Der Schnitt: die Einschreibung des Realen in das Symbolische
Lucio Fontana, Concetto spaziale, Attese. 1959. Synthetische Farbe auf Leinwand, 125 x 250,8 cm Solomon R. Guggenheim Museum, New York
Ausgearbeitete Fassung des ersten Teils von drei Teilen eines Vortrags, den ich auf Einladung des Psychoanalytischen Kollegs am 29. Januar 2016 in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin gehalten habe.
In der Sekundärliteratur findet man immer wieder die Behauptung, erst der späte Lacan habe den Begriff des Realen ausgearbeitet. Das ist ein Mythos, und davon zeugt nicht zuletzt der Begriff des Schnitts (coupure). Lacan bestimmt ihn als Manifestation des Realen im Symbolischen. Er verwendet diesen Begriff des Schnitts zuerst in Seminar 2 (Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse, 1954/55), und er führt ihn in Seminar 6 weiter aus (Das Begehren und seine Deutung, 1958/59)
Im Folgenden gebe ich einen Überblick über die Ausarbeitung dieses Konzepts in Seminar 6.1
Da es von diesem Seminar keine deutsche Übersetzung gibt2, übersetze ich die Stellen, in denen der Ausdruck „Schnitt“ als theoretischer Begriff verwendet wird. Die Passagen sind vollständig – bis auf eine Bemerkung über das Ende der Sitzung, die ich in einem eigenen Blkogartikel darstelle, Jacques Lacan: Der Schnitt und das Ende der Sitzung.
In der Einleitung dieses Artikels findet man einige orientierende Hinweise. Den Abschluss bildet eine systematisierende Zusammenstellung von Lacans Thesen zum Schnitt in Seminar 6.
Für ausdauernde Hilfe bei der Übersetzung: herzlichen Dank (wieder einmal) an Gerhard Herrgott!
Einleitung
Schnitt
Das Unbewusste besteht, Lacan zufolge, aus Signifikanten. Dass diese Elemente Signifikanten sind, heißt unter anderem, dass die Übergänge zwischen ihnen diskontinuierlich statt kontinuierlich sind, sprunghaft statt fließend, in der Sprache der Informationstheoretiker: diskret statt analog.
Zwischen Signifikanten gibt es zwei Arten von Beziehungen, diachrone und synchrone. Das Merkmal der Diskontinuität lässt sich auf beide Achsen beziehen. Signifikanten sind im zeitlichen Nacheinander miteinander verkettet (diachron) und sie können sich ersetzen (synchron); Saussure spricht von „syntagmatischen Beziehungen“ (dies ist die diachrone Achse) und von „assoziativen“ oder „paradigmatischen Beziehungen“ (die synchrone Achse)3; Jakobson von Kombination (diachron) und Substitution oder Similarität (synchron). Jakobsons Begriffsopposition ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil er sie auf Freud bezieht: dem Begriff der Kombination entspricht bei Freud – sagt Jakobson – die Verdichtung, dem der Substitution die Verschiebung4; vgl. diesen Blogartikel. Signifikantensprünge – „Diskretionen“ könnte man vielleicht sagen – gibt es demnach sowohl in der diachronen wie in der synchronen Zeitachse.
Autoren | Zeit- | achse |
diachron | synchron | |
Saussure | syntagmatische Beziehungen | assoziative (paradigmatische) Beziehungen |
Jakobson | Kombination | Substitution, Similarität |
Freud | Verschiebung | Verdichtung |
Lacan | Signifikantenkette | Signifikantenbatterie, Signifikantenschatz |
Metonymie | Metapher |
Wenn man zwei Signifikanten hat, gibt es also immer ein drittes Element: den kleinen Sprung zwischen ihnen. Beschränkt man sich auf die Diachronie, also auf das zeitliche Nacheinander, auf die Signifikantenkette, und hier wiederum auf die geschriebene Sprache, ist der diskrete Charakter der Signifikanten in gedruckten Texten gut erkennbar: Man sieht Abstände zwischen den Buchstaben und größere Distanzen zwischen den Wörtern, und außerdem findet man, gewissermaßen als Pausenfüller, Satzzeichen wie Punkt, Komma, Semikolon und Gedankenstrich. In der gesprochenen Sprache ist die synchrone Diskontinuität im Hintergrund wirksam, sie sorgt dafür, dass wir unterscheiden können, ob jemand „backen“ oder „packen“ sagt, „dort“ oder „Docht“. Wenn jemand die synchrone Diskontinuität ungenügend berücksichtigt – also gewissermaßen analog spricht – heißt es von ihm: Er nuschelt. In der diachronen Achse kann der diskrete Charakter der Signifikanten durch den zeitlichen Abstand betont werden, durch Pausen, etwa zwischen Sätzen. Wenn die kleinen oder größeren Zeitlücken fehlen, sagt man: „Er redet atemlos“, oder: „Sie spricht ohne Punkt und Komma“.
Lacan bezeichnet den Sprung zwischen den Signifikanten, hervorgerufen durch ihren diskreten Charakter, als Schnitt.
Problematik
Welche Rolle spielt dieser Schnitt für die Psychoanalyse?
Bei seinen Überlegungen zu diesem Thema stützt Lacan sich auf drei Grundgedanken.
Die erste These lautet: Das Subjekt ist von der Sprache determiniert, „vom Signifikanten“, wie er meist sagt. Diesen Gedanken entwickelt er ab dem sogenannten Rom-Vortrag von 1953.5
Der zweite Gedanke ist: Das Subjekt ist zwar von der Sprache determiniert, aber es ist nicht Sprache, es ist etwas anderes als Sprache. Die Sprache ist, wie Lacan sagt, am Ort des Anderen, und das heißt: Die Sprache ist nicht am Ort des Subjekts. Das Subjekt ist nicht Sprache, sondern der durch die Sprache hervorgerufene Verlust oder Mangel. Bei Freud heißt dieser Verlust „Triebunterdrückung“, „Triebverzicht“, „Unbefriedigung“6, „Unbehagen“7. In Lacans Terminologie: Das Subjekt ist Begehren, d..h. es ist manque d’être (Seinsmangel), wie er ab 1955 zunächst mit Sartre sagt8, es ist manque-à-être, wie er es ab 1957 nennt.9 Manque-à-être ist der „Mangel-zu-sein“. Dieser Verlust ist ein Verlust an jouissance, an Lust, an Genießen, d..h. ein Verlust auf der Ebene der körperlichen Erregungen.10
Die dritte These lautet: Im Rahmen der Psychoanalyse hat das Subjekt einen Zugang zu sich selbst nur auf dem Weg über das Sprechen.
Wenn man den zweiten und den dritten Gedanken verbindet, ergibt sich die folgende Problematik: Wie kann das Subjekt, das doch in einer Psychoanalyse einen Zugang zu sich selbst sucht, erfahren, dass es etwas anderes ist als die Sprache, nämlich ein Verlust oder Mangel, wenn es einen Zugang zu sich selbst nur im Sprechen hat? Die Antwort, die Lacan in Seminar 6 ausarbeitet, lautet: im Schnitt.
Dies ist nicht die einzige Lösung des Problems. Als Mangel erfährt sich das Subjekt, so heißt es vor Seminar 6, in Gestalt des Objektmangels oder der Metapher oder der Metonymie.
– Der Objektmangel (manque de l’objet), ein Begriff von 1956, kann drei Formen annehmen: Kastration, Frustration und Privation.11
– Unter Metonymie versteht Lacan (ab 1957) die Verschiebung von Anspruch zu Anspruch; in dieser Suchbewegung ist der Mangel wirksam, das Begehren; Lacan spricht deshalb von der „Metonymie des Begehrens“12. Der Schnitt, um den es in Seminar 6 geht, knüpft an den Begriff der Metonymie an; der Schnitt ist das, was zwei Ansprüche voneinander trennt und zugleich verbindet.
– Die Vatermetapher (so heißt es ab 1958) sorgt dafür, dass es einen Signifikanten des Mangels gibt, nämlich dessen, was dem Anderen fehlt: der Phallus.13
In Seminar 6 entwickelt Lacan eine weitere Antwort auf die Frage, auf welche Weise dem Subjekt der Mangel zugänglich ist: im Phantasma. Als Mangel erfährt es sich hier auf doppelte Weise. Auf der symbolischen Ebene ist es das Subjekt im Verschwinden, in der Aphanisis, im Fading, es ist das Subjekt, das damit konfrontiert ist, dass es keinen Signifikanten des Subjekts gibt (vgl. diesen Blogartikel). Das heißt für Lacan aber, das Subjekt ist im Schnitt, im Einschnitt zwischen den Signifikanten.
In der imaginären Dimension erfährt das Subjekt im Phantasma seinen Verlust durch den Bezug zu einem Objekt des Begehrens als dem, was ihm fehlt. Diese beiden Größen, Subjekt und Objekt, sind dadurch aufeinander bezogen, dass das Objekt des Begehrens durch einen Schnitt konstituiert wird. Der Schnitt ist also das, was die beiden Seiten des Phantasmas, Subjekt und Objekt, miteinander verbindet. In der späteren Ausarbeitung der Theorie wird die Raute in der Formel des Phantasmas ($ ◊ a) deshalb von Lacan als Schnitt interpretiert.
Intervall, Schnitt, Skandierung
Für den Sprung zwischen den Signifikanten verwendet Lacan neben „Schnitt“ zwei weitere Termini: Intervall (intervalle) und Skandierung (scansion).
Mit dem Ausdruck „Intervall“ bezieht er sich meist auf einen zeitlichen Abstand, manchmal auch einen auf eine räumliche Distanz; die Wendung dans l’intervalle meint „dazwischen“, und damit ist bei Lacan meist gemeint: „in der Zwischenzeit“, manchmal auch: „im Zwischenraum“. Wenn es um den Zwischenraum geht, muss sich das nicht auf den physischen Raum beziehen, es kann auch ein fiktiver Abstand gemeint sein, etwa wenn Lacan vom „Intervall“ zwischen Signifikant und Signifikat spricht.14
In Seminar 6 bezieht Lacan den Terminus „Intervall“ auf die Struktur der Signifikantenkette. Bei der Erläuterung der Linien des Graphen des Begehrens sagt er:
„Da der Anspruchsdiskurs aus Signifikanten besteht, müsste die Linie, die ihn repräsentiert, hier in der fragmentierten Form erscheinen, wo wir sie hier fortbestehen sehen, nämlich in Form einer Abfolge von diskreten, also durch Intervalle getrennten Elementen.“15
Den Ausdruck „Schnitt“ verwendet Lacan in Seminar 6 häufig synonym mit „Intervall“, etwa hier:
„Es [das Subjekt] ist nur in den Intervallen da, in den Schnitten. (…) Ich habe es Ihnen gesagt, am Ende seiner Befragung begegnet das Subjekt sich als Schnitt und als Intervall.“16
Oder hier:
„Dieses Sein [des Subjekts] ist nirgendwo anders – dass dies recht verstanden werde – als in den Intervallen, in den Schnitten und da, wo es eigentlich das am wenigsten signifikante der Signifikanten ist, nämlich der Schnitt.“17
In Seminar 6 verwendet Lacan den Begriff „Schnitt“ in zwei Hauptbedeutungen, die eine bezieht sich auf das Symbolische, die andere auf das Imaginäre. Der Schnitt ist zum einen das Intervall zwischen den Signifikanten, hervorgerufen durch ihren diskreten Charakter. Der symbolische Schnitt wiederum kann auf zwei Weisen aufgefasst werden, er ist zum einen ein strukturelles Merkmal des Symbolischen, seine letzte Grundlage; er kann aber auch gezielt betont werden, etwa durch eine Pause.
Im Imaginären erscheint der Schnitt in vielerlei Gestalten, als Beispiele führt Lacan in Seminar 6 u.a. den Hosenschlitz an, die Gelenke einer Rüstung und die Verstümmelung des Körpers, etwa durch Beschneidung.
Die Akzentuierung des Schnitts im zeitlichen Nacheinander nennt Lacan meist „Skandierung“. Die Skandierung ist also, in Lacans Sprachgebrauch, die betonte Unterbrechung eines zeitlichen Kontinuums des Sprechens.18
Der Ausdruck „Skandierung“ kann sich bei Lacan auch auf eine größere Folge von zeitlichen Einschnitten beziehen und damit auf eine umfassendere zeitliche Gliederung, beispielsweise dann, wenn er über den mehrfachen Wechsel von 0 und 1 sagt: „Dieses Oszillieren ist die Skandierung.“19 Oder wenn er davon spricht, dass wir die Möglichkeit haben, dieses Alternieren „auf einem Rhythmus zu verkörpern, einer grundlegenden Skandierung“20. Lacan referiert den Fall einer Patientin von Joan Riviere, die sich jedesmal, wenn sie den Beweis ihrer phallischen Macht erbracht hatte, in Verführungsaktivitäten stürzte oder sich für andere aufopferte; er spricht hierbei von einer „Skandierung“21 und meint damit einen sich wiederholenden Phasenübergang, den regelmäßigen Wechsel von Phase A (Machterweis) zu Phase B (Verführung oder Aufopferung).
Den Ausdruck „skandieren“ verwendet Lacan unter anderem für die Beendigung einer Seminarsitzung. In Seminar 4 zitiert er den berühmten Satz „Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht!“ und fährt dann fort:
„Das ist eine einfache Weise, um meine heutige Vorlesung zu skandieren, das ist ein einfacher Halt. Sehen Sie darin nicht das Wesentliche der Vorlesung, das ich Ihnen heute liefern möchte! Sehen Sie darin einfach einen Schnitt, notwendig aufgrund der vorangeschrittenen Zeit, zu der diese Rede uns geführt hat.“22
Als Synonym für das „Skandieren“ der Sitzung verwendet Lacan hier den Ausdruck „Schnitt“, und er betont, dass ihm dieser Schnitt durch den vorgegebenen Zeitrahmen aufgenötigt wird.
Begriffsentwicklung
Lacans Konzept des Schnitts durchläuft mehrere Phasen.
(1) Das erste Auftreten des Begriffs des Schnitts ist mit dem Konzept der Universalmaschine verbunden, das Lacan in Seminar 2 entwickelt (Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse, 1954/55). Demnach beruht die Symbolisierung darauf, dass der Strom der ursprünglichen Spannung von einer Reihe von Alternativen erfasst wird, wodurch eine Maschine entsteht. Lacan spricht hier von „zeitlichen Schnitten (coupures)“23.
„Die Symbolisierung des Realen strebt danach, dem Universum äquivalent zu sein, und die Subjekte sind dabei nur Relais, Träger. Was wir darin vornehmen, ist ein Schnitt auf dem Niveau einer dieser Kopplungen.„24.
Mit etwas interpretatorischer Gewalt kann man das so lesen: Die Symbolisierung des Realen vollzieht sich durch den Schnitt. Oder: Im Schnitt haben wir, auf der Ebene des Symbolischen, einen Zugang zum Realen..
In Seminar 6 verweist Lacan ausdrücklich auf diese Vorläuferschaft.25 Im Poe-Aufsatz (1956) wird diese Konzeption ausgearbeitet.26
(2) Ab Seminar 6 (1958/59), bezieht Lacan sich für den Begriff des Schnitts auf den Graphen des Begehrens und darin auf die Formeln für das Phantasma ($ ◊ a) und für den Trieb ($ ◊ D). Der Schnitt im Symbolischen erscheint im Phantasma als imaginärer Schnitt, z..B. als Spalte, heißt es in diesem Seminar.
Die Raute in den beiden Formeln gilt Lacan in Seminar 6 als Kürzel für das sogenannte Schema L. In dem Aufsatz Die Lenkung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht (geschrieben 1960) wird die Raute umgedeutet:
„Siehe das ($ ◊ D) und das ($ ◊ a) in unserem Graphen, hier wieder aufgenommen in Subversion du sujet, in: Écrits, S. 817. Das Zeichen ◊ notiert die Beziehungen: Einwicklung-Entwicklung-Konjunktion-Disjunktion. Die Verbindungen, die es in diesen beiden Parenthesen bedeutet, erlauben, das schräggestrichene S zu lesen: S im fading im Schnitt des Anspruchs; S im fading vor dem Objekt des Begehrens. Eben namentlich der Trieb und das Phantasma.“27
In der Formel für den Trieb ($ ◊ D) symbolisiert die Raute den Schnitt – ob das auch für die Formel des Phantasmas gelten soll, bleibt offen. Eine Begründung für die Zuordnung der Raute zum Schnitt, bezogen auf die Formel des Triebs, enthält der Aufsatz Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudschen Unbewussten (geschrieben 1962).28 Unter dem Schnitt versteht Lacan hier den Rand der erogenen Zonen. Eine Erläuterung dieser Passage findet man in diesem Blog hier.
In Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, wird die Zuordnung von Raute und Schnitt dann auch für die Formel des Phantasmas ($ ◊ a) vorgenommen. Dort heißt es:
„Wenn ich niemals die wahrhafte Verbalisierung dieser Form ◊ eingeführt habe, Punze, Begehren, wodurch das $ mit dem a zum $ ◊ a vereint wird, dieser kleine Vierseiter muss so gelesen werden: Das Subjekt, insofern es vom Signifikanten markiert ist, ist im Phantasma speziell Schnitt von a.“29
Der Schnitt – das, was zugleich trennt und verbindet – hat demnach drei Existenzweisen: es gibt ihn auf der Ebene des Symbolischen (die Diskontinuität zwischen den Signifikanten), auf der des Imaginären (ein Spalt, ein Schlitz, eine Ritze usw.) und auf der des Körpers (der Rand der erogenen Zonen).
(3) In einer dritten Phase wird der Begriff des Schnitts von Lacan vor allem auf topologische Flächen bezogen; diese Deutung beginnt mit Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung. Mit dieser Wendung knüpft Lacan an den Begriff des Schnitts in der mathematischen Topologie an – Flächen werden hier danach klassifiziert, welche Arten von Schnitten bei ihnen möglich sind.
Die für Lacan entscheidende Form des topologischen Schnitts ist die sogenannte Innenacht – die Raute verwandelt sich gewissermaßen in die Innenacht.30
(4) In Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, kündigt Lacan an, dass er statt vom „Schnitt“ in Zukunft vom „Rand“ sprechen werde.31 Der Rand ist der Rand der erogenen Zone und eine bestimmte Form des Schnitts. Lacan beginnt die seine These von der Strukturähnlichkeit von (Körper-)Rand und Signifikantenschnitt zu entwickeln.
(5) In Seminar 24 beschreibt Lacan eine Beziehung zwischen dem Realen, dem Symbolischen und dem Imaginären, bei dem das Symbolische die beiden anderen Register vollständig einhüllt, und fährt dann fort:
„Und darin stellt die Verwendung des Schnitts, im Verhältnis zu dem, worum es beim Symbolischen geht, etwas dar, was insgesamt Gefahr läuft, am Ende einer Psychoanalyse etwas hervorzurufen, was durch eine Präferenz für das Unbewusste, gegenüber allem anderen, charakterisiert wäre.“32
*
Einmal, in Seminar 14 von 1966/67, Die Logik des Phantasmas, bezieht Lacan den Ausdruck „Schnitt“ auf das Gebilde, das man im Deutschen als Schnittmenge bezeichnet, dargestellt als Überschneidungsbereich eines Euler-Diagramms.33 Das ist eine Ausnahme, für gewöhnlich bezeichnet Lacan die Schnittmenge mit dem Terminus, der im Französischen hierfür üblich ist: als intersection.34
Sekundärliteratur
In den deutschsprachigen Lacan-Lexika und Lacan-Einführungen fehlt der Begriff „Schnitt“ – falls ich nichts übersehen habe. Wer Französisch liest, ist besser dran, er oder sie findet einen guten Überblick in der Lacan-Einführung von Erik Porge.35 Auch das Lacan-Lexikon von Chemama und Vandermersch enthält einen Artikel zu coupure, ebenfalls von hoher Qualität, der sich allerdings, anders als die Arbeit von Porge, auf die topologische Verwendung des Begriffs ab Seminar 9 beschränkt.36
Der Begriff des Schnitts in Seminar 6: Übersetzung
Die Übersetzung beruht auf der Version des Seminars, die man auf der Website Staferla findet, Version vom 6.1.2012. Ich habe diese Fassung mit der von Jacques-Alain Miller herausgegebenen (stark überarbeiteten) Ausgabe des Seminars verglichen und größere Abweichungen in den Fußnoten vermerkt.
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seitenzahlen der von Miller herausgegebenen Ausgabe.
Alle Fußnoten sind von mir. Außer Hinweisen zu Transkriptionsproblemen findet man hier Literaturhinweise, Querverweise und Erläuterungen schwieriger Passagen. Außerdem habe ich hier versucht, einen Contrerime von Toulet, auf den Lacan sich bezieht, ins Deutsche zu übertragen.
Formulierungen in spitzen Klammern sind meine Ergänzungen; sie sollen den Sinn eines verkürzten Satzes verständlich zu machen. Formulierungen in eckigen Klammern sind meine Erläuterungen.
Die Gliederung in Absätze ist von mir, die Fettschreibung von „Schnitt“ ebenso.
Der Schnitt ist das Reale, das sich in das Symbolische einschreibt (20.5.1959)
Nach Bemerkungen über die an den Naturwissenschaften orientierte Psychologie heißt es:
„[450] Gewiss, es gibt hier etwas wirklich Exemplarisches, etwas, das uns veranlassen kann, darüber nachzudenken, was geschieht, wenn auf der anderen Seite eine Psychologie – die sicherlich, auch wenn wir sie nicht als Wissenschaft hinstellen und artikulieren, dennoch etwas ist, was sich auf paradoxe Weise zu der Methode ins Verhältnis setzt, die bislang über die wissenschaftliche Vorgehensweise definiert worden ist, die Freudsche Psychologie –, wenn diese Psychologie uns sagt, dass das Reale des Subjekts nicht als Korrelat einer Erkenntnis aufzufassen ist. Der erste Schritt, in dem das Reale als Reales verortet wird, als Terminus für etwas, worin das Subjekt verwickelt ist, hat seinen Ort nicht im Verhältnis zum Subjekt der Erkenntnis, denn im Subjekt artikuliert sich etwas, das außerhalb seiner möglichen Erkenntnis liegt, das aber gleichwohl bereits das Subjekt ist und das darüber hinaus dasjenige Subjekt ist, das sich daran erkennt, dass es Subjekt einer artikulierten Kette ist.
Dass etwas, das von Beginn an zur Ordnung eines Diskurses gehört, das also von einer Stütze getragen wird, einer Stütze, bei der es nicht verfehlt ist, sie mit dem Ausdruck ‚Sein‘ zu kennzeichnen, wenn wir dem Ausdruck ‚Sein‘ letztlich seine Minimaldefinition geben. Wenn der Ausdruck ‚Sein‘ etwas bedeutet, dann ist es das Reale, insofern es sich in das Symbolische einschreibt, das Reale, das in diese Kette verwickelt ist, von der Freud uns sagt, dass sie kohärent ist und dass sie das Verhalten des Subjekts bestimmt, jenseits aller Motivationen, die | [451] dem Spiel der Erkenntnis zugänglich sind. Das ist ja etwas, das es verdient, als etwas bezeichnet zu werden, das im vollen Sinne zur Ordnung des Seins gehört, weil es bereits etwas ist, das als ein Reales auftritt, welches im Symbolischen artikuliert ist, als ein Reales, das im Symbolischen seinen Platz eingenommen hat und das diesen Platz jenseits des Subjekts der Erkenntnis eingenommen hat. Das ist in dem Moment, möchte ich sagen – und damit schließt sich die Klammer, die ich vorhin geöffnet habe –, das ist in dem Moment, in dem sich uns in unserer Erfahrung der Erkenntnis etwas entzieht, in dem, was sich auf dem Baum der Erkenntnis entwickelt hat, in dem etwas in diesem Zweig, der Wissenschaft genannt wird, sich für uns als etwas erweist, als etwas manifestiert, das die Hoffnung der Erkenntnis getäuscht hat.
Wenn man andererseits sagen kann, dass dies vielleicht eine viel größere Tragweite gehabt hat als jede Art Wirkung, die man von der Erkenntnis erwartet hat, so wird uns zugleich und in diesem Moment in der Erfahrung der Subjektivität – in derjenigen, die sich im analytischen Vertrauen, im analytischen Anvertrauen herstellt – von Freud diese Kette bezeichnet, in der die Dinge sich in einer Art artikulieren, die auf eine Weise strukturiert ist, die mit jeder anderen symbolischen Kette homogen ist, mit dem, was wir als Rede kennen, die dem Subjekt jedoch nicht wie in der Anschauung zugänglich ist, die dem Subjekt nicht in dem Sinne zugänglich ist, dass es sich hier als das Objekt erfassen könnte, in dem es sich wiedererkennt. Im Gegenteil, es verkennt sich grundlegend.
Und gerade in dem Maße, wie es versucht, zu dieser Kette Zugang zu gewinnen, wie es versucht, sich da zu benennen, sich da zu verorten, genau da findet es sich nicht.
Nur in den Intervallen ist es da, in den Schnitten. Jedesmal, wenn es sich erfassen will, ist es immer nur in einem Intervall.
Und eben deshalb ist das imaginäre Objekt des Phantasmas, auf das es sich zu stützen versuchen wird, genau so strukturiert, wie es ist. Das ist das, was ich Ihnen jetzt zeigen will. Es gibt auch andere Dinge, die an der Formalisierung ($ ◊ a) zu zeigen sind, aber ich will Ihnen zeigen, wie a beschaffen ist. Ich habe es Ihnen gesagt, am Endpunkt seiner Befragung begegnet das Subjekt sich als Schnitt und als Intervall. Und | [452] das a zeigt uns, in seiner ganzen Allgemeinheit, seine Form auch wesentlich als eine Form des Schnitts.
Hier werde ich einfach eine gewisse Anzahl von gemeinsamen Merkmalen neu anordnen, Merkmale, die Sie bereits kennen, bezogen auf die unterschiedlichen Formen dieses Objekts. Für diejenigen, die hier Analytiker sind, kann ich schnell voranschreiten; später werde ich dann ins Detail gehen, es neu kommentieren. Wenn es darum geht, dass das Objekt im Phantasma etwas ist, das die Form des Schnitts hat, woran werden wir es erkennen können? Offen gestanden, ich möchte sagen, dass Sie mir auf der Ebene des Resultats, so denke ich, bereits zuvorkommen werden, zumindest wage ich, das zu hoffen.
In der Beziehung, die dazu führt, dass das S37 – an dem Punkt, an dem es sich als S befragt – sich nur auf eine Reihe von Termini stützen kann, nämlich jene, die wir hier mit a bezeichnen, als den Objekten im Phantasma, können wir in erster Annäherung drei Beispiele dafür geben. Damit ist nicht gesagt, dass das völlig erschöpfend wäre, das ist es nur beinahe. Ich sage, dass das nicht völlig erschöpfend ist, insofern nämlich, als das Vorgehen, die Dinge auf der Ebene anzugehen, die ich als die des Resultats bezeichnen werde, das heißt des konstituierten a, kein ganz legitimer Zugang ist. Ich will sagen, wenn ich damit anfange, dann einfach deshalb, damit Sie von einem bereits bekannten Terrain ausgehen, einem Terrain, in dem Sie sich auskennen, um den Weg für Sie einfacher zu machen.
Das ist nicht der strengste Weg, wie Sie dann sehen werden, wenn wir auf dem strengeren Weg der Struktur auf diesen Term zurückkommen müssen, das heißt auf dem Weg, der vom Subjekt ausgeht, insofern es ausgestrichen [barré] ist, insofern es das ist, was den Term des Objekts hervorruft, das, was ihn ins Spiel bringt.38 Wir werden jedoch vom Objekt ausgehen, weil sie sich damit am besten auskennen.
Es gibt davon drei Arten, die in der analytischen Erfahrung ausgemacht worden sind, die tatsächlich bis heute als solche identifiziert worden sind. Die erste Art ist die, die wir gewöhnlich, zu Recht oder zu Unrecht, als prägenitales Objekt bezeichnen. Die zweite ist die Objektart, die an dem beteiligt ist, was man den Kastrationskomplex nennt, und Sie wissen, dass dies in seiner allgemeinsten Form der Phallus ist. Die dritte Art, das ist vielleicht der einzige Term, der Sie als etwas Neues überraschen wird, aber in Wahrheit glaube ich, dass diejenigen unter Ihnen, die das, was ich über die Psychosen habe schreiben können39, gründlich genug studieren konnten, hierdurch dennoch nicht wesentlich verunsichert werden, die dritte Objektart – die genau dieselbe Funktion erfüllt, im Verhältnis zum Subjekt am Punkt seines Ausfallens, seines | [453] Fading –, das ist nichts anderes und nicht mehr und nicht weniger als das, was man für gewöhnlich als Wahn bezeichnet. Und das ist sehr genau der Grund dafür, dass Freud fast zu Beginn seiner ersten Einsichten hat schreiben können: ‚Sie lieben also den Wahn wie sich selbst.‘40 Wir werden diese drei Formen des Objekts wiederaufgreifen, insoweit sie es uns gestatten, in ihrer Form das zu erfassen, was ihnen ermöglicht, die Funktion zu erfüllen, zu den Signifikanten zu werden, die das Subjekt aus seiner eigenen Substanz herauszieht, und dies deshalb, um dem Loch vor sich standzuhalten: der Abwesenheit des Signifikanten auf der Ebene der unbewussten Kette.
Als prägenitales Objekt genommen, was bedeutet das a? Bei der tierischen Erfahrung, insofern sie durch Bilder strukturiert ist, müssen wir da nicht eben den Ausdruck evozieren, mit dem mehr als eine materialistische Reflexion dazu gelangt, das zusammenzufassen, was auf der Ebene des materiellen Austauschs letztlich das Funktionieren eines Organismus ausmacht, so menschlich er auch sein mag? Genau dies nämlich – diese Formel habe nicht ich erfunden –, dieses Tier, so menschlich es auch sein mag, ist letztlich nur ein Schlauch mit zwei Öffnungen: eine, durch die etwas reingeht, und eine andere, durch die etwas rauskommt. Und das ist auch das, wodurch das sogenannte prägenitale Objekt konstituiert wird, insofern es ihm gelingt, im Phantasma seine signifikante Funktion zu erfüllen. Insofern das, wovon das Subjekt sich ernährt, in einem bestimmten Moment von ihm abgeschnitten wird, dass es das hierbei sogar selbst abschneidet – das ist die Umkehrung der Position, das oral-sadistische Stadium –, oder sich zumindest bemüht, es abzuschneiden und zu beißen.
Es ist also einerseits das Objekt als Objekt der Entwöhnung, was genau gesagt bedeutet, das Objekt des Schnitts, und andererseits, am anderen Ende des Rohres, insofern das, was es ausstößt, sich von ihm abschneidet, und auch, dass die gesamte Unterweisung aus Ritualen und Formen der Sauberkeit besteht, damit es lernt, das, was es ausstößt, von sich selbst abzuschneiden. Wesentlich ist hierbei dies: Insofern das, woraus wir in der üblichen analytischen Erfahrung die grundlegenden Formen des Objekts der sogenannten oralen oder analen Phase machen – nämlich die Brustwarze, der Teil der Brust also, den das Subjekt in seiner Mundöffnung halten kann und zugleich der, von dem es getrennt ist, und dann dieses Exkrement, das für das Subjekt zu einem anderen Zeitpunkt ebenfalls zur bedeutsamsten Form seiner Objektbeziehungen wird –, insofern sie genau deshalb genommen und ausgewählt werden, weil sie besonders exemplarisch sind, da sie in ihrer Form die Struktur des Schnitts aufweisen | [454] und daran beteiligt sind, diese Stützungsfunktion zu übernehmen, auf der Ebene, auf der sich herausstellt, dass das Subjekt selbst als solches im Signifikanten verortet ist, insofern es durch den Schnitt strukturiert ist. Und eben dies erklärt uns, warum diese Objekte ausgewählt und anderen Objekten gegenüber bevorzugt werden.
Denn man konnte nicht übersehen, dass, wenn es darum ginge, dass das Subjekt diese oder jene seiner Funktionen einfach deshalb erotisiert, weil es sich um Vitalfunktionen handelt, warum gibt es dann nicht eine weitere Phase, die noch ursprünglicher wäre als die anderen und, so scheint es, noch grundlegender, diejenige, die an eine Funktion gebunden wäre, die vom Standpunkt der Ernährung aus ebenso vital ist wie diejenige, die durch den Mund hindurchgeht und mit der Ausscheidung durch die Intestinalöffnung endet, nämlich die Atmung?41 Ja, aber die Atmung kennt nirgendwo dieses Element des Schnitts, die Atmung wird nicht abgeschnitten, oder wenn sie abgeschnitten wird, dann auf eine Weise, die nicht ohne Drama abläuft. Nichts wird in einen Schnitt der Atmung eingeschrieben, es sei denn auf außergewöhnliche Weise. Die Atmung, das ist Rhythmus, die Atmung ist ein Pulsieren, die Atmung ist ein vitales Alternieren, sie ist nichts, was es ermöglicht, auf der imaginären Ebene genau das zu symbolisieren, worum es geht, nämlich das Intervall, den Schnitt.42
Das heißt jedoch nicht, dass nichts von dem, was durch die Atemöffnung geht, als solches skandiert werden könnte, denn genau durch eben diese Öffnung vollzieht sich die Emission der Stimme, und die Emission der Stimme ist etwas, das zerschnitten wird, das skandiert wird. Und eben deshalb werden wir sie nachher wiederfinden, und dies genau auf der Ebene des dritten Typs von a, den wir als Wahn des Subjekts bezeichnet haben.
Insofern diese Emission gerade nicht skandiert ist, insofern sie einfach pneuma ist, flatus43, ist offenkundig sehr bemerkenswert – und hier bitte ich Sie, sich auf die Untersuchungen von Jones zu beziehen44 – zu sehen, dass sie, vom Standpunkt des Unbewussten aus, am radikalsten Punkt nicht als etwas individualisiert ist, das zur Ordnung der Atmung gehört, sondern sich auf Grund eben dieser Aufnötigung der Form des Schnitts genau auf die tiefste Ebene der Erfahrung bezieht, die wir im Unbewussten davon haben – und es ist das Verdienst von Jones, das gesehen zu haben –, auf den analen flatus, der tatsächlich – paradoxerweise und durch diese Art von unerfreulicher Überraschung, die uns die analytischen Entdeckungen beschert haben –, der tatsächlich am tiefsten das symbolisiert, worum es jedes Mal geht, wenn es auf der Ebene des Unbewussten der Phallus ist, von dem sich herausstellt, dass er das Subjekt symbolisiert.
[455] Auf der zweiten Ebene –, und es handelt sich hier wohlgemerkt nur um einen Kunstgriff der Darstellung, denn es gibt weder eine erste noch eine zweite Ebene. An dem Punkt, an dem wir jetzt angekommen sind, haben alle a dieselbe Funktion. Sie haben dieselbe Funktion, und die Frage ist, warum sie die eine oder die andere Form annehmen; in der Form jedoch, die wir in der Synchronie beschreiben, versuchen wir, die gemeinsamen Züge, die gemeinsamen Merkmale herauszuarbeiten. Hier, auf der Ebene des Kastrationskomplexes, finden wir dafür eine andere Form, nämlich die der Verstümmelung. Wenn es um den Schnitt geht, ist es tatsächlich notwendig und hinreichend, dass das Subjekt sich von einem Teil von sich trennt, dass es in der Lage ist, sich zu verstümmeln.
Und die Sache – die psychoanalytischen Autoren haben das erfasst – impliziert schließlich nicht einmal eine Modalität, die beim ersten Hinschauen ganz neu wäre, denn bezogen auf die Verstümmelung haben sie daran erinnert, insofern diese eine so bedeutsame Rolle spielt bei allen Formen, bei allen Manifestationen des Zugangs des Menschen zu seiner eigenen Realität, bei der Weihung seiner Fülle des Menschseins. Durch die Geschichte, durch die Ethnographie, durch das Festhalten aller möglichen Initiationsverfahren, bei denen der Mensch versucht, mithilfe einer gewissen Anzahl von Formen der Stigmatisierung seinen Zugang zu einer höheren Ebene der Verwirklichung seiner selbst zu definieren, kennen wir diese Funktion der Verstümmelung als solche. Und hier ist nicht der Ort, an dem ich Sie an deren Katalog und Spektrum zu erinnern hätte.
Es ist einfach notwendig und es ist hinreichend, dass ich Sie hier daran erinnere, einfach um es für Sie handgreiflich werden zu lassen, dass es hier in anderer Form wieder um etwas geht, was wir als Schnitt bezeichnen können, und dies genau insofern, als er den Übergang zu einer Signifikantenfunktion herstellt, denn das, was von dieser Verstümmelung zurückbleibt, ist eine Markierung. Das sorgt dafür, dass das Subjekt, das als ein bestimmtes Individuum in der Herde die Verstümmelung erlitten hat, von da an die Markierung eines Signifikanten an sich trägt, der es aus einem ersten Zustand herausholt, um es in eine andere, höhere Potenz des Seins zu überführen und damit zu identifizieren. Das ist der Sinn jeder Art von Erfahrung des initiatorischen Übergangs, insofern wir seine Bedeutung auf der Ebene des Kastrationskomplexes wiederfinden.
Das heißt aber nicht, darauf möchte ich Sie am Rande hinweisen, die Frage zu erschöpfen, denn seit der Zeit, in der ich versuche, mich mit Ihnen dem zu nähern, worum es auf der Ebene des Kastrationskomplexes geht, haben Sie durchaus gewisse Mehrdeutigkeiten wahrnehmen müssen, die hinsichtlich der Funktion dieses Phallus herrschen. | [456] Anders gesagt, wenn das Ergebnis einfach dies ist, dass man sieht, dass unter bestimmtem Aspekt er es ist, der markiert wird, dass er es ist, der in die Funktion des Signifikanten gebracht wird, dann bleibt, dass die Form der Kastration nicht vollständig in dem enthalten ist, was wir äußerlich haben können, in den Ergebnissen der Zeremonien, die zu dieser oder jener Deformation oder Beschneidung führen. Die Markierung, die auf dem Phallus angebracht wird, ist nicht die Art von Vernichtung, von spezieller Negativierungsfunktion, die im Kastrationskomplex dem Phallus zugefügt wird. Auf dieser Ebene der Darstellung können wir das nicht erfassen.
Das nächste Mal, denke ich, werden wir darauf zurückkommen, wenn wir zu erklären haben – heute weise ich Sie einfach nur darauf hin –, was das Problem ist, das sich jetzt stellt, nämlich dann, wenn wir diese Dinge wieder angehen, wenn wir davon wieder das Inventar aufstellen. Das heißt, inwiefern und warum konnte Freud zu Beginn diese enorme Sache machen, den Kastrationskomplex mit etwas zu verbinden, von dem eine aufmerksame Prüfung uns zeigt, dass es gar nicht so eng damit verknüpft ist, nämlich mit der beherrschenden, grausamen, tyrannischen Funktion eines Vaters, der eine Art absoluter Vater ist. Das ist sicherlich ein Mythos. Und wie alles, was Freud geliefert hat – das ist eine ganz verwunderliche Tatsache –, ist das ein Mythos, der hält. Wir werden zu erklären versuchen, warum.
Es bleibt nicht weniger, dass ihrer grundlegenden Funktion nach die Initiationsrituale, die eingeprägt werden, die eingeschrieben werden in einer bestimmten Anzahl von Formen, von Stigmatisierungen, von Verstümmelungen, dass sie hier, an dem Punkt, an dem wir sie heute angehen, nämlich insofern sie die Rolle von a spielen, insofern sie von den Subjekten selbst, die sie erfahren, dazu bestimmt sind, die Natur dessen zu verändern, was beim Subjekt bis dahin, in der Freiheit der prä-initiatorischen Stadien, die die primitiven Gesellschaften kennzeichnen, einer Art gleichgültigem Spiel der natürlichen Begierden überlassen geblieben war. Die Initiationsrituale nehmen die Form an, den Sinn / die Richtung dieser Begierden zu verändern, ihnen genau von da an eine Funktion zu geben, in der das Sein des Subjekts als solches identifiziert wird, bezeichnet wird, in der es, wenn man so sagen kann, im vollen Sinne Mann wird, aber auch Frau, wo die Verstümmelung dazu dient, das Begehren zu orientieren, es dazu zu bringen, genau diese Funktion des Index anzunehmen, von etwas, was realisiert wird und sich nur artikulieren kann, sich nur ausdrücken kann in einem symbolischen Jenseits, in | [457] einem Jenseits, welches das ist, was wir heute das Sein nennen, eine Realisierung des Seins im Subjekt.
Bei dieser Gelegenheit könnte man einige Randbemerkungen machen, und wir könnten uns klarmachen, dass, wenn etwas sich dem Eingriff anbietet, der Signifikantenmarkierung des Initiationsrituals, dass es dann natürlich kein Zufall ist, dass dies all das ist, was sich als Anhängsel darbieten kann. Sie wissen auch, dass das phallische Anhängsel nicht das einzige ist, das hierbei verwendet wird, dass zweifellos auch das Verhältnis, das das Subjekt in jedem Bezug zu sich selbst herstellen kann, und das dasjenige ist, bei dem wir begreifen können, dass die Furcht, die hierbei erlebt werden kann, ganz bemerkenswert sein kann, nämlich die Beziehung der Tumeszenz, dass sie den Phallus natürlich in erster Linie als etwas bezeichnet, was sich auf günstige Weise für diese Funktion anbietet, sich dem Schnitt anbieten zu können, und außerdem auf eine Weise, die sicherlich mehr als bei jedem anderen Objekt gefürchtet und heikel sein wird.
Das heißt hier, dass die Funktion des Narzissmus – insofern sie eine imaginäre Beziehung des Subjekts zu sich selbst ist – als der Stützpunkt aufgefasst werden muss, in dessen Zentrum sich diese Bildung des bedeutsamen Objekts einschreibt. Und da können wir vielleicht auch erfassen, wie das, was hier in der Erfahrung wichtig ist, die wir von allem haben, was auf der Ebene des Spiegelstadiums geschieht, nämlich die Einschreibung, die Situation, in der das Subjekt seine eigene Strebung, seine eigene Erektion im Verhältnis zu dem Bild jenseits von ihm selbst verorten kann, in dem Bild, das es im anderen hat, wie dies es uns ermöglicht, zu erfassen, wie berechtigt einiges an den Ansätzen sein kann, die die Tradition der philosophischen Psychologen von dieser Auffassung der Funktion des Ichs [moi] bereits entwickelt hatte.
Ich spiele hier auf das an, was Maine de Biran hierzu beigetragen hat, in seiner sehr feinen Analyse der Rolle des Gefühls der Anstrengung.45 Das Gefühl der Anstrengung, insofern es vom Subjekt von zwei Seiten gleichzeitig ‚gedrängt‘ wird, erfasst wird: insofern es der Urheber des Drängens ist, zugleich aber der Urheber dessen, was diesen Drang enthält, insofern er diesen seinen Drang als solchen in sich selbst erfährt. Das ist etwas, was uns, wenn man es an die Erfahrung der Tumeszenz annähert, gut erfassen lässt, wie sehr da auf derselben Ebene der Erfahrung etwas verortet werden kann und in Funktion treten kann – als etwas, wodurch das Subjekt sich spürt, ohne sich jedoch jemals erfassen zu können, da es auch hier keine mögliche Markierung, keinen möglichen Schnitt im eigentlichen Sinne gibt –, etwas, wovon ich glaube, dass die Verbindung, insofern sie einen symbolischen, symptomatischen Wert annimmt, auf derselben Ebene der Erfahrung verortet werden muss, also auf derjenigen, die wir hier zu analysieren versuchen, nämlich in der Erfahrung, die so paradox ist, der Erfahrung der Müdigkeit.
Wenn die Anstrengung dem Subjekt auf keine Weise dienlich ist, aus dem Grunde, dass nichts es gestattet, | [458] ihr den Signifikantenschnitt einzuprägen, so scheint es umgekehrt so zu sein, dass etwas, dessen Trugbildcharakter Sie kennen, dessen nicht-objektivierbaren Charakter, auf der Ebene jener erotischen Erfahrung, die als Müdigkeit des Neurotikers bezeichnet wird, diese paradoxe Müdigkeit, die nichts mit irgendwelchen Muskelermüdungen zu tun hat, die wir auf der Ebene der Tatsachen erfassen können, diese Müdigkeit, insofern sie antwortet, ist sie in gewisser Weise das Gegenteil, nämlich die Folgeerscheinung, die Spur einer Anstrengung, die ich als ‚Signifiquantität‘ bezeichnen werde. Da könnten wir etwas finden, und ich glaube, dass es wichtig war, das am Rande festzuhalten, was in seiner allgemeinsten Form das ist, was uns auf der Ebene der Tumeszenz, des Drangs als solchem des Subjekts, die Grenzen gibt, an denen es dazu kommt, dass die mögliche Weihung in der Signifikantenmarkierung verschwindet.
Wir kommen zur dritten Form dieses klein a, insofern es hier als Objekt dienen kann. Ich hätte gern, dass man mich hier nicht missversteht, und sicherlich habe ich nicht genügend Zeit vor mir, um den Akzent auf das setzen zu können, was ich hier in all seinen Einzelheiten zu isolieren versuchen werde. Was ich für das Günstigste halte, um Ihnen zu zeigen, worum es geht und wie ich es verstehe – neben einer aufmerksamen Relektüre, die ich Sie vorzunehmen bitte, dessen, was ich zum Thema Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht geschrieben habe46, nämlich das, was ich über das artikuliert habe, was es uns gestattet, auf so weit vorangetriebene, so weit ausgearbeitete Weise den Wahn von Schreber zu artikulieren –, das ist das, was es uns erlauben wird, im Wahn als solchem die Funktion der Stimme zu erfassen. Ich glaube, dass wir, wenn wir versucht haben zu sehen, inwiefern die Stimme im Wahn ganz speziell auf die formalen Anforderungen dieses a antwortet, insofern es zur Signifikantenfunktion des Schnitts erhoben werden kann, des Intervalls als solchem, dass wir die phänomenologischen Merkmale dieser Stimme verstehen werden.
Das Subjekt erzeugt die Stimme, und, so möchte ich hinzufügen, wir werden diese Funktion der Stimme intervenieren lassen müssen, insofern als – weil sie das Gewicht des Subjekts intervenieren lässt, das reale Gewicht des Subjekts in der Rede, bei der Bildung der Über-Ich-Instanz –, die starke Stimme ins Spiel gebracht werden muss, als etwas, was die Instanz eines Anderen repräsentiert, der sich als real manifestiert.
Ist das dieselbe Stimme wie die, um die es bei der Stimme des Delirierenden geht? Ist die Stimme des Delirierenden das, dessen dramatische Funktion Monsieur Cocteau unter dem Titel Die menschliche Stimme zu isolieren versucht hat?47 Es genügt, dass wir uns auf die Erfahrung beziehen, die wir tatsächlich davon haben können, in isolierter Form, dort, wo Cocteau selbst, mit viel Stichhaltigkeit und Gespür, uns deren reine Einwirkung zeigen konnte, nämlich am Telefon. Was lehrt uns die Stimme als solche, jenseits der | [459] Rede, die sie am Telefon hält? Es geht hier gewiss nicht darum, Variationen vorzunehmen und ein kleines Kaleidoskop der Erfahrungen vorzuführen, die man davon haben kann. Es möge genügen, Ihnen in Erinnerung zu rufen, dass, wenn Sie versuchen, bei irgendeinem Handelsunternehmen oder wo auch immer um eine Dienstleistung zu bitten, dass es dazu kommt, dass Sie am Ende der Leitung eine dieser Stimmen haben, von denen Sie hinreichend über den Charakter der Gleichgültigkeit belehrt werden, der Böswilligkeit, des entschiedenen Willens, dem auszuweichen, was es in Ihrer Bitte an Gegenwart48 geben kann, an Persönlichem, und die ganz wesentlich die Art Stimme ist, die sie bereits hinreichend darüber unterrichtet, dass Sie von demjenigen, den Sie anrufen, nichts zu erwarten haben, eine dieser Stimmen, die wir als Stimme des contremaître bezeichnen werden, des Aufpassers [wörtlich: des ‚Gegen-Meisters‘]. Dieser Ausdruck, den das Genie49 der Sprache wirklich ganz großartig gebildet hat – nicht, dass er gegen den Herrn wäre [contre le maître], sondern er ist wirklich das Gegenteil des Herrn. Diese Stimme, diese Art von Vergegenwärtigung der Eitelkeit, der Inexistenz, der bürokratischen Leere, die Ihnen gewisse Stimmen bisweilen geben können – ist es das, worauf wir uns beziehen, wenn wir von der Stimme in der Funktion sprechen, in der wir sie auf der Ebene des a intervenieren lassen müssen? Nein, absolut nicht.
Wenn die Stimme sich hier tatsächlich als solche präsentiert, als reine Artikulation – und das ist eben das, was die Paradoxie dessen ausmacht, was der Delirierende uns mitteilt, wenn wir ihn befragen, und dass etwas, was er über die Natur der Stimmen mitzuteilen hat, sich immer zu entziehen scheint, auf eine so einzigartige Weise, nichts ist für ihn fester als die Konsistenz und die Existenz der Stimme als solcher. Und natürlich ist das genau deshalb so, weil sie in ihrer schärfsten Form auf den reinen Punkt reduziert ist, an dem das Subjekt sie nur als etwas erfassen kann, was sich ihm aufnötigt.
Und als wir den Wahn des Präsidenten Schreber analysiert haben, habe ich den Akzent auch auf diesen Charakter des Schnitts gesetzt, der so deutlich herausgestellt wird, dass die von Schreber gehörten Stimmen genau die Anfänge von Sätzen sind: ‚Sie sollen werden*‘ usw., und genau Wörter, bedeutsame Wörter, die unterbrochen werden, die Platz machen und die hinter ihrem Schnitt den Appell an die Bedeutung auftauchen lassen.50 Das Subjekt ist darin tatsächlich verwickelt, aber genau gesagt insofern, als es selbst verschwindet, dahinstirbt, sich ganz in diese Bedeutung stürzt, die sich nur auf globale Weise auf es richtet.
[460] Und mit eben diesem Wort ‚es ist darin verwickelt‘ möchte ich heute, in dem Augenblick, in dem ich Sie verlasse, das zusammenfassen, was ich heute für Sie zu erfassen und zu ergreifen versucht habe. Ich stimme Ihnen zu, dass diese Sitzung unter allen, die ich für Sie gehalten habe, vielleicht eine der schwierigsten gewesen ist. Sie werden dafür, so hoffe ich, beim nächsten Mal entschädigt werden. Wir werden auf Wegen voranzugehen haben, die weniger trocken sind. Heute jedoch habe ich Sie gebeten, im Umkreis dieses Begriffs des Verwickeltseins/Dazwischenseins [intérêt] zu verbleiben.
Das ist das Subjekt, als das, was im Intervall ist, als das, was im Intervall des Diskurses des Unbewussten ist, als das, was eigentlich die Metonymie dieses Seins ist, das sich in der unbewussten Kette ausdrückt.
Wenn das Subjekt sich von diesen Stimmen außerordentlich betroffen (intéressé) fühlt, von diesen Sätzen des Wahns, Sätzen ohne Schwanz und Kopf, dann hat das denselben Grund wie bei allen anderen Formen dieses Objekts, die ich Ihnen heute aufgezählt habe. Es ist die Ebene des Schnitts, die Ebene des Intervalls, auf der es fasziniert ist, auf der es fixiert ist, um sich in eben diesem Moment aufrechtzuhalten, in dem es eigentlich sich selbst anzielt und sich als Sein befragt, als Sein seines Unbewussten. In Bezug hierauf stellen wir hier die Frage.
Und dennoch will ich nicht enden, zumindest für diejenigen, die zum ersten Mal hierherkommen, ohne sie spüren zu lassen, was die Tragweite einer solchen Analyse ist, dieses kleinen Kettenglieds, das meine heutige Rede darstellt, im Verhältnis zu denjenigen, die seit langem aufeinander folgen. Das heißt, dass es auch darum geht, zu sehen, was wir bezogen auf dieses Phantasma tun sollten. Denn von diesem Phantasma habe ich Ihnen hier die radikalsten Formen gezeigt, die einfachsten, diejenigen, bei denen wir wissen, dass sie die bevorzugten Objekte des unbewussten Begehrens des Subjekts bilden. Dieses Phantasma ist jedoch beweglich, wenn man es ärgert, darf man nicht glauben, es könnte eines seiner Glieder einfach so fallen lassen. Es gibt kein Beispiel dafür, dass ein Phantasma, gehörig attackiert, nicht damit reagiert, dass es seine Form des Phantasmas wiederholt.
Wir wissen außerdem, welche Komplikationen dieses Phantasma entwickeln kann, insofern nämlich, als es, unter seiner sogenannten perversen Form, gerade insistiert. Es hält seine Struktur aufrecht, es verkompliziert sie, es versucht, seine Funktion immer besser zu erfüllen.
Das Phantasma zu deuten, wie man sagt, muss das schlicht und einfach darin bestehen, das Subjekt nach unserem Maße zu etwas Aktuellem | [461] zurückzuführen, zum Aktuellen der Realität, die wir als Menschen der Wissenschaft definieren können oder als Menschen, die sich vorstellen, dass sich letztlich alles auf Kategorien der Erkenntnis zurückführen lässt? Es scheint ja, dass das etwas ist, wozu eine ganze Richtung der analytischen Technik hinneigt, das Subjekt auf Funktionen der Realität zu reduzieren, dieser Realität, an die ich Sie das letzte Mal erinnert habe, dieser Realität, die sich offenbar für manche Analytiker nicht anders artikulieren kann denn als das, was ich ‚eine Welt von amerikanischen Anwälten‘ genannt habe.51 Ist denn nicht das Unternehmen, ganz ohne Zweifel, außerhalb der Reichweite der Mittel einer bestimmten Überredung?
Fordert der Platz, den das Phantasma besetzt, nicht von uns, dass wir sehen, dass es eine andere Dimension gibt, in der wir das zu berücksichtigen haben, was man die wahren Forderungen des Subjekts nennen kann? Genau diese Dimension, keineswegs der Realität, der Reduktion auf die gemeinsame Welt, sondern einer Dimension des Seins, einer Dimension, in der das Subjekt etwas in sich trägt – mein Gott! –, was zu tragen vielleicht genauso unbequem ist wie die Botschaft von Hamlet, was aber auch, selbst wenn ihm dadurch vielleicht ein fatales Schicksal verheißen wird, nichts ist, wovon wir Analytiker –.
Wenn es so ist, dass wir, wir Analytiker, in der Erfahrung des Begehrens mehr finden können als einen einfachen Unfall – mehr als etwas, was letztlich ziemlich peinlich ist, wovon aber insgesamt nur zu erwarten ist, dass es vorbeigeht und dass das Alter kommt, damit das Subjekt auf ganz natürliche Weise die Wege des Friedens und der Weisheit wiederfindet –, dann bezeichnet dieses Begehren für uns, für uns Analytiker, etwas anderes.
Dieses andere, was es für uns bezeichnet, wie müssen wir damit umgehen? Was ist unser Auftrag? Worin besteht letztendlich unsere Pflicht?52 Das ist die Frage, die ich stelle, wenn ich von der Deutung des Begehrens spreche.“53
Hiermit endet die Sitzung
Drei Arten des Objekts a und der Schnitt (27.5.1959)
Lacan bezieht sich auf den Graphen des Begehrens und darin auf die Position des Phantasmas ($ ◊ a). Er fährt dann fort:
„[468] Ich erinnere Sie an das, was ich Ihnen letztes Mal zum Objekt gesagt habe: Es ist, als spielte das Objekt dort [in der oberen Etage des Graphen] dieselbe Rolle eines Trugbildes, wie sie auf der unteren Etage [des Graphen] vom Bild des spiegelhaften anderen, i(a), im Verhältnis zum Ich [m für moi] gespielt wird. Deshalb platziere | [469] ich [im Graphen] das Phantasma, $ ◊ a, hier, gegenüber dem Punkt, an dem das Subjekt sich verorten wird, [d], um einen Zugang zur Ebene der unbewussten Kette zu haben. Diese Beziehung zum Objekt, wie es im Phantasma ist, wohin führt uns das? Zu einer Phänomenologie des Schnitts, zum Objekt, insofern es auf der imaginären Ebene die Beziehung des Schnitts stützen kann, jene, wo das Subjekt sich auf dieser Ebene zu stützen hat.
Wir haben dieses Objekt als imaginäre Stütze der Beziehung zum Schnitt auf drei Ebenen gesehen: auf derjenigen des prägenitalen Objekts, auf derjenigen der kastrativen Verstümmelung und schließlich auf derjenigen der halluzinatorischen Stimme als solcher, das heißt, insofern sie verkörperte Stimme ist, weniger als unterbrochene Rede als vielmehr insofern, als sie vom inneren Monolog abgeschnitten ist, als sie im Text des inneren Monologs abgeschnitten ist.
Lassen Sie uns heute sehen, ob hierüber nicht weitaus mehr zu sagen bleibt, wenn wir auf den Sinn dessen zurückgehen, was da zum Ausdruck kommt. Denn außerdem, worum geht es im Verhältnis zu etwas, was ich bereits das letzte Mal eingeführt habe, nämlich über den Gesichtspunkt des Realen und den Gesichtspunkt der Erkenntnis – ? Auf welcher Ebene sind wir hier, da wir ja auf der Ebene eines S54 eingeführt sind –? Ist dieses S / Es / Est-ce55 etwas anderes als eine Mehrdeutigkeit, die mit jedem beliebigen Sinn angefüllt werden kann? Oder werden wir bei seiner verbalen Zugehörigkeit, von der Konjugation her, zum Verb ‚sein‘ innehalten?56 Hierzu ist das letzte Mal bereits etwas beigetragen worden.
Es geht tatsächlich darum, zu wissen, auf welcher Ebene wir hier sind, bezogen auf das Subjekt, insofern das Subjekt sich nicht einfach nur auf die Rede bezieht, sondern ebenso auf bestimmte Realitäten. Ich sage Folgendes: Wenn etwas sich darstellt, sich artikuliert, was wir auf kohärente Weise als Realität bezeichnen können, ich meine die Realität, auf die wir uns in unserem analytischen Diskurs beziehen, dann werde ich dessen Feld auf dem Schema hier [dem Graphen] in dem Feld verorten, das unter dem konkreten Diskurs57 liegt, insofern dieser Diskurs es umfasst und es einschließt und es die Reserve eines Wissens ist, eines Wissens, dass wir so weit ausdehnen können wie alles, was für den Menschen sprechen kann.58 Ich meine, dass er deshalb nicht in jedem Moment verpflichtet ist, das zu erkennen, was er bereits, in seiner Realität, in seiner Geschichte, in seinen Diskurs einbezogen hat, dass all das, was sich beispielsweise in der marxistischen Dialektik als Entfremdung darstellt, hier auf kohärente Weise erfasst und artikuliert werden kann.
Ich möchte noch mehr sagen: Der Schnitt, vergessen wir das nicht, und das wird uns bereits im Typ des ersten Objekts des Phantasmas angezeigt, des prägenitalen Objekts –. Worauf spiele ich an, als Objekte, die hier die Phantasmen stützen können, wenn nicht auf reale Objekte, die insofern in einer engen Beziehung zum vitalen Trieb des Subjekts stehen, als sie von ihm, dem Subjekt, getrennt sind – ? Es ist nur zu offenkundig, dass das Reale kein kompaktes | [470] Kontinuum ist, dass das Reale selbstverständlich aus Schnitten besteht, ebenso, und durchaus jenseits der Schnitte der Sprache. Und nicht erst gestern hat der Philosoph Aristoteles zu uns über den guten Philosophen gesprochen, was meines Erachtens ebenso dies bedeutet: Derjenige, der etwas weiß, ganz allgemein gesehen, ist mit einem guten Koch vergleichbar, er versteht es, das Messer an dem Punkt anzusetzen, der genau vom Schnitt der Gelenke herkommt; er ist in der Lage, sie zu durchdringen, ohne sie zu verletzen.59 Die Beziehung zwischen dem Schnitt des Realen und dem Schnitt der Sprache ist also etwas, was bis zu einem bestimmten Punkt das zu erfüllen scheint, worin die philosophische Tradition sich insgesamt immer eingerichtet hat, nämlich dass es nur darum geht, ein System von Schnitten mit einem anderen System von Schnitten abzudecken
Wenn ich sage, dass die Freud’sche Frage zum rechten Zeitpunkt kommt, dann bezieht sich das darauf, dass die von der Wissenschaft bislang durchlaufene Bahn uns zu formulieren erlaubt, dass es im Abenteuer der Wissenschaft etwas gibt, das über diese Identifizierung hinausgeht, über diese Abdeckung der natürlichen Schnitte durch die Schnitte irgendeines Diskurses.
Was durch eine Bemühung, die wesentlich darin bestanden hat, die gesamte wissenschaftliche Artikulation von ihren mythologischen Verwurzelungen zu befreien, das ist, wie wir gleich sehen werden, etwas, was uns von dort zu dem Punkt geführt hat, an dem wir jetzt sind und der mir hinreichend charakterisiert zu sein scheint, ohne ein Drama daraus zu machen, durch den Terminus der Desintegration der Materie.60 Das ist wohl etwas, was uns nahelegen kann, in diesem Abenteuer nicht einfach nur reine und einfache Erkenntnisse zu sehen.
Es ist so, dass, um uns auf der Ebene des Realen zu verorten, oder, wenn sie so wollen, provisorisch auf der Ebene von etwas, was ich hierbei das Große Ganze nennen werde – mit der ganzen Betonung auf der hier notwendigen Ironie, denn es ist sicherlich nicht meine Neigung, es so zu nennen –, von diesem Gesichtspunkt aus stellen sich die Wissenschaft und ihr Abenteuer nicht als das Reale dar, das sich seine eigenen Schnitte selbst zuweist, sondern als Elemente, die etwas Neues erschaffen61, was die Wendung nimmt, auf eine Weise zu wuchern, dass wir hier als Menschen uns selbst gegenüber gewiss nicht verleugnen können, dass unsere vermittelnde Funktion, unsere Funktion als Agenten, es nicht unterlässt, 62 die Frage zu stellen, ob die Konsequenzen dessen, was sich hier manifestiert, nicht ein bisschen über uns hinausgehen. Um es deutlich zu sagen: Der Mensch lässt sich auf seine Kosten auf dieses Spiel ein. Vielleicht ist hier für uns nicht der Ort, noch weiterzugehen.
Was ich mit dieser Rede, die ich absichtlich nüchtern und knapp halte, von der ich gleichwohl annehme, dass der dramatische und aktuelle Akzent Ihnen nicht entgeht, was ich hier damit sagen will, ist, dass diese Frage zum Abenteuer der Wissenschaft etwas anderes ist als all das, was sich hat artikulieren können, selbst mit den extremen Konsequenzen der Wissenschaft, mit allen Konsequenzen, die jene | [471] der menschlichen Dramatik gewesen sind, insofern sie in die gesamte Geschichte eingeschrieben ist.63
Hier, in diesem Fall, steht das jeweils besondere Subjekt in Beziehung zu dieser Art von Schnitt, der dadurch gebildet wird, dass es nicht aufgrund seiner Beziehung zu einem bestimmten bewussten Diskurs so ist, dass es nicht weiß, was es ist. Das ist es, worum es geht, es geht um das Verhältnis des Realen des Subjekts als in den Schnitt eintretend und um diese Ankunft des Subjekts, auf der Ebene des Schnitts, bei etwas, was man durchaus ein Reales nennen muss, was aber durch nichts symbolisiert wird.
Es erscheint Ihnen vielleicht exzessiv, zu sehen, dass hier – auf der Ebene dessen, was wir gerade als eine reine Manifestation dieses Seins bezeichnet haben – dieser spezielle Punkt bezeichnet wird, der Punkt der Beziehung des Subjekts zu dem, was wir hier sein reines Sein als Subjekt nennen können, das, von woher das Phantasma des Begehrens deshalb die Funktion erhält, diesen Punkt zu bezeichnen.64 Deshalb habe ich zu einem anderen Zeitpunkt die Funktion, die das Phantasma erfüllt, als eine Metonymie des Seins definieren können und auf dieser Ebene das Begehren als solches identifizieren können.
Dass wir uns recht verstehen, auf dieser Ebene bleibt die Frage völlig offen, ob wir das, was sich auf diese Weise anzeigt, ‚Mensch‘ nennen können, denn was können wir ‚Mensch‘ nennen, es sei denn das, was sich bereits als solches symbolisiert hat und was sich auch jedes Mal, wenn man davon spricht, als belastet herausstellt, belastet mit allen Erkenntnissen, sagen wir, der historischen Art – ? Das Wort ‚Humanismus‘ bezeichnet auf dieser Ebene für gewöhnlich nichts.
Aber sicherlich gibt es in ihm etwas Reales, etwas Reales, das notwendig ist und das hinreicht, um diese Dimension in der Erfahrung zu sichern, die wir für gewöhnlich, ich glaube ziemlich zu Unrecht, Tiefe nennen, sagen wir, eines Jenseits, das bewirkt, dass das [menschliche] Sein/Wesen nicht identifizierbar ist mit irgendeiner der Rollen – um den Ausdruck zu verwenden, der jetzt in Gebrauch ist –, die es übernimmt.
Hier wird also die Würde, wenn ich so sagen kann, dieses Seins / dieses Wesens in einem Verhältnis definiert, das in keiner Weise darin besteht, dass es abgeschnitten [coupé] ist, wenn ich mich so ausdrücken kann, mit sämtlichen Hintergründen, insbesondere mit den Bezügen auf die Kastration – wenn Sie hier, mit anderen Erfahrungen, um mir ein Wortspiel zu gestatten, nicht einen Schuldigen [coupable] anbringen können, sondern den Schnitt [coupure] als solchen, nämlich letztlich das, was sich für uns als das letzte strukturelle Charakteristikum des Symbolischen darstellt.
Wozu ich einfach nur am Rande darauf hinweisen möchte, dass das, was wir da finden, die Richtung ist, in der ich Sie bereits das zu suchen gelehrt habe, was Freud den Todestrieb genannt hat, das, wodurch sich herausstellen kann, dass dieser Todestrieb mit dem Sein/Wesen konvergiert.“65
Hiernach beginnt Lacan, den folgenden Aufsatz zu kommentieren: Kurt Eissler: The function of details in the interpretation of works of literature.66 Ein Schlüsselbegriff von Eissler sind die „irrelevanten Einzelheiten“. Lacan vergleicht Eisslers Vorgehen mit seiner eigenen Arbeitsweise in diesem Seminar 6, bezogen auf Hamlet.
„[474] Das Kunstwerk – das keineswegs etwas ist, was die Realität verklärt, wie weit auch immer man sie fassen mögen – führt in seiner Struktur selbst diese Tatsache der Ankunft des Schnitts ein, insofern sich hier das Reale des Subjekts manifestiert, insofern es jenseits dessen, was es sagt, das unbewusste Subjekt ist.
Denn wenn dieses Verhältnis des Subjekts zur Ankunft des Schnitts ihm untersagt ist, insofern genau da sein Unbewusstes ist, ist es ihm [andererseits] nicht untersagt, insofern das Subjekt nämlich die Erfahrung des Phantasmas hat, das heißt, dass es durch das erwähnte Verhältnis des Begehrens animiert wird; und insofern etwas möglich wird – allein schon durch den Bezug auf diese Erfahrung und insofern sie intim mit dem [Kunst-]Werk verwoben ist –, wodurch das Werk diese Dimension ausdrücken wird, dieses Reale des Subjekts, insofern wir es eben genannt haben: Ankunft des Seins, jenseits jeder möglichen subjektiven Realisierung; und insofern dies die Tugend und die Form des Kunstwerks ist – diejenige, die Erfolg hat und auch diejenige, die scheitert –, dass es in diese Dimension verwickelt ist [intéresse], in diese Dimension, wenn ich so sagen kann, wenn ich mich der Topologie meines Schemas [des Graphen] bedienen kann, um es spürbar zu machen, in diese quer verlaufende Dimension, die nicht parallel zu dem Feld verläuft, das von der menschlichen Symbolisierung im Realen geschaffen wurde und das Realität genannt wird, sondern die hierzu quer verläuft; insofern nämlich, als das engste Verhältnis des Menschen zum Schnitt – insofern es über alle natürlichen Schnitte hinausgeht und es diesen wesentlichen Schnitt seiner Existenz gibt, nämlich dass er, der Mensch, da ist und er sich in eben dieser Tatsache der Ankunft des Schnitts verorten muss –, insofern dieses engste Verhältnis des Menschen zum Schnitt das ist, worum es beim Kunstwerk geht, und insbesondere in demjenigen, über das wir erst vor kurzem gesprochen haben, da es in dieser Hinsicht das problematischste ist, nämlich Hamlet.
[475] In Hamlet gibt es auch alle möglichen irrelevanten Dinge.67 Ich möchte sogar sagen, dass wir hierdurch vorangeschritten sind, aber auf eine Weise, die völlig rätselhaft ist. In jedem Moment können wir uns nur fragen, was diese Irrelevanz bedeutet. Denn eine Sache ist klar, dass niemals ausgeschlossen ist, dass Shakespeare das beabsichtigt hat.
Wenn Kurt Eissler – ob zu Recht oder zu Unrecht, ist nicht so wichtig – es im Werk von Ferdinand Raimund bizarr finden kann, dass man in einem bestimmten Moment eine Periode von fünf Jahren einführt, von der zuvor nie jemand gesprochen hatte, das ist die irrelevante Einzelheit, die ihn auf den Weg einer bestimmten Suche bringt, dann ist klar, dass wir, in Bezug auf das, was in Hamlet geschieht, keineswegs so vorgegangen sind, denn wir sind uns jedenfalls sicher, dass dieses Gewebe von irrelevanten Einzelheiten auf keinen Fall schlicht und einfach dadurch von uns aufgelöst werden kann, dass Shakespeare sich hier von seinem Genie führen ließ.
Wir haben das Gefühl, dass es, dieses Gewebe, aus einem bestimmten Grund da ist, und sei aus keinem anderen als zur Manifestation seines tiefsten Unbewussten. Es ist hier jedenfalls die Architektur dieser irrelevanten Einzelheiten, die uns zeigt, dass ihm wesentlich dies gelingt, sich in der entscheidenden Affirmation zu entfalten, die wir eben herausgestellt haben, nämlich in diesem Typ von Beziehung des Subjekts zu seiner tiefsten Ebene, als sprechendes Subjekt, d..h. insofern es seine Beziehung zum Schnitt als solchem zum Vorschein kommen lässt.“68
Anschließend spricht Lacan über Shakespeares Hamlet.
Schnitt im Exhibitionismus und im Voyeurismus (3.6.1959)
Lacan beginnt die Sitzung so:
„[481] Ich setze meinen Versuch fort, für Sie zu artikulieren, was in der Analyse unser Handeln regulieren sollte, insofern wir es im Subjekt mit dem Unbewussten zu tun haben.
Ich weiß, dass das nichts Leichtes ist. Und ich erlaube mir nicht alles, in der Art der Formulierung, zu der ich sie gern hinführen möchte. Bisweilen kommt es vor, dass meine Umwege mit meinem Gefühl zusammenhängen, dass es nötig ist, dass ich für Sie die Vorgehensweise spürbar machen muss, um die es geht. Es gelingt mir gleichwohl nicht zwangsläufig immer, dass Sie nicht die Orientierung verlieren. Trotzdem bitte ich Sie, mir zu folgen, mir Vertrauen zu schenken.
Und um wieder von dem Punkt auszugehen, an dem wir das letzte Mal waren, artikuliere ich auf einfachere Weise das, was ich formuliert habe – offenkundig nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen, nicht ohne dass ich mich bemühe, Mehrdeutigkeiten zu vermeiden –, als ich den Terminus des Seins in den Vordergrund rückte.
Und um mit Hammerschlägen voranzugehen, fordere ich – so gewagt Ihnen eine solche Formel auch erscheinen mag – die Wiederverwendung, die Wiedereingliederung bestimmter Termini in unsere täglichen Begriffe, von Termini, die so massiv sind, dass man seit Jahrhunderten nur mit einer Art respektvollem Zittern wagt, daran zu rühren.69 Ich möchte vom Sein und vom Einen sprechen.70
Sagen wir – selbstverständlich kann nur ihre Verwendung den Beweis für ihre Kohä-| [482] renz liefern –, dass das, was ich das Sein nenne, wobei ich bis zu einem bestimmten Punkt das letzte Mal so weit gegangen bin, es auf einer bestimmten Ebene seiner Emergenz als ‚reines Sein‘ zu qualifizieren, dass dies etwas ist, was den Termini entspricht, mit deren Hilfe wir uns orientieren, nämlich denen des Realen und des Symbolischen.
Und dass hier das Sein ganz einfach dies ist, dass wir keine Idealisten sind, dass für uns gilt, wie man in den Philosophiebüchern sagt, dass wir zu jenen gehören, die denken, dass das Sein dem Denken vorausgeht71, dass wir aber, um uns hier in unserer Arbeit als Analytiker zu orientieren, nichts weniger benötigen als das. Ich bedaure es, dass ich für Sie den Himmel der Philosophie in Bewegung versetzen muss, ich muss aber sagen, dass ich es nur notgedrungen und zwangsweise tue, und schließlich, weil ich nichts Besseres finde, um vorzugehen.
Das Sein, wir werden also sagen, dass es strenggenommen das Reale ist, insofern es sich auf der Ebene des Symbolischen manifestiert, aber dass wir es recht verstehen, dass dies auf der Ebene des Symbolischen ist. Auf jeden Fall, was uns angeht, so müssen wir sie nicht anderswo bedenken, diese Sache, die ganz einfach zu sein scheint, dies, dass es etwas Hinzugefügtes gibt, wenn wir sagen, es ist das, und dass dies auf das Reale abzielt, insofern, als im Symbolischen das Reale affirmiert oder zurückgewiesen oder verleugnet wird.
Dieses Sein, es ist nirgendwo anders – dass dies recht verstanden werde – als in den Intervallen, in den Schnitten und dort, wo es im eigentlichen Sinne des Wortes das am wenigsten Signifikante der Signifikanten ist, nämlich der Schnitt. Dass es dasselbe ist wie der Schnitt, vergegenwärtigt es im Symbolischen.
Und wir sprechen vom ‚reinen Sein‘. Ich werde es brutaler sagen, weil es scheint, dass einigen beim letzten Mal – und das gebe ich gern zu – einige der Formeln, die ich vorgebracht habe, als um die Sache herumredend erschienen sind, ja als verworren. Das reine Sein, um das es geht, das ist eben das Sein, von dem ich eben die allgemeine Definition gegeben habe, und dies insofern, als unter dem Namen des Unbewussten das Symbolische subsistiert, eine Signifikantenkette, gemäß einer Formel, die ich mit Ihrer Erlaubnis hier vorbringe: Jedes Subjekt ist eines.72
Hier muss ich Sie um Nachsicht bitten, das heißt darum, mir zu folgen. Das bedeutet einfach, dass Sie sich nicht vorstellen, das, was ich hier vorbringe, sei etwas, was ich mit weniger Vorsichtsmaßnahmen vorbringe als eben, als ich das Sein vorgebracht habe. Ich bitte Sie, mir zu glauben, dass ich mir, bevor ich zu Ihnen spreche, bereits klargemacht habe, dass das, was ich jetzt vorbringen werde, nämlich das Ein, kein eindeutiger Begriff ist und dass die philosophischen Wörterbücher Ihnen sagen werden, dass dieser Ausdruck auf mehr | [483] als eine Weise verwendet wird. Nämlich dass das Ein, welches das Ganze ist, in all seinen Verwendungen, in all seinen Gebrauchsweisen nicht zusammenfällt mit dem Ein als Zahl, d..h. mit der 1, die die Aufeinanderfolge und die Ordnung der Zahlen voraussetzt und hieraus hervorgeht.
Denn allem Anschein nach scheint es ja tatsächlich so zu sein, dass dieses Ein sekundär ist im Verhältnis zur Einführung der Zahl als solcher und dass für eine korrekte Ableitung – zumindest die empirischen Ansätze lassen daran keinen Zweifel, die englische Psychologie versucht, den empirischen Eintritt der Zahl in unsere Erfahrung zu begründen, und es ist nicht ohne Bedeutung, dass ich mich hier auf den Argumentationsversuch beziehe, der am meisten bodenständig ist. Ich habe Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, dass es unmöglich ist, die menschliche Erfahrung zu strukturieren, ich meine die allgemeinste affektive73 Erfahrung, ohne von der Tatsache auszugehen, dass das Menschenwesen zählt und dass es sich selbst zählt.
Ich möchte sagen – auf abgekürzte Weise, denn um weiter zu gehen, muss ich voraussetzen, dass Sie sich durch eine gewisse Zeit der Reflexion das angeeignet haben, was ich bereits gesagt habe –, dass das Begehren eng mit dem verbunden ist, was sich insofern ereignet, als das Menschenwesen / das menschliche Sein [l’être humain] sich im Signifikanten artikulieren muss, und insofern es in den Intervallen als Sein erscheint,74 auf einer Ebene, die wir etwas später vielleicht zu artikulieren versuchen werden, auf eine Weise, die ich absichtlich mehrdeutiger formulieren werde als beim Ein, wie ich es gerade eingeführt habe, denn ich glaube nicht, dass man je versucht hat, es als solches in eben seiner Mehrdeutigkeit richtig zu artikulieren. Das ist der Begriff des nicht ein. Insofern dieses S75 hier als dieses nicht ein erscheint, werden wir es heute wiederaufnehmen und neu betrachten, werden wir heute mit ihm zu tun haben.“ 76
Lacan fährt fort mit Ausführungen über das Zählen.
Später in dieser Sitzung bezieht er sich auf einen Aufsatz von Ruth Lebovici zum Thema der Übergangs-Perversion.77 Der Patient ist wegen einer Phobie in Analyse; die Übergangsperversion – also die Perversion, die im Verlauf der Behandlung entsteht und die später abrupt verschwindet – besteht in einer bestimmten voyeuristischen Praktik: der Patient beobachtet Frauen auf dem WC. Der Patient phantasiert, dass seine Heilung damit zusammenfällt, dass er mit der Analytikerin schläft. Lacan macht eine kritische Bemerkung zu der Art und Weise, wie Lebovici damit umging sowie zur allgemeinen Orientierung dieser Kur am Realitätsprinzip. Er fährt dann fort:
„[489] Das ist eine Konsequenz der allgemeinen Orientierung, die der Behandlung gegeben wird, und von etwas, was von der Autorin selbst sehr deutlich als der entscheidende Punkt angesehen wird, nämlich der Moment, in dem es darum geht, ein Phantasma zu deuten und ein Element dieses Phantasmas zu identifizieren oder nicht zu identifizieren.
Dies ist glücklicherweise und ganz großartig in diesem Moment, ich sage nicht: ein Mann in einer Rüstung78, sondern: eine Rüstung, die hinter dem Subjekt voranschreitet, eine Rüstung, die mit etwas ziemlich leicht Erkennbarem bewaffnet ist, denn es handelt sich um die Spritze eines Insektenvertilgungsmittels, das heißt um etwas, was man als besonders komische und auch besonders typische Repräsentation des phallischen Apparats hervorbringen kann, insofern er zerstörerisch ist.
Und dies, im Rückblick, zur größten Verlegenheit der Autorin.79 Davon waren tatsächlich viele Dinge abhängig, und sie ahnt, dass sich die Auslösung der künstlichen Perversion in der Folge ganz und gar daran aufgehängt hat. | [490] Alles hängt davon ab, dass dies in Kategorien der Realität gedeutet wurde, unbestreitbar der realen Erfahrung der phallischen Mutter, und bei diesem Subjekt nicht von dem her – was aus einer bestimmten Sicht auf diese Fallbeobachtung völlig klar hervorgeht, von dem Moment an, in dem man sie übernehmen will –, dass das Subjekt da das notwendige und fehlende Bild des Vaters als solchem auftauchen lässt, insofern er für die Stabilisierung des Begehrens des Subjekts erforderlich ist.
Und dennoch könnte uns nichts mehr zufriedenstellen als die Tatsache, dass diese fehlende Person dann in Gestalt einer Montage erscheint, als etwas, was das lebende Bild des Subjekts abgibt, insofern es mithilfe einer gewissen Anzahl von Schnitten wiederhergestellt ist, von Verbindungsstellen einer Rüstung, insofern sie Gelenke sind, reine Gelenke.
In diesem Sinne und auf ganz konkrete Weise könnte man noch einmal den Typ der Intervention vollziehen, der notwendig gewesen wäre, damit vielleicht das, was man hierbei Heilung nennt, mit geringeren Kosten hätte gefunden werden können als auf dem Umweg einer Übergangs-Perversion, die sich sicherlich im Realen abgespielt hat und die es uns unbestreitbar gestattet, in einer bestimmten Praxis daran zu rühren, inwiefern der Bezug auf die Realität in der Behandlung eine Regression darstellt.“80
Anschließend erläutert Lacan die Beziehung zwischen $ und a im Phantasma mit dem Modell des Fort-Da-Spiels.
Danach wendet er sich der Frage des Kastrationskomplexes zu und kommentiert die These von Ernest Jones, dass diesem Komplex die Angst vor dem Verschwinden des Begehrens zugrunde liegt, die Angst vor „Aphanisis“.81 Das impliziert, sagt Lacan, dass das Subjekt sich als begehrend begehrt. Dies ist für Lacan, anders als für Jones, speziell die Struktur des Neurotikers. Er fährt so fort:
„[491] Darum werde ich mich nicht als erstes dem Neurotiker zuwenden, weil Ihnen das zu leicht als eine einfache Verdopplung erscheint: ich begehre, begehrend zu sein, und begehre, begehrend begehrt zu sein, usw. Darum geht es überhaupt nicht, und darum ist es nützlich, das perverse Phantasma noch einmal durchzubuchstabieren.
[492] Und wenn ich heute nicht weiter gehen kann, dann werde ich versuchen, es in der Weise zu tun, dass ich eines dieser am leichtesten zugänglichen Phantasmen nehme – das übrigens eng mit dem verwandt ist, auf das ich eben anspielen musste, in der Fallstudie, auf die ich mich bezogen habe –, nämlich das Phantasma des Exhibitionisten und gleichermaßen das des Voyeuristen. Denn, Sie werden es sehen, vielleicht wäre es gut, wenn man sich nicht zufrieden gäbe mit der Art und Weise, wie die Struktur, um die es geht, gemeinhin dargestellt wird. Man hat die Gewohnheit, uns zu sagen: ‚Das ist sehr einfach, das ist sehr schön, dieses perverse Phantasma: der Schautrieb! Selbstverständlich gefällt es einem, zu schauen, es gefällt einem, beschaut zu werden.‘ Diese ‚charmanten vitalen Triebe‘, wie Paul Éluard irgendwo sagt.82 Kurz, es gibt da etwas, den Trieb, der Vergnügen an dem hat, was das Gedicht von Éluard sehr schön mit der Formel ‚Zu sehen geben‘ ausgedrückt hat, eine Manifestation der Gestalt, die sich von sich aus dem anderen anbietet.
Alles in allem, ich weise Sie darauf hin, das ist bereits nicht nichts, das zu sagen.
Das erscheint uns nicht mehr so einfach.“ 83
Nach einem knappen Exkurs über Zu-sehen-Geben und Erwartungsenttäuschung bei nicht-menschlichen Tieren heißt es:
„[493] Kehren wir jetzt zu unserem Exhibitionisten zurück. Schreibt er sich auf irgendeine Weise in diese Dialektik des Gezeigten ein, selbst insofern dieses Gezeigte mit den Wegen des anderen verbunden ist – ?84
Ich kann Sie hier einfach auf das Folgende in der exhibitionistischen Beziehung zum anderen hinweisen – um mich verständlich zu machen, werde ich Termini verwenden, die ein bisschen provisorisch sind, das sind sicherlich nicht die besten, nicht die literarischsten –, dass der andere in seinem komplizenhaften Begehren überrascht wurde – und Gott weiß, dass der andere es gelegentlich wirklich ist – von dem, was sich da ereignet, und von dem, was sich als was ereignet? als Bruch.
Beachten Sie, dass dieser Bruch nicht irgendeiner ist. Es ist wesentlich, dass dieser Bruch auf diese Weise die Falle für das Begehren ist. Das heißt, dass das ein Bruch ist, der sich so vollzieht, dass er von denjenigen, die wir hierbei ‚die Mehrheit‘ nennen wollen, nicht wahrgenommen wird und dass er von demjenigen, an den er sich wendet, als einer wahrgenommen wird, der anderswo nicht wahrgenommen wird.
Jeder weiß auch, dass es in der Privatsphäre – außer natürlich mit zusätzlichen Raffinements – keinen echten Exhibitionisten gibt. Genau dafür, dass es was davon hat, dass es Lust dabei gibt, muss sich das an einem öffentlichen Ort ereignen. Und dann kommen wir in unseren schlichten Holzschuhen zu dieser Struktur, und wir sagen ihm: ‚Mein kleiner Freund, wenn Sie sich aus solcher Ferne zeigen, liegt das daran, dass Sie fürchten, sich Ihrem Objekt zu nähern. Näher ran, näher ran!‘85
Ich frage, was dieser Scherz bedeutet. Glauben Sie, dass Exhibitionisten nicht vögeln? Die Klinik zeigt hier das glatte Gegenteil. Gelegentlich sind sie mit ihren Frauen sehr gute Ehemänner, nur ist das Begehren, um das es geht, anderswo. Es erfordert selbstverständlich andere Bedingungen, und es sind diese Bedingungen, bei denen man hier innehalten sollte.
Man sieht deutlich, dass diese Manifestation, diese ausgewählte Kommunikation, die hier mit dem Anderen hergestellt wird, ein bestimmtes Begehren nur insofern befriedigt, als eine bestimmte Manifestation des Seins und des Realen in ein bestimmtes Verhältnis gebracht sind, insofern nämlich, als es in den symbolischen Rahmen als solchen verwickelt ist. Deshalb ist übrigens ein öffentlicher Ort notwendig: damit man sich ganz sicher ist, dass man in einem symbolischen Rahmen ist.
[494] Das heißt – ich weise Sie darauf hin, wegen der Leute, die ihm vorwerfen, dass er es nicht wagt, sich dem Objekt zu nähern, dass er irgendeiner Furcht nachgibt –, dass ich als Bedingung für die Befriedigung ihres Begehrens gerade das Maximum an Gefahr angegeben habe. Hier wird man dann wieder in die andere Richtung gehen, ohne sich um den Widerspruch zu kümmern, und man wird sagen, dass es die Gefahr ist, die sie suchen. Das ist nicht unmöglich.
Versuchen wir jedoch, bevor wir so weit gehen, eine Struktur festzustellen. Nämlich, dass es auf der Seite desjenigen, der hier als Objekt figuriert, das heißt des oder der Betroffenen [intéressés], des kleinen Mädchens oder der kleinen Mädchen – vergießen wir nebenbei die Träne der guten Seelen über sie –, dass es vorkommt, dass diese die kleinen Mädchen sich während dieser Zeit da sehr amüsieren, vor allem, wenn sie zu mehreren sind,. Das macht sogar einen Teil der Lust des Exhibitionisten aus, das ist eine Variante. Das Begehren des Anderen ist also da als wesentliches Element, insofern es überrascht wird, insofern es, jenseits der Scham, darin verwickelt ist, insofern es gelegentlich daran beteiligt ist – alle Varianten sind möglich.
Auf der anderen Seite, was gibt es da? Da gibt es etwas, auf dessen Struktur ich Sie bereits aufmerksam gemacht habe und worauf ich eben wieder, so scheint mir, hinreichend verwiesen habe. Es gibt zweifellos das, was er zeigt, werden Sie mir sagen. Aber ich werde Ihnen sagen, dass das, was er hierbei zeigt, ziemlich variabel ist; das, was er zeigt, ist mehr oder weniger ruhmreich, aber das, was er zeigt, ist etwas Redundantes, das eher etwas verbirgt als dass es das enthüllt, worum es geht. Man darf sich nicht täuschen bei dem, was er als Beweis für die Erektion seines Begehrens zeigt, über den Unterschied zwischen diesem und dem Apparat seines Begehrens.
Dieser Apparat wird wesentlich durch etwas gebildet, was ich bereits hervorgehoben habe, durch das Wahrgenommene im Nicht-Wahrgenommenen, was ich ganz plump so genannt habe: eine Hose, die sich in dem öffnet und schließt – um es deutlich zu sagen –, was wir den Schlitz [fente] im Begehren nennen können. Das ist das Wesentliche. Und keine Erektion – so gelungen man sie auch annehmen mag – liefert hier einen Ersatz für das, was das wesentliche Element in der Struktur der Situation ist, nämlich für diesen Schlitz als solchen.
Da ist auch das, wo das Subjekt als solches sich bezeichnet. Da ist das, was man festhalten muss, um zu bemerken, worum es geht, und – mit großer Wahrscheinlichkeit gesagt –was ausgefüllt werden soll.
Wir werden später darauf zurückkommen, denn ich möchte dies <zunächst> durch die korrespondierende Phänomenologie des Voyeurs kontrollieren. Ich glaube, ich kann jetzt schneller vorangehen. Zu schnell voranzugehen, heißt jedoch wie immer, uns zu gestatten, zum Verschwinden zu bringen, worum es geht. Und darum nähere ich mich dem hier mit derselben Umsicht.
[495] Denn das, was wesentlich ist, und das, was beim Schautrieb ausgelassen wird, das ist, auch hier mit dem Schlitz zu beginnen, mit der Spalte [fente]. Denn für den Voyeur ist diese Spalte, so stellt sich heraus, ein Element der Struktur, das absolut unentbehrlich ist.
Und das Verhältnis des Wahrgenommenen zum Nicht-Wahrgenommenen ist hier nicht weniger deutlich, auch wenn es hier anders aufgeteilt ist. Mehr noch; ich will ins Detail gehen.
Da es um die Stütze geht, die im Objekt gefunden wird, das heißt im Anderen, ist das Wichtige an der Befriedigung, hier speziell an der voyeuristischen, eben dies, dass das, was gesehen wird, in die Angelegenheit verwickelt ist. Das macht einen Teil des Phantasmas aus. Denn ganz gewiss ist es sehr oft möglich, dass das, was gesehen wird, gesehen wird, ohne dass es das weiß. Das Objekt, sagen wir: das weibliche Objekt, weil es offenbar nicht ohne Bedeutung ist, dass die Forschung in dieser Richtung betrieben wird, das weibliche Objekt weiß sicherlich nicht, dass es gesehen wird.
In der Befriedigung des Voyeurs jedoch, ich meine in dem, wovon sein Begehren gestützt wird, gibt es dies, dass, auch wenn es, wenn man so sagen, hieran auf unschuldige Weise beteiligt ist, dass etwas im Objekt an dieser Funktion des Schauspiels mitmacht, es ist hier offen, es ist an dieser Dimension der Indiskretion potentiell beteiligt. Und in dem Maße, in dem etwas in ihren Gesten vermuten lassen kann, dass sie unter irgendeinem Gesichtspunkt in der Lage ist, sich hier anzubieten, erreicht das Genießen des Voyeurs genau sein richtiges und eigentliches Niveau.
Die überraschte Kreatur wird umso stärker erotisierbar sein, möchte ich sagen, als etwas in ihren Gesten sie uns als eine solche enthüllen kann, die sich dem anbietet, was ich ‚die unsichtbaren Gäste der Lüfte‘ nennen werde. Es ist nicht ohne Bedeutung, dass ich sie hier in Erinnerung rufe. Sie heißen ‚Engel der Christenheit‘, diejenigen, die Monsieur Anatole France die Frechheit hatte, in diese Angelegenheit einzubeziehen. Lesen Sie Aufruhr der Engel86, Sie werden hier zumindest das sehr genaue Band sehen, das die Dialektik des Begehrens mit dieser Art Virtualität eines Auges verbindet, das ungreifbar, aber immer vorstellbar ist. Und damit hat zu tun, dass die Bezüge, die zum Buch des Comte de Gabalis hergestellt werden87, hinsichtlich der mystischen Hochzeiten von Männern mit Sylphen und Undinen, nicht umsonst in den Text gelangt sind, den, sehr konzentriert in seinen Zielsetzungen, irgendeines der Bücher von Anatole France bildet.88
Deshalb ist bei dieser Aktivität, in der die Kreatur in diesem geheimen Verhältnis sich selbst gegenüber erscheint, bei diesen Gesten, in denen sich die Permanenz eines Zeugen verrät, vor dem man es sich nicht eingesteht, die Lust des Voyeurs auf ihrem Höhepunkt. Sehen Sie nicht, dass hier, in beiden Fällen, das Subjekt sich selbst auf das künstliche Gebilde [artifice] des Spalts [fente] reduziert?
Dieses künstliche Gebilde nimmt seinen Platz ein, den des Subjekts, | [496] und zeigt es tatsächlich als etwas, was auf eine miserable Funktion reduziert ist, nämlich auf die seine. Aber es ist durchaus das Subjekt, um das es geht – insoweit es im Phantasma ist, ist es der Spalt.
Die Frage nach der Beziehung dieser Spalte zu dem, was, unserer Erfahrung nach, das symbolisch Unerträglichste ist, nämlich die Gestalt, die hierauf am Platz des weiblichen Geschlechtsorgans antwortet, ist eine andere Frage, die wir hier offen lassen, für die Zukunft.
Aber jetzt wollen wir das in seiner Gesamtheit wieder aufgreifen und von einer poetischen Metapher ausgehen, von dem berühmten ‚Ich sah mich mich sehen‘ aus der Jungen Parze.89
Es ist ganz klar, dass dieser Traum von vollkommener Schließung, von erreichter Genügsamkeit, in keinem Begehren verwirklicht wird, außer im übermenschlichen Begehren der poetischen Jungfrau.
Indem sich der Voyeur und der Exhibitionist am Platz des ‚Ich sah mich mich sehen‘ verorten, verschaffen sie sich Zutritt zu einer Situation, die was ist? Genau eine Situation, in der der Andere nicht das ‚Ich sah mich‘ sieht, eine Situation des unbewussten Genießens des Anderen.90 Der Andere ist hier gewissermaßen zu einem Drittel enthauptet. Er weiß nicht, dass die Möglichkeit besteht, dass er gesehen wird. Er weiß nicht, was durch die Tatsache repräsentiert wird, dass er von dem erschüttert wird, was er sieht, nämlich von dem ungewöhnlichen Objekt, das der Exhibitionist ihm präsentiert, und das auf den Anderen seine Wirkung nur insofern ausübt, als es tatsächlich das Objekt seines Begehrens ist91, was er in diesem Augenblick aber nicht erkennt.
Es stellt sich also die Aufteilung einer doppelten Unwissenheit her. Denn wenn der Andere auf dieser Ebene als Anderer nicht das realisiert, wovon angenommen wird, das es sich im Geiste desjenigen realisiert, der sich entblößt oder desjenigen, der sich sieht, als mögliche Manifestation des Begehrens, so realisiert umgekehrt derjenige, der sich entblößt oder der sich sieht, in seinem Begehren nicht die Funktion des Schnitts, die ihn in einem heimlichen Automatismus abschafft, ihn in einem Augenblick vernichtet, dessen Spontaneität er absolut nicht erkennt, insofern sie das bezeichnet, was sich da als solches sagt, und was da auf seinem Höhepunkt ist, bekannt92, wenn auch gegenwärtig, aber aufgehoben.93 Er selbst erkennt nur dieses Manöver des schamhaften Tieres, dieses Ausweichmanöver, dieses Manöver, durch das er sich Schlägen aussetzt. Diese Spalte jedoch, in welcher Form auch immer sie sich darstellt, als Vorhang oder als Fernglas oder als irgendein Schirm, dieser Spalt ist hier das, was ihn in das Begehren des Anderen eintreten lässt.
Dieser Spalt ist der symbolische Spalt eines tieferen Mysteriums, desjenigen, das aufzuhellen ist, nämlich sein Platz auf einer bestimmten Ebene des Unbewussten, der es uns gestattet, den Perversen, als hierzu in einer bestimmten | [497] Beziehung <stehend>, auf dieser Ebene zu verorten. Das ist tatsächlich die Struktur des Begehrens als solche. Denn das, worauf er abzielt, ist das Begehren des Anderen als solches, das die Struktur seines eigenen Begehrens reproduziert.
Die perverse Lösung dieses Problems der Situation des Subjekts im Phantasma ist genau die folgende, nämlich das Begehren des Anderen anzuzielen und zu glauben, hier ein Objekt zu sehen.94
Die Zeit ist ziemlich weit vorangeschritten, so dass ich hier innehalte. Auch das ist ein Schnitt. Er hat einfach den Fehler, willkürlich zu sein.
Ich meine, das erlaubt es mir nicht, Ihnen die Originalität dieser Lösung95 zu zeigen, verglichen mit der neurotischen Lösung. Sie sollten einfach wissen, dass es aus diesem Grunde von Interesse ist, sie nebeneinander zu stellen und Sie, ausgehend von diesem Grundphantasma des Perversen, die Funktion sehen zu lassen, die das Subjekt des Neurotikers in dem Phantasma spielt, das für es kennzeichnend ist. Glücklicherweise habe ich Sie vorhin bereits darauf hingewiesen – er begehrt sich begehrend, habe ich Ihnen gesagt.
Und warum also <ist es so>, dass er nicht begehren kann, dass es dermaßen notwendig ist, dass er begehrt? Jeder weiß, dass es etwas gibt, was darin verwickelt ist, nämlich der Phallus im eigentlichen Sinne des Wortes. Denn Sie haben ja schließlich sehen können, dass ich in dieser Ökonomie bis jetzt die Intervention des Phallus aufgespart habe, diesen guten alten Phallus von früher. Bei zwei Wiederaufnahmen, bei der Wiederaufnahme des Ödipuskomplexes im letzten Jahr96 und in meinem Artikel über die Psychosen97, habe ich Ihnen den Phallus als etwas gezeigt, das mit der Vatermetapher verbunden ist, das heißt als etwas, das ins Spiel kommt, um dem Subjekt ein Signifikat zu geben. Aber es war unmöglich, ihn in die Dialektik, um die es geht, wieder einzuführen, bevor ich Ihnen nicht zunächst dieses Element der Struktur geliefert habe, durch welches das Phantasma konstituiert ist, wovon ich Sie bitten möchte – in einer letzten Anstrengung, in dem Moment, in dem wir heute auseinandergehen – von nun an die Symbolik zu akzeptieren.
Ich will sagen, dass von nun an das $ im Phantasma, insofern es diesem a gegenübersteht und im Gegensatz zu ihm steht, in Bezug auf das Sie sicherlich begriffen haben, dass ich Ihnen heute gezeigt habe, dass es durchaus komplizierter war als die drei Formen, die ich Ihnen zunächst als Zugang gegeben hatte, weil das a hier das Begehren des Anderen ist, in dem Fall, den ich darstelle –.
Sie sehen also, dass alle Formen des Schnitts, einschließlich genau derjenigen, die den Schnitt des Subjekts reflektieren, signalisiert werden.98
Ich bitte Sie, den folgenden Begriff zu akzeptieren, ich gestatte mir sogar die Lächerlichkeit, mich auf eine Notation von zu beziehen, welche die imaginären Zahlen betrifft.
Ich habe Sie am Rande des nicht ein gelassen, bei diesem Verschwinden des Subjekts.99
Dieses nicht ein und sogar dieses wie nicht ein – insofern es das ist, was uns die Öffnung hin zur Einzigartigkeit des Subjekts gibt100 –, das ist das, was ich das nächste Mal wiederaufnehmen werde.
Wenn ich Sie aber bitte, es auf diese Weise zu notieren, dann genau deshalb, damit Sie darin | [498] nicht die allgemeinste und zugleich die verworrenste Form der Negation sehen. Wenn es so schwierig ist, über die Negation zu sprechen, dann liegt das daran, dass niemand weiß, was das ist. Ich habe Ihnen jedoch bereits zu Anfang dieses Jahres die Öffnung angezeigt, von der Differenz her, die es zwischen Verwerfung und Diskordanz gibt.101 Im Augenblick verweise ich Sie – in einer geschlossenen, abgeschlossenen, symbolischen Form, aber genau deshalb entscheidenden Form – auf eine andere Form dieser Negation.102 Das ist etwas, wodurch das Subjekt in einer anderen Größenordnung lokalisiert wird.“103
Damit endet die Sitzung.
Jenseits des Kastrationskomplexes: der Schnitt (10.6.1959)
Lacan spricht weiter über das Konzept der Aphanisis (des Verschwindens des Begehrens) von Ernest Jones.
„[501] Wir sehen im Phantasma, dass die Aphanisis –; zumindest da, wo das Wort Verschwinden – Fading habe ich auch gesagt – für uns brauchbar ist, ist es nicht als Aphanisis des Begehrens, sondern insofern es, auf der Spitze des Begehrens, Aphanisis des Subjekts gibt. Das Subjekt, insofern es sich an seinem Platz verorten würde, es sich da, wo in der unbewussten Signifikantenkette ‚es spricht‘, als ‚ich [je] ‘artikulieren würde, insofern es da auf sich nur verweisen kann, als etwas von seiner Position als Subjekt Verschwindendes.
Von da aus sehen wir, worum es sich handeln wird.
Wenn wir diesen Extrempunkt definiert haben, diesen imaginären Punkt104, an dem das Sein des Subjekts in seiner maximalen Dichte besteht – das sind nur Bilder, damit Ihr Geist sich an eine Metapher klammert –, ausgehend von dem Moment, an dem wir sehen, an dem wir diesen imaginären Punkt definieren, wo das Sein des Subjekts – insofern es das ist, was im Unbewussten zu artikulieren, zu benennen ist – letztlich in keinem Fall im Unbewussten benannt werden, sondern nur angezeigt werden kann durch etwas, was sich selbst als Schnitt offenbart, als Spalte, als Struktur des Schnitts im Phantasma.
Um diesen imaginären Punkt herum – und das ist in jedem Bereich legitim, wenn wir seine Struktur artikulieren können, durch das, was davon ausgeht – werden wir versuchen, das zu verorten, was tatsächlich bei den verschiedenen Formen des Subjekts vor sich geht, Formen, die keineswegs zwingend homogen sind, Formen, die von einer Seite her verständlich sind, nämlich für denjenigen, der auf der anderen Seite ist.“105
Lacan fährt fort mit Bemerkungen über das Verschwinden des Subjekts im Unterschied zum Verschwinden des Begehrens.
Später in dieser Sitzung geht es um die Alternative „der Phallus sein oder nicht sein“ versus „den Phallus haben oder nicht haben“, beim kleinen Hans und bei Hamlet.
„[509] Wenn Sie mir gestatten, mich eines sogenannten logischen Zeichens zu bedienen, nämlich des v106, dessen man sich bedient, um das Entweder-Oder der Unterscheidung zu bezeichnen:
Das Subjekt sieht, wie sich für es die Wahl auftut zwischen dem ‚nicht er sein‘, nicht der Phallus sein107, oder aber, wenn er es ist, ‚ihn nicht zu haben‘, d..h. der Phallus für den anderen sein, der Phallus in der intersubjektiven Dialektik. Das ist es, worum es geht.
Und in diesem Spiel verspürt der Neurotiker das Nahen, die Integration seines Begehrens als Drohung mit einem Verlust. Das ‚nicht Ein‘, womit sich das $108 in der grundlegenden Struktur des Begehrens bezeichnet, verwandelt sich in ein ‚eins zuviel‘ oder ‚etwas zu viel‘ oder in ein ‚etwas zu wenig‘, in die Kastrationsdrohung für den Mann oder in den als Abwesenheit verspürten Phallus für die Frau.
Darum kann man sagen, dass im Ausgang der analytischen Entmystifizierung der Position des Neurotikers etwas in seiner Struktur bestehen zu bleiben scheint, zumindest das, was Freud uns mit seiner eigenen Erfahrung bezeugt, das sich als ein Rest darstellt, als etwas, was dafür sorgt, dass das Subjekt in jedem Fall in einer inadäquaten Position bleibt, derjenigen der Phallusgefahr beim Mann, derjenigen der Phallusabwesenheit bei der Frau.
Aber das ist vielleicht auch insofern so, als in der Betrachtungsweise, die für die Lösung des Problems der Neurose zunächst angenommen wurde, die transversale Dimension – das, worin das Subjekt es in seinem Begehren mit der Manifestation seines Seins als solchem zu tun hat, mit ihm als möglichem Urheber der Schnitts –, insofern als diese transversale Dimension vernachlässigt wird, anders ausgedrückt, dass der Analytikers auf die Reduktion der neurotischen Position des Begehrens abzielt und nicht auf das Herausarbeiten der Position des Begehrens als solcher, außerhalb des Verklebtseins in diese spezielle Dialektik, die des Neurotikers.“109
Hiernach geht es um die Beziehung von Phallus und Narzissmus, bezogen auf die Angst, den Phallus zu verlieren.
Der Schnitt und das Nichtsein (24.6.1959)
Zu Beginn der Sitzung spricht Lacan über die Partialtriebe. Er fährt dann fort:
„[536] Deshalb könnten Sie in gewisser Weise denken, dass wenn man mit dem ($ ◊ a) definiert – das hier im Schema oder Graphen verortet ist, dessen wir uns bedienen, um die Position des Begehrens bei einem sprechenden Subjekt zu erklären, zu exponieren –, dass es da letztlich nichts anderes gibt als eine sehr einfache Notation: Beim Begehren ist Folgendes forderbar, nämlich die Beziehung des Subjekts zum Objekt, dass a das Objekt ist, das große S das Subjekt ist und mehr nicht. Das Originellste an dieser Notation ist dieser kleine Strich [barre], der daran erinnert, dass das Subjekt, auf diesem Höhepunkt der Vergegenwärtigung des Begehrens, selbst vom Sprechen gekennzeichnet ist. Und das ist schließlich nichts anderes als das, was daran erinnert, dass die Triebe fragmentiert sind.
Man sollte gut festhalten, dass sich die Tragweite dieser Notation keineswegs darauf beschränkt.
Diese Notation bezeichnet nicht ein Verhältnis des Subjekts zum Objekts, sondern das Phantasma, das Phantasma, von dem dieses Subjekt als Begehrendes gestützt wird, das heißt an diesem Punkt jenseits seines Diskurses, wo es um das Reale geht.110
Diese Notation bedeutet, dass im Phantasma das Subjekt als Subjekt des unbewussten Diskurses gegenwärtig ist. Das Subjekt ist hier gegenwärtig, insofern es im Phantasma durch die Funktion des wesentlichen Schnitts repräsentiert wird, der der seine ist, des Schnitts in einer Rede, die nicht irgendeine Rede ist, die eine Rede ist, die ihm entgeht, die Rede des Unbewussten.“111
Lacan fährt fort mit Bemerkungen über die perversen Phantasmen.
Nach Hinweisen zum Masochismus heißt es:
„[539] Kurz gesagt, hier ist also etwas, wo etwas erfasst wird, wo etwas erscheint, das man mit Händen greifen kann, nämlich dass es in der Konstituierung des Subjekts als Subjekt so ist – und insofern diese Konstituierung der Rede innewohnt, und insofern die Möglichkeit bis zum Äußersten getrieben ist –, dass diese Rede als solche, die hier im Phantasma enthüllt wird, entfaltet ist, dass diese Rede es, das Subjekt, für ein Nichts hält, dass wir einen der ersten Zugänge finden. Einen, mein Gott, ziemlich wichtigen Zugang, weil darauf, weil sich davon ausgehend eine gewisse Anzahl von symptomatischen Manifestationen entwickelt. Ein Zugang, der es uns gestatten wird, am Horizont das Verhältnis zu sehen, dass es hier geben kann, zwischen dem Todestrieb, begriffen als eine der radikalsten Instanzen, und etwas in der Rede, das diese Stütze liefert, ohne die wir nirgendwo Zugang zu ihm finden könnten, die Stütze dieses Nichtseins, die eine der ursprünglichen, konstitutiven, impliziten Dimensionen ist, an den Wurzeln jeder Symbolisierung.
Denn wir haben bereits ein ganzes Jahr lang, das Jahr, das wir dem Jenseits des Lustprinzips gewidmet haben, diese Funktion artikuliert, die der Symbolisierung eigen ist, die wesentlich in der Fundierung des Schnitts besteht, also das, wodurch der Strom der ursprünglichen Spannung, welcher auch immer, von einer Reihe von Alternativen erfasst wird, die das einführen, was man die Fundamentalmaschine | [540] nennen kann, die eigentlich das ist, was wir als abgelöst, als freigestellt am Ursprung der Schizophrenie des Subjekts wiederfinden, wo das Subjekt sich, verglichen mit dem vitalen Strom, mit der Diskordanz dieser Maschine identifiziert, mit dieser Diskordanz als solcher.112
In diesem Sinne, ich mache Sie am Rande darauf aufmerksam, rühren Sie, auf eine exemplarische Weise, auf eine Weise, die zugleich radikal und völlig zugänglich ist, an eine der hervorstechendsten Funktionen dieser Verwerfung*. Insofern der Schnitt für die Rede zugleich konstitutiv ist und ihr gleichzeitig unheilbar äußerlich ist, insofern er sie konstituiert, kann man sagen, dass das Subjekt, insofern es sich mit dem Schnitt identifiziert, verworfen* ist.
Eben darin erfasst es sich als real, nimmt es sich als real wahr.
Ich will Sie hier nur auf eine andere Form des ‚Ich denke, also bin ich‘ hinweisen, auf eine Form, die sich, so glaube ich, nicht grundlegend unterscheidet, die aber sicherlich ganz anders artikuliert und vertieft ist. Ich meine, insofern das Subjekt an dieser Rede teilhat – und es gibt zusätzlich zur kartesischen Dimension nur dies, dass diese Rede eine ist, die ihm entgeht, und dass er zwei ist, ohne es zu wissen –, insofern es der Schnitt dieser Rede ist, ist es auf dem höchsten Grade des ‚ich bin‘, das diese singuläre Eigenschaft hat – in dieser Realität, die wirklich die letzte ist, in der ein Subjekt sich erfasst –, nämlich die Möglichkeit, die Rede irgendwo abzuschneiden, eine Interpunktion vorzunehmen.
Diese Eigenschaft, in der sein wesentliches Sein lieg, sein Sein, in dem es sich erfasst, insofern es durch das einzige reale Eindringen, das es als Subjekt radikal in die Welt einbringt, dennoch ausgeschlossen ist, aus allen anderen lebendigen Beziehungen, bis zu dem Punkt, dass all die Umwege – die wir anderen, wir Analytiker, kennen – notwendig sind, damit Ich [Je] es hier reintegriert.“113
Lacan wechselt dann von der Perversion zur Neurose.
Nach einer Bemerkung zum Kontrast zwischen Neurose und Perversion heißt es:
„[542] Beim Perversen geht es natürlich ebenfalls um ein Aufklaffen [béance]. Auch hier kann es nur – weil eben das die grundlegende Beziehung ist – um das Subjekt gehen, das sein Sein im Schnitt [ …]114 Es geht darum zu wissen, wie dieser Schnitt vom Perversen erlebt wird, ertragen wird.
Und eben hier ist sicherlich die jahrelange Arbeit von Analytikern – insofern es Ihnen ihre Erfahrungen mit perversen Kranken gestattet haben, Theorien zu artikulieren, die bisweilen widersprüchlich sind und schlecht miteinander verbunden, aber aufschlussreich hinsichtlich der Art der Schwierigkeit, mit der sie es zu tun haben –, hier ist diese Arbeit etwas, das wir in gewisser Weise zu Kenntnis nehmen können, ich meine etwas, worüber wir sprechen können, als Material, das selbst bestimmte strukturale Notwendigkeiten verrät, nämlich genau diejenigen, die wir hier zu formulieren versuchen.
Ich werde also sagen, dass wir in den Versuch, den wir hier machen, die reale Funktion des Begehrens einzuführen, selbst noch den diskreten Wahn einschließen können, selbst noch den gut organisierten Wahn, zu dem diejenigen gebracht worden sind, die sich diesem Thema auf dem Wege dieser Verhaltensweisen genähert haben, ich meine Psychoanalytiker.
Ich werde ein Beispiel dafür geben. Ich glaube, dass gegenwärtig, alles zusammengenommen, niemand besser, glaube ich, über die Perversion gesprochen hat als ein Mann, der sehr diskret ist und der von seiner Person her voller Humor ist, ich | [543] meine Monsieur Gillespie. Denjenigen, die Englisch lesen, empfehle ich – sie werden den größten Nutzen daraus ziehen –, die erste Studie von Gillespie, die dieses Thema in Bezug auf den Fetischismus angeht, in Gestalt eines Artikels Beitrag zum Fetischismus, Oktober 1940, I.J.P., und dann Anmerkungen, die er der Analysis of sexual perversions gewidmet hat, im 33. Jahrgang, 1952, Teil 4, und schließlich das letzte, was er geliefert hat, im Juli-Oktober-Heft 1956, 37. Jahrgang, Teile 4 und 5: Die allgemeine Theorie der Perversionen.115
Daraus wird für Sie etwas zutage treten, nämlich dass <dies> jemand <ist>, der insgesamt sehr frei ist und der recht gut die unterschiedlichen Wege gegeneinander abwägt, auf denen man versucht hat, die Frage anzugehen, die natürlich deutlich komplexer ist, als man es sich in einer summarischen Sicht vorstellen mag, wonach die Perversion schlicht und einfach der Trieb wäre, der sich mit unverhülltem Gesicht zeigen würde.116 Das heißt jedoch auch nicht, wie man gesagt hat, dass die Perversion durch eine Art Ansatz zusammengefasst werden könnte, der letztlich bestrebt ist, sie mit der Neurose zu homogenisieren.
Ich gehe direkt zu dem, was zum Ausdruck gebracht werden muss, zu dem, was uns von nun an als Bezugspunkt dienen wird, um die Perversion unter verschiedenen Aspekten zu befragen. Der Begriff splitting ist hier [bei Gillespie] wesentlich. Er zeigt bereits etwas, dem wir applaudieren könnten – und glauben Sie nicht, dass ich mich hier hineinstürzen werde –, als etwas, was in gewisser Weise die Funktion abdeckt, die Identifizierung des Subjekts mit der Spalte oder dem Schnitt der Rede, also mit dem, was ich Ihnen beibringe, als die subjektive Komponente des Phantasmas zu identifizieren.
Das heißt gerade nicht, dass die Art von Herauskristallisierung, die mit dieser Erkenntnis einhergeht, sich nicht bereits angeboten hätte und nicht die Gelegenheit zu einer Art Einblick geboten hätte, von sich aus ein wenig schamhaft, bei einem der Autoren, die sich mit der Perversion befasst haben.
Um das zu belegen, muss ich mich nur auf den dritten Fall beziehen, auf den Monsieur Gillespie sich im zweiten Artikel bezieht. Das ist der Fall eines Fetischisten.
Ich werde Ihnen diesen Fall knapp skizzieren. Es handelt sich um einen dreißigjährigen Fetischisten, dessen Phantasma der Analyse zufolge ausdrücklich darin besteht, von den Zähnen der Mutter in zwei Teile gespalten zu werden, deren penetrierender Bug, wenn ich das so sagen kann, hier durch seine angebissenen Brüste repräsentiert wird, außerdem durch die Spalte, die er gerade penetriert hat und die sich plötzlich in eine Kreatur verwandelt, die einem behaarten Gorilla ähnelt.117 Kurz, insgesamt eine Rückkehr zu einer Auflösung-Neuzusammensetzung. Was | [544] Monsieur Gillespie als Kastrationsangst bezeichnet, wird auf eine Reihe von Abläufen bezogen, in die auch die ursprüngliche Forderung an die Mutter interveniert118 oder die ursprüngliche Trauer der Mutter119, und andererseits eine Konzeption, die, wie ich sagen muss, unbewiesen ist, die aber am Ende der Analyse schließlich vom Analytiker vermutet wird: eine kleinianische Konzeption mit einer Identifizierung mit der Spalte.
Sagen wir, dass Monsieur Gillespie am Ende des Artikel über diese Art Einsicht oder Intuition schreibt – halb angenommen, fragend, überlegend –, die aber meines Erachtens wirklich bedeutsam ist für den Extrempunkt, zu dem jemand geführt wird, der aufmerksam verfolgt, ich meine nach der zeitlichen Entwicklung, nach dieser Erklärung, die nur die Analyse uns von dem gibt, was sich am letzten Grunde der perversen Struktur findet:
‚Die Konfiguration des Materials hat uns in diesem Moment zu einer Spekulation über das Phantasma in Verknüpfung mit dem split ego geführt.‘120
Das ego refendu [gespaltene Ich], wenn wir diesen Ausdruck refendu akzeptieren, dessen man sich gern bedient, um von diesem splitting zu sprechen, mit dem Freud in gewisser Weise sein Werk beendet hat. Denn, ich glaube, Sie wissen es, der unvollendete Artikel von Freud über die Ichspaltung, die Feder ist ihm aus der Hand gefallen, wenn man so sagen kann, und er hat ihn unvollendet gelassen; dieser Artikel ist nach seinem Tod gefunden worden.121
Diese Ichspaltung hat Monsieur Gillespie
‚zu einer Spekulation über das Phantasma geführt, verknüpft mit der Ichspaltung und dem gespaltenen Objekt.‘
Wenn wir diesen Ausdruck verwenden, können wir dasselbe Wort verwenden, es ist das ‚split ego‘ und das ‚split object‘.
‚Ist das weibliche Genitalorgan‘,
fragt sich Gillespie,
‚nicht das gespaltene Objekt, das split object, par excellence, und kann das Phantasma eines split ego nicht von einer Identifizierung mit dem Genitalorgan herrühren, das eine Spalte ist, mit dem split female genital? Mir ist bewusst‘,
sagt er,
‚dass wir uns, wenn wir vom splitting des ego sprechen, von der Ichspaltung, und vom entsprechenden Objekt, auf mentale Mechanismen beziehen, von denen wir annehmen, dass sie den Phänomenen zugrundeliegen …‘
Ich meine damit [will Gillespie hier sagen], dass wir Wissenschaft betreiben, dass wir uns in wissenschaftlichen Begriffen bewegen,
‚… und dass das Phantasma zu einer anderen Ebene des Diskurses gehört.‘
Die Art der Fragen, die Monsieur Gillespie sich stellt, ist interessant,
‚Dennoch müssen die Phantasmen, unsere eigenen und nicht weniger diejenigen unserer Patienten, immer eine Rolle spielen in der Art und Weise, wie wir diese zugrundeliegenden Prozesse konzeptualisieren.
Es scheint uns deshalb, dass das Phantasma, | [545] selbst in zwei Stücke gespalten zu sein, ganz wie die Vulva gespalten ist, vielleicht völlig angemessen sein kann für den mentalen Mechanismus der Objektspaltung und der Introjektion des gespaltenen Objekts, die zur Spaltung des Ichs führt.
In einem solchen Phantasma von der Vulva als einem gespaltenen Objekt, ist natürlich impliziert, dass es einmal intakt war und dass die Spaltung, das splitting, das Ergebnis eines sadistischen Angriffs ist, sei es durch den Vater oder durch einen selbst.‘
Es ist wohl klar, dass wir hier mit etwas konfrontiert sind, was uns bei einem so vorsichtigen und maßvollen Geist wie Monsieur Gillespie nicht anders als verblüffen kann, als etwas, wo er selbst spielt, um einen Gedanken bis zum Äußersten zu führen, indem er gewissermaßen auf eine Art von ganz ursprünglichem Identifizierungs-Schema das reduziert, was uns dann zur Erklärung für etwas dienen kann, was hierbei nicht weniger ist als die Persönlichkeitsstruktur des Subjekts. Denn das, worum es in diesem gesamten Artikel geht – nicht nur dieser Fall wäre zu zitieren – , das ist etwas, was so spürbar ist und was sich in der Übertragung mit den Perversen zersetzt, nämlich bestimmte Formen des splitting, solche, die man in einem derartigen Fall häufig als veritable Persönlichkeitsspaltungen bezeichnen würde.
Die Persönlichkeitsspaltung des Perversen gewissermaßen auf die beiden Klappen des ursprünglichen Organs der Phantasmatisierung aufzutragen, das ist etwas, was hierbei wohl dazu geeignet ist, uns zum Lächeln zu bringen, ja, uns zu verblüffen.“122
Danach spricht Lacan über das Buch von Jean Delay über André Gides Jugend.123 Er verweist auf seinen, Lacans, eigenen Aufsatz zu Gide, der sich auf die Arbeit von Delay stützt124 und zitiert danach eine Passage aus Gides Autobiographie.125, in der Gide schildert, welche Szenen ihn als Kind in sexuelle Erregung versetzt haben.
„[546] Ich kann mich nicht mit einer langen Erläuterung aufhalten, die klein-klein, Punkt für Punkt, die gesamte Geschichte | [547] von André Gide wieder aufnimmt, wie sein Werk [nämlich das von Delay] sich bemüht hat, es in seinen verschiedenen Etappen herauszuarbeiten.
[Gide:] ‚Aber um zu sagen, wie weit der Instinkt eines Kindes in die Irre gehen kann, möchte ich genauer auf zwei Themen meines Genießens [jouissance] hinweisen: Das eine wurde mir in dieser bezaubernden Erzählung über Gribouille126 geliefert, der sich ins Wasser stürzt, an einem Tag, an dem es stark regnet, keineswegs, um sich vor dem Regen zu schützen, wie seine unartigen Brüder ihn glauben machen wollten, sondern um sich vor seinen Brüdern zu schützen, die sich über ihn lustig gemacht haben. Im Fluss strengt er sich an und schwimmt eine Zeit lang, dann gibt er sich hin; und von dem Moment an, in dem er sich hingibt, treibt er dahin; dann spürt er, wie er ganz klein wird, leicht, seltsam, pflanzlich; Blätter sprießen ihm am ganzen Körper; und bald kann das Wasser des Flusses am Ufer den zarten Eichenzweig ablegen, zu dem unser Freund Gribouille geworden ist.– Absurd!‘
lässt der Schriftsteller seinen Gesprächspartner ausrufen.127
‚Aber genau deshalb erzähle ich es; es ist die Wahrheit, was ich sage, und keineswegs das, was mir zur Ehre gereicht. Und sicherlich dachte die Großmutter von Nohant128 überhaupt nicht daran, damit etwas Ausschweifendes zu schreiben; aber ich bezeuge, dass keine Seite mit Aphrodite einen Schüler so sehr betören konnte wie den kleinen Unwissenden, der ich war, diese Metamorphose von Gribouille in eine Pflanze.‘
Ich füge – um später darauf zurückzukommen, da man dessen Dimension nicht verkennen darf – das andere Beispiel hinzu, das er uns für dieses Phantasma gibt, und das seine ersten Orgasmen hervorgerufen hatte:
‚Es gab auch in einem dummen kleinen Theaterstück von Madame de Ségur129, Das Abendessen von Fräulein Justine130 eine Passage, in der die Dienstboten die Abwesenheit der Herrschaft ausnutzen, um zu schlemmen; sie durchwühlen alle Schränke; sie lassen es sich gut gehen; dann aber, als Justine sich nach vorn beugt und einen Stapel Teller aus dem Schrank holt, kneift der Kutscher ihr verstohlen in die Taille; Justine, die kitzlig ist, lässt den Stapel fallen; bums! das ganze Geschirr zerbricht. Die Verwüstung ließ mich in Ohnmacht fallen.‘131
Wenn Sie mehr davon brauchen, um das Verhältnis zu erfassen, das Phantasma des zweiten zu etwas gänzlich ursprünglichem, das es in der Beziehung des Subjekts zum Schnitt zu artikulieren gilt, dann werde ich Ihnen zitieren – das ist bei solchen Subjekten ganz üblich –, dass eines der Fundamentalphantasmen bei der masturbatorischen | [548] Initiation beispielsweise auch das Phantasma einer verbalen Offenbarung war, die sich genauer auf etwas bezog, was die im Phantasma vorgestellte Sache ist, nämlich beispielsweise eine sexuelle Initiation, als Thema des Phantasmas genommen, soweit es ein solches gibt.
Das im ersten dieser Phantasmen des Subjekts [also von Gide] entdeckte Verhältnis zu etwas Abgelöstem, das zunehmend erblüht, hat etwas Bemerkenswertes, insofern es uns etwas vergegenwärtigt, was durch hundert analytische Beobachtungen bewiesen ist, nämlich das Thema, das jetzt völlig akzeptiert und gängig ist, die Art der Identifizierung des Subjekts mit dem Phallus, insofern er aus der Phantasmatisierung eines inneren Objekts der Mutter hervorgeht. Dies ist die Struktur, die einem üblicherweise begegnet, und bei der es im Augenblick keine Schwierigkeit geben wird, von irgendeinem Analytiker als solche akzeptiert und erkannt zu werden.
Das Wichtige – hier sehen wir es – ist als solches im Phantasma manifestiert, im Phantasma als Stütze von etwas erfasst, was für das Subjekt eine der Erfahrungen seines anfänglichen erotischen Lebens repräsentiert, eines […]132, und für uns ist es wichtig, genauer zu wissen, um welche Art von Identifizierung es sich handelt.
Wir haben gesagt, dass die Metonymie des Neurotikers wesentlich darin besteht, dass er er nur ist [dass er, der Neurotiker, der Phallus nur ist] – im Grenzfall, das heißt an einem Punkt, den er in der flüchtigen Perspektive seiner Symptome erreichen wird –, insofern er ihn nicht hat, den Phallus, und es geht darum, das nicht zu enthüllen. Das heißt, dass wir bei ihm, in dem Maße, in dem die Analyse voranschreitet, einer wachsenden Kastrationsangst begegnen.
Bei der Perversion gibt es etwas, was wir als Umkehrung der Beweislast bezeichnen können. Das, was vom Neurotiker bewiesen werden muss, nämlich das Fortbestehen seines Begehrens, wird hier, in der Perversion, zur Grundlage des Beweises. Sehen sie hierin, im Rahmen der Analyse, so etwas wie eine Art ehrenhafte Wiederkehr dessen, was wir ‚Begründung durch das Absurde‘ nennen. Für den Perversen stellt sich die Verbindung her, die in einem einzigen Terminus vereinigt, indem sie diese leichte Öffnung einführt, die eine ganz spezielle Identifizierung mit dem Anderen ermöglicht, die in einem einzigen Terminus das ‚es ist er‘ [es, das Subjekt, ist der Phallus] und ‚es hat ihn‘ [es, das Subjekt, hat den Phallus] vereint. Dafür genügt es, dass dieses ‚es hat ihn’ gegebenenfalls dies ist: ein ‚sie wird ihn haben‘, das heißt das Objekt der primären Identifizierung. Es wird ihn haben, den Phallus, das Objekt der primären Identifizierung, ob dieses Objekt sich nun, in dem einen Fall, in einen Fetisch verwandelt hat oder, im anderen Fall, in ein Idol.
Die ganze Spannweite, zwischen der fetischistischen Form dieser homosexuellen Liebesbeziehungen und der idolatrischen Form, wird uns von Gide illustriert.
Die Verbindung wird, wenn man sich so ausdrücken kann, in der natürlichen Stütze eingerichtet. Wir werden sagen, dass die Perversion sich als eine Art natürliche Simulation des Schnitts darstellt. Insofern ist die Intuition von Gillespie wie ein Fingerzeig: Das was das Subjekt nicht | [549] hat, hat es im Objekt. Das was das Subjekt nicht ist, sein ideales Objekt ist es. Kurz, ein bestimmtes natürliches Verhältnis wird als Material für diesen subjektiven Spalt genommen, der das ist, was in der Perversion wie in der Neurose zu symbolisieren ist.
Es ist der Phallus als inneres Objekt der Mutter, und es hat ihn in seinem Objekt des Begehrens. Das ist mehr oder weniger das, was wir beim männlichen Homosexuellen sehen.“133
Lacan fährt fort mit Bemerkungen über weibliche Homosexuelle.
Die Unterbrechung der Verbindung (1.7.1959)
Lacan spricht über den Phallus und darüber, ob seine Konzeption der Psychoanalyse phallozentrisch ist. Dann heißt es:
„[564] Den Charakter des Objekts insofern es das Objekt des Begehrens ist, müssen wir also dort suchen, wo die menschliche Erfahrung ihn uns bezeichnet, ihn uns bezeichnet in der paradoxesten Form, so habe ich genannt, was wir üblicherweise als Fetisch bezeichnen […]. […]
‚Ich sah den Teufel letzte Nacht‘,
sagt irgendwo Paul-Jean Toulet,
‚und unter seinem Mantel
ragten hervor seine beiden …‘.
Das endet mit
‚Sie fallen, wie du siehst, nicht alle,
Die Früchte der Wissenschaft!‘134
Nun ja, dass sie hierbei auch für uns nicht alle fallen und dass wir uns klarmachen, dass das, was wichtig ist, nicht so sehr diese verborgenen Früchte sind, als vielmehr das Trugbild, das dem Begehren gegenwärtig ist, als vielmehr genau der Mantel.
Der Fetisch ist dadurch charakterisiert, dass er der Mantel ist, der Rand, die Franse, der Flitterkram, die Sache, die bedeckt, die Sache, die genau darin besteht, dass nichts geeigneter wäre für die Funktion des Signifikanten dessen, worum es geht, nämlich des Begehrens des Anderen.
Das heißt, das, womit das Kind in seiner Beziehung zum Subjekt des Anspruchs es ursprünglich zu tun hat, nämlich damit, was es außerhalb des Anspruchs ist, dieses Begehren der Mutter, das es nicht entziffern kann, es sei denn auf höchst virtuelle Weise, nämlich mithilfe dieses Signifikanten, den wir Analytiker, was auch immer wir in unserem Diskurs tun mögen, auf dieses gemeinsame Maß beziehen werden, auf diesen Zentralpunkt der Signifikantenpartie, der hierbei der Phallus ist, denn er ist nichts anderes als dieser Signifikant des Begehrens des Begehrens. Das Begehren hat kein anderes Objekt als den Signifikanten seiner Anerkennung.
Und in diesem Sinne gestattet er uns, das zu erfassen, was geschieht und in Bezug worauf wir selbst die Betrogenen sind135, wenn wir uns klarmachen, dass in dieser Subjekt-Objekt-Beziehung, auf der Ebene des Begehrens, das Subjekt auf die andere Seite übergegangen ist. Es ist genau insofern auf die Ebene des a übergegangen, als es selbst bei diesem letzten Terminus nichts anderes mehr ist als der Signifikant dieser Anerkennung, es nichts anderes mehr ist als der Signifikant des Begehrens des Begehrens.
Es ist jedoch gerade wichtig, an dem Gegensatz festzuhalten, von dem aus dieser Austausch sich vollzieht, nämlich die Gruppierung von $ gegenüber von a, von einem Subjekt, das sicherlich imaginär ist, aber im radikalsten Sinne, in dem Sinne, dass es das reine Subjekt der Unterbrechung der Verbindung ist, des gesprochenen Schnitts, insofern der Schnitt die wesentliche Skandierung ist, | [565] wo das Sprechen sich aufbaut.
Die Gruppierung, sage ich, dieses Subjekts mit einem Signifikanten, der was ist? Der nichts anderes ist als der Signifikant des Seins, mit dem das Subjekt konfrontiert ist, insofern dieses Sein selbst vom Signifikanten markiert ist.
Das heißt, dass das a, das Objekt des Begehrens, seiner Natur nach ein Residuum ist, ein Rest. Es ist das Residuum, das bei jedem möglichen Anspruch zurückgelassen wird von dem Sein / von dem Wesen, mit dem das sprechende Subjekt konfrontiert ist.
Und auf diese Weise bekommt das Objekt etwas Reales. Auf diese Weise hat es daran teil. Ich sage ‚das Reale‘ und nicht ‚die Realität‘, denn die Realität wird durch all die Halfter gebildet, die die menschliche Symbolik auf mehr oder weniger scharfsinnige Weise um den Hals des Realen wirft, insofern sie daraus die Objekte ihrer Erfahrung macht.“136
Lacan fährt fort mit Bemerkungen über die Erfahrung.
Es folgen in dieser Sitzung – der letzten des Seminars – noch einige Bemerkungen über den Schnitt, die ich in einem anderen Blogbeitrag darstellen werde.
Systematisierende Zusammenstellung
Zusammenfassungen in eigenen Worten, konzentriert auf den Gesichtspunkt des Schnitts.
Formulierungen in eckigen Klammern: meine Ergänzungen.
Das Sein des Subjekts ist das Reale, das sich im Symbolischen manifestiert: als Schnitt
1. Das Reale und die Realität
Das Reale ist das Unsymbolisierbare.– Im Menschen gibt es etwas Reales. Dieses Reale ist notwendig und hinreichend dafür, dass das [Menschen-]Wesen / das menschliche Sein nicht mit einer der Rollen gleichgesetzt werden kann, die es annimmt.137 Das Reale wird durch nichts symbolisiert.138 Das Reale des Subjekts ist nicht das Korrelat einer Erkenntnis, es liegt außerhalb der möglichen Erkenntnis des Subjekts.139
Die Realität ist die Transformation des Realen durch die Symbolisierung.– Die Realität – im Sinne des Realitätsbegriffs des psychoanalytischen Diskurses – ist im Graphen in dem Feld verortet, das unter dem konkreten Diskurs liegt.140 [Der konkrete Diskurs wird vom unteren Stockwerk repräsentiert, darin v.a. durch die von „Signifikant“ nach „Stimme“ verlaufende Linie.] Die Realität ist das, was im Realen durch die menschliche Symbolisierung geschaffen wurde.141
2. Das Sein des Subjekts ist das Reale, insofern es sich im Symbolischen manifestiert
Sein nicht das, was dem Denken vorausgeht.– Sein meint: dass wir keine Idealisten sind, dass wir zu jenen gehören, die denken, dass das Sein dem Denken vorausgeht; für die Arbeit des Analytikers ist das nicht brauchbar.142
Sein, Reales, Symbolisches.– Der Begriff des Seins ist auf das Verhältnis des Realen und des Symbolischen zu beziehen.143 Wenn wir sagen „das und das ist“ fügen wir etwas hinzu. Eine solche Aussage zielt auf das Reale ab, mit ihr wird im Symbolischen das Reale affirmiert oder zurückgewiesen oder verleugnet.144 Das Reale des Subjekts ist die Ankunft des Seins, jenseits jeder möglichen subjektiven Realisierung.145 Das Sein ist das Reale, insofern es sich auf der Ebene des Symbolischen manifestiert.146 Das „Sein“ [des Subjekts] ist das Reale, insofern es sich in das Symbolische einschreibt, insofern es an in die artikulierte Kette des unbewussten Diskurses, die das Verhalten des Subjekts bestimmt, eingeht; diese Kette ist nicht der Erkenntnis zugänglich, das Subjekt kann sich hier nicht als Objekt erfassen, in welchem es sich wiedererkennt; im Gegenteil, es verkennt sich hier grundlegend.147
3. Das Reale des Subjekts tritt in den Schnitt ein
Es geht um das Reale des Subjekts als das, was in den Schnitt eintritt, um die Ankunft des Subjekts beim Realen auf der Ebene des Schnitts.148
4. Auf der Ebene des Symbolischen erfasst sich das Subjekt im Schnitt
Sein: ein handlungsleitender Begriff.– Die Begriffe des Sein und des Einen sollen in die täglichen Begriffe [der Psychoanalyse] aufgenommen werden.149 Bei der Aufnahme der Begriffe des Seins und des Einen geht es um das, was in der Analyse das Handeln regulieren soll.150
Sein im Schnitt.– Das Sein ist in den Intervallen, in den Schnitten, also dort, wo die Signifikanten am wenigsten signifikant sind; das Sein ist dasselbe wie der Schnitt.151 Das Menschenwesen / das menschliche Sein (l’être humain) muss sich in Signifikanten artikulieren, und es erscheint hier in den Intervallen.152
Schnitt und Nichtsein.–In diesem Fall [in welchem?] steht das bestimmte Subjekt in Beziehung zu dem Schnitt, der dadurch gebildet wird, dass das Subjekt, im Verhältnis zu einem bestimmten bewussten Diskurs, nicht ist [dass es sich durch Nichtsein auszeichnet], dass es nicht weiß, was es ist.153
Schnitt und Symbolisches.– Der Schnitt ist das letzte strukturelle Charakteristikum des Symbolischen.154 Zur Symbolisierung gehört wesentlich die Funktion des Schnitts. 155
Maschine.– Lacan erinnert daran, dass er hierüber bereits in Seminar 2 gesprochen hatte: der Strom der ursprünglichen Spannung wird von eine Reihe von Alternativen erfasst wird, wodurch die Fundamentalmaschine eingeführt wird. Dies entspricht dem Schnitt.156
Subjekt im Schnitt der unbewussten Kette.– In der unbewussten Kette ist das Subjekt nur in den Intervallen da, in den Schnitten; wenn das Subjekt sich erfassen will, ist es immer nur in einem Schnitt. Am Endpunkt seiner Befragung begegnet das Subjekt sich als Schnitt und als Intervall.157
Identifizierung mit dem Schnitt.– Am Ursprung der Schizophrenie des Subjekts liegt dies, dass das Subjekt sich, statt mit dem vitalen Strom, mit den Diskordanzen dieser Maschine identifiziert, mit der Diskordanz als solcher.158
Verwerfung des Subjekts.– Der Schnitt ist für die Rede zugleich konstitutiv und unheilbar äußerlich; insofern das Subjekt sich mit dem Schnitt identifiziert, ist es verworfen. Man rührt hier also an eine der Funktionen der Verwerfung.159
Zugang zum Realen.– Und eben darin, dass das Subjekt, insofern es sich mit dem Schnitt identifiziert, verworfen ist, erfasst es sich als real.160
Abschneiden der Rede als letzte Realität, in der ein Subjekt sich erfassen kann.– Zu Descartes’ „Ich denke, also bin ich“ ist anzumerken: Das Subjekt hat an dieser Rede teil, insofern es der Schnitt dieser Rede ist, und damit ist es ein „ich bin“, dessen singuläre Eigenschaft darin besteht, dass es die Möglichkeit gibt, die Rede irgendwo abzuschneiden, eine Interpunktion vorzunehmen. Dies ist die letzte Realität, in der ein Subjekt sich erfasst. In dieser Eigenschaft liegt sein wesentliches Sein.161
5. Auch das Ende einer Sitzung ist ein Schnitt
Auch das Ende dieser Vorlesung, dieser Sitzung, ist ein Schnitt, Er hat den Fehler, willkürlich zu sein.162
6. Der Schnitt ist jenseits der Abdeckung der Schnitte im Realen durch die Schnitte des Diskurses
Ein überholtes Konzept.– Das Reale ist kein kompaktes Kontinuum, es hat Schnitte, die sich von den Schnitten der Sprache unterscheiden. In der Philosophie wurde die Beziehung zwischen den beiden Arten von Schnitten so dargestellt, dass es darum geht, das eine System von Schnitten mit dem anderen System von Schnitten abzudecken, so wie ein guter Koch den Schnitt dort anbringt, wo der (Ein-)Schnitt des Gelenks ist. Freud zeigt uns jedoch, dass es etwas gibt, das über diese Abdeckung der natürlichen Schnitte durch die Schnitte des Diskurses hinausgeht.163
Desintegration der Materie durch die Wissenschaft.– Die Entwicklung der Wissenschaft hat zur Desintegration der Materie geführt.164 [Es gibt hier also keine Materie mehr, die natürliche Schnitte aufweist, damit wird das Konzept der Schnittabdeckung obsolet.] Es geht in der Wissenschaft nicht einfach um Erkenntnisse.165 [Offenbar versteht Lacan hier unter „Erkenntnis“ die Abdeckung der natürlichen Schnitte durch die Schnitte der Sprache.] Vielmehr stellen sich [die Schnitte in der Wissenschaft] als Elemente dar, die etwas Neues erschaffen [nämlich die Desintegration der Materie]. Sie wuchern auf eine Weise, die Konsequenzen hat, die über uns hinausgehen. [Über wen?] Der Mensch beteiligt sich auf seine Kosten an diesem Spiel.166
7. Todestrieb: Das Nichtsein des Subjekts des Subjekts ist konstitutiv für die Symbolisierung.
Todestrieb.– In der Richtung dessen, was Lacan über den Schnitt sagt, geht es um das, was Freud den Todestrieb genannt hat. Der Todestrieb konvergiert mit dem Sein / dem Wesen des Menschen.167
Nichtsein.– Am Horizont geht es hier [bei der Thematik „Einschreiben des Realen des Subjekts im Symbolischen durch den Schnitt“] um den Todestrieb und um das, was in der Rede eine Stütze für das Nichtsein liefert [nämlich der Schnitt].168 Wenn das Subjekt versucht, sich in der unbewussten Kette [durch die es bestimmt wird] zu benennen, zu verorten, findet es sich nicht.169 [Dies ist das „Verschwinden des Subjekts, die Aphanisis des Subjekts, das Fading des Subjekts.] Die Konstituierung des Subjekts als Subjekt wohnt der Rede inne, und zwar insofern, als die Rede das Subjekt für nichts hält. Das Nichtsein ist eine der konstitutiven Dimensionen der Symbolisierung.170 In diesem Sein erfasst es sich darin, dass es durch das reale Eindringen in die Welt dennoch ausgeschlossen ist.171
8. Das reine Sein und das Eine
Reines Sein und Eines.– Das „reine Sein“ ist das Sein, von dem Lacan die Definition gegeben hat, insofern als unter dem Namen des Unbewussten das Symbolische subsistiert, eine Signifikantenkette, und zwar gemäß der folgenden Formel: „Jedes Subjekt ist eines.“172
Ein.– Man muss zwei Hauptbedeutungen von „Ein“ unterscheiden: die Ganzheit und die Zahl 1.173 Die Zahl 1 setzt die Zahlen voraus.174 Zur allgemeinsten affektiven Erfahrung gehört, dass das Menschenwesen zählt und dass es sich selbst zählt.175
Drei Arten des Objekts a im Phantasma: erzeugt durch den Schnitt
1. Der Schnitt ist unbewusst, aber durch das Phantasma zugänglich
Dem Subjekt ist das Verhältnis zur Ankunft des Schnitts einerseits untersagt, insofern genau da sein Unbewusstes ist [Aphanisis]. Das Verhältnis zum Schnitt ist ihm aber auch nicht untersagt, und zwar insofern nicht, als das Subjekt die Erfahrung des Phantasmas hat, was heißt, dass es durch das Begehren animiert wird [welches sich auf das Phantasma stützt].176
Wenn Lacan in Seminar 6 vom Phantasma spricht, bezieht er sich dabei immer wieder auf die Formel des Phantasmas im Graphen des Begehrens.
2. Im Phantasma ist das Subjekt im Verschwinden, in der Aphanisis
Verschwinden des Subjekts.– Im Phantasma gibt es, auf der Spitze des Begehrens, die Aphanisis des Subjekts, das Verschwinden des Subjekts. Das Verschwinden des Subjekts besteht darin, dass es von dem Platz, wo es sich in der unbewussten Signifikantenkette als „ich“ (je) artikulieren würde, von seiner Position als Subjekt verschwindet. Das heißt: Das Sein des Subjekts soll im Unbewussten artikuliert werden, benannt werden, das ist jedoch nicht möglich.177
3. Im Phantasma wird das verschwindende Subjekts durch den Schnitt repräsentiert
Sein des Subjekts: Schnitt im Phantasma.– Das Sein des Subjekts kann im Unbewussten nicht benannt werden, aber es kann angezeigt werden durch den Schnitt, durch die Spalte, durch die Struktur des Schnitts im Phantasma.178 Die Notation des Phantasmas als ($ ◊ a) bedeutet, dass hier das Subjekt als Subjekt des unbewussten Diskurses gegenwärtig ist. Im Phantasma wird das Subjekt durch die Funktion des Schnitts repräsentiert – des wesentlichen Schnitts, des Schnitts in einer Rede, des Schnitts in der Rede des Unbewussten.179 In der Beziehung von $ zu a geht es bei $ um ein Subjekt, das sicherlich imaginär ist, aber in dem radikalen Sinne, dass es das reine Subjekt der Unterbrechung der Verbindung ist, des gesprochenen Schnitts, insofern der Schnitt die wesentliche Skandierung ist, auf der das Sprechen sich aufbaut.180
Subjekt als .– Das Subjekt im Phantasma, $, soll in Zukunft durch bezeichnet werden, durch eine imaginäre Zahl.181 [Es gibt also eine Verbindung zwischen dem Subjekt als Schnitt und dem Subjekt als . Welche?]
4. Im Phantasma wird das Objekt a durch den Schnitt bestimmt
Da sich das Subjekt nur als Schnitt erfasst, ist das imaginäre Objekt des Phantasmas, a in ($ ◊ a), auf bestimmte Weise strukturiert.182 Das imaginäre Objekt des Phantasmas, a, ist wesentlich durch die Form des Schnitts bestimmt.183
5. Beispiele für den Schnitt im Phantasma
Schnitt als Gelenk.– Im Traum eines Patienten von Ruth Lebovici erscheint eine Rüstung mit der Spritze eines Insektenvertilgungsmittels. Die Spritze ist eine komische und eindeutige Repräsentation des phallischen Apparats, insofern der Phallus als zerstörerisch aufgefasst wird. In der Rüstung erscheint der fehlende Vater, in Gestalt einer Montage, die das lebende Bild des Subjekts abgibt, insofern es durch eine Reihe von Schnitten wiederhergestellt wird: durch die Verbindungsstellen, durch die Gelenke der Rüstung, durch Gelenke als solche. Bei der Deutung dieses Phantasmas wäre es entscheidend gewesen, sich hierauf zu beziehen.184
Schnitt als Fallenlassen.– Gide erzählt in seiner Autobiographie, was als Kind seine ersten sexuellen Erregungen hervorrief, sein erstes Genießen / seine ersten Orgasmen. Dazu gehörte eine Szene in einem Theaterstück, in dem eine Dienstbotin, die Teller in der Hand hält, gekitzelt wird, worauf hin sie den Stapel fallen lässt und das Geschirr klirrend zerbricht. Lacan sieht darin die Beziehung des Subjekts zum Schnitt. Die Darstellung dieser Szene im Gide-Aufsatz macht klar, worin hier für Lacan der Schnitt besteht: in der Beziehung zwischen den Armen der Dienstbotin und dem Geschirr und in der Trennung dieser Verbindung.185
6. Drei Formen des Objekts a im Phantasma sind durch den Schnitt bestimmt: prägenitales Objekt, Phallus, Wahn
Imaginäre Form des Schnitts.– Das Objekt im Phantasma, a in ($ ◊ a), führt uns zur Phänomenologie des Schnitts. Das Objekt stützt auf der imaginären Ebene die Beziehung [des Subjekts] zum Schnitt.186
Prägenitales Objekt, Kastration, Wahn.– In erster Annäherung gibt es drei Formen des Objekts a im Phantasma: das prägenitale Objekt, dann der Phallus bzw. der Kastrationskomplex und schließlich der Wahn. Bezogen auf das Fading des Subjekts, das Verschwinden des Subjekts, erfüllen diese drei Objekte dieselbe Funktion.187 [Die Objekte a ermöglichen es dem Subjekt, das in der unbewussten Signifikantenkette verschwindet, das darin keinen Repräsentanten hat, sich zu erfassen, nämlich als Schnitt; vgl. den Blogartikel Das Verschwinden des Subjekts: Fading, Aphanisis.]
Kompensation für Aphanisis.– In allen drei Formen handelt es sich um Objekte, die das Subjekt aus seiner eigenen Substanz herauszieht, um so der Abwesenheit des Signifikanten auf der Ebene der unbewussten Kette standzuhalten [um also das Verschwinden des Subjekts, das Fading, die Aphanisis zu kompensieren]. Hierdurch werden diese Objekte zu Signifikanten. [!]188 Die drei Formen des Objekts a haben alle dieselbe Funktion.189
Imaginäre Stütze der Beziehung zum Schnitt.– Das Objekt ist die imaginäre Stütze der Beziehung des Subjekts zum Schnitt auf drei Ebenen: als prägenitales Objekts, auf der Ebene der Verstümmelung in der Kastration und auf der Ebene der halluzinierten Stimme.190 Dadurch, dass diese Objekte die Struktur des Schnitts aufweisen, können sie für das Subjekt die Stützungsfunktion übernehmen, auf der Ebene, auf der sich herausstellt, dass das Subjekt insofern im Signifikanten verortet ist, als es durch den Schnitt strukturiert ist.191
7. Der Schnitt beim prägenitalen Objekt: Abtrennung
Abtrennung.– Der Schnitt wird bereits von den prägenitalen Objekten angezeigt. Die [prägenitalen] Objekte, die die Phantasmen stützen können, sind reale Objekte. Sie stehen in einer engen Beziehung zum vitalen Trieb des Subjekts, insofern sie von ihm, dem Subjekt, getrennt sind.192 Bezogen auf die prägenitalen Objekte, Brust und Kot, ist entscheidend, dass diese Objekte abgeschnitten werden: die Brust an der Mundöffnung, der Kot an der Darmöffnung. Durch diese Abtrennung können sie im Phantasma ihre signifikante Funktion erfüllen. Die oral-sadistische Phase besteht darin, dass das Subjekt sich bemüht, die Brust bzw. die Brustwarze abzuschneiden, abzubeißen. Für das anale Objekt gilt, dass die Sauberkeitserziehung darauf abzielt, dass das Subjekt lernt, das, was es ausscheidet, von sich aus abzuschneiden.193
Atmung.– Dies erklärt, warum die Atmung nur in Ausnahmefällen zu einem erotischen Objekt wird, obwohl sie doch für das Überleben mindestens genauso grundlegend ist wie Ernährung und Ausscheidung. Der Grund ist: Bei der Atmung gibt es nicht das Element des Schnitts. Die Atmung ist ein Pulsieren, aber es gibt hier keinen Schnitt, kein Intervall. Der Atem wird nicht abgeschnitten oder wenn, dann nur in einem außergewöhnlichen Drama.194 [Anders gesagt: die Unterschiede der Atmung sind analog (kontinuierlich), nicht diskret (nicht diskontinuierlich.] Allerdings gibt es durchaus etwas, das durch die Atmungsöffnung hindurchgeht und skandiert werden kann, nämlich die Stimme im Wahn.195
8. Der Schnitt beim Kastrationskomplex: Verstümmelung und Beschneidung
Kastrationskomplex und Verstümmelung.– Die zweite Form des Objekts a ist der Kastrationskomplex. Der Schnitt hat hier die Form der Verstümmelung. Auch bei der Verstümmelung geht es darum, dass das Subjekt sich von einem Teil von sich trennt.196
Initiation.– Um Verstümmelung geht es in zahlreichen Initiationsritualen. Diese Rituale haben die Funktion, Menschen zu einer höheren Ebene der Verwirklichung ihrer selbst zu verhelfen, und das Mittel hierfür ist die Stigmatisierung, die Verstümmelung. Die Verstümmelung, der Schnitt bewirken den Übergang [eines Menschen] in eine Signifikantenfunktion, denn das, was von der Verstümmelung zurückbleibt, ist eine Markierung [eine Narbe]; nach der Verstümmelung trägt das Subjekt die Markierung eines Signifikanten an sich, und hierdurch wird es in eine höhere Potenz des Seins überführt und mit dieser identifiziert.197
Verwandlung in Mann und Frau.– Die Initiationsrituale haben die Funktion, das Subjekt in seiner Natur zu verändern, den Sinn / die Richtung seiner Begierden zu verändern, und ihnen eine Funktion zu geben, in der das Sein des Subjekts identifiziert wird, nämlich dadurch, dass es im vollen Sinne Mann oder Frau wird; eben hierzu dient die Verstümmelung.198
Begehren im symbolisches Jenseits.– Durch die Verstümmelung kann sich das Begehren in einem symbolischen Jenseits ausdrücken [im Symbolischen als etwas, das jenseits der natürlichen Begierden ist], als Sein des Subjekts.199
Beschneidung und Kastration.– Der Penis [Lacan nennt ihn hier „Phallus“] bietet sich für die Markierung an [für die Beschneidung].200 Das heißt jedoch nicht, dass die Markierung des Penis mit der Kastration zusammenfällt. Bei der Kastration geht es um eine spezielle Art von Vernichtung, von Negativierung, und diese Art der Vernichtung unterscheidet sich von der Beschneidung.201
Tumeszenz.– Die Tumeszenz [das Anschwellen], d..h. der Drang als solcher, macht den Phallus [den Penis] zu etwas, was sich dem Schnitt anbietet, auf eine Weise, die besonders gefürchtet ist. Das beruht auf dem Narzissmus, also auf der imaginären Beziehung des Subjekts zu sich selbst. Der Phallus bildet das Zentrum des Narzissmus; damit steht er in Beziehung zu dem Bild, dass das Subjekt von sich im anderen hat.202 Bezogen auf die Erfahrung der Tumeszenz gilt, dass das Subjekt sich spürt, ohne dass es hier eine mögliche Markierung gibt, einen möglichen Schnitt.203 [Das könnte heißen: Das erigierte Organ bietet sich dem Schnitt an, das ist jedoch zu unterscheiden von der Zunahme der Erregung, die kontinuierlich erfolgt.]
Anstrengung und Müdigkeit.– Ähnlich wie bei der Tumeszenz ist es auch bei der Anstrengung nicht möglich, einen Signifikantenschnitt in sie einzuprägen.204 [Damit ist vermutlich gemeint: Die Veränderung der Anstrengung erfolgt kontinuierlich.] Die sogenannte Müdigkeit des Neurotikers ist die Spur einer Anstrengung, die Lacan als „Signifiquantität“ bezeichnet.“205 [Mir ist nicht klar, worauf Lacan sich hier bezieht. Will er sagen: Bei manchen Neurotikern gibt es eine plötzliche Müdigkeit, und dieser abrupte Charakter ist Versuch, in die Müdigkeit einen Schnitt einzuführen, eine Diskontinuität – ?]
9. Der Schnitt beim Wahn: die abgetrennte Stimme
Wahn als Objekt.– Über die Psychotiker schreibt Freud: „Sie lieben also den Wahn wie sich selbst.“, und das verweist auf die Funktion des Wahns als Objekt a im Phantasma.206 [Das Objekt ist immer etwas, das vom Subjekt so geliebt wird, wie es sich selbst liebt; angesichts dessen, dass das Subjekt im Symbolischen keinen Signifikanten hat, sondern nur den Schnitt (Aphanisis, Fading), liebt es, kompensierend, das Objekt a.]
Abgeschnittene Sätze.– Im Wahn ist die Stimme nicht die des Über-Ichs, wo die laute Stimme die eines Anderen ist, der sich als real manifestiert. Die Stimme des Wahns ist auch nicht die gleichgültige, böswillige Stimme, wie man sie am Telefon erfährt, wenn man bei einem Unternehmen anruft und eine Bitte äußert. Im Wahn von Schreber hat die Stimme eine spezielle Funktion, sie antwortet auf die formale Anforderung, dass es einen Schnitt geben muss. Lacan hatte das in in dem Aufsatz Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht analysiert.207 Entscheidend an der Stimme, die Schreber in seinem Wahn halluziniert, ist der Charakter des Schnitts. Er hört Sätze, die abgebrochen werden, etwa [„Nun will ich mich …“, „Sie sollen nämlich …“, „Das will ich mir …“]. Diese Sätze bestehen aus verketteten Wörtern, die eine Bedeutung haben [also z..B. „Nun will ich mich“], wobei die Kette jedoch unterbrochen wird. Dieser Schnitt erzeugt einen Appell an die Bedeutung, nicht an eine bestimmte Bedeutung, sondern an eine globale Bedeutung [an Bedeutung schlechthin; etwa indem man sich fragt „Was will ich mich denn?“, „Was sollen sie nämlich?“, „Was will ich mir?“].
Das verschwindende Subjekt.– Das Subjekt ist hier beteiligt, aber insofern es verschwindet. [Das Verschwinden des Subjekts, die Aphanisis, $, besteht hier darin, dass der Satz abgebrochen wird, das Signifikanten fehlen.] Das Verschwinden des Subjekts [im Abbrechen des Satzes] ist eins mit einem Appell an eine Bedeutung, die sich auf das Subjekt richtet.208 Der Delirierende kann über den Charakter der Stimme, die er hört, nichts sagen.209 [In diesem Nichts-sagen-Können besteht, so nehme ich an, das Verschwinden des Subjekts.]
Subjekt und Schnitt.– Das Subjekt ist daran beteiligt (il l’intéresse). Das Subjekt ist im Intervall des Diskurses des Unbewussten, als Metonymie des Seins, das sich in der unbewussten Kette ausdrückt. Das Subjekt fühlt sich von diesen Stimmen, von diesen Sätzen des Wahns, deshalb betroffen, weil es hier den Schnitt gibt, das Intervall. Auf dieser Ebene des Schnitts der Stimme ist das Subjekt fasziniert, durch diesen Schnitt kann das Subjekt sich aufrechterhalten in dem Moment, in dem es eigentlich sich selbst anzielt und sich als Sein befragt, als Sein seines Unbewussten.210
Abgeschnitten vom inneren Monolog.– Die halluzinierte Stimme ist weniger insofern abgeschnitten, als die Rede unterbrochen ist, als vielmehr insofern, als sie vom Text des inneren Monologs abgeschnitten ist.211 [Ist das eine größere Revision gegenüber der vorangehenden Sitzung? Ist die Transkription hier korrekt?]
Perversion: Beziehung auf das Begehren des Anderen durch Identifizierung mit dem Schnitt
1. Bezug auf das Begehren des Anderen
Exhibitionismus: Begehren des Anderen.– Das Begehren des Exhibitionisten kann nur unter der Bedingung befriedigt werden, dass eine bestimmte Manifestation des Begehrens und des Realen in ein bestimmtes Verhältnis gebracht sind, nämlich insofern, als es in den symbolischen Rahmen als solchen verwickelt ist. Deshalb ist ein öffentlicher Ort notwendig: damit man sich ganz sicher ist, in einem symbolischen Rahmen zu sein.212 Dem Exhibitionisten geht es in der Beziehung zum Anderen darum, das Begehren des Anderen zu überraschen, jenseits der Scham.213 [Im Phantasma des Exhibitionisten wird der Platz des Objekts a vom Begehren des Anderen eingenommen.]
Voyeurismus: Begehren des Anderen.– In der Beziehung des Voyeurs zum Anderen geht es darum, dass der Andere beteiligt ist. Der Andere weiß zwar in der Regel nichts davon, dass er beobachtet wird. Für den Voyeur kommt es jedoch darauf an, dass der Andere bestimmte Hinweise gibt, bestimmte Gesten vollzieht, die es dem Voyeur ermöglichen, anzunehmen, dass der Andere an der Situation beteiligt, dass er sich dem Betrachtetwerden anbietet, dem Blick. Hierdurch kommt die Lust des Voyeurs auf ihren Höhepunkt.214 [Auch im Phantasma des Voyeurs wird die Position des Objekts a vom Begehren des Anderen besetzt.]
2. Bezug auf das Begehren des Anderen durch den Schnitt
Exhibitionismus: Schlitz, Spalte.– Auf der Seite des exhibitionistischen Subjekts gibt es sicherlich die Erektion, die gezeigt wird, aber das ist nicht das Entscheidende. Die Erektion verbirgt eher etwas, sie ist für den Exhibitionisten nicht der Apparat des Begehrens. Der Apparat des Begehrens wird vielmehr dadurch gebildet, dass eine Hose sich öffnet und schließt, d..h. durch den Schlitz, den Spalt, die Spalte (fente). Diese Spalte ist das Wesentliche. Mit diesem Schlitz, diesem Spalt bezeichnet das Subjekt sich selbst. Es ist diese Spalte, die mit großer Wahrscheinlichkeit ausgefüllt werden soll.215
Voyeurismus: Spalte.– Was im Voyeurismus die Seite des Subjekts angeht, geht es ebenfalls um die Spalte, sie ist ein unentbehrliches Element der Struktur des Voyeurismus.216 Das Subjekt reduziert sich auf das künstliche Gebilde (artifice) des Spalts; dieses künstliche Gebilde nimmt den Platz des Subjekts ein, das Subjekt ist auf die Funktion des Spalts reduziert – insofern das Subjekt im Phantasma ist, ist es der Spalt.217
Spalte und Begehren des Anderen.– Die Spalte ist beim Exhibitionisten und bei Voyeur das, wodurch beide sich auf das Begehren des Anderen beziehen.218 Die Spalte kann beim Exhibitionisten und beim Voyeur die Gestalt des Vorhangs annehmen, des Fernglases oder irgendeines Schirms.219 Bei der Spalte geht es um den Platz von Voyeur und Exhibitionist auf einer bestimmten Ebene des Unbewussten, in der Struktur des Begehrens.220
Unbewusstheit des Schnitts = Verschwinden des Subjekts.– Der Voyeur und der Exhibitionist realisieren in ihrem Begehren nicht die Funktion des Schnitts. Durch die Funktion des Schnitts werden beide in einem heimlichen Automatismus abgeschafft.221 [Dass der Schnitt entscheidend ist, ist ihnen nicht bewusst, und insofern werden sie als Subjekt abgeschafft – Verschwinden, Fading, Aphanisis des Subjekts.]
3. Das weibliche Geschlechtsorgan als Spalte und der Schnitt
Das weibliche Geschlechtsorgan als Spalte.– Wie verhält sich die Beziehung zur Spalte zu dem, was der Erfahrung der Psychoanalytiker nach das symbolisch Unerträglichste ist, nämlich zur Gestalt des weiblichen Geschlechtsorgans? Diese Frage soll später beantwortet werden.222 Gillespie vermutet, dass bei der Perversion das Phantasma von der Spaltung des Subjekts darauf beruht, dass sich das Subjekt mit dem weiblichen Geschlechtsorgan identifiziert, als dem gespaltenen Objekt schlechthin.223 Die Perversion ist eine Art natürliche Simulation des Schnitts. Insofern ist die Intuition von Gillespie eine Art Fingerzeig. Das, was das Subjekt nicht hat, hat es im Objekt. Das, was das Subjekt nicht ist, sein ideals Objekt ist es. Und damit wird ein bestimmtes natürliches Verhältnis als Material für den subjektiven Spalt genommen, der in der Perversion wie in der Neurose zu symbolisieren ist.224
Die Ankunft des Schnitts im Kunstwerk
Schnitt im Kunstwerk.– Das engste Verhältnis des Menschen zum Schnitt geht über die natürlichen Schnitte hinaus. Es gibt den wesentlichen Schnitt der Existenz, und der Mensch muss sich im Verhältnis zur Ankunft des Schnitts verorten. Darum geht es im Kunstwerk, insbesondere in Hamlet.225 Das Kunstwerk führt in seine Struktur die Ankunft des Schnitts ein, insofern sich hier [im Schnitt] das Reale des Subjekts jenseits dessen, was es sagt, manifestiert, das Reale des unbewussten Subjekts.226 Die Architektur der „irrelevanten Einzelheiten“ (Eissler) in Hamlet verweist auf die Beziehung des Subjekts zu seiner tiefsten Ebene als sprechendes Subjekts: sie lässt die Beziehung des Subjekts zum Schnitt als solchem zum Vorschein kommen.227
Das Reale des Subjekts.– Hierdurch [durch die Beziehung zum Phantasma?] drückt das Kunstwerk das Reale des Subjekts aus.228
Jenseits des Kastrationskomplexes: der Schnitt
Sein versus Realität.– Im Verhältnis zum Phantasma geht es nicht darum, das Subjekt dazu zu bringen, die Realität anzuerkennen [die letztlich immer die Realität des Analytikers wäre]. Vielmehr geht es um die wahren Forderungen des Subjekts, um die Dimension des Seins.229 Das Subjekt trägt hier etwas in sich, was zu tragen unbequem ist und wodurch es vielleicht einem fatalen Schicksal überantwortet wird.230
Jenseits der Kastration und des Über-Ichs: der Schnitt.– Die Würde des Seins / des Wesens besteht nicht darin, dass es abgeschnitten (coupé) ist, mit Anspielung auf die Kastration, und nicht darin, es ein Schuldiger (coupable) ist, sondern im Bezug auf den Schnitt.231 Bei der analytischen Entmystifizierung der Position des Neurotikers bleibt, Freud zufolge, ein Rest: die Gefahr für den Phallus beim Mann, die Abwesenheit des Phallus bei der Frau. Das liegt vielleicht auch daran, dass beim Versuch, das Problem der Neurose zu lösen, die Dimension vernachlässigt wird, in der das Subjekt es in seinem Begehren mit der Manifestation seines Seins als solchem zu tun hat, mit ihm als möglichen Urheber des Schnitts.232
Anhang 1: Antigone als Inkarnation des Schnitts (Seminar 7)
Im Seminar Die Ethik der Psychoanalyse (Seminar 7 von 1959/60) deutet Lacan Antigone als Verkörperung des Schnitts.
.„Meta ist eigentlich das, was den Schnitt anvisiert. (…) Dieser Zug bezeichnet uns in signifikanter Weise, von welch einschneidender Art die Gegenwart unserer Antigone ist.“233
Antigone vergegenwärtigt den Schnitt, und das zeigt sich in einer Eigentümlichkeit ihres Sprechens. Sie exponiert einen Signifikanten, der sich auf den Schnitt bezieht, auf die Verbindung/Trennung von Signifikanten, nämlich das griechische Wort meta („mit“, „bei“).
Antigone hält an ihrem Bruder Polyneikes fest, unabhängig von dessen Geschichte.
„Diese Reinheit, diese Trennung des Seins [von Polyneikes] von allen Charakteristika des historischen Dramas, das er durchlaufen hat, das genau ist die Grenze, das ex nihilo, um das herum Antigone sich behauptet. Es ist nichts anderes als eben der Schnitt, den die Gegenwart der Sprache in das Leben des Menschen einführt. Dieser Schnitt ist in jedem Augenblick dadurch manifest, dass die Sprache alles skandiert und zerschneidet, was in der Bewegung des Lebens geschieht.“234
Der Schnitt, um den es geht, ist derjenige Schnitt, den die Sprache in das Leben einschneidet. Dieser Schnitt ist ahistorisch, er liegt den Signifikanten zugrunde und damit den Geschichten, die man erzählen kann, aber er hat keine Geschichte. Er ist das ex nihilo, um das herum Antigone sich behauptet. Wenn sie sich auf Polyneikes jenseits der Geschichte bezieht, als reines ahistorisches Sein, stützt sie sich auf den Schnitt. Das Sein ist, wie man sich aus Seminar 6 erinnern wird, die Manifestation des Realen im Symbolischen, und diese Manifestation erfolgt im Schnitt.
„Antigone zeigt sich als αὐτόνομος [autonomos], reines und einfaches Verhältnis des menschlichen Wesens zu dem, als dessen Träger dieses sich wunderbarerweise vorfindet. nämlich der Signifikantenschnitt, diese unübersteigbare Macht, allem entgegen das zu sein, was es ist.“235
Antigones Autonomie besteht in ihrem Verhältnis zum Schnitt und damit in ihrer Beziehung zum Sein.
Anhang 2: Der Rand als das rahmende Fenster (Seminar 10)
In Seminar 10 von 1962/63, Die Angst, spricht Lacan von dem Schnitt, der die Form des „Randes“ annimmt, der sich also im Imagininäre manifestiert. Er bekräftigt hier, dass der Schnitt bzw. Rand zur Struktur des Phantasmas gehört und dass er in der Formel des Phantasmas ($ ◊ a) durch die Raute angezeigt wird.236
Die Konstituierung des Spiegelbildes oder der „Szene“, so heißt es hier, hat einen Rand, eine Umrandung. Dieser Rand verweist auf die Urverdrängung, deshalb ist er in besonderem Maße ein Ort der Angst.237 Damit lässt sich rekonstruieren, inwiefern sich im Schnitt bzw. Rand das Reale manifestiert: insofern sie auf etwas verweisen, das nicht verbalisiert werden kann (Schnitt) bzw. nicht imaginiert werden kann (Rand) – das Reale ist das, was nicht verbalisiert und nicht imaginiert werden kann.
Im Angst-Seminar bezieht Lacan sich immer wieder auf den Rand in der Form des rahmenden Fensters.
– Im Traum des „Wolfsmanns“ wird das Phantasma (die Wölfe auf dem Baum) von einem Fenster eingerahmt, das sich plötzlich öffnet.238
– Bei Magritte gibt es einen bestimmten Bildtyp, nämlich das Gemälde in einem Fenster239, also das Phantasma in einem Rahmen. (Der Name „Magritte“ fällt an dieser Stelle nicht, wird aber in einem späteren Seminar genannt, in dem Lacan mehrfach auf Gemälde zu sprechen kommt, die ein Gemälde in einem Fenster zeigen.240)
– In Hoffmanns Erzählung Der Sandmann erblickt der Held die Puppe (i‘(a)) durch ein Fenster.241
– Melancholiker vollziehen ihren Selbstmord oft an einem Fenster oder dadurch, dass sie aus einem Fenster springen.242
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Anmerkungen
- Von diesem Seminar gibt es eine offizielle Ausgabe: Jacques Lacan: Le séminaire, livre VI. Le désir et son interprétation. 1958-1959. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Éditions de La Martinière, Paris 2013.
Eine PDF-Datei der von Lacan in Auftrag gegebenen Stenotypie dieses Seminars (Version J.L.) findet man im Internet auf der Seite École lacanienne de psychanalyse, eine Abschrift dieser Stenotypie im HTML-Format (Version rue CB) auf der Seite Gaogoa, eine Kompilation mehrerer Transkriptionen (Version Staferla) auf der Seite Staferla, eine von Cormac Gallagher verfasste Übersetzung ins Englische auf der Seite Lacan in Ireland. - Eine Ausnahme sind die Hamlet-Vorlesungen. Eine Übersetzung von sieben der acht Hamlet-Vorlesungen aus Seminar 6 findet man im Internet hier. Das Konzept des Schnitts wird in Seminar 6 erst nach diesen sieben Vorlesungen entwickelt.
- Vgl. Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hg. von Charles Bally und Albert Sechehaye. Übersetzt von Herman Lommel. De Gruyter, Berlin 1967, Zweiter Teil, Kapitel V, „Syntagmatische und assoziative Beziehungen“, S. 147–152.
- Vgl. Roman Jakobson: Zwei Seiten der Sprache und zwei Typen aphatischer Störungen (1956). Übersetzt von Georg Friedrich Meier, Überarbeitung der Übersetzung durch Wolfgang Raible. In: R. Jakobson: Aufsätze zur Linguistik und Poetik. Hg. v. Wolfgang Raible. Ullstein, Frankfurt am Main u.a. 1979, S.117–141, im Internet hier; der Hinweis auf Freud findet sich auf S. 137 f.
- J. Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. Übersetzt von Norbert Haas. In: J.L.: Schriften I. Hg. v. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 71–169, Vortrag von 1953, zuerst veröffentlicht 1956.
- S. Freud: Das Unbehagen in der Kultur (1930). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9, S. 191–270, hier: S. 211.
- Vgl. den Titel von Das Unbehagen in der Kultur.
- Den Ausdruck manque d’être verwendet Lacan zuerst in Seminar 2 von 1954/55, Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse, in der Sitzung vom 19. Mai 1955; Version Miller/Metzger S. 283 f. In den Schriften wird dieser Terminus nicht verwendet.
Die Quelle für manque d’être ist: Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie (1943). Übersetzt von Hans Schöneberg und Traugott König. Rowohlt, Reinbek 1994, darin v.a. Teil 2, Kapitel 1, Teil 2: „Die Faktizität des Für-sich“. - In den Schriften verwendet Lacan manque-à-être zuerst in Das Drängen des Buchstabens im Unbewußten oder die Vernunft seit Freud (1957). Übersetzt von Norbert Haas. In: J.L.: Schriften II. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten u.a. 1975, S. 15–55, hier: S. 48. In den Seminaren findet man den Terminus zuerst in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, Sitzung vom 18. Juni 1958; Version Miller/Gondek, S. 546 (an beiden Stellen mit „Seinsverfehlen“ übersetzt).
- Das Konzept des Subjekts als Lustverlust entwickelt Lacan zuerst in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, und in dem Aufsatz Die Bedeutung des Phallus von 1958. In diesem Aufsatz verwendet er nicht den Begriff jouissance, stattdessen spricht er hier von der Modifikation des Bedürfnisses durch den Anspruch.
- Das Konzept des Objektmangels (manque de l’objet) wird zuerst in Seminar 4 von 1956/57 entwickelt, Die Objektbeziehung. Vgl. die Einführung des Terminus „Objektmangel“ in der Sitzung vom 28. November 1956 (Version Miller/Gondek, S. 59) und die Unterscheidung von drei Formen des Objektsmangels: Frustration, Kastration und Privation, die im gesamten Seminar schrittweise ausgearbeitet wird (vgl. die entsprechende Tabelle in Version Miller/Gondek, S. 67, 235 und 317).
- Vgl. Das Drängen des Buchstabens, a.a.O.
- Vgl. Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht (1958). In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. S. 9–71.
- Vgl. Seminar 5, Sitzung vom 21. Mai 1958; Version Miller/Gondek, S. 479.
- Seminar 6, Sitzung vom 19. November 1958; Version Miller, S. 42.
- Seminar 6, Sitzung vom 20. Mai 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 451.
- Seminar 6, Sitzung vom 3. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller S. 482.– In der Sitzung vom 20. Mai 1959 findet man noch weitere Nebeneinanderstellungen von „Intervall“ und „Schnitt“; vgl. Version Miller, S. 454 und 460.
- Etwa in diesem Satz: „Es gibt im strengen Sinn symbolische Gesetze des Intervalls, es gibt Aussetzen, Skandierungen, welche die Struktur jeglichen Kalküls kennzeichnen, die bewirken, daß sich dieser sogenannte innere Satz eben nicht in kontinuierlicher Weise einschreibt.“ (Seminar 3, Sitzung vom 25. Januar 1956; Version Miller/Turnheim, S. 135)
- Seminar 2, Sitzung vom 22. Juni 1955; Version Miller/Metzger, S. 383, Übersetzung geändert.
- Seminar 2, Sitzung vom 22. Juni 1952; Version Miller/Gondek, S. 385.
- Seminar 5, Sitzung vom 5. März 1958; Version Miller/Gondek, S. 302.
- Seminar 4, Sitzung vom 5. Juni 1957; meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller/Gondek, S. 435.
- Seminar 2, Sitzung vom 15. Juni 1955; Version Miller/Metzger, S. 361, Übersetzung geändert.
- Seminar 2, Sitzung vom 29. Juni 1955; Version Miller/Metzger, S. 408.
- Vgl. Seminar 6, Sitzung vom 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539 f.
- Vgl. J.L.: Das Seminar über E. A. Poes „Der entwendete Brief“. Übersetzt von Rodolphe Gasché. In: J.L.: Schriften I. Hg. v. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 7–60, v.a. „Einführung“ (1956 geschrieben, 1957 veröffentlicht) und „Parenthese der Parenthesen (1966)“.
- J.L.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 72–145, hier: S. 132 Fn. 16.
- In: Schriften. Band II, Gondek-Übersetzung, a.a.O., 325–368, hier: S. 355 f. (zur Datierung auf das Jahr 1962 vgl. den Hinweis von Jacques-Alain Miller in seiner Ausgabe von Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, Version Miller/Gondek, S. 602).
- Seminar 9, Sitzung vom 16. Mai 1962; meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 30. Mai 1962.
- Vgl. Seminar 11, Sitzung vom 27. Mai 1964; Version Miller/Haas, S. 217.
- Seminar 24 von 1976/77, L’insu que sait de l’une bévue s’aile à mourre, Sitzung vom 14. Dezember 1976, meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Das Euler-Diagramm dient Lacan dazu, die Struktur der Entfremdung zu veranschaulichen, ab Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse.
Die Stelle, in der er sich in Seminar 14 mit coupure auf den Überschneidungsbereich eines Euler-Diagramms bezieht, lautet: „Das ist sicherlich deshalb so, weil uns die andere Möglichkeit des Schnitts [coupure] in dem Teil gegeben ist, der bei der Entfremdung unmöglich gewählt werden kann, der vom Standpunkt der Analyse aus jedoch in unsere Reichweite gebracht wird, derselbe Schnitt wie der, der an der anderen Ecke [des Schemas der vier Euler-Diagramme] eingreift, derjenigen, die hier angezeichnet ist, und die der Konjunktion von ‚Unbewusstes‘ und ‚Ich bin nicht‘ entspricht.“ (Sitzung vom 15. Februar 1967; meine Übersetzung nach Version Staferla) - Vgl. etwa Seminar 11, Sitzung vom 27. Mai 1964; Version Miller, S. 194; Seminar 14, Sitzungen vom 16. November 1966, 21. Dezember 1966, 12. April 1966.– Der Begriff coupure wird im Französischen im Bereich der Mathematik meist auf den Dedekindschen Schnitt bezogen.
- Vgl. Erik Porge: Jacques Lacan, un psychanalyste. Parcours d’un enseignement. Érès, Ramonville Saint-Ange 2000, Index unter „coupure“.
- Vgl. Bernard Vandermersch: Coupure. In: Roland Chemama, Bernard Vandermersch (Hg.): Dictionnaire de la psychanalyse. Larousse, Paris 2009, S. 121–129.
- Version J.L. (die von Lacan in Auftrag gegebene Stenotypie) hat hier: „S“ (S. 14), in Version rue CB (der Abschrift der Stenotypie) findet man dasselbe: „S“; Staferla schreibt „$“, Miller: „sujet barré“.
- Gestützt auf die Formel des Phantasmas ($ ◊ a), kann der Begriff des Schnitts demnach auf zwei Weisen angegangen werden: ausgehend von $ und damit bezogen auf die Struktur, und ausgehend von a und damit vom erfahrbaren Resultat.
- Vgl. J. Lacan: Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht (1958). In: Ders.: Schriften, Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 9–71.
- Vgl. S. Freud: Manuskript H, Beilage zum Brief an Wilhelm Fließ vom 24.1.1895, in: S. Freud: Briefe an Wilhelm Fließ 1887–1904. Ungekürzte Ausgabe, hg. v. Jeffrey Moussaieff Masson. S. Fischer, Frankfurt am Main 1986. Der Satz findet sich hier auf S. 110.
- Lacan argumentiert also, dass es kein Stadium der Atmung gibt; Miller verweist in seiner Version des Seminars auf eine Arbeit, die sich – ausgehend von Lacans Bemerkung – darum bemüht, das Gegenteil zu beweisen: Jean-Louis Tristani: Le stade de respir. Minuit, Paris 1978 (Version Miller, S. 599).
- In dem Aufsatz Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten äußert sich Lacan vorsichtiger zum Verhältnis von Atmung und Schnitt. Nach Bemerkungen zum Verhältnis von Trieb und Schnitt heißt es dort: „Die respiratorische Erogenität ist unzureichend erforscht, aber offensichtlich kommt sie durch den Spasmus ins Spiel.“ (In: Ders.: Schriften, Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: S. 356) Der Aufsatz wurde zwischen 1962 geschrieben; vgl. den Hinweis von Jacques-Alain Miller in seiner Ausgabe von Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, Version Miller/Gondek, S. 611.
- Griechisch pneuma, lateinisch flatus: „Hauch“, „Luft“, „Wind“, auch „Blähung“.
- Vgl. Ernest Jones: Die Empfängnis der Jungfrau Maria durch das Ohr (1914). In: Ders.: Zur Psychoanalyse der christlichen Religion. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970, S. 37–128; E.J.: Eine psychoanalytische Studie über den Heiligen Geist (1922). In: Ders., Zur Psychoanalyse der christlichen Religion, a.a.O., S. 129–143.
- Lacan bezieht sich auf eine Passage aus: Maine de Biran: Influence de l’habitude sur la faculté de penser (1799, Einfluss der Gewohnheit auf das Denkvermögen). Annotierte Ausgabe v. Pierre Tisserand im Internet hier.
- In: J.L.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 9–71.
- La Voix humaine, Theaterstück von Jean Cocteau (1930)
- In Version Miller findet man statt „présent“ (Gegenwart) „pressant“ (Drängendes).
- Im Französischen bon genie, was auch mit „guter Geist“ übersetzt werden kann.
- Im Aufsatz Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht, zitiert Lacan die folgenden abgebrochenen Sätze: „Nun will ich mich …“, „Sie sollen nämlich …“, „Das will ich mir …“; a.a.O., S. 20.
- Lacan bezieht sich auf eine Bemerkung, die er in der vorangehenden Sitzung gemacht hatte, am 13. Mai 1959 (vgl. Version Miller, S. 431).
- Das nächste Seminar von Lacan, Seminar 7 von 1959/60, wird den Titel haben Die Ethik der Psychoanalyse.
- Seminar 6, Sitzung vom 20. Mai 1959, zweite Hälfte; vgl. Version Miller, S. 450–461.
- Version J.L. hat hier (statt S) „ss“ (S. 11), Version rue CB schreibt „(Es ?, / $)“, Version Staferla hat „$“, bei Miller findet man „S barré“.
- Version J.L. hat auch hier (statt S) „ss“ (S. 11), Version rue CB notiert an dieser Stelle „(Es / Est-ce?)“, in Version Staferla findet man „‚S?‘“, Miller schreibt „Est-ce?“ „Est-ce“ meint „ist das“, leitet also eine Frage ein.
- Das „S“ kann auch als das lateinische Wort „esse“ aufgefasst werden, „sein“.
- Unter „konkretem Diskurs“ versteht Lacan das alltägliche gewöhnliche Sprechen.
- Im Graphen des Begehrens wird der konkrete Diskurs vom unteren Stockwerk dargestellt.
- Das findet man nicht bei Aristoteles, sondern bei Platon im Phaidros. Sokrates spricht über zwei Merkmale der guten Rede, das zweite ist: „Ebenso auch wieder nach Begriffen zerteilen zu können, gliedermäßig, wie jedes gewachsen ist, ohne etwa, wie ein schlechter Koch verfahrend, irgendeinen Teil zu zerbrechen.“ (265e, Schleiermacher-Übersetzung)
- Dem entspricht in der Linguistik, so nehme ich an, Saussures Lehre von der Differentialität des Zeichens: „die Sprache ist eine Form und nicht eine Substanz“ (a.a.O., S. 146).
- Damit könnte Lacan auf Saussure anspielen: Die Sprache überträgt nicht eine bereits vorhandene Gliederung der Welt ins Symbolische, vielmehr erzeugt die Sprache eine Ordnung durch differentielle Artikulation, durch Bezug eines Elements auf das, was es nicht ist. Vgl. Saussure, a.a.O., Kapitel IV, „Der sprachliche Wert“.
- Version Staferla: ne laisse pas de poser, „nicht lässt, um zu stellen“; in Version Miller gestrichen.
- Der Hintergrund dieser Bemerkung könnte sein, dass 1958 die politische Opposition gegen Atomwaffentests beginnt; vgl. hier.
- Damit könnte der Punkt d im Graphen des Begehrens gemeint sein.
- Seminar 6, Sitzung vom 27. Mai 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 468–471.
- In: The Psychoanalytic Quarterly, 28. Jg. (1959), S. 1–20.
- Lacan bezieht sich auf Eisslers Begriff der „irrelevant details“ als Schlüssel zur Deutung eines Kunstwerks. In Millers Version findet man hier und im Folgenden „relevant“ statt „irrelevant“ bzw. „relevance“ statt „irrelevance“.
- Seminar 6, Sitzung vom 27. Mai 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 474 f.
- Vielleicht eine Anspielung auf Friedrich Nietzsche: Götzendämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophiert (1889).
- Das Verhältnis von Sein und einem Einem ist das Thema von Platons Parmenides.
- Stenotypie J.L.: „nous sommes de ceux qui pensons que l’être est antérieur à la pensée“ (S. 2), ebenso Version rue CB; Miller ändert ins Gegenteil: „nous ne sommes pas de ceux qui pensons …“, „wir gehören nicht zu jenen, die denken …“.
- Stenotypie J.L.: „tout sujet est un“ (S. 2), ebenso Version rue CB. Miller ändert ins Gegenteil: „tout sujet est pas un“, „jedes Subjekt ist nicht eines“.
- Stenotypie J.L.: „affective“ (S. 3), ebenso Version rue CB. Miller ändert zu „effective“ („wirksam“, „faktisch“, „effektiv“).
- Miller fügt ein: „comme sujet barré“ („als ausgestrichenes Subjekt“), nicht in Stenotypie J.L. (vgl. S. 4), nicht in Version rue CB.
- Stenotypie J.L.: „S“ (S. 4), Version rue CB „S ($)“; Version Staferla: „$“; Miller: „sujet barré“ („ausgestrichenes Subjekt“).
- Seminar 6, Sitzung vom 3. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 481–483
- Ruth Lebovici: Perversion transitoire au cours d’un traitement psychanalytique. In: Bulletin d’activités de l’Association des psychanalystes de Belgique, No. 25, 1956, S.1–17, 118 rue Froissart, Brüssel.
Lacan bezieht sich ausführlich auf diesen Artikel in Seminar 4 von 1956/57, Die Objektbeziehung, in der Sitzung vom 19. Dezember 1956; Version Miller, S. 100–105. Er verweist hierauf auch in Die Lenkung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht. In: Ders.: Schriften, Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 72–145, hier: S. 102 und 105 (Vortrag von 1958, redigiert 1960, veröffentlich 1961). - So hatte Lacan diese Gestalt in Seminar 4 beschrieben.
- Die Verlegenheit der Autorin bezieht sich darauf, dass sie diese Gestalt als phallische Mutter gedeutet hatte.
- Seminar 6, Sitzung vom 3. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S.490.
- Vgl. Ernest Jones:Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 14. Jg. (1928), S. 11–25.
- Lacan bezieht sich möglicherweise auf Éluards Gedichtband Donner à voir (1939), „Zu sehen geben“.
- Seminar 6, Sitzung vom 3. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S.491–492.
- Miller fügt hier ein: „En aucune manière“. Nicht in Stenotypie J.L. (vgl. S. 19), nicht in Version CB.
- Lacan spielt hier auf Maurice Bouvet an und auf dessen Begriff der Objektdistanz; Lacan bezieht sich hierauf ausführlich in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, ab der Sitzung vom 21. Mai 1958.
- Anatole France: La Révolte des anges. Roman. Calman-Lévy, Paris 1914; dt. Aufruhr der Engel. Übersetzt von Rudolf Leonhard. Wolff, Leipzig 1917.
- In der Stenotypie J.L. findet man hier „Comte de Cabanis“; Miller korrigiert mit einleuchtenden Argumenten zu „Comte de Gabalis“; vgl. Seminar 6, Version Miller, S. 602 f. Lacan bezieht sich demzufolge hier auf: Nicolas-Pierre-Henri de Montfaucon, Abbé de Villars: Le Comte de Gabalis, ou Entretiens sur les sciences secrètes (1670).
- Von Miller (S. 603) erfährt man auch, wo Anatole France sich auf dieses Werk bezieht, in: La Rôtisserie de la reine Pédauque. Calmann-Lévy, Paris 1893, dt.: Die Bratküche zur Königin Pedauque. Übersetzt von Paul Wiegler. Pieper, München 1912.
- Paul Valéry: La jeune Parque [Gedichtzyklus]. Nouvelle Revue Français, Paris 1917 (dt.: Die junge Parze. Französisch/deutsch. Übersetzt von Paul Celan. Insel-Verlag Wiesbaden 1960).
Darin:„Et dans mes doux liens, à mon sang suspendue,
Je me voyais me voir, sinueuse, et dorais
De regards en regards, mes profondes forêts.“Meine wörtliche Übersetzung:
„Und in meinen sanften Fesseln, aufgehängt an meinem Blut,
Sah ich mich mich sehen, verschlungen, und vergoldete,
Von Blicken in Blicken, meine tiefen Wälder.“Die Struktur von „Ich sah mich mich sehen“ ist dreistufig. Erste Ebene: „Ich sah.“ Zweite Ebene: „Ich sah mich“ (etwa: ich betrachtete mich in einem Spiegel), Reflexivität des Sehens. Dritte Ebene: Verdoppelung des Sich-Sehens. „Ich sah, dass ich mich sah“; „ich sah mich, wie ich mich sah“ (etwa: ich betrachtete ein Foto, das zeigte, wie ich mich im Spiegel betrachtete – wenn ich mich in einem Spiegel anschaue, ist die dritte Stufe in der zweiten allerdings meist enthalten, da ich, wenn ich mich im Spiegel betrachte, oft zugleich sehe, dass ich mich darin betrachte).
- Stenotypie J.L.: „justement une situation où l’autre ne voit pas le je me voyais, une situation inconsciente de l’autre“ (S. 24), ebenso in Version CB. Miller ändert zu: „À quel titre le voyeur et l’exhibitionniste s’introduisent-ils dans la situation? En tant qu’ils se mettent à la place du Je me voyais. En revanche, l’Autre ne voit pas son Je me voyais, sa jouissance est inconsciente.“ („Auf welcher Grundlage führen sich der Voyeur und der Exhibitionist in die Situation ein? Insofern sie sich an den Platz des Ich sah mich stellen. Der Andere hingegen sieht nicht sein Ich sah mich, sein Genießen ist unbewusst.“
- Stenotypie J.L.: „pour autant qu’il est effectivement l’objet de son désir“ (S. 24), ebenso Version CB. Miller ändert zu: „pour autant que celui-ci est effectivement l’objet du désir de l’exhibitionniste“ („insofern es tatsächlich das Objekt des Begehrens des Exhibitionisten ist“.
- Stenotypie J.L.: „connu“ (S. 25), ebenso Version CB. Miller ändert ins Gegenteil: „inconnu“ („unbekannt“).
- Mit „was sich da als solches sagt“ könnte das „Sprechen“ des Unbewussten gemeint sein; der Sinn von „bekannt, wenn auch gegenwärtig, aber aufgehoben“ ist mir verschlossen.
- Das könnte sich auf den Fetischismus beziehen.
- Gemeint ist die perverse Lösung.
- Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten.
- Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht (1958). In: Ders.: Schriften, Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 9–71.
- Lacan bezieht sich offenbar auf ein Schema an der Tafel, das nicht erhalten ist.
- Vgl. weiter oben in dieser Sitzung. In Millers Version ist dies S. 483.
- „Wie nicht ein“ im Sinne von „wie kein anderes“.
- Lacan bezieht sich auf die Sitzung vom 10. Dezember 1958 von Seminar 6. Er hatte hier die Unterscheidung von Damourette und Pichon zwischen zwei Arten der Negation erläutert, zwischen der diskordanziellen Negation (négation discordantielle) und der verwerfenden Negation (négation forclusive) (vgl. Version Miller, S. 104–106).
Die Negation besteht im Französischen im typischen Fall aus zwei Ausdrücken, die eine Klammer bilden, vor allem in der Form ne … pas, etwa in je ne parle pas („ich spreche nicht“). Das erste Element, also das ne, wird von Damourette und Pichon als discordantiel bezeichnet („nichteinverstanden“), der zweite, hier das pas, heißt bei ihnen forclusif („verwerfend“). Das diskordantielle Element kann in der Umgangssprache entfallen (das ergibt beispielsweise je parle pas).
Vgl. Jacques Damourette, Édouard Pichon: Des mots à la pensée. Essai de grammaire de la langue française. D’Artrey, Paris 1911–1940, Band 1, S. 138, § 115. - Vielleicht ist die Negation in „pas un“ gemeint.
- Seminar 6, Sitzung vom 3. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 491-498.
- Möglicherweise bezieht Lacan sich hier auf die Symbolisierung des Subjekts durch die imaginäre Zahl in der vorangegangenen Sitzung.
- Seminar 6, Sitzung vom 10. Juni 1959; vgl. Version Miller, S. 501.
- Stenotypie J.L: „que est le v“ (S. 16), Version rue CB: „qui es le V“. Miller ändert „qui est le v“ zu „qui est le tilde, ~“. Die Tilde wird in den mir bekannten Notationen der Logik nicht als Symbol für das Oder verwendet, sondern für die Negation.
- Miller fügt hinzu: „et disparaître, manquer à être“ (und verschwinden, zu sein verfehlen).
- Version rue CB: $; Miller: „sujet barré“; in der im Internet zugänglichen Datei der Stenotypie J.L. fehlt diese Seite.
- Seminar 6, Sitzung vom 10. Juni 1969, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 509.
- Staferla: „où il s’agit du réel“. In der Stenotypie J.L. wird hier durch eine Klammer eine Leerstelle markiert (S. 2), das könnte heißen, dass die Stenotypistin hier etwas nicht verstanden hat. In Version rue CB findet man in eckigen Klammern eine kursiv geschriebene Einfügung:„où il s’agit du [ rapport à l’être ]“, offenbar der Hinweis auf eine Ergänzung aus anderer Quelle als azs der Stenotypie J.L.“ Miller streicht die Stelle.
- Seminar 6, Sitzung vom 24. Juni 1959; vgl. Version Miller, S. 536.
- Lacan bezieht sich auf Seminar 2 von 1954/55, Das Ich in der Theorie Freuds und die Technik der Psychoanalyse, darin v.a. auf die Sitzungen vom 1. Dezember 1954 bis zum 19. Januar 1955, vom 23. März 1955 und vom 15. bis zum 29. Juni 1955.
- Seminar 6, Sitzung vom 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539 f.
- In der Stenotypie J.L. gibt es hier eine kleine Lücke, offenbar ein gelöschtes Wort; Miller ergänzt „représentant“, das ergibt: „das sein Sein im Schnitt repräsentiert“.
- William H. Gillespie: A contribution of the study of fetishism. In: The International Journal of Psycho-Analysis, 21. Jg. (1940), S. 401–415.– Ders.: Notes on the analysis of sexual perversions. In: The International Journal of Psycho-Analysis, 33. Jg. (1952), S. 397–402.– Ders.: The general theory of sexual perversion. In: The International Journal of Psycho-Analysis, 37. Jg. (1956), S. 396-403. Die drei Artikel findet man auch in: W.H. Gillespie: Life, sex and death. Selected writings. Routledge, London 1995.
- Lacan umschreibt in der zweiten Satzhälfte eine Bemerkung von Gillespie zu Beginn des Aufatzes von 1952.
- Lacan bezieht sich auf folgende Passage aus Gillespies Aufsatz: „Es gab einige sehr interessante Phantasien in Verbindung mit seinem Zorn gegen die kastrierende Mutter. In einer von ihnen penetriert er mit seinem Penis ihren Körper, danach verwandelt sie sich in eine gorrilla-artige Kreatur mit großen Zähnen, mit denen sie seine weiblichen Brustwarzen abbeißt. In einer anderen Phantasie wurde er dadurch in ein weibliches Wesen verwandelt, dass sein Körper von Brüsten penetriert wurde. (…) Seine Mutter flößte ihm eine Furcht ein, auf etwas zu fallen und aufgespalten zu werden, insbesondere an den Hoden. Er hatte eine Phantasie über den Schuh seiner Mutter, der ihn tritt und seinen Anus und sein Rektum aufspaltet.“ (Gillespie 1952, S. 400)
- Das könnte sich auf diese Bemerkung beziehen: „Überdies muss ein verheirateter Mann die Frau füttern. Der Fetisch stellt keine Forderungen dieser Art.“ (Gillespie 1952, S. 400)
- Im Französischen: „le primitif regret de la mère“; „regret“ bedeteutet Trauer, Sehnsucht, Reue; der Genitiv kann subjektiv oder objektiv sein (Trauer usw. der Mutter vs. Trauer usw. um die Mutter). Meine Übersetzung beruht auf der Annahme, dass Lacan sich auf folgenden Satz bezieht: „Die Mutter machte eine Religion aus einer toten und engelhaften älteren Schwester, die der Patient niemals sah. Sie hielt ein Zimmer ständig verschlossen, das eine lebensgroße Puppe enthielt, und nach ihrem Tode stellte sich heraus, dass es eine außergewöhnliche Ansammlung von nutzlosen Artikeln enthielt, darunter 140 Handtaschen.“ (Gillespie 1952, S. 400)
- Ich übersetze hier und im Folgenden Lacans Gillespie-Übersetzung, die meist eng Text ist, gelegentlich aber umschreibenden Charakter hat.
- Lacan bezieht sich auf: S. Freud: Die Ichspaltung im Abwehrvorgang. In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 389–394.– Der Artikel wurde, Jones zufolge über Weihnachten 1937 geschrieben (vgl. E. Jones: Sigmund Freud. Leben und Werk. Band 3. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1984, S. 282); 1940 wurde er postum veröffentlicht. Die Gründe, aus denen Freud diesen Artikel nicht beendet hat, sind nicht bekannt. Auch nach dem Verfassen der Ichspaltung hat Freud noch geschrieben, vor allem den Abriss der Psychoanalyse (geschrieben 1938, ebenfalls unvollendet, 1940 veröffentlicht) sowie am dritten Teil von Der Mann Moses und die monotheistische Religion (1938 beendet, 1939 veröffentlicht).
- Seminar 6, Sitzung vom 24. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 542–545.
- Jean Delay: La Jeunesse d’André Gide. 2 Bde. Gallimard, Paris 1956 und 1957.
- J.L.: Gides Jugend oder Buchstabe, Brief und Begehren (1958). In: J.L.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 257–288.
- André Gide: Si le grain ne meurt. Nouvelle Revue française, Paris 1926.– Deutsch: Stirb und werde. Übersetzt von Ferdinand Hardekopf. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1930.
- George Sand: L’histoire du véritable Gribouille (1851), im Internet hier. Dt.: Die wahrhaftige Geschichte vom kleinen Gribouille. Übersetzt von Ulrich C.A. Krebs. Fischer, Frankfurt am Main 1987.
- Anders gesagt: Mit „Absurd!“ bringt Gide einen fiktiven Gesprächspartner ins Spiel.
- „Großmutter von Nohant“ ist ein Spitzname für George Sand; Nohant war ihr Wohnort.
- Sophie de Ségur (1799–1874), französische Schriftstellerin.
- Le Dîner de Mademoiselle Justine (1869), Komödie in zwei Akten, im Internet hier.
- A. Gide: Si le Grain ne meurt. In: Ders.: Journal 1939-1949. Souvenirs. Gallimard, Paris 1955 (Bibliothèque de la Pléiade), S. 386 f.; die drei Zitat-Stücke schließen übergangslos aneinander an.
Auf diese Passage aus Si le grain ne meurt bezieht Delay sich a.a.O., Bd. 1, S. 250, und Lacan in Gides Jugend, a.a.O., S. 271. Lacan schreibt dort:
„Worauf in ihm [in Gide] ein weiterer Abgrund antwortet, derjenige, der sich in seinem primären Genießen auftut: die Zerstörung eines geliebten Spielzeugs; die plötzlich weggebrochenen Arme – unter dem Klirren dessen, was sie tragen – einer gekitzelten Dienerin; die seltsame Metamorphose von Gribouille, der sich vom Fluss treiben lässt, in einen grünen Zweig, bringen ihn zum Orgasmus.“ (Übersetzung RN) - Kleine Lücke in der Transkription.
- Seminar 6, Sitzung vom 24. Juni 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller, S. 546–549.
- Paul-Jean Toulet: Les Contrerimes. Éditions Divan, Émile Paul frères, Paris 1921. Die Zeile „Ragten hervor seine beiden …“ („Il dépassait ses deux… “) ist eine Erfindung von Lacan.
Das Gedicht lautet:
J’ai vu le diable, l’autre nuit
J’ai vu le Diable, l’autre nuit;
Et, dessous sa pelure,
Il n’est pas aisé de conclure;
S’il faut dire: Elle, ou: Lui.Sa gorge avait l’air sous la faille,
De trembler de désir:
Tel, aux mains près de le saisir,
Un bel oiseau défaille.Telle, à la soif, dans Blidah bleu,
S’offre la pomme douce;
Ou bien l’orange, sous la mousse,
Lorsque tout bas il pleut.„Ah!“ dit Satan, et le silence
Frémissait à sa voix,
„Ils ne tombent pas tous, tu vois,
Les fruits de la Science.“(Zitiert nach Seminar 6, Version Miller, Anmerkung S. 609 f.)
Meine Übersetzung (ich habe das Versmaß – den contrevers – nachgebildet):
Ich sah den Teufel letzte Nacht
Und unter dem Mantel
Ist gar nicht so leicht zu erraten,
Sagt man: Sie oder Er.Die Kehle schien unter der Seide
Zu zittern vor Begier:
Wie, für die Hand, die gleich ihn fasst,
Ein schöner Vogel schwindetWie für den Durst, im blau’n Blida,
Sich gibt der süße Apfel,
Auch die Orange unterm Tuche,
Wenn unten Regen fällt.„Ach!“ sagt der Satan, und das Schweigen
In seiner Stimme bebt,
„Siehst du, nicht alle fallen, die
Früchte der Wissenschaften.“„Faille“ (hier mit „Seide“ übersetzt) heißt im Deutschen genauer „Ripsseide“ oder ebenfalls „Faille“. Blida ist eine Stadt in Algerien. „Mousse“ (mit „Tuch“ übersetzt) meint hier das Mousselin. Mit den „Früchten der Wissenschaft“ spielt das Gedicht vermutlich auf die Anekdote an, wonach Newton durch den Anblick fallender Äpfel zu seiner Gravitationstheorie inspiriert wurde.
- Miller verändert ins Gegenteil: „C’est ce qui nous permet de ne plus être les dupes de l’échange qui a lieu au niveau du désir (…).“ „Das, was es uns gestattet, nicht mehr die Hereingelegten des Austauschs zu sein, der auf der Ebene des Begehrens stattfindet (…).“
- Seminar 6, Sitzung vom 1. Juli 1959; vgl. Version Miller, S. 564 f.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 450.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 474.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 482.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 482.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 482.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 474.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 482.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 451.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 481.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 481.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 482.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 483.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539 f.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539 f.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 451.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539 f.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 540.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 540.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 540.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 497.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469 f.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 470.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 470.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 451.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 539.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 540.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 482.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 483.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 483.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 483.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 474.
- 10. Juni 1959; Version Miller, S. 501.
- 10. Juni 1959; Version Miller, S. 501.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 536.
- 1. Juli 1959; Version Miller, S. 564 f.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 497.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 451.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 452.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 489 f. .
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 546–548.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 452 f.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 453.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 455.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 453 f.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 453.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 454.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 454.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 455.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 455.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 456.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 456 f.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 456.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 456.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 457.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 457 f.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 457.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 458.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 453.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 459.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 459.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 459.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 460.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 469.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 494.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 494.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 495.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 494.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 495.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 495 f.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 496.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 496.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 496 f.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 496.
- 3. Juni 1959; Version Miller, S. 496.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 544 f.
- 24. Juni 1959; Version Miller, S. 548 f.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 474.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 474.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 475.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 474.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 460 f.
- 20. Mai 1959; Version Miller, S. 461.
- 27. Mai 1959; Version Miller, S. 471.
- 10. Juni 1959; Version Miller, S. 509.
- Seminar 7, Sitzung vom 1. Juni 1960; Version Miller/Haas, S. 318 f., Übersetzung geändert nach Version Staferla.
- Seminar 7, Sitzung vom 8. Juni 1960; Version Miller/Haas, S. 335, Übersetzung geändert nach Version Staferla.
- Seminar 8, Sitzung vom 8. Juni 1960; vgl. Version Miller/Haas, S. 338, Übersetzung geändert nach Version Staferla.
- Vgl. Seminar 10, Version Miller/Gondek S. 138.
- Vgl. Seminar 10, Version Miller/Gondek S. 138.
- Vgl. Seminar 10, Version Miller/Gondek S. 89, 138).
- Vgl. Seminar 10, Version Miller/Gondek S. 97 f.
- Vgl. Seminar 13 von 1965/65, Das Objekt der Psychoanalyse, Sitzung vom 11. Mai 1966 , hier übersetzt, und Sitzung vom 25. Mai 1966, hier übersetzt.
- Vgl. Seminar 10, Version Miller/Gondek S. 67.
- Vgl. Seminar 10, Version Miller/Gondek S. 423.