Jacques Lacan
Lituraterre (II)
Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Rolf Nemitz
Dies ist die 2. Fassung der Übersetzung, 29. März 2025.
1. Fassung vom 9. Mai 2019. hier.
„Lituraterre (II)“ ist die im Druck erschiemene Version von „Lituraterre“. Die im Seminar gesprochene Version, „Lituraterre (I)“, findet man hier.
Erste deutsche Übersetzung von Lacans Aufsatz Lituraterre (Druckfassung von 1971).
Vorbemerkung zur Übersetzung
Lituraterre gibt es in zwei Fassungen; ich nenne sie Lituraterre (I) und Lituraterre (II). Dies hier ist die Übersetzung von Lituraterre (II).
Seinen ersten Auftritt hatte Lituraterre in Seminar 18 von 1971, Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre, in der Sitzung vom 12. Mai 1971; Lacan hat den Aufsatz hier vollständig vorgelesen. Von dieser Lese-Fassung gibt es mehrere Transkriptionen, diese Transkriptionen nenne ich Lituraterre (I). Meine Übersetzung von Lituraterre (I) habe ich 2015 auf dieser Website veröffentlicht, hier.
Einige Monate nach dem Vortragen des Aufsatzes im Seminar erschien der Text im Druck, in der Zeitschrift Littérature, Nr. 3 (Themenheft Littérature et psychanalyse), 1. Jg., Oktober 1971, S. 3–10. Diese gedruckte Endfassung ist Lituraterre (II), also der hier übersetzte Text. Eine Abschrift der französischen Druckfassung findet man im Internet auf der Seite der ELP, Pas-tout Lacan, hier.
Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden Fassungen sind gering. Dennoch handelt es sich deutlich um zwei Fassungen, nur wenige Sätze haben exakt denselben Wortlaut. Lituraterre (II) ist knapper als Lituraterre (I); viele schwierige Stellen erschließen sich, wenn man die Transkription der gesprochenen Fassung heranzieht. Einen Vergleich der beiden Fassungen (von unbekannter Hand) gibt es auf der Website von Patrick Valas, hier.
Im Folgenden findet man die Übersetzung zunächst nur deutsch, dann Satz für Satz deutsch/französisch. Im zweisprachigen Teil hat die Übersetzung ausführliche Anmerkungen mit Literaturhinweisen, Parallelstellen und Erläuterungen; ich habe sie überwiegend aus der Übersetzung von Lituraterre (I) übernommen.
Lituraterre (II) wurde von Jacques-Alain Miller in Lacans Autres écrits aufgenommen, als einleitenden Aufsatz außerhalb der Chronologie, analog zum Poe-Aufsatz in Lacans Schriften.1 Millers Nachdruck von Lituraterre (II) weicht in einigen kleinen Punkten von der Erstveröffentlichung ab; in den Anmerkungen zum französischen Text habe ich die Abweichungen benannt.
Ein wichtiger Hintergrund für Lituraterre in beiden Fassungen ist Lacans Seminar 18 von 1971, Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre; meine Übersetzung dieses Seminars gibt es auf dieser Website hier. Sekundärliteratur zu Lituraterre findet man am Ende meiner Übersetzung von Lituraterre (I), hier.
Viele Anregungen verdankt diese Übersetzung von Lituraterre (II) Gerhard Herrgott sowie der von Beatrice Khiara-Foxton und Adrian Price erstellten englischen Übersetzung des Aufsatzes.2
Zur Notation
– Einschübe in runden Klammern sind von Lacan.
– Ein Sternchen nach einem Wort* weist darauf hin, dass es im Original deutsch ist.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
Lituraterre (II)
Deutsch
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [11], verweisen auf die Seiten von J. Lacan: Autres écrits. Seuil, Paris 2001.
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[11] Lituraterre
Dieses Wort findet seine Rechtfertigung im Ernout und Meillet: lino, litura, liturarius. Mir aber kam es durch dieses Wortspiel, aus dem man zuweilen einen Witz macht: die Lautvertauchung kam mir über die Lippen, die Umstellung ans Ohr.
Dieses Wörterbuch (in dem man nachschlagen möge) bietet mir Auspizium, denn es gründet einen Ausgangspunkt [départ], den ich bei der Äquivokation nahm (aufbrechen [partir] ist hier aufteilen [répartir]), mit der Joyce (ich meine James Joyce) von a letter zu a litter hinübergleitet, von einem Buchstaben (ich übersetze) zu einem Abfall.
Man wird sich daran erinnern, dass eine „Metz-Hähnin“, die ihm Gutes tun wollte, ihm eine Psychoanalyse anbot, wie man das mit einer Dusche tun würde. Und auch noch bei Jung …
Bei dem Spiel, das wir ansprechen, hätte er nichts gewonnen, ging er doch geradenwegs auf das Beste dessen zu, was man von einer Psychoanalyse an ihrem Ende erwarten kann.
Wenn er aus dem Buchstaben [lettre] Streu [litière] macht – ist es dann wieder der Heilige Thomas, der ihm hier in den Sinn kommt, wie das Werk es von vorne bis hinten bezeugt?
Oder bekundet die Psychoanalyse hier ihre Konvergenz mit dem, was unsere Zeit als Auflösung des alten Bandes anklagt, das in der Kultur die Verschmutzung zügelt?
Ich habe das früher einmal etwas ausgeführt, wie durch Zufall kurz vor dem Mai ’68, um die Verlorenen der Menschenmengen, die ich jetzt immer dorthin verschiebe, wo ich einen Besuch mache, nicht leer ausgehen zu lassen, an jenem Tag in Bordeaux. Die Zivilisation, daran hatte ich als Prämisse erinnert, ist der Abwasserkanal.
Man muss wohl sagen, dass ich des Mülleimers überdrüssig war, mit dem ich mein Schicksal vernietet habe. Wenn ich es als Vermächtnis eingestehe, bin ich bekanntlich nicht allein.
Das avouer, das Eingestehen, oder, auf alte Weise ausgesprochen, das avoir, das Haben, mit dem Beckett das Soll ausgleicht, das unser Sein zu Abfall macht, rettet die Ehre der Literatur und entbindet mich von dem Privileg, von dem ich glauben könnte, es aufgrund meines Platzes innezuhaben.
Die Frage ist, ob die Literatur, wie die Lehrbücher es anzubieten scheinen, Resteverwertung ist, ob es bei ihr darum geht, eine schriftliche Kollokation dessen vorzunehmen, was zunächst Gesang gewesen sei, gesprochener Mythos, Dramenprozession.
Was die Psychoanalyse angeht, so qualifiziert die Tatsache, dass sie am Ödipus hängt, sie in keiner Weise dazu, sich im Text des Sophokles zurechtzufinden. Dass Freud einen Text von Dostojewski erwähnt, reicht nicht hin, um zu sagen, die Textkritik, bisher Jagdrevier des Universitätsdiskurses, habe durch die Psychoanalyse frischen Wind bekommen.
Mein Unterricht findet hier statt in einem Wechsel der Konfiguration, der mit einem Slogan zur Förderung des Geschriebenen beworben wird, von dem jedoch andere Zeugnisse – etwa, dass heute endlich Rabelais gelesen wird – eine Interessenverschiebung anzeigen, mit der ich besser zusammengehe.
Als Autor bin ich darin weniger involviert als man sich vorstellt, und meine Schriften, ein Titel, der ironischer ist, als man glauben mag: wenn es sich entweder um Berichte handelt, eine Kongressfunktion, oder um, sagen wir, „offene Briefe“, in denen ich zu einem Stück meiner Lehre Fragen aufwerfe.
Statt mich jedoch auf das literarische Geschmuse einzulassen, das den Psychoanalytiker kennzeichnet, dem es an Erfindungsgabe mangelt, brandmarke ich darin den unausbleiblichen Versuch, die Unausgeglichenheit seiner Praxis zu beweisen, wenn es darum geht, das geringste literarische Urteil zu begründen.
Es fällt jedoch auf, dass ich diese Sammlung mit einem Artikel eröffne, den ich aus der Chronologie herausnehme, und dass es sich dabei um eine Erzählung handelt, die selbst insofern recht speziell ist, als sie in der geordneten Liste dramatischer Situationen nicht unterzubringen ist: eine Erzählung darüber, was sich durch das Versenden eines Briefes [lettre] ereignet, wer von dessen Nachsendungen Kenntnis hat und auf welche Elemente sich stützt, dass ich sagen kann, er habe seinen Bestimmungsort erreicht, nachdem die Erzählung [conte] und ihre Darlegung [compte] sich auf die Umwege, denen er unterworfen war, gestützt haben, ohne jeden Bezug auf seinen Inhalt [contenu]. Dabei ist umso bemerkenswerter, dass die Wirkung, die er auf diejenigen, die nacheinander in seinen Besitz gelangen, ausübt – wobei alles für die Macht spricht, die er überträgt, wenn sie Anspruch auf ihn erheben können –, dass diese Wirkung so gedeutet werden kann wie ich es tue, als Feminisierung.
Damit haben Sie eine gute Zusammenfassung dessen, was den Brief / den Buchstaben von dem Signifikanten, den er übermittelt, unterscheidet. Wobei aus der Epistel keine Metapher gemacht wird. Denn die Erzählung besteht darin, dass in ihr, wie in einer Taschenspielerei, die Botschaft zum Verschwinden gebracht wird und der Brief die Wendepunkte ohne die Botschaft herbeiführt.
Sollte meine Kritik zur Recht für Literaturkritik gehalten werden, kann sie sich nur auf das beziehen – und darum bemühe ich mich –, was Poe daraus, dass er Schriftsteller ist, macht, wenn er eine solche Botschaft über den Brief / Buchstaben gestaltet. Wenn er es nicht als solches sagt, ist klar, dass er es damit nicht unzureichend, sondern umso rigoroser eingesteht.
Dennoch ließe sich diese Elision nicht mithilfe eines Zuges seiner Psychobiografie aufklären: eher würde sie man sie dadurch verschütten.
(So wirft denn auch die Psychoanalytikerin, die die anderen Texte von Poe abgeschrubbt hat, hier das Handtuch.)
Genauso wenig wie mein eigener Text durch meine Psychobiografie aufgeschlüsselt werden könnte: etwa durch den Wunsch, den ich gebildet hätte, endlich auf angemessene Weise gelesen zu werden. Denn dafür müsste man noch darlegen, was ich darunter verstehe, dass der Brief so weit trägt, dass er immer seinen Bestimmungsort erreicht.
Es ist sicher, dass die Psychoanalyse hier wie üblich von der Literatur etwas empfängt, wenn sie von ihr, für ihr eigenes Gebiet, eine weniger psychobiographische Vorstellung der Verdrängung übernimmt.
Was mich angeht, wenn ich der Psychoanalyse den Brief / den Buchstaben als unzustellbar [en souffrance] vorlege, dann deshalb, weil sie hierbei ihr Scheitern [échec] zeigt. Und dadurch kläre ich sie auf: wenn ich so die Aufklärung beschwöre, dann um zu zeigen, wo die Psychoanalyse ein Loch bildet. Man weiß das seit langem: in der Optik nichts Wichtigeres, und die neueste Physik des Photons wappnet sich damit.
Eine Methode, mit welcher die Psychoanalyse ihre Einmischung besser rechtfertigt: denn wenn die Literaturkritik sich tatsächlich erneuern könnte, dann von daher, dass die Psychoanalyse da wäre, damit die Texte sich an ihr messen, wobei das Rätsel auf ihrer Seite ist.
Diejenigen aber, bei denen es keine Verleumdung ist, zu behaupten, dass sie, statt die Psychoanalyse auszuüben, von ihr ausgeübt werden, zumindest als Gemeinschaft [en corps] genommen, verstehen meine Worte schlecht.
An sie gewendet setze ich Wahrheit und Wissen einander entgegen: erstere ist das, worin sie ihr Amt sogleich erkennen, während es, auf der Anklagebank, ihre Wahrheit ist, die ich erwarte. Ich bestehe darauf, meinen Schuss mit einem savoir en échec zu korrigieren, mit einem Wissen im Schach, so wie man sagt figure en abyme, abgründige Figur [= Figur, die sich in sich selbst wiederholt], das ist nicht ein Scheitern des Wissens [échec du savoir]. Daraufhin erfahre ich, dass man sich davon dispensiert glaubt, irgendein Wissen unter Beweis zu stellen.
Sollte es ein toter Buchstabe sein, den ich in den Titel eines der Stücke gesetzt habe, die ich Schriften .… genannt habe, des Buchstabens, das Drängen, als Grund/Räson des Unbewussten?
Genügt das nicht, um im Buchstaben das zu bezeichnen, was, da es insistieren muss, nicht mit vollem Recht da ist, mit wie starker Räson auch immer es sich vorbringt? Diese Räson / dieses Maßverhältnis als mittleres oder äußeres zu bezeichnen, heißt, die Zweiteilung zu zeigen, in der sich jede Messung vollzieht; gibt es aber nichts im Realen, das ohne diese |[14] Vermittlung auskommt? Die Grenze symbolisisert sicherlich, indem sie zwei Gebiete voneinander trennt, dass die Gebiete für jeden, der die Grenze überschreitet, gleich sind, dass sie ein gemeinsames Maß haben. Das ist das Prinzip der Umwelt*, die eine Widerspiegelung der Innenwelt* ist. Ein Ärgernis, diese Biologie, die sich von vornherein ganz als Prinzip gibt: die Tatsache der Anpassung vor allem; ganz zu schweigen von der Auslese, sie ist offen Ideologie, die sich damit segnet, natürlich zu sein.
Ist der Buchstabe nicht eigentlich – litoral, d.h. stellt er nicht dar, dass ein ganzer Bereich für den anderen eine Grenze bildet, von daher, dass sie einander fremd sind, bis dahin, dass sie nicht reziprok sind?
Der Rand des Lochs im Wissen – ist es nicht das, was der Buchstabe umreißt? Und wie könnte die Psychoanalyse, wenn sie das, was der Buchstabe mit ihrem Mund „buchstäblich“ sagt, nicht verkennen sollte, wie könnte sie leugnen, dass es dieses Loch gibt, da sie ja, um es zu füllen, darauf zurückgreift, hier die Jouissance aufzurufen?
Es bleibt zu klären, wie das Unbewusste – von dem ich sage, dass es eine Wirkung von Sprache ist, da es deren Struktur als notwendig und hinreichend voraussetzt – diese Funktion des Buchstabens bestimmt.
Dass er ein geeignetes Werkzeug für das Schreiben des Diskurses ist, macht ihn nicht dazu ungeeignet, das Wort, das im Satz für ein anderes, ja durch ein anderes genommen wird, zu bezeichnen, also bestimmte Signifikanteneffekte zu symbolisieren, zwingt jedoch nicht dazu, dass er in diesen Effekten primär wäre.
Eine Untersuchung drängt sich nicht hinsichtlich dieses Primats auf, welches nicht einmal zu vermuten ist, sondern in Bezug auf das, was in der Sprache das Litorale dem Literalen zuweist.
Was ich mithilfe von Buchstaben über die Bildungen des Unbewussten geschrieben habe, um sie zurückzugewinnen aus dem, was Freud darüber formuliert, da sie sind, was sie sind, Signifikanteneffekte, ermächtigt nicht dazu, aus dem Buchstaben einen Signifikanten zu machen, und nicht dazu, ihm darüber hinaus dem Signifikanten gegenüber einen Primat zuzuweisen.
Ein verworrener Diskurs wie dieser konnte nur von dem Diskurs her aufkommen, der für mich von Bedeutung ist [qui m’importe]. Er importiert mich [il m’importe] jedoch in einen anderen, den ich zu gegebener Zeit als Universitätsdiskurs etikettiere, nämlich Diskurs des ausgehend vom Schein [semblant] in Gebrauch genommenen Wissens.
Das geringste Gefühl dafür, dass die Erfahrung, mit der ich mich auseinandersetze, nur von einem anderen Diskurs her verortet werden kann, hätte verhindern müssen, ihn zu produzieren, ohne es also von mir einzubekennen. Dass man mir dies, Gott sei Dank, erspart, ändert nichts daran, dass man mich, indem man mich in genannten Sinn importiert, belästigt [importune].
Hätte ich die Modelle für akzeptabel gehalten, die Freud in einem Entwurf artikuliert, über das Bohren von Bahnungen, hätte ich daraus dennoch |[15] nicht eine Metapher für die Schrift genommen. Sie ist nicht die Einprägung, auch wenn das dem Wunderblock nicht gefallen mag.
Wenn ich den zweiundfünfzigsten Brief an Fließ heranziehe, dann um darin zu lesen, was Freud mit einem von ihm gebildeten Ausdruck als Wz bezeichnen konnte, als Wahrnehmungszeichen*, was dem Signifikanten am nächsten kommt, zu einem Zeitpunkt, als Saussure ihn (vom signans der Stoiker) noch nicht wiederaufgegriffen hatte.
Dass Freud dies mit zwei Buchstaben schreibt, beweist nicht mehr als in meinem Fall, dass der Buchstabe primär wäre.
Ich werde also versuchen, den Kern dessen aufzuzeigen, was mir als Konsequenz den Buchstaben hervorzubringen scheint, sowie der Sprache, genau gesagt dessen, dass ich sage, dass derjenige, der spricht, sie bewohnt.
Dafür werde ich die Züge dem entnehmen, was es aufgrund einer Ökonomie der Sprache gestattet, zu umreißen, wodurch meines Erachtens gefördert wird, dass Literatur möglicherweise in Lituraterre umschlägt.
Es wird niemanden überraschen, zu sehen, dass ich hier in einer literarischen Beweisführung voranschreite, denn das heißt, in dem Schritt zu gehen, in dem die Frage vorankommt. Wodurch sich aber feststellen lässt, was das ist, eine solche Beweisführung.
Ich bin gerade zurückgekommen von einer Reise nach Japan, auf die ich mich gefreut hatte, wegen dem, was ich auf einer ersten Reise an … Litoralem erfahren hatte. Man möge mich ohne viel Worte von dem her verstehen, was ich vorhin von der Umwelt* zurückgewiesen habe, da sie die Reise unmöglich macht: also, meiner Formel zufolge, nach einer Seite hin ihr Reales sichert, jedoch verfrüht, indem nur, allerdings versehentlich, der Abflug unmöglich gemacht wird oder höchstens „Fort nun!“ gesungen wird.
Ich möchte nur den Moment festhalten, den ich auf einer neuen Route erfasst habe, die genommen wurde, weil sie nicht mehr, wie beim ersten Mal, verboten war. Ich gestehe jedoch, dass es nicht auf dem Hinflug war, entlang des Polarkreises, dass mir das, was ich von der sibirischen Ebene sah, etwas zu lesen gab.
Mein gegenwärtiger Essay, insofern er als eine Sibiriethik tituliert werden könnte, hätte also nicht das Tageslicht erblickt, wenn das Misstrauen der Sowjets mich die Städte, ja die Industrieanlagen und die militärischen Einrichtungen hätte sehen lassen, die für sie den Wert Sibiriens ausmachen, das ist jedoch nur eine akzidentelle Bedingung, wenn auch vielleicht weniger, wenn ich sie okzidentell nenne, um hier den Unfall [accident] einer Aufschichtung des Tötens [occire] anzuzeigen.
Die einzig entscheidende Bedingung ist die des Litorals, und sie kam erst auf dem Rückflug ins Spiel, da sie buchstäblich darin bestand, dass Japan mir durch seinen Buchstaben zweifellos dieses Ein-wenig-zu-viel verschafft hatte, was genau das ist, was es braucht, damit ich es spüre, denn ich hatte ja bereits gesagt, dass es das ist, wovon seine Sprache in besonderem Maße betroffen ist.
[16] Dieses zu viel rührt gewiss von dem her was die Kunst davon übermittelt: damit spreche ich über die Tatsache, dass die Malerei hier ihre Ehe mit dem Buchstaben demonstriert, und zwar genau in Gestalt der Kalligrafie.
Wie soll ich sagen, was mich an diesen Sachen fasziniert, die dort hängen, Kakemono, so brabbelt man das, die an diesen Orten an jeder Museumswand hängen und die Inschriften aus Schriftzeichen tragen, die ihrer Bildung nach chinesisch sind, das ich ein wenig kenne, was mir immerhin, so wenig ich sie auch kenne, zu ermessen erlaubt, was in der Kursivschrift davon getilgt ist, in der das Singuläre der Hand das Universale erdrückt, also eigentlich das, wozu ich Ihnen beibringe, dass es nur vom Signifikanten her Wert hat: ich finde es darin nicht wieder, jedoch weil ich Anfänger bin. Was hier im Übrigen nicht das Wichtige ist, denn selbst wenn dieses Singuläre eine festere Form unterstützt und zu ihm die Dimension hinzufügt, ich habe bereits „die demansion“ gesagt, die demansion des nichmeerallzeins, diejenige, durch welche das evoziert wird, was ich vom Subjekt in das Ein’s-Mär einführe, von daher, dass es die Angst vor dem Un-Ding lindert, dann fungiert das, was ich hier mit dem klein a konnotiere, als das Objekt, da es Einsatz in welcher Wette ist, die mit Tinte und Pinsel gewonnen wird?
So erschien mir unwiderstehlich, dieser Umstand ist nicht ohne Belang: von zwischen-den-Wolken her, das auf der Oberfläche abfließende Wasser, einzige Spur, die sich zeigte, durch die in diesen Breiten die Oberflächengestalt mehr noch hervorgebracht als angezeigt wird, auf dem, was aus Sibirien eine Ebene macht, eine von jeder Vegetation verlassene Ebene, bis auf einen leuchtenden Glanz, der das, was nicht schimmert, in den Schatten stößt.
Das Abfließen ist eine Bündelung aus dem ersten Zug oder Strich [trait premier] und dem, was ihn auslöscht. Ich habe es bereits gesagt: ihre Verbindung ist das, woraus das Subjekt gebildet wird, jedoch dadurch, dass sich darin zwei Schritte abzeichnen. Also muss darin die Streichung [rature] unterschieden werden.
Streichung [rature] jeglicher Spur, die zuvor dagewesen sein mag, es ist dies, wodurch das Litoral zur terre wird, zum Terrain. Reine litura [lat. Streichung], das ist das Literale, das Buchstäbliche. Diese Streichung zu produzieren, heißt, die unpaare Hälfte zu reproduzieren, durch welche das Subjekt Bestand hat. Solcherart ist die Leistung der Kalligrafie. Versuchen Sie mal, den waagerechten Balken, der von links nach rechts gezogen wird, zu zeichnen, um durch einen Strich das unäre Eins als Schriftzeichen zu bilden, Sie werden eine Weile brauchen, um herauszufinden, mit welchem Druck er angegangen wird und bei welcher Spannung er zu einem Ende kommt. Für einen Verwesteten ist das, offen gesagt, hoffnungslos.
Man braucht hier eine Bewegungsabfolge, die man nur erreicht, wenn man sich von allem löst, was einen durchstreicht.
Zwischen Zentrum und Abwesenheit, zwischen Wissen und Jouissance, liegt ein Litoral, das nur dann zum Literalen abbiegt, zum Buchstäblichen, wenn Sie in der Lage sind, jederzeit dieselbe Kurve zu nehmen. Einzig das ermöglicht es Ihnen, sich für einen Agenten zu halten, der es unterstützt.
Was sich durch meine Vision des Fließens offenbart, insofern darin die Streichung |[17] dominiert, ist dies, dass sie sich von Zwischen-den-Wolken aus herstellt und dadurch mit ihrer Quelle verbunden ist, und dass es tatsächlich die Wolken sind, zu denen Aristophanes mich ruft, um herauszufinden, worum es beim Signifikanten geht: um den Schein par excellence, wenn es durch ihren Bruch dazu kommt, dass es regnet, eine Wirkung, bei der das, was Materie im Schwebezustand war, daraus hinabstürzt.
Dieser Bruch, der auflöst, was Gestalt, Phänomen, Meteor bildete und worüber ich gesagt habe, dass die Wissenschaft so vorgeht dass sie deren Anblick zerbricht, ist es nicht auch so, dass von daher, das zu verabschieden, was durch diesen Bruch Jouissance bereiten würde, die Welt [monde] oder auch der Schmutz [immonde] einen Trieb hat, das Leben zu figurieren?
Was an Jouissance evoziert wird, wenn ein Schein zerbricht, ist das, was sich im Realen als Erosionsrinne darstellt.
Durch die gleiche Wirkung kommt es, dass die Schrift im Realen die Rinne des Signifikats ist, das nämlich, was vom Schein, insofern er den Signifikanten bildet, herabgeregnet ist. Die Schrift gibt nicht den Signifikanten wieder, sondern seine Sprachwirkungen [effets de langue], das, was daraus durch denjenigen, der sie spricht, geschmiedet wird. Zum Signifikanten steigt die Schrift nur wieder auf, wenn sie von ihm einen Name annimmt, so wie es mit den Wirkungen unter jenen Dingen geschieht, die die Signifikantenbatterie benennt, da sie sie abgezählt hat.
Später waren vom Flugzeug aus andere Spuren zu sehen, die sich in Isobaren hielten, indem sie bei Aufschüttungen die Richtung änderten, Normalen im Verhältnis zu denen, deren starkes Gefälle durch Wasserläufe markiert wurde.
Hatte ich nicht bereits in Osaka gesehen, wie die Autobahnen sich übereinanderlegen als kämen Segelflugzeuge vom Himmel herab? Und auch dies, dass die modernste Architektur sich dort mit der alten vereint, indem sie sich zu einem Vogelflügel macht, der dabei ist, geschlagen zu werden.
Wie hätte der kürzeste Weg von einem Punkt zu einem anderen sich gezeigt, wenn nicht durch die Wolke, die der Wind treibt, ohne den Kurs zu ändern? Weder die Amöbe, noch der Mensch, noch der Ast, noch die Fliege, noch die Ameise hätten dafür ein Beispiel gegeben, bevor sich erwies, dass das Licht mit einer Krümmung des Universums zusammengeht, derjenigen, bei der die Gerade nur dadurch gestützt wird, dass sie in die Wirkfaktoren einer kaskadenartigen Dynamik den Abstand einschreibt.
Eine Gerade gibt es nur durch Schrift, wie Vermessung nur als eine, die vom Himmel kommt.
Schrift und Vermessung sind jedoch Artefakte, da sie nur die Sprache bewohnen. Wie könnten wir das vergessen, wo unsere Wissenschaft doch nur durch ein Fließen von kleinen Buchstaben und Verbunddiagrammen zum Tragen kommt?
[18]Sous le pont Mirabeau, gewiss, wie unter der Brücke, die von einer Zeitschrift, die einst meine war, zum Aushängeschild gemacht wurde, wobei sie die Ohrenbrücke Horus Apollo entlieh, unter der Mirabeau-Brücke, ja, da fließt die Ur-Seine, eine Szene von der Art, dass in ihr die römische V der fünften Stunde schlagen kann (vgl. Der Wolfsmann). Man genießt es aber auch nur, wenn das Sprechen der Deutung darauf regnet.
Dass das Symptom die Ordnung errichtet, zu der unsere Politik sich als zugehörig erweist, impliziert andererseits, dass alles, was von dieser Ordnung artikuliert wird, einer Deutung unterzogen werden kann.
Deshalb ist es ganz richtig, wenn man die Psychoanalyse der Politik voranstellt. Und es wäre vielleicht für das, was von der Politik bislang Gestalt angenommen hat, nicht besonders geruhsam, wenn der Psychoanalyse das klar würde.
Es würde vielleicht genügen, wird man sich wohl sagen, wenn wir von der Schrift einen anderen Gebrauch machten als den der Tribüne oder des Tribunals, sodass darin andere Worte ins Spiel kommen, um den Preis, dass wir den Tribut zollen.
Es gibt keine Metasprache, aber das Geschriebene, das aus der Sprache verfertigt wird, ist vielleicht ein Material, das die Kraft hätte, dass sich unsere Behauptungen hierüber ändern.
Ist es möglich, vom Litoral her einen Diskurs zu bilden, der dadurch gekennzeichnet wäre, dass er nicht vom Schein ausgeht? Hier ist die Frage, die sich nur zu der Literatur stellt, die Avantgarde genannt wird und die selbst aus Litoralem besteht: und sich daher nicht auf den Schein stützt, dennoch aber nichts als den Bruch beweist, den, mit Produktionswirkung, einzig ein Diskurs produzieren kann.
Das, was eine Literatur in ihrem Bestreben, Lituraterrain zu betreten / die Streichung zu landen, zu beanspruchen scheint, ist, sich durch eine Bewegung bestimmen zu lassen, die sie wissenschaftlich nennt.
Es ist eine Tatsache, dass die Schrift hier Wunder gewirkt hat und dass alles darauf hindeutet, dass dieses Wunder nicht so bald versiegen wird.
Jedoch wird die physikalische Wissenschaft dazu gebracht oder dazu gebracht werden, in den Tatsachen das Symptom zu bedenken, aufgrund der Verschmutzung dessen, was man, von der Erde, ohne weitere Kritik Umwelt* nennt: das ist die Idee von Uexküll, behaviorisiert, das heißt verblödet.
Da ich selbst Lituraterrain betreten habe, möchte ich darauf hinweisen, dass ich aus der Rinne, die es verbildlicht, keine Metapher gemacht habe. Die Schrift ist genau diese Rinne, und wenn ich von Jouissance spreche, berufe ich mich zu Recht auf das, was ich an Zuhörerschaft anhäufe: nicht weniger damit auf diejenigen, deren ich mich beraube, denn das beschäftigt mich.
[19] Ich möchte etwas bezeugen, das sich aus einer Tatsache ergibt, auf die bereits hingewiesen wurde: aus der Tatsache einer Sprache, des Japanischen, insofern in ihr die Schrift am Werk ist.
Dass in der japanischen Sprache ein Schrifteffekt enthalten ist, daran ist das Wichtige, dass er an die Schrift gebunden bleibt und dass der Träger dieses Schrifteffekts eine Schrift ist, die insofern speziell ist, als sie im Japanischen mit zwei verschiedenen Aussprachen gelesen werden kann: in on’yomi, ihrer Aussprache als Schriftzeichen, wird das Schriftzeichen als solches auf besondere Weise ausgesprochen, in kun’yomi wird es so ausgesprochen, wie man auf Japanisch sagt, was es bedeutet.
Es wäre komisch, wenn man darin, unter dem Vorwand, dass das Schriftzeichen Buchstabe ist, bezeichnet sähe, dass die Trümmer des Signifikanten zu den Flüssen des Signifikats hinunterströmen. Es ist der Buchstabe als solcher, der, gemäß dem Gesetz der Metapher, dem Signifikanten eine Stütze liefert. Es kommt von anderswo her: vom Diskurs, dass der Signifikant den Buchstaben im Netz des Scheins erfasst.
Von dort aus wird der Buchstabe jedoch als ein Referent befördert, der genauso wesentlich ist wie jedwedes Ding, und dies verändert den Status des Subjekts. Dass dieses sich für seine grundlegende Identifizierung auf einen konstellierten Himmel stützt und nicht nur auf den unären Zug, erklärt, dass es sich nur auf das Du stützen kann, und dies in sämtlichen grammatischen Formen, nach denen sich noch die kleinste Aussage entsprechend den Höflichkeitsbeziehungen verändert, die sie in ihrem Signifikat impliziert.
Die Wahrheit verstärkt hier die Struktur der Fiktion, die ich darin bezeichne, dadurch, dass diese Fiktion den Gesetzen der Höflichkeit unterworfen ist.
Bemerkenswerterweise scheint dies zu dem Ergebnis zu führen, dass vom Verdrängten nichts abzuwehren ist, da es dem Verdrängten gelingt, durch den Bezug auf den Buchstaben unterzukommen.
Mit anderen Worten, wie überall ist das Subjekt durch die Sprache gespalten, aber eines seiner Register kann sich mit dem Bezug auf die Schrift und das andere auf das Sprechen befriedigen.
Das war es wohl, was Roland Barthes das berauschende Gefühl gab, das japanische Subjekt mit all seinen Manieren sei eine Hülle für nichts. Das Reich der Zeichen betitelt er seinen Essay, was heißen soll: Reich des Scheins.
Der Japaner, so wurde mir gesagt, findet sie schlecht. Denn nichts unterscheidet sich stärker von der durch die Schrift ausgehöhlten Leere als der Schein. Ersterer ist Napf, immer bereit, die Jouissance in Empfang zu nehmen oder sie zumindest mit seinem Kunstgriff [artifice] aufzurufen.
[20] Unseren Gewohnheiten nach kommuniziert nichts von sich weniger als ein solches Subjekt, das letztlich nichts verbirgt. Ihm bleibt nur, Sie zu manipulieren: Sie sind ein Element unter anderen in dem Zeremoniell, in dem sich das Subjekt genau daraus zusammensetzt, dass es sich zersetzen kann. Das Bunraku, ein Figurentheater, macht die ganz gewöhnliche Struktur davon für diejenigen sichtbar, denen diese Struktur ihre eigenen Sitten vermittelt.
Ebenso könnte, wie im Bunraku, alles, was gesagt wird, von einem Rezitator vorgelesen werden. Das ist das, was Barthes sicherlich erleichtert hat. Japan ist der Ort, an dem es ganz natürlich ist, sich auf einen Dolmetscher [interprète] oder eine Dolmetscherin zu stützen, eben deshalb, weil eine Deutung [interprétation] nicht erforderlich ist.
Es ist die zu Sprache [langage] gemachte ständige Übersetzung.
Was mir gefällt, ist dies, dass die einzige Kommunikation, die ich dort hatte (neben den Europäern, mit denen ich unser kulturelles Missverständnis zu handhaben weiß), auch die einzige ist, die dort wie anderswo Kommunikation sein kann, indem sie kein Dialog ist: nämlich die wissenschaftliche Kommunikation.
Sie brachte einen namhaften Biologen dazu, mir seine Arbeiten zu demonstrieren, natürlich an der Tafel. Die Tatsache, dass ich mangels Information nichts verstand, schließt nicht aus, dass das, was dort geschrieben blieb, gültig ist. Gültig für die Moleküle, zu deren Subjekten sich meine Nachkommen machen werden, ohne dass ich je hätte wissen müssen, wie ich sie an sie übermittelt habe, was es wahrscheinlich machte, dass ich mich, rein logisch, zu den Lebewesen zähle.
Eine Askese der Schrift scheint mir nur dann durchgehen zu können, wenn sie an ein „es steht geschrieben“ anschließt, durch welches das sexuelle Verhältnis eingesetzt werden würde.
Französisch/deutsch mit erläuternden Anmerkungen
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [11], verweisen auf die Seiten von J. Lacan: Autres écrits. Seuil, Paris 2001.
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[11] Lituraterre
Lituraterre
Ce mot se légitime de l’Ernout et Meillet : lino, litura, liturarius.
Dieses Wort findet seine Rechtfertigung im Ernout und Meillet3: lino, litura, liturarius.4
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Il m’est venu, pourtant, de ce jeu du mot dont il arrive qu’on fasse esprit : le contrepet revenant aux lèvres, le renversement à l’oreille.
Mir aber kam es durch dieses Wortspiel, aus dem man zuweilen einen Witz macht: die Lautvertauschung kam mir über die Lippen, die Umstellung ans Ohr.5
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Ce dictionnaire (qu’on y aille) m’apporte auspice d’être fondé d’un départ que je prenais (partir, ici est répartir) de l’équivoque dont Joyce (James Joyce, dis-je), glisse d’a letter à a litter, d’une lettre (je traduis) à une ordure.
Dieses Wörterbuch (in dem man nachschlagen möge) bietet mir Auspizium, denn es gründet einen Ausgangspunkt [départ], den ich bei der Äquivokation nahm (aufbrechen [partir] ist hier aufteilen [répartir]), mit der Joyce (ich meine James Joyce) von a letter zu a litter hinübergleitet, von einem Buchstaben (ich übersetze) zu einem Abfall.6
..
On se souvient qu’une « messehaine » à lui vouloir du bien, lui offrait une psychanalyse, comme on ferait d’une douche.
Man wird sich daran erinnern, dass eine „Metz-Hähnin“, die ihm Gutes tun wollte, ihm eine Psychoanalyse anbot, wie man das mit einer Dusche tun würde.
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Et de Jung encore…
Und auch noch bei Jung …7
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Au jeu que nous évoquons, il n’y eût rien gagné, y allant tout droit au mieux de ce qu’on peut attendre de la psychanalyse à sa fin.
Bei dem Spiel, das wir ansprechen, hätte er nichts gewonnen, ging er doch geradenwegs auf das Beste dessen zu, was man von einer Psychoanalyse an ihrem Ende erwarten kann.8
..
A faire litière de la lettre, est-ce saint Thomas encore qui lui revient, comme l’œuvre en témoigne tout de son long?
Wenn er aus dem Buchstaben [lettre] Streu [litière] macht – ist es dann wieder der Heilige Thomas, der ihm hier in den Sinn kommt, wie das Werk es von vorne bis hinten bezeugt?9
.
Ou bien la psychanalyse atteste-t-elle là sa convergence avec ce que notre époque accuse du débridement du lien antique dont se contient la pollution dans la culture ?
Oder bekundet die Psychoanalyse hier ihre Konvergenz mit dem, was unsere Zeit als Auflösung des alten Bandes anklagt, das in der Kultur die Verschmutzung zügelt?10
Rom, Cloaca Maxima11
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J’avais brodé là-dessus, comme par hasard un peu avant le mai de 68, pour ne pas faire défaut au paumé de ces affluences que je déplace où je fais visite maintenant, à Bordeaux ce jour-là.
Ich habe das früher einmal etwas ausgeführt, wie durch Zufall kurz vor dem Mai ’68, um die Verlorenen der Menschenmengen, die ich jetzt immer dorthin verschiebe, wo ich einen Besuch mache, nicht leer ausgehen zu lassen, an jenem Tag in Bordeaux.
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La civilisation, y rappelai-je en prémisse, c’est l’égout.
Die Zivilisation, daran hatte ich als Prämisse erinnert, ist der Abwasserkanal.12
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Il faut dire sans doute que j’étais las de la poubelle à laquelle j’ai rivé mon sort.
Man muss wohl sagen, dass ich des Mülleimers überdrüssig war, mit dem ich mein Schicksal vernietet habe.13
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On sait que je ne suis pas seul à, pour partage, l’avouer.
Wenn ich es als Vermächtnis eingestehe, bin ich bekanntlich nicht allein.14
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L’avouer ou, prononcé à l’ancienne, l’avoir dont Beckett fait balance au doit qui fait déchet de notre être, sauve l’honneur de la littérature, et me relève du privilège que je croirais tenir de ma place.15
Das avouer, das Eingestehen, oder, auf alte Weise ausgesprochen, das avoir, das Haben, mit dem Beckett das Soll ausgleicht, das unser Sein zu Abfall macht, rettet die Ehre der Literatur und entbindet mich von dem Privileg, von dem ich glauben könnte, es aufgrund meines Platzes innezuhaben.16
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La question est de savoir si ce dont les manuels semblent faire étal, soit que la littérature soit accommodation des restes, est affaire |[12] de collocation dans l’écrit de ce qui d’abord serait chant, mythe parlé, procession dramatique.
Die Frage ist, ob die Literatur, wie die Lehrbücher es anzubieten scheinen, Resteverwertung ist, ob es bei ihr darum geht, eine schriftliche Kollokation dessen vorzunehmen, was zunächst Gesang gewesen sei, gesprochener Mythos, Dramenprozession.17
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Pour la psychanalyse, qu’elle soit appendue à l’Œdipe, ne la qualifie en rien pour s’y retrouver dans le texte de Sophocle.
Was die Psychoanalyse angeht, so qualifiziert die Tatsache, dass sie am Ödipus hängt, sie in keiner Weise dazu, sich im Text des Sophokles zurechtzufinden.
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L’évocation par Freud d’un texte de Dostoïevski ne suffit pas pour dire que la critique de textes, chasse jusqu’ici gardée du discours universitaire, ait reçu de la psychanalyse plus d’air.
Dass Freud einen Text von Dostojewski erwähnt, reicht nicht hin, um zu sagen, die Textkritik, bisher Jagdrevier des Universitätsdiskurses, habe durch die Psychoanalyse frischen Wind bekommen.18
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Ici mon enseignement a place dans un changement de configuration qui s’affiche d’un slogan de promotion de l’écrit, mais dont d’autres témoignages, par exemple, que ce soit de nos jours qu’enfin Rabelais soit lu, montrent un déplacement des intérêts à quoi je m’accorde mieux.
Mein Unterricht findet hier in einem Konfigurationswechsel statt, der mit einem Slogan zur Förderung des Geschriebenen beworben wird, von dem jedoch andere Zeugnisse – etwa, dass heute endlich Rabelais gelesen wird – eine Interessenverschiebung anzeigen, mit der ich besser zusammengehe.19
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J’y suis comme auteur moins impliqué qu’on n’imagine, et mes Écrits, un titre plus ironique qu’on ne croit : quand il s’agit soit de rapports, fonction de Congrès, soit disons de « lettres ouvertes » où je fais question d’un pan de mon enseignement.
Als Autor bin ich darin weniger involviert als man sich vorstellt, und meine Schriften, ein Titel, der ironischer ist, als man glauben mag: wenn es sich entweder um Berichte handelt, eine Kongressfunktion, oder um, sagen wir, „offene Briefe“, in denen ich zu einem Stück meiner Lehre Fragen aufwerfe.20
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Loin en tout cas de me commettre en ce frotti-frotta littéraire dont se dénote le psychanalyste en mal d’invention, j’y dénonce la tentative immanquable à démontrer l’inégalité de sa pratique à motiver le moindre jugement littéraire.
Statt mich jedoch auf das literarische Geschmuse einzulassen, das den Psychoanalytiker kennzeichnet, dem es an Erfindungsgabe mangelt, brandmarke ich darin den unausbleiblichen Versuch, die Unausgeglichenheit seiner Praxis zu beweisen, wenn es darum geht, das geringste literarische Urteil zu begründen.21
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Il est pourtant frappant que j’ouvre ce recueil d’un article que j’isole de sa chronologie, et qu’il s’y agisse d’un conte, lui-même bien particulier de ne pouvoir rentrer dans la liste ordonnée des situations dramatiques : celui de ce qu’il advient de la poste d’une lettre missive, d’au su de qui se passent ses renvois, et de quels termes s’appuie que je puisse la dire venue à destination, après que, des détours qu’elle y a subis, le conte et son compte se soient soutenus sans aucun recours à son contenu.
Es fällt jedoch auf, dass ich diese Sammlung mit einem Artikel eröffne, den ich aus der Chronologie herausnehme, und dass es sich dabei um eine Erzählung handelt, die selbst insofern recht speziell ist, als sie in der geordneten Liste dramatischer Situationen nicht unterzubringen ist: eine Erzählung darüber, was sich durch das Versenden eines Briefes [lettre] ereignet, wer von dessen Nachsendungen Kenntnis hat und auf welche Elemente sich stützt, dass ich sagen kann, er habe seinen Bestimmungsort erreicht, nachdem die Erzählung [conte] und ihre Darlegung [compte] sich auf die Umwege, denen er unterworfen war, gestützt haben, ohne jeden Bezug auf seinen Inhalt [contenu].22
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Il n’en est que plus remarquable que l’effet qu’elle porte sur ceux qui tour à tour la détiennent, tout arguant du pouvoir qu’elle confère qu’ils soient pour y prétendre, puisse s’interpréter, ce que je fais, d’une féminisation.
Dabei ist umso bemerkenswerter, dass die Wirkung, die er auf diejenigen, die nacheinander in seinen Besitz gelangen, ausübt – wobei alles für die Macht spricht, die er überträgt, wenn sie Anspruch auf ihn erheben können –, dass diese Wirkung so gedeutet werden kann wie ich es tue, als Feminisierung.
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Voilà le compte bien rendu de ce qui distingue la lettre du signifiant même qu’elle emporte.
Damit haben Sie eine gute Zusammenfassung dessen, was den Brief / den Buchstaben von dem Signifikanten, den er übermittelt, unterscheidet.
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En quoi ce n’est pas faire métaphore de l’épistole.
Wobei aus der Epistel keine Metapher gemacht wird.
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Puisque le conte consiste en ce qu’y passe comme muscade le message dont la lettre y fait péripétie sans lui.
Denn die Erzählung besteht darin, dass in ihr, wie in einer Taschenspielerei, die Botschaft zum Verschwinden gebracht wird und der Brief die Wendepunkte ohne die Botschaft herbeiführt.23
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Ma critique, si elle a lieu d’être tenue pour littéraire, ne saurait porter, je m’y essaie, que sur ce que Poe fait d’être écrivain à former un tel message sur la lettre.
Sollte meine Kritik zur Recht für Literaturkritik gehalten werden, kann sie sich nur auf das beziehen – und darum bemühe ich mich –, was Poe daraus, dass er Schriftsteller ist, macht, wenn er eine solche Botschaft über den Brief / Buchstaben gestaltet.
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Il est clair qu’à n’y pas le dire tel quel, ce |[13] n’est pas insuffisamment, c’est d’autant plus rigoureusement qu’il l’avoue.
Wenn er es nicht als solches sagt, ist klar, dass er es damit nicht unzureichend, sondern umso rigoroser eingesteht.24
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Néanmoins l’élision n’en saurait être élucidée au moyen de quelque trait de sa psychobiographie : bouchée plutôt qu’elle en serait.
Dennoch ließe sich diese Elision nicht mithilfe eines Zuges seiner Psychobiografie aufklären: eher würde sie man sie dadurch verschütten.25
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(Ainsi la psychanalyste qui a récuré les autres textes de Poe ici déclare forfait de son ménage.)
(So wirft denn auch die Psychoanalytikerin, die die anderen Texte von Poe abgeschrubbt hat, hier das Handtuch.)26
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Pas plus mon texte à moi ne saurait-il se résoudre par la mienne : le vœu que je formerais par exemple d’être lu enfin convenablement.
Genauso wenig wie mein eigener Text durch meine Psychobiografie aufgeschlüsselt werden könnte: etwa durch den Wunsch, den ich gebildet hätte, endlich auf angemessene Weise gelesen zu werden.
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Car encore faudrait-il pour cela qu’on développe ce que j’entends que la lettre porte pour arriver toujours à sa destination.
Denn dafür müsste man noch darlegen, was ich darunter verstehe, dass der Brief so weit trägt, dass er immer seinen Bestimmungsort erreicht.27
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Il est certain que, comme d’ordinaire, la psychanalyse ici reçoit, de la littérature, si elle en prend du refoulement dans son ressort une idée moins psychobiographique.
Es ist sicher, dass die Psychoanalyse hier wie üblich von der Literatur etwas empfängt, wenn sie von ihr, für ihr eigenes Gebiet, eine weniger psychobiographische Vorstellung der Verdrängung übernimmt.28
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Pour moi si je propose à la psychanalyse la lettre comme en souffrance, c’est qu’elle y montre son échec.
Was mich angeht, wenn ich der Psychoanalyse den Brief / den Buchstaben als unzustellbar [en souffrance] vorlege, dann deshalb, weil sie hierbei ihr Scheitern [échec] zeigt.29
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Et c’est par là que je l’éclairé : quand j’invoque ainsi les lumières, c’est de démontrer où elle fait trou.
Und dadurch kläre ich sie auf: wenn ich so die Aufklärung beschwöre, dann um zu zeigen, wo die Psychoanalyse ein Loch bildet.30
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On le sait depuis longtemps : rien de plus important en optique, et la plus récente physique du photon s’en arme.
Man weiß das seit langem: in der Optik nichts Wichtigeres, und die neueste Physik des Photons wappnet sich damit.31
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Méthode par où la psychanalyse justifie mieux son intrusion : car si la critique littéraire pouvait effectivement se renouveler, ce serait de ce que la psychanalyse soit là pour que les textes se mesurent à elle, l’énigme étant de son côté.
Eine Methode, mit welcher die Psychoanalyse ihre Einmischung besser rechtfertigt: denn wenn die Literaturkritik sich tatsächlich erneuern könnte, dann von daher, dass die Psychoanalyse da wäre, damit die Texte sich an ihr messen, wobei das Rätsel auf ihrer Seite ist.32
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Mais ceux dont ce n’est pas médire à avancer que, plutôt qu’ils l’exercent, ils en sont exercés, à tout le moins d’être pris en corps, entendent mal mes propos.
Diejenigen aber, bei denen es keine Verleumdung ist, zu behaupten, dass sie, statt die Psychoanalyse auszuüben, von ihr ausgeübt werden, zumindest als Gemeinschaft [en corps] genommen, verstehen meine Worte schlecht.33
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J’oppose à leur adresse vérité et savoir : c’est la première où aussitôt ils reconnaissent leur office, alors que sur la sellette, c’est leur vérité que j’attends.
An sie gewendet setze ich Wahrheit und Wissen einander entgegen: erstere ist das, worin sie ihr Amt sogleich erkennen, während es, auf der Anklagebank, ihre Wahrheit ist, die ich erwarte.34
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J’insiste à corriger mon tir d’un savoir en échec : comme on dit figure en abyme, ce n’est pas échec du savoir.
Ich bestehe darauf, meinen Schuss mit einem savoir en échec zu korrigieren, mit einem Wissen im Schach, so wie man sagt figure en abyme, abgründige Figur [= Figur, die sich in sich selbst wiederholt], das ist nicht ein Scheitern des Wissens [échec du savoir].35
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J’apprends alors qu’on s’en croit dispensé de faire preuve d’aucun savoir.
Daraufhin erfahre ich, dass man sich davon dispensiert glaubt, irgendein Wissen unter Beweis zu stellen.36
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Serait-ce lettre morte que j’aie mis au titre d’un de ces morceaux que j’ai dits Écrits…, de la lettre l’instance, comme raison de l’inconscient?
Sollte es ein toter Buchstabe sein, den ich in den Titel eines der Stücke gesetzt habe, die ich Schriften .… genannt habe, des Buchstabens, das Drängen, als Grund/Räson des Unbewussten?37
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N’est-ce pas désigner assez dans la lettre ce qui, à devoir insister, n’est pas là de plein droit si fort de raison que ça s’avance?
Genügt das nicht, um im Buchstaben das zu bezeichnen, was, da es insistieren muss, nicht mit vollem Recht da ist, mit wie starker Räson auch immer es sich vorbringt?38
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La dire moyenne ou bien extrême, c’est montrer la bifidité où s’engage toute mesure, mais n’y a-t-il rien dans le réel qui se passe de cette |[14] médiation ?
Diese Räson / dieses Maßverhältnis als mittleres oder äußeres zu bezeichnen, heißt, die Zweiteilung zu zeigen, in der sich jede Messung vollzieht; gibt es aber nichts im Realen, das ohne diese Vermittlung auskommt?39
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La frontière certes, à séparer deux territoires, en symbolise qu’ils sont mêmes pour qui la franchit, qu’ils ont commune mesure.
Die Grenze symbolisisert sicherlich, indem sie zwei Gebiete voneinander trennt, dass die Gebiete für jeden, der die Grenze überschreitet, gleich sind, dass sie ein gemeinsames Maß haben.
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C’est le principe de Umwelt, qui fait reflet de Innenwelt.
Das ist das Prinzip der Umwelt*, die eine Widerspiegelung der Innenwelt* ist.40
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Fâcheuse, cette biologie qui se donne déjà tout de principe : le fait de l’adaptation notamment; ne parlons pas de la sélection, elle franche idéologie à se bénir d’être naturelle.
Ein Ärgernis, diese Biologie, die sich von vornherein ganz als Prinzip gibt: die Tatsache der Anpassung vor allem; ganz zu schweigen von der Auslese, sie ist offen Ideologie, die sich damit segnet, natürlich zu sein.41
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Topographie eines Sees42
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La lettre n’est-elle pas… littorale plus proprement, soit figurant qu’un domaine tout entier fait pour l’autre frontière, de ce qu’ils sont étrangers, jusqu’à n’être pas réciproques?
Ist der Buchstabe nicht eigentlich – litoral, d.h. stellt er nicht dar, dass ein ganzer Bereich für den anderen eine Grenze bildet, von daher, dass sie einander fremd sind, bis dahin, dass sie nicht reziprok sind?43
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Le bord du trou dans le savoir, voilà-t-il pas ce qu’elle dessine.
Der Rand des Lochs im Wissen – ist es nicht das, was der Buchstabe umreißt?44
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Et comment la psychanalyse, si, justement ce que la lettre dit « à la lettre » par sa bouche, il ne lui fallait pas le méconnaître, comment pourrait-elle nier qu’il soit, ce trou, de ce qu’à le combler, elle recoure à y invoquer la jouissance?
Und wie könnte die Psychoanalyse, wenn sie das, was der Buchstabe mit ihrem Mund „buchstäblich“ sagt, nicht verkennen sollte, wie könnte sie leugnen, dass es dieses Loch gibt, da sie ja, um es zu füllen, darauf zurückgreift, hier die Jouissance aufzurufen?45
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Reste à savoir comment l’inconscient que je dis être effet de langage, de ce qu’il en suppose la structure comme nécessaire et suffisante, commande cette fonction de la lettre.
Es bleibt zu klären, wie das Unbewusste – von dem ich sage, dass es eine Wirkung von Sprache ist, da es deren Struktur als notwendig und hinreichend voraussetzt – diese Funktion des Buchstabens bestimmt.46
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Qu’elle soit instrument propre à l’écriture du discours, ne la rend pas impropre à désigner le mot pris pour un autre, voire par un autre, dans la phrase, donc à symboliser certains effets de signifiant, mais n’impose pas qu’elle soit dans ces effets primaire.
Dass er ein geeignetes Werkzeug für das Schreiben des Diskurses ist, macht ihn nicht dazu ungeeignet, das Wort, das im Satz für ein anderes, ja durch ein anderes genommen wird, zu bezeichnen, also bestimmte Signifikanteneffekte zu symbolisieren, zwingt jedoch nicht dazu, dass er in diesen Effekten primär wäre.47
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Un examen ne s’impose pas de cette primarité, qui n’est même pas à supposer, mais de ce qui du langage appelle le littoral au littéral.
Eine Untersuchung drängt sich nicht hinsichtlich dieses Primats auf, welches nicht einmal zu vermuten ist, sondern in Bezug auf das, was in der Sprache das Litorale dem Literalen zuweist.48
Ce que j’ai inscrit, à l’aide de lettres, des formations de l’inconscient pour les récupérer de ce dont Freud les formule, à être ce qu’elles sont, des effets de signifiant, n’autorise pas à faire de la lettre un signifiant, ni à l’affecter, qui plus est, d’une primarité au regard du signifiant.
Was ich mithilfe von Buchstaben über die Bildungen des Unbewussten geschrieben habe, um sie zurückzugewinnen aus dem, was Freud darüber formuliert, da sie sind, was sie sind, Signifikanteneffekte, ermächtigt nicht dazu, aus dem Buchstaben einen Signifikanten zu machen, und nicht dazu, ihm darüber hinaus dem Signifikanten gegenüber einen Primat zuzuweisen.49
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Die vier Diskurse (Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse)50
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Un tel discours confusionnel n’a pu surgir que de celui qui m’importe.
Ein verworrener Diskurs wie dieser konnte nur von dem Diskurs her aufkommen, der für mich von Bedeutung ist [qui m’importe].
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Die vier Diskurse (Radiophonie)51
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Mais il m’importe dans un autre que j’épingle, le temps venu, du discours universitaire, soit du savoir mis en usage à partir du semblant.
Er importiert mich [il m’importe] jedoch in einen anderen, den ich zu gegebener Zeit als Universitätsdiskurs etikettiere, nämlich Diskurs des ausgehend vom Schein [semblant] in Gebrauch genommenen Wissens.52
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Le moindre sentiment que l’expérience à quoi je pare, ne peut se situer que d’un autre discours, eûs dû le garder de le produire, sans l’avouer de moi.
Das geringste Gefühl dafür, dass die Erfahrung, mit der ich mich auseinandersetze, nur von einem anderen Diskurs her verortet werden kann, hätte verhindern müssen, ihn zu produzieren, ohne es als von mir einzubekennen.53
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Qu’on me l’épargne Dieu merci ! n’empêche pas qu’à m’importer au sens que je viens de dire, on m’importune.
Dass man mir dies, Gott sei Dank, erspart, ändert nichts daran, dass man mich, indem man mich in genannten Sinn importiert, belästigt [importune].
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Freuds Zeichnungen im Entwurf einer Psychologie (1895)54
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Si j’avais trouvé recevables les modèles que Freud articule dans une Esquisse à se forer de routes impressives, je n’en aurais pas pour |[15] autant pris métaphore de l’écriture.
Hätte ich die Modelle für akzeptabel gehalten, die Freud in einem Entwurf artikuliert, über das Bohren von Bahnungen, hätte ich daraus dennoch nicht eine Metapher für die Schrift genommen.55
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Elle n’est pas l’impression, ce n’en déplaise au bloc magique.
Sie ist nicht die Einprägung, auch wenn das dem Wunderblock nicht gefallen mag.56
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Quand je tire parti de la lettre à Fliess 52e, c’est d’y lire ce que Freud pouvait énoncer sous le terme qu’il forge du Wz, Wahrnehmungszeichen, de plus proche du signifiant, à la date où Saussure ne l’a pas encore reproduit (du signans stoïcien).
Wenn ich den zweiundfünfzigsten Brief an Fließ heranziehe, dann um darin zu lesen, was Freud mit einem von ihm gebildeten Ausdruck als Wz bezeichnen konnte, als Wahrnehmungszeichen*, was dem Signifikanten am nächsten kommt, zu einem Zeitpunkt, als Saussure ihn (vom signans der Stoiker) noch nicht wiederaufgegriffen hatte.57
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Que Freud l’écrive de deux lettres, ne prouve pas plus que de moi, que la lettre soit primaire.
Dass Freud dies mit zwei Buchstaben schreibt, beweist nicht mehr als in meinem Fall, dass der Buchstabe primär wäre.58
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Je vais donc essayer d’indiquer le vif de ce qui me paraît produire la lettre comme conséquence, et du langage, précisément de ce que je dis : que l’habite qui parle.
Ich werde also versuchen, den Kern dessen aufzuzeigen, was mir als Konsequenz den Buchstaben hervorzubringen scheint, sowie der Sprache, genau gesagt dessen, dass ich sage, dass derjenige, der spricht, sie bewohnt.59
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J’en emprunterai les traits à ce que d’une économie du langage permet de dessiner ce que promeut à mon idée que littérature peut-être vire à lituraterre.
Dafür werde ich die Züge dem entnehmen, was es aufgrund einer Ökonomie der Sprache gestattet, zu umreißen, wodurch meines Erachtens gefördert wird, dass Literatur möglicherweise in Lituraterre umschlägt.60
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On ne s’étonnera pas de m’y voir procéder d’une démonstration littéraire puisque c’est là marcher du pas dont la question se produit.
Es wird niemanden überraschen, zu sehen, dass ich hier in einer literarischen Beweisführung voranschreite, denn das heißt, in dem Schritt zu gehen, in dem die Frage vorankommt.61
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En quoi pourtant peut s’affirmer ce qu’est une telle démonstration.
Wodurch sich aber feststellen lässt, was das ist, eine solche Beweisführung.
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Je reviens d’un voyage que j’attendais de faire au Japon de ce que d’un premier j’avais éprouvé… de littoral.
Ich bin gerade zurückgekommen von einer Reise nach Japan, auf die ich mich gefreut hatte, wegen dem, was ich auf einer ersten Reise an … Litoralem erfahren hatte.62
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Qu’on m’entende à demi-mot de ce que tout à l’heure de Umwelt j’ai répudié comme rendant le voyage impossible : d’un côté donc, selon ma formule, assurant son réel, mais prématurément, seulement d’en rendre, mais de maldonne, impossible le départ, soit tout au plus de chanter « Partons ».
Man möge mich ohne viel Worte von dem her verstehen, was ich vorhin von der Umwelt* zurückgewiesen habe, da sie die Reise unmöglich macht: also, meiner Formel zufolge, nach einer Seite hin ihr Reales sichert, jedoch verfrüht, indem nur, allerdings versehentlich, der Abflug unmöglich gemacht wird oder höchstens „Fort nun!“ gesungen wird.63
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Je ne noterai que le moment que j’ai recueilli d’une route nouvelle, à la prendre de ce qu’elle ne fut plus comme la première fois interdite.
Ich möchte nur den Moment festhalten, den ich auf einer neuen Route erfasst habe, die genommen wurde, weil sie nicht mehr, wie beim ersten Mal, verboten war.
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J’avoue pourtant que ce ne fut pas à l’aller le long du cercle arctique en avion, que me fit lecture ce que je voyais de la plaine sibérienne.
Ich gestehe jedoch, dass es nicht auf dem Hinflug war, entlang des Polarkreises, dass mir das, was ich von der sibirischen Ebene sah, etwas zu lesen gab.
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Polarkreis über Sibirien (gestrichelte Linie „Arctic Circle“)64
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Mon essai présent, en tant qu’il pourrait s’intituler d’une sibériéthique, n’aurait donc pas vu le jour si la méfiance des Soviétiques m’avait laissé voir les villes, voire les industries, les installations militaires qui leur font prix de la Sibérie, mais ce n’est que condition accidentelle, quoique moins peut-être à la nommer occidentelle65, à y indiquer l’accident d’un amoncellement de l’occire.
Mein gegenwärtiger Essay, insofern er als eine Sibiriethik tituliert werden könnte, hätte also nicht das Tageslicht erblickt, wenn das Misstrauen der Sowjets mich die Städte, ja die Industrieanlagen und die militärischen Einrichtungen hätte sehen lassen, die für sie den Wert Sibiriens ausmachen, das ist jedoch nur eine akzidentelle Bedingung, wenn auch vielleicht weniger, wenn ich sie okzidentell nenne, um hier den Unfall [accident] einer Aufschichtung des Tötens [occire] anzuzeigen.66
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Seule décisive est la condition littorale, et celle-là ne jouait qu’au retour d’être littéralement ce que le Japon de sa lettre m’avait67 sans doute fait ce petit peu trop qui est juste ce qu’il faut pour que je le ressente, puisque après tout j’avais déjà dit que c’est là ce dont sa langue s’affecte éminemment.
Die einzig entscheidende Bedingung ist die des Litorals, und sie kam erst auf dem Rückflug ins Spiel, da sie buchstäblich darin bestand, dass Japan mir durch seinen Buchstaben zweifellos dieses Ein-wenig-zu-viel verschafft hatte, was genau das ist, was es braucht, damit ich es spüre, denn ich hatte ja bereits gesagt, dass es das ist, wovon seine Sprache in besonderem Maße betroffen ist.68
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[16] Sans doute ce trop tient-il à ce que l’art en véhicule : j’en dirai le fait de ce que la peinture y démontre de son mariage à la lettre, très précisément sous la forme de la calligraphie.
Dieses zu viel rührt gewiss von dem her was die Kunst davon übermittelt: damit spreche ich über die Tatsache, dass die Malerei hier ihre Ehe mit dem Buchstaben demonstriert, und zwar genau in Gestalt der Kalligrafie..
Kakemono (hängendes Rollbild) mit chinesischen Schriftzeichen (Kanji)
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Comment dire ce qui me fascine dans ces choses qui pendent, kakémono que ça se jaspine, pendent aux murs de tout musée en ces lieux, portant inscrits des caractères, chinois de formation, que je sais un peu, mais qui, si peu que je les sache, me permettent de mesurer ce qui s’en élide dans la cursive, où le singulier de la main écrase l’universel, soit proprement ce que je vous apprends ne valoir que du signifiant : je ne l’y retrouve plus mais c’est que je suis novice.
Wie soll ich sagen, was mich an diesen Sachen fasziniert, die dort hängen, Kakemono, so brabbelt man das, die an diesen Orten an jeder Museumswand hängen und die Inschriften aus Schriftzeichen tragen, die ihrer Bildung nach chinesisch sind, das ich ein wenig kenne, was mir immerhin, so wenig ich sie auch kenne, zu ermessen erlaubt, was in der Kursivschrift davon getilgt ist, in der das Singuläre der Hand das Universale erdrückt, also eigentlich das, wozu ich Ihnen beibringe, dass es nur vom Signifikanten her Wert hat: ich finde es darin nicht wieder, jedoch weil ich Anfänger bin.69
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Entwicklung der Kursivschrift Hiragana (unten) aus der chinesischen Regelschrift (oben) auf dem Weg über die Grasschrift (mitte, rot)70
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Là au reste n’étant pas l’important, car même à ce que ce singulier appuie une forme plus ferme, et y ajoute la dimension, la demansion, ai-je déjà dit, la demansion du papeludun, celle dont s’évoque ce que j’instaure du sujet dans le Hun-En-Peluce, à ce qu’il meuble l’angoisse de l’Achose, soit ce que je connote du petit a ici fait l’objet d’être enjeu de quel pari qui se gagne avec de l’encre et du pinceau ?
Was hier im Übrigen nicht das Wichtige ist, denn selbst wenn dieses Singuläre eine festere Form unterstützt und zu ihm die Dimension hinzufügt, ich habe bereits „die demansion“ gesagt, die demansion des nichmeerallzeins, diejenige, durch welche das evoziert wird, was ich vom Subjekt in das Ein’s-Mär einführe, von daher, dass es die Angst vor dem Un-Ding lindert, dann fungiert das, was ich hier mit dem klein a konnotiere, als das Objekt, da es Einsatz in welcher Wette ist, die mit Tinte und Pinsel gewonnen wird?71
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Oberflächenabfluss (ruissellement)72
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Tel invinciblement m’apparut, cette circonstance n’est pas rien : d’entre-les-nuages, le ruissellement, seule trace à apparaître, d’y opérer plus encore que d’en indiquer le relief en cette latitude, dans ce qui de la Sibérie fait plaine, plaine désolée d’aucune végétation que de reflets, lesquels poussent à l’ombre ce qui n’en miroite pas.
So erschien mir unwiderstehlich, dieser Umstand ist nicht ohne Belang: von zwischen-den-Wolken her, das auf der Oberfläche abfließende Wasser, einzige Spur, die sich zeigte, durch die in diesen Breiten die Oberflächengestalt mehr noch hervorgebracht als angezeigt wird, auf dem, was aus Sibirien eine Ebene macht, eine von jeder Vegetation verlassene Ebene, bis auf einen leuchtenden Glanz, der das, was nicht schimmert, in den Schatten stößt.73
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Le ruissellement est bouquet du trait premier et de ce qui l’efface.
Das Abfließen ist eine Bündelung aus dem ersten Zug oder Strich [trait premier] und dem, was ihn auslöscht.74
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Je l’ai dit : c’est de leur conjonction qu’il se fait sujet, mais de ce que s’y marquent deux temps.
Ich habe es bereits gesagt: ihre Verbindung ist das, woraus das Subjekt gebildet wird, jedoch dadurch, dass sich darin zwei Schritte abzeichnen.75
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Il y faut donc que s’y distingue la rature.
Also muss darin die Streichung [rature] unterschieden werden.76
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Rature d’aucune trace qui soit d’avant, c’est ce qui fait terre du littoral.
Streichung [rature] jeglicher Spur, die zuvor dagewesen sein mag, es ist dies, wodurch das Litoral zur terre wird, zum Terrain.77
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Litura pure, c’est le littéral.
Reine litura [lat. Streichung], das ist das Literale, das Buchstäbliche.78
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La produire, c’est reproduire cette moitié sans paire dont le sujet subsiste.
Diese Streichung zu produzieren, heißt, die unpaare Hälfte zu reproduzieren, durch welche das Subjekt Bestand hat.79
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Tel est l’exploit de la calligraphie.
Solcherart ist die Leistung der Kalligrafie.80
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Essayez de faire cette barre horizontale qui se trace de gauche à droite pour figurer d’un trait l’un unaire comme caractère, vous mettrez longtemps à trouver de quel appui elle s’attaque, de quel suspens elle s’arrête.
Versuchen Sie mal, den waagerechten Balken, der von links nach rechts gezogen wird, zu zeichnen, um durch einen Strich das unäre Eins als Schriftzeichen zu bilden, Sie werden eine Weile brauchen, um herauszufinden, mit welchem Druck er angegangen wird und bei welcher Spannung er zu einem Ende kommt.81
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A vrai dire, c’est sans espoir pour un occidenté.
Für einen Verwesteten ist das, offen gesagt, hoffnungslos.82
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Il y faut un train qui ne s’attrape qu’à se détacher de quoi que ce soit qui vous raye.
Man braucht hier eine Bewegungsabfolge, die man nur erreicht, wenn man sich von allem löst, was einen durchstreicht.83
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Entre centre et absence, entre savoir et jouissance, il y a littoral qui ne vire au littéral qu’à ce que ce virage, vous puissiez le prendre le même à tout instant.
Zwischen Zentrum und Abwesenheit, zwischen Wissen und Jouissance, liegt ein Litoral, das nur dann zum Literalen abbiegt, zum Buchstäblichen, wenn Sie in der Lage sind, jederzeit dieselbe Kurve zu nehmen.84
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Diskurs der Universität (oben links),
Diskurs des Herrn (oben rechts) und
Diskurs des Analytikers (unten links)
mit Bezeichnung der vier Plätze
(Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse)85
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C’est de ça seulement que vous pouvez vous tenir pour agent qui le soutienne.
Einzig das ermöglicht es Ihnen, sich für einen Agenten zu halten, der es unterstützt.86
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Szene aus Aristophanes, Die Wolken, mit Sokrates in einem Wolken-Korb87
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Ce qui se révèle de ma vision du ruissellement, à ce qu’y domine |[17] la rature, c’est qu’à se produire d’entre les nuages, elle se conjugue à sa source, que c’est bien aux nuées qu’Aristophane me hèle de trouver ce qu’il en est du signifiant : soit le semblant, par excellence, si c’est de sa rupture qu’en pleut, effet à ce qu’il s’en précipite, ce qui y était matière en suspension.
Was sich durch meine Vision des Fließens offenbart, insofern darin die Streichung dominiert, ist dies, dass sie sich von Zwischen-den-Wolken aus herstellt und dadurch mit ihrer Quelle verbunden ist, und dass es tatsächlich die Wolken sind, zu denen Aristophanes mich ruft, um herauszufinden, worum es beim Signifikanten geht: um den Schein par excellence, wenn es durch sein Zerbersten dazu kommt, dass es regnet, eine Wirkung, bei der das, was Materie im Schwebezustand war, daraus hinabstürzt.88
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Newtons Formel für das Gravitationsgesetz
Cette rupture qui dissout ce qui faisait forme, phénomène, météore, et dont j’ai dit que la science s’opère à en percer l’aspect, n’est-ce pas aussi que ce soit d’en congédier ce qui de cette rupture ferait jouissance à ce que le monde ou aussi bien l’immonde, y ait pulsion à figurer la vie.
Dieser Bruch, der auflöst, was Gestalt, Phänomen, Meteor bildete und worüber ich gesagt habe, dass die Wissenschaft so vorgeht dass sie deren Anblick zerbricht, ist es nicht auch so, dass von daher, das zu verabschieden, was durch diesen Bruch Jouissance bereiten würde, die Welt [monde] oder auch der Schmutz [immonde] einen Trieb hat, das Leben zu figurieren?89
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Erosionsrinne im Grand-Canyon-Nationalpark90
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Ce qui de jouissance s’évoque à ce que se rompe un semblant, voilà ce qui dans le réel se présente comme ravinement.
Was an Jouissance evoziert wird, wenn ein Schein zerbricht, ist das, was sich im Realen als Erosionsrinne darstellt.91
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C’est du même effet que l’écriture est dans le réel le ravinement du signifié, ce qui a plu du semblant en tant qu’il fait le signifiant.
Durch die gleiche Wirkung kommt es, dass die Schrift im Realen die Rinne des Signifikats ist, das nämlich, was vom Schein, insofern er den Signifikanten bildet, herabgeregnet ist.92
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Elle ne décalque pas celui-ci, mais ses effets de langue, ce qui s’en forge par qui la parle.
Die Schrift gibt nicht den Signifikanten wieder, sondern seine Sprachwirkungen [effets de langue], das, was daraus durch denjenigen, der sie spricht, geschmiedet wird. 93
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Elle n’y remonte qu’à y prendre nom, comme il arrive à ces effets parmi les choses que dénomme la batterie signifiante pour les avoir dénombrées.
Zum Signifikanten steigt die Schrift nur wieder auf, wenn sie von ihm einen Name annimmt, so wie es mit den Wirkungen unter jenen Dingen geschieht, die die Signifikantenbatterie benennt, da sie sie abgezählt hat.94
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Plus tard de l’avion se virent à s’y soutenir en isobares, fut-ce à obliquer d’un remblai, d’autres traces normales à celles dont la pente suprême du relief se marquait de cours d’eau.
Später waren vom Flugzeug aus andere Spuren zu sehen, die sich in Isobaren hielten, indem sie bei Aufschüttungen die Richtung änderten, Normalen im Verhältnis zu denen, deren starkes Gefälle durch Wasserläufe markiert wurde.95
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Autobahnkreuz in Osaka96
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N’ai-je pas vu à Osaka comment les autoroutes se posent les unes sur les autres comme planeurs venus du ciel?
Hatte ich nicht bereits in Osaka gesehen, wie die Autobahnen sich übereinanderlegen als kämen Segelflugzeuge vom Himmel herab?97
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Outre que là-bas l’architecture la plus moderne retrouve l’ancienne à se faire aile à s’abattre d’un oiseau.
Und auch dies, dass die modernste Architektur sich dort mit der alten vereint, indem sie sich zu einem Vogelflügel macht, der dabei ist, geschlagen zu werden.98
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Comment le plus court chemin d’un point à un autre se serait-il montré sinon du nuage que pousse le vent tant qu’il ne change pas de cap ?
Wie hätte der kürzeste Weg von einem Punkt zu einem anderen sich gezeigt, wenn nicht durch die Wolke, die der Wind treibt, ohne den Kurs zu ändern?
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Ni l’amibe, ni l’homme, ni la branche, ni la mouche, ni la fourmi n’en eussent fait exemple avant que la lumière s’avère solidaire d’une courbure universelle, celle où la droite ne se soutient que d’inscrire la distance dans les facteurs effectifs d’une dynamique de cascade.
Weder die Amöbe, noch der Mensch, noch der Ast, noch die Fliege, noch die Ameise hätten dafür ein Beispiel gegeben, bevor sich erwies, dass das Licht mit einer Krümmung des Universums zusammengeht, derjenigen, bei der die Gerade nur dadurch gestützt wird, dass sie in die Wirkfaktoren einer kaskadenartigen Dynamik den Abstand einschreibt.
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Il n’y a de droite que d’écriture, comme d’arpentage que venu du ciel.
Eine Gerade gibt es nur durch Schrift, wie Vermessung nur als eine, die vom Himmel kommt.
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Mais écriture comme arpentage sont artefacts à n’habiter que le langage.
Schrift und Vermessung sind jedoch Artefakte, da sie nur die Sprache bewohnen.99
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Comment l’oublierions-nous quand notre science n’est opérante que d’un ruissellement de petites lettres et de graphiques combinés ?
Wie könnten wir das vergessen, wo unsere Wissenschaft doch nur durch ein Fließen von kleinen Buchstaben und Verbunddiagrammen funktioniert?100
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Titelemblem von „La Psychanalyse“ aus Horus Apollo
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La Psychanalyse, Bd. 1, 1956101
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[18] Sous le pont Mirabeau certes, comme sous celui dont une revue qui fut la mienne se fit enseigne, à l’emprunter ce pont-oreille à Horus Apollo, sous le pont Mirabeau, oui, coule la Seine primitive, et c’est une scène telle qu’y peut battre le V romain de l’heure cinq (cf. L’Homme aux loups).
Sous le pont Mirabeau, gewiss, wie unter der Brücke, die von einer Zeitschrift, die einst meine war, zum Aushängeschild gemacht wurde, wobei sie die Ohrenbrücke Horus Apollo entlieh, unter der Mirabeau-Brücke, ja, da fließt die Ur-Seine, eine Szene von der Art, dass in ihr die römische V der fünften Stunde schlagen kann (vgl. Der Wolfsmann).102
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Mais aussi bien n’en jouit-on qu’à ce qu’y pleuve la parole d’interprétation.
Man genießt es aber auch nur, wenn das Sprechen der Deutung darauf regnet.103
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Que le symptôme institue l’ordre dont s’avère notre politique, implique d’autre part que tout ce qui s’articule de cet ordre soit passible d’interprétation.
Dass das Symptom die Ordnung errichtet, zu der unsere Politik sich als zugehörig erweist, impliziert andererseits, dass alles, was von dieser Ordnung artikuliert wird, einer Deutung unterzogen werden kann.104
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C’est pourquoi on a bien raison de mettre la psychanalyse au chef de la politique.
Deshalb ist es ganz richtig, wenn man die Psychoanalyse der Politik voranstellt.105
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Et ceci pourrait n’être pas de tout repos pour ce qui de la politique a fait figure jusqu’ici, si la psychanalyse s’en avérait avertie.
Und es wäre vielleicht für das, was von der Politik bislang Gestalt angenommen hat, nicht besonders geruhsam, wenn der Psychoanalyse das klar würde.
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Il suffirait peut-être, on se dit ça sans doute, que de l’écriture nous tirions un autre parti que de tribune ou de tribunal, pour que s’y jouent d’autres paroles à nous en faire le tribut.
Es würde vielleicht genügen, wird man sich wohl sagen, wenn wir von der Schrift einen anderen Gebrauch machten als den der Tribüne oder des Tribunals, sodass darin andere Worte ins Spiel kommen, um den Preis, dass wir den Tribut zollen.106
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Il n’y a pas de métalangage, mais l’écrit qui se fabrique du langage est matériel peut-être de force à ce que s’y changent nos propos.
Es gibt keine Metasprache, aber das Geschriebene, das aus der Sprache verfertigt wird, ist vielleicht ein Material, das die Kraft hätte, dass sich unsere Behauptungen hierüber ändern.107
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Esti-l possible du littoral de constituer tel discours qui se caractérise de ne pas s’émettre du semblant?
Ist es möglich, vom Litoral her einen Diskurs zu bilden, der dadurch gekennzeichnet wäre, dass er nicht vom Schein ausgeht?108
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Là est la question qui ne se propose que de la littérature dite d’avantgarde, laquelle est elle-même fait de littoral : et donc ne se soutient pas du semblant, mais pour autant ne prouve rien que la cassure, que seul un discours peut produire, avec effet de production.
Hier ist die Frage, die sich nur zu der Literatur stellt, die Avantgarde genannt wird und die selbst aus Litoralem besteht: und sich daher nicht auf den Schein stützt, dennoch aber nichts als den Bruch beweist, den, mit Produktionswirkung, einzig ein Diskurs produzieren kann.109
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Ce à quoi semble prétendre une littérature en son ambition de lituraterrir, c’est de s’ordonner d’un mouvement qu’elle appelle scientifique.
Das, was eine Literatur in ihrem Bestreben, Lituraterrain zu betreten / die Streichung zu landen, zu beanspruchen scheint, ist, sich durch eine Bewegung bestimmen zu lassen, die sie wissenschaftlich nennt.110
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Il est de fait que l’écriture y a fait merveille et que tout marque que cette merveille n’est pas près de se tarir.
Es ist eine Tatsache, dass die Schrift hier Wunder gewirkt hat und dass alles darauf hindeutet, dass dieses Wunder nicht so bald versiegen wird.
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Cependant la science physique se trouve, va se trouver ramenée à la considération du symptôme dans les faits, par la pollution de ce que du terrestre on appelle, sans plus de critique de Umwelt, l’environnement : c’est l’idée d’Uexküll behaviourisée, c’est-à-dire crétinisée.
Jedoch wird die physikalische Wissenschaft dazu gebracht oder dazu gebracht werden, in den Tatsachen das Symptom zu bedenken, aufgrund der Verschmutzung dessen, was man, von der Erde, ohne weitere Kritik Umwelt* nennt: das ist die Idee von Uexküll, behaviorisiert, das heißt verblödet.111
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Pour lituraterrir moi-même, je fais remarquer que je n’ai fait dans le ravinement qui l’image, aucune métaphore.
Da ich selbst Lituraterrain betreten habe, möchte ich darauf hinweisen, dass ich aus der Rinne, die es verbildlicht, keine Metapher gemacht habe.
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L’écriture est ce ravinement même, et quand je parle de jouissance, j’invoque légitimement ce que j’accumule d’auditoire : pas moins par là celles dont je me prive, car ça m’occupe.
Die Schrift ist genau diese Rinne, und wenn ich von Jouissance spreche, berufe ich mich zu Recht auf das, was ich an Zuhörerschaft anhäufe: nicht weniger damit auf diejenigen, deren ich mich beraube, denn das beschäftigt mich.112
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[19] Je voudrais témoigner de ce qui se produit d’un fait déjà marqué : à savoir celui d’une langue, le japonais, en tant que la travaille l’écriture.
Ich möchte etwas bezeugen, das sich aus einer Tatsache ergibt, auf die bereits hingewiesen wurde: aus der Tatsache einer Sprache, des Japanischen, insofern in ihr die Schrift am Werk ist.
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Qu’il y ait inclus dans la langue japonaise un effet d’écriture, l’important est qu’il reste attaché à l’écriture et que ce qui est porteur de l’effet d’écriture y soit une écriture spécialisée en ceci qu’en japonais elle puisse se lire de deux prononciations différentes : en on-yomi sa prononciation en caractères, le caractère se prononce comme tel distinctement, en kun-yomi la façon dont se dit en japonais ce qu’il veut dire.
Dass in der japanischen Sprache ein Schrifteffekt enthalten ist, daran ist das Wichtige, dass er an die Schrift gebunden bleibt und dass der Träger dieses Schrifteffekts eine Schrift ist, die insofern speziell ist, als sie im Japanischen mit zwei verschiedenen Aussprachen gelesen werden kann: in on’yomi, ihrer Aussprache als Schriftzeichen, wird das Schriftzeichen als solches auf besondere Weise ausgesprochen, in kun’yomi wird es so ausgesprochen, wie man auf Japanisch sagt, was es bedeutet.113
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Ça serait comique d’y voir désigner, sous prétexte que le caractère est lettre, les épaves du signifiant courant aux fleuves du signifié.
Es wäre komisch, wenn man darin, unter dem Vorwand, dass das Schriftzeichen Buchstabe ist, bezeichnet sähe, dass die Trümmer des Signifikanten zu den Flüssen des Signifikats hinunterströmen.114
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C’est la lettre comme telle qui fait appui au signifiant selon sa loi de métaphore.
Es ist der Buchstabe als solcher, der, gemäß dem Gesetz der Metapher, dem Signifikanten eine Stütze liefert.115
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C’est d’ailleurs : du discours, qu’il la prend au filet du semblant.
Es kommt von anderswo her: vom Diskurs, dass der Signifikant den Buchstaben im Netz des Scheins erfasst.116
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Elle est pourtant promue de là comme réfèrent aussi essentiel que toute chose, et ceci change le statut du sujet.
Von dort aus wird der Buchstabe jedoch als ein Referent befördert, der genauso wesentlich ist wie jedwedes Ding, und dies verändert den Status des Subjekts.117
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Qu’il s’appuie sur un ciel constellé, et non seulement sur le trait unaire, pour son identification fondamentale, explique qu’il ne puisse prendre appui que sur le Tu, c’est-à-dire sous toutes les formes grammaticales dont le moindre énoncé se varie des relations de politesse qu’il implique dans son signifié.
Dass dieses sich für seine grundlegende Identifizierung auf einen konstellierten Himmel stützt und nicht nur auf den unären Zug, erklärt, dass es sich nur auf das Du stützen kann, und dies in sämtlichen grammatischen Formen, nach denen sich noch die kleinste Aussage entsprechend den Höflichkeitsbeziehungen verändert, die sie in ihrem Signifikat impliziert.118
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La vérité y renforce la structure de fiction que j’y dénote, de ce que cette fiction soit soumise aux lois de la politesse.
Die Wahrheit verstärkt hier die Struktur der Fiktion, die ich darin bezeichne, dadurch, dass diese Fiktion den Gesetzen der Höflichkeit unterworfen ist.119
Singulièrement ceci semble porter le résultat qu’il n’y ait rien à défendre de refoulé, puisque le refoulé lui-même trouve à se loger de la référence à la lettre.
Bemerkenswerterweise scheint dies zu dem Ergebnis zu führen, dass vom Verdrängten nichts abzuwehren ist, da es dem Verdrängten gelingt, durch den Bezug auf den Buchstaben unterzukommen.120
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En d’autres termes le sujet est divisé comme partout par le langage, mais un de ses registres peut se satisfaire de la référence à l’écriture et l’autre de la parole.
Mit anderen Worten, wie überall ist das Subjekt durch die Sprache gespalten, aber eines seiner Register kann sich mit dem Bezug auf die Schrift und das andere auf das Sprechen befriedigen.121
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C’est sans doute ce qui a donné à Roland Barthes ce sentiment enivré que de toutes ses manières le sujet japonais ne fait enveloppe à rien.
Das war es wohl, was Roland Barthes das berauschende Gefühl gab, das japanische Subjekt mit all seinen Manieren sei eine Hülle für nichts.
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L’Empire des signes, intitule-t-il son essai voulant dire : empire des semblants.
Das Reich der Zeichen betitelt er seinen Essay, was heißen soll: Reich des Scheins.122
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Le Japonais, m’a-t-on dit, la trouve mauvaise.
Der Japaner, so wurde mir gesagt, findet sie schlecht.
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Car rien de plus distinct du vide creusé par l’écriture que le semblant.
Denn nichts unterscheidet sich mehr von der durch die Schrift ausgehöhlten Leere als der Schein.123
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Le premier est godet prêt toujours à faire accueil à la jouissance, ou tout au moins à l’invoquer de son artifice.
Ersterer ist Napf, immer bereit, die Jouissance in Empfang zu nehmen oder sie zumindest mit seinem Kunstgriff [artifice] aufzurufen.124
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[12] D’après nos habitudes, rien ne communique moins de soi qu’un tel sujet qui en fin de compte ne cache rien.
Unseren Gewohnheiten nach kommuniziert nichts von sich weniger als ein solches Subjekt, das letztlich nichts verbirgt.
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Il n’a qu’à vous manipuler : vous êtes un élément entre autres du cérémonial où le sujet se compose justement de pouvoir se décomposer.
Ihm bleibt nur, Sie zu manipulieren: Sie sind ein Element unter anderen in dem Zeremoniell, in dem sich das Subjekt genau daraus zusammensetzt, dass es sich zersetzen kann.
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Bunraku125
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Le bunraku, théâtre des marionnettes, en fait voir la structure tout ordinaire pour ceux à qui elle donne leurs mœurs elles-mêmes.
Das Bunraku, ein Figurentheater, macht die ganz gewöhnliche Struktur davon für diejenigen sichtbar, denen diese Struktur ihre eigenen Sitten vermittelt.126.
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Tayū (Rezitator) und Samisen-Spieler beim Bunraku127
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Aussi bien, comme au bunraku tout ce qui se dit pourrait-il être lu par un récitant.
Ebenso könnte, wie im Bunraku, alles, was gesagt wird, von einem Rezitator vorgelesen werden.128
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C’est ce qui a dû soulager Barthes.
Das ist das, was Barthes sicherlich erleichtert hat.
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Le Japon est l’endroit où il est le plus naturel de se soutenir d’un ou d’une interprète, justement de ce qu’il ne nécessite pas l’interprétation.
Japan ist der Ort, an dem es ganz natürlich ist, sich auf einen Dolmetscher [interprète] oder eine Dolmetscherin zu stützen, eben deshalb, weil eine Deutung [interprétation] nicht erforderlich ist.129
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C’est la traduction perpétuelle faite langage.
Es ist die zu Sprache [langage] gemachte ständige Übersetzung.130
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Ce que j’aime, c’est que la seule communication que j’y aie eue (hors les Européens avec lesquels je sais manier notre malentendu culturel), c’est aussi la seule qui là-bas comme ailleurs puisse être communication, de n’être pas dialogue : à savoir la communication scientifique.
Was mir gefällt, ist dies, dass die einzige Kommunikation, die ich dort hatte (neben den Europäern, mit denen ich unser kulturelles Missverständnis zu handhaben weiß), auch die einzige ist, die dort wie anderswo Kommunikation sein kann, indem sie kein Dialog ist: nämlich die wissenschaftliche Kommunikation.131
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Elle poussa un éminent biologiste à me démontrer ses travaux, naturellement au tableau noir.
Sie brachte einen namhaften Biologen dazu, mir seine Arbeiten zu demonstrieren, natürlich an der Tafel.132
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Le fait que, faute d’information, je n’y compris rien, n’empêche pas d’être valable ce qui restait écrit là.
Die Tatsache, dass ich mangels Information nichts verstand, schließt nicht aus, dass das, was dort geschrieben blieb, gültig ist.133
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Valable pour les molécules dont mes descendants se feront sujets, sans que j’aie jamais eu à savoir comment je leur transmettais ce qui rendait vraisemblable qu’avec moi je les classe, de pure logique, parmi les êtres vivants.
Gültig für die Moleküle, zu deren Subjekten sich meine Nachkommen machen werden, ohne dass ich je hätte wissen müssen, wie ich sie an sie übermittelt habe, was es wahrscheinlich machte, dass ich mich, rein logisch, zu den Lebewesen zähle.134
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Une ascèse de l’écriture ne me semble pouvoir passer qu’à rejoindre un « c’est écrit » dont s’instaurerait le rapport sexuel.
Eine Askese der Schrift scheint mir nur dann durchgehen zu können, wenn sie an ein „es steht geschrieben“ anschließt, durch welches das sexuelle Verhältnis eingesetzt werden würde.135..
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Anmerkungen
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Vgl. J. Lacan: Lituraterre. In: Ders.: Autres écrits. Seuil, Paris 2001, S. 11–20.
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Vgl. J. Lacan: Lituraterre. Übersetzt von Beatrice Khiara-Foxton und Adrian Price. In: Hurly-Burly. The International Lacanian Journal of Psychoanalysis 9 (2013), S. 29–38. Im Internet gibt es diese Übersetzung auf der Website freud2lacan.com (Richard G. Klein), zusammen mit drei weiteren englischen Übersetzungen, hier.
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Vgl. Alfred Ernout, Antoine Meillet: Dictionnaire étymologique de la langue latine. Histoire des mots. Klincksieck, Paris 1959.
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Man soll in diesem etymologischen Wörterbuch der lateinischen Sprache unter diesen drei Stichworten nachlese:
– lino ist die erste Person Singular Präsens von linere, „ausstreichen von Geschriebenem“;
– litura bedeutet „Streichung in einem Text“;
– liturarius meint „etwas, das Streichungen zeigt“.Eine der Bedeutungen des Titels ist also litura-terre, „Streichung in einem Text, und diese Streichung bezieht sich auf den Boden bzw. auf die Erde“.
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Freud zufolge ist die Lautumdrehung charakteristisch für den Traum. Vgl. ders.: Über den Gegensinn der Urworte (1910, GW 8, S. 220 f.).
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In Lacans Poe-Aufsatz (1956) heißt es zu Poes Erzählung Der gestohlene Brief:
„In dem, was sie zwischen ihren Fingern drehten, was hielten sie da anderes als das, was nicht dem Steckbrief entsprach, den sie davon hatten? A letter, a litter, ein Brief, ein Abfall. Man hatte sich in dem Kreis um Joyce über die Homophonie dieser zwei Wörter im Englischen in Äquivokationen ergangen.“
(J. Lacan: Das Seminar über „Der gestohlene Brief“. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 12–73, hier: S. 30)
In einer Anmerkung zu diesem Satz verweist Lacan auf den von Samuel Beckett herausgegebenen Sammelband: Our exagmination round his factification for incamination of work in progress. Sylvia Beach (Shakespeare & Company), Paris 1929 (a.a.O., S. 30). Der Sammelband enthält den Brief eines Vladimir Dixon, der mit A litter to Mr Joyce überschrieben ist. Hierin heißt es:
„Please froggive my t’Emeritus and any inconvince that may have been caused by this litter. Yours veri tass, Vladimir Dixon.“
Der Brief wurde lange Zeit irrtümlich Joyce zugeschrieben. Joyce selbst verwendet das Wortspiel letter/litter häufig aber auch selbst in Finnegans Wake; vgl. die Belege in Santanu Biswas: A literary introduction to „Lituraterre“. In: Ders. (Hg.): The literary Lacan. From literature to lituraterre and beyond. Seagull, Calcutta u.a. 2012, S. 173–195, hier: S. 175 f.
Das günstige Vorzeichen besteht vermutlich darin, dass im Ernout/Meillet zu lesen ist, dass man neben littera (für „Buchstabe“) noch eine zweite Schreibweise findet, litera, also mit nur einem t, und dass die zweite Schreibweise auf einen etymologisch falschen Vergleich mit lino, litum zurückzuführen ist, also auf die Angleichung an litura, „Streichung“ (vgl. Biswas, a.a.O., S. 174).
Lacan setzt in Lituraterre den Versuch fort, die Beziehung zwischen dem Signifikanten und dem Buchstaben näher zu bestimmen. Anfangs hatte er die Begriffe synonym verwendet (in Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud). In Seminar 9, Die Identifizierung (1961/62), hatte er begonnen, die Begriffe zu differenzieren. Der Wiederholungszwang ist demnach ein Versuch, einen verdrängten Signifikanten wieder hochkommen zu lassen, der jedoch urverdrängt ist und den Lacan in Seminar 9 als Buchstabe bezeichnet. (Vgl. Seminar 9, Sitzungen vom 13. Dezember 1961, S. {19 f.}, vom 20. Dezember 1961, S. {2} und vom 10. Januar 1962, S. {21}) Er ist urverdrängt, das heißt: er treibt die normale Verdrängung an, kann aber durch freie Assoziation nicht zur Sprache gebracht werden. Freud schreibt:
„Wir haben also Grund, eine Urverdrängung anzunehmen, eine erste Phase der Verdrängung, die darin besteht, daß der psychischen (Vorstellungs-)Repräsentanz des Triebes die Übernahme ins Bewußte versagt wird. Mit dieser ist eine Fixierung gegeben; die betreffende Repräsentanz bleibt von da an unveränderlich bestehen und der Trieb an sie gebunden. Dies geschieht infolge der später zu besprechenden Eigenschaften unbewußter Vorgänge.“
(S. Freud: Die Verdrängung (1915). In: GW 10, S. 250)
Und:
„Die Gegenbesetzung ist der alleinige Mechanismus der Urverdrängung […].“
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Die Mäzenin, die Joyce anbot, eine Psychoanalyse bei Jung zu finanzieren (1919 in Zürich), war Edith Rockefeller McCormick; vgl. Richard Ellmann: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 713 f.– Joyce lehnte das Angebot ab.
In Seminar 23, Das Sinthom (1975/76), sowie in den beiden Aufsätzen Joyce das Symptom (I) und Joyce das Symptom (II) wird Lacan ausführlich auf Joyce zurückkommen.
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Demnach ist das Beste, das man von einer Psychoanalyse erwarten kann, dass eine Beziehung zwischen a letter und a litter hergestellt wird, zwischen eine Buchstaben und einem Abfall. Mit Abfall dürfte das Objekt a gemeint sein. Das Thema von Lituraterre. ist also wohl die Beziehung zwischen dem Buchstaben und dem Objekt a.
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Anspielung auf die Wendung sicut palea, „wie Streu“.
Im Dezember 1273 hatte Thomas von Aquin eine mystische Erfahrung, die ihn dazu brachte, die Arbeit an der Summa Theologica einzustellen und nichts mehr zu schreiben. Er erklärte dies damit, dass alles, was er bisher geschrieben habe, „wie Streu“ für ihn sei, verglichen mit dem, was er gesehen habe (vgl. Biswas 2012, a.a.O., S. 177).
Die Wendung geht auf das Buch Jesaja der hebräischen Bibel zurück:
„Aber die Menge deiner Feinde soll werden wie Staub und die Menge der Tyrannen wie wehende Spreu.“ (Jesaja 29, Vers 5)
Lacan hatte den Ausdruck „sicut palea“ bereits verwendet in Proposition du 9 octobre 1967 sur le psychanalyste de l’École (Vorschlag vom 9. Oktober 1967 über den Analytiker der Schule, in: J. Lacan: Autres écrits. Seuil, Paris 2001, S. 243–259, hier: S. 254); in der Note italienne (Notiz für die Italiener, 1973) wird er ihn wieder aufgreifen (Autres écrits, S. 307–311, hier: S. 311).
„Streu“ steht hier sicherlich euphemistisch für „Mist“, also für die Verbindung von Stroh und Exkrementen (so Christian Fierens: Lecture d’un discours qui ne serait pas du semblant. Cours „lire-en-psychanalyse“ de 2009–2010 sur le livre XVIII du Séminare de Lacan. EME, Louvain-la-Neuve 2012, darin: Chapitre VII: Lituraterre, S. 143–164, hier: S. 145).
Bezieht man Joyce auf Thomas von Aquin erhält man:
– Summa theologica: a letter;
– wie Streu: a litter. -
Diese ist der erste Bezug auf die Umweltverschmutzung, auf die Lacan in diesem Text noch zwei Mal zurückkommen wird.
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Quelle der Abbildung: Artikel „Cloaca Maxima“ der deutschen Wikipedia.
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Offenbar ist der Abwasserkanal für Lacan eine Verbindung von a letter (vielleicht im Sinne der Ingenieurskunst) und a litter (Exkrementen).
Er bezieht sich hier auf den Vortrag Mon enseignement, sa nature et ses fins, den er am 20. April 1967 im psychiatrischen Krankenhaus Charles Perrens in Bordeaux gehalten hatte und in dem er sich über die Beziehung der Zivilisationen zu Mülldeponien und Abwassersystemen geäußert hatte:
„Es ist stets schockierend, darüber zu sprechen, obwohl das doch immer ein Teil von dem gewesen ist, was man die Kultur (civilisation) nennt. Eine Hochkultur ist zunächst einmal eine Kultur, die eine Müllkippe hat. Solange man nicht von Dingen dieser Art ausgeht, wird man nichts Seriöses sagen.
Bei den Völkern, die man seit einiger Zeit primitiv nennt, ich weiß nicht warum, wo sie doch absolut nichts von Primitivität an sich haben, oder sagen wir, in den Gesellschaften, mit denen sich die Ethnologen befassen (…), nun ja, gibt es weniger an Müllproblemen. Ich behaupte nicht, dass es dergleichen nicht gibt. Und eben, weil sie weniger von diesen Problemen haben, hat man sie Wilde genannt und sogar gute Wilde, und man sieht sie als Leute an, die näher an der Natur sind.
Doch für die Gleichung Hochkultur = Rohre und Kloaken gibt es keine Ausnahme. In Babylon gibt es Kloaken, in Rom gibt es nur das. Die Stadt beginnt damit, Cloaca maxima. Das Reich der Welt war ihr verheißen. Man sollte folglich stolz darauf sein. Der Grund dafür, dass man es nicht ist, ist der, dass man, wenn man dieser Tatsache ihre, wenn man das sagen kann, fundamentale Tragweite geben würde, der erstaunlichen Analogie gewahr werden würde, die zwischen Müllkippe und Kultur (civilisation) besteht.
Das ist jetzt kein Privileg mehr. Alle Welt ist davon mehr als zugedeckt. Das verfestigt sich über ihnen, die Kultur. Eingeschlossen, wie man es ist, in diesen Panzer aus Abfällen, die auch von da herkommen, versucht man, dem vage eine Form zu geben.“
(J. Lacan: Meine Lehre, ihre Beschaffenheit und ihre Zwecke. In: J. Lacan: Meine Lehre. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2008, S. 67–100, hier: S. 73 f.)
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des Mülleimers überdrüssig: In Seminar 3, Die Psychosen, hatte Lacan erklärt:
„Das Leben des Psychoanalytikers - wie es mir mehrmals am gleichen Tag von meinen Analysierten in Erinnerung gerufen wurde -, das Leben des Psychoanalytikers ist nicht rosig.
Der Vergleich, den man anstellen kann zwischen dem Analytiker und einem Müllabladeplatz, ist gerechtfertigt. Er muß tatsächlich ganze Tage lang Äußerungen einstecken, deren Wert gewiß zweifelhaft ist, und zwar viel mehr noch als für ihn selbst, für das Subjekt, das sie ihm mitteilt. Das ist ein Gefühl, über welches der Psychoanalytiker, wenn er wirklich einer ist, nicht nur längst gewohnt ist, sich hinwegzusetzen, sondern das er in Wirklichkeit ganz einfach abschafft in sich, in der Ausübung seiner Praxis.“
(J. Lacan: Die Psychosen. Das Seminar, Buch 3 (1955–1956). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Michael Turnheim. Quadriga, Weinheim 1997, Sitzung vom 30. November 1955, S. 38)
Die Rede vom „Mülleimer“ konnotiert darüber hinaus das anale Objekt a, auf das auch der Bezug auf litter und auf die Kanalisation verweist.
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Um welches Eingeständnis geht es? Anscheinend um das der Beziehung zum Mülleimer.
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Die Formulierung „tenir de ma place“ findet man in der Originalversion von 1971; der Autres-écrits-Nachdruck von 2001 hat hier „tenir ma place“.
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Im 17. Jahrhundert wurde „oir“ als „ouère“ ausgesprochen, was für „avoir“ also „avouère“ ergibt. (Anm. von Beatrice Khiara-Foxton und Adrian Price in ihrer englischen Übersetzung dieses Aufsatzes.)
Um welches Privileg geht es? Wohl um das der Vernietung mit einem Mülleimer. In Samuel Becketts Drama Endspiel (Uraufführung 1957) ist die Bühne von Müll übersät und zwei der Figuren, Nagg und Nell, leben in Mülltonnen.
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Schließt sich Lacan der Auffassung an, dass die schriftliche Literatur aus der Aufzeichnung dessen hervorging, was zunächst mündliche Literatur war? Die Metapher der Resteverwertung deutet daraf hin: Literatur (a letter) wäre Verwertung von Resten (a litter).
Klassische Arbeiten zum Übergang von mündlicher zu schriftlicher Literatur sind die Homer-Studien von Milman Parry (The Making of Homeric Verse: The Collected Papers of Milman Parry. Oxford University Press 1971) und die hieran anschließenden Untersuchungen von Albert Lord über slawische Barden (The singer of tales. Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 1960).
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Vgl. S. Freud: Dostojewski und die Vatertötung (1928). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 10. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 267–286. Freud bezieht sich hier auf Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow (geschrieben 1878–1880).
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Éric Laurent (1999) verweist hierfür auf Michael Bachtin, Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur, eine Arbeit, die 1965 auf Russisch erschien und von der eine französische Übersetzung 1970 veröffentlicht wurde, im Jahr vor Lituraterre. Laurent betont, dass Bachtin das Lachen in den Mittelpunkt stellt. Also ist der Grund, aus dem Lacan mit der neueren Rabelais-Rezeption zusammengeht, vielleicht, dass darin eine Beziehung zwischen Literatur und Jouissance hergestellt wird.
(Vgl. Éric Laurent: La lettre volée et le vol sur la lettre (Vortrag von 1998 oder 1999). In: La Cause freudienne Nr. 43, 1999, S. 22, im Internet hier: https://www.lacanchine.com/Laurent_01.html. Englische Übersetzung: E. Laurent: The purloined letter and the tao of the psychoanalyst. In: Véronique Voruz, Bogdan Wolf (Hg.): The later Lacan. An introductíon. State University of New York Press, Albany 2007, S. 25–52.)
Die deutsche Übersetzung von Bachtins Arbeit erschien 1987 bei Suhrkamp.
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meine „Schriften“: Vgl. J. Lacan: Écrits. Seuil, Paris 1966.– dt.: Schriften. Band I und Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant 2016 und 2015.
„offene Briefe“: Die Formulierung „offene Briefe“ ist vielleicht auch eine Anspielung auf die später in diesem Aufsatz thematisierte Poe-Geschichte über den Gestohlenen Brief, der gerade dadurch, dass er offen zu Tage liegt, versteckt ist.
Lacan greift hier die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Mündlichen und dem Schriftlichen auf (Kongresse und Hochschulunterricht sind eine Mischung von frei Gesprochenem und Vorgelesenem).
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?? Was ist mit dem literarischen Geschmuse (frotti-frotta) gemeint?
die Unzulänglichkeit seiner Praxis: Möglicherweise soll Folgendes angedeutet werden: In meiner (Lacans) Praxis geht es um die Beziehung zwischen a letter und a litter, zwischen dem Buchstaben und dem Objekt a, und eben dies ermöglicht mir die Begründung eines literarischen Urteils, die Begründung meiner Wertschätzung von Joyce und Beckett. – ?
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Lacan bezieht sich auf seinen Aufsatz Le Séminaire sur „La Lettre volée“. Grundlage dieses Textes ist die Vorlesung vom 26. April 1955 im Rahmen von Seminar 2. Die ausgearbeitete schriftliche Fassung wurde 1956 verfasst und 1957 veröffentlicht (vgl. Écrits, a.a.O., S. 11–41, mit Nachträgen S. 41–61); die deutsche Übersetzung hat den Titel Das Seminar über „Der gestohlene Brief‘“ (Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 12–73).
Poes Detektivgeschichte The purloined letter (1844) findet man, in der Buchausgabe von 1845, hier; eine Übersetzung von Hedda Eulenberg (von 1901) steht hier.
Der Hinweis auf die geordnete Liste dramatischer Situation verweist auf: George Polti: Les 36 situations dramatiques. Mercure de France, Paris 1895, im Internet hier (neure Ausgabe : Éditions d’aujourd’hui 1980), vgl. die Wikipedia-Artikel zu diesem Buch, französisch und englisch.
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Ist dies eine Annäherung an eine Definition des Buchstabens im Sinne von Lacan? Sind Buchstaben Elemente, welche die Wendepunkte einer Geschichte ohne Bezug auf das Signifikat herbeiführen? Darin würden sie sich von Signifikanten unterscheiden – Signifikanten dienen der Erzeugung von Signifikaten.
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Inwiefern gesteht Poe seine Botschaft über den Brief/Buchstaben dadurch rigoroser ein, dass er sie nicht als solche formuliert? Vielleicht insofern, als er damit auch seine Erzählung als Brief/Buchstaben ohne Botschaft funktionieren lässt.
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In Seminar 2 sagt Lacan über die Psychobiografie:
„Man muß vom Text ausgehen, und zwar so, wie Freud es tut und empfiehlt, wie von einem heiligen Text. Der Autor, der Schreiber ist bloß ein Schreiberling und kommt erst an zweiter Stelle. Die Kommentare der Schrift waren unrettbar verloren an dem Tag, an dem man die Psychologie von Jeremias, von Isaias, ja von Jesus hat ermitteln wollen. Ebenso bitte ich Sie, wenn’s um unsere Patienten geht, mehr Aufmerksamkeit auf den Text zu verwenden als auf die Psychologie des Autors – das ist die ganze Orientierung meines Unterrichts.“
(Sitzung vom 9. März 1955, Version Miller/Metzger, a.a.O., S. 197)
In Radiophonie heißt es über die Literatur:
„Denn der Dichter produziert sich daraus … (es sei mir gestattet, den zu übersetzen, der dies dartut, mein Freund Jakobson in dem Fall) … produziert sich daraus, von Versen verzehrt zu werden, die unter sich ihr Arrangement treffen, ohne sich, das ist offenkundig, um das zu sorgen, was der Dichter davon weiß oder nicht. (…) Man sieht, wie kostbar der Formalismus war, die ersten Schritte der Linguistik zu stützen.“
(J. Lacan: Radiophonie (1970). Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J.L.: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim 1988, S. 9)
Lacan kommentiert hier Jakobsons Begriff der poetischen Funktion.
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Anspielung auf Marie Bonaparte: Edgar Poe. Étude psychanalytique. Denoël, Paris 1933 (dt.: Edgar Poe. Eine psychoanalytische Studie. 3 Bände. Internationaler psychoanalytischer Verlag, Wien 1934, Band 1 hier, Band 2 hier, Band 3/4 hier).
Die Erzählung Der gestohlene Brief wird in Band 2 kurz behandelt (S. 415–418 der deutschen Übersetzung). Poe bringt hier, Bonaparte zufolge, sein Bedauern über das Fehlen des mütterlichen Phallus zum Ausdruck.
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Der Bestimmungsort des Briefes ist das Subjekt, so erläutert Lacan seinen Poe-Aufsatz in Seminar 18, Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre. Weiter heißt es dort: In Poes Erzählung werde das Subjekt durch den König gepräsentiert, insofern nämlich, als er nichts versteht (vgl. Sitzung vom 17. März 1971, Version Miller/Gondek S. 120). Das spielt mit der Mehrdeutigkeit von sujet, was nicht nur „Subjekt“, sondern auch „Untertan“ bedeutet – der König ist das Subjekt / der Untertan. Zugleich erfährt man, was Lacan unter dem Subjekt versteht: eine Instanz, für die charakteristisch ist, dass sie nicht versteht. Dies ist demnach eine der Bedeutungen von sujet barré (wörtlich „durchgestrichenes“, „ausgesperrtes Subjekt“): der oder die Nichtverstehende.
Der Buchstabe erreicht immer seinen Bestimmungsort heißt demnach: der Buchstabe erreicht immer das Subjekt, das nichts versteht. Der Buchstabe ist gewissermaßen die andere Seite des nicht-verstehenden Subjekts.
Möglicherweise ist es stilistische Absicht, dass Lacan den Leser hier vor das Rätsel stellt, was er denn nun darunter versteht, dass der Brief immer seinen Bestimmungsort erreicht – womit der Leser gewissermaßen zum Subjekt wird.
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wie üblich von der Literatur etwas empfähngt: In Der Wahn und die Träume in Jensens „Gradiva“ (1907) schreibt Freud über die Dichter:
„In der Seelenkunde gar sind sie uns Alltagsmenschen weit voraus, weil sie da aus Quellen schöpfen, welche wir noch nicht für die Wissenschaft erschlossen haben.“
(In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 10. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 9–85, hier: S. 14)
eine weniger psychobiographische Vorstellung der Verdrängung: In der gesprochenen Version von Lituraterre heißt es: „eine weniger psychobiographische Vorstellung von der Triebfeder der Verdrängung.“ Das könnte heißen: Die Psychoanalyse kann von Poe lernen, was die Triebfeder der Verdrängung ist: ein Brief, der ohne Bezug auf den Inhalt funktioniert, ein Buchstabe.
Freud zufolge beruht die eigentliche Verdrängung auf der Urverdrängung. Entspricht der Buchstabe der Urverdrängung oder dem Urverdrängten? (Vgl. S. Freud: Die Verdrängung (1915). In: GW 10, S. 250).
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Mit en souffrance spielt Lacan nicht nur auf die Unzustellbarkeit, sondern auch auf das Leiden an, auf das Leiden als Aspekt des Symptoms, das heißt der Wiederkehr des Verdrängten.
Der Buchstabe ist der Punkt, an dem die Psychoanalyse scheitert. Inwiefern? Falls der Buchstabe dem Urverdrängten entspricht, ist er diejenige Komponente des Unbewussten, die, Freud zufolge, durch die Psychoanalyse nicht verändert werden kann - die urverdrängte Triebrepräsentanz bleibt, Freud zufolge, unveränderlich bestehen.
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Der Text auf der hinteren Umschlagseite der Schriften beginnt mit dem Satz:
„Man muss diese Sammlung gelesen haben, und zwar in ihrer vollen Länge, um zu spüren, dass darin eine einzige Auseinandersetzung verfolgt wird, stets dieselbe, und die, sollte es so scheinen, als sei sie älteren Datums, als die Auseinandersetzung über die Aufklärung zu erkennen ist.“
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Lacan spielt mit dem Doppelsinn von les lumières, „die Aufklärung“ / „die Lichter“, und wechselt damit zur Optik. Die neueste Photonenphysik ist die Quantenelektrodynamik; sie beschreibt die Photonen, auch Lichtquanten oder Lichtteilchen genannt. Das „Loch“ in der Physik ist vielleicht der Welle-Teilchen-Dualismus, also die prinzipielle Unmöglichkeit, eine vereinheitlichte Lichttheorie zu bilden.
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Was könnte es heißen, dass das Rätsel auf der Seite der Psychoanalyse ist? Begründet Lacan hier den rätselhaften Charakter von Lituraterre?
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Die Psychoanalytiker werden von der Psychoanalyse insofern ausgeübt, als der psychoanalytische Diskurs primär ist und die Psychoanalytiker ein Effekt dieses Diskurses sind; Lacan stützt sich hier auf seine in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, entwickelte Diskurstheorie.
In Seminar 18 heißt es über die Diskurse:
„Von diesen Plätzen und diesen Elementen her bestimmt sich, dass das, was im eigentlichen Sinne Diskurs ist, in keiner Weise von einem Subjekt, wiewohl der Diskurs es determiniert, ausfindig gemacht werden kann.
Da liegt wahrscheinlich die Ambiguität dessen, wodurch ich das eingeführt habe, was ich innerhalb des psychoanalytischen Diskurses zu verstehen geben zu müssen meinte. (…)
Der Diskurs, das ist nicht nur, dass er folglich nur mehr im Lichte seiner unbewussten Triebfeder beurteilt werden kann; das ist, dass er nicht mehr als etwas anderes als das ausgesagt werden kann, was sich aus einer Struktur darlegt, worin er sich irgendwo auf eine irreduzible Weise als entäußert erweist.“
(Sitzung vom 13. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 8)
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Vgl. J. Lacan: Die Wissenschaft und die Wahrheit (1966). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 401–427; Stenogramm der Eröffnungsvorlesung von Seminar 13 am 1. Dezember 1965.
Analytiker erkennen in der Wahrheit sogleich ihr Amt: sie haben die Aufgabe, den Analysanten dabei zu unterstützen, die verborgene Wahrheit seiner Symptome aufzudecken.
Lacan hingegen erwartet die Wahrheit der Psychoanalytiker, dieser Hinweis könnte sich auf die Formel vom Diskurs des Psychoanalytikers beziehen. Das Wissen, S2, ist dort am Platz der Wahrheit. Dieser Platz ist ist auf der linken Seite, das heißt auf der Seite des Analytikers.
?? Was ist damit gemeint, dass Lacan die Wahrheit der Psychoanalytiker erwartet? Bezieht er sich hier auf das, was er Begehren des Analytikers nennt?
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Was ist mit savoir en échec gemeint? Vermutlich, dass das Wissen ein „Loch“ hat, wie es etwas später in dieser Sitzung heißen wird (S. 117), nämlich den Buchstaben.
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Ab Seminar 12, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, verwendet Lacan den Terminus Wissen für das Unbewusste (zuerst in der Sitzung vom 19. Mai 1965, vgl. J.L: Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Le séminaire, livre XII. Texte établi par J.-A. Miller. Seuil, Le Champ freudien, Paris 2025, S. 285).
In den Formeln für die vier Diskurse (Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse) verwendet er Wissen allgemeiner für eine Signifikantenverbindung, symbolisiert durch S2; das Unbewusste ist dann eine von mehreren Formen des Wissens. Im Diskurs des Herrn geht es um das Wissens des Knechts, etwa um sein Savoir-faire, im Diskurs der Universität geht es um das an den Universitäten gelehrte Wissen, im Diskurs des Psychoanalytikers um das Unbewusste des Analytikers, im Diskurs der Hysterikerin um das Wissen, das der Herr über die Hysterikerin produziert.
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Lacan bezieht sich auf seinen Aufsatz L’instance de la lettre dans l’inconscient ou la raison depuis Freud, deutsch: Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (1957), in: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626.
Von einem „toten Buchstaben“ spricht man, wenn der entscheidende Sinn eines Textes nicht verstanden wird und das Wort deshalb nicht „lebendig“ wird.
Die Rede vom Grund des Unbewussten spricht dafür, dass Lacan sich mit dem Buchstaben tatsächlich auf das Urverdrängte bezieht – die Urverdrängung ist der Grund der Verdrängung, also des Unbewussten.
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Der Buchstabe ist nicht mit vollem Recht da – damit soll vermutlich auf die Verdrängung angespielt werden.
Die Andeutung wird verständlich, wenn man sich auf die Konzeption des Buchstabens bezieht, die Lacan in Seminar 9, Die Identifizierung, vorgetragen hatte. Der Wiederholungszwang (das Insistieren) ist demnach ein Versuch, etwas Verdrängtes wieder hochkommen zu lassen, das jedoch urverdrängt ist und deshalb nicht erinnert werden kann und das Lacan in Seminar 9 als Buchstabe bezeichnet. (Vgl. Seminar 9, Die Identifizierung, Sitzungen vom 13. Dezember 1961, S. {19 f.}, vom 20. Dezember 1961, S. {2} und vom 10. Januar 1962, S. {21}).
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Gemeint ist vermutlich: Gesucht ist eine Zweiteilung mit radikaler Heterogenität der beiden Seiten, jedoch nicht auf der Grundlage einer Messung, d.h.. des Symbolischen, sondern im Realen, d.h. außerhalb des Symbolischen.
In Die Bedeutung des Phallus (1958) schreibt Lacan:
„Der Phallus als Signifikant gibt die raison des Begehrens (nach der Bedeutung, die dieser Begriff in der französischen Sprache hat, wenn von einer ‚mittleren und äußeren raison‘ im Goldenen Schnitt die Rede ist).“
(J. Lacan: Die Bedeutung des Phallus. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–205, hier: S. 201)
Vermutlich spielt Lacan hier darauf an, dass der Goldene Schnitt in der Mathematik üblicherweise mit φ bezeichnet wird.
Beim Goldenen Schnitt wird eine Gerade in zwei Abschnitte so geteilt, dass sich die gesamte Gerade zum längeren Abschnitt so verhält wie der längere Abschnitt zum kürzeren. Die lateinische Übersetzung von Euklids Beschreibung dieser Beziehung lautet: proportio habens medium et duo extrema, „dasjenige Verhältnis, das eine Mitte und zwei Extreme hat“ (Buch VI, Definition 3); im Französischen wird diese Proportion als extrême et moyenne raison bezeichnet, als „äußere und mittlere Proportion“ („und“, nicht „oder“).
Der entscheidende Punkt ist hierbei, dass der goldene Schnitt eine irrationale Zahl ist, und das heißt, dass sie nicht als Bruch zweier ganzer Zahlen geschrieben werden kann. Die längere Strecke verhält sich zur Gesamtstrecke wie
: 2, was den Wert 0,618… ergibt. Anders gesagt: Die beiden Strecken, die beim Goldenen Schnitt aufeinander zu beziehen sind, haben kein gemeinsames Maß, sie sind „inkommensurabel“. Die Division muss beständig fortgesetzt werden, da immer ein Rest bleibt.
Wenn man das zusammenfügt, erhält man: Der Phallus ist der Signifikant einer Inkommensurabilität – und damit eines „Lochs im Wissen“.
In Seminar 14 von 1966/67, Die Logik des Phantasmas, kommt Lacan darauf zurück und entwickelt das Konzept der „mittleren und äußeren raison“ für den sexuellen Akt und für den psychoanalytischen Akt (Sitzungen vom 22. Februar bis zum 14. Juni 1967). In Seminar 16 von 1968/69, Von einem Anderen zum anderen, wird das wieder aufgegriffen (Sitzungen vom 22. Januar 1969 und vom 5. März 1969).
Die Zweiteilung der Messung ist also die Unvereinbarkeit der beiden Messungen, insofern sie kein gemeinsames Maß haben.
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Die Vorstellung von der Umwelt als Widerspiegelung der Innenwelt verkennt die Heterogenität der beiden Seiten.
Vgl. Freud:
„Die vorwissenschaftliche Traumauffassung der Alten stand sicherlich im vollsten Einklange mit ihrer gesamten Weltanschauung, welche als Realität in die Außenwelt zu projizieren pflegte, was nur innerhalb des Seelenlebens Realität hatte.“
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Lacan bezieht sich auf den Begriff „natürliche Selektion“ bzw. „natürliche Auslese“.
Indirekt sagt er hier wohl: Die Psychoanalyse muss sie sich vor zwei biologischen Ideologien hüten: vor der Ideologie der Anpassung (der Innen-Außen-Komplementarität) und vor der Ideologie der natürlichen Auslese.
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Quelle der Abbildung: Artikel „Litoral“ in der deutschsprachigen Wikipedia.
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Der Buchstabe ist litoral, d.h. er bildet eine Zwischenzone zwischen zwei heterogenen Bereichen.
Das Litoral ist die Zone, wo Land und Wasser aufeinanderstoßen: „Küstenstreifen“, „Uferzone“, „Uferstreifen“, „Strand“ usw.; im Niederdeutschen sagt man „Waterkant“. Das deutsche Adjektiv „litoral“ meint laut Duden: „die Küsten-, Ufer-, Strandzone betreffend“.
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Der eine der Bereiche, an die der Buchstabe angrenzt, ist das Wissen.
Mit Wissen ist hier vermutlich das Unbewusste gemeint, das heißt Signifikanten in den Beziehungen von Verdichtung und Verschiebung, von Metapher und Metonymie.
Das Wissen im Feld der Psychoanalyse hat ein Loch. Damit dürfte das gemeint sein, was Lacan sonst Signifikant des Mangels im Anderen nennt, mit dem Symbol S(Ⱥ).
Das Loch im Wissen hat einen Rand, damit soll vielleicht angedeutet werden, dass es mithilfe der Topologie zugänglich ist. Dieser Rand ist der Buchstabe. Das räumliche Struktur des Buchstabens, zunächst als Litoral beschrieben, wird jetzt als Rand bezeichnet, als Rand eines Lochs im Wissen.
?? Was hat man sich unter der Beziehung zwischen dem Loch im Wissen und dem Rand dieses Lochs vorzustellen?
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Der andere Bereich, an den der Buchstabe als Litoral angrenzt, ist die Jouissance. Der Buchstabe ist ein Zwischenbereich – ein Litoral – zwischen Wissen und Jouissance.
In ihren Deutungen bezieht die Psychoanalyse sich auf diese beiden heterogenen Bereiche, auf das Wissen und auf die Jouissance. Dort wo der Bezug auf das Verdrängte ins Leere geht (Loch im Wissen), wird von der Psychoanalyse die Jouissance ins Spiel gebracht. Welche Art der Jouissance ist gemeint?
Was könnte es heißen, dass der Buchstabe (das Urverdrängte?) eine Zwischenzone zwischen diesen beiden Bereichen bildet? Ich vermute, dass es beim Buchstaben um den Bereich geht, an dem das Wissen (die Signifikantenverbindungen, die Sprache) in die Jouissance eingreifen und sie transformieren, indem sie einen Jouissance-Verlust herbeiführen. In Die Bedeutung des Phallus (1958) bezeichnet Lacan diesen Vorgang als Urverdrängung (er spricht dort noch nicht von Wissen und Jouissance, sondern von Sprache und Bedürfnis).
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Der Buchstabe soll also von der Sprache aus bestimmt werden, und nicht umgekehrt, das ist eine der Stoßrichtungen von Lituraterre – gegen Derrida, wie später noch deutlicher werden wird.
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Die Beziehung zwischen dem Wort, das für ein anderes genommen wird, ist in Lacans Begrifflichkeit eine Metapher, die Beziehung zwischen dem Wort, das durch ein anderes genommen wird, offenbar eine Metonymie.
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Ausgehend von der Sprache ist zu rekonstruieren, wie es dazu kommt, dass der Buchstabe (das Literale) die Funktion eines Grenzstreifens (eines Litorals) zwischen dem Wissen (dem Unbewussten) und der Jouissance hat.
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Lacan bezieht sich hier und in den folgenden Sätzen (ohne ihn zu nennen) auf Jacques Derrida: Freud und der Schauplatz der Schrift (1966). In: Ders.: Die Schrift und die Differenz. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, S. 302–350.
In Seminar 18 hatte er hierzu in der Sitzung vom 17. Februar 1971 angemerkt:
„Es ist sehr wichtig in unserer Zeit, und zwar ausgehend von bestimmten Aussagen, die getätigt wurden und die die Tendenz haben, äußerst bedauerliche Verwirrungen zu stiften, in Erinnerung zu rufen, dass trotzdem das Geschriebene nicht Erstes, sondern Zweites ist im Verhältnis zu jeglicher Funktion der Sprache, und das nichtsdestoweniger ohne das Geschriebene es in keiner Weises möglich ist, zurückzukommen, um das zu befragen, was an erster Stelle aus der Sprachwirkung als solcher hervorgeht, anders gesagt aus der symbolischen Ordnung ‚das heißt der Dimension, um Ihnen eine Freude zu machen, aber Sie wissen, dass ich einen anderen Terminus eingeführt habe, die demansion, die Wohnstatt, der Ort des Anderen der Wahrheit.“
(Version Miller/Gondek S. 74)
In der Sitzung vom 10. März 1971 hieß es, nach Bemerkungen über Heideggers Begriff des Daseins, zu Derrida (dessen Name nicht genannt wird):
„Besagte Präsenz als logozentrisch zu denunzieren, wie dies geschehen ist, die Idee des inspirierten/geisterfüllen [inspirée] Sprechens, wie es heißt, in Namen von jenem, dass das inspirierte Sprechen, selbstverständlich kann man darüber lachen, dem Sprechen die ganze Dummheit anzulasten, in die sich ein gewisser Diskurs verirrt hat, und uns hin zu einer mythischen Urschrift [archi-écriture] mitzuschleppen, einzig und allein gebildet alles in allem aus dem, was man ganz zu Recht als einen gewissen blinden Punkt wahrnimmt, den man an allem denunzieren kann, was über die Schrift nachgedacht wurde – all das bringt kaum voran.“
(Version Miller/Gondek S. 90)
Lacan ändert hier seine frühere Position. Im Identifizierungs-Seminar hatte er den Buchstaben als einen Signifikanten bezeichnet – als speziellen, nämlich urverdrängten Signifikanten. Nun gilt: Der Buchstabe ist kein Signifikant.
Wenn man den Begriff des Signifikanten so definiert, dass ein Signifikant ein Element ist, dass in Beziehungen von Verdichtung und Verschiebung, von Metapher und Metonymie funktioniert, und wenn der Buchstabe durch Fixierung gekennzeichnet ist, ist der Buchstabe kein Signifikant.
Der Buchstabe ist kein Signifikant, damit ist ausgeschlossen, dass man ihn mit dem Herrensignifikanten gleichsetzt.
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Sitzung vom 11. Februar 1970, vgl. Version Miller/Gondek S. 87
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In den Formeln der vier Diskurse ist der Platz des Scheins (semblant) der Platz oben links (vgl. Seminar 18, Sitzung vom 20. Januar 1971; vgl. Version Miller S. 25).
Im Diskurs der Universität ist am Platz oben links, also am Platz des Scheins, das Wissen, S2,.
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Abbildungen aus: S. Freud: Gesammelte Werke. Nachtragsband. S. Fischer, Frankfurt am Main 1987, S. 407, 417, 446.
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Vgl. S. Freud: Entwurf einer Psychologie (1895). Von diesem Text gibt es zwei deutsche Ausgaben mit unterschiedlichen Transkriptionen:
(a) S. Freud: Aus den Anfängen der Psychoanalyse 1887–1902. Briefe an Wilhelm Fließ. S. Fischer, Frankfurt am Main 1950, S. 299–384.– Abschrift (mit den Seitenzahlen dieser Ausgabe) auf der Website Lutecium, hier.
(b) Da die 1950 veröffentlichte Transkription fehlerhaft ist, wurde in den Gesammelten Werken eine neue Transkription veröffentlicht, erstellt von Ingeborg Meyer-Palmedo: S. Freud: Gesammelte Werke. Nachtragsband. S. Fischer, Frankfurt am Main 1987, S. 375–486.
Vgl. hierzu: Mai Wegener: Neuronen und Neurosen. Der psychische Apparat bei Freud und Lacan. Ein historisch-theoretischer Versuch zu Freuds „Entwurf“ von 1985. Fink, München 2004.
Auf den Entwurf hatte Lacan sich zuerst bezogen in Seminar 2 (Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse, 1954/55) , dann wieder in Seminar 7 (Die Ethik der Psychoanalyse, 1959/60).
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Vgl. S. Freud: Notiz über den „Wunderblock“ (1925). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 363–370.
Auf diese beiden Texte von Freud, den Entwurf und die Notiz über den „Wunderblock“, bezieht sich Derrida in Freud und der Schauplatz der Schrift.
Für Lacan bestehen die Hauptprobleme von Freuds Wunderblock-Metapher vermutlich darin, dass sie vom Schreiben ausgeht statt vom Sprechen und der Sprache, dass der Mechanismus der Gegenbesetzung nicht ins Spiel kommt und dass die Beziehung von Schrift und Jouissance ausgeblendet wird.
Die weiter unten in Lituraterre entwickelte Erosionsmetapher ist, denke ich, Lacans Alternative zum Wunderblock.
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Vgl. Brief von Freud an Wilhelm Fließ vom 6. Dezember 1896. Vgl. S. Freud, Aus den Anfängen der Psychoanalyse, a.a.O., S. 151–156. In der Neuausgabe der Fließ-Briefe ist dies der 112. Brief: S. Freud: Briefe an Wilhelm Fließ 1887–1904. Ungekürzte Ausgabe. Hg. v. Jeffrey Moussaieff Masson. S. Fischer, Frankfurt am Main 1986, S. 217–226.
Das Wahrnehmungszeichnen steht demnach (Lacan zufolge) nicht für den Buchstaben, sondern für den Signifikanten.
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Freud schreibt:
„Wz [Wahrnehmungszeichen] ist die erste Niederschrift der Wahrnehmungen, des Bewußtseins ganz unfähig, nach Gleichzeitigkeitsassoziationen gefügt.“
(Briefe an Wilhelm Fließ 1887–1904, a.a.O., S. 218, Einfügung in Klammern von Masson)
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Nachdem der Buchstabe zunächsts räumlich bestimmt wurde, als Zwischenzone zwischen Wissen und Jouissance, geht es jetzt um seine Entstehung.
In Seminar 18 hatte Lacan die folgende Verbindung zwischen der Schrift und dem Bewohnen der Sprache hergestellt:
„Was bedeutet das, die Schrift? Man muss freilich ein wenig eingrenzen. Wenn man sieht, was man gemeinhin Schrift zu nennen pflegt, ist das völlig klar und gewiss, dass das etwas ist, das in gewisser Weise auf das Sprechen durchschlägt.
Über das Habitat des Sprechens, ich denke, dass wir die letzten Male bereits genügend Dinge gesagt haben, um zu sehen, dass unsere Entdeckung allerwenigstens eng mit der Tatsache verbunden ist, dass es kein sexuelles Verhältnis, so wie ich es definiert habe, gibt. Oder, wenn Sie so wollen, dass das sexuelle Verhältnis das Sprechen selbst ist. Geben Sie zu, dass das trotzdem ein wenig zu wünschen übrig lässt / ein wenig zu begehren lässt. Im Übrigen denke ich, dass Sie davon ein Ende wissen.
Dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, das habe ich bereits in jener Form fixiert, dass es keinen Modus gibt, das derzeit zu schreiben.“
(Sitzung vom 10. März 1971, Version Miller/Gondek S. 97)
„L’habite qui parle“ ist lautgleich mit „la bite qui parle“. „La bite“ ist ein vulgäres Wort für den Penis, „der Schwanz, der spricht“. Vielleicht ist also mitgemeint: Dadurch, dass der Mensch die Sprache bewohnt, kommt der Phallus ins Spiel, die Kastration.
Im Poe-Aufsatz hieß es übrigens umgekehrt, dass „wir lehren, daß das Unbewußte, will heißen: daß der Mensch vom Signifikanten bewohnt wird“ (Schriften I, hg. v. N. Haas, S. 35).
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Mit „Ökonomie der Sprache“ spielt Lacan auf Freuds Begriff der Ökonomie an, also auf den theoretischen Gesichtspunkt quantitativ bestimmbarer Erregungsmengen; in Lacans Begrifflichkeit geht es bei der „Ökonomie der Sprache“ um das Verhältnis von Jouissance und Wissen und damit um den Buchstaben.
In der ersten Sitzung von Seminar 18 hatte er diesen Zusammenhang so hergestellt:
„Wer nicht sieht, dass die Ökonomie, selbst jene so genannte der Natur, stets eine Diskurstatsache ist, eben der kann nicht erfassen, dass dies ein Hinweis darauf ist, dass es sich hierbei [in Jenseits des Lustprinzips] um das Genießen nur handeln kann, insofern es selbst nicht nur Diskurstatsache, sondern Diskurseffekt ist.“
(Sitzung vom 13. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 22)
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Was soll bewiesen werden: dass die Sprache den Buchstaben hervorbringt? dass derjenige, der spricht, die Sprache bewohnt? dass Literatur dabei sein könnte in Lituraterre umzuschlagen?
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Über seine erste Japan-Reise im Jahre 1963 berichtet Lacan in Seminar 10, Die Angst, in der Sitzung vom 8. Mai 1963.
Mit dem „Litoralen“ ist hier wohl die Funktion des Buchstabens bzw. der Schrift in der Beziehung zwischen Sprache und Jouissance gemeint.
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Demzufolge macht die Umwelt (die Komplementarität von Innen und Außen) die Reise unmöglich. Inwiefern? Wohl insofern, als die Reise einen Zwischenbereich (ein Litoral) zwischen Ausgangsregion und Zielregion voraussetzt, der von der Reiseroute durchquert wird.
Lacan bezieht sich hier auf seine Formel „Das Reale ist das Unmögliche“, die er zuerst in Seminar 9 vorgebracht hatte, in den Sitzungen vom 14. und 21. März 1962. Vgl. hierzu auf dieser Website den Artikel „Das Reale ist das Unmögliche“.
Fort nun! Möglicherweise eine Anspielung auf die Operette Die Großherzogin von Gerolstein von Jacques Offenbach, Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy (1867). In Akt I, Szene 13, singt der Chor im Original: „Partons!“ (Hinweis von Beatrice Khiara-Foxton und Adrian Price in ihrer englischen Übersetzung von Lituraterre (II)); in der deutschen Übersetzung des Librettos findet man hier: „Fort nun!“
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Abbildung aus: getamap.net, hier
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„Occidentelle“ heißt es in der Originalversion von 1971; in den Autres écrits steht hier „accidentelle“.
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Aufschichtung des Tötens: Wohl eine Anspielung auf den langen sibirischen Winter, in dem das Land mit einer Schneedecke bedeckt ist.
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Die Schreibweise „m’avait“ findet man in der Version von 1971; in den Autres écrits steht hier „n’avait“.
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dieses Ein-wenig-zu-viel: Anspielung auf die Beziehung zwischen dem Litoral (dem Buchstaben) und der Jouissance (dem Ein-wenig-zu-viel, jenseits des Lustprinzips); in Lituraterre (I) spricht Lacan an dieser Stelle von dem „klein wenig Zuviel an Kitzel“.
dass es das ist, wovon seine Sprache in besonderem Maße betroffen ist: vom Buchstaben, von der Schrift. Hierüber hatte Lacan sich in Seminar 18 in der Sitzung vom 10. März 1971bereits geäußert; vgl. Version Miller/Gondek S. 106 f.
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Die japanische Schrift besteht aus drei Schriften: aus chinesischen Schriftzeichen, Kanji genannt, und aus zwei Kursivschriften, Hiragana und Katakana. Kanji ist eine logographische Schrift, Hiragana und Katakana sind Silbenschriften. In geschriebenen Texten werden alle drei Schriften nebeneinander verwendet (ähnlich wie man in philosophischen Texten aus lateinischer Schrift bisweilen Worte in griechischer Schrift findet).
Von 1942 bis 1945 hatte Lacan an einem Chinesisch-Kurs teilgenommen, der von dem angesehenen Sinologen Paul Demiéville geleitet wurde (vgl. hier); Lacan erinnert daran in Seminar 18 (Sitzung vom 10. Februar 1971, Version Miller/Gondek S. 52). Zwischen 1969 und 1973 traf er sich einmal wöchentlich mit dem Sinologen François Cheng und sprach mit ihm über chinesische Klassiker, vor allem über Lao Tse, Mencius und Shi Tao (vgl. François Cheng: Le Docteur Lacan au quotidien. In: L’Âne, Nr. 48, Oktober–Dezember 1991, im Internet hier).
?? Was ist mit dem „Singulären der Hand“ gemeint? Inwiefern erdrückt in der Kursivschrift das Singuläre der Hand das Universale?
?? Inwiefern hat das Universale nur vom Signifikanten her Wert? Sind die Wörter „alle“ und „jeder“ gemeint?
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Quelle der Abbildung: Artikel „Hiragana“ in der deutschen Wikipedia.
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Insgesamt scheint Lacan in diesem Satz Folgendes zu sagen:
(1) Das Singuläre (die oder das Eins) dient dazu, die Angst vor dem Un-Ding zu lindern, d.h. vor dem Objekt a.
(2) Die angstmindernde Funktion der Eins erscheint auf zwei Weisen, in Form des „nicht mehr als eins“ und in Gestalt des Ausnahmeelements.
(3) Das Objekt a ist Einsatz einer Wetter, die mit Tinte und Pinsel gewonnen wird: Anspielung auf die Kalligrafie, die später noch Thema sein wird. Bei der Kalligrafie geht es demnach um die angstlindernde Funktion des Eins.
Jetzt ausführlich zu den Einzelheiten:
festere Form: Damit geht Lacan zu einem Konzept des Singulären über, das sich auf Mathematik und Logik stützt. Inwiefern kann das Singuläre eine festere Form stützen? Ist dies eine Anspielung auf das Ichideal?
demansion: Den Terminus demansion hatte Lacan in Seminar 18 eingeführt:
„Die Wahrheit ist nicht das Gegenteil des Scheins. Die Wahrheit ist jene Dimension oder Demension – wenn Sie mir gestatten, ein neues Wort zu erschaffen, um diese Näpfe zu bezeichnen –, die in strikter Korrelation steht zu jener des Scheins. Die Demansion der Wahrheit trägt jene des Scheins.“
(Sitzung vom 20. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 27)
Miller transkribiert hier falsch mit „demension“ – der Tonbandtranskription von Espaces Lacan lässt sich klar entnehmen, dass Lacan den vierten Buchstaben als a buchstabiert, nicht als e.
Das französische Wort mansion meint das „Haus“, z.B. in der Astrologie. Offenbar spielt Lacan hier auf eine Formulierung von Heidegger an: „Die Sprache ist der Bezirk (templum), d. h. das Haus des Seins.“ (M. Heidegger: Wozu Dichter? (1926) In: Ders.: Holzwege. Gesamtausgabe, Bd. 5. Klostermann, Frankfurt am Main 1977, S. 310)
Die vier Becher – die vier Plätze der Diskursformeln – bilden demnach die vier Dimensionen der Sprache, ihre vier demansions. Eine dieser vier Dimensionen oder demansions ist die Wahrheit (unten links), sie steht in Verbindung mit der Dimension bzw. demansion des Scheins (oben links).
Zu demansion heißt es in Seminar 18 in der Sitzung vom 17. Februar 1971:
„Ich weiß, daß diese demansion für manche eine Frage aufgeworfen hat, die entsprechenden Echos sind zu mir zurückgekommen. Nun, wenn demansion in der Tat ein neuer Terminus ist, und wenn er noch Bedeutung [sens] hat, so heißt das, dass es Ihnen zukommt, ihm eine zu geben. Die demansion der Wahrheit in ihrer Bleibe [demeure] zu befragen, ist etwas – darin besteht die Neuheit dessen, was ich heute einführe –, das nur durch das Geschriebene geschieht, und durch das Geschriebene als dieses, dass sich nur durch das Geschriebene die Logik bildet.
Das ist es, was ich an dieser Stelle meines diesjährigen Diskurses einführe – Es gibt logische Frage nur ausgehend vom Geschriebenen, insofern das Geschriebene eben nicht die Sprache ist. Insofern habe ich ausgesagt, dass es keine Metasprache gibt. Das Geschriebene selbst, insofern es sich von der Sprache unterscheidet, ist da, um uns zu zeigen, dass, wenn vom Geschriebenen her die Sprache befragt wird, es eben geschieht, insofern das Geschriebene nicht Sprache ist, sondern nur durch seinen Bezug auf die Sprache konstruiert, fabriziert ist.“
(Version Miller/Gondek S. 74)
nichmeerallzeins: für „papledun“, phonetisierende Schreibweise für „pas plus d’un“, „nicht mehr als eins“, „genau einer“. Diese Funktion steht am Ursprung des Geschriebenen.
Den Terminus pas-plus-d’un hatte Lacan in Seminar 18 eingeführt:
„Auf der anderen Seite ist das, was ich mit Bezug auf diesen Lettre volée [gestohlenen Brief] hervorhebe, dass es, wenn es nur eine Frau und nicht Die Frau, mit anderen Worten, wenn sich die Funktion der Frau nur aus dem entfaltet, was der große Mathematiker Brouwer im Zusammenhang mit dem, was ich gerade über die Diskussion in der Mathematik vorgetragen habe, die Multi-Einheit nennt, eine Funktion gibt, die im ganz eigentlichen Sinne die des Vaters ist, der da ist. Der Vater ist da, um sich darin Anerkennung zu verschaffen, in seiner radikalen Funktion, in derjenigen, die er stets an den Tag gelegt hat, und zwar jedes Mal, wenn es beispielsweise um den Monotheismus ging.
Nicht grundlos wird Freud da scheitern. Es ist deshalb so, weil es eine ganz und gar wesentliche Funktion gibt, die es als im ganz eigentlichen Sinne am Ursprung des Geschriebenen stehend vorzubehalten gilt. Es ist das, was ich das Nicht-mehr-als-Ein(e)s nennen werde.
Aristoteles, ganz klar, unternimmt ganz hinreißende und aufwendige Anstrengungen, wie er das üblicherweise tut, um uns das stufenweise im Namen seines Prinzips zugänglich zu machen, das man als Prinzip des Wiederaufstiegs auf der Stufenleite von Ursache zu Ursache und von Wesen zu Wesen usw. qualifizieren kann, doch irgendwo werden Sie natürlich anhalten müssen. Das ist etwas ganz Liebevolles, das es bei ihm gibt. Nämlich, dass er wahrlich für die Dummen sprach. Von daher die Entwicklung der Funktion des Subjekts.
Auf eine ganz und gar originelle Weise wird das Nicht-mehr-als-Ein(e)s gesetzt. Ohne Nicht-mehr-als-Ein(e)s können Sie nicht einmal beginnen, die Reihe der ganzen Zahlen zu schreiben. Ich werde Ihnen das nächstes Mal an der Tafel zeigen. Es muss eine 1 geben, und dann muss Sie anschließend nur noch den rundgemachten Mund aufplatzen lassen, jedes Mal, wenn Sie wieder beginnen wollen, damit das jedes Mal 1 mehr macht, aber nicht dasselbe. Dagegen sind all diejenigen, die so wiederholt werden, dieselben, sie können addiert werden. Man nennt das die arithmetische Reihe.“
(Sitzung vom 17. März 1971, Version Miller/Gondek S. 125)
Die Funktion pas-plus-d’un (nicht-mehr-als-eins) hat ihre logisch-mathematische Stütze in der Nachfolgerfunktion, die grundlegend ist für die Konstituierung der natürlichen Zahlen , also der Zahlen 1, 2, 3 usw., evtl. zusammen mit der 0 (die nächste Zahl wird gebildet, indem genau eins addiert wird, nicht mehr). Ein Anwendungsfall für das nicht-mehr-als-einer ist der Monotheismus (es gibt genau einen Gott, nicht mehr); vielleicht darf man die Monogamie ergänzen (nicht-mehr-als-einen bzw. nicht-mehr-als-eine).
Ein’s-Mär: für „Hun-En-Peluce“, phonetisierende Schreibweise für „un en plus“, „eins mehr“, „eins zusätzlich“. Das „eins mehr“ ist eine weitere Form der Singularität.
Hun bedeutet „Hunne“. Peluce ist kein Wort des Französischen, es klingt ähnlich wie peluche, „Plüsch“, aber auch „Fussel“ oder „Staubflocke“. Man kann also an Plüsch-Hunne denken.
Den Terminus un-en-plus „eins mehr“, hatte Lacan in Seminar 14 eingeführt, in der Sitzung vom 23. November 1966. Um eine Menge zu bilden, braucht es, außer den Elementen der Menge, ein weiteres Element, das intuitiv beispielsweise durch den Kreis um die Elemente herum repräsentiert wird, in der Mengensymbolik durch eine geschweifte Klammer: {}. Lacan symbolisiert es mit (+1). Dieses zusätzliche Element ist eines, das den Elementen fehlt, also zugleich „eins weniger“ (−1).
Mit Hun-En-Peluche (bzw. un-en-plus), Eins-mehr, scheint also das Ausnahmeelement gemeint zu sein, durch das eine Menge konstituiert wird. Eine Entsprechung in den Formeln der Sexuierung wäre dann der Ausdruck
, den Lacan durch den Bezug auf den mythischen (nicht-kastrierten) Urvater erläutert, als Bedingung für die Verwendung des Allquantor
Der Gedanke geht auf Seminar 9 zurück, dort noch ohne diese Terminologie (Sitzung vom 9. Mai 1962).
In Seminar 18 heißt es:
„Diese Annahme des zumindest einer, darüber mein Gott, ende ich, weil die Uhr mit die Grenze aufzeigt. Sie werden sehen, dass ich Sie im Weiteren mit dem in eine Funktion zu bringen haben werde, was Sie da bereits dargelegt sehen, nämlich die Funktion des ein mehr/ein im Plüsch [un en peluce], der im Übrigen hier nicht so ist, wie ich ihn letztes Mal geschrieben habe. Nicht grundlos habe ich ihn so geschrieben, ich denke, dass dies dennoch für manche gewisse Echos aufwerfen kann.“
(Sitzung vom 19. Mai 1971, vgl. Version Miller/Gondek S. 171)
Ich verstehe die letzte Formulierung so: Die Angst der Achose, d.h. die Angst, die mit dem Objekt a verbunden ist, wird abgewehrt durch den Bezug auf das Hun-En-Plus, auf das Eins-Mehr, also durch den Bezug auf eine Instanz, die nicht der Kastration zu unterliegen scheint.
Un-Ding: für achose.
Den Terminus l’achose (das Unding) hatte Lacan 1970 in Radiophonie und in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, eingeführt:
„Ich müßte ‚antizipieren‘ (aufnehmend den Sinn meines eigenen Wortes) auf das, was ich vorhabe einzuführen unter der Schreibweise von l’achose, l, Apostroph, a, c, h, o usw., um spüren zu machen, in welchem Effekt die Linguistik Position bezieht.
Das wird kein Progreß sein: eher eine Regression. Das ist es, wessen wir bedürfen gegen die Einheit von Obskurantismus, die sich bereits zusammenschweißt, um der achose zuvorzukommen.“
(Radiophonie (1970). Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim 1988, S. 5–54, hier: S. 8)
In Seminar 17 heißt es:
„Den Raum, in dem sich die Schöpfungen der Wissenschaft entfalten, können wir folglich nur als die Insubstanz, als das a-Ding/Unding [l’achose] mit Apostroph bezeichnen. Gemachtes, das den Sinn unseres Materialismus grundlegend verändert.“
(Sitzung vom 20. Mai 1970; J. Lacan: Die Kehrseite der Psychoanalyse. Das Seminar, Buch XVII (1969–1970). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2023, S. 208)
In Seminar 18, Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre, kommt er auf die Achose zurück (vgl. Sitzung vom 10. März 1971, Version Miller/Gondek S. 89–93).
In der Terminologie des Ethik-Seminars ist die achose das unerreichbare „Ding“, das, was durch die Sprache unwiderrufbar unzugänglich ist.
Achose und klein a: Achose und Objekt a sind zwei Worte für dieselbe Sache.
In der Vorlesungsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers (1971/ 72 wird l’achose zu l’hachose und es heißt dort:
„Allein, es gibt den Anstoß [l’achoppement]. Der Anstoß, alles ist darin, alles geht daraus hervor. Es ist das, was ich die Hachose [l’hachose] nenne – ich habe ein h davor gesetzt, damit Sie sehen, dass es ein Apostroph gibt, aber ich sollte so etwas nicht setzen, es müsste das a-Ding [l’achose] heißen. Kurz, es ist das Objekt a.“
(J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, Sitzung vom 2. Dezember 1971, S. 64)
Angst vor dem Un-Ding: In Seminar 10, Die Angst, hießt, die Angst sei ein Signal für das Objekt a (Sitzung vom 9. Januar 1963, Version Miller/Gondek S. 112).
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Quelle der Abbildung: Artikel „Ruissellement“ in der französische Wikipedia
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Das Litoral ist hier nicht eine horizontale, sondern eine vertikale räumliche Beziehung; die beiden durch das Litoral voneinander getrennten Bereiche sind die Wolken und die Oberfläche der sibirischen Ebene.
das auf der Oberfläche abfließende Wasser: Oberflächenabfluss (ruissellement), Wasser, das nach heftigen Regenfällen nicht versickert, sondern auf der Erdoberfläche, Neigung vorausgesetzt, abfließt.
In Seminar 20, Encore, wird es heißen:
„Das ist es, was ich gesagt habe in einem Text gewiß nicht ohne Unvollkonmenheiten, den ich Lituraterre genannt habe. Das Gewölk der Sprache – habe ich mich ausgedrückt metaphorisch — macht Schrift. Wer weiß, ob die Tatsache, daß wir diese Rinnsale lesen können, die ich über Sibirien erblickte als metaphorische Spur der Schrift, nicht gebunden ist – lier und lire, das sind dieselben Buchstaben, haben Sie darauf acht - an etwas, das hinausgeht über den Regeneffekt, wofür es keine Chance gibt, daß das Tier es lese als solches?“
(J. Lacan: Das Seminar, Buch XX. Encore (1972–1973). Textherstellung Jacques-Alain Miller, übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger. Quadriga, Weinheim 1986. Sitzung vom 15. Mai 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 129 f.)
Demnach gilt:
– Wolken: Sprache,
– Oberflächenabfluss: Schrift, insofern die Schrift eine Wirkung der Sprache ist.in den Schatten stößt: Mit der Beziehung zwischen dem leuchtenden Glänzen und dem Schatten spielt Lacan, wie er in Seminar 18 erläutert, auf die Fiktionsstruktur der Wahrheit an:
„Genau da wird an die Wichtigkeit der Funktion des Schattens gerührt. Bereits letztes Mal habe ich in dem, was ich über das ausgesagt habe, was genau genommen ein Geschriebenes ist, ich meine über etwas, das sich in buchstäblicher oder literarischer Form darstellte, erwähnt, dass der Schatten zu seiner Hervorbringung einer Lichtquelle bedarf. Ja, wirklich. Aber es ist Ihnen nicht spürbar gewesen, dass von daher die Aufklärung* etwas beinhaltet, das Fiktionsstruktur wahrt. Ich spreche von der geschichtlichen Epoche, die nicht unerheblich gewesen ist, und von der die Bahnen nachzuzeichnen oder sie an sich selbst aufzugreifen für uns nützlich sein kann – das ist hier der Fall, und es ist das, was ich tue. Was das Licht erschafft, geht von diesem Feld aus, das sich selbst als das der Wahrheit definiert. Denn das Licht, sollte es gar einen wirkungsvollen Effekt auf das haben, was Undurchdringlichkeit erschuf, wirft als solches, welches dieses Feld jeden Augenblick verbreitet, einen Schatten, und dieser Schatten zeitigt Wirkung. Darin haben wir diese Wahrheit selbst stets nach ihrer Fiktionsstruktur zu befragen.“
(Sitzung vom 19. Mai 1971, Version Miller/Gondek S. 159)
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Lacan beginnt, seine Metapher des Oberflächenabflusses in die von ihm entwickelte psychoanalytische Terminologie zu übersetzen.
Der Oberflächenabfluss ist eine Verbindung zwischen dem „ersten Strich“ und seiner Auslöschung. Die Rede vom „ersten Strich“ impliziert, dass es mindestens noch einen zweiten Strich gibt.
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Demnach repräsentiert der Oberflächenabfluss das Subjekt im Sinne von Lacan, das gespaltene Subjekt, und die beiden Seiten dieser Spaltung sind der erste Strich und dessen Auslöschung.
In Seminar 9, Die Identifizierung, hieß es zum Ausstreichen der Spur:
„Aber wenn ich plötzlich die Spur davon finde, dass man sich bemüht hat, die Spur auszulöschen; oder wenn ich sogar von dieser Bemühung keine Spur mehr finde; wenn ich zurückgekommen bin, weil ich weiß – worauf ich keineswegs stolz bin – dass ich die Spur hinterlassen habe; wenn ich finde, dass man – ohne eine Entsprechung, die es gestattet, dieses Auslöschen auf ein allgemeines Auslöschen der Züge/Striche (traits) der Konfiguration zu beziehen –, dass man tatsächlich die Spur als solche ausgelöscht hat, nun, dann bin ich mir sicher, dass ich es mit einem realen Subjekt zu tun habe.“
(Sitzung vom 24. Januar 1962; meine Übersetzung (RN), nach Version Staferla)
Die Streichung der Spur erinnert an das Ungeschehenmachen als einem für die Zwangsneurose charakteristischen Mechanismus. Freud beschreibt diesen Mechanismus zuerst in Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose (1909) als „zweizeitige Zwangshandlung“:
„Es tobt in unserem Verliebten ein Kampf zwischen Liebe und Haß, die der gleichen Person gelten, und dieser Kampf wird plastisch dargestellt in der zwanghaften, auch symbolisch bedeutsamen Handlung, den Stein von dem Wege, den sie befahren soll, wegzuräumen und dann diese Liebestat wieder rückgängig zu machen, den Stein wieder hinzulegen, wo er lag, damit ihr Wagen an ihm scheitere und sie zu Schaden komme.“ (GW 9, S. 413 f.)
In Hemmung, Symptom und Angst (1926) prägt er hierfür den Terminus Ungeschehenmachen (vgl. GW 14, S. 149 f.).
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Die Streichung (rature) ist die Streichung des ersten Strichs.
Mit rature spielt Lacan auf das Wort littérature (Literatur) an – litté…rature – und damit auf den Titel der Zeitschrift, für die Lituraterre bestimmt ist. Er imitiert damit, ähnlich wie mit dem Wort Lituraterre, die Arbeitsweise des Unbewussten, hier die Abtrennung von Silben.
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Jetzt wird der letzten Silbe von Lituraterre eine Bedeutung zugewiesen: terre steht für die Streichung jeder Spur.
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Lacan übersetzt hier rature (Streichung) ins Lateinische: litura, und gibt damit den ersten drei Silben von lituraterre eine Bedeutung: „Streichung“.
Lituraterre soll demnach so gelesen werden: litura → terre, die Streichung erzeugt Erde.
Die Streichung entspricht dem Buchstaben. Der Buchstabe ist demnach das Ausstreichen des ersten Strichs.
A letter, a litter: Entspricht der erste Strich dem litter, das Ausstreichen des ersten Strichs dem letter?
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Das Subjekt (im Sinne von Lacan) ist gespalten. Die eine Seite dieser Spaltung wird vermutlich durch den ersten Strich konstituiert, die andere entspricht der Streichung des ersten Strichs.
Wenn man die Streichung produziert (die Streichung des ersten Strichs durch die rature, die litura), reproduziert man gewissermaßen die zweite Hälfte des Subjekts.
Die beiden Hälften sind „unpaar“, das heißt wohl: sie bilden kein Paar, und damit könnte gemeint sein: sie sind nicht komplementär.
Was sind die psychoanalytischen Entsprechungen zum ersten Strich und zur Streichung dieses Strichs? Ich vermute, dass es um die Urverdrängung geht. Sie beruht, Freud zufolge, auf Gegenbesetzung. Um seine Bemerkung noch einmal zu zitieren:
„Die Gegenbesetzung ist der alleinige Mechanismus der Urverdrängung […].“
(S. Freud: Das Unbewußte (1915). In: GW 10, S. 280)
Aus Freuds Besetzung – Gegenbesetzung wird also möglicherweise: erster Strich – Streichung des ersten Strichs.
Die Streichung des ersten Strichs verleiht dem Subjekt Bestand, das könnte ein Hinweis auf Freuds Begriff der Fixierung sein. Mit der Urverdrängung ist, Freud zufolge, eine Fixierung gegeben. Ich wiederhole auch hierzu das Zitat:
„Wir haben also Grund, eine Urverdrängung anzunehmen, eine erste Phase der Verdrängung, die darin besteht, daß der psychischen (Vorstellungs-)Repräsentanz des Triebes die Übernahme ins Bewußte versagt wird. Mit dieser ist eine Fixierung gegeben; die betreffende Repräsentanz bleibt von da an unveränderlich bestehen und der Trieb an sie gebunden. Dies geschieht infolge der später zu besprechenden Eigenschaften unbewußter Vorgänge.“
(S. Freud: Die Verdrängung (1915). In: GW 10, S. 250)
?? Ist urverdrängende Gegenbesetzung die Verdrängung des Objekts a (erster Strich) durch den Namen-des-Vaters bzw. durch die Eins (zweiter Strich)? Ist dies Lacans Neufassung der sogenannten Vatermetapher (Ersetzung des Begehrens nach der Mutter durch den Namen-des-Vaters)?
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Die Kalligrafie entspricht demnach der Streichung als Auslöschen des ersten Strichs und in diesem Sinne dem Buchstaben.
Nun ist klar, dass die Kalligrafie aus Strichen besteht. Also besteht die Streichung des ersten Strichs wohl selbst wiederum aus einem Strich.
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Das japanische Schriftzeichen für die Zahl 1 ist ein waagerechter Strich. In Seminar 9 hieß es, dass der trait unaire, der unäre Zug / der Einzelstrich auf zwei Weisen gezeichnet werden kann, als senkrechter Strich, im Französischen batôn geheißen, Knüppel, und als waagerechter Strich, „wie es die Chinesen machen“ (Seminar 9, Sitzung vom 6. Dezember 1961).
Lacan spielt hier auf eine Abhandlung von Shi Tao an, einem chinesischen Maler des 17. Jahrhunderts. Shi Tao zufolge beruht die Arbeit des Malers, des Kalligrafen, auf dem „unären Pinsel“. In Seminar 14 hatte Lacan über Shi Tao gesagt:
„Freud hat den unären Zug/Strich (trait unaire) nicht entdeckt. (…) Öffnen Sie das letzte Heft der ausgezeichneten Zeitschrift, die Arts Asiatiques heißt, und Sie werden hier die Übersetzung einer sehr schönen kleinen Abhandlung über die Malerei sehen, von einem Maler, von dem ich erfreulicherweise das Glück habe, kleine Kakemonos zu besitzen, der Shi Tao heißt und der diesen unären Strich nun wirklich groß herausstellt. Er spricht nur davon, ja, eine ganze Reihe von Seiten über spricht er nur davon. Das nennt sich auf Chinesisch – und nicht nur für die Maler, denn auch die Philosophen sprechen viel davon – yi, das bedeutet Ein, und sua, was „Strich“ heißt. Das ist der unäre Strich.“
(Sitzung vom 26. April 1967, meine Übersetzung nach Version Staferla)
In Shi Taos Abhandlung heißt es:
„Die unterschiedslose Verschmelzung von Yin-Yun bildet das ursprüngliche Chaos. Und wenn es nicht durch das Mittel des unären Pinselstrichs wäre, wie anders könnte das ursprüngliche Chaos erschlossen werden? (…) Die Einheit von Tinte und Pinsel zu verwirklichen heißt, die Unterscheidung von Yin und Yun zu lösen und sich daranzumachen, das Chaos zu erschließen (…). In der Mitte des Ozeans der Tinte, fest den Geist zu errichten; auf der Spitze des Pinsels möge das Leben sich bejahen und aufsteigen; auf der Oberfläche der Malerei die Metamorphose zu vollziehen, dass im Herzen des Chaos das Licht errichtet werde und aufschieße! Ausgehend vom Ein teilt sich das Viele, ausgehend vom Vielen wird das Ein erobert, die Metamorphose des Ein erzeugt Yin und Yun – und da ist es, dass alle Virtualitäten der Welt ihre Erfüllung finden.“
(Meine Übersetzung der Übersetzung von François Cheng in seinem Buch Vide et plein. Le langage pictural chinois. Le Seuil, Paris 1991, übersetzt nach dem Zitat in Laurent, a.a.O.
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Verwesteten: für occidenté, ein Kofferwort aus occident (Westen) und accitenté (Verunglückter).
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Wenn man, wie ein japanischer Kalligraf, den waagerechten Balkens zeichnen will, der den ersten Strich auslöscht, darf man nicht selbst durchgestrichen sein.
Was heißt, „sich von allem lösen, was einen durchstreicht“? Damit könnte die These angedeutet werden – die in Lituraterre später noch ausführlicher entwickelt wird –, dass im Japanischen das Verdrängte nicht abgewehrt wird.
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Entre centre et absence, „Zwischen Zentrum und Abwesenheit“, Titel eines Gedichts von Henri Michaux (1936), hier.
Zwischen Zentrum und Abwesenheit, zwischen Wissen und Jouissance: Offenbar bezieht Lacan sich hier auf die Jouissance, insofern sie abwesend ist. Das Litoral wäre dann der Grenzstreifen zwischen Wissen und abwesender Jouissance.
jederzeit dieselbe Kurve zu nehmen: Vermutlich eine Anspielung auf darauf, dass es in einer Analyse darum geht, immer wieder auf dieselben Punkte zurückzukommen.
Gemeint ist vielleicht: Den Zwischenbereich zwischen Wissen und Jouissance, nämlich den Buchstaben (Objekt a und Name-des-Vaters bzw. Eins), erreichen Sie in einer Analyse nur, wenn Sie immer wieder auf dieselben Punkte zurückkommen. Die Deutung bezieht sich auf das Wissen (auf das Unbewusste, auf die die freien Assoziationen) und auf die Jouissance (auf deren Verlust); der Bereich dazwischen, nämlich der Buchstabe (die beiden Seiten der Urverdrängung, das, wovon die Verdrängung angetrieben wird), kommt in dem Maße ins Spiel, in dem die Analyse immer wieder „dieselbe Kurve nimmt“. – ?
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Quelle der Abbildung: Seminar 17, Sitzung vom 10. Juni 1970, Version Miller/Gondek, a.a.O., S. 221
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Vermutlich eine Anspielung auf den Diskurs des Analytikers mit dem Analytiker am Platz des Agenten.
Bezogen auf die Diskursformeln ist der Platz des Agenten der Platz oben links (vgl. Seminar 17, Version Miller/Gondek S. 221), in Seminar 18 wird dieser Platz als der des Scheins (semblant) bezeichnet (vgl. Sitzung vom 20. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 26).
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Quelle der Abbildung: Artikel „The Clouds“ in der englischen Wikipedia. Aus: Emblemata et aliquot nummis antiqui operis, cum emendatione et auctario copioso ipsius autoris by Joannes Sambucus, 1564.
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die Streichung dominiert: In Lacans Vision des Fließens dominiert die Streichung: dominiert die Ausstreichung des ersten Strichs durch einen zweiten Strich. Das könnte heißen: Das Fließen ist als Ausstreichung eines ersten Strichs durch einen zweiten Strich aufzufassen.
mit ihrer Quelle verbunden: Die Quelle der Streichung (die Quelle des Buchstabens) sind die Wolken, d.h. die Sprache. Der Buchstabe muss von der Sprache her verstanden werden und nicht, wie Derrida (Lacan zufolge) meint, umgekehrt.
Aristophanes: Lacan bezieht sich auf Aristophanes’ Komödie Die Wolken (423 v. Chr). Ein Bauer und sein Sohn lernen Rhetorik, um der schlechten Sache zum Sieg zu verhelfen. Sokrates, der in den Lüften schwebt, erklärt ihnen, die Wolken seien die Götter der neuen Zeit, denn die Wolken verkörpern „die Gedanken, Ideen, Begriffe, die uns Dialektik verleihen und Logik und den Zauber des Wortes und den blauen Dunst, Übertölplung, Floskeln und Blendwerk“ (Aristophanes: Sämtliche Komödien. Bd. 1. Übersetzt von Ludwig Seeger. Artemis-Verlag, Zürich 1952, Verse 317 und 318, zit. nach dem Wikipedia-Artikel „Die Wolken“).
um den Schein par excellence: Beim Schein (semblant) geht es um den Signifikanten – wenn es regnet, wohl im Sinne von: „wenn der Signifikant den Sinnen erscheint“ (vgl. Colette Soler: Sur le semblant. In: Champ lacanien. Revue de psychanalyse, N° 28(1), „Semblant/s“, 2024, S. 11–17).
Materie: In Radiophonie (1970) verwendet Lacan den Terminus Materie so:
„Diese intransitive Materialisierung, möchten wir sagen, des Signifikanten zum Signifikat, das ist das, was man das Unbewußte nennt, das nicht Ankerung ist, sondern Ablage, Anschwemmung der Sprache.“
(Radiophonie, a.a.O., S. 21)
Demnach könnte sich Materie auf die Beziehung von Signifikant und Signifikat beziehen.
Der literarische Charakter der Beweisführung besteht offenbar darin, dass das Primat der Sprache gegenüber dem Buchstaben damit „bewiesen“ wird dass der Oberflächenabfluss (der Buchstabe) durch den Regen (durch die Sprache) hervorgerufen wird.
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Bruch (rupture): Anspielung auf Bachelards Konzept des „epistemologischen Bruchs“ (rupture épistémologique). Für Bachelard ist die Verwendung von Formeln (also von Buchstaben) das entscheidende Merkmal des mit den Naturwissenschaften vollzogenen epistemologischen Bruchs. (Vgl. Gaston Bachelard: Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes. Beitrag zu einer Psychoanalyse der objektiven Erkenntnis (1938). Übers. von Michael Bischoff. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978.)
Meteor: Der Ausdruck „Meteor“ bezog sich ursprünglich auf Himmelserscheinungen jeder Art, etwa auch auf den Regenbogen. Lacan hatte hierüber in Seminar 18 gesprochen: Die erste Operation der Wissenschaft besteht darin, solche Phänomene aufzulösen, durch Buchstaben, also durch algebraische Formeln (13. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 14 f). Wolken sind Meteore („Hydrometeore“), Meteoriten sind ebenfalls eine spezielle Formen von Meteoren.
Wissenschaft: Hier sind mit „Buchstaben“ die Formeln der Wissenschaft gemeint; in Seminar 20, Encore, gibt Lacan dafür als Beispiel Newtons Gravitationsformel (Sitzung vom 16. Januar 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 48).
das zu verabschieden, was durch diesen Bruch Jouissance bereiten würde: Ich nehme an, dass hier mit „Bruch“ der Wolkenbruch gemeint ist, also der Regen und damit das Signifikat. Die Jouissance, von der man sich verabschieden sollte, wäre dann die Lust am Sinn. In Seminar 21, Les non-dupes errent, heißt es darüber:
„Das Imaginäre ist das, wodurch die Entzifferung zu einem Halt kommt, das ist der Sinn. Wie ich bereits sagte, muss man ja irgendwo aufhören, und das sogar so früh wie möglich. Das Imaginäre ist immer eine Intuition dessen, was zu symbolisieren ist, wie ich gerade gesagt habe, etwas zum Kauen, zum Denken, wie man sagt. Und, um es klar zu sagen, eine unbestimmte Jouissance.“
(Sitzung vom 13. November 1973)
die Welt (monde) oder auch der Schmutz (immonde): „Welt“ ist für Lacan ein Totalitätsbegriff, letztlich das Imaginäre, etwa die Komplementarität von Innenwelt und Umwelt, auf die er sich in diesem Text bereits bezogen hatte. Durch den Übergang von der Welt (monde) zum Schmutz (immonde) – und damit vielleicht: zum litter und zur Um-Welt-Verschmutzung – wird Welt als Totalitätsbegriff unterminiert. (Dies ist der zweite Hinweis auf die Umweltverschmutzung.)
In der gesprochenen Version von Lituraterre sagt Lacan über die mit dem Zerbrechen des Scheins verbundene Jouissance, durch sie werde die Hypothese gestützt, durch welche ingesamt die Welt gebildet wird. In Seminar 20, Encore, kann man lesen:
„Schon wenn wir uns nur hineinbegeben in das Kurrente des analytischen Diskurses, haben wir diesen Sprung getan, der sich Weltauffassung nennt, und der doch für uns das Komischste sein muß. Der Terminus der Weltauffassung unterstellt einen ganz anderen Diskurs als den unsrigen, den der Philosophie.
Nichts ist weniger gesichert, wenn man herausgeht aus dem philosophischen Diskurs, als die Existenz einer Welt. Es gibt nur Anlaß zum Lächeln, wenn man behaupten will vom analytischen Diskurs, daß er etwas mitbringt von der Ordnung einer derartigen Auffassung.“
(Sitzung vom 9. Januar 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 35)
Abschreckendes Beispiel ist für Lacan die Auffassung, der Marxismus sei eine „wissenschaftliche Weltanschauung“:
„Ich würde sogar mehr sagen — daß man einen derartigen Ausdruck vorbringt, um den Marxismus zu bezeichnen, macht ebenfalls lächeln. Der Marxismus scheint mir nicht durchgehen zu können als Weltauffassung. Dem ist entgegen, durch alle möglichen schlagenden Koordinaten, die Aussage dessen, was Marx sagt. Es ist etwas anderes, was ich ein Evangelium nennen würde. Es ist die Ankündigung, daß die Geschichte eine andere Diskursdimension aufrichtet und die Möglichkeit eröffnet, vollständig die Funktion des Diskurses als solchen zu unterwandern, und zwar, eigentlich zu sprechen, des philosophischen Diskurses, insofern auf ihm eine Weltauffassung beruht.“
(A.a.O., S. 35 f.)
dass von daher (…) die Welt (monde) oder auch der Schmutz (immonde) einen Trieb hat, das Leben zu figurieren: Offenbar eine Anspielung auf Freuds Begriff der Lebenstriebe.
Was hat es mit dem „Figurieren“ des Lebens auf sich? Möglicherweise bezieht sich Lacan hier auf die mit der Teilung des Zellkerns und auf diese Weise mit der Fortpflanzung verbundenen Gestalten. In diese Richtung geht eine Bemerkung in Seminar 19, … oder schlimmer:
„Es ist unglaublich, dass die Psychoanalytiker, deren Mythologie man mehr oder weniger zu Recht kritisiert --; es ist eigenartig, dass die Mythologie, die zu kritisieren man versäumt, ausgerechnet diejenige ist, die am leichtesten zugänglich ist. Wenn die Gameten sich verbinden, ist das Ergebnis nicht die Verschmelzung der beiden. Bevor es dazu kommt, braucht es eine enorme Entleerung, die Meiose, wie sich das nennt. Und das neue Eins wird aus dem gemacht, was wir ziemlich passend so nennen können, warum nicht, ich will nicht zu weit gehen, ich möchte nicht sagen: aus Überresten von chacun d’eux, von jedem von ihnen, aber doch: aus einem chacun deux, aus einem jeder Zwei, das eine Reihe von Überresten zurückgelassen hat.“
(Sitzung vom 4. Mai 1972, meine Übersetzung nach Version Staferla, RN; vgl. Version Miller S. 156 f.)
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Quelle der Abbildung: Robert E. Kayen auf der Seite research.gat, hier.
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Mit dem „Zerbrechen des Scheins“ ist der Regen gemeint, der Wolkenbruch.
Eine Erosionsrinne (ravinement) ist eine Furche im lockeren Boden, die nach heftigem Regen durch Oberflächenabfluss (ruissellement) entstanden ist; vgl. hierzu etwa diesen Artikel.
Analog zur Rede von der Bündelung zwischen dem ersten Strich und dem zweiten Strich, der ihn ausstreicht, gibt es jetzt die Verbindung zwischen dem Oberflächenabfluss und der Erosionsrinne. Die Beziehung zwischen Oberflächenabfluss und Erosionsrinne hatte Lacan bereits angedeutet, als er über den Oberflächenabfluss sagte, von ihm werde die Oberflächengestalt mehr noch hervorgebracht als angezeigt wird.
Falls die beiden Striche dem Objekt a und dem Buchstaben entsprechen, wäre zu prüfen, wie sie zugeordnet werden.
Die Formulierung, dass die Erosionsrinnen „im Realen“ liegen, ist mehrdeutig, sie bezieht sich zum einen auf das Reale im Sinne der außersprachlichen Welt der Erosionsvorgänge, zum anderen auf Lacans Begriff des Realen.
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Die Erosionsrinne entspricht demnach der Schrift. Dies ist, denke ich, Lacans Alternative zur Wunderblock-Metapher.
Die Erosionsrinne entspricht der Schrift (a letter), damit geht es beim Oberflächenabfluss wohl um das Objekt a (a litter). Lituraterre wird, so nehme ich an, durch die folgenden Entsprechungen bestimmmt:
– a letter – Erosionsrinne – Buchstabe bzw. Schrift
– a litter – Oberflächenabfluss – Objekt aDas Signifikat ist das, was vom Schein (vom Signifikanten) herabgeregnet ist. Demnach entspricht die Wolke dem Signifikanten und der Regen dem Signifikat.
Die Schrift ist die Erosionsrinne des Signifikats. Wie ist der Genitiv hier zu verstehen, attributiv oder kausal? Ist die Erosionsrinne das Signifikat oder wird die Erosionsrinne durch das Signifikat hervorgerufen? Wenn der Genitiv attributiv wäre, würde gelten: Die Schrift ist die Erosionsrinne und die Erosionsrinne ist das Signifikat, also: Die Schrift ist das Signifikat. Das ergibt keinen Sinn. Deshalb wird man annehmen müssen, dass der Genitiv ist hier kausal aufzufassen ist Die Schrift wird durch das Signfikat hervorgerufen – und nicht durch Signifikanten.
Die negative These ist deutlich: Die Schrift ist nicht von der Phonetisierung her aufzufassen, bei der Schrift geht es nicht primär darum, die Lautseite des Sprechens graphisch darzustellen. Die phonetisch orientierten Schriften (wie unsere Lateinische Schrift) sind demnach nur ein Sonderfall der Schrift. Aber inwiefern wird die Schrift durch das Signifikat hervorgerufen?
Ein Beispiel für Lacans These ist das Chinesische; die Schriftzeichen beziehen sich hier nicht auf Phoneme (wie in der lateinischen Schrift) und nicht auf bedeutungsfreie Silben (wie die japanischen Schriften Hiragana und Katakana), sondern auf Morpheme, das heißt auf auf bedeutungstragende sprachliche Einheiten. Im Chinesischen, könnte man sagen, werden die Schriftzeichen nicht durch den Signifikanten, sondern durch das Signifikat hervorgebracht.
Dann wäre also die chinesische Schrift kein Sonderfall, sondern der typische Fall für die Entstehung der Schrift? Im Identifizierungs-Seminar erläutert Lacan, dass genau dies der Fall ist. Jede Schrift beginnt mit der Verwendung von vereinfachten Zeichnungen beginn, Ideogramme genannt; die phonetisch orientierten Schriften entstehen durch Funktionswandel dieser Ideogramme. Er beruft sich hierfür auf James Févirer: Histoire de l’écriture. Payot, Paris 1948, überarb. 2. Aufl. 1959. (Vgl. Seminar 9, Sitzungen vom 20. Dezember 1961, S. {22–28}, und vom 10. Januar 1962, S. {2–10}.)
Die Schrift ist die Rinne des Signifikats, damit ist also vermutlich gemeint: (1) Alle Schriften entstehen durch graphische Darstellung von Bedeutungen; phonetisch orientierte Schriften sind eine sekundäre Entwicklung. Die Schrift des Chinesischen, also der nach dem Englischen am häufigsten gesprochenen Sprache, beruht bis heute auf dieser Struktur. (2) Diese Bedeutungen sind durch die Sprache strukturiert und insofern ein Signifikanteneffekt.
In diesem Satz gibt es möglicherweise ein Wortspiel mit dem Doppelsinn von plu, dem Partizip passiv sowohl von pleuvoir, „regnen“, als auch von plaire, „gefallen“; in etwa: „das, was vom Schein gefallen ist / gefallen hat“.
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Die Schrift gibt nicht den Signifikanten wieder, also nicht das Phonem oder die Silbe.
Was die Schrift wiedergibt, sind die Wirkungen der Sprache. Wenn man den vorhergehenden Satz hinzuzieht, wird klar, dass mit den Sprachwirkungen das Signifikat gemeint ist. Dies entspricht den Formeln für Metonymie und Metapher in dem Aufsatz Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten die Formel für die Metonymie zeigt demnach den Widerstand der Bedeutung (des Signifikats), die Formel für die Metapher die Schöpfung der Bedeutung. (Vgl. Schriften, Band I, a.a.O., S. 609 f.)
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Zum Signifkanten steigt die Schrift nur wieder auf: Dem Signifikanten entsprechen die Wolken, die Schrift korrespondiert der Erosionsrinne, insofern ist die Beziehung der Schrift zum Signifikanten ein Aufsteigen.
wenn sie von ihm einen Namen annimmt: Die Buchstaben der Alphabetschriften haben Namen, beispielsweise hat der lateinische Buchstabe Z im Deutschen den Namen Zet. Diese Namen beziehen sich auf einen Signifikanten, im Beispiel auf das Phonem /ts/.
die die Signifikantenbatterie benennt, da sie sie abgezählt hat: In der gesprochenen Version von Lituraterre heißt es etwas deutlicher: „nachdem sie sie abgezählt hat“. Möglicherweise ist Folgendes gemeint: Der erste Schritt besteht im Abzählen von Objekten, etwa, bezogen auf eine Gruppe von Abkömmlingen, das ordinale Abzählen mit „erster, zweiter, dritter“ usw.; dieser Vorgang könnte dem „Schmieden“ durch einen Sprecher entsprechen. Auf dieser Grundlage können, in einem zweiten Schritt, Namen vergeben werden, der an erster Stelle Gezählte erhält dann den Namen „Erster“ (oder „Primus“) usw.
In Lituraterre (I) heißt es nach diesem Satz:
„Da ich mir allerdings nicht sicher bin, dass mein gesamter Diskurs verstanden wird, wird es wohl nötig sein, dass ich eine Opposition fixiere: Die Schrift, der Buchstabe, das ist im Realen, und der Signifikant im Symbolischen. Auf diese Weise werden Sie das runterbeten können.“
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Lacan meint Höhenlinien, Isohypsen, und verwechselt sie mit Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks), vielleicht, um eine Lautähnlichkeit mit la barre unterzubringen, was u.a. „der Querstrich“ bedeutet.
Eine Normale ist eine auf einer Kurve oder einer Ebene errichtete Senkrechte. Es geht also wieder um die Beziehung zwischen zwei sich kreuzenden Strichen oder Linien.
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Quelle des Fotos: Flickr, https://www.flickr.com/photos/41119677@N05/4275301195
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Offenbar sieht Lacan eine Ähnlichkeit zwischen dem gekrümmten Verlauf der Autobahnen in Osaka und den geschwungenen japanischenn Dächer.
Autobahnkreuz in Osaka
Dach eines Tempels
Von der schmalen Seite des Hauses aus gesehen erscheint das Profil eines Daches mit gebogenen Dachflächen wie ein umgekehrtes V, das heißt als Λ, jedoch mit geschwungenen Armen, etwa so (um 180° gedreht) wie auf Kinderzeichnungen die Silhouette eines fliegenden Vogels dargestellt wird:
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Unter einem Artefakt versteht Lacan eine Diskurstatsache (vgl. Seminar 18, Sitzung vom 13. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 11). Schrift und Vermessung gibt es nur, weil es Diskurse gibt; insofern sind sie Artefakte.
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Ein Verbunddiagramm ist ein Diagramm, in dem mehrere Diagramme übereinanderliegen, siehe hier und hier. Offenbar geht es ein weiteres Mal um sich überschneidende Linien.
Vielleicht spielt Lacan hier auf seinen sogenannten Graphen des Begehrens an, der ja aus Buchstaben und sich überschneidenden Linien besteht:
Dann wäre die Formulierung „unsere Wissenschaft“ doppeldeutig und bezöge sich nicht nur auf die Naturwissenschaften, sondern auch auf die von Lacan entwickelte Theorie der Psychoanalyse. Dafür spricht der nächste Satz.
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Quelle der Abbildung: amazon.fr, hier.
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Sous le pont Mirabeau: Anfang des Gedichts Le Pont Mirabeau von Guillaume Apollinaire (1912).
Lacan bezieht sich auf die Abbildung auf der Titelseite der Zeitschrift La psychanalyse, die von 1956 bis 1964 erschien und von der Société française de psychanalyse herausgegeben wurde. Sie zeigt ein Ohr über einer Brücke.
Die Abbildung ist den Hieroglyphica entnommen, einem Werk des Horus Apollo oder Horapollo über ägyptische Hieroglyphen aus dem 5. Jh. n. Chr. Im Druck erschien es erstmals 1505 bei Alde Manuce in Venedig; die Abbildung entstammt der 1519 im selben Verlag erschienenen Ausgabe, sie ist mit folgender Erläuterung versehen: „Das gemalte Ohr bedeutet das geschaffene Werk oder das Werk, das man erschaffen soll“ (vgl. Lacan, Seminar 4, Verson Miller/Gondek, S. 500).
In Freuds Studie über den „Wolfsmann“ heißt es:
„In einem ganz anderen Zusammenhange, viele Monate später, machte dann der Patient die Bemerkung, das Öffnen und Schließen der Flügel, als der Schmetterling saß, hätte den unheimlichen Eindruck auf ihn gemacht. Dies wäre so gewesen, wie wenn eine Frau die Beine öffnet, und die Beine ergäben dann die Figur einer römischen V, bekanntlich die Stunde, um welche schon in seinen Knabenjahren, aber auch jetzt noch, eine Verdüsterung seiner Stimmung einzutreten pflegte.“ (Aus der Geschichte einer infantilen Neurose (1918). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 203 f.)
Der Buchstabe ist in diesem Fall also das V, das zugleich das Öffnen und Schließen der Flügel ist, das Öffnen der Beine der Frau und die fünfte Stunde. Möglicherweise sollte der Vergleich zwischen den gekrümmten japanischen Dächern und dem Schlagen der Vogelflügel darauf anspielen.
Freud begreift die Urszene als traumatisch und Lacan deutet hier an, dass die Urszene mit dem Buchstaben zu tun hat. Das ist ein Hinweis darauf, dass Lacan sich in Lituraterre, wie bereits im Identifizierungs-Seminar, mit dem Terminus Buchstabe auf die Fixierung auf ein Trauma als Ursache des Wiederholungszwangs beziehen könnte (vgl. Seminar 9, Die Identifizierung, Sitzung vom 13. Dezember 1961, S. {19}).
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Die Deutung wird hier mit der Jouissance und mit dem Regen zusammengebracht, also mit dem Sinn, mit dem Signifikat. Offenbar geht es wieder um Jouissance als Lust am Sinn, also um eine Jouissance, von der man sich, wie es zuvor hieß, verabschieden sollte.
Unsere Deutungen rufen die Jouissance auf, um das Loch im Wissen zu füllen, hieß es weiter oben (S. 14). Vielleicht ist also gemeint: Unsere Deutungen rufen die Jouissance am Sinn auf, um das Loch im Wissen zu füllen – ?
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Ordnung: Welche Ordnung wird durch das Symptom errichtet? Das Symptom beruht auf der Beziehung zwischen der Fixierung an ein Trauma (an einen „Buchstaben“) und der Wiederkehr des Verdrängten. Also ist die Ordnung, um die es geht, vielleicht die der Wiederkehr des Verdrängten.
unsere Politik: In Seminar 14, Die Logik des Phantasmas, hatte Lacan erklärt: „Das Unbewusste ist die Politik“.
Er kommentiert dort das Buch Edmund Bergler, The Basis Neurosis, rühmt es, kritisiert jedoch eine bestimmte Formulierung: Bergler bezeichnet seine Patienten als „Sammler von Ungerechtigkeiten“. Lacan hierzu: Leben wir in einer Welt, in der man sich besonders anstrengen muss, um sich über eine Ungerechtigkeit zu beschweren? Dabei habe Bergler sicherlich Recht, wenn er den geheimsten Antrieb dieser Patienten darin sieht, dass sie abgewiesen wurden. Lacan fragt weiter, ob es nicht in manchen Fällen besser ist, ein Angebot zurückzuweisen, zum Beispiel das Angebot, adoptiert zu werden, und fährt dann so fort:
„Warum diese Voreingenommenheit, die in gewisser Weise impliziert, es läge in der Ordnung der Dinge, in der Natur der Dinge, in ihrer guten Ausrichtung, immer alles zu tun, was nötig ist, um zugelassen zu werden, unter der Voraussetzung, dass zugelassen zu werden stets bedeutet, zu einer wohltätitgen Tafel zugelassen zu werden?
Das hat sicherlich etwas Beunruhigendes und erscheint uns gelegentlich als etwas, das man hervorheben sollte, um das eine oder andere, das sich in der Welt ereignen kann, zu bemerken, im Augenblick beispielweise ganz einfach in einem bestimmten kleinen Bezirk von Südost-Asien. Aber worum geht es dabei? Es geht darum, bestimmte Leute davon zu überzeugen, dass sie Unrecht haben, wenn sie zu den Segnungen des Kapitalismus nicht zugelassen werden wollen. Sie ziehen es vor, zurückgewiesen zu werden. Von hier aus, so scheint es, sollten die Fragen nach bestimmte Bedeutungen gestellt werden und insbesondere beispielsweise diese, die uns zeigen würde, die uns sicherlich zeigen würde – aber heute ist nicht der Tag, an dem ich auch nur die ersten Schritte in diese Richtung gehen werde –, dass,wenn Freud irgendwo geschrieben hat, die Anatomie sei das Schicksal, es vielleicht einen Augenblick gibt, in dem wir – wenn wir zu einer gesunden Wahrnehmung dessen, was Freud für uns entdeckt hat, zurückgekehrt sind –, in dem wir sagen werden, ich sage nicht einmal: „Die Politik ist das Unbewusste“, sondern ganz einfach: „Das Unbewusste ist die Politik.“
Damit will ich sagen, das, was die Menschen untereinander verbindet und sie zueinander in Gegensatz bringt, ist genau von dem her zu begründen, dessen Logik wir im Augenblick zu artikulieren versuchen. Denn in Ermangelung dieser logischen Artikulation kann sich das Gleiten herstellen, das dazu führt, dass man, bevor man bemerkt, dass es, um zurückgewiesen zu werden - da zurückgewiesen zu werden als Dimension für den Neurotiker wesentlich ist –, dass es auf jeden Fall Folgendes braucht: dass er sich anbietet.“
(Seminar 14, Sitzung vom 10. Mai 1967, meine Übersetzung, RN, nach Version Roussan; vgl. Version Miller S. 317 f.)
der Deutung unterzogen werden kann: Unsere Deutungen rufen die Jouissance auf, um das Loch im Wissen zu füllen, hieß es weiter oben (S. 14).
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Ist dies gemeint: In der Politik geht es vor allem um die Wiederkehr des Verdrängten und in diesem Sinne um das Symptom – ?
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andere Worte: Nach dem Bisherigen dürften damit Deutungen gemeint sein.
?? Was ist mit „dass wir den Tribut zollen“ gemeint? Welche Kosten hat es für die Psychoanalytiker, wenn sie in der Politik Deutungen ins Spiel bringen?
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Die Termini Metasprache und Objektsprache bilden ein Paar, wie oben und unten. Die Objektsprache ist die Sprache, die von der Metasprache beschrieben wird.
Die Sentenz „Es gibt keine Metasprache“ findet man zuerst in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, in der Sitzung vom 27. November 1957.Dort heißt es:
„Es gibt keine Metasprache beispielsweise im Sinne einer vollkommenen Mathematisierung des Phänomens der Sprache, und dies genau deshalb, weil es kein Mittel gibt, über das hinaus zu formalisieren, was als ursprüngliche Struktur der Sprache gegeben ist. Nichtsdestoweniger ist diese Formalisierung nicht nur einzufordern, sondern ist sie auch notwendig.“
(Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2006, S. 86)
In Seminar 18 hatte Lacan am 10. Februar 1971 gesagt:
„Merkwürdig allerdings ist, dass Linguisten nicht sehen, dass jeder Gebrauch der Sprache, welcher auch immer, sich in die Metapher verschiebt/entstellt [déplace], dass es Sprache nur metaphorisch gibt. Jeder Versuch zu metasprachen, wenn ich mich so ausdrücken kann, beweist das. Er kann nichts anderes tun als zu versuchen, von dem auszugehen, was man stets, jedes Mal, wenn man sich in einer so genannten logizistischen Bestrebung voranbewegt, definiert, von einer Objektsprache. Nun lässt sich aber an den Aussagen welcher dieser logizistischen Versuche auch immer leicht erkennen, dass sie, diese Objektsprache, ungreifbar ist. Es gehört zur Natur der Sprache, ich sage nicht des Sprechens, ich sage der Sprache selbst, dass, wenn es um eine Annäherung an was auch immer geht, was darin bedeutet, der Referent niemals der/das richtige ist, und genau das macht eine Sprache aus.
Jede Bezeichnung ist metaphorisch, sie kann nur vermittels etwas anderem erfolgen. (…)
Eben aus diesem Grunde ist der Referent immer real, weil er unmöglich zu bezeichnen ist. Deshalb bleibt nur mehr übrig, ihn zu konstruieren. Und man konstruiert ihn, wenn man kann.“
(Version Miller/Gondek S. 50 f.)
Und am 10. März 1971 hieß es:
„Schließlich lehrt Sie das viel darüber – viel über dieses, dass die japanische Sprache sich an ihrer Schrift genährt hat. Sie hat sich woran genährt? Am linguistischen Anspruch selbstverständlich, das heißt an der Stelle, an der die Linguistik die Sprache [langue] trifft, das heißt stets im Geschriebenen.
Man wird Ihnen wohl sagen müssen, dass, wenn Herr de Saussure sich vergleichsweise imstande sah, als arbiträr die Signifikanten zu qualifizieren, das einzig auf Grund dessen geschah, dass es sich um geschriebene bildliche Darstellungen handelte. Wie hätte er seinen kleinen Balken anbringen können, mit dem ich hinreichend Ge- und Missbrauch getrieben habe, mit dem Dingsda der Unterseite und dem Dingsda der Oberseite, wenn es hier keine Schrift gäbe?
All dies, um Ihnen in Erinnerung zu rufen, dass, wenn ich behaupte, dass es keine Metasprache gibt, das offensichtlich ist [ça saute aux yeux]. Ich brauche Ihnen nur einen mathematischen Beweis zu erstellen, und Sie werden deutlich sehen, dass ich gezwungen bin, darüber zu diskurieren, weil das ein Geschriebenes ist. Ohne das ginge es nicht.
Wenn ich darüber spreche, so ist das überhaupt nicht Metasprache; es ist das, was man nennt, was die Mathematiker selbst, wenn sie eine logische Theorie darstellen, den Diskurs nennen, den gewöhnlichen Diskurs, den normalen Diskurs.
Dies ist die Funktion des Sprechens, insofern sie, nicht auf eine völlig unbegrenzte, undisziplinierte Weise – das ist es, was ich gerade beweisen genannt habe –, selbstverständlich, aber eben auf die Sprache angewandt wird. Die Schrift ist das, worum es geht, das, worüber man spricht.
Es gibt in dem Sinne keine Metasprache, wie man immer nur von der Schrift her spricht.“
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Die von Lacan in Seminar 17 vorgestellten Formeln für die vier Diskurse bestehen aus vier Plätzen; der Platz oben links heißt in Seminar 17 „Platz des Agenten“ und wird in Seminar 18 umbenannt in „Platz des Scheins“. In diesem Sinne gehen alle vier Diskurse vom Schein aus. Seminar 18 hat den Titel „Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre“.
Ein Diskurs ist für Lacan eine sprachlich vermittelte Form der sozialen Bindung. Die Frage scheint zu lauten: Ist eine halbwegs stabile Form der sozialen Bindung möglich, die nicht vom Signifikanten ausgeht, sondern vom Buchstaben?
Beruht die scientific community auf einem Diskurs, der nicht vom Schein ausgeht, sondern vom Buchstaben?
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Avantgarde-Literatur: Die Avantgarde-Literatur zeichnet sich demnach dadurch aus, dass sie, indem sie die traditionellen literarischen Formen zerbricht, die Dimension des Buchstabens in den Vordergrund rückt; Musterbeispiele sind dann wohl Joyce’ Finnegans Wake und Kurt Schwitters Lautgedichte. „Schein“ ist demnach, bezogen auf Literatur, die Orientierung an traditionellen Form des Erzählens und Dichtens und damit an Sinn und Bedeutung.
den Bruch anzeigt, den einzig ein Diskurs produzieren kann: Möglicherweise ist gemeint: Kann es auf der Grundlage der Avantgarde-Literatur eine soziale Bindung geben?
ich sage produzieren: Ein Diskurs im Sinne von Lacan besteht aus vier Plätzen; der vierte Platz (unten rechts) ist der der Produktion.
Den Ausdruck „Quadripoden“ verwendet Lacan zuerst in Seminar 17, in der Sitzung vom 26. November 1969, vgl. Version Miller/Gondek S. 15 (dort mit „Vierfüßler“ übersetzt).
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Lituraterrir (Lituraterrain betreten) enthält das Verb atterrir, „zu Boden gehen“, „landen“; lituraterrir kann also gelesen werden als Verdichtung aus litura und atterir, „Streichung“ und „zu Boden gehen“, „landen“.
Der Diskurs, der den Bruch vollzieht, ist demnach derjenige der Wissenschaft.
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Dritter Hinweis auf die Umweltverschmutzung. Sie ist demnach ein Symptom, das heißt eine Wiederkehr des Verdrängten; die Politik, die sich darauf richtet, orientiert sich, ähnlich wie die Psychoanalyse, am Symptom.
Was ist mit der „Behaviorisierung“ der Innenwelt-Umwelt-Opposition gemeint? Die Orientierung am Reiz-Reaktions-Modell?
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was ich an Zuhörerschaft anhäufe: In der ersten Sitzung von Seminar 18 hatte Lacan gesagt, das Seminar, das er hält, habe für ihn die Funktion des analytischen Diskurses, mit ihm, Lacan, in der Position des Analysanten und den Hörern in der Position des Objekts a. (Vgl. Seminar 18, Sitzung vom 13. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 10 f.) Also ist wohl gemeint: die Hörer verkörpern für mich die Mehrlust und in diesem Sinne das Objekt a.
diejenigen, deren ich mich beraube: In derselben Sitzung von Seminar 18 hatte Lacan gesagt, dass er für sein Seminar das Drängen seiner Zuhörer braucht und dass er bei einem Interview im Radio mit dem Entzug seiner Zuhörer zu tun hatte (Sitzung vom 13. Januar 1971, vgl. Version Miller/Gondek S. 10). Das dürfte heißen: Die Hörer müssen, um die Mehrlust zu verkörpern, zugleich anwesend und abwesend sein.
Die Akkumulation ist zugleich ein Verlust. Dieser Zusammenhang beschäftigte Lacan in seiner Marx-Interpretation in Seminar 16, Von einem Anderen zum anderen: der Mehrwert ist zugleich ein Gewinn und ein Verlust. Von hier aus bildete er den Begriff der Mehrlust für das Objekt a. Vgl. hierzu auf Lacan entziffern die Übersetzung hier.
Es geht hier um die Dreiheit von Signifikant (bzw. Schein), Buchstabe (in Litoralfunktion) und Jouissance in Lacans Seminar.
– Signifikant bzw. Schein: Lacan spricht,
– Buchstabe: die Formeln und Graphiken, die er an die Tafel schreibt,
– Jouissance (in der Perspektive von Lacan): die Hörer in der Funktion des Objekts a, der Mehrlust. -
Die spezielle Schrift, von der Lacan hier spricht, ist das aus chinesischen Schriftzeichen bestehende Kanji, eine der drei im Japanischen nebeneinander verwendeten Schriften. Kanji-Schriftzeichen können auf zwei Weisen gelesen werden, in Laut-Lesung (on’yomi) und in Begriffs-Lesung (kun’yomi). Bei Laut-Lesung lehnt sich die Aussprache an den Klang des entsprechenden chinesischen Wortes an; diese Laute sind für den japanischen Leser nicht mit einer Bedeutung verbunden. Bei Begriffs-Lesung wird dem Schriftzeichen die Aussprache zugeordnet, die das japanische Wort hat, das dem Schriftzeichen entspricht; die Zuordnung zwischen dem chinesischen Schriftzeichen und dem japanischen Wort ist historisch fixiert. Welche der beiden Lesungen die Richtige ist, wird durch den Kontext festgelegt, der Sprecher kann zwischen den Leseweisen also nicht frei wählen. Die beiden Arten der Lesung beziehen sich nur auf das Lesen von geschriebenen Texten, im gesprochenen Japanisch ohne Schriftbezug spielen sie keine Rolle. Mehr dazu hier.
Lacan zufolge entspricht die Laut-Lesung (on’yomi) also dem Bezug auf die Schrift, auf den Buchstaben. Die Begriffslesung korrespondiert dem Sprechen, wie acht Sätze später noch angedeutet werden wird.
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Lacan antizipiert ein Missverständnis: Manche Hörer bzw. Leser werden seine Bemerkung mit dem Dualismus von Signifikant und Signifikat deuten. Er zielt jedoch darauf ab, eine dritte Größe ins Spiel zu bringen: den Buchstaben.
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Wenn man Buchstabe und Signifikant unterscheidet, stellt sich die Frage nach ihrer Beziehung. Lacans Antwort: Der Buchstabe fungiert als Metapher für den Signifikanten, als Ersatz.
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Damit bekräftigt Lacan seine These vom Primat des Signifikanten gegenüber der Schrift. Letzte Grundlage für die Beziehung zwischen Signifikant und Buchstabe ist aber der Diskurs; er regelt die Beziehung des Signifikanten zum Buchstaben.
Ein Beispiel hierfür ist vielleicht, dass die Lacanschen Buchstaben nur ausgehend von seinen gesprochenen Erläuterungen funktionieren (sie bilden das Netz des Scheins), und dass die Beziehung zwischen Lacans Sprechen und seinen Buchstaben durch einen Diskurs geregelt wird. Aus Lacans Perspektive ist das, wie er sagt, einen Modifikation des analytischen Diskurses (mit Lacan als Analysant), aus der Perspektive der meisten Teilnehmer ist dies vermutlich der Diskurs der Universität.
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Referent: Mit dem Terminus Referent bezieht Lacan sich auf das sogenannte semiotische Dreieck aus Signifikant, Signifikat und Referent.
Der Referent (das Denotat) ist sprachlich unerreichbar. Der Buchstabe wird zum Referenten: er funktioniert als letzter Bezugspunkt, durch den die endlose Verweisung von Signifikant auf Signifikant zu einem Halt kommt.
Das semiotische Dreieck wurde, mit etwas anderer Terminologie, zuerst beschrieben von Charles Kay Ogden und Ivor Armstrong Richards in:The Meaning of Meaning: A Study of the Influence of Language upon Thought and of the Science of Symbolism (Harcourt u.a., London 1923). Ogden und Richards unterscheiden symbol, thought und referent; die Differenz von symbol und thought entspricht ungefähr der von Signifikant und Signifikat. Statt vom Referenten spricht man in Semiotik und Linguistik auch vom Denotat.
Lacan bezieht sich mehrfach auf die Arbeit von Ogden und Richards: in Position des Unbewussten (in: Schriften, Band II, a.a.O., S. 378), in Seminar 12, Schlüsselprobleme für die Psychoanalys (Sitzung vom 12. Mai 1965), in Seminar 16, Von einem Anderen zum anderen (Sitzung vom 26. Februar 1969, Version Miller/Gondek S. 227), und in Seminar 18, Über einen Diskurs der nicht des Scheins wäre (Sitzung vom 17. Februar 1971, Version Miller/Gondek S. 67).
genauso wesentlich wie jedwedes Ding: Nicht nur Dinge können die Funktion von Referenten haben, sondern auch Buchstaben.
Der Buchstabe hat für Lacan demnach im Japanischen nicht den Status eines Signifikanten, sondern eines Referenten, er ist das Bezugsobjekt, auf das sich Signifikanten und Signifikate beziehen. Gemeint ist hier offenbar der Buchstabe in der Laut-Lesung der chinesischen Schriftzeichen.
dies verändert den Status des Subjekts: Der Diskurs hat demnach vier Komponenten: Signifikant, Signifikat, Buchstabe, Subjekt.
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konstellierten Himmel: Anspielung auf eine Formulierung von Kant:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“
(Kritik der praktischen Vernunft, Beschluss)
Mit der Rede vom „konstellierten“ (statt „bestirnten“) Himmel verweist Lacan auf eine frühere Äußerung in Seminar 18, Über einen Diskurs, der nicht des Scheins wäre. Dort hieß es, nach der Bemerkung, dass der Signifikant überall in der Natur herumläuft:
„Ich habe zu Ihnen über Sterne, genauer gesagt, über Konstellationen gesprochen, denn es gibt Stern und Stern. Über Jahrhunderte, dennoch, ist der Himmel das – Das ist der erste Strich, der, der oberhalb ist, der wichtig ist. Das ist eine erhöhte Bühne, eine Wandtafel. Man macht mir einen Vorwurf, dass ich mich der Wandtafel bediene. Das ist alles, was uns als Himmel bleibt, meine lieben Freunde, deshalb bediene ich mich ihrer, um darauf anzubringen, was Ihre Konstellationen sein sollen.“
(Sitzung vom 10. Februar 1971, Version Miller/Gondek S. 58)
Die Konstellationen entsprechen demnach dem Buchstaben.
dass dieses sich für seine grundlegende Identifizierung auf einen konstellierten Himmel stützt und nicht nur auf den unären Zug: Der Status des Subjekts verändert sich demnach insofern, als die grundlegende Identifizierung eines Japaners nicht nur die mit dem unären Zug ist (mit dem einzigen Zug des verlorenen Liebesobjekts), sondern auch die mit dem „konstellierten Himmel“. Bezieht sich Lacan hier mit Himmel auf den Tenno, den „himmlischen Herrscher“? Dann wäre mit der „fundamentalen Identifizierung“ wohl die Identifizierung als Japaner bzw. Japanerin gemeint.
dass er sich nur auf das Du stützen kann: Mit dem Übergang vom konstellierten Himmel zum Du folgt Lacan Kants Übergang vom bestirnten Himmel zum moralischen Gesetz.
In Seminar 18 hatte Lacan gesagt:
„Das, was sich in einem Diskurs an den Anderen als ein Du wendet, lässt die Identifizierung auftauchen, mit etwas, was man das menschliche Idol nennen kann. (…) In jedem Diskurs, der ans Du appelliert, provoziert etwas zu einer getarnten, geheimen Identifizierung, die nichts anderes ist als die mit diesem rätselhaften Objekt, das gar nichts sein kann, die ganz kleine Mehrlust von Hitler, die vielleicht nicht weiter ging als sein Schnurrbart.“ (Sitzung vom 20. Januar 1971; vgl. Version Miller S. 29)
in sämtlichen grammatischen Formen: Das moralische Gesetz ist nicht „in mir“, wie Kant sagt, sondern außer mir in den grammatischen Formen der Höflichkeit. (Vgl. den Artikel „Japanische Höflichkeitssprache“ in der deutschen Wikipedia.)
die sie in ihrem Signifikat impliziert: Unter Signifikat versteht Lacan möglicherweise (wie oben erläutert) die sozialen Handlungen sprechender Wesen als Gegenständen des Sprechens. Der Sinn könnte sein: In den sozialen Handlungen, auf die sie sich im Sprechen beziehen, sind Höflichkeitsbeziehungen enthalten.
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Einer von Lacans Aphorismen lautet: Die Wahrheit hat die Struktur einer Fiktion. Gemeint ist damit: Die Frage nach Wahrheit zielt auf die Beziehung zum Referenten. Wahrheit wird auf dem Weg des Sprechens gesucht, das heißt mit Signifikanten und Signifikaten. Im Sprechen ist aus der endlosen Verweisung von Signifikant auf Signifikant jedoch nicht herauszukommen. Ersatzweise springen bestimmte sprachliche Elemente gewissermaßen als Ersatz-Referenten ein, eben das, was Bentham „Fiktionen“ nennt. Dazu gehören für Bentham Rechtsfiktionen wie Verbrechen oder Eigentum. Ersatzweise springen hierfür, Lacan zufolge, bestimmte Elemente ein, die er mit Jeremy Bentham als Fiktionen bezeichnet. (Vgl. auf Lacan entziffern den Artikel „Die Wahrheit hat die Struktur einer Fiktion“.)
Solche sozial nützlichen Fiktionen sind für Lacan, ähnlich wie Benthams Rechtsfiktionen, die Höflichkeitsregeln. Sie liefern letzte Bezugspunkte und stoppen damit die endlose Verweisung von Signifikant auf Signifikant.
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Dieser Satz beruht auf dem Unterschied von Verdrängung und Abwehr, er impliziert, dass nicht alles Verdrängte ein Ergebnis von Abwehr ist. Die Hauptbedeutung von Verdrängung ist bei Freud: Ausschluss von Vorstellungen aus dem Bewusstsein. Sitz der Abwehr ist für Freud das Ich, die Abwehr fächert sich in verschiedene Abwehrmechanismen auf. (Vgl. die Artikel „Verdrängung“ und „Abwehr“ in: Jean Laplanche, Jean-Bertrand Pontalis: Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972.)
Vom Verdrängten ist nichts abzuwehren bedeutet also vermutlich: Es gibt zwar Verdrängung, hierbei kommt jedoch nicht das Ich und seine Abwehrmechanismen ins Spiel, sondern etwas anderes: der Buchstabe.
Dem Verdrängten gelingt es, durch Bezug auf den Buchstaben unterzukommen – was ist hier mit „unterkommen“ gemeint? Die Wiederkehr des Verdrängten? Lautet die These: Der Buchstabe ermöglicht eine Wiederkehr des Verdrängten unter Ausschluss des Ichs und der Abwehrmechanismen – ?
?? Gibt es bei Freud Hinweise auf eine Verdrängung oder auf eine Wiederkehr des Verdrängten durch Bezug auf den Buchstaben?
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Welche beiden Register sind gemeint? In Freuds Begrifflichkeit sicherlich das Bewusste und das Unbewusste, in Lacans Terminologie wohl das Ausgesagte (énoncé) und der Äußerungsvorgang (énonciation).
Eines seiner Register kann sich mit dem Bezug auf die Schrift befriedigen: durch Laut-Lesung der Kanji-Zeichen, das andere durch den Bezug auf das Sprechen, vermutlich ist gemeint: durch Begriffs-Lesung derselben Zeichen. Offenbar entspricht für Lacan die Laut-Lesung dem Äußerungsvorgang und die Begriffs-Lesung dem Ausgesagten.
Mitgemeint ist möglicherweise, dass es für Japan im Japanischen durch die beiden Arten der Lesung zwischen diesen beiden Registern eine vorgegebene Übersetzung gibt. Vgl. hierzu die Überlegungen von Shin’ya Ogasawara:
– L’instance de la lettre dans l’inconscient japonais. In: Ornicar? digital; englische Übersetzung: The instance of the letter in the Japanese unconscious).
– Ogasawara, Luke S.: Why Lacan says : “no one who dwells in the Japanese language has a need to be psychoanalysed“. In: Blog von Ogasawara auf Blogspot, Beitrag vom 2. Januar 2019, hier.
– Bell, Chris: Lacanian psychoanalysis in Japan. An Interview with Dr. Luke S. Ogasawara. In: AWRY. Journal of critical psychology, 2022, S. 199–214.Im Hinweis für den japanische Leser (1972) zur Übersetzung der Écrits wird Lacan hieraus die Schlussfolgerung ziehen, dass
„niemand, der diese Sprache [das Japanische] bewohnt, einen Bedarf danach hat, psychoanalysiert zu werden“.
(J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 498, meine Übersetzung)
Und im Nachwort von 1973 zu Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, heißt es mit Bezug auf die japanische Sprache, dass
„das sprechende Wesen sich dadurch den Kunstgriffen des Unbewussten entziehen kann, die es nicht erreichen, da sie sich darin verschließen“.
(Version Miller/Haas S. 302)
Wenn Lacan sagt, dass das das Unbewusste strukturiert ist wie eine Sprache (langage), ist damit die offenbar die Einzelsprache (langue) gemeint, hier das Japanische.
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Vgl. Roland Barthes: L’empire des signes. Skira, Genf 1970; dt.: Das Reich der Zeichen. Übersetzt von Michael Bischoff. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981.
In Das Reich der Zeichen beschreibt Barthes (in semiologischer Orientierung) Szenen des japanischen Lebens, wie sie sich für ihn als Beobachter darstellen: die Präsentation der Körper, die Gesten beim Zubereiten der Nahrung und beim Essen, der Anblick einer Spielhalle, die visuelle Orientierung in einer Stadt, das Aussehen der Wohnräume, den visuellen Code der Höflichkeit, aber auch das Bunraku und das Haiku, wobei er das, was er sieht und liest, immer wieder mit der graphischen Seite von Schrift und Zeichnung vergleicht. So spricht er etwa von einem „graphischen Modus der Existenz“ (S. 110 der deutschen Übersetzung), von den „zahllosen graphischen Gebärden, die das japanische Leben kennzeichnen“ (113 f.).
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Von der Schrift wird eine Leere ausgehöhlt, das entspricht der Beziehung zwischen dem Oberflächenabfluss und den Erosionsrinnen.
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Ersterer: Durch die Parallelstelle in Lituraterre (I) ist klar, dass hier der Schein gemeint ist, nicht die Schrift.
Napf: In Seminar 18 hatte Lacan die vier Plätze der vier Diskurse als Näpfe (godets) bezeichnet (vgl. Sitzung vom 20. Januar 1971, Version Miller/Gondek S. 27). Der erste Napf ist demnach der Platz oben links, der Platz des Scheins. In derselben Sitzung bezeichnet er den Diskurs als Artefakt (Version Miller/Gondek S. 28); also ist vermutlich gemeint „oder es mit seinem Diskurs zumindest aufzurufen“.
Der Schein ist mit Jouissance verbunden, die Schrift (bzw. der Buchstabe) hingegen mit Leere, und das heißt wohl indirekt: mit der Abwesenheit oder dem Verlust von Jouissance, nämlich der Abwesenheit der Lust am Sinn.
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Foto von der Website American Cinematographer, hier.
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Roland Barthes bezieht sich in Das Reich der Zeichen ausführlich auf das Bunraku, in den Kapiteln „Die drei Schriften“, „Belebt/unbelebt“ und „Innen/außen“; vgl. dt. Übersetzung, a.a.O., S. 67–86.
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Quelle der Abbildung: Artikel „Bunraku“ in der deutschen Wikipedia.
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Beim Bunraku sitzt der Rezitator (tayu) an der Seite der Bühne. Er liest vor (damit kommt die Schrift ins Spiel); er artikuliert die Stimmen des Erzählers und sämtlicher Figuren und betont dabei die Emotionen. (Vgl. Wikipedia-Englisch, Artikel „Bunraku“.)
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Vermutlich ist gemeint: Durch den Wechsel zwischen den beiden Leseweisen der chinesischen Schriftzeichen ist derjenige, der einen japanischen Text liest, beständig mit der Übersetzung des Chinesischen ins Japanische befasst, insofern ist das Übersetzen in Japan etwas Natürliches. Die Übersetzung des Chinesischen (in Gestalt der Lautlesung) ins Japanische (in die Begriffslesung) ist vorgegeben, es gibt hier keinen Interpretationsspielraum; in diesem Sinne ist eine Deutung nicht erforderlich. (Vgl. hierzu Ogasawara 1996 und 2022 sowie Bell/Ogasawara 2022.)
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Der Satz bezieht sich auf die beiden Lesungen der chinesischen Schriftzeichen, so aufgefasst, dass die Begriffs-Lesung die Laut-Lesung ständig übersetzt, weshalb eine Deutung nicht erforderlich ist (vgl. Ogasawara 2022).
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Unter „Kommunikation“ und „Dialog“ versteht Lacan meist die Auffassung, dass die Sprache ein Werkzeug ist, um Gedanken mitzuteilen (vgl. etwa Radiophonie, a.a.O., S. 8); hier meint er mit Kommunikation offenbar etwas anderes.
In Seminar 18 hatte Lacan daran erinnert, dass er seit langem sagt, es gebe keinen Dialog (Sitzung vom 17. Februar 1971, Version Miller/Gondek S. 83).
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In Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten (1957) heißt es:
„Die Ansprüche des Geistes bleiben dennoch irreduzibel, wenn der Buchstabe nicht den Beweis erbracht hätte, dass er all seine Wahrheitswirkungen im Menschen zustandebringt, ohne dass der Geist sich auch nur im Geringsten darin einzumischen hätte.“ (A.a.O., S. 602)
1966 verweist Lacan in einem Nachtrag zu seinem Poe-Aufsatz darauf, dass er in diesem Aufsatz vom caput mortuum des Signifikanten gesprochen habe, von seinem „Totenkopf“, d.h. von einem „Loch“, das der Signifikant aufreißt (vgl. Das Seminar über „Der gestohlene Brief“, a.a.O., S. 68); er betont den kausalen Aspekt dieses Lochs, seine Wirksamkeit.
„Ein Effekt, so manifest, dass er sich hier [in dem von Lacan entwickelten Schema einer Kombinatorik] wie in der Fiktion des gestohlenen Briefes erfassen lässt.
Deren Wesen ist es, dass der Brief seine Effekte ins Innere zu den Akteuren der Erzählung [conte], darin inbegriffen den Erzähler [narrateur], ganz ebenso wie ins Äußere: zu uns, den Lesern, und ebenso zu ihrem Autor hätte tragen können, ohne dass jemals jemand sich um das hätte kümmern müssen, was er sagen wollte. Was von allem, was sich schreibt, das normale Los ist.“ (Das Seminar über „Der gestohlene Brief“, a.a.O., S. 68)
In Radiophonie (1970) beschreibt Lacan eine ähnliche Tafel-Szene:
„Ich entsinne mich der Verlegenheit, mit der mich ein Bursche befragte, der sich, da er Marxist sein wollte, unter das aus Leuten der Partei (der einzigen) bestehende Publikum gemischt hatte, das (Gott weiß wieso) zur Mitteilung meiner ‚Dialektik des Begehrens und Subversion des Subjekts in der Psychoanalyse‘ zusammengeströmt war.
Ich habe netterweise (nett, wie ich immer bin) in der Folge in meinen Écrits auf die Verdutztheit hingewiesen, die mir aus diesem Publikum antwortete.
Was ihn angeht, ‚glauben Sie denn‘, sagte er mir, ‚daß es genügt, daß Sie was produziert, Buchstaben an die Tafel geschrieben haben, um davon einen Effekt zu erwarten?‘
Eine derartige Übung hat jedoch getragen, ich habe davon den Beweis, und sei’s nur durch den Abfall, der ihr ein Recht für mein Buch gab – wobei die Fonds der Ford Foundation, die solche Zusammenkünfte anregen, damit sie was haben, um mit dem Schwamm drüberzuwischen, sich unvorstellbar auf dem Trockenen fanden, um mich zu publizieren.
Das ist, weil der Effekt, der sich propagiert, nicht einer von Kommunikation des Sprechens, sondern von Verschiebung des Diskurses ist.
Freud, unbegriffen, und sei’s von ihm selbst, da er sich hat verständlich machen wollen, ist weniger durch seine Schüler gedient als durch diese Propagierung (…).“ (Radiophonie, a.a.O., S. 11)
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dass ich mich zu den Lebewesen zähle: Vermutlich eine Anspielung auf die Definition des Lebens durch Übermittlung von Erbinformationen und die Auffassung der Gene als eine Art Buchstabenfolge, die „transkribiert“ wird.
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?? Was ist mit „Askese der Schrift“ gemeint? Die Verabschiedung der Lust am Sinn?
Lacan bezieht sich hier auf die These, dass es beim „Sprechwesen“ in dem Sinne kein sexuelles Verhältnis gibt, als ein solches Verhältnis nicht geschrieben werden kann. Eben dies versucht er mit den sogenannten Formeln der Sexuierung zu zeigen, die er in den Seminaren 18 bis 20 sowie in dem Aufsatz L’étourdit entwickelt.
In Seminar 18 hatte er in der Sitzung vom 17. Februar 1971 gesagt,
„dass es keine sexuelle Beziehung beim sprechenden Wesen gibt.
Es hat eine erste Bedingung gegeben, die uns das gleich sehen lassen könnte nämlich dass die sexuelle Beziehung wie jede andere Beziehung nur durch das Geschriebene Bestand hat.
Das Wesentliche der Beziehung ist eine Abbildung [im Sinne der Mathematik], a abgebildet auf b –
a → b
Wenn Sie das nicht a und b schreiben, erhalten Sie nicht die Beziehung als solche. Das will nicht heißen, dass nicht Dinge im Realen geschehen. Doch im Namen von was sollten Sie es Beziehung nennen? Diese grobe Sache würde wie alles bereits genügen, um, sagen wir, begreiflich zu machen, dass es keine sexuelle Beziehung gibt, aber würde in nichts über die Tatsache entscheiden, dass man es nicht schafft, das zu schreiben.“