ($). Lacans Unterricht hat demnach die Struktur des analytischen Diskurses – jedoch so, dass die Zuhörer die Verkörperung der Mehrlust sind (der „gepressten Mehrlust“), also den Platz des Analytikers einnehmen, während Lacan den Platz des Analysanten besetzt, des gespaltenen Subjekts.]
[Lacan ist für den „Blick“ der Zuhörer in der Position des Analysanten – deutet er damit an, dass das Objekt a, das von der gedrängten Masse der Zuhörer für ihn verkörpert wird, der Blick ist? (Übrigens ändert Miller den Ausdruck regard, „Blick“, der auf der Tonaufnahme gut zu hören ist, in égard, „Hinsicht“.)]
[Ich springe vor auf Seite 12.] Nicht Lacan nimmt die Position des Analytikers ein, sondern die Zuhörer nehmen diesen Platz ein, durch ihren Druck.
Allerdings fehlt den Zuhörern das Wissen [S2, das im psychoanalytischen Diskurs am Platz unten links ist.] [Insofern wird der Diskurs des Analytikers durch LacansUnterricht nur unvollständig realisiert.]
[Zurück zu S. 11.] Lacan weist darauf hin, dass er das bereits früher gesagt hatte. [? Wo hatte Lacan das früher gesagt?]
Bei dem Radiophonie genannten Interviewtext fürs Radio fehlte dieser Druck der Zuhörer, fehlte dieser Raum, in dem sie sich drängen [diese „gepresste Mehrlust“]. Stattdessen gab es die reine Intersignifikanz, von der er zu Beginn der Sitzung gesprochen hatte, damit das Subjekt hier ins Wanken gerät. [Lacan spielt auf die Formel an „Ein Signifikant ist, wodurch für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird“. Die Signifikantenbeziehung hat die Funktion, das Subjekt ins Wanken zu bringen. Das schwankende Subjekt ist das gespaltene Subjekt, zeitlich betrachtet. Anders gesagt: Von den vier Termen des Diskurses – S1, S2, $ und a – fehlte bei der Produktion von Radiophonie die Mehrlust, a, und damit das Begehren.]
Genauer: es gab das reine „es existiert“ der Intersignifikanz.[Damit kündigt Lacan vermutlich die bald folgenden Bemerkungen über den Diskurs als „Artefakt“ an, als Faktum, dass gesprochen wird oder nicht gesprochen wird. Möglicherweise spielt Lacan hier auf den Existenzquantor an – „es gibt“, „es existiert“ –, der eine der Grundlagen der Formeln der Sexuierung sein wird, die Lacan in diesem Seminar zu entwickeln beginnt.]
Dies [nämlich Radiophonie] ist eine Weichenstellung [ein „Ereignis“, hatte es vorher geheißen]; sie führt in eine Richtung, deren mögliche Reichweite die Zukunft zeigen wird [das war vielleicht mit „Ankunft“ gemeint].
Ein Ereignis oder eine Ankunft des Diskurses ist auch das Erscheinen der Zeitschrift Scilicet. Man schreibt hier, ohne mit seinem Namen zu unterzeichnen. [Für die Texte von Lacan gilt das jedoch nicht; in Seminar 17 begründet Lacan das damit, dass er kein Autor sei.] |[12] Die Namen werden auf der letzten Seite eines Heftes angegeben, und das soll zeigen, dass sie gegeneinander ausgetauscht werden können, dass also ein Diskurs nicht der Diskurs eines Autors ist: „da spricht es“. [Es fehlt damit dasjenige Element, das im Universitätsdiskurs am Platz unten links ist, der Autorenname qua Herrensignifikant.]
Die Zukunft wird zeigen, ob dies in einigen Jahren von allen guten Zeitschriften übernommen wird [fügt Lacan ironisch hinzu].
Artefakt
In Lacans Aussagen wird das Artefakt des Diskurses betont, das spürt man, sagt Lacan.
Das heißt für ihn, dass er nicht beansprucht, alles abzudecken. Das, was er aussagt, ist kein System und in diesem Sinne keine Philosophie. Er stellt sich vielmehr die [beschränkte] Aufgabe, ausgehend von der Psychoanalyse neu zu fassen, was ein Diskurs ist. [Sein Thema ist der Diskurs in der Perspektive der Psychoanalyse, nicht alles.]
Dafür muss man sich in einem „Desuniversum“ [aus heterogenen Bestandteilen] bewegen [und nicht in einem vereinheitlichten „Universum“; Lacan spielt hier auf den Begriff des Diskursuniversums an, der alles meint, worüber in einem bestimmten Diskurs gesprochen werden kann]. Das ist nichts „Diverses“ [nichts bloß Verstreutes]. Aber auch dem Diversen würde er sich [? in Scilicet ?] nicht widersetzen, auch nicht, wenn es Diversion einbringt [wenn es ablenkt]. Im dem, was Lacan äußert, widersetzt sich etwas dem, über alles seine Meinung zu sagen. Wenn Lacan sagt, dass er nicht alles sagt, beruht das darauf, dass die Wahrheit sich nur halbsagen lässt [wie Lacan ab Seminar 17 immer wieder formuliert]. Aber das ist etwas anderes als dies, dass es ihm widerstrebt, über alles seine Meinung zu sagen. [Möglicherweise spielt Lacan hier auf das „nicht alle“ an, das später in diesem und in den beiden folgenden Seminaren eine der Grundlagen der Formeln der Sexuierung sein wird.]
Dieser Diskurs beschränkt sich also darauf, nur im Artefakt zu handeln. [? Ist damit speziell der analytische Diskurs gemeint?] [„Der Diskurs handelt nur im Artefakt“, das könnte bedeuten: Es ist der Diskurs, der handelt (und nicht das Subjekt), und das Handeln des Diskurses hat die Form des „Artefakts“, des Fakten-Schaffens.]
Dieser Diskurs ist die Verlängerung der Position des Analytikers, die dadurch definiert ist, dass seine Mehrlust einen bestimmten Platz einnimmt [im Diskurs des Analytikers ist die Mehrlust am Platz oben links, den Lacan in Seminar 17 als Platz des Agenten bezeichnet hatte; der Platz oben links ist der einen Diskkurs definierende Platz].
Was kann, nach dem Gesagten, die Tragweite dessen sein, dass er sagt Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre? [? Ist gemeint: Was ist das für ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre?]
Das kann von seinem, Lacans, Platz aus geäußert werden und abhängig von dem, was er früher geäußert hat. [? Was ist damit gemeint, dass dies von seinem Platz aus geäußert werden kann: vom Platz des Analysanten?]
Wenn Lacan äußert „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“, ist das ein Faktum, und zwar nicht nur, wie man denken mag, das Faktum, dass er es äußert, sondern auch ein Faktum, weil er es äußer [etwas wird dadurch zum Faktum, dass es geäußert wird].
Wenn Lacan vom Diskurs als Artefakt spricht, soll das heißen: Für den Diskurs gib es kein vorher oder außerhalb existierendes Faktum; ein Faktum gibt es für den Diskurs nur aufgrund des Faktums des Diskurses. [Das hatte Lacan in Seminar 17 aufgeführt: Dass es Tag ist, ist nur deshalb eine Tatsache (fait), weil jemand geäußert hat, „es ist Tag“ (il fait jour).110 Anders gesagt: das Faktum, mit dem der Diskurs es zu tun hat, ist nicht der Referent; der Referent kann unmöglich bezeichnet werden und ist deshalb real, wie es in der dritten Sitzung dieses Seminars heißen wird.
Was hängt davon ab? In dem Aufsatz L’étourdit wird es zwei Jahre später heißen,
„das Unbewusste ist ein Faktum, insofern es durch den Diskurs gestützt wird, der es etabliert“111.
Der Diskurs konstituiert das Faktum, und da das Unbewusste durch einen Diskurs gestützt wird, ist es ein Faktum, eine Tatsache.]
Dies ist das, was reduziert werden muss. [? In welchem Sinne muss das Faktum des Diskurses reduziert werden?]
[13] Mit „Artefakt“ ist nicht gemeint, dass der Diskurs etwas Künstliches ist und dass es darum ginge, etwas Natürliches auftauchen zu lassen [etwa den natürlichen Trieb], es geht keineswegs darum, die Behinderungen, denen das Natürliche unterliegt, zu bekämpfen [wie man das bei La Mettrie findet oder bei Wilhelm Reich].
Die Frage ist nicht, ob etwas sagbar ist oder nicht. [Das bezieht sich möglicherweise auf eine Kontroverse darüber, ob Psychoanalytiker sich zur Krise der Universität im Gefolge des Mai 1968 äußern sollten ohne nicht. In Seminar 16 hatte Lacan diejenigen unter seinen Kollegen kritisiert, sich auf eine Unmöglichkeit beriefen, hierzu etwas zu sagen.112 Ganz allgemein spielt für Lacan die Frage des Unsagbaren eine zentrale Rolle: Das Unsagbare ist das Reale, und es geht für ihn darum, über das Reale etwas zu sagen und zu schreiben.]
Das Diskursfaktum – das „Artefakt“ – besteht darin, dass etwas gesagt ist oder nicht gesagt ist. [Das ist eine anti-empiristische These. Die Tatsache ist nicht, wie bei Berkeley oder Locke oder Carnap, die elementare Einzelwahrnehmung, sondern dass etwas gesagt ist oder nicht gesagt ist.]
Vom Artefakt des Diskurses – von der Tatsache, dass in einem Diskurs etwas gesagt wird – wird angenommen, dass es dafür hinreicht, „dass Sie da sind“. [? Wer ist „Sie“? Bezieht sich das wieder auf die „Präsenz“ der Zuhörer, von der er vorher gesprochen hatte. Ist also gemeint: es reicht hin, dass der Analytiker da ist – ?]
Lacan betont, dass er hier einen Schnitt macht und dass er nicht hinzufügt, „dass Sie da sind im Zustand der gepressten Mehrlust“. Es sei fraglich, ob sein Diskurs sie, die Zuhörer, bereits als gepresste Mehrlust versammelt; es sei nicht entschieden, ob Lacans Diskurs die Zuhörer in die Position bringt, von der aus sein Diskurs befragt werden kann, die Folge seiner Äußerungen. [Unter „Diskurs“ versteht Lacan hier, das ist festzuhalten, die Folge seiner Äußerungen und nicht eine Struktur. Er wechselt also zwischen zwei verschiedenen Bedeutungen von „Diskurs“.]
[Ich verstehe diese Bemerkung so: Für Lacan verkörpert die gedrängte Masse der Zuhörer die Mehrlust, anders gesagt: diese „gepresste Mehrlust“ bringt ihn zum Sprechen, zu einem Sprechen, das Ähnlichkeit mit dem Sprechen eines Analysanten hat. Ob die Zuhörer dies aber für sich übernehmen, das heißt, ob dieser Unterricht auch für sie eine Form des analytischen Diskurses ist, in dem sie die Position des Analytikers einnehmen, ist für Lacan offen. Wenn sie diesen Platz einnehmen würden, könnten sie in den Diskurs von Lacan so intervenieren, dass sein Sprechen sich auf „Wahrheit“ bezieht, dass darin Verdrängtes auftaucht.]
Wenn die Zuhörer diese Position einnehmen würden, könnten sie seinen Diskurs durch das „nicht“ eines Diskurses befragen, eines Diskurses, der nicht vom Schein wäre. [Lacan wechselt hier zurück zum Diskurs als Struktur aus Plätzen mit Termen. Die Befragung von Lacans Diskurs durch die Zuhörer würde durch einen Diskurs erfolgen, der nicht vom Schein wäre, und zwar speziell durch das „nicht“ darin – die Negation spielt dabei eine entscheidende Rolle. Damit soll vielleicht (sehr vielleicht) dies angedeutet werden: Einen Zugang zum Objekt a hat der Analysant durch die Negation, durch die Verleugung, als einer Form der Subjektspaltung: „ich nehme nicht“ (Brust), „ich lasse nicht los“ (Kot), „ich sehe nicht“ (Blick), „ich sage nicht“ (Stimme).113 Die Negation ermöglicht also einen Zugang zur Beziehung zwischen dem gespaltenen Subjekt und dem Objekt a, und die Zuhörer würden die Position des Analytikers dann einnehmen, wenn sie auf diese Negation achten würden.[/note]
„Schein“
Lacan kommentiert weiterhin den Titel des Seminars und geht vom Ausdruck discours zum Ausdruck semblant über, „Schein“ oder „Anschein“. Was ist in der Formulierung „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ mit „Schein“ gemeint? [Lacan führt hier den Begriff semblant als theoretischen Terminus ein, man findet ihn, als theoreitschen Begriff, nicht in früheren Seminaren und Schriften.]
Wahrheit: ihre Entfesselung durch die Deutung
[Im Folgenden geht es um die Wahrheit; im Schema der vier Diskurse ist dies der Platz unten links.]
Mit „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ ist nicht gemeint: „Über einen Diskurs, der kein Schein-Diskurs wäre“. Das wäre die Position des logischen Positivismus, welche besagt: Eine Aussage, bei der es nicht möglich ist, [empirisch oder logisch] festzustellen, ob sie wahr ist oder falsch, ist sinnlos, und ein Problem, das durch solche Aussagen formuliert wird [wie die Opposition von Idealismus und Realismus], ist ein Scheinproblem.
Damit glaubt man Fragen los zu sein, die man als metaphysisch klassifiziert. [Lacan spielt hier auf zwei Bücher von Rudolf Carnap an: Der logische Aufbau der Welt und: Scheinprobleme der Philosophie, beide 1928.]
Die psychoanalytische Erfahrung zeigt das Gegenteil. Die Deutung [die ja ein Signifikant ist] behält immer etwas von einem Orakel, man kann nicht entscheiden, ob die Deutung wahr oder falsch ist. [Dies ist eine der Bedeutungen von Lacans Diktum „Die Wahrheit lässt sich nur halbsagen“.]
Wahr ist die Deutung durch ihre Folgen, durch das, was sie freisetzt. [Lacan spielt hier auf Freuds Aufsatz Konstruktionen in der Analyse (1937) an, wo es heißt, die Wahrheit einer Konstruktion – einer Gesamtdeutung – zeige sich darin, dass der Patient in den anschließenden Assoziationen „bestätigendes Material“ liefert.]
[Unter „Schein“ versteht Lacan also möglicherweise Aussagen, bei denen sich nicht entscheiden lässt, ob sie wahr oder falsch sind, die jedoch einen Bezug zur Wahrheit haben. Bezogen auf den Diskurs der Analyse wäre „Schein“ dann das Merkmal von orakelhaften Deutungen, insofern offen ist, ob sie wahr oder falsch sind, die jedoch Wahrheitseffekte haben, da sie die Beseitigung von Verdrängung ermöglichen.]
[Lacan erläutert nun den Wahrheitsbezug einer Aussage, die falsch ist, durch eine bestimmte logische Verknüpfung zwischen Aussagen, die Wenn-Dann-Beziehung oder „materiale Implikation“; sie wird meist durch einen nach rechts zeigenden Pfeil angezeigt: →. Der Bezug auf die Logik bezieht sich nicht zuletzt auf den logischen Empirismus, für den ja der Bezug auf die Logik entscheidend ist.]
Das Schema der logischen Implikation – der Wenn-Dann-Beziehung – setzt den Wahrheitsbezug |[14] voraus; Lacan kündigt an, dass er das später zeigen werde. [Die (materiale) Implikation ist die Verknüpfung von Aussagen durch die Wenn-dann-Beziehung: „immer wenn p, dann auch q“, wobei p und q Aussagen sind. Der erste Teilsatz wird Protasis oder Antezedens genannt, im Deutschen Vordersatz, der zweite Teilsatz heißt Apodosis oder Konsequenz, im Deutschen Hintersatz.Die Wahrheitstabelle für die Implikation sieht so aus:
[Die erste Spalte einer Wahrheitstabelle bezieht sich auf den Vordersatz, die zweite auf den Hintersatz, die dritte auf die verknüpfte Gesamtaussage, hier mit der Wenn-Dann-Verbindung; „W“ bedeutet „wahr“, „F“ bedeutet „falsch“. Die Zeile W-W-W ist so zu lesen: „Wenn der Vordersatz wahr ist und auch der Hintersatz wahr ist, dann ist die durch eine Implikation verknüpfte Gesamtaussage wahr.“ Wählt man als Vorderssatz „Menschen sind Säugetiere“ und als Hintersatz „Zucker ist löslich in Wasser“ und legt man fest, dass beide Aussagen wahr sind, dann lautet die durch eine Implikation erzeugte Gesamtaussage so: „Wenn Menschen Säugetiere sind, dann ist Zucker löslich in Wasser“. Die Tabelle zeigt an, dass diese Gesamtaussage wahr ist, da Vorder- und Hintersatz wahr sind. Intuitiv ergibt die Verknüpfung der beiden Teilsätze durch eine Implikation keinen Sinn, das liegt daran, dass die Implikationsbeziehung spontan als Kausalitätsbeziehung verstanden wird, die jedoch nicht gemeint ist.]
[Das am meisten irritierende Merkmal der Implikation besteht darin, dass die Gesamtaussage dann wahr ist, wenn die erste Teilaussage falsch ist und die zweite Teilaussage wahr ist (Zeile FWW). Wählt man als p den Satz „Die Ameise ist ein Säugetier“ und legt fest, dass er falsch ist, und wählt man als q die Aussage „Die Erde ist ein Planet“ und setzt man fest, dass sie wahr ist, dann ergibt sich, dass die folgende Gesamtaussage wahr ist: „Wenn die Ameise ein Säugetier ist, dann ist die Erde ein Planet“. Zu beachten ist auch hier, dass die Implikation nicht besagt, dass es zwischen den beiden Aussagen ein Kausalverhältnis gibt, das Antezedens fungiert nicht als Ursache der Konsequenz. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die FWW-Verbindung intuitiv nicht nachvollziehen lässt, ja dass sie einem als verrückt erscheint.]
[Außerdem gilt: Die Gesamtaussage ist wahr, wenn beide Teilaussagen falsch sind. Wählt man als zweite Teilaussage, also für q, „Nachts scheint die Sonne“ und legt man fest, das diese Behauptung falsch ist, dann ist die Gesamtaussage: „Wenn Insekten Säugetiere sind, dann scheint nachts die Sonne“, und diese verknüpfte Aussage ist wahr. Es gilt demnach sowohl FWW als auch FFW, und das heißt, wenn der Vordersatz falsch ist, ist die Aussageverknüpfung durch materiale Implikation immer wahr. Hierauf bezogen sich die Logiker der Stoa mit dem Satz ex falso sequitur quodlibet, aus Falschem folgt Beliebiges.]D
[An die Adresse der logischen Empiristen gerichtet, sagt Lacan hier gewissermaßen: Auch in der Logik, die euch so teuer ist, gibt es die Struktur, dass aus einer Aussage, unabhängig davon, ob sie wahr oder falsch ist, Wahres folgt. Eben dies ist die Art des Wahrheitsbezugs, mit dem wir Analytiker es zu tun haben.]
Das Veridische – also der Wahrheitsbezug – gehört zum Sprechen, selbst dann, wenn das Sprechen strenggenommen sinnlos ist. [Lacan deutet die materiale Implikation im Lichte der Psychoanalyse: Auch wenn in der freien Assoziation oder in der Deutung etwas Sinnloses im Sinne des logischen Empirismus gesagt wird – etwas, wofür sich nicht entscheiden lässt, ob es wahr oder falsch ist –, auch dann steht dies in einer Verbindung zur Wahrheit (zur Aufdeckung von Verdrängtem) – in den anschließenden Sätzen kann etwas Wahres auftauchen.]
Über die Wahrheit wird [in der Psychoanalyse] allein durch ihre Entfesselung entschieden. Von hier aus kann man übergehen zu einer Logik, die versucht, dieser Wahrheit Körper zu verleihen [ich nehme an: zur Logik der materialen Implikation]. Das ist der Moment, in dem der Diskurs als Vorstellungsrepräsentanz zurückgewiesen wird. [Ich vermute, dass damit der Übergang zur formalen Logik gemeint ist, in diesem Fall zur Aussagenlogik. Der Inhalt der Aussagen wird darin ausgeklammert – die Aussagen werden auf p und q reduziert –, und das einzige Merkmal, das interessiert, ist, ob eine Aussage wahr oder falsch ist, wobei die Wahrheit oder Falschheit der Ausgangs-Aussage schlicht festgelegt wird: „Angenommen p ist wahr und angenommen q ist falsch, dann ist folgende Aussagenverknüpfung wahr oder falsch: … „.]
Diese Zurückweisung des Diskurses als Vorstellungsrepräsentanz ist deshalb möglich, weil dieser Diskurs teilweise immer schon zurückgewiesen ist, eben darin besteht die Verdrängung; im Falle der Verdrängung repräsentiert der Diskurs nicht eine Vorstellung [den Signifikanten fehlt das Signifikat].
Der Wahrheitseffekt besteht [also] in der Fortsetzung des Diskurses, dieser Wahrheitseffekt ist nicht vom Schein. [Ich nehme an, dass gemeint ist: dieser Wahrheitseffekt ist nicht scheinhaft. Wir müssen also unterscheiden: den Schein, der einen Wahrheitseffekt hat (die orakelhafte Deutung), diesen Wahrheitseffekt, der kein Schein ist (die Aufhebung einer Verdrängung)].
[Schein (I): Der Schein ist der Signifikant, insofern sich nicht sagen lässt, ob er wahr oder falsch ist, er aber in der Fortsetzung des Diskurses Wahrheitseffekte hat. Der Wahrheitseffekt ist nicht vom Schein. (Miller 14)]
Schein und Blut
Der Bezug auf den Ödipuskomplex soll klarmachen, dass hier Blut geflossen ist [dass man bei der Sache ist, dass man bei dem ist, was wahr ist]. Allerdings widerlegt das Blut nicht den Schein, es wiederbelebt ihn. [Der Bezug auf den Ödipuskomplex stützt sich auf einen Mythos, und der Mythos gehört zur Ordnung des Scheins, für ihn lässt sich nicht sagen, ob er wahr oder falsch ist, er hat jedoch Wahrheitseffekte.]
[Eine weiterer Bezugspunkt für den Begriff des Scheins ist demnach, im Rahmen der Psychoanalyse, die Rolle des Ödipusmythos.]
Deshalb kann man sich die Frage nach eine Diskurs, der nicht vom Schein wäre, nur auf der Ebene des Artefakts stellen, der Diskursstruktur [eine der Bedeutungen von Artefakt bei Lacan ist demnach: „Diskursstruktur“].
Während man auf den Diskurs wartet, der nicht vom Schein wäre [ein Begehren, das vom Seminartitel anzeigt und angestachelt wird], gibt es keinen Schein des Diskurses [keinen Scheindiskurs]. [Dass man auf einen Diskurs wartet, der nicht vom Schein wäre, besagt nicht, dass der Diskurs, mit dem man es gegenwärtig zu tun hat, ein Scheindiskurs im Sinne des logischen Empirismus wäre. Der psychoanalytische Diskurs ist kein Scheindiskurs.] Um zu beurteilen, ob ein Diskurs vom Schein ist oder nicht, gibt es keine Metasprache, keinen Anderen des Anderen, nichts Wahres über das Wahre [die Rede vom „Scheindiskurs“ würde die Unterscheidung von Objektsprache und Metasprache voraussetzen].
[Es gibt keine Metasprache: Mit dieser Sentenz grenzt Lacan sich vom logischen Empirismus ab. Der Gegensatz von Metasprache und Objektsprache, wie er von Carnap und Tarski eingeführt wurde, ist unhaltbar, die Umgangssprache kann nicht zum Objekt einer formalisierten Sprache gemacht werden. Was es gibt, ist die partielle Formalisierung, aber sie ermöglicht es nicht, die gesprochene Sprache zum Objekt zu machen; die Formalisierung ist, bei der Einführung ihrer Terme, immer auf die Umgangssprache angewiesen.]
[Es gibt keinen Anderen des Anderen: Es gibt keinen Signifikanten, der als Wahrheitsgarantie dienen könnte.]
Die Wahrheit, die „ich lüge“ sagt
Lacan hat die Wahrheit einmal sprechen lassen [in Die Freud’sche Sache, 1956]. [Dort steigt die Allegorie der Wahrheit aus einem Brunnen und sagt: „Ich, die Wahrheit, ich spreche.“ Das Sprechen, um das es hier geht, ist die Wahrheit im „Sprechen“ des Symptoms, die entzifferbare Wiederkehr des Verdrängten.]
Angenommen sie sagt: „Ich lüge.“ Ist das eine Paradoxie? Keineswegs. Nichts könnte bei bestimmten Gelegenheiten wahrer sein als die Äußerung „ich lüge“. [Von der Äußerung „ich lüge“ wird gesagt, sie sei eine Paradoxie, genauer: die Äußerung „Ich lüge jetzt, mit dem Satz, den ich gerade spreche“. Sie gilt deshalb als paradox, da sie wahr ist, wenn sie falsch ist, und falsch ist, wenn sie wahr ist. In Lacans Deutung ist die Äußerung „ich lüge“ also unter bestimmten Umständen nicht zugleich wahr und falsch, sondern schlicht wahr. Das könnte auf Freuds Artikel über die Verneinung anspielen: Die unbewusste Wahrheit hat oft dann einen Zugang zum bewussten Sprechen, sagt Freud, wenn ein „nein“ hinzugefügt wird. „Ich wollte Sie nicht beleidigen“ meint dann „Ich wollte Sie beleidigen“. Entsprechend könnte man vielleicht sagen, „Ich lüge“ – also „Ich sage absichtlich nicht die Wahrheit“ – bedeutet „ich sage unabsichtlich die Wahrheit“.]
„Ich lüge“ ist sogar die einzige Wahrheit, die erhalten bleibt. [Vielleicht in diesem Sinne: Die Verdrängung sorgt dafür, dass das meiste, was wir über uns sagen, über unsere Motive und Ziele, eine „Lüge“ ist, eine „Rationalisierung“, wie Ernest Jones es genannt hat.114]
Der Satz „Ich lüge“ wird erst dann paradox, wenn man ihn aufschreibt [und am Geschriebenen formale, logische Untersuchungen anstellt – ohne etwas aufzuschreiben, kann man keine logischen Untersuchungen anstellen, das hatte Lacan in früheren Seminaren betont. Die Wahrheit, mit der die Psychoanalyse es zu tun hat, zeigt sich nur im Sprechen, genauer in der énonciation, im Äußerungsvorgang, in einem Sprechen, in dem die Intentionalität scheitert, in einem Sprechen, das den Mechanismen von Metapher und Metonymie unterworfen ist und in dem die Negation bisweilen ihr Gegenteil bedeutet. Das Sprechen ist vom Schreiben zu unterscheiden, der Signifikant vom Buchstaben. Den formalen Widerspruch gibt es nur, wenn man Buchstaben verwendet.]
Wenn man die Aussage verneint und sagt „ich lüge nicht“, ist man nicht davor gefeit, etwas Falsches zu sagen. [Das könnte heißen: Wenn man aufrichtig sein will, ist man nicht davor geschützt, unwillentlich zu lügen, etwa zu „rationalisieren“.]
[Anders gesagt: Die Theorien über die Paradoxien des Lügens verkennen, dass sie das Wahrheitsproblem nicht an Sprache überhaupt untersuchen, sondern dass sie sich auf eine speziellen Form der Sprache beziehen, auf die geschriebene Sprache. In der geschriebenen Sprache – und damit in der Logik – funktioniert Wahrheit jedoch anders als in der gesprochenen Sprache. Die Entfesselung der Wahrheit, mit der die Psychoanalyse es zu tun hat – die Aufdeckung des Verdrängten – ist an das Sprechen gebunden, und die Wahrheit erscheint im Sprechen typischerweise als Lüge.]
Der Schein des Signifikanten an sich selbst
Die Wahrheit, die spricht, die sich als Orakel äußert und die „ich“ (je) sagt [wie in „Ich, die Wahrheit, ich spreche“ oder wie in „Ich lüge“] – wer spricht da? [Wer ist in diesem Satz „ich“ (je)?] „Dieser Schein ist der Signifikant an sich selbst.“ [Wer spricht, ist der Schein. Und der Schein, der sich als Orakel äußert und Wahrheitseffekte hervoruft, ist der Signifikant an sich selbst, man könnte auch sagen, der Signifikant an sich (Kant wechselt zwischen „Ding an sich“ und „Ding an sich selbst“) hin und her. Signifikanten sind differentiell organisiert, insofern ist der Signifikant „an sich selbst“, der isolierte Signifikant, ein Schein.]
[Den Ausdruck le signifiant en lui-même verwendet Lacan nur selten. In Seminar 10 bezieht er sich damit auf den Signifikanten im Unterschied zur Bedeutung115, in Seminar 14 auf den Signifikanten im Verhältnis zu sich selbst, der keine Bedeutung hervorruft116. In Seminar 20 hingegen heißt es, der Signifikant an sich selbst sei nicht anders definierbar denn als eine Differenz, eine Differenz zu einem anderen Signifikanten.117]
[Schein (II): Die Wahrheit, die als Orakel spricht und „ich“ sagt (wie in „Ich, die Wahrheit, ich spreche“), dieser Schein ist der „der Signifikant an sich selbst“. (14)]
[In welcher Beziehung steht der Schein als der Signifikant an sich zur Psychoanalyse?]
[Wenn man diesen zweiten Zugang mit der ersten Deutungsmöglichkeit von semblant verbindet, erhält man: Der Signifikant an sich ist insofern Schein, als sich über ihn nicht sagen lässt, ob er wahr oder falsch ist, er jedoch Wahrheitseffekte hat. Ist das gemeint?]
[Was also ist ein Signifikant?]
Einige Sprachwissenschaftler sagen, Lacan mache vom Begriff des Signifikanten einen Gebrauch, der mit dem von Saussure [der diesen Begriff in die Linguistik eingeführt hatte] nichts zu tun habe. Aber was verstand Saussure unter einem Signifikanten? Lacan verweist auf dessen unveröffentlichte Papiere. [Damit bezieht er sich auf Saussures Studien über Anagramme. Freud zufolge (Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose) bildet das Unbewusste Anagramme; im Rom-Vortrag hatte Lacan darauf hingewiesen. Damit wird von Lacan angedeutet, dass zum Signifikanten die Rekombination der Elemente gehört, die Zerlegung und Neuzusammensetzung, eine Struktur, die auch den vier Diskursen zugrundeliegt.]
Man glaubt, den Signifikanten verstanden zu haben. Man glaubt, der Signifikant sei vom Strukturalismus gezähmt worden. [Der Begriff des Signifikanten wurde durch Saussure zu einem Grundbegriff der Linguistik und Saussure gilt als einer der Begründer des Strukturalismus.] Man glaubt, der Signifikant sei der Andere als Anderer und die Batterie der Signifikanten und all das, was Lacan darüber sagt (wie Lacan hier über sich selbst sagt). [Man bezieht sich für den Begriff des Signifikanten nicht nur auf Saussure, sondern auch auf Lacan und dort auf den Begriff des Anderen mit großem A, als dem Ort, an dem die Signifikanten versammelt sind. Dieser Andere ist der Andere „als Anderer“ bzw. „als Anderes“, das heißt der andere, insofern er mir nicht ähnlich ist, wohingegen der andere mit kleinem a mir ähnlich ist. Mit der „Batterie der Signifikanten“ meint Lacan das synchrone System der Signifikanten. Die „Batterie der Signifikanten“ ist am Ort des Anderen versammelt. Lacan deutet hier an, dass sein eigener Signifikantenbegriff keineswegs so klar ist, wie es einigen erscheint, dass dieses Konzept vielmehr in Ausarbeitung ist. Zur Entwicklung des Begriffs des Signifikanten gehört die in diesem Seminar erstmals verwendete Rede vom Signifikanten als Schein.]
Das Zeichen des Donners und der Name-des-Vaters
„Das kommt natürlich vom Himmel, weil ich, bei dieser Gelegenheit, Idealist bin.“ [Lacan kündigt an, dass er sich auf Himmelserscheinungen beziehen wird, und er legt nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen „Schein“ und „Idee „gibt.]
[15] Lacan erinnert daran, dass er anfangs gesagt hatte, der Diskurs sei ein „Artefakt“. Das Artefakt ist unser alltägliches Schicksal, wir finden es an jeder Straßenecke [d.h. überall].
Der Diskurs der Wissenschaft besteht fort. [In Seminar 17 hatte Lacan die Struktur des Diskurses der Wissenschaft mit der Struktur des Diskurses der Universität gleichgesetzt. In Radiophonie hatte er den Wissenschaftsdiskurs an den Diskurs der Hysterikerin angenähert. In der Vorlesungsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers (1971/72) wird er ihn mit dem Diskurs der Hyterikerin gleichsetzen.] Die Wissenschaft bezieht sich nicht auf die Elemente [nicht auf Feuer, Wasser, Luft, Erde] und auch nicht auf die Quintessenz [nicht auf das von Aristoteles postulierte fünfte Element, nicht auf den Äther]; dies gehört nicht zum Diskurs der Wissenschaft, sondern zu dem der [antiken und mittelalterlichen] Philosophie. Der Diskurs der Wissenschaft ist von der Erörterung von Formen des Scheins (de semblants) ausgegangen, nämlich der Beobachtung der Sterne, also der Konstellation. [Eine Konstellation ist die scheinbare Stellung der Himmelskörper zueinander, etwa in einem Sternbild.]
Die ersten Schritte der [modernen] Wissenschaft drehen sich um Himmelserscheinungen, um „Meteore“. [„Meteore“ (von altgriechisch metéōros, ‚in der Luft schwebend‘) sind Himmelserscheinungen jeder Art, nicht zu verwechseln mit „Meteoriten“ – die Sternschnuppen, hervorgerufen durch das Eindringen von Meteoriten in die Atmosphäre, sind ein spezieller Typ von Himmelerscheinungen, von Meteoren.] Descartes schrieb eine Abhandlung über Meteore [über Himmelerscheinungen], darunter über den Regenbogen. Der Regenbogen wurde immer als Schein angesehen, niemals als ein Ding, das irgendwo da ist.
[Schein (III): Der Diskurs der Wissenschaft ist von der Erörterung von Formen des Scheins ausgegangen, von der Beobachtung der Sterne, der Meteore (der Himmelserscheinungen), etwa in Descartes‘ Theorie des Regenbogens. Die Meteore sind als solche durch einen Schein charakterisiert, niemand glaubt, dass der Regenbogen ein Ding ist, das da wäre. (15)]
Der charakteristischste Meteor, die charakteristischste Himmelserscheinung, ist der Donner; er ist mit der Struktur von allem verbunden, was Diskurs ist. [Auf den Donner müssten sich demnach alle vier Diskurse beziehen lassen.] Der Donner steht in einer engen Verbindung zum Namen-des-Vaters, deshalb hatte Lacan, sagt er über sich, den Rom-Vortrag mit der Anrufung des Donners beendet [mit einem Zitat aus den Upanishaden, der Anrufung des hinduistischen Gottes Prajapati als Gott des Donners]; ohne den Donner gibt es keinen haltbaren Namen-des-Vaters. [Dem Donner entspricht in der Psychoanalyse die Stimme als Objekt a; die Verbindung zwischen dem Namen-des-Vaters und dem Donner ist das Über-Ich. Im Lagache-Aufsatz (1958) heißt es hierzu, nach einem Hinweis darauf, dass die Hominisierung des Planeten mit der Erzeugung von Abfall verbunden ist:
„Das gilt ebenso für das moralische Gesetz, und aus demselben Grund, der uns dazu bringt, von der Sprache zum Sprechen überzugehen. Und uns entdecken lässt, dass das Über-Ich in seinem inneren Imperativ tatsächlich ‚die Stimme des Gewissens‘ ist, das heißt zunächst einmal eine Stimme, eine Stimme, die sich verlautbaren lässt, und ohne mehr Autorität als die, die laute Stimme zu sein: die Stimme, über die uns zumindest ein Bibeltext sagt, dass sie sich dem um den Sinai versammelten Volk zu Gehör brachte, nicht ohne dass dieser Kunstgriff nahelegt, dass sie ihm in ihrer Äußerung (éconciation) dessen eigenen Lärm zurücksandte, wobei die Gesetzestafeln gleichwohl notwendig blieben, um das davon Ausgesagte (énoncé) zu kennen.“118
Im Seminar über die Angst hatte Lacan die Beziehung zwischen Über-Ich und Stimme weiter ausgearbeitet.119]
Dabei weiß man nicht einmal, von was der Donner ein Zeichen ist, eben das ist die Gestalt des Scheins. [So wird Lacan zwei Sitzungen später das Symptom beschreiben: als ein Zeichen, bei dem man nichts begreift.]
[Schein (IV): Ein charakteristischer Meteor ist der Donner. Der Donner ist mit der Struktur des Diskurses verbunden, ohne den Donner gibt es keinen haltbaren Namen-des-Vaters. Dabei weiß man nicht, wovon der Donner ein Zeichen ist, eben das ist die Gestalt des Scheins.]
Der Schein (z.B. des Donners) besteht darin, dass etwas ein Zeichen ist, ohne dass man sagen könnte von was. Dies steht in einem Zusammenhang mit der Beziehung zwischen dem Namen-des-Vaters und der Stimme als Objekt a (dem Donner). (15)]
Deshalb gibt es keinen Schein des Diskurses [im Gegensatz zu dem, was die Vertreter des logischen Positivismus behaupten]. Alles was Diskurs ist, kann sich nur von daher als Schein geben, dass es sich auf den Signifikanten stützt. [Auch im Diskurs gibt es Schein, im Diskurs stützt sich der Schein jedoch auf den Signifikanten.] Der Signifikant, unter dem Aspekt, wie Lacan ihn in dieser Sitzung darstellt, ist mit dem Schein identisch. [Der Schein, auf den sich der Diskurs stützt, ist der „Signifikant an sich selbst“.]
[Im Diskurs hat der Schein eine besondere Form, er stützt sich hier auf den Signifikanten, und er stützt sich auf den Signifikanten, insofern er als Schein fungiert, d.h. insofern er mict sich selbst identisch ist.]
Die Formulierung „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ ist also nicht durch etwas zu ergänzen, was sich auf den |[16] Diskurs bezieht. [Der Titel ist nicht so gemeint: „Über einen Diskurs, der kein Scheindiskurs wäre“, sondern so: „Über einen Diskurs, der nicht auf den Signifikanten an sich selbst stützen würde, nicht auf den Signifikanten als Schein“.]
[Schein (V): Im Diskurs kann sich etwas nur von daher als Schein geben, dass es sich auf den Signifikanten stützt, und zwar auf den Signifikanten, insofern er mit dem Schein als solchem identisch ist. (15 f.)]
Nicht Schein: der Referent
Es geht vielmehr um den Referenten. [Der Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Diskurs, der sich auf den Referenten bezieht.] Der Referent ist nicht unmittelbar der Gegenstand. [Unter dem Referenten (oder Denotat) wird für gewöhnlich der Gegenstand verstanden, auf den sich ein sprachlicher Ausdruck bezieht, im Unterschied zum Sinn des Ausdrucks, zum Signifikat; diese Definition des Referenten wird hier von Lacan problematisiert.] „… denn das bedeutet genau dies, dass es eben dieser Referent ist, der herumwandert“. [Das könnte heißen: Mit der neuzeitlichen Wissenschaft bezieht man sich auf die Sterne nicht mehr als Konstellationen, sondern als Himmelskörper, deren Bewegungen physikalischen Gesetzen unterliegen.]
[Lacan stützt sich hier auf die in der Semiotik übliche Dreiteilung Signifikant, Signifikat und Referent, und er setzt den Referenten mit dem Realen gleich. Ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre, wäre ein Diskurs, der sich auf das Reale bezieht. Wenn man den Begriff des Scheins nachvollziehen will, muss man ihn einerseits auf die Wahrheit beziehen. Ein Diskurs, der vom Schein ist, bezieht sich auf Wahrheit, nicht auf das Reale.
Der Schein des mit sich selbst identischen Signifikanten
Eine Ebene des Ausdrucks „Schein“ ist, dass der Signifikant mit sich selbst identisch ist. [Dies ist eine Präzisierung der bisherigen Bestimmung des Scheins, dass der Signifikant dann Schein ist, wenn er Signifikant „an sich selbst“ ist. Der Signifikant ist dann Sigifikant an sich selbst, also Schein, wenn er mit sich selbst identisch ist. In Seminar 17 hieß es, das mit sich selbst identische Ich sei der Herrensignifikant. Kann man also sagen, der Schein ist der Herrensignifikant, vor allem der Name-des-Vaters, in seiner Verbindung mit dem Objekt a bzw. mit der Stimme als Objekt a? Dann wäre die Deutung, die weder wahr noch falsch ist, jedoch Wahrheitseffekte hat, ein Herrensignifikant, gestützt auf das Objekt a?]
[Schein (II), überarbeitet: Die Wahrheit, die als Orakel spricht und „ich“ sagt (wie in „Ich, die Wahrheit, ich spreche“), dieser Schein ist der „der Signifikant an sich selbst“. Auf der Ebene des Scheins ist der Signifikant mit sich selbst identisch. (RN: Signifikanten sind differentiell organisiert, deshalb ist der Signifikant „an sich selbst“ ein Schein.) (14, 16)]
Der Schein, in dem der Signifikant mit sich identisch ist, ist der Schein in der Natur. [Der Terminus des Signifikanten wird hier aus seiner Bindung an die Sprache herausgelöst. Die Signifikanten der Sprache funktionieren demnach anders als die Signifikanten in der Natur. Die Signifikanten in der Natur (die Elemente, die eine Bedeutung haben) sind mit sich selbst identisch, die Signifikanten der Sprache sind differentiell organisiert.]
[Schein (VI): Der Schein, in dem der Signifikant mit sich selbst identisch ist, ist der Schein in der Natur. (16)]
Jeder Diskurs, der die Natur beschwört, geht von dem aus, was in der Natur Schein ist, und die Natur hat davon im Überfluss. Bei den Tieren ist das offensichtlich. Wenn sie etwas öffnen, einen Kopf, einen Mund, einen Kiemendeckel, ist das ein manifester Schein. Fromme Seelen waren der Auffassung, dass sie damit das Lob Gottes verkünden. [Mit dem Lob Gottes wird ein weiteres Mal der Name-des-Vaters ins Spiel gebracht. Mit der Öffnung das Objekt a – die Objekte a beziehen sich auf Körperöffnungen: Mund, Anus, Lidspalt, Ohr.]
[Schein (VII): Die Natur hat Schein im Überfluss, das ist bei den Tieren offensichtlich. Wenn sie etwas öffnen, einen Kopf, einen Mund usw., ist das ein manifester Schein. (16)]
[Schein (VIII): Jeder Diskurs, der die Natur beschwört, geht von dem aus, was in der Natur Schein ist. Wenn fromme Seelen der Auffassung sind, dass die Tiere das Lob Gottes verkünden, beziehen sie sich auf den Schein, dass die Tiere etwas öffnen. (16)]
[Was also ist „Schein“? Der Definition nach: der Signifikant an sich selbst, der mit sich selbst identische Signifikant, z.B. „ich“. Diesen mit sich selbst identischen Signifikanten gibt es in der Natur: in der Verbindung zwischen dem Namen-des-Vaters (Lob Gottes) und dem Objekt a (als Körperöffnung).]
„Nichts macht dieses Aufklaffen notwendig.“ [? Was könnte das heißen?]
Eine Parabel über die Signifikantenakkumulation als Meteor
„Wenn wir in etwas eintreten, dessen Wirksamkeit (efficace) nicht geklärt ist, aus dem einfachen Grunde, dass wir nicht wissen, wie es gekommen ist, dass hier, wenn ich so sagen darf, eine Signifikantenakkumulation stattgefunden hat …“ [Das Substantiv efficace (statt efficacité) verweist auf die religiöse Sphäre, es bezieht sich z.B. auf die Wirksamkeit von Gebeten, siehe hier.] [? Ist dies gemeint: Mit dem Thema „Lob Gottes“ betreten wir eine Sphäre, deren Wirksamkeit nicht geklärt ist, und dies deshalb nicht, weil wir nicht wissen, welche Signifikantenakkumulation hier stattgefunden hat, anders gesagt: in welcher Sprache das Lob Gottes artikuliert wird –?]
„ … dass wir nicht wissen, wie es gekommen ist, dass hier, wenn ich so sagen darf, eine Signifikantenakkumulation stattgefunden hat, denn die Signifikanten, Achtung, ich sag’s Ihnen, sind in der Welt verbreitet, in der Natur gibt es sie haufenweise.“ [Damit hat Lacan eine Überleitung vom „Signifikanten an sich selbst“ – vom Herrensignifikanten, S1, – zur „Signifikantenakkumulation“ hergestellt, zum Wissen, S2.] [Möglicherweise ist folgende Problemstellung gemeint: Wie kommt es von der Verstreuung der Signifikanten in der Welt zur Akkumulation der Signifikanten, wie kommt es dazu, dass die Signifikanten an einem bestimmten Platz ein synchrones System bilden und damit differentiell funktionieren können.]
Wenn man erklären will, wie die Sprache entsteht, besteht das Problem darin, dass man das Funktionieren der Sprache dabei voraussetzen muss. [Bei der Erklärung des Ursprungs der Sprache verstrickt man sich in eine Form des Widerspruchs, die Petitio principii genannt wird: Man setzt voraus, was zu beweisen ist. Das ist bei vielen Ursprungserklärungen so. Deshalb kann die Frage des Ursprungs häufig nur durch einen Mythos oder etwas Ähnliches beantwortet werden, etwa durch eine Parabel, wie im Folgenden.]
Da es um das Unbewusste geht [um das Unbewusste als Signifikantenakkumulation, als Wissen, S2], muss man neben den Signifikanten, die in der Welt zirkulieren, außerdem den zerstückelten Körper voraussetzen. [Die Signifikanten des Unbewussten bestehen zunächst aus den Elementen des Organismus, hieß es u.a. im Psychosen-Seminar. Die Konversionshysterie beruht auf der Phantasie des zerstückelten Körpers, wie Lacan im Beitrag zur Übertragung geschrieben hatte.]
Lacan trägt nun eine Parabel über die Entstehung der Sprache vor. Er nennt das auch „Ursprungsspiel“. Was erklärt werden soll, ist speziell die Signifikantenakkumulation [das heißt vermutlich: der Übergang von S1 zu S2, die Entstehung des Unbewussten als Wissen]. [Die Pointe der Geschichte besteht darin, dass der zerstückelte Körper hier die Form einer Himmelserscheinung annehmen wird, eines Meteors.]
Auch hierbei wird vorausgesetzt, dass es bereits etwas gibt, nämlich Geschichten über das Territorium. [Um die Einwirkung der Sprache auf das Reale darzustellen, braucht man einen nicht-sprachlichen Ausgangspunkt. Diese Funktion hat hier das Territorium. Man solte sich daran erinnern, dass Lacan den Anderen (seit Seminar 5) als „Ort des Sprechens“ bezeichnet. In Freuds Terminologie geht es jetzt also um eine „Topik“, Lacan sagt meist „Topologie“. Auch damit ist man allerdings nicht in einer sprachfreien Sphäre – den Ausgangspunkt bilden die „Geschichten“ über das Territorium – die Topik muss umgangssprachlich eingeführt werden. Im Folgenden geht es um „Geschichten“ im engeren Sinne, um eine „Parabel“, wie Lacan sagt, um eine lehrhafte Erzählung.]
[Lacans Parabel besteht aus fünf Schritten.]
[Erster Spielzug:] Der Signifikant „mein rechter Arm“ erntet etwas im Garten des Nachbarn, z. B. Äpfel. [Es gibt aneinander angrenzende Territorien, also offenbar Privateigentum, und es gibt meinen rechten Arm offenbar als Element des zerstückelten Körpers, das heißt als abgetrenntes Ding, das seinen Platz wechseln kann. Der Mensch ist hier jemand, der, so scheint es, Hunger hat; ein Ausgangspunkt ist, wie in Seminar 5, das Bedürfnis.]
[Zweiter Spielzug:] Der Nachbar ergreift den Signifikanten „rechter Arm“ und wirft ihn zurück. Das wird „Projektion“ genannt [entsprechend der wörtlichen Bedeutung des Ausdrucks, nämlich „Wegwurf“]. [? Spielt Lacan hier auf die Fehlhandlung an? Das Pflücken des Apfels wäre dann die Handlung, der Arm wäre der Signifikant, der bei einer Handlung immer im Spiel ist120, und durch das Zurückwerfen würde die Handlung zur Fehlhandlung – ? Für die Deutung als Akt spricht, dass es hier um einen Anfang geht sowie um eine Grenzüberschreitung – der Akt setzt einen neuen Anfang und ist mit einer Überschreitung verbunden, heißt es in Seminar 15.120] [Die Parabel erinnert, ironisch, an Melanie Klein und das von ihr betonte Wechselspiel von Projektion und Introjektion.] [? Lacan deutet an, dass es einen engen Zusammenhang gibt zwischen der Entstehung des Unbewussten und dem Mechanismus der Projektion. Worin besteht er?]
[Alternative zu den ersten beiden Spielzügen:] Wenn der Signifikant „rechter Arm“ im Garten des Nachbarn nicht geerntet hätte, sondern ruhig gewesen wäre, hätte der Nachbar ihn wahrscheinlich |[17] angebetet. Dies ist der Ursprung des Herrensignifikanten: ein rechter Arm, ein Szepter. Da sieht man, wie der Herrensignifikant sich materialisiert. [Der Herrensignifikant ist demnach ein Signifikant, der vom anderen angebetet wird; ein Herrensignifikant ist ein Signifikant, an den geglaubt wird. Das Szepter wird in der Psychoanalyse üblicherweise als Phallus-Metapher gedeutet. Die Anbetung verweist auf die Religion und damit wieder einmal auf den Namen-des-Vaters.]
[Man muss also zwei alternative Existenzweisen des Signifikanten „rechter Arm“ unterscheiden: als das, was verehrt wird (Herrensignifikant), und als das, was zurückgeworfen wird und damit den Ursprung der Signifikantenakkumulation bildet. Das Zurückwerfen ist möglicherweise eine Metapher für die Verdrängung. Am Anfang steht also die Identifizierung (Herrensignifikant, S1) und das „Zurückwerfen“, vermutlich: die Bildung des Unbewussten durch Verdrängung, S2.]
[Erläuterung zum zweiten Spielzug] Es ist nicht zwangsläufig so, das es mein Arm ist, der mir zugeworfen wird, denn die Signifikanten sind nicht individuell, man weiß nicht, welcher wem gehört. [Hier geht es also um den Übergang vom individuellen Charakter des Organs zum transindividuellen Charakter des Signifikanten. Das heißt vielleicht: Was verdrängt wird, kommt nicht unbedingt von mir, es kann über die Generationen hinweg überliefert werden.]
[Dritter Spielzug:] Es ist möglich, dass ich durch die „Projektion“ nicht nur einen Arm erhalte, sondern mehrere Arme. Von diesem Moment an ist nicht mehr wichtig, ob es meiner ist oder nicht. [Damit sind wir bei der Pluralität der Signifikanten an einem bestimmten Ort, also bei der Signifikantenakkumulation, also bei einer Entsprechung zu S2 als dem unbewussten Wissen.]
Dies ist ein anderes Ursprungsspiel als der Ödipuskomplex. [Die Parabel soll, wie der Ödipuskomplex, die Entstehung des Unbewussten erklären.]
Die Welt ist in Territorialzellen aufgeteilt. Dabei geht es um die Funktion des Zufalls. Es kann sein, dass man nicht nur einen fremden Arm zugeworfen bekommt, sondern mehrere. Von dem Moment an, wo einem mehrere Arme zugeworfen werden, ist es nicht mehr wichtig, ob es der eigene ist oder nicht. [? Worauf zielt das ab?]
[Vierter Spielzug:] Vom Inneren eines Territoriums aus kennt man nur die eigenen Grenzen und weiß nicht notwendigerweise, dass es hinter der Grenze sechs weitere Territorien gibt. [Diese Topik erinnert an eine Bienenwabe.] Man schleudert den Arm deshalb so, wie man’s grad kann. [Der Werfende ist jetzt offenbar „ich“; sein Wurf hat keinen bestimmten Adressaten. Mir werden mehrere Arme zugeworfen und ich werfe sie über die Grenze, ohne zu berücksichtigen, über welchen Grenzabschnitt.]
[Fünfter Spielzug:] Deshalb kann es passieren, dass es in diesen Territorien einen Regen [von rechten Armen] gibt. [Hier sind offenbar die angrenzenden Territorien gemeint. Der Regen ist ein „Meteor“, sagt Lacan in Seminar 16121, wir sind immer noch bei den Himmelserscheinungen.]
Es gibt also eine Beziehung zwischen der Zurückweisung von etwas und dem Herrensignifikanten, das sollte man festhalten. [Mein rechter Arm wird vom Nachbarn entweder zurückgewiesen oder angebetet, im zweiten Fall wird er zum Herrensignifikanten. Das waren die beiden ersten Spielzüge und deren Alternativen. Vielleicht eine Anspielung darauf, dass die Identifizierung (Herrensignifikant) sich auf das Liebesobjekt bezieht, das unerreichbar ist.]
Das, worum es aber vor allem geht, ist, dass ich die rechten Arme zurückwerfe und dass es hierdurch, in einem Zufallsprozess, an bestimmten Punkten [in den angrenzenden Territorien] zu einer Signifikantenakkumulation kommt.
Von hier aus kann die Entstehung einer Sprache begriffen werden.
Den Zusammenhang zwischen dem zerstückelten Körper und den Signifikanten sieht man bei der Schrift: Der Buchstabe A ist ein umgedrehter Stierkopf und es gibt weitere Elemente, die ähnlich sind. [Buchstaben sind Elemente – das griechische Wort stoicheion meint sowohl das Element als auch den Buchstaben.]
Lacan verweist auf zwei Lücken in seiner Parabel. Die eine besteht darin, |[18] dass die Möglichkeit der „Ektopie“ und des „Ausflugs“ [also der Abtrennung des Arms] vorausgesetzt wird. [Offenbar will er andeuten, dass er in der Parabel das Konzept des Schnitts nicht untergebracht hat.] Es ist jedoch noch alles da, vor einigen Tagen gab es ein Photo in einer Zeitung, das offenbar zeigte, wie ein Mensch zerschnitten wurde [Enthauptung?]. Er wurde „auf einem menschlichen Wesen“ zerschnitten [? mir ist nicht klar, was das hier meint]. [Zerstückelungsphantasmen werden weiterhin realisiert.]
Eine zweite Lücke besteht darin, dass durch die Parabel nicht erklärt wird, wie es eine Gesellschaft von Signifikanten geben kann, analog zu der an Hegel gerichteten Frage, wie es eine Gesellschaft von Herren geben kann. [Lacan spielt hier vielleicht darauf an, dass eine Gesellschaft von Herren Freud zufolge auf Homosexualität beruht.122 In Seminar 20 von 1972/73, Encore, wird Lacan ein Ensemble von Herrensignifikanten als essaim bezeichnen, „Schwarm“, wobei er auf die Lautgleichheit mit S1 anspielt, französisch ausgesprochen: S-un. ]
Nach einigen Spielzügen gibt es in einigen Territorien einen Signifikantendurchschnitt, der höher ist als in anderen. [Mit „Durchschnitt“ könnte gemeint sein: Die Arme bzw. Signifikanten fliegen hin und her, dadurch verändert sich in einem bestimmten Territorium beständig ihre Anzahl. Für eine bestimmte Zeit und für ein bestimmtes Territorium kann jedoch ihr Durchschnitt berechnet werden. Zufällig ist also, ob es in einem Territorium durchschnittlich mehr oder weniger rechte Arme gibt.]
Es bleibt jedoch offen, wie die Signifikanten in einem Territorium eine Signifikantengesellschaft werden bilden können. [? Bezieht sich das darauf, dass von Lacan die Funktion Name-des-Vaters nicht in die Parabel eingeführt wurde?]
[Einige Bestandteile von Lacans Parabel erinnern an Deleuze/Guattari, Anti-Ödipus: Kritik des Ödipuskomplexes, Begriff des Territoriums, Bezug auf die Schizophrenie (für welche, Lacan zufolge, die Phantasie des zerstückelten Körpers charakteristisch ist). Statt des organlosen Körpers gibt es bei Lacan die körperlosen Organe. Der Anti-Ödipus erschien jedoch erst ein Jahr später, 1972. Gab es bereits vorher einen ähnlichen Text von Deleuze/Guattari, auf den Lacan sich hätte beziehen können?]
„vom Schein“: Genitivus objectivus und „subjectivus“
Der Genitiv im Titel „D’un discours qui ne sarait pas du semblant“ ist ein Genitivus objectivus, es geht um den Schein als Gegenstand des Diskurses. [Der Titel ist also so zu lesen: „Über einen Diskurs, der nicht ein Diskurs über den Schein wäre“, „Über einen Diskurs, in dem der Schein nicht ein Gegenstand des Diskurses wäre“.]
[Schein als Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses: Meteore. Schein als Gegenstand des religiösen Diskurses: die Rede von den Tieren, die Gott anbeten. Schein als Gegenstand des psychoanalytischen Diskurses: Beziehung zu Idealich/Ichideal.]
Der Bezug auf dieses Objekt, auf den Schein als eigenes Objekt, regelt die „Ökonomie“ des Diskurses. [Unter dem „ökonomischen Gesichtspunkt“ versteht Freud den Bezug auf Libido-Quantitäten. Also könnte hier die Verbindung von Diskurs und Jouissance gemeint sein.]
[Schein (IX): Im Seminartitel Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Genitiv als Genitivus objectivus zu nehmen, es geht um den Schein als Objekt des Diskurses. Der Bezug auf den Schein als Objekt regelt die Ökonomie des Diskurses. (20)]
Ist der Genitiv in „D’un discours qui ne sarait pas du semblant“ auch ein Genitivus subjectivus? [Anders gefragt: Könnte der Titel auch etwa so übersetzt werden: „Über einen Diskurs, der nicht ein vom Schein bestimmter Diskurs wäre“?] Ja. [Man kann den Titel so deuten: „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein bestimmt wäre“. Das wird durch das Diskursschema angezeigt: Der Platz oben links ist der Platz des Scheins. Anders gesagt: Ein Diskurs geht immer vom Schein aus.]
Allerdings ist das Wort „subjektiv“ problematisch. Das Subjekt [im Sinne von Lacan] ist der Effekt einer Signifikantenverbindung, es beherrscht nicht die Signifikantenartikulation [daran hatte Lacan zu Beginn dieser Sitzung erinnert.] [Der Seminartitel meint demnach sowohl „Über einen Diskurs, der nicht über den Schein wäre“ als auch „Über einen Diskurs, den nicht vom Schein hervorgerufen werden würde“. Die von mir gewählte Übersetzung enthält diese Mehrdeutigkeit: „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“, „vom Schein“ meint hier zugleich „über den Schein“ und „vom Schein ausgehend“.]
[Schein (X): Im Seminartitel Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Genitiv auch als Genitivus subjectivus zu verstehen, es geht auch darum, dass der Diskurs vom Schein ausgeht. [RN: Vgl. Diskursschema.] Allerdings ist der Ausdruck „subjektiv“ problematisch. (20)]
[Der Schein ist also erstens das Objekt des Diskurses und zweitens das, was den Diskurs hervorbringt.]
[In welchem Sinne ist der Schein ein Objekt des Diskurses?] Ein Diskurs macht Schein, wie man sagt „il fait florès“ (es bringt zum Leuchten, er hat Erfolg) oder „il fait léger“ (es wirkt locker, es sieht leicht aus), „il fait chic“ (es macht was her, es wirkt schick). [Das „fait“ bedeutet hier in etwa „wirken als“. „Der Diskurs macht Schein“ meint also: „Der Diskurs wirkt wie Schein“, „macht den Eindruck von Schein“, „erzeugt den Eindruck von Schein“.]
„Wenn das, was an Sprechen geäußert wird, genau deshalb wahr ist, weil es immer ganz authentisch das ist, was es [das Sprechen] auf der Ebene ist, auf der wir sind, auf der des Objektiven und der Artikulation, dann tritt der Schein also genau als Objekt dessen auf, was im Diskurs produziert wird. Von daher der, streng gesagt, |[19] unsinnige Charakter dessen, was artikuliert wird.“
[Hier geht es wieder um die Dialektik von Wahrheit und Schein. Wenn die Wahrheit sich im authentischen Sprechen zeigt, dann ist das Objekt, das im Diskurs produziert wird, der Schein.] [? Diese Passage habe ich nicht verstanden.]
[– Was im Sprechen geäußert wird, ist deshalb wahr, weil es authentisches Sprechen ist, und zwar sowohl auf der Ebene des Objektiven als auch auf der Ebene der Artikulation. Das erinnert an den Begriff des „vollen Sprechens“ im Rom-Vortrag. Vorher in dieser Sitzung hatte Lacan es so formuliert: Über die Wahrheit einer Deutung wird durch die Fortsetzung des Diskurses entschieden. Wenn man beides zusammenfügt, erhält man: Über die Wahrheit einer Deutung wird durch die Fortsetzung des Diskurses (des Sprechens) entschieden, sofern dieser Diskurs ein authentisches Sprechen ist.] [? Was ist mit der Ebene des Objektiven gemeint? Der Gegenstand oder Inhalt des Sprechens (énoncé)? Das Objekt a? Beides?]
[– Deshalb tritt der Schein als Objekt dessen auf, was im Diskurs produziert wird.] [Das, was im Diskurs produziert wird, ist im Diskursschema am Platz unten links, dem Platz der Produktion. Wenn man den Platz oben links als „Schein“ bezeichnet – diese Umbenennung wird Lacan jedoch erst einige Sitzungen später vornehmen – dann ginge es hier um die Beziehung zwischen dem Platz unten rechts und dem Platz oben links, also gewissermaßen um eine der Diagonalen im Diskursschema.]
[– Von daher der streng gesagt sinnlose Charakter dessen, was artikuliert wird: „Schein“ wird hier mit „sinnlos“ übersetzt. Das, was im Diskurs artikuliert wird ist sinnlos, ist Schein.] [? Inwiefern ist das, was artikuliert wird, strenggenommen sinnlos?]
[Schein (XI): Der Schein ist Gegenstand, auf den sich bezieht, was im Diskurs produziert wird (RN: anders gesagt, der Diskurs handelt vom Schein). Von daher der sinnlose Charakter dessen, was artikuliert wird. (18 f.)]
„nicht wäre“: implizite Existenzbehauptung
Hier zeigt sich der Reichtum der Sprache, sie enthält eine Logik, die über alles hinausgeht, was uns gelingt, aus ihr herauszuziehen. [Darauf bezieht sich Lacans Diktum „Es gibt keine Metasprache“ – jede Formalisierung muss sich letztlich auf die Umgangssprache stützen, deren Logik nicht vollständig objektiviert werden kann.]
Der Titel hat eine hypothetische Form. [Damit bezieht Lacan sich auf das „wäre“: „ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre“. Ausformuliert lautet die implizite Behauptung „Es gibt einen Diskurs, der nicht vom Schein ist“; sie hat den Status einer Hypothese, das heißt einer Annahme, die möglicherweise wahr ist, deren Gültigkeit jedoch nicht bewiesen ist: „Möglicherweise gibt es einen Diskus, der nicht vom Schein ist.“ Ende des Jahres wird Lacan sagen, dass es einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, nicht gibt.123 Gemeint ist mit dem „wäre“ also: einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, gibt es nicht. Offen bleibt damit, ob es unter bestimmten Umständen einen solchen Diskurs geben kann und Lacan möchte offenbar das Begehren nach einem solchen Diskurs anstacheln.]
In der Logik spielt die Hypothese eine entscheidende Rolle. [Die Prämissen werden als Hypothesen aufgefasst und die Wahrheit der Konklusion davon ab Charakter: Wenn dies wahr wäre (die Prämissen), dann ist auch dies wahr (die Konklusion).]
Im Modus ponens ergibt sich die Schlussfolgerung daraus, dass ein Term im Inneren dieser Hypothese als wahr angezeigt wird. [Der Modus ponens ist die folgende Schlussfolgerung:
Erste Prämisse: wenn p, dann q (z.B. „Wenn sie mich anlächelt, dann liebt sie mich.“) Hier haben wir die materiale Implikation.
Zweite Prämisse: p („Sie lächelt mich an.“)
Konklusion: q („Sie liebt mich.“)
p und q stehen für Aussagen. Mit dem „Term“ im Inneren der Hypothese, der als wahr angezeigt wird, meint Lacan vermutlicht die zweite Prämisse („nun ist aber q wahr). Die Prämissen haben hypothetischen Charakter: „Falls dies wahr ist: »wenn p, dann q«, und falls dies wahr ist, nämlich p“.
Der Modus ponens beruht auf der WWW-Verbindung der Wahrheitstabelle der materialen Implikation.]
Es gibt noch weitere solche Schlussregeln, es ist bekannt, was die Logiker damit gemacht haben. [Sie haben Kataloge von Schlussregeln erstellt: Modus tollens, Kettenschluss, Fehlschlüsse usw.]
Womit die Logiker sich offenbar noch nicht beschäftigt haben, sagt Lacan, ist die negative Hypothese. [Positive Hypothese meint hier eine Hypothese, die die Form einer bejahenden Aussage hat: „Es ist möglicherweise wahr, dass S P ist“, z.B. „Es ist möglicherweise wahr, dass der Diskurs vom Schein ist“. Unter einer negativen Hypothese kann eine Hypothese verstanden werden, in der die Wahrheitsbehauptung verneint wird: „Es ist möglicherweise nicht wahr, dass S P ist“, z.B. „Es ist möglicherweise nicht wahr, dass der Diskurs vom Schein ist“. Denkbar ist aber auch, dass Lacan unter eine negativen Hypothese die folgende Aussage versteht: „Es ist möglicherweise wahr, dass der Diskurs nicht vom Schein ist.“ Da Lacan Ende des Jahres deutlich sagen wird, dass es einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, nicht gibt, halte ich eine dritte Aussage für die wahrscheinlichste: „Es ist möglicherweise nicht wahr, dass der Diskurs nicht vom Schein ist.“ ]
Dabei hatte Freud bereits auf einen wichtigen Unterschied zwischen Bejahung und Verneinung verwiesen. Freud sagt, dass die Bejahung nur ein Attributionsurteil enthält, das kein Urteil über die Existenz vorwegnimmt. [In einem Attributionsurteil wird eine Eigenschaft zu- oder abgesprochen. Ein bejahendes Attributionsurteil ist beispielsweise: „Der Diskurs ist vom Schein.“ Ein verneinendes Attributionsurteil ist: „Der Diskurs ist nicht vom Schein.“ Die Eigenschaft „vom Schein“ wird zu- oder abgesprochen. Ein Existenzurteil beginnt mit „Es gibt“ oder „Es existiert“. Also beispielsweise: „Es gibt einen Diskurs.“]
[Im bejahenden Attributionsurteil wird kein Urteil über die Existenz vorweggenommen. Beispielsweise: Wenn ich behaupte: „Der Diskurs ist vom Schein“ impliziert das nicht die Behauptung „Es gibt einen Diskurs“. Ein Beispiel, womit sich das plausibel machen lässt: Die Behauptung „Hexen sind zaubernde Wesen“ impliziert nicht die Behauptung „Es gibt Hexen“.]
Das war zu Freuds Zeiten nur wenigen Logikern klar.
Einzig das Setzen einer Verneinung impliziert die Existenz dessen, was negiert wird. [Lacan sagt gewissermaßen: Wenn ich behaupte „Hexen sind keineswegs zaubernde Wesen“, behaupte ich damit implizit, dass es Hexen gibt. Wenn ich sage „Der Diskurs ist nicht vom Schein“ impliziert das die Existenzbehauptung „Es gibt einen Diskurs“. Das ist möglicherweise eine weitere Anspielung auf den Existenzquantor und auf den Gegensatz zwischen dem Existenzquantoren „es gibt“ bzw. „es gibt nicht“ und dem Allquantor „alle“ bzw. „nicht alle“, auf dem später in diesem Seminar die Formeln der Sexuierung aufgebaut sein werden.]
Aus diesem Grunde impliziert die Rede vom Diskurs, der nicht vom Schein wäre, die Behauptung, dass der Diskurs vom Schein ist. [Das negative hypothetische Attributionsurteil „Möglicherweise gibt es einen Diskurs, der nicht vom Schein ist“ impliziert die Existenzbehauptung „Es gibt Diskurse, die vom Schein sind“. Da Lacan später sagen wird, dass es Diskurse, die nicht vom Schein sind, nicht gibt, dürfte gemeint sein: „Diskurse sind vom Schein“.]
[? Mir ist nicht klar, ob sich Lacans These, dass das negative Attributionsurteil ein Existenzurteil impliziert, begründen lässt und ob er irgendwo versucht, die Begründung zu liefern. Auf jeden Fall finden man diese These nicht in Freuds Aufsatz über die Verneinung.]
„Ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre“
Vorbereitung durch Freud: Wiederholung jenseits des Lustprinzips
Wenn man das so formuliert [nämlich „Ein Diskurs der nicht vom Schein wäre“] hat das den Vorteil, dass man nicht sagt, um den Schein von was es dabei geht [was also gewissermaßen das nicht-scheinhafte Wesen ist, das der scheinhaften oder nicht scheinhaften Erscheinung zugrundeliegt]. Worum geht es in dem Diskurs, der nicht vom Schein wäre? Das will Lacan anschließend erläutern.
Das Gelände [das Lacan hier erkundet] ist durch Freud mit Jenseits des Lustprinzips vorbereitet worden. Der Anknüpfungspunkt ist dort der Zusammenhang von Wiederholung und Jouissance. [Freud sagt dort:] Die mit der Wiederholung verbundene Jouissance läuft dem Lustprinzip zuwider. [Die mit dem Wiederholungszwang verbundene Erregung untersteht nicht oder nur sekundär der Herrschaft des Lustprinzips. Das Lustprinzip besagt, dass das Funktionieren des psychischen Apparats dadurch bestimmt ist, Lust zu verschaffen, und dass Lust durch Verminderung der Erregungsquantität entsteht, was als Entspannung empfunden wird. Unter „Jouissance“ versteht Lacan eine Erregungsdynamik, bei der die Spannung steigt, mit Freud: bei der die Erregungsquantitäten erhöht werden, was oft als Unlust empfunden wird.] Das Lustprinzip erholt sich davon nicht wieder [es wird für Freud zu einem Faktor, der sekundär in die Jouissance eingreift]. [Praktisch zeigen dies etwa die negative therapeutische Reaktion und der Masochismus.]
Der Hedonismus [die Philosophie des Lustprinzips] erweist sich im Lichte der Psychoanalyse als ein philosophischer Mythos, das heißt als ein Mythos einer streng definierten Klasse [nämlich als ein Mythos, der im Dienste des Herrn steht, im Gegensatz zu den Mythen der sogenannten primitiven Gesellschaften, die nicht auf dem Herrendiskurs beruhen]. [Ende desselben Jahres wird Lacan sagen: „Das Lustprinzip ist eine Bezugsgröße der antiken Moral. In der antiken Moral ist die Lust, die gerade darin besteht, daraus so wenig wie möglich zu machen, otium cum dignitate [Muße mit Würde], eine Askese.124]
[20] Beim Prozess des Herrn [bei der Durchsetzung des Herrendiskurses] haben die Philosophen Hilfe geleistet, indem sie es dem Herrendiskurs ermöglicht haben, ein Wissen aufzubauen, das ein Wissen des Herrn ist [die Philosophie entzieht dem Sklaven das Wissen und macht daraus ein Herrenwissen, wie Lacan in Seminar 17 am Beispiel von Platons Dialog Menon zu zeigen versucht hatte.] [Bringt man das mit den vorangegangenen Bemerkungen zusammen, kann man sagen, dass dies damit einherging, dass sie einen Mythos von der Alleinherrschaft des Lustprinzips entwickelt haben.]
Dieses Wissen [des Herrn] hat ein anderes Wissen unterstellt, nämlich darüber, dass es eine Beziehung zwischen dem Wissen und der Jouissance [jenseits des Lustprinzips] gibt, wie Hegel [in der Phänomenologie des Geistes, im Kapitel über Herrschaft und Knechtschaft] andeutungsweise gesehen hat. Allerdings sieht Hegel nur, wie durch die Arbeit des Knechts das Wissen des Herrn vollendet wird [er sieht nicht oder nicht klar den Zusammenhang zwischen dem Wissen und der Jouissance]. [Bezogen auf die Formel des Herrendiskurses – – heißt das: Hegel kommt nur bis zu S2 am Platz oben rechts, nicht bis zu a am Platz unten rechts. Er sieht nicht, dass die Jouissance auf der Seite des Knechts ist.125 Der Zusammenhang zwischen Wissen und Jouissance ist für das Unbewusste charakteristisch: das Unbewusste (das Wissen, S2) dient, mit Freud zu sprechen, der Triebbefriedigung (der Jouissance, a).]
Der Tod als Schein
Die Freud’sche Hypothese [über den Zusammenhang von Wiederholung und Jouissance in Jenseits des Lustprinzips] hat die Form eines Syllogismus.
[Erste Prämisse:] Wenn wir „Lustprinzip“ das nennen, wodurch das Lebendige dazu gebracht wird, sein Verhalten beständig auf ein Niveau der minimalen Erregung zurückzuführen.
[Zweite Prämisse:] Und wenn die Wiederholung auf eine Weise operiert, die dazu führt, dass eine gefährliche Jouissance zurückgebracht wird, eine Jouissance, die diese minimale Erregung übersteigt.
[Konklusion:] Dann muss man annehmen, dass das Leben die Möglichkeit der Wiederholung enthält, die eine Rückkehr zu dieser Welt wäre, insofern sie Schein ist.
[Das ist offenbar eine Umformulierung von Freuds These, dass dem belebten Organischen ein Drang zur Wiederholung eines früheren Zustands innewohnt und dass dieser frühere Zustand der Tod ist. „Das Ziel allen Lebens ist der Tod.“126
Der Syllogismus ist möglicherweise: Wenn es das Streben nach geringstmöglicher Erregung gibt, und wenn es Wiederholung gibt, dann muss es – neben der uns bekannten entgegengesetzt gerichteten Wiederholung – auch eine Wiederholung geben, die auf geringstmögliche Erregung aus ist.
Der Begriff des Scheins wird hier nicht durch den Signifikanten erläutert, sondern durch die Jouissance: die Welt des Scheins ist die Welt der Jouissance auf niedrigstem Niveau.] [? Inwiefern ist dies die Welt des Scheins?]
[Ist mit Schein also dies gemeint: „der Signifikant, insofern er mit einer möglichst geringen Erregung verbunden ist, mit einer möglichst geringen Jouissance“ – ?]
Dabei muss man berücksichtigen, dass das Leben in der Welt etwas Neues ist; die Welt enthält nicht überall Leben.
Die mit dem Leben verbundene Jouissance lässt sich durch eine Kurve der Erregungsintensität darstellen [in Form einer Parabel], die keine obere, sondern nur eine untere Grenze hat. Nach oben kann sie bis ins Unendliche gehen. Nach unten hat sie als Grenze den unteren Tangentialpunkt, den |[21] „supremen“ Punkt, was meint: den niedrigsten Punkt einer oberen Grenze. Die Jouissance ist also nicht durch eine obere, sondern durch eine untere Grenze zu charakterisieren; es ist nicht durch auf- und absteigende Erregungskurven darzustellen, die an eine obere Grenze heranführen.
Dieser niedrigste Punkt einer oberen Grenze ist ein tödlicher Punkt. [Demnach ist der Schein der Signifikant, insofern er „tot“ ist, insofern er mit einer sehr geringen Erregung verbunden ist. Damit sind wir wohl wieder beim Namen-des-Vaters: der Name-des-Vaters ist der tote Vater, hatte Lacan früher immer wieder gesagt.]
Und dieser tödliche Punkt ist ein Charakteristikum des Lebens. [Lacan folgt hier Freud darin, dass das Leben auf den Tod abzielt.] Der tödliche Punkt als Charakteristikum des Lebens ist nicht zu verwechseln mit dem Nicht-Leben, mit der unbelebten Welt, in der es jede Menge Bewegung gibt [aber keine Jouissance, keine Erregung]; die unbelebte Welt [keine Erregung] ist nicht der Tod [der Tod ist minimale Erregung].
Der Tod ist der Endpunkt der Jouissance des Lebens. [Der Tod ist die untere Grenze in der „Jouissance“ genannten Form der Erregung jenseits des Lustprinzips. Der Tod ist also keineswegs die Nicht-Jouissance, er ist nur eine Jouissance auf niedrigstem Niveau. Anderes gesagt: Wenn ich tot sein werde, wird mein Körper nicht anorganisch, er wird immer noch ein genießender Körper sein, es wird immer noch Leben in ihm sein, sagen wir: das Leben der Würmer, eine schwache Jouissance. Der tote Körper ist weiterhin organisch: er verfault.]
[Wie ist die Kurve zu deuten? Die beiden Äste der Parabel führen nach oben ins Unendliche, damit wird illustriert, dass die Jouissance darauf aus ist, die Erregungsintensität zu steigern, ohne dass es hierfür eine innere Grenze gibt. Es gibt eine obere Grenze, aber sie wird von außen gesetzt, durch das entgegengesetzt wirkende Lustprinzip. Die Jouissance hat eine innere untere Grenze. Dies ist der Tod, der eine minimalisierte Jouissance ist.
Lacan nennt dies den Freud’schen Hyper-Hedonismus. [Der Hyper-Hedonismus von Freud besteht darin, dass auch der Tod als eine Form der Erregungsminimierung aufgefasst wird, also des Hedonismus.]
Die Jouissance ist ein Diskurseffekt: die unmögliche Mehrlust
Die Ökonomie [im Sinne der Erregungsabläufe, der Jouissance] ist immer ein Diskursfaktum. Das gilt auch für die Ökonomie der Natur. [Zwei Jahre später, in Television, wird Lacan sagen, die Energie sei keine Substanz, sondern eine Zahlenkonstante, die der Physiker für seine Berechnungen braucht.127]
Die Jouissance ist nicht nur ein Diskurs-Fakt (fait), sondern auch ein Diskurs-Effekt (effet). [Insofern nämlich, als der Diskurs einen Jouissance-Verlust herbeiführt, die Mehrlust.]
Wenn das Unbewusste als Sprachstruktur nur halbgesagt werden kann, dann deshalb, damit schließlich die Konturen dieses Diskurseffekts erscheinen, der uns bis dahin als unmöglich erschien, nämlich der Mehrlust. [Ich verstehe das so: Die halbe Wahrheit, die sich sagen lässt, ist, dass das Unbewusste strukturiert ist wie eine Sprache.Die unsagbare Hälfte bezieht sich auf die Mehrlust, sie ist unmöglich, das heißt, hier stößt das Sprechen auf eine Grenze.]
[Den Begriff der Mehrlust hatte Lacan in Seminar 16 eingeführt, Von einem Anderen zum anderen (1968/69) (eine Übersetzung der entsprechenen Sitzung findet man auf dieser Website hier). Die Mehrlust ist das durch die Einwirkung der Sprache verlorene Jouissance. Der Trieb zielt auf die „Wiederholung eines primären Befriedigungserlebnisses“, sagt Freud in Jenseits des Lustprinzips, auf das Wiederfinden einer verlorenen Jouissance. Um die verlorene Jouissance herum werden die Objekte gebildet, die das Begehren hervorrufen, die Objekte a: Brust Kot, Stimme, Blick. Es sind verlorene Objekte, sie verkörpern das, was dem Subjekt fehlt. Die Dimension des Mangels, des Fehlens kann von der Logik nicht erfasst werden; diese These entwickelt Lacan in Seminar 14, Die Logik des Phantasmas (1966/67).]
Wenn die Mehrlust unmöglich war, ist sie dann Reales? [Lacan spielt hier an auf sein Diktum „Das Reale ist das Unmögliche“, das er seit Seminar 9 in jedem Seminar aufgegriffen hatte.] Lacan wirft die Frage auf. [Im folgenden Satz deutet er eine Antwort an.]
Der Einbruch des Diskurses des Unbewussten in das, was ihm vorausging, impliziert nichts, was bereits seiner Struktur unterworfen war. [Ich nehme an, das Folgendes gemeint ist: Das, wohinein der Diskurs des Unbewussten einbricht, ist die Jouissance (die Erregungsabläufe). Die Jouissance hat eine völlig andere Struktur als der Diskurs des Unbewussten. Aus diesem Grunde ist die Jouissance bzw. die Mehrlust etwas Reales, das heißt etwas, was zu symbolisieren unmöglich ist.]
Der Diskurs des Unbewussten ist eine Emergenz [etwas radikal Neues], die Emergenz einer bestimmten Funktion des Signifikanten [also die Entstehung einer völlig neuen Signifikantenfunktion]. [Die Besonderheit dieser Signifikantenfunktion besteht darin, dass die Signifikanten hier nicht bewusst sind.]
Bis zum Einbruch des Diskurses des Unbewussten hatte der Signifikant als Anzeichen (enseigne) existiert. Unter diesem Aspekt hatte er, Lacan, den Signifikanten an den Ursprung des Scheins gesetzt.
[Schein (XIII): Der Signifikant ist insofern Ursprung des Scheins als er als Anzeichen (enseigne) fungiert. Bis zum Einbruch des Diskurses des Unbewussten existierte der Signifikant als Anzeichen. (21)]
Ein Diskurs, dessen Zentrum das Unmögliche wäre
Die Konsequenzen der Emergenz des Diskurses des Unbewussten und damit einer neuen Funktion des Signifikanten, das ist das, was eingeführt werden muss. [? Welche Konsequenz ist gemeint? Hier meine (spekulative) Vermutung: Die Konsequenz des Diskurses des Unbewussten besteht darin, dass es keinen sexuellen Akt gibt (wie Lacan ab Seminar 14 sagt128), kein sexuelles Verhältnis (wie er ab Seminar 16 sagt), also im Fehlen eines Signifikanten, der das sexuelle Verhältnis herstellen würde. Dieses Fehlen wird durch den Phallus symbolisiert. Und dieser Signifikant ermöglicht es, dass die Suche nach Mehrlust als Ersatz dient.]
Die Konsequenz des Diskurses des Unbewussten muss eingeführt werden, damit sich etwas verändert – was sich aber nicht verändern kann, das gehört nicht zum Möglichen [und damit sind wir wieder beim Unmöglichen]. [Die Konsequenz der Einführung des Diskurses des Unbewussten steht also in einer Beziehung zum Unmöglichen, das heißt zum Realen. Für das Reale gibt es hier eine schöne Definition: Das Reale besteht darin, dass (durch das Sprechen) etwas verändert werden muss, was aber nicht verändert werden kann.]
Schluss-Satz: „Wenn ein Diskurs vielmehr dadurch zentriert wird, dass seine Wirkung etwas Unmögliches ist, hätte er eine gewisse Chance, ein Diskurs zu sein, der nicht vom Schein wäre.“ [Es gibt zwar keinen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, aber es gibt die Möglichkeit, dass es unter bestimmten Umständen einen Diskurs gibt, der nicht vom Schein wäre.]
[Schein (XIV): Wenn ein Diskurs dadurch zentriert wäre, dass seine Wirkung etwas Unmögliches ist, hätte er eine Chance, ein Diskurs zu sein, der nicht vom Schein wäre. (21)
Die Ordnung des Scheins hat keinen Zugang zum Unmöglichen, zum Realen, zum Referenten.] (21)
[Was wäre ist ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre? Ein Diskurs, der sein Zentrum darin hätte, das seine Wirkung etwas Unmögliches ist. Das logisch Unmögliche ist das Reale. Ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre, wäre ein Diskurs, der sich vor allem auf das Reale als das Unmögliche bezöge, also vielleicht ein Diskurs der Logik, ein Logik-Diskurs.
Zusammenstellung der Thesen zum Schein (13.1.1971)
(I) Der Schein ist der Signifikant, insofern sich nicht sagen lässt, ob er wahr oder falsch ist, er aber in der Fortsetzung des Diskurses Wahrheitseffekte hat. Der Wahrheitseffekt ist nicht vom Schein. (14)
(II) Die Wahrheit, die als Orakel spricht und „ich“ sagt (wie in „Ich, die Wahrheit, ich spreche“), dieser Schein ist der „der Signifikant an sich selbst“. Auf der Ebene des Scheins ist der Signifikant mit sich selbst identisch. (RN: Signifikanten sind differentiell organisiert, deshalb ist der Signifikant „an sich selbst“ ein Schein.) (14, 16)
(III) Der Diskurs der Wissenschaft ist von der Erörterung von Formen des Scheins ausgegangen, von der Beobachtung der Sterne, der Meteore (der Himmelserscheinungen), etwa in Descartes‘ Theorie des Regenbogens. Die Meteore sind als solche durch einen Schein charakterisiert, niemand glaubt, dass der Regenbogen ein Ding ist, das da wäre. (15)
(IV) Ein charakteristischer Meteor ist der Donner. Der Donner ist mit der Struktur des Diskurses verbunden, ohne den Donner gibt es keinen haltbaren Namen-des-Vaters. Dabei weiß man nicht, wovon der Donner ein Zeichen ist, eben das ist die Gestalt des Scheins. (15)
(V) Im Diskurs kann sich etwas nur von daher als Schein geben, dass es sich auf den Signifikanten stützt, und zwar auf den Signifikanten, insofern er mit dem Schein als solchem identisch ist. (15 f.)
(VI) Der Schein, in dem der Signifikant mit sich selbst identisch ist, ist der Schein in der Natur. (16)
(VII) Die Natur hat Schein im Überfluss, das ist bei den Tieren offensichtlich. Wenn sie etwas öffnen, einen Kopf, einen Mund usw., ist das ein manifester Schein. (16)
(VIII) Jeder Diskurs, der die Natur beschwört, geht von dem aus, was in der Natur Schein ist. Wenn fromme Seelen der Auffassung sind, dass die Tiere das Lob Gottes verkünden, beziehen sie sich auf den Schein, dass die Tiere etwas öffnen. (16)
(IX) Im Seminartitel Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Genitiv als Genitivus objectivus zu nehmen, es geht um den Schein als Objekt des Diskurses. Der Bezug auf den Schein als Objekt regelt die Ökonomie des Diskurses. (20)
(X) Im Seminartitel Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Genitiv auch als Genitivus subjectivus zu verstehen, es geht auch darum, dass der Diskurs vom Schein ausgeht. [RN: Vgl. Diskursschema.] Allerdings ist der Ausdruck „subjektiv“ problematisch. (20)
(XI) Der Schein ist Gegenstand, auf den sich bezieht, was im Diskurs produziert wird. Von daher der sinnlose Charakter dessen, was artikuliert wird. (18 f.)
(XII) Bei Freuds Todestriebhypothese – Todestrieb als Streben nach Rückkehr zu einem unbelebten Zustand – geht es um die Rückkehr zu einer Welt, insofern sie Schein ist. (RN: Demnach ist eine Bedeutung von „Schein“: das Unbelebte.) (20)
(XIII) Der Signifikant ist insofern Ursprung des Scheins als er als Anzeichen (enseigne) fungiert. Bis zum Einbruch des Diskurses des Unbewussten existierte der Signifikant als Anzeichen. (21)
(XIV) Wenn ein Diskurs dadurch zentriert wäre, dass seine Wirkung etwas Unmögliches ist, hätte er eine Chance, ein Diskurs zu sein, der nicht vom Schein wäre. (21)
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Gruppierung nach Themen:
Schein in der Natur
(VII) Die Natur hat Schein im Überfluss, das ist bei den Tieren offensichtlich. Wenn sie etwas öffnen, einen Kopf, einen Mund usw., ist das ein manifester Schein. (16)
Schein im Diskurs: Signifikant
(V) Im Diskurs kann sich etwas nur von daher als Schein geben, dass es sich auf den Signifikanten stützt, und zwar auf den Signifikanten, insofern er mit dem Schein als solchem identisch ist. (15 f.)
(II) Die Wahrheit, die als Orakel spricht und „ich“ sagt (wie in „Ich, die Wahrheit, ich spreche“), dieser Schein ist der „der Signifikant an sich selbst“. Auf der Ebene des Scheins ist der Signifikant mit sich selbst identisch. (RN: Signifikanten sind differentiell organisiert, deshalb ist der Signifikant „an sich selbst“ ein Schein.) (14, 16)
(VI) Der Schein, in dem der Signifikant mit sich selbst identisch ist, ist der Schein in der Natur. (16)
(XIII) Der Signifikant ist insofern Ursprung des Scheins als er als Anzeichen (enseigne) fungiert. Bis zum Einbruch des Diskurses des Unbewussten existierte der Signifikant als Anzeichen. (21)
Schein als Gegenstand der Diskursproduktion
(XI) Der Schein ist Gegenstand, auf den sich bezieht, was im Diskurs produziert wird. Von daher der sinnlose Charakter dessen, was artikuliert wird. (18 f.)
(IX) Im Seminartitel Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Genitiv als Genitivus objectivus zu nehmen, es geht um den Schein als Objekt des Diskurses. Der Bezug auf den Schein als Objekt regelt die Ökonomie des Diskurses. (20)
(X) Im Seminartitel Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, ist der Genitiv auch als Genitivus subjectivus zu verstehen, es geht auch darum, dass der Diskurs vom Schein ausgeht. [RN: Vgl. Diskursschema.] Allerdings ist der Ausdruck „subjektiv“ problematisch. (20)
Schein im Diskurs und in der Natur
(VIII) Jeder Diskurs, der die Natur beschwört, geht von dem aus, was in der Natur Schein ist. Wenn fromme Seelen der Auffassung sind, dass die Tiere das Lob Gottes verkünden, beziehen sie sich auf den Schein, dass die Tiere etwas öffnen. (16)
(III) Der Diskurs der Wissenschaft ist von der Erörterung von Formen des Scheins ausgegangen, von der Beobachtung der Sterne, der Meteore (der Himmelserscheinungen), etwa in Descartes‘ Theorie des Regenbogens. Die Meteore sind als solche durch einen Schein charakterisiert, niemand glaubt, dass der Regenbogen ein Ding ist, das da wäre. (15)
(IV) Ein charakteristischer Meteor ist der Donner. Der Donner ist mit der Struktur des Diskurses verbunden, ohne den Donner gibt es keinen haltbaren Namen-des-Vaters. Dabei weiß man nicht, wovon der Donner ein Zeichen ist, eben das ist die Gestalt des Scheins. (15)
Schein und Wahrheit
(I) Der Schein ist der Signifikant, insofern sich nicht sagen lässt, ob er wahr oder falsch ist, er aber in der Fortsetzung des Diskurses Wahrheitseffekte hat. Der Wahrheitseffekt ist nicht vom Schein. (14)
Schein und Jouissance
(XII) Bei Freuds Todestriebhypothese – Todestrieb als Streben nach Rückkehr zu einem unbelebten Zustand – geht es um die Rückkehr zu einer Welt, insofern sie Schein ist. (RN: Demnach ist eine Bedeutung von „Schein“: das Unbelebte.) (20)
Der Schein und das Reale
(XIV) Wenn ein Diskurs dadurch zentriert wäre, dass seine Wirkung etwas Unmögliches ist, hätte er eine Chance, ein Diskurs zu sein, der nicht vom Schein wäre. (21)
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Sekundärliteratur zu Seminar 18
Fierens, Christian: Lecture d’un discours qui ne serait pas du semblant. Le séminaire XVIII de Lacan. EME, Brüssel o.J. [2012]
Flecher, Guy: Plus de Chine [Zum Chinesischen in Seminar 18]. In: Jean-Marie Jadin, Marcel Ritter (Hg.): La jouissance au fil de l’enseignement de Lacan. Érès, Toulouse 2009, S. 300–316, Inernet hier
––: Retour sur un traduction de Mencius par Lacan. In: Website „Lacan et le monde chinois“, 2009, https://www.lacanchine.com/FG09.html
Le Gaufey, Guy: Le pastout de Lacan. Consistance logique, conséquences cliniques. EPEL, Paris 2006
Lacan et le monde chinois. Website mit zahlreichen Beiträgen
Miller, Jacques-Alain: De la nature des semblants. Cours 1991/92. Transkription im Internet hier
---: Des semblants dans la relation entre les sexes. In: La Cause freudienne, no. 36, 1997, S. 7–16, im Internet hier.
Ritter, Marcel: Vers l’écriture de la jouissance sexuelle … [Zum Begriff der Jouissance in Seminar 18]. In: Jean-Marie Jadin, Marcel Ritter (Hg.): La jouissance au fil de l’enseignement de Lacan. Érès, Toulouse 2009, S. 317–336
Salecl, Renata (Hg.): Sexuation. Duke University Press, Durham 2000
Veken, Cyril: XVIII. D’un discours qui ne serait pas du semblant [Zusammenfassung von Seminar 18]. In: Moustapha Safouan (Hg.): Lacaniana. Les séminaires de Jacques Lacan. Tome 2. 1964–1979. Fayard, Paris 2005, S. 227–252 (dt. Übersetzung in diesem Blog hier)
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NLS – New Lacanian School of Psychoanalysis, Heft 20, 2010, „Objekt a & The Semblant“, darin zum Semblant:
– Joseph Attié: Melancholia
– Graciela Brodsky: Truth and Lies
– Jésus Santiago: Semblantisation and Nominalism
– Hebe Tizio: The Analyst and the Semblants
– Marie-Hélène Blancard: The Invention of a Writing
Vollständiges Inhaltsverzeichnis im Internet hier
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- Übersetzungen von Lacan-Texten
Anmerkungen
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Das Erstellungsdatum einer PDF-Datei findet man im Adobe Acrobat Reader DC Version 2015 unter Datei > Eigenschaften > Beschreibung > Erstellt am.
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Sitzung vom 13. Januar 1971; vgl. Version Miller, S. 18.
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Über „semblant“
Das Substantiv le semblant leitet sich von dem Verb sembler her, „scheinen“; das Partizip Präsens dieses Verbs ist semblant, „scheinend“. Le semblant ist, wörtlich übersetzt, „das Scheinende“. Die üblichen Übersetzungen sind „Schein“ und „Anschein“.
Aus dem Lalande (dem meistbenutzten französischen philosophischen Wörterbuch) erfährt man, dass der Ausdruck semblant bis ins 16. Jahrhundert ganz üblich war, dann aber nahezu ungebräuchlich wurde, außer in bestimmten Wendungen. Die beiden Bedeutungen des Wortes sind, so liest man hier:
„A. Das, was auf fiktive Weise eine reale Sache imitiert oder repräsentiert, derart, dass es davon einen mehr oder weniger illusionären Eindruck gibt. Wurde bis ins 16. Jh. von einem Porträt oder Bild gesagt. ‚Faire semblant.‘ – ‚Diejenigen, die tatsächlich tugendhaft sind und nicht etwa nur durch faux semblant, durch falschen Sehein …‘ (Descartes, Methode, VI.)
B. Kaum spürbare Erscheinung. ‚Un semblant d’argumentation.‘ (Ein Hauch von Argumentation).
Kritik
J. M. Baldwin hat sich der Termini semblant und semblance ausgiebig bedient, vor allem in Thought and Things, Bd. 1, Kap. 6: ‚The first determination of semblant objects‘ und Bd. 3, Teil 4: ‚Semblance and the aethetic‘. Vgl. den Artikel semblance in seinem Dict. of Philosophy.
Es wäre günstig, wenn man sich im Französischen in größerem Maße dieses Ausdrucks bedienen könnte, selbst in der jetzt ungebräuchlich gewordenen adjektivischen Form. Zudem wäre es angebracht, das alte Wort semblance zu verwenden, um das zu charakterisieren, was nur der semblant einer anderen Realität ist.“
Anmerkung zu Semblant: „ ‚Un semblant d’argumentation‘, wenn man diesen Ausdruck wörtlich nimmt, bedeutet er: etwas, das eine Argumentation zu sein scheint und keine ist, was stets Bedeutung A ist. Jedoch ist der Gedanke, den man ausdrücken möchte, vielleicht weniger derjenige der Falschheit als der des Ungenügens. Mir scheint, man würde dies von einer Argumentation sagen, die im Grunde gültig ist, die jedoch zu wenig entwickelt ist. (J. Lachelier)“
(André Lalande. Vocabulaire technique et critique de la philosophie. Band 1. Quadrige, PUF, Paris 4. Aufl. 1997, S. 966 f.; die erste Auflage erschien 1927)
Eine mögliche Quelle für Lacans Verwendung des seltenen Begriffs semblant ist Alexandre Kojéve. Dieser hatte in seinem Kommmentar zur Phänomenologie des Geistes Hegels Begriff Schein einmal mit „semblant“ übersetzt. Kojèves Hegel-Kommentar ist eine der wichtigsten Inspirationsquellen von Lacan. Im Kontext geht es bei Kojève um das Für-sich-Sein, das Selbstbewusstsein, dass sich nicht mehr vom Ich unterscheidet sowie um das Verhältnis von Wissen und Wahrheit; das steht auch inhaltlich in einer gewissen Nähe zu Lacans Diskurs-Konzeption.
Im folgenden Zitat kommentiert Kojève den Abschnitt „Die absolute Freiheit und der Schrecken“ aus der Phänomonologie des Geistes; er sagt hierzu (die Hervorhebung in Fettschrift ist von mir, RN; die Kursivschreibungen und die Einfügungen in runden Klammern sind von Kojève):
„S. 413, letzte Z., und S. 414.– Die Wirklichkeit der ‚gegebenen‘ (vor-revolutionären) Welt ist verschwunden. Es gibt nur noch einen Schein*, einen semblant von Welt und Staat. [Il n’y a plus qu’un Schein, un semblant de Monde et d’État.] Die wirkliche christlich-bürgerliche Welt wie auch die christlich-bürgerliche Ideologie existieren nicht mehr – außerhalb der Bewusstseine, die diese Welt und diese untergegangene Ideologie rechtfertigen (und bedauern) oder verurteilen. Es gibt keine Gemeinschaft mehr, sondern nur einzelne Menschen, Besondere. Der Staat existiert nur noch durch die Ideen der Besonderen, durch ihre Projekte für eine Verfassung. Diese sind reduziert auf ihre ‚innere‘, nicht objektive Wirklichkeit, auf ihr ‚revolutionäres Bewusstsein‘; sie sind *‚reine Metaphysik‚*, – sie können Beliebiges denken (und sagen). Es gibt keine Welt mehr, nur einen Gegenstand* ohne Strukturen, den (leeren) Platz für eine Welt. Das Sein-für-Anderes* hat sich geflüchtet in das Für-sich-Sein*, in das Selbst*, doch unterscheidet sich das Selbst jetzt nicht mehr vom Ich* und entspricht folglich keiner objektiven (= sozialen, politischen) menschlichen Wirklichkeit mehr. Jeder kann, ohne als verrückt oder kriminell zu gelten, seine persönlichen Ideen in politische Wirklichkeit umsetzen wollen; – jeder kann sagen: ‚Der Staat bin ich‘, indem er ‚seine‘ Verfassung vorschlägt. Das Wissen* des Selbstbewusstseins* kann sich in (dialektische) ‚Bewegung‘ verwandeln, das heißt in einen sozialen, politischen, historischen Prozess; die Gewissheit* (die subjektive Überzeugung) eines jeden kann Wahrheit* für alle werden; – all dies ohne Kampf, ohne Anstrengung, ohne Zerstörung eines Gegebenen. Solcherart ist die absolute Freiheit.“
(Alexandre Kojève: Introduction à la lecture d’Hegel. Leçons sur la « Phénoménologie de l’Esprit » professées de 1933 à 1939 à l’École des Hautes Études. Réunies et publiées par Raymond Queneau. Gallimard, Paris 1947, S. 141 f.– Diese Passage ist nicht in der deutschen Teilübersetzung enthalten, vgl.: A. Kojève: Hegel. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Übersetzt von Iring Fetscher und Gerhard Lehmbruch. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, zuerst bei Kohlhammer 1958.)
Bei Hegel geht es in dem von Kojève kommentierten Abschnitt um die absolute Freiheit als einer neuen Gestalt des Bewusstseins, hervorgegangen aus der Nützlichkeit als der davorliegenden Form des Bewusstseins. Hegel schreibt hierzu (das Wort Schein habe ich in Fettschrift hervorgehoben, RN; die Kursivschreibungen sind von Hegel):
„Es ist nämlich in der Tat nicht mehr als ein leerer Schein von Gegenständlichkeit vorhanden, der das Selbstbewußtsein von dem Besitze trennt. Denn teils ist überhaupt alles Bestehen und Gelten der bestimmten Glieder der Organisation der wirklichen und geglaubten Welt in diese einfache Bestimmung als in ihren Grund und Geist zurückgegangen; teils aber hat diese nichts Eignes mehr für sich, sie ist vielmehr reine Metaphysik, reiner Begriff oder Wissen des Selbstbewußtseins. Von dem An- und Für-sich-sein des Nützlichen als Gegenstandes erkennt nämlich das Bewußtsein, daß sein An-sich-sein wesentlich Sein für Anderes ist; das An-sich-sein als das Selbstlose ist in Wahrheit das passive, oder was für ein anderes Selbst ist. Der Gegenstand ist aber für das Bewußtsein in dieser abstrakten Form des reinen An-sich-seins, denn es ist reines Einsehen, dessen Unterschiede in der reinen Form der Begriffe sind. – Das Für-sich-sein aber, in welches das Sein für Anderes zurückgeht, das Selbst, ist nicht ein von dem Ich verschiednes, eignes Selbst dessen, was Gegenstand heißt; denn das Bewußtsein als reine Einsicht ist nicht einzelnes Selbst, dem der Gegenstand ebenso als eignes Selbst gegenüberstünde, sondern es ist der reine Begriff, das Schauen des Selbsts in das Selbst, das absolute Sich-selbst-doppelt-sehen; die Gewißheit seiner ist das allgemeine Subjekt und sein wissender Begriff das Wesen aller Wirklichkeit. Wenn also das Nützliche nur der nicht in seine eigne Einheit zurückkehrende Wechsel der Momente, und daher noch Gegenstand für das Wissen war, so hört er auf, dieses zu sein, denn das Wissen ist selbst die Bewegung jener abstrakten Momente, es ist das allgemeine Selbst, das Selbst ebenso seiner als des Gegenstandes, und als allgemeines die in sich zurückkehrende Einheit dieser Bewegung.
Hiemit ist der Geist als absolute Freiheit vorhanden; er ist das Selbstbewußtsein, welches sich erfaßt, daß seine Gewißheit seiner selbst, das Wesen aller geistigen Massen der realen so wie der übersinnlichen Welt, oder umgekehrt, daß Wesen und Wirklichkeit das Wissen des Bewußtseins von sich ist. – Es ist seiner reinen Persönlichkeit und darin aller geistigen Realität bewußt, und alle Realität ist nur Geistiges; die Welt ist ihm schlechthin sein Willen, und dieser ist allgemeiner Willen. Und zwar ist er nicht der leere Gedanke des Willens, der in stillschweigende oder repräsentierte Einwilligung gesetzt wird, sondern reell allgemeiner Willen, Willen aller Einzelner als solcher. Denn der Willen ist an sich das Bewußtsein der Persönlichkeit oder eines jeden, und als dieser wahrhafte wirkliche Willen soll er sein, als selbstbewußtes Wesen aller und jeder Persönlichkeit, so daß jeder immer ungeteilt alles tut, und was als Tun des Ganzen auftritt, das unmittelbare und bewußte Tun eines Jeden ist.“
(Hegel, Abschnitt „Die absolute Freiheit und der Schrecken“. In: Ders.: Phänomenologie des Geistes (1807), IV. Der Geist, B. Der sich entfremdete Geist. Die Bildung, III. Die absolute Freiheit und der Schrecken;
Suhrkamp-Ausgabe: G.W.F. Hegel: Werke in 20 Bänden, hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Bd. 3. Phänomenologie des Geistes. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970, S. 431 f.) -
Lacan bezieht sich auf Seminar 17 von 1969/70, L’envers de la psychanalyse (Die Kehrseite der Psychoanalyse). Offizielle Version: Jacques Lacan: Le séminaire, livre XVII. L’envers de la psychanalyse. 1969–1970. Texte établi par Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1991. Eine deutsche Übersetzung von Gerhard Schmitz findet man hier im Internet.
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Vier Diskurse
Die vier Terme sind:
S1: Herrensignifikant
S2: Wissen
a: Mehrlust
$: SubjektDie vier Plätze werden von Lacan auf unterschiedliche Weisen bezeichnet.
Dies ist die erste Fassung (vgl. Seminar 17, Version Miller, S. 106):Die zweite Fassung sieht so aus (vgl. Seminar 17, Version Miller, S. 196):
In der nächsten Sitzung des jetzt beginnenden Seminars 18 wird Lacan die Bezeichnfung der Plätze ändern, der Platz oben links wird als „Scheins“ bezeichnet werden (Sitzung vom 20. Februar 1971, hier) .
Eine Erläuterung der vier Diskurselemente S1, S2, a und $ findet man auf dieser Website hier.
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Tetraeder
Die Bezeichnung der Diskursformeln als „Tetraeder“ findet sich hier zum ersten Mal; in Seminar 17 hatte Lacan diesen Ausdruck nicht verwendet.
Ein Tetraeder ist ein „Vierflächner“, ein Körper mit vier dreieckigen Seitenflächen, eine Pyramide mit einem Dreieck als Grundfläche:Ein Tetraeder hat sechs Kanten. Wenn man in ein Viereck die beiden Diagonalen einträgt, hat man sechs Geraden und kann die Zeichnung als Darstellung eines Tetraeders auffassen:
(Die gestrichelte Linie zeigt eine verdeckte Kante.)
Das ermöglicht es, das Diskurs-Schema als Tetraeder aufzufassen – indem man zwei Diagonalen in das Schema einträgt und eine der Diagonalen als verdeckte Kante definiert:
Diagramme dieses Typs findet man in Seminar 19, … oder schlimmer, in der Sitzung vom 3. Februar 1972, Version Miller S. 66 (meine Übersetzung hier).
Wenn man das rechteckige Diskursschema in einen Tetraeder verwandeln will, muss man aus der Fläche in den dreidimensionalen Raum wechseln, gewissermaßen dadurch, dass man einen der vier Eckpunkte anhebt und zur Spitze einer Dreieckspyramide erklärt. Das könnte heißen, dass eine der vier Ecken des Diskursschemas eine Sonderstellung haben soll. In der Vortragsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers findet man eine Bemerkung, die in diese Richtung geht:
„Das Objekt a […] ist das, was es ermöglicht, jeden der vier Diskurse auf seine Weise zu tetraedern. Was kurioserweise die Analytiker nicht sehen können, das ist, dass das Objekt a nicht ein Punkt ist, der irgendwo die vier lokalisiert, die sie zusammen bilden, sondern die Konstruktion ist, das tetraedische Mathem dieser Diskurse.“
(J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, Sitzung vom 2. Dezember 1971, S. 67)
Das Objekt a „tetraedisiert“ die vier Diskurse. Demnach hat das Objekt a in den vier Diskursschemata eine Sonderstellung. Der Punkt, an dem das Objekt a lokalisiert ist, soll gewissersmaßen angehoben werden, so dass sich ein Tetraeder ergibt.
Hierbei gibt es jedoch ein Konstruktionsproblem. Lacan löscht in den Diskursschemata die untere Kante (zuerst in Seminart 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, Sitzung vom 17. Juni 1970, Version Miller S. 213). Dadurch haben die Schemata, zusammen mit den beiden Diagonalen, nur fünf gerade Linien. Ein Tetraeder hat jedoch sechs Kanten, entfernt man eine dieser Kanten, hat man es nicht mehr mit einem Tetraeder zu tun, wo wenig wie ein Dreieck, bei dem man eine Seite entfernt, noch ein Dreieck ist. Wenn man die Diskursschemata samt Diagonalen als Tetraeder auffasst, hebt man die Löschung der unteren Kante auf.
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In Seminar 17 sagt Lacan das Gegenteil: „Allmählich muß sich Ihnen zeigen, daß die Kehrseite der Analyse genau das ist, was ich dieses Jahr unter dem Titel des Diskurses des Herrn vorbringe.“ (Sitzung vom 18. Februar 1970; Version Miller, S. 99, Übersetzung von Gerhard Schmitz)
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Zweifache Niederschrift
Das Konzept der zweifachen Niederschrift bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten. Es steht bei Freud im Zusammenhang mit der Auffassung von der Nachträglichkeit des Traumas.
Im Entwurf einer Psychologie (1895) hatte Freud das Trauma so erklärt: Es gibt ein erstes Ereignis, das keine sexuelle Erregung hervorruft und nicht in einen Bedeutungszusammenhang eingeordnet werden kann; es gibt ein zweites Ereignis, durch das die Erinnerung an das erste Ereignis nachträglich seine Bedeutung erhält; dies hat zur Folge, dass die Erinnerung an das erste Ereignis geweckt und mit traumatisierender Erregung verbunden wird. Die zweite Szene verleiht der ersten ihren pathogenen Wert, die erste Szene wird nachträglich zum Trauma. Freud schreibt hierzu:
„Dieser Fall ist nun typisch für die Verdrängung bei der Hysterie. Überall findet sich, daß eine Erinnerung verdrängt wird, die nur nachträglich zum Trauma geworden ist.“
(S. Freud: Entwurf einer Psychologie (1895). In: Ders.: Aus den Anfängen der Psychoanalyse 1887-1902. Briefe an Wilhelm Fließ. S. Fischer, Frankfurt am Main 1962, S. 299-384, hier: S. 356)
In der Analyse des sogenannten Wolfsmannes greift Freud auf das Konzept der Nachträglichkeit zurück. Im Alter von anderthalb Jahren erlebt das Kind eine erste Szene: Es beobachtet den Koitus der Eltern, ohne dass dies größere Folgen hätte (dies ist die „Urszene“); im Alter von vier Jahren bringt ein Traum die frühere Koitusbeobachtung zur nachträglichen Wirksamkeit und ruft ein Trauma hervor. (S. Freud: Aus der Geschichte einer infantilen Neurose (1918). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 125–232, hier: S. 156–165)
Die Nachträglichkeit des Traumas wird von Freud im Jahre 1896 in einem Brief an Wilhelm Fließ in eine Theorie der mehrfachen „Niederschrift“ von Erinnerungsspuren integriert: die Erinnerungsspuren erfahren eine „Umschrift“; das Gedächtnis ist „in verschiedenen Arten von Zeichen“ niedergelegt. Es gibt mindestens drei solcher „Niederschriften“: die erste Niederschrift ist das Wahrnehmungszeichen, die zweite Niederschrift ist das Unbewusste, und die dritte Niederschrift das Bewusstsein. (Vgl. S. Freud: Brief an Wilhelm Fließ vom 6. Dezember 1896. In: Ders.: Briefe an Wilhelm Fließ. Hg v. Jeffrey Moussaieff Masson. S. Fischer, Frankfurt am Main 1986, S. 217-226.).
In der Traumdeutung (1900) weist Freud diese (von ihm nie veröffentlichte) Hypothese zurück:
„Wenn wir also sagen, ein unbewusster Gedanke strebe nach Übersetzung ins Vorbewußte, um dann zum Bewußtsein durchzudringen, so meinen wir nicht, dass ein zweiter, an seiner Stelle gelegener Gedanke gebildet werden soll, eine Umschrift gleichsam, neben welcher das Original fortbesteht; und auch vom Durchdringen zum Bewußtsein wollen wir jede Idee einer Ortsveränderung sorgfältig ablösen.“
(S. Freud: Die Traumdeutung (1900). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 2. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 578)
Das Bewusstwerden unbewusster Gedanken beruht demnach nicht auf Umschrift und nicht auf Ortswechsel, sondern auf einer Verlegung der Energiebesetzung.
In Das Unbewusste (1915) greift Freud das Problem wieder auf:
„Wenn ein psychischer Akt (beschränken wir uns hier auf einen solchen von der Natur einer Vorstellung) die Umsetzung aus dem System Ubw in das System Bw (oder Vbw) erfährt, sollen wir annehmen, daß mit dieser Umsetzung eine neuerliche Fixierung, gleichsam eine zweite Niederschrift der betreffenden Vorstellung verbunden ist, die also auch in einer neuen psychischen Lokalität enthalten sein kann, und neben welcher die ursprüngliche unbewußte Niederschrift fortbesteht? Oder sollen wir eher glauben, daß die Umsetzung in einer Zustandsänderung besteht, welche sich an dem nämlichen Material und an derselben Lokalität vollzieht?“
(S. Freud: Das Unbewusste (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 118-173, hier: S. 132 f.)
In diesem Aufsatz erklärt Freud also, er halte beides für möglich.
Was geschieht mit einer unbewussten Vorstellung, wenn sie bewusst wird? Erste Möglichkeit: die Vorstellung wird ein zweites Mal niedergeschrieben, an einem anderen Ort des psychischen Apparats, das heißt im Bewusstsein oder im Vorbewussten (dies ist die Idee von 1896). Zweite Möglichkeit: die Vorstellung bleibt, wo sie ist, nur ihr Zustand wird verändert; dies ist die Version der Traumdeutung, die Zustandsveränderung besteht darin, dass eine Energiebesetzung verlegt oder entzogen wird.
Die „zweite Niederschrift“ ist mit „double inscription“ ins Französische übersetzt worden; durch Rückübersetzung wurde hieraus der Begriff der „doppelten Einschreibung“.
Das Problem der „zweiten Niederschrift“ war 1960 von Jean Laplanche und Serge Leclaire in einem Vortrag zu lösen versucht worden. (L’inconscient, une étude psychanalytique. Der Vortrag wurde in zwei Fassungen veröffentlicht, eine erste Version in Les Temps modernes, 17. Jg. (1961), Nr. 183, S. 81-99, eine zweite, längere Fassung in: Henri Ey (Hg.): L’Inconscient. VIe Colloque de Bonneval. Desclée, De Brouwer, Paris 1966, S. 95-130.)
In Die Wissenschaft und die Wahrheit (1965) hatte Lacan diesen Lösungsversuch kritisiert. (Vgl. J. Lacan: Schriften II. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten 1975, S. 243. Der Übersetzer, Hans-Jörg Rheinberger, übersetzt hier double inscription mit „doppelte Inschrift“.)
In den Seminaren 12 und 13 hatte Lacan seine alternative Auffassung von der zweiten Niederschrift entwickelt; im Baltimore-Vortrag hatte er diese Konzeption zusammengefasst. Lacans These zur zweifachen Niederschrift lautet: Die zweite Niederschrift erzeugt rückwirkend die erste.
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Das Möbiusband wurde im Jahr 1858 unabhängig voneinander von Johann Benedict Listing und von August Ferdinand Möbius beschrieben.
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Jacques Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. Übersetzt von Klaus Laermann. In: J.L.: Schriften I. Hg. v. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 71–169. Vortrag von 1953, der 1956 veröffentlicht wurde.
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Scilicet ist die von Lacan herausgegebene Zeitschrift der École freudienne de Paris, sie erschien unregelmäßig von 1968 bis 1976.
Das lateinische Wort scilicet wird meist in der Bedeutung von „man höre!“ verwendet; es setzt sich zusammen aus „scire“ (wissen) und „licet“ (man darf), bedeutet also wörtlich „man darf wissen“. Vielleicht ist der Titel Scilicet eine Anspielung auf das lateinische Sprichwort sapere aude, „wage zu wissen!“.
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„Ereignis“ und „Ankunft“ sind Begriffe der Philosophie Heideggers. Zum Ereignis vgl.: Martin Heidegger: Der Satz der Identität (1957). In: Ders.: Identität und Differenz. Neske, Pfullingen 1957, S. 9–30, hier: S. 24–27.– Zur Ankunft vgl.: Ders.: Die onto-theologische Verfassung der Metaphysik (1957). In: Ders.: Identität und Differenz, a.a.O., S. 31–67, hier: S. 56 f.
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Die Transkription „dont je me trouve instrument“ findet man in Version Chollet. Versionen Staferla und Espace Lacan haben hier:„dont je me trouve instruit“. Version Miller: „dont je me trouve être l’instrument“. Die Audioaufnahme dieser Sitzung auf der Website von Patrick Valas ist an dieser Stelle von so schlechter Qualität, dass eine Entscheidung zwischen den Versionen nicht möglich ist.
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Also „Revolution“, wörtlich „Umdrehung“, hatte Lacan in Seminar 17 und in Radiophonie die Drehung der Termenkette bezeichnet, die dazu führt, dass ein Diskurs in einen anderen übergeht. Vgl. Seminar 17, Sitzungen vom 18. Februar 1970 (Version Miller, S 99) und vom 13. Mai 1970 (Version Miller, S. 173, 176); Radiophonie, a.a.O., S. 48.
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In Heft 2/3 von Scilicet erschien Lacans Radiophonie (auf S. 55–99), in dem man auch eine Art Zusammenfassung von Seminar 17 finden kann. Dieser Text ist die Transkription eines Interviews mit Lacan, das 1970 im belgischen Rundfunk gesendet wurde. Die Fragen hatte Robert Georgin formuliert, Lacan hatte die Antworten schriftlich formuliert. Ob er die Antworten selbst vorgelesen hatte oder ob sie von einem anderen gelesen wurden, habe ich nicht feststellen können.
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Das erinnert an eine einflussreiche Studie zur Bildungssoziologie von Bourdieu und Passeron: Pierre Bourdieu, Jean-Claude Passeron: Les Héritiers. Les étudiants et la culture. Éditions de Minuit, Paris 1964 (dt.: Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs. Klett, Stuttgart 1971)
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Das bezieht sich im Rahmen des Universitätsdiskurses auf $, das gespaltene Subjekt, am Platz unten rechts, am Platz der Produktion. In Seminar 17 erläutert Lacan dieses Diskurselement so: Das, was vom Universitätsdiskurs produziert wird, ist die Scham (als Form der Subjektspaltung), und die Scham zeigt sich in der Unverschämtheit (Sitzung vom 17. Juni 1970, Version Miller, S. 203). Mit der Scham als Produkt des Universitätsdiskurses bezieht Lacan sich vermutlich auf die Effekte der Ausleseverfahren wie schriftlichen und mündlichen Prüfungen.
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Lacan spielt hier auf die rechte Seite der Formel des Universitätsdiskurses an. Am Platz oben rechts ist hier die Mehrlust, a, womit gemeint ist: die Adressaten dieses Diskurses – die Studierenden – als Verkörperung der Mehrlust. Am Platz unten rechts ist das gespaltene Subjekt, $, als Produkt des Universitätsdiskurses, gespaltn durch die Scham als Effekt des Ausleseprozesses In diesem Sinne spaltet der Universitätsdiskurs die „Kügelchen der Mehrlust“.
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Auf der Tonaufnahme hört man deutlich „à votre regard“, für Ihren Blick; Miller ändert zu „à votre égard“, in Ihrer Hinsicht“.
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Im Diskurs der Analyse ist am Platz oben links der Analytiker als Verkörperung der Mehrlust (a), am Platz oben rechts der Analysant als gespaltenes Subjekts ($). Lacan deutet an, dass in seinem Unterricht die Zuhörer die Verkörperung der Mehrlust sind, also am Platz des Analytikers, und dass Lacan den Platz des Analysanten einnimmt, des gespaltenen Subjekts.
In Television (1973) wird er die umgekehrte Beziehung andeuten:
„Doch es gibt keinen Unterschied zwischen dem Fernsehen und dem Publikum, vor dem ich seit langem spreche, was man mein Seminar nennt. Ein Blick in beiden Fällen: an den ich mich wende in keinem, doch in dessen Name ich spreche.“
(J. Lacan: Television. Übersetzt von Jutta Prasse und Hinrich Lühmann. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 55–98, hier: S. 61)
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Lacan bezieht sich auf Radiophonie, ein Interview, worin er auf sieben Fragen antwortet, die ihm von Robert Georgin gestellt worden waren und die er schriftlich beantwortet (und dann offenbar vorgelesen) hatte. Die ersten vier Frage-Antwort-Sequenzen wurden am 1., 10., 19. und 26. Juni 1970 im belgischen Rundfunksender R.T.B. (3. Programm) gesendet und am 7. Juni 1970 vom französischen Rundfunksender O.R.T.F (France-Culture) übernommen. Veröffentlicht wurde der vollständige Text in Scilicet 2/3, Le Seuil, Paris 1970, S. 55–99. Deutsche Übersetzung: J. Lacan: Radiophonie. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin 1988, S. 5–54.
Zu den vier Diskursen äußert Lacan sich bei der Beantwortung der siebten Frage (Metzger-Übersetzung, S. 46-49).
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Mit Ausnahme von Lacan. Zu dieser Ausnahmestellung äußert er sich in Seminar 17 mit dem Argument, er sei kein Autor (Sitzung vom 17. Juni 1970, Version Miller, S. 221).
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Miller fügt hinzu: „Là, c’est un pari“ – nicht in der Audioaufnahme.
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In Seminar 16 hatte Lacan Foucaults Vortrag Was ist ein Autor? (1969) kommentiert (in der Sitzung vom 12. Februar 1969).
In Seminar 17 sagt Lacan zu Scilicet:
„Es gibt eine Art vorbereitende Maßnahme, die auf der Schwelle zur Universität liegt. Man wird das Recht haben, dort zu sprechen, ausgenommen diese Übereinkunft, daß ganz streng gilt, daß Sie durch Ihre Doktorarbeit für immer festgenagelt sind. Das verleiht Ihrem Namen sein Gewicht. Nichtsdestoweniger sind Sie an das, was in dieser Doktorarbeit steht, in der Folge überhaupt nicht gebunden. Für gewöhnlich übrigens geben Sie sich damit zufrieden. Aber das bedeutet nicht viel, Sie werden alles sagen können, was Sie wollen, wenn Sie bereits zu Namen gekommen sind. Genau das spielt die Rolle eines Herrensignifikanten. Darf ich es sagen? Denn ich möchte dem, was ich gemacht habe, nicht zuviel Bedeutung beilegen: Genau so ist mir die Idee zu einem Ding gekommen, von dem Sie seit einiger Zeit nicht mehr viel hören: Scilicet. Trotzdem sind einige überrascht gewesen darüber, daß ich gesagt habe, es wäre ein Ort, an dem nichtsignierte Sachen geschrieben werden müßten.“
(Seminar 17, Sitzung vom 17. Juni 1970, Version Miller, S. 221, Übersetzung von Gerhard Schmitz)
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Miller-Version: „C’est un pari“ (nicht in der Audioaufnahme).
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Frz. faits divers: Vermischte Nachrichten, Lokalnachrichten.
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Im Diskurs des Analytikers ist die Mehrlust am Platz oben links, am Platz des Agenten.
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Das heißt, die Zuhörer sind in der Position des Analytikers. Im Diskurs des Analytikers ist am Platz unten links das Wissen, und dieses Wissen fehlt den Zuhörern.
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Vielleicht eine Anspielung auf einen Aufsatz von Cornelius Castoriadis über Merleau-Ponty: Le Dicible et l’indicible. In: L’ARC, 46 (1971), S. 67–79 (deutsch: Das Sagbare und das Unsagbare. In: Ders.: Durchs Labyrinth. Seele, Vernunft, Gesellschaft. Übersetzt von Heinz Brühmann. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1981, S. 107–126). (Castoriadis war von 1964 bis 1969 Mitglied von Lacans École Freudienne de Paris.)
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Der letzte Nebensatz, ab „d’où“, fehlt in Millers Version.
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Lacan bezieht sich hierfür in der 4. Sitzung dieses Seminars (17. Februar 1971) vor allem auf das folgende Werk: Charles Kay Ogden, Ivor Armstrong Richards, mit Beiträgen von F. G. Crookshank und Bronislaw Malinowski : The Meaning of meaning. A study of the influence of language upon thought and of the science of symbolism. Kegan Paul, Trench, Trubner and Co., London 1923.
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Vermutlich eine Anspielung auf Carnaps Begriff des „Scheinproblems“. Vgl. Rudolf Carnap: Der logische Aufbau der Welt. Weltkreis-Verlag, Berlin 1928, sowie: Ders.: Scheinprobleme in der Philosophie. Das Fremdpsychische und der Realismusstreit. Weltkreis-Verlag, Berlin 1928.
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impliziert ist: Anspielung auf die materiale Implikation, also auf die logische Wenn-dann-Verbindung, die zugleich diesem Satz zugrundeliegt.
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Anspielung auf S. Freud: Konstruktionen in der Analyse (1937). In: Ders.: Studienausgabe. Schriften zur Behandlungstechnik. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 393–406.– Die Wahrheit einer Konstruktion (einer umfassenden Deutung) zeigt sich darin, dass der Patient bestätigendes Material produziert, sagt Freud hier.
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Die (materiale) Implikation ist die Verknüpfung von Aussagen durch die Wenn-dann-Beziehung: „immer wenn p, dann auch q“, wobei p und q Aussagen sind.
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Freud spricht von der „psychischen (Vorstellungs-) Repräsentanz des Triebes“, die, außer im Fall der Urverdrängung, ins Bewusstsein aufgenommen werden kann. Vgl. S. Freud: Die Verdrängung (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 103–118, hier: S. 109.
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Il le rend re-semblant (es verleiht ihm neuen Schein) ist lautgleich mit il le rend ressemblant (es macht ihn ähnlich).
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Die Sentenz „Es gibt keine Metasprache“ findet man zuerst in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten. Hier heißt es:
„Lassen Sie mich Ihnen ebenfalls im Vorübergehen sagen, daß der Begriff Metasprache sehr häufig auf unangemessenste Weise verwandt wird, um so mehr, eben weil man dieses hier verkennt – entweder hat die Metasprache formale Anforderungen solcher Art, daß sie das gesamte Phänomen einer Strukturierung, in der sie ihren Ort finden soll, entstellen oder aber die Metasprache selbst bewahrt die Ambiguitäten der Sprache. Anders gesagt, es gibt keine Metasprache, es gibt Formalisierungen – entweder auf der Ebene der Logik oder auf der Ebene dieser Signifikantenstruktur, deren autonome Ebene ich Ihnen freizulegen versuche. Es gibt keine Metasprache im Sinne beispielsweise einer vollkommenen Mathematisierung des Phänomens der Sprache und dies genau deshalb, weil es kein Mittel gibt, über das hinaus zu formalisieren, was als ursprüngliche Struktur der Sprache gegeben ist. Nichtsdestoweniger ist diese Formalisierung nicht nur einzufordern, sondern ist sie auch notwendig.“
(Sitzung vom 27. November 1957; Version Miller/Gondek, S. 86, Übersetzung geändert)
Bertrand Russell hatte entdeckt, dass Freges Projekt einer mengentheoretischen Fundierung der Mathematik zu einer Paradoxie führt, der sogenannten Russell’schen Antinomie (The principles of mathematics, 1903). Zur Vermeidung der Antinomie wurde die Unterscheidung von Metasprache und Objektsprache eingeführt, 1934 von Rudolf Carnap und 1935 von Alfred Tarski.
Vgl. R. Carnap: Logische Syntax der Sprache. Springer, Wien 1934, Teil IV A.– A. Tarski: Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen (1935). In: Karel Berka und Lothar Kreiser (Hg.): Logik-Texte. Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. Akademie-Verlag, Berlin 1983, S. 445–546). Tarski hatte Kontakte zum Wiener Kreis und damit zum logischen Positivismus. Das Konzept der Metasprache stützt sich auf Russells Idee einer unendlichen Hierarchie von Sprachebenen.
Heideggers Kritik der Metasprache in Das Wesen der Sprache ist später als Lacans erste Kritik (vgl. M. Heidegger: Das Wesen der Sprache. In: Ders.: Unterwegs zur Sprache. Neske, Stuttgart 1959, S. 157–216, hier: S. 160; Vortrag vom 4. Dezember 1957, der 1959 zuerst veröffentlicht wurde).
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Lacans Symbol dafür, dass es keine Metasprache usw. gibt, ist S(Ⱥ), Signifikant eines Mangels im Anderen.
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Vgl. J. Lacan: Die Freud’sche Sache oder Sinn der Rückkehr zu Freud in der Psychoanalyse (1956). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 472–513, hier S. 481 ff. Die Allegorie der Wahrheit steigt hier aus eine Brunnen und sagt: „Ich, die Wahrheit, ich spreche.“ (A.a.O., S. 481) Vgl. hierzu auch Seminar 13, Sitzungen vom 5. Januar und vom 19. Januar 1965.
Die Wahrheit, die spricht, spricht im Symptom; vgl. die nächste Sitzung, 20. Januara 1971, hier, Version Miller S. 24.
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Gemeint ist die Äußerung „Ich lüge jetzt, mit diesem Satz, den ich gerade spreche“. Diese Äußerung gilt insofern als paradox, als sie dann, wenn sie wahr ist, falsch ist, und dann, wenn sie falsch ist, wahr ist. Wenn sie wahr ist, lügt man nicht mit diesem Satz, im Gegensatz zu der in diesem Satz vorgebrachten Behauptung, also ist sie falsch. Wenn sie falsch ist, lügt man nicht, also ist sie wahr.
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Den Ausdruck „an sich selbst“ findet man häufig in Kants Kritik der reinen Vernunft, in der Rede vom „Ding an sich selbst“ (oder vom „Ding an sich“), etwa in der bekannten Formulierung, dass die Kritik lehre, das Objekt in zweierlei Bedeutung zu nehmen, „nämlich als Erscheinung oder als Ding an sich selbst“ (B XXVII). „Das Ding an sich selbst“ wird mit „la chose en soi même“ oder mit „la chose en lui-même“ ins Französische übersetzt.
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Vgl. Jean Starobinski: Wörter unter Wörtern. Die Anagramme von Ferdinand de Saussure (1971). Übersetzt und eingeleitete von Henriette Beese. Ullstein, Frankfurt am Main u.a. 1980. Auf Saussures Anagramm-Studien hatte Starobinski zuerst 1964 in einem Aufsatz im France Mercure aufmerksam gemacht; Lacan verweist darauf in einer Fußnote von 1966 zu seinem Aufsatz Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (übersetzt von Norbert Haas. In: Ders.: Schriften II. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten u.a. 1975, S. 15–55, hier: S. 28 Fußnote 18).
Freud zufolge bildet das Unbewusste u. a. Anagramme (vgl. S. Freud: Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose (1909). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 7. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 85 f.). Im sogenannten Rom-Vortrag hatte Lacan darauf hingewiesen (Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. Übersetzt von Klaus Laermann. In: J.L.: Schriften I. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 71-170, hier: S. 145.
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Mit dem Anderen als Anderem ist der (symbolische) Andere mit großem A gemeint, der Andere als Ort des Sprechens, im Unterschied zum (imaginären) anderen mit kleinem a, dem anderen, der mir ähnlich ist. Den Unterschied zwischen dem Anderen und dem anderen führt Lacan in Seminar 2 von 1954/55 ein (Sitzung vom 25. Mai 1955), (vgl. diesen Blogartikel).
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„Batterie“ hier im Sinne eines synchronen Systems gleichartiger Elemente. Den Ausdruck batterie signifiante verwendet Lacan zuerst in Seminar 5 von 1957/58 (Sitzung vom 12. März 1958, vgl. Version Miller/Gondek, S. 335), die Version batterie des signifiants zuerst in Seminar 8 von 1960/61 (Sitzung vom 19. April 1961, vgl. Version Miller/Gondek, S. 297). In den Schriften erscheint batterie des signifiants erstmals im Jones-Aufsatz, geschrieben 1959, veröffentlicht 1960 (vgl. J.L.: Zum Gedenken an Ernest Jones: Über seine Theorie der Symbolik. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 205-229, hier: S. 222).
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Vielleicht eine Ankündigung der Betrachtungen über Himmelserscheinungen einige Sätze später.
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In Seminar 17 hatte Lacan die Struktur des Diskurses der Wissenschaft mit der Struktur des Diskurses der Universität gleichgesetzt; vgl. Sitzung vom 11. März 1970, Version Miller, S. 119.
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Eine Konstellation ist die scheinbare Stellung von Himmelskörpern im Verhältnis zueinander, beispielsweise ein Sternbild; das Wort kommt von lateinisch „con“, zusammen, und „stella“, Stern.
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Das von Aristoteles angenommene fünfte Element, der Äther.
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„Meteor“ (nicht zu verwechseln mit Meteoriten) meint „Himmelserscheinungen“ jeder Art, man denke an den Begriff „Meteorologie“ für Wetter- und Klimakunde. In diesem Sinne sind Regenbögen und Donner Meteore: Erscheinungen der Atmosphäre. Von griechisch meteôros, „über den Lüften“.
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René Descartes: Les Météores (1637), in: Ders.: Œuvres. Gallimard, Paris 1953, S. 230, „Discours huitième: De l’arc en ciel“.
Descartes‘ Discours de la méthode (1637) ist das Vorwort zu drei naturphilosophischen Abhandlungen: Geometrie (analytische Geometrie, mit der Vorstellung des kartesischen Koordinatensystems), Dioptrik (Theorie der Lichtbrechung), Meteore (Theorie der Himmelserscheinungen).
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Über Meteore, insbesondere über den Regenbogen, hatte Lacan bereits im Psychosen-Seminar gesprochen (Seminar 3, Sitzung vom 4. Juli 1956).
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Vgl. J. Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. Übersetzt von Klaus Laermann. In: Ders.: Schriften I. Hg. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 71–169, hier: S. 169.
Lacan zitiert an dieser Stelle eine Anrufung des hinduistischen Gottes Prajapati als Gott des Donners aus den Upanishaden. Er folgt hierbei vermutlich, ohne die Quelle zu nennen, T. S. Eliot in The Waste Land (1922).
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Anspielung auf die Donnergötter, die es in zahlreichen Religionen gibt, etwa Thor bei den Germanen oder Zeus bzw. Jupiter bei den Griechen und Römern (daher „Donnerstag“). Nach jüdischer Vorstellung spricht Jahwe im Donner.
Mit dem Donner kommt die Stimme als Objekt a ins Spiel, und mit der Formulierung, dass man nicht weiß, wovon der Donner ein Zeichen ist, das Symptom. Zwei Sitzungen später wird es heißen:
„Das Symptom, das ist das, worum sich alles dreht, wovon wir, wie man sagt, wenn das Wort noch einen Sinn hätte, eine Idee haben können. Das Symptom ist das, woran Sie sich orientieren, Sie alle, die Sie hier sind. Das Einzige, was Sie interessiert und was nicht flachfällt, was als Information nicht einfach unbrauchbar ist, das sind Dinge, die als Symptom erscheinen, das heißt im Prinzip Dinge, die Ihnen Zeichen geben, bei denen man aber nichts begreift. Das ist die einzig sichere Sache, nämlich dass es Dinge gibt, die Ihnen Zeichen geben, bei denen man nichts begreift.“
(Seminar 18, Sitzung vom 10. Februar 1971, Version Miller S. 52)
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Ein Signifikant hat die Funktion, sich auf ein Signifikat zu beziehen, auf einen Sinn; ein Diskurs, der nicht vom Schein wäre, wäre also vermutlich ein Diskurs, der nicht durch den Bezug auf Bedeutungen bestimmt ist.
Ein Gegenbegriff zu Signifikant ist Buchstabe, ein Begriff, den Lacan in einer späteren Sitzung dieses Seminars präzisieren wird (in der Sitzung vom 12. Mai 1971, „Lituraterre“, Übersetzung hier).
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Der Titel ist nicht so zu verstehen: „Über einen Diskurs, der kein Scheindiskurs wäre“.
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Mit „Referent“ ist hier vermutlich das Reale gemeint; das Reale ist das, was an derselben Stelle beständig wiederkehrt, hatte Lacan in Seminar 2 gesagt; sein Beispiel waren die Sterne (vgl. Sitzung vom 22. Juni 1955, v.a. S. 376–378).
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„signifiant“ in Version Staferla; in Version Miller findet man hier „discours“. Die Tonaufnahme ist an dieser Stelle schlecht, ich höre eher „signifiant“.
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Der Schein des mit sich selbst identischen Signifikanten ist vermutlich der Herrensignifikant.
In Seminar 9 heißt es, gegen den Satz der Identität, also gegen A = A,
„dass der Signifikant von daher fruchtbar ist, dass er in keinem Fall mit sich identisch sein kann“
(Sitzung vom 6. Dezember 1971, meine Übersetzung nach Version Staferla)
Damit spielt Lacan vermutlich auf das Konzept von der Differenzialität des Signifikanten an, also darauf, „dass es in der Sprache nur Verschiedenheiten gibt“, wie Saussure sich ausdrückt (Ferdinand de Saussure: Grundlagen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hg. v. Charles Bally und Albert Sechehaye. Übersetzt von Herman Lommel. De Gruyter, Berlin 1967, Zweiter Teil, Kapitel IV, § 4, „Das Zeichen als Ganzes betrachtet“, S. 143)
In Seminar 16 sagt Lacan:
„Es ist klar, dass sich alles von einer vergangenen Zeit unterscheidet, in der geäußert werden konnte, dass die gesamte Mathematik nur aus Tautologien besteht; dass der menschliche Diskurs bleiben kann, da dies ein Feld ist, das – diesem Sagen zufolge – das der Tautologie gehalten hätte; dass es irgendwo ein A gibt, das ein großes A bleibt, das mit sich selbst identisch ist.“
(Sitzung vom 11. Dezember 1968, meine Übersetzung nach Version Staferla, vgl. Version Miller, S. 86)
Anders gesagt: Die Auffassung, dass A mit sich selbst identisch ist, gehört einer vergangenen Zeit an, seither – seit Saussure – hat sich alles geändert.
In Seminar 17 liest man:
„Das transzendentale Ich, das ist dasjenige, das jeder, der ein Wissen auf eine bestimmte Weise ausgesagt hat, als Wahrheit verhehlt, der S1, das Ich des Herrn. Das mit sich selbst identische Ich, das ist ganz genau das, mittels dessen sich der S1 des reinen Imperativs konstituiert.“
(Sitzung vom 21. Januar 1970, Version Miller S. 70, Übersetzung von Gerhard Schmitz)
Eine der Formen des Herrensignifikanten, also von S1, ist das mit sich selbst identische Ich.
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Dass die Tiere das Lob Gottes singen, ist ein traditionelles jüdisches und christliches Motiv.
In den Psalmen heißt es:
„Lobet den Herrn auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres,
Feuer, Hagel, Schnee und Nebel, Sturmwinde, die sein Wort ausrichten,
ihr Berge und alle Hügel, fruchttragende Bäume und alle Zedern,
ihr Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel,
ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden,
Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen! (Psalm 148, Verse 7–12, Übersetzung Lutherbibel)In Clemens Brentanos Märchen von Gockel und Hinkel (1838) findet man das folgende Lied, das in das Evangelische Gesangbuch aufgenommen wurde:
„Kein Tierlein ist auf Erden
Dir, lieber Gott, zu klein,
Du ließt sie alle werden,
Und alle sind sie dein.
Zu dir, zu dir
Ruft Mensch und Tier.
Der Vogel dir singt,
Das Fischlein dir springt,
Die Biene dir brummt,
Der Käfer dir summt,
Auch pfeifet dir das Mäuslein klein:
Herr Gott, du sollst gelobet sein!
Das Vöglein in den Lüften
Singt dir aus voller Brust,
Die Schlange in den Klüften
Zischt dir in Lebenslust.
Zu dir, zu dir
Ruft Mensch und Tier usw.
Die Fischlein, die da schwimmen,
Sind, Herr, vor dir nicht stumm,
Du hörest ihre Stimmen,
Ohn dich kommt keines um.
Zu dir, zu dir usw.“ (Auszug) -
Das Substantiv efficace (statt efficacité) verweist auf die religiöse Sphäre, es bezieht sich z.B. auf die Wirksamkeit von Gebeten, siehe hier. Vielleicht ist gemeint: Mit dem Thema „Lob Gottes“ betreten wir eine Sphäre, deren Wirksamkeit nicht geklärt ist, und dies deshalb nicht, da wir nicht wissen, welche Signifikantenakkumulation hier stattgefunden hat, anders gesagt: in welcher Sprache das Lob Gottes artikuliert wird.
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Über Pascals Wette hatte Lacan gesprochen in Seminar 13 von 1965/66, Das Objekt der Psychoanalyse, in den Sitzungen vom 2. Februar, 9. Februar und 25. Mai 1966.
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Der Begriff des „zerstückelten Körpers“ gehört zu den frühesten Konzepten Lacans, man findet ihn bereits im Aufsatz über die Familie von 1938 (J. Lacan: Die Familie. Übersetzt von Friedrich A. Kittler. In: J.L.: Schriften III. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten u.a. 1980, S. 39-100, hier: S. 79, 90).
Lacan versteht darunter die Zerstückelungsphantasien als Kehrseite des Spiegelbildes bzw. des imaginären anderen.
Das Konzept des zerstückelten Körpers verwendet Lacan u.a. zur Deutung von Konversionssystemen, also von Symptomen, die darin bestehen, dass psychische Konflikte in körperliche Phänomene umgewandelt werden, in Lähmungen, Anästhesien, Schmerzen usw. Im Beitrag zur Übertragung schreibt er:
„Um zu dieser Anerkennung ihrer Weiblichkeit zu kommen, müsste sie dieses Akzeptieren ihres eigenen Körpers vollziehen, mangels dessen sie für die funktionale Zerstückelung offenbleibt (um uns auf die theoretische Stütze des Spiegelstadiums zu beziehen), wodurch die Konversionssymptome gebildet werden.“
(J.L.: Intervention sur le transfert. in: Ders.: Écrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 215–226, hier: 221, meine Übersetzung, RN; geschrieben 1951, veröffentlicht 1952)
Die Bestandteile des zerstückelten Körpers sind Signifikanten. In Seminar 3, Die Psychosen (1955/56), heißt es:
„Wovon rühren die Symptome her? wenn nicht von der Verwicklung des menschlichen Organismus in etwas, das strukturiert ist wie eine Sprache, wodurch dieses oder jenes Element seines Funktionierens als Signifikant ins Spiel kommen wird.“
(Sitzung vom 11. April 1956, Version Miller/Turnheim, S. 225)
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Der rechte Arm
Vielleicht spielt Lacan hier auf den von Josef Breuer dargestellten Fall Anna O. an: der rechte Arm der Patientin (Bertha von Pappenheim) war vollständig gelähmt. Hierzu schreibt Breuer:
„Juli 1880 war der Vater der Kranken auf dem Lande an einem subpleuralen Abszesse schwer erkrankt; Anna teilte sich mit der Mutter in die Pflege. Einmal wachte sie nachts in großer Angst um den hochfiebernden Kranken und in Spannung, weil von Wien ein Chirurg zur Operation erwartet wurde. Die Mutter hatte sich für einige Zeit entfernt, und Anna saß am Krankenbette, den rechten Arm über die Stuhllehne gelegt. Sie geriet in einen Zustand von Wachträumen und sah, wie von der Wand her eine schwarze Schlange sich dem Kranken näherte, um ihn zu beißen. (…) Sie wollte das Tier abwehren, war aber wie gelähmt; der rechte Arm, über die Stuhllehne hängend, war »eingeschlafen«, anästhetisch und paretisch geworden, und als sie ihn betrachtete, verwandelten sich die Finger in kleine Schlangen mit Totenköpfen (Nägel). Wahrscheinlich machte sie Versuche, die Schlange mit der gelähmten rechten Hand zu verjagen, und dadurch trat die Anästhesie und Lähmung derselben in Assoziation mit der Schlangenhalluzination.“
(Vgl. J. Breuer: Fräulein Anna O …, In: J. Breuer, S. Freud: Studien über Hysterie (1895). Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1970, S. 20–40, hier: S. 33 f., Hervorhebung im Original)
In einem anderen Teil der Studien über Hysterie kommt Breuer darauf zurück:
„(…) so strebt Anna O. im Schreckaffekte den durch Drucklähmung bewegungslosen Arm zu strecken, um die Schlange abzuwehren; von da an wird der Tetanus des rechten Armes durch den Anblick aller schlangenähnlichen Dinge hervorgerufen.“
(J. Breuer: Theoretisches. In: Studien über Hysterie, a.a.O., S. 149–203, hier: S. 167)
In Lacans Seminar über die Angst (Seminar 10) heißt es über den Arm:
„Wenn ich mich mit seiner Funktion befasse [mit der Funktion des Armes], so, insofern er einen Augenblick isoliert ist und er um jeden Preis will, dass ich ihn auf irgendeinem Umweg wieder einspanne. Ich muss also die Tatsache sogleich modifizieren, dass er, auch wenn er Instrument ist, dennoch nicht frei ist. Ich muss mich, wenn ich das so sagen kann, vor der Tatsache nun nicht gleich seiner Amputation, aber seiner Nicht-Kontrolle schützen – vor der Tatsache, dass ein anderer sich seiner bemächtigen könnte, dass ich der rechte Arm oder der linke Arm eines anderen werden könnte – oder einfach vor der Tatsache, dass ich ihn in der Metro vergessen könnte wie einen gewöhnlichen Regenschirm, wie diese Korsetts, die man, scheint es, darin noch vor einigen Jahren im Überfluss vorfand.
Wir Analytiker, wir wissen, was das bedeutet. Die Erfahrung der Hysterischen ist für uns hinreichend bezeichnend, damit wir wissen, dass dieser Vergleich, mit dem angedeutet wird, dass der Arm vergessen werden kann, nicht mehr und nicht weniger, wie ein mechanischer Arm, keine überzogene Metapher ist.“
(Seminar 10, Sitzung vom 8. Mai 1963, Version Miller/Gondek, S. 271)
Im Seminar Von einem Anderen zum anderen (Seminar 16) bezieht Lacan sich ausdrücklich auf den Arm von Anna O.:
„Wie sollte man sich nicht fragen, worum es sich handelt bei dem Verhältnis dieser Erzählungen – dieser talking cure, der Sprechkur, deren Terminus Anna O. selbst erfunden hat – zu diesem Symptom, das sich im Falle des Hysterikers besonders klar angeben lässt, nämlich etwas, was sich auf der Ebene des Körpers entleert: ein Feld, wo das Empfindungsvermögen verschwindet, und ein weiteres Feld, damit verbunden oder auch nicht, wo die Bewegungsfähigkeit fehlt.
Dafür kann nichts anderes als eine Signifikanten-Einheit den Grund angeben. Der Anti-Anatomismus des hysterischen Symptoms ist von Freud selbst hinreichend herausgearbeitet worden. Das heißt, wenn ein hysterischer Arm gelähmt ist, dann deshalb, weil er »Arm« heißt und nichts anderes, denn nichts in irgendeiner realen Verteilung der Nervenbahnen liefert einen Grund für die Grenze, die dessen Feld bezeichnet. Hier gelangt der Körper ja dazu, als Stütze für ein ursprüngliches Symptom zu dienen, für das typischste, von daher, dass wir es deswegen befragen, weil es am Ursprung der analytischen Erfahrung steht.“
(Seminar 16, Sitzung vom 18. Juni 1969; Version Miller, S. 382, meine Übersetzung)
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„Projektion“ kommt vom lateinischen Verb proicere, „hinauswerfen“.
In der Psychoanalyse ist Projektion ein Abwehrmechanismus, der darin besteht, dass man Triebregungen, Gefühle, Wünsche, Gedanken aus sich ausschließt und im Anderen lokalisiert, wie etwa bei der Paranoia oder bei der Phobie. -
„Phänomen“ verweist auf „semblant“ im Titel des Seminars. Das Wort „Phänomen“ geht auf das griechische Substantiv phainomenon zurück: „das sich Zeigende“, „das Erscheinende“, „der Schein“.
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In Version Staferla findet man an dieser Stelle einen Verweis auf Bernard de Mandeville, Die Bienenfabel (1705–1732).
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Die Audioaufnahme ist an dieser Stelle nicht verständlich.
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Die Vorstellung eines Territoriums mit sechs angrenzenden Territorien bezieht sich möglicherweise auf die Bienenwabe.
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Vermutlich eine Anspielung auf Freuds Konzept der Identifizierung mit dem verlorenen Liebesobjekt (S. Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag 2000, S. 61–134, hier: S. 99 f.).
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Aus: James G. Février: Histoire de l’écriture. Payot, Paris 1948, S. 196; aus Version Staferla von Seminar 18.
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Version Staferla verweist hier auf Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, Sitzung vom 10. Februar 1962, Lacan bezieht sich dort auf: James G. Février: Histoire de l’écriture. Payot, Paris 1948, darin findet man ein vergleichende Tabelle bestimmter protosinaitischer und protophönizischer Zeichen (S. 196).
Buchstaben sind Elemente – das griechische Wort stoicheion meint sowohl das Element als auch den Buchstaben.
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„Ektopie“ (von griechisch ektos (außen) und topos (Ort), wörtlich „Außerörtlichkeit“: medizinischer Fachbegriff dafür, dass sich ein Gewebe an einer anderen Stelle befindet als gewöhnlich. Hier im Sinne von Ortsverlagerung. Lacan bezieht sich auf das Schleudern des Arms.
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Möglicherweise bezieht sich Lacan hier auf das Konzept des Schnitts, insofern es in der Parabel fehlt.
Couper les bras (die Arme abschneiden) meint im Argot „überraschen“, „verblüffen“, „erstaunen“.
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Die Projektion besteht darin, dass mein Nachbar mir meinen rechten Arm zuwirft. Also besteht die Retorsion vermutlich darin, dass ich selbst die Arme, die in meinem Territorium landen, über die Grenze werfe.
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Das könnte heißen: Die Arme bzw. Signifikanten fliegen hin und her, dadurch verändert sich in einem bestimmten Territorium beständig ihre Anzahl, insofern kann für eine bestimmte Periode für ein bestimmtes Territorium ihr Durchschnitt berechnet werden.
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In Seminar 20 wird Lacan ein Ensemble von Herrensignifikanten als essaim bezeichnen, als „Schwarm“, er spielt dabei an auf die Lautgleichheit von essaim und S1, französisch ausgesprochen: S-un (vgl. J.L.: Seminar 20 von 1972/73, Encore. Übersetzt von Norbert Haas u.a. Quadriga, Weinheim u.a. 1986, S. 156.)
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D’un discours qui ne serait pas du semblant. Genitivus objectivus: etwa „Von einem Diskurs, der nicht über den Schein wäre“.
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Genitivus subjectivus: etwa „Von einem Diskurs, der nicht aus dem Schein hervorginge“.
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Daran hatte Lacan gleich zu Beginn dieser Sitzung erinnert, mit der Formel „Ein Signifikant ist das, wodurch für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird“ (Version Miller, S 10).
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„du semblant“ ist also grammatisch auch als Genitivus subjectivus aufzufassen, wobei der Terminus „subjectivus“ allerdings zu problematisieren ist.
Die Übersetzung mit „Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre“ hat dieselbe Doppeldeutigkeit, sie meint sowohl „Von einem Diskurs, der nicht über den Schein wäre“ als auch „Von einem Diskurs, der nicht aus dem Schein hervorginge“. Eine alternative doppeldeutige Lösung wäre: „Von einem Diskurs, der nicht der des Scheins wäre“.
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faire florès, wörtlich: „Blüten machen“; seine Freude zeigen, Erfolg haben, Ansehen gewinnen, glänzen, aufblühen.
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Lacans Formel für diesen Zusammenhang ist „Es gibt keine Metasprache“.
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In der Logik besteht ein Schluss (oder ein Argument) aus Prämissen und einer Schlussfolgerung (oder Konklusion). Die Wahrheit der Prämissen und der Schlussfolgerung ist hypothetisch: Wenn p wahr wäre (p ist die erste Prämisse), und wenn q wahr wäre (die zweite Prämisse), dann wäre auch r wahr (die Schlussfolgerung).
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Unter einer Hypothese versteht Lacan hier, wie in der Logik üblich, die Prämissen eines Arguments.
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Der Modus ponens ist ein logisches Argument von folgender Struktur:
Erste Prämisse: Folgendes ist wahr: wenn p, dann q. (materiale Implikation).
Zweite Prämisse: p ist wahr.
Konklusion: Dann ist auch q wahr.Die erste Prämisse ist eine Hypothese. p ist ein Term im Inneren dieser Hypothese. p ist wahr, dies ist die zweite Prämisse.
Der Modus ponens beruht auf der WWW-Zeile der Wahrheitstabelle der materialen Implikation, was man so schreiben kann.
Erster Prämisse: p→ w: W
Zweite Prämisse: p: W
Konklusion: q: W
Die Konklusion ergibt sich daraus, dass, wenn p wahr ist, die Gesamtaussage nur dann wahr ist, wenn auch q wahr ist. -
Vermutlich ein Hinweis auf den Katalog der Schlussregeln: modus ponens, modus tollens, Kettenschluss usw.
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Unter einer Hypothese in negativer Form versteht Lacan hier eine Hypothese, die sich auf eine verneinende Aussage bezieht: „Es ist möglicherweise wahr, dass S nicht P ist“, hier: „Es ist ist möglicherweise wahr, dass der Diskurs nicht vom Schein ist.“
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S. Freud: Die Verneinung (1925). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 371–388.
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Lacan bezieht sich hier auf: Jean Hyppolite: Gesprochener Kommentar über die „Verneinung“ von Freud. Übersetzt von Ursula Rütt-Förster. In: J. Lacan: Schriften III. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten u.a. 1980, S. 191–200 (vorgetragen in Lacans Seminar 1 von 1953/54, Freuds technische Schriften, am 10. Februar 1954, zuerst veröffentlicht 1956 in der Zeitschrift La Psychanalyse).
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Attributionsurteil – Existenzurteil
Freud schreibt in Die Verneinung (1925):
„Die Urteilsfunktion hat im wesentlichen zwei Entscheidungen zu treffen. Sie soll einem Ding eine Eigenschaft zu- oder absprechen, und sie soll einer Vorstellung die Existenz in der Realität zugestehen.“
(A.a.O., S. 374)
Freuds erstes Beispiel für ein verneinendes Urteil, in dem eine Eigenschaft abgesprochen ist, lautet:
„Sie werden jetzt denken, ich will etwas Beleidigendes sagen, aber ich habe wirklich nicht diese Absicht.“
(A.a.O., S. 373)
Vereinfacht man das, ergibt sich: „Ich will Sie beleidigen.“ Das korrespondierende Urteil, in dem dieselbe Eigenschaft zugesprochen wird, würde dann lauten: „Ich will Sie nicht beleidigen.“ Um es an die Form S ist P als der allgemeinen Form des Urteils heranzuführen:
„Ich bin nicht das und das“ (verneinendes Attributionsurteil) versus
„Ich bin das und das“ (bejahendes Attributionsurteil),
(„Ich“ ist das Subjekt, S, „bin“ ist die Kopula“, „das und das“ ist das Prädikat, P).Freud führt das Zu- oder Absprechen von Eigenschaften, also die beiden Formen des Attributionsurteils, darauf zurück, dass das ursprüngliche Lust-Ich alles Gute in sich einschließen will (Ursprung des bejahenden Attributionsurteils) und alles Schlechte von sich werfen will (Ursprung des verneinenden Attributionsurteils); das Bejahen gehört dem Eros an, die Verneinung dem Todestrieb.
Ein Existenzurteil (oder, wie man heute sagt, eine Existenzaussage) ist den Lehrbüchern zufolge eine Aussage, die mit „es gibt“ beginnt. Da Lacan sich auf die Mutterbrust bezieht, könnte man als Beispiel für ein Existenzurteil diesen Satz konstruieren: „Es gibt etwas, was eine Mutterbrust ist.“
Freud führt die Existenzaussage darauf zurück, dass das Real-Ich (das aus dem Lust-Ich hervorgegangen ist und die Funktion der Realitätsprüfung hat) feststellen will, ob etwas Vorgestelltes in der realen Wahrnehmung wiederzufinden ist, ob es noch vorhanden ist oder ob die Brust nur halluziniert ist.
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Wenn ich sage „Das Einhorn trägt nicht zwei Hörner auf der Stirn“ setzte ich damit die Existenz des Einhorns voraus.
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Ende desselben Jahres wird Lacan in der Vorlesungsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers sagen:
„Verstehen Sie gut, dass ich von einem Akt spreche, der vollendet wäre, so wie ich letztes Jahr von einem Diskurs sprach, der nicht des Scheins wäre. In dem einen wie in dem anderen Fall gibt es einen solchen nicht, weder einen solchen Diskurs noch einen solchen Akt.“
(J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, Sitzung vom 4. November 1971, S. 31)
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Freud fragt sich, ob der beobachtbare Zwang, unlustvolle Erlebnisse zu wiederholen, jenseits des Lustprinzips erfolgt. Unklar ist, wie die Alpträume der Unfallneurotiker zu erklären sind. Manche Wiederholungsphänomene scheinen durch das Lustprinzip einigermaßen erklärt werden zu können, z.B. das Fort-Da-Spiel von Freuds Enkel. Es gibt jedoch zwei Wiederholungsphänomene, die ganz klar jenseits des Lustprinzips liegen: die Wiederholung unlustvoller Kindheitserfahrungen in der psychoanalytischen Behandlung auf der Grundlage der Übertragung und außerdem der „Schicksalszwang“, der etwa darin besteht, dass bei Männern jede Freundschaft denselben Ausgang nimmt usw. Von daher kann man auch die Träume der Unfallneurotiker und das Kinderspiel auf einen Wiederholungszwang beziehen, der sich über das Lustprinzip hinwegsetzt. Die Motivierung der Wiederholung ist in der Regel gemischt, in ihr ist sowohl das Lustprinzip wirksam als auch der Wiederholungszwang jenseits des Lustprinzips, wobei letzterer jedoch ursprünglicher ist, triebhafter.
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In Jenseits des Lustprinzips erläutert Freud das Lustprinzip so:
„In der psychoanalytischen Theorie nehmen wir unbedenklich an, daß der Ablauf der seelischen Vorgänge automatisch durch das Lustprinzip reguliert wird, das heißt, wir glauben, daß er jedesmal durch eine unlustvolle Spannung angeregt wird und dann eine solche Richtung einschlägt, daß sein Endergebnis mit einer Herabsetzung dieser Spannung, also mit einer Vermeidung von Unlust oder Erzeugung von Lust zusammenfällt.“
(S. Freud: Jenseits es Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 213–272, hier: S. 217.)
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Vgl. Seminar 17, Sitzungen vom 26. November 1969 (Version Miller, S. 20–24), vom 17. Dezember 1969 (Version Miller, S. 34), vom 18. Februar 1970 (Version Miller, S. 99) und vom 13. Mai 1970 (Version Miller, S. 173).
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Lacan bezieht sich auf Hegels Phänomenologie des Geistes (1807), darin auf das Kapitel über Herrschaft und Knechtschaft („IV. Die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst, A. Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft“). Lacan verweist häufig hierauf, vor dieser Sitzung zuletzt mehrmals in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse.
Grundlegend für Hegels Analyse von Herrschaft und Knechtschaft ist das Begriffspaar von Genuss und Begierde; die beiden Begriffe wurden mit „jouissance“ und „désir“ ins Französische übersetzt.
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Die Parabel in der unteren Zeichnung hat nur eine untere Grenze, nach oben hin ist sie unbegrenzt; in diesem Sinne geht sie bis ins Unendliche.
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Auf diese Sentenz kommt Lacan immer wieder zurück; zuerst findet man sie in Seminar 2, Sitzung vom 25. Mai 1955; Version Miller/Metzger, S. 304. Bereits hier findet man die Verwechslung von Pascal mit Descartes (von Miller in seiner Edition korrigiert).
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Freud bezeichnet als „Ökonomie“ (oder „ökonomischen Gesichtspunkt“) alles, was mit der Verteilung, Erhöhung, Verringerung der Triebenergie zu tun hat.
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Lacan bezieht sich auf die Formel „Das Reale ist das Unmögliche“, die er ab Seminar 9 in sämtlichen Seminaren aufgegriffen und ausgearbeitet hatte.
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Vermutlich im Sinne von: „was bereits seiner Struktur unterworfen war“ – der Einbruch des Diskurses des Unbewussten impliziert nicht, dass das, wohinein er einbrach – nämlich in die Jouissance –, eine Struktur hatte, die der des Unbewussten ähnlich war.
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Enseigne: Aushängeschild, Feldzeichen, von lat. signum, Zeichen.
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Das Unmögliche ist für Lacan das logisch Unmögliche; also bezieht Lacan sich hier möglicherweise auf die Logik.
Seminar 16 hatte mit diesem an die Tafel geschriebenen Satz begonnen: „Das Wesen der psychoanalytischen Theorie ist ein Diskurs ohne Sprechen“ (siehe hier). Das heißt vielleicht, dass der Diskurs der Psychoanalyse sich auf etwas Unmögliches bezieht.
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Seminar 4, Sitzung vom 3. April 1957; Version Miller/Gondek, S. 333.
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Seminar 5, Sitzung vom 6. November 1957; Version Miller/Gondek, S. 12.
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„Es muss sich Ihnen langsam zeigen, dass die Kehrseite der Psychoanalyse eben das ist, was ich in diesem Jahr unter dem Titel »Diskurs des Herrn« vorbringe.“
(Sitzung vom 18. Februar 1970; Version Miller, S. 99, meine Übersetzung).
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Vgl. Seminar 17, Sitzung vom 21. Januar 1970; Version Miller, S. 67–70.
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J. Lacan: L’étourdit (1973). In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 449–495, hier: 478, meine Übersetzung.
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Vgl. Seminar 15, Der psychoanalytische Akt, Ende der Sitzung vom 20. März 1968.
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Ernest Jones: Rationalization in every-day life. In: The Journal of Abnormal Psychology, 3. Jg. (1908), S. 161-169.
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Vgl. Seminar 10, Die Angst (1962/63), Sitzung vom 9. Januar 1963; Version Miller, S 102.
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Vgl. Seminar 14, Die Logik des Phantasmas (1966/67), Sitzung vom 23. November 1966.
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Vgl. Seminar 20, Encore (1972/73), Sitzung vom 26. Juni 1973; Version Miller/Haas u.a., S. 154, „le signifiant en lui-même“ wird dort mit „der Signifikant in sich selbst“ übersetzt.
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J. Lacan: Anmerkung zum Bericht von Daniel Lagache „Psychoanalyse und Struktur der Persönlichkeit“. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant 2015, S. 146–191, hier: S. 190, Übersetzung geändert.
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Vgl. Seminar 10 von 1962/63, Die Angst, zur Stimme: Sitzung vom 22. Mai 1963; zum Verhältnis von Stimme und Über-Ich: Sitzung vom 5. Juni 1963, Version Miller/Gondek S. 346).
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Vgl. Seminar 15, Der psychoanalytische Akt, Sitzung vom 6. Dezember 1967.
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Vgl. Seminar 13 von 1965/66, Das Objekt der Psychoanalyse, Sitzung vom 8. Juni 1966.
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J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, Sitzung vom 4. November 1971, S. 31.
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J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche in der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, Sitzung vom 4. November 1971, S. 27.
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In Seminar 13 heißt es,
„die Wesen, denen die Jouissance zugewiesen war, die schlicht und einfache Jouissance, waren die Sklaven“.
(Sitzung vom 20. April 1966, meine Übersetzung nach Version Staferla).
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Vgl. J. Lacan: Television (1973). In: Ders.: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin 1988, S. 55–98, hier: S. 73.