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Jacques Lacan
Vorlesungen über Velázquez’ Bild Las meninas. Teil II
Übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Rolf Nemitz

Lacan entziffern Veröffentlicht am 22. April 2017 von Rolf Nemitz24. April 2022
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Die­go Veláz­quez, Las meni­nas („Die Hof­fräu­lein“), 1656
Öl auf Lein­wand, 318 x 276 cm, Museo del Pra­do, Madrid

Ers­te deut­sche Über­set­zung der Vor­le­sun­gen von Lacan über das Bild Las meni­nas von Die­go Veláz­quez. Teil II von fünf Teilen.

Über­blick über die Übersetzung

Teil I:
– Vor­be­mer­kung zur gesam­ten Übersetzung
– Ankün­di­gung der Las-meni­nas-Vor­le­sun­gen (27. April 1966, Auszug) 
– Die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz und die Spal­tung zwi­schen dem sehen­den und dem bli­cken­den Sub­jekt (4. Mai 1966)
– Literaturverzeichnis

Teil II: die­ser Beitrag
– Der Blick als Objekt a und das Fens­ter (11. Mai 1966)

Teil III:
– Noch ein­mal, für Fou­cault (18. Mai 1966)

Teil IV:
– Das blin­de Sehen des Ande­ren (25. Mai 1966)
– Wei­te­re Bemer­kun­gen zu Las meni­nas in den Semi­na­ren XIII: Das Objekt der Psy­cho­ana­ly­se, XV: Der psy­cho­ana­ly­ti­sche Akt, und XXII: RSI

Teil V: NACHTRÄGE
– Objekt a zwi­schen Ⱥ und $ (Semi­nar XIII, 1. Juni 1966, Auszüge)
– Das Geheim­nis der nar­ziss­ti­schen Fes­se­lung: der Blick (Semi­nar XIII, 15. Juni 1966, Auszug)
– Der Blick und die Über­tra­gung (Semi­nar XV, 20. und 27. März 1968, Auszug)
– Der Punkt im Unend­li­chen (Semi­nar XXII, 18. Febru­ar 1975, Auszug)
– Die Ver­or­tung des Blicks im Inter­vall (Semi­nar XXII, 13. Mai 1975, Auszug)

Zur Nota­ti­on
– Zah­len in geschweif­ten Klam­mern und grau­er Schrift – {1} usw. – ver­wei­sen auf die Sei­ten­zah­len von Ver­si­on J.L.; in der Rous­san-Edi­ti­on fin­det man die­se Sei­ten­an­ga­ben am Rand.
– Text [in ecki­gen Klam­mern] ist nicht von Lacan.
– Wör­ter mit Stern­chen*: im Ori­gi­nal deutsch.
– Der Schräg­strich /​ ver­bin­det Übersetzungsvarianten.

Inhalt

  • 11. Mai 1966: Der Blick als Objekt a und das Fenster 
    • Deutsch
    • Französisch/​deutsch mit Anmer­kun­gen und Links
    • Para­phra­se mit Ergän­zun­gen und Fragen
      • Der Sta­tus des Wis­sen­den und das gespal­te­ne Subjekt
      • Der Punkt des bli­cken­den Sub­jekts (Zusam­men­fas­sung der vor­an­ge­gan­ge­nen Sitzung)
      • Das Fens­ter als Objekt a
      • Das ver­deck­te Bild
      • Die zwei Run­den des Schautriebs
      • Das ver­deck­te Bild als Vorstellungsrepräsentanz
      • Die Infan­tin: „Lass sehen!“
      • Die übri­gen Per­so­nen: geben eine Vorstellung
      • Nieto Veláz­quez: das sehen­de Sub­jekt als Abwehr
      • Die­go Veláz­quez: das bli­cken­de Subjekt
      • Bezie­hung des Gemäl­des zum Fenster
      • Der Abstand des bli­cken­den Sub­jekts und die Spur sei­ner Rückkehr
      • Der Platz vor dem Bild: das Fenster
      • Das Königs­paar: der getäusch­te all­se­hen­de Andere
      • Die Fra­ge nach dem Ver­hält­nis zwi­schen dem all­se­hen­den Ande­ren und dem Blick als Objekt a
    • Eini­ge Koordinaten
  • Ver­wand­te Beiträge
  • Anmer­kun­gen

11. Mai 1966: Der Blick als Objekt a und das Fenster

Offe­ne Vorlesung

Deutsch

{1} Was das Wis­sen (savoir) angeht, ist es schwie­rig, nicht die Exis­tenz des Wis­sen­den (savant) zu berück­sich­ti­gen – „Wis­sen­der“ hier nur als Stüt­ze für die Hypo­the­se des Wis­sens im all­ge­mei­nen genom­men, ohne zwangs­läu­fig die Kon­no­ta­ti­on des Wis­sen­schaft­lers mit hin­ein­zu­brin­gen. Der Wis­sen­de weiß etwas oder er weiß nichts – in bei­den Fäl­len weiß er, dass er ein Wis­sen­der ist.

Die­se Bemer­kung soll Sie nur auf das Pro­blem hin­wei­sen, das seit lan­gem vor­be­rei­tet ist, ich möch­te sogar sagen, das nicht erst ver­ge­gen­wär­tigt ist, seit ich unter­rich­te, son­dern seit ich mei­ne ers­ten Bemer­kun­gen über das ver­lau­ten ließ, was die Ana­ly­se uns an Grund­le­gen­dem in Erin­ne­rung ruft und was sich um die Funk­ti­on des Nar­ziss­mus oder des Spie­gel­sta­di­ums dreht.

*

Sagen wir, um schnell vor­an­zu­kom­men, da wir mit Ver­spä­tung ange­fan­gen haben, dass der Sta­tus des Sub­jekts im wei­tes­ten Sin­ne – in noch nicht geklär­ter Bedeu­tung, nicht in der Bedeu­tung, deren Struk­tur ich gera­de für Sie genau­er zu fas­sen ver­su­che –, also das, was man das Sub­jekt im All­ge­mei­nen nennt, dass dies im gera­de erwähn­ten Fall ein­fach bedeu­tet: Es gibt Wis­sen, also gibt es einen Wissenden.

{2} Es ist aus­ge­schlos­sen, dass die Tat­sa­che, dass man weiß, dass man ein Wis­sen­der ist, in die Struk­tur die­ses Wis­sens nicht tief ein­greift. Um hier sofort wei­ter­zu­ge­hen, sagen wir, dass der Leh­rer (pro­fes­seur) – denn der Leh­rer hat viel mit dem Wis­sen zu tun –, dass er, um das Wis­sen zu über­mit­teln, eine bestimm­te Quan­ti­tät an Wis­sen zusam­men­kar­ren muss, wel­ches er sei­ner Erfah­rung oder einer anders­wo getä­tig­ten Wis­sens­an­häu­fung ent­nom­men hat und das etwa in die­sem oder jenem Bereich, in der Phi­lo­so­phie bei­spiels­wei­se, als Tra­di­ti­on bezeich­net wird.

Es ist klar, dass wir nicht ver­nach­läs­si­gen kön­nen, dass die Auf­recht­erhal­tung des beson­de­ren Sta­tus die­ses Wis­sen­den – ich habe auf den Sta­tus des Leh­rers ver­wie­sen, es gibt aber noch wei­te­re, den des Arz­tes bei­spiels­wei­se –, dass die Auf­recht­erhal­tung sei­nes Sta­tus dazu führt, dass sie das, was ihm als der all­ge­mei­ne Sta­tus sei­nes Wis­sens erscheint, mit einer bestimm­ten Beu­gung ver­sieht, mit einer bestimm­ten Aus­rich­tung. Es ist aus­ge­schlos­sen, dass der Inhalt die­ses Wis­sens, der Fort­schritt die­ses Wis­sens, die Rich­tung sei­ner Aus­deh­nung, dass all dies nicht beein­flusst ist durch den not­wen­di­gen Schutz sei­nes Sta­tus als eines wis­sen­den Subjekts.

Das scheint mir ziem­lich offen­sicht­lich zu sein, wenn man bedenkt, dass wir des­sen Mate­ria­li­sie­rung vor uns haben, spür­bar in den sozia­len Bestä­ti­gun­gen die­ses Sta­tus, die dazu füh­ren, dass ein bestimm­ter Herr nicht aus­schließ­lich in dem Maße als Wis­sen­der ange­se­hen wird, wie er etwas weiß und wie er fort­fährt, als Wis­sen­der zu fun­gie­ren – |{3} Leis­tungs­ge­sichts­punk­te ste­hen hier weit hin­ter sol­chen zurück, bei denen es dar­um geht, dem­je­ni­gen, der ein Wis­sen­samt erreicht hat, einen dau­er­haf­ten Sta­tus zu sichern. Das ist nicht unbe­grün­det, und im Gro­ßen und Gan­zen kom­men alle damit zurecht, alle pas­sen sich gut dar­an an. Jeder an sei­nem Platz, der wis­sen­schaft­lich Wis­sen­de an hier­für bestimm­ten Orten, und man wird nicht so genau hin­schau­en, ob sei­ne „Wis­send­heit“ sich von einem bestimm­ten Moment an wie­der­holt und ein­ros­tet oder sogar zum blo­ßen Schein wird, zum Wissensgehabe.

Aber wie bei vie­len sozia­len Kris­tal­li­sie­run­gen dür­fen wir uns nicht ein­fach bei dem auf­hal­ten, was blo­ße sozia­le Anfor­de­rung ist, bei dem, was man gewöhn­lich als Grup­pen­funk­tio­nen bezeich­net, nicht ein­fach dabei, wie eine bestimm­te Grup­pe einen mehr oder weni­ger pri­vi­le­gier­ten Sta­tus ein­nimmt, aus Grün­den, die letzt­lich immer auf einen bestimm­ten his­to­ri­schen Ursprung zurück­zu­füh­ren sind.

Es gibt hier etwas Struk­tu­rel­les, das – wie das Struk­tu­rel­le uns oft zu bemer­ken zwingt – über die ein­fa­che Wech­sel­be­zie­hung der Nütz­lich­keit weit hinausreicht.

Man kann sich fra­gen, ob es unter dem Gesichts­punkt der Leis­tung nicht vor­teil­haft wäre, den Sta­tus des Wis­sen­den weni­ger sta­bil zu machen. Aber man muss wohl anneh­men, dass es in den Trug­bil­dern des Sub­jekts – nicht in der Struk­tur des Sub­jekts selbst – etwas gibt, das zu die­sen sta­bi­len Struk­tu­ren führt und sie not­wen­dig macht.

{4} Wenn die Psy­cho­ana­ly­se uns zwingt, den Sta­tus des Sub­jekts neu in Fra­ge zu stel­len, dann sicher­lich des­halb, weil sie die­ses Pro­blem – das Pro­blem, was ein Sub­jekt ist – von einem ande­ren Aus­gangs­punkt aus angeht. Wenn ich in lan­gen Jah­ren zei­gen konn­te, dass die Ein­füh­rung der Erfah­rung der Ana­ly­se in ein Feld, das nur von daher bestimmt wer­den kann, dass es mit einer bestimm­ten Infra­ge­stel­lung des Wis­sens im Namen der Wahr­heit ver­bun­den ist, wenn die Skan­die­rung die­ses Fel­des an einem radi­ka­le­ren Punkt gesucht wird, an einem Punkt, der die­ser Begeg­nung vor­aus­liegt, die­ser Begeg­nung mit einer Wahr­heit, die sich als etwas setzt und als etwas anbie­tet, das dem Wis­sen, wie wir gesagt haben, fremd ist, so wird dies zuerst in der Per­spek­ti­ve des Anspruchs ein­ge­führt, der sich zunächst – in einer Per­spek­ti­ve, die sich dann redu­ziert –, der sich zunächst als etwas anbie­tet, was ursprüng­li­cher ist, archai­scher, und was es nötig macht, zu fra­gen, in wel­cher Struk­tur die­ser Anspruch mit etwas zusam­men­ge­ord­net ist, womit er nicht über­ein­stimmt und was sich Begeh­ren nennt.

So kommt es, dass wir, gleich­sam auf die­sem Umweg, in die­ser struk­tu­rel­len Spal­tung dazu gelangt sind, den Sta­tus des Sub­jekts in Fra­ge zu stel­len, zu beden­ken, dass das Sub­jekt uns kei­nes­wegs ein Angel­punkt zu sein scheint, eine Art Ach­se, um die sich was auch immer dre­hen wür­de, die Rhyth­men, das Pul­sie­ren, das wir dem zuschrei­ben, was sich dreht, wor­um sich die Aus­wei­tung und das Schwin­den des Wis­sens dre­hen wür­den. |{5} Wir kön­nen das Dra­ma, das sich abspielt und wor­auf sich das Wesen des Sub­jekts grün­det, wie es uns in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Erfah­rung gege­ben ist, wir kön­nen die­ses Dra­ma nur berück­sich­ti­gen, wenn wir ins Inne­re der Funk­ti­on des Wis­sens den Aspekt des Begeh­rens ein­füh­ren, und das kön­nen wir nicht tun, wenn wir vom Sta­tus der Per­son aus­ge­hen, der letzt­lich das ist, was bis­lang die phi­lo­so­phi­sche Sicht domi­niert hat, die durch das Ver­hält­nis des Men­schen zu dem bestimmt war, was man die Welt nennt, in Gestalt eines bestimm­ten Wissens.

Das Sub­jekt erscheint uns als grund­le­gend gespal­ten, in dem Sin­ne, dass wir sehen, wenn wir die­ses Sub­jekt am radi­kals­ten Punkt befra­gen, näm­lich ob es etwas weiß oder nicht weiß – das ist der kar­te­si­sche Zwei­fel –, dass wir dann sehen, was in die­ser Erfah­rung des Cogi­to das Wesent­li­che ist, wie das Sein des Sub­jekts in dem Moment, in dem es befragt wird, gewis­ser­ma­ßen flüch­tet, wie es in Gestalt von zwei Berei­chen des Seins aus­ein­an­der­geht, die nur in illu­so­ri­scher Form mit dem Sein/​Wesen zusam­men­tref­fen, wel­ches die Gewiss­heit gefun­den hat, sich im Inne­ren die­ser Befra­gung als Sein zu mani­fes­tie­ren. Ich den­ke, und indem ich den­ke, bin ich. Aber ich bin, was denkt. Und „ich bin“ zu den­ken, ist nicht das­sel­be wie: das zu sein, was denkt. Ein unbe­ach­te­ter Punkt, der jedoch sein gan­zes Gewicht, sei­nen gan­zen Wert von daher annimmt, dass er sich in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung damit über­schnei­det, dass das­je­ni­ge, was das ist, was denkt, auf eine Wei­se denkt, auf die der­je­ni­ge, der „ich bin“ denkt, nicht gefasst ist.

{6} Das ist hier das Sub­jekt, mit des­sen Reprä­sen­ta­ti­on der­je­ni­ge beauf­tragt ist, der die ana­ly­ti­sche Erfah­rung anlei­tet und Psy­cho­ana­ly­ti­ker heißt, und der sieht, wie sich für ihn neu das Pro­blem stellt, wor­um es bei der Fra­ge des Wis­sen­den geht.

Das Ver­hält­nis des Psy­cho­ana­ly­ti­kers zur Fra­ge sei­nes Sta­tus nimmt hier mit gestei­ger­ter Schär­fe die Fra­ge wie­der auf, die seit jeher gestellt wird, die Fra­ge nach dem Sta­tus des­je­ni­gen, der das Wis­sen besitzt. Und das Pro­blem der Psy­cho­ana­ly­ti­ker­aus­bil­dung ist wirk­lich kein ande­res als dies, es durch eine beson­de­re Erfah­rung zu ermög­li­chen, dass Sub­jek­te zur Welt kom­men, wenn ich so sagen kann, für die die­se Sub­jekt­spal­tung nicht nur etwas ist, das sie wis­sen, son­dern etwas, wor­in sie denken.

Es geht dar­um, dass sol­che zur Welt kom­men, die in der Lage sind, zu ent­hül­len, was sie in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung erkun­den, aus­ge­hend davon, dass die Posi­ti­on auf­recht­erhal­ten wird, dass sie nie­mals imstan­de sind zu ver­ken­nen, dass sie als Ana­ly­ti­ker im Moment des Wis­sens in einer gespal­te­nen Posi­ti­on sind. Nichts ist schwie­ri­ger, als in einer Posi­ti­on bestän­dig das zu sein, was sicher­lich von jedem, wenn er den Titel des Ana­ly­ti­kers ver­dient, in einem bestimm­ten Moment in der Erfah­rung erlebt wor­den ist.

Und da sind wir.

{7} Von dem Moment an, in dem der Sta­tus des­je­ni­gen ein­ge­führt wird, dem unter­stellt wird, in ana­ly­ti­scher Per­spek­ti­ve zu wis­sen, kommt es zu einem Wie­der­auf­blü­hen des gesam­ten Pres­ti­ges der spie­gel­haf­ten Ver­ken­nung, was den Sta­tus des Sub­jekts nur wie­der ver­ein­heit­li­chen kann, den ande­ren Teil also nur wie­der fal­len las­sen kann, til­gen kann, den­je­ni­gen, bei dem die Wir­kung die­ser ein­zig­ar­ti­gen Erfah­rung dar­in bestehen müss­te – die tren­nen­de Wir­kung im Ver­hält­nis zu Gesamt der Her­de –, dass eini­ge es nicht nur wis­sen, son­dern in dem Moment, in dem sie die gesam­te Erfah­rung ihrer eige­nen Ord­nung ange­hen, mit dem kon­form gehen oder zumin­dest ahnen, was es mit die­ser gespal­te­nen Struk­tur auf sich hat.

Der Sinn mei­nes Unter­richts besteht in nichts ande­rem als dar­in, an die­se Anfor­de­rung zu erin­nern (wäh­rend die Mit­tel, dar­in ein­zu­füh­ren, sicher­lich anders­wo lie­gen), dass aber durch eine Struk­tur (ich wie­der­ho­le es), die über ihre sozia­le Bedingt­heit weit hin­aus­geht, etwas (bei wel­cher Erfah­rung auch immer) allein schon durch ein Funk­tio­nie­ren, in dem jeder sich mit einem benenn­ba­ren Sta­tus iden­ti­fi­ziert, in die­sem Fal­le mit dem, der Wis­sen­de zu sein, mit einem Sta­tus, der dazu neigt, das Wesent­li­che der schi­ze wie­der in eine Ord­nung zu brin­gen –; der schi­ze, durch die jedoch allein sich ein sol­cher Zugang zur Erfah­rung eröff­nen kann, der auf der Höhe die­ser Erfah­rung ist. Der Ana­ly­ti­ker ist dazu auf­ge­ru­fen, als gespal­te­nes Sub­jekt auf den Anspruch des­je­ni­gen zu ant­wor­ten, der mit ihm eine Sub­jekt­er­fah­rung eingeht.

*

{8} Des­halb war es nicht blo­ßes Raf­fi­ne­ment, neben­säch­li­che Aus­schmü­ckung, Aus­ma­len eines bestimm­ten Bereichs unse­rer Erfah­rung – das gewis­ser­ma­ßen ver­an­schau­li­chen wür­de, was man dem an Infor­ma­ti­on hin­zu­zu­fü­gen soll­te, was wir bei­spiels­wei­se vom Schau­trieb erken­nen kön­nen –, wenn ich das letz­te Mal vor Ihnen Funk­tio­nen des Begriffs der Per­spek­ti­ve ent­wi­ckelt habe. Viel­mehr geht es dabei dar­um, Ihnen zu ver­an­schau­li­chen, wel­cher Appa­rat das, wor­um es geht, unter­stüt­zen kann, sodass die Sub­jek­ti­vi­tät des Ana­ly­ti­kers sich zurecht­fin­det und, indem sie sich zurecht­fin­det, nie­mals ver­gisst – selbst in dem Moment nicht, wenn ich so sagen kann, in dem der zwei­te Flucht­punkt sei­nes Den­kens unter dem Ein­fluss irgend­ei­nes Sche­mas dazu ten­diert, ver­ges­sen, getilgt, zumin­dest bei­sei­te gelas­sen zu wer­den –, sich selbst dar­an erin­nert sieht, dass er danach suchen muss, wo die­ser ande­re Flucht­punkt am Werk ist, in eben dem Moment, an eben dem Ort, wo er dazu neigt, irgend­ei­ne Wahr­heit zu for­mu­lie­ren, die, falls er nicht acht­gibt, bereits schon durch ihren Aus­druck in die alten Ein­heits­sche­ma­ta des Erkennt­nis­sub­jekts zurück­fällt und ihn bei­spiels­wei­se dazu ver­lei­tet, eine Idee der Tota­li­tät in den Vor­der­grund zu stel­len, die jedoch im stren­gen Sin­ne das ist, dem er bei der Syn­the­se sei­ner Erfah­rung am meis­ten miss­trau­en muss.

{9} Als ich das letz­te Mal ver­such­te, Ihnen auf abge­kürz­te Wei­se zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, was uns das, was die Erfah­rung der Per­spek­ti­ve uns lehrt, brin­gen kann, hat­te ich den Ein­druck – auch wenn ich die­se Wege sicher­lich so gang­bar gewählt habe, wie ich konn­te –, dass es mir nicht immer gelun­gen ist, Ihre gan­ze Auf­merk­sam­keit dar­auf zu len­ken, oder dass es mir zumin­dest nicht immer gelun­gen ist, sie zu beloh­nen, viel­leicht man­gels eines Sche­mas. Aller­dings war es eben das, was ich, um Miss­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den, zurück­wei­sen woll­te, zurück­drän­gen woll­te. Heu­te jedoch will ich es tun, will ich es wie­der­auf­neh­men und sagen, was für uns in die­ser Erfah­rung der Per­spek­ti­ve streg gesagtn das ver­an­schau­li­chen kann, wor­um es geht, näm­lich das Ver­hält­nis der Sub­jekt­spal­tung zu dem, wodurch sich in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung die im eigent­li­chen Sin­ne visu­el­le Bezie­hung zur Welt aus­zeich­net, näm­lich durch ein bestimm­tes Objekt a. Die­ses Objekt a, das ich bis­her auf annä­hern­de Wei­se, die im Übri­gen nicht wie­der auf­ge­grif­fen wer­den muss, vom Feld des Sehens (visi­on) als Funk­ti­on des Blicks (regard) unter­schie­den habe, wie kann es sich in der Erfah­rung orga­ni­sie­ren, in der struk­tu­rel­len Erfah­rung, inso­fern sie in der Geo­me­trie einen bestimm­ten Typ des Den­kens eta­bliert und inso­fern sie im gesam­ten Funk­tio­nie­ren der Kunst spür­bar gemacht wird, vor |{10} allem in der Malerei?

Das letz­te Mal habe ich ver­bal eine Kon­struk­ti­on vor­ge­nom­men, die so in einer Arbeit über Per­spek­ti­ve leicht wie­der­zu­fin­den ist. Dabei geht es nicht um die­se hier – das hat man mir sofort gebracht, das ist die Arbeit, bei­spiels­wei­se, oder viel­mehr die Samm­lung von Arti­keln von Erwin Panof­sky über die Per­spek­ti­ve. Davon gibt es eine Aus­ga­be auf Deutsch, die übri­gens --, wo die Arti­kel, wie ich sehe, anders ange­ord­net sind als in die­ser ita­lie­ni­schen Ausgabe.

Ich habe dar­an erin­nert, dass es im soge­nann­ten Pro­jek­ti­ons­ver­hält­nis, das sich zwi­schen der Ebe­ne her­stellt, die man als Bild (tableau) bezeich­nen kann, und der Ebe­ne, die wir heu­te, um ein­fach zu sein, den Boden der Per­spek­ti­ve (sol per­spec­tif) nen­nen wol­len, dass sich in die­sem Ver­hält­nis fun­da­men­ta­le linea­re Ent­spre­chun­gen her­stel­len, die Ele­men­te ent­hal­ten, die im stren­gen Sin­ne nicht intui­tio­nier­bar sind, die aber gleich­wohl grund­le­gen­de Ele­men­te des­sen sind, was man den pro­jek­ti­ven Raum oder das pro­jek­ti­ve Aus­ge­dehn­te nen­nen kann. Eine kohä­ren­te Geo­me­trie, die, hin­sicht­lich der Beweis­füh­rung, eine voll­kom­me­ne Stren­ge ein­führt und die mit der metri­schen Geo­me­trie nichts gemein hat, stellt sich unter der Bedin­gung her, dass man zulässt, dass das, was in dem geschieht, was ich heu­te als „Boden der Per­spek­ti­ve“ bezeich­net habe – um damit einen Ter­mi­nus zu erset­zen, der, wie mir klar wur­de, schwe­rer zu mer­ken ist, den­je­ni­gen, den ich das letz­te Mal |{11} ver­wen­det habe –, dass die Ent­spre­chung zwi­schen den Lini­en, die also auf den Boden der Per­spek­ti­ve gezeich­net sind, zu den­je­ni­gen Lini­en, die sich auf das Bild zeich­nen las­sen, dass die­se Ent­spre­chung impli­ziert, dass eine Linie, die auf dem Boden der Per­spek­ti­ve im Unend­li­chen liegt, auf dem Bild in die Hori­zont­li­nie über­setzt wird.

Abb. 1: Drei Ebe­nen mit Aug­punkt S und Hori­zont h

Das ist bei jeder Per­spek­tive­kon­struk­ti­on der ers­te Schritt. Ich möch­te es auf fol­gen­de Wei­se sche­ma­ti­sie­ren [Abb. 1]: Neh­men Sie an, dass dies [Q] der Boden der Per­spek­ti­ve ist; das Bild [P] gebe ich Ihnen von der Sei­te. Hier set­ze ich etwas hin, wovon ich noch nicht gespro­chen habe, näm­lich den Aug­punkt [S] des Sub­jekts. Das letz­te Mal habe ich das, wor­um es sich han­delt, hin­rei­chend erläu­tert, sodass Sie den Sinn der Zeich­nung, die ich jetzt anfer­ti­ge, ver­ste­hen wer­den. Ich habe Ihnen gesagt: Unab­hän­gig von irgend­et­was, wor­auf Sie sich in der Erfah­rung bezie­hen müs­sen – ins­be­son­de­re vom Hori­zont, wie er auf unse­rer Kugel in ihrer Rund­heit effek­tiv gege­ben ist –, unter­stellt eine unend­li­che Ebe­ne, dass es von die­sem Aug­punkt her in I eine Ebe­ne gibt, die par­al­lel zum Boden der Per­spek­ti­ve ver­läuft, und dass Sie auf dem Bild die Hori­zont­li­nie [h] als die­je­ni­ge Linie fest­le­gen, wo die­se par­al­le­le Ebe­ne die Bild­ebe­ne schneidet.

Die Erfah­rung des Bil­des und der Male­rei lehrt uns, dass jeder belie­bi­ge Punkt die­ser Hori­zont­li­ni­en so ist, dass die Lini­en, die hier zusam­men­tref­fen, sämt­li­chen par­al­le­len Lini­en auf dem Boden der Per­spek­ti­ve ent­spre­chen. |{12} Wir kön­nen also jeden belie­bi­gen Punkt die­ser Hori­zont­li­nie als Zen­trum der Per­spek­ti­ve wäh­len. Das ist das, was in jedem Bild, das den Geset­zen der Per­spek­ti­ve unter­wor­fen ist, tat­säch­lich gemacht wird. Die­ser Punkt ist eigent­lich das, was im Bild nicht nur, wie Sie sehen, dem Grund ent­spricht, der in Per­spek­ti­ve zu set­zen ist, son­dern [zugleich] der Posi­ti­on des Punk­tes S, und der als sol­cher in der Abbil­dung das Auge reprä­sen­tiert. Es hängt vom Auge des­je­ni­gen ab, der betrach­tet, dass sich in einer Bild­ebe­ne der Hori­zont herstellt.

Hier­zu – so habe ich Ihnen das letz­te Mal gesagt – fügen alle, die die Per­spek­ti­ve stu­diert haben, etwas hin­zu, was sie das ande­re Auge nen­nen, näm­lich den Ein­fluss der Distanz [δ] des Punk­tes S gegen­über der Bild­ebe­ne. Nun, außer­dem, dass in dem Gebrauch, den man bei irgend­ei­nem Bild davon macht, die­se Distanz will­kür­lich ist, abhän­gig von der Ent­schei­dung des­je­ni­gen, der das Bild anfer­tigt. Ich will damit sagen, dass da­rü­ber inner­halb des Bil­des ent­schie­den wird.

Heißt das, dass unter dem Gesichts­punkt der Struk­tur des Sub­jekts – inso­fern das Sub­jekt das Sub­jekt des Blicks ist, das Sub­jekt einer gese­he­nen Welt, das ist das, was uns inter­es­sie­ren wird –, heißt das, dass wir die­sen Teil des Sub­jekts ver­nach­läs­si­gen kön­nen, dass er uns nur in Abhän­gig­keit von einem Kunst­griff erscheint, wohin­ge­gen die Hori­zont­li­nie struk­tu­rell ist, dass ich des­halb, |{13} weil die Wahl der Distanz mei­ner frei­en Ent­schei­dung als des­je­ni­gen, der blickt, über­las­sen ist, dass ich des­halb sagen kann, dass es hier nur den Kunst­griff des Künst­lers gibt, dass es mit der Distanz, in die ich mich men­tal vor die­se oder jene Ebe­ne ver­set­ze, die ich in der Tie­fe des Bil­des wäh­le, dass es damit so ist, dass sie dem­nach gewis­ser­ma­ßen neben­säch­lich und sekun­där ist und kei­nes­wegs strukturell?

Ich sage, das ist struk­tu­rell, und das hat bis­lang nie jemand aus­rei­chend bemerkt.

Die­ser zwei­te Punkt wird in der Per­spek­ti­ve durch die Bemer­kung defi­niert, dass es, wel­ches immer der Abstand des pro­vi­so­ri­schen Sub­jekts sein mag – des Sub­jekts S, das eben das ist, was wir in der Schwe­be las­sen müs­sen und wobei wir sehen müs­sen, wie es wie­der ins Bild kommt –, dass es, wel­ches immer der Abstand die­ses Sub­jekts zum Bild sein mag, etwas gibt, das ein­fach das ist, was zwi­schen ihm und dem Bild ist, das, wodurch das Sub­jekt vom Bild getrennt ist, und dass dies nicht ein­fach etwas ist, was durch den metri­schen Wert die­ses Abstands [δ] regis­triert wird, dass sich viel­mehr die­ser Abstand an sich selbst irgend­wo in die Struk­tur ein­schreibt und dass dies der Punkt ist, wo wir nicht etwa das ande­re Auge fin­den müs­sen, wie die Ver­fas­ser der „Per­spek­ti­ve“, in Anfüh­rungs­zei­chen, sagen, son­dern das ande­re Subjekt.

Abb. 2: Abstand δ des Sub­jekts zur Bildebene

Und das wird so demons­triert, wie ich es das letz­te Mal getan habe, was für eini­ge nicht ver­ständ­lich war und was sich auf die Bemer­kung grün­det, dass pri­mär, wenn wir durch den Punkt S eine Ebe­ne [S] gehen las­sen [Abb. 2] – dies­mal nicht mehr paral-|{14} lel zur per­spek­ti­vi­schen Ebe­ne [Q], son­dern par­al­lel zum Bild [P] –, dann ergibt sich dar­aus zweierlei:

Zunächst, dass dies uns dazu bringt, dass wir bemer­ken, dass es eine Schnitt­li­nie [λ] des Bil­des mit der Ebe­ne „Boden der Per­spek­ti­ve“ gibt – deren Name übri­gens bekannt ist, die dem Buch von Panof­sky zufol­ge als Grund­li­nie bezeich­net wird, ich habe sie das letz­te Mal nicht so genannt –, näm­lich die­se Linie da [λ].

Die Ebe­ne [S], par­al­lel zum Bild, die durch den Punkt S geht, schnei­det die Ebe­ne des Bodens der Per­spek­ti­ve in einer Linie [b], die par­al­lel zur ers­ten [zur Grund­li­nie λ] verläuft.

Aus der Reprä­sen­ta­ti­on [des Abstands] die­ser bei­den Lini­en auf dem Bild – auf dem, was ich beim letz­ten Mal die Abbil­dungs­ebe­ne genannt habe –, lei­tet sich dann das her, was wir als zwei­ten Sub­jekt­punkt bezeich­nen möchten.

Abb. 3: Dar­stel­lung der unend­lich fer­nen Linie der Bild­ebe­ne durch einen Kreis (P∞)

Tat­säch­lich haben wir in der Drei­er­be­zie­hung Sub­jekt­punkt [S] – Bild­ebe­ne [P] – Boden der Per­spek­ti­ve [Q] gese­hen, dass der unend­lich fer­nen Linie auf dem Boden der Per­spek­ti­ve [q∞] – hier, den­ke ich, habe ich beim letz­ten Mal hin­rei­chend ange­zeigt, was die­se unend­lich fer­ne Linie bedeu­tet –, dass der Fern­li­nie, die auf dem Boden der Per­spek­ti­ve liegt, auf der Bild­ebe­ne die Hori­zont­li­nie ent­spricht. In der­sel­ben Drei­er­grup­pe kön­nen Sie, wenn Sie näher hin­schau­en, fest­stel­len, dass die hier defi­nier­te Linie, nen­nen wir sie Linie b, die­je­ni­ge, die par­al­lel zur Grund­li­nie [λ] ver­läuft |{15}, dass sie im Ver­hält­nis zur Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [Abb. 3, p∞] die­sel­be Funk­ti­on hat wie der Hori­zont in der Bild­ebe­ne im Ver­hält­nis zur Fern­li­nie auf dem Boden der Per­spek­ti­ve [q∞]. Sie [Linie b] wird in die­ser Abbil­dung also durch die­se unend­li­che Linie [Ver­spre­cher, gemeint ist: „durch die­se unend­lich fer­ne Linie“, RN] reprä­sen­tiert, ich mei­ne auf dem Bild [p∞]. Und ande­rer­seits, da die Grund­li­nie [λ] bereits im Bild ist, kann der ande­re Sub­jekt­punkt [Sˈ] – wäh­rend der ers­te als belie­bi­ger Punkt auf der Hori­zont­li­ni­en defi­niert wur­de –, kann der ande­re Sub­jekt­punkt [Sˈ] so geschrie­ben wer­den: der Punkt, an dem sich die Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [p∞] mit der Grund­li­nie [λ] schneidet.

Sie sehen hier [Abb. 3], dass ich – auf eine Wei­se, die nur figür­lich ist, die unzu­rei­chend ist – die unend­lich fer­ne Linie durch einen Kreis dar­ge­stellt habe, da sie für die Anschau­ung ins­ge­samt die Linie ist, die auf einer belie­bi­gen Ebe­ne immer auf allen Sei­ten im Unend­li­chen liegt. Intui­tiv stel­len wir sie durch einen Kreis dar, sie ist jedoch kein Kreis. Das wird bewie­sen durch die gan­ze Art und Wei­se, wie sie behan­delt wird, sowie durch die Ent­spre­chun­gen Linie für Linie, Punkt für Punkt, die in der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie das Wesent­li­che ausmachen.

Abb. 4: Zwei­ter Sub­jekt­punkt Sˈ als Schnitt­punkt der unend­lich fer­nen Gera­den auf der Bild­ebe­ne mit der Grundlinie

Der schein­bar zwei­fa­che Punkt, dort, wo sie auf die Grund­li­nie trifft, ist eine blo­ße Erschei­nung, da sie eine Linie ist, eine Linie, die wie alle ande­ren Lini­en als Gera­de auf­zu­fas­sen ist, und da zwei Gera­den nur einen |{16} ein­zi­gen Schnitt­punkt haben kön­nen [Abb.4].

Das sind hier kei­nes­wegs Din­ge, die ich Sie im Namen einer Kon­struk­ti­on zu akzep­tie­ren bit­te, wel­che die mei­ne wäre. Ich kann Ihnen nicht die Tür zur pro­jek­ti­ven Geo­me­trie auf­sto­ßen, vor allem den­je­ni­gen nicht, die dar­in noch kei­ne Übung haben. Es ist jedoch für jeden sehr ein­fach, sich dar­auf zu bezie­hen und zu sehen, dass es in dem, was ich hier vor­brin­ge, nichts zurück­zu­neh­men gibt, dass sich dies näm­lich dar­aus ergibt, dass wir in jeder Struk­tur einer pro­jek­ti­ven Welt oder einer per­spek­ti­vi­schen Welt zwei Sub­jekt­punk­te haben, wovon der eine [O] irgend­ein Punkt auf der Hori­zont­li­ni­en auf der Abbil­dungs­ebe­ne ist und der ande­re [Sˈ] am Schnitt­punkt zwei­er Lini­en liegt, zwi­schen einer ande­ren par­al­lel zur ers­ten [zur Hori­zont­li­nie] ver­lau­fen­den Linie, die Grund­li­nie heißt [λ] – die eine Bezie­hung der Abbil­dungs­ebe­ne zum Boden der Per­spek­ti­ve aus­drückt – und der unend­lich fer­nen Linie auf der Abbil­dungs­ebe­ne [p∞].

Das ver­dient es, durch den Weg auf­ge­zeigt zu wer­den, den das gegan­gen ist, auf dem wir es zei­gen konn­ten. Aber wenn es ein­mal gezeigt wor­den ist – auf die­sem Wege, von dem Sie spä­ter sehen wer­den, dass er für uns eine wich­ti­ge Spur bil­det, jedes Mal, wenn wir die­sen ande­ren Sub­jekt­punkt aus­fin­dig machen müs­sen –, dann den­ke ich, um Ihnen das jetzt zu sagen, dass wir, wenn wir auf der Abbil­dungs­ebe­ne die Hori­zont­li­nie ein­tra­gen, die par­al­lel zur Grund­li­nie ver­läuft, dass wir dar­aus schlie­ßen müs­sen, dass die Hori­zont­li­nie die Fern­li­nie |{17} an exakt dem­sel­ben Punkt schnei­det, an dem die Fern­li­nie von der Grund­li­nie geschnit­ten wird, da dies eine Linie ist, die zur ers­ten par­al­lel ver­läuft [Abb.4].

Von woher Sie dann sehen, wie sich das Ver­hält­nis zwi­schen die­sen bei­den Punk­ten stark ver­ein­facht – der eine ist ein belie­bi­ger Punkt auf der Hori­zont­li­nie, der ande­re ist der unend­lich fer­ne Punkt [der Hori­zont­li­nie], und dies inso­fern, als der unend­lich fer­ne Punkt nicht ein belie­bi­ger Punkt ist, son­dern ein ein­zi­ger Punkt, auch wenn es dort so aus­sieht, als kom­me er dop­pelt vor.

*

Das ist etwas, das für uns – wenn es dar­um geht, im Phan­tas­ma das Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Gel­tung zu brin­gen, ins­be­son­de­re das Ver­hält­nis des Sub­jekts zum Objekt a –, das ist etwas, das für uns den Wert einer Stüt­ze haben wird und was es ver­dient, dass Sie die nöti­ge Zeit damit ver­bracht haben – nicht mehr als mit den Beweis­füh­run­gen von Des­car­tes. Eine Beweis­füh­rung, ein­mal begrif­fen, ist bewie­sen, man muss jedoch noch ihre Stren­ge erfas­sen und die Vor­ge­hens­wei­sen. Das ist das, was uns dien­lich sein soll, was uns jedes Mal als Bezugs­punkt die­nen soll, wenn wir mit dem sko­pi­schen Phan­tas­ma umge­hen müssen.

Abb. 5: Fens­ter und Rah­men (cad­re)

Die­ses gespal­te­ne Sub­jekt wird von dem übli­chen Gestell getra­gen, vom Objekt a – das in die­sem Sche­ma wo zu suchen ist? Es ist an einem Punkt zu suchen, an dem es aller­dings stürzt und ver­schwin­det – ohne das wäre es nicht das Objekt a.

Das Objekt a wird hier durch die­ses Etwas reprä­sen­tiert, das genau in der Abbil­dung, die ich Ihnen hier, so hof­fe ich, mit dem Erfolg gezeigt habe, dass für Sie etwas davon spür­bar wird ´--; das Objekt a ist das, was die­sen Punkt S |{18} stützt, das, was ich hier durch den Ver­lauf die­ser par­al­le­len Ebe­ne [S] dar­ge­stellt habe.

Was hier weg­ge­las­sen ist und was es hier den­noch immer gibt, ist das, was ich in das struk­tu­rel­le Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Welt in bereits mehr als einer Form ein­ge­führt habe, näm­lich das Fens­ter [Abb. 5]. Im sko­pi­schen Ver­hält­nis des Sub­jekts am Punkt S, von dem die gesam­te Kon­struk­ti­on aus­geht, erscheint spe­zi­fi­ziert, indi­vi­dua­li­siert in die­ser Wand – wenn ich mich so aus­drü­cken kann –, die von die­ser par­al­le­len Ebe­ne reprä­sen­tiert wird, inso­fern sie dann den zwei­ten Punkt des Sub­jekts deter­mi­niert –; in die­ser Wand muss es eine Öff­nung geben, eine Spal­te, eine Sicht, einen Blick. Das ist genau das, was von der der Aus­gangs­po­si­ti­on der Kon­struk­ti­on aus nicht gese­hen wer­den konnte.

Bereits im letz­ten Jahr haben wir gese­hen, wie die­se Funk­ti­on des Fens­ters uns Diens­te geleis­tet hat, als Flä­che des­sen, was zual­ler­erst als Funk­ti­on des Signi­fi­kan­ten geschrie­ben wer­den kann.

Nen­nen wir sie [die Funk­ti­on des Fens­ters] mit dem Namen, der ihr zukommt, sie ist genau in die­ser geschlos­se­nen Struk­tur – in der­je­ni­gen, die es uns erlau­ben wür­de, all die ver­schie­de­nen Ebe­nen, die wir gera­de gezeich­net und wie­der­ge­ge­ben haben, mit­ein­an­der zu ver­kno­ten –, in der Struk­tur der pro­jek­ti­ven Ebe­ne in ihrer rein topo­lo­gi­schen Form, näm­lich in der Hül­le der cross-cap, sie ist in die­ser Struk­tur die­ses Geloch­te, das es genau ermög­licht, dass sich hier das Ein­drin­gen voll­zieht, von dem dann die Her­stel­lung der Sub­jekt­spal­tung abhängt, {19} also streng gesagt das, was wir das Objekt a nennen.

Abb. 6: Das Loch der Came­ra obscura

Inso­fern in der Bezie­hung des Blicks zur gese­he­nen Welt das Fens­ter immer das ist, was eli­diert ist, kön­nen wir uns die Funk­ti­on des Objekts a vor­stel­len: das Fens­ter, das heißt auch: die Spal­te der Lider, das heißt auch: der Ein­gang der Pupil­le, das heißt auch: das, wodurch das ursprüng­lichs­te Objekt all des­sen gebil­det wird, wor­um es beim Sehen (visi­on) geht, die Came­ra obscu­ra (la chambre noi­re).

*

Nun, das ist das, was ich Ihnen heu­te ver­an­schau­li­chen möch­te, Ihnen durch ein Werk ver­an­schau­li­chen möch­te, von dem ich Ihnen gesagt habe, dass es in einem neue­ren Werk eines For­schers in den Vor­der­grund gerückt wor­den ist, des­sen Art der For­schung von der­je­ni­gen, die ich hier in Bezug auf die psy­cho­ana­ly­ti­sche Erfah­rung betrei­be, sicher­lich nicht sehr weit ent­fernt ist, auch wenn sie weder die­sel­be Grund­la­ge hat noch die­sel­be Inspi­ra­ti­on – ich mei­ne Michel Fou­cault und das Gemäl­de von Veláz­quez, das Las meni­nas heißt.

Die­ses Gemäl­de wer­de ich jetzt – schlie­ßen Sie das Fens­ter –, wer­de ich jetzt vor Sie pro­ji­zie­ren las­sen, sodass wir dar­in auf spür­ba­re Wei­se das sehen, was durch eine Lek­tü­re von etwas ermög­licht wird, das in kei­ner Wei­se dazu gemacht ist, um auf die Struk­tur die­ses Gemäl­des selbst zu ant­wor­ten, bei dem Sie aber sehen wer­den, was es uns ermög­licht. Was ist los?

Es han­delt sich hier um ein Dia­po­si­tiv, das mir vom Lou­vre gelie­hen wur­de, |{20} das ich vor­her nicht aus­pro­bie­ren konn­te, und das hier wirk­lich nur ganz schwa­che Anhalts­punk­te lie­fert, das uns jedoch, für die­je­ni­gen, die eine Pho­to­gra­phie des Gemäl­des gese­hen haben, das Las meni­nas heißt, oder die sich ein­fach ein wenig dar­an erin­nern –, das uns jedoch ein wenig als Bezug die­nen wird.

Abb. 7: Veláz­quez, Las meni­nas, 1656
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

Sie haben nicht einen Stab, etwas, damit ich die Sachen zei­gen kann? Das ist nicht viel, aber schließ­lich ist das bes­ser als gar nichts. Das wär’s, also, viel­leicht könn­ten Sie –; Sie sehen trotz­dem ein biss­chen, na ja, das Minimum?

Wenn man ganz dahin­ten ist, sieht man da irgendwas?

Fräu­lein X: Genau­so wie vorn. Herr Mil­ner hat’s versucht.

Lacan: Beach­ten Sie, dass das gar nicht so ungüns­tig ist, nicht wahr. Hier haben Sie die Figur des Malers. Sie wer­den es sofort erset­zen, damit man immer­hin sieht, dass er eben da ist. Also stel­len Sie es scharf!

Fräu­lein X: Das ist alles, mehr kann ich nicht.

Lacan: Gut. Neh­men Sie wie­der das erste.

Der Maler steht inmit­ten des­sen, was er malt. Und was er malt, sehen Sie auf die­sem Gemäl­de in einer Wei­se auf­ge­teilt, auf die wir zurück­kom­men wer­den. Hier, die­ser Strich, den Sie sehen, ist die Gren­ze, der äuße­re Rand – es fällt Licht dar­auf, des­halb tritt er her­vor – von etwas, das von dort bis genau zu einem Punkt führt, |{21} der hier ist. Sie sehen fast die gesam­te Höhe des Gemäl­des, das uns – hier sehen Sie eine Stre­be der Staf­fe­lei – ein von hin­ten gese­he­nes Gemäl­de dar­stellt. Er ist auf die­ser Lein­wand, er arbei­tet an die­sem Gemäl­de, und das Gemäl­de ist umge­dreht. Was haben Sie zu sagen? Das ist die wesent­li­che Ebe­ne, von der wir aus­ge­hen müs­sen und wel­cher Michel Fou­cault, den ich Sie alle zu lesen gebe­ten habe, in sei­nem wirk­lich bemer­kens­wer­ten Text mei­nes Erach­tens aus­ge­wi­chen ist. Das ist tat­säch­lich der Punkt – es ist wich­tig, das zu zei­gen –, um den sich der gesam­te Wert, die gesam­te Funk­ti­on die­ses Gemäl­des dreht.

Ich möch­te sagen, dass die­ses [umge­dreh­te] Gemäl­de tat­säch­lich eine Art ver­deck­te Kar­te ist und dass es aus­ge­schlos­sen ist, nicht zu berück­sich­ti­gen, dass es als ver­deck­te Kar­te den Wert bekommt, ein Modul und ein Modell der ande­ren Kar­ten zu sein. Die­se ver­deck­te Kar­te ist hier tat­säch­lich dazu da, um Sie dazu zu brin­gen, Ihre eige­nen Kar­ten auf­zu­de­cken. Es hat ja tat­säch­lich – aus­ge­schlos­sen, das nicht zu erwäh­nen – eine Dis­kus­si­on, eine Debat­te da­rü­ber gege­ben, was es sein mag, das der Maler, hier Veláz­quez, hier dabei ist, in einem gewis­sen Abstand zum Bild, zu die­sem Bild, gera­de zu malen.

Die Art und Wei­se, wie Sie auf die­se Fra­ge ant­wor­ten – wie Sie Ihre Kar­ten auf­de­cken –, ist für die Wir­kung die­ses Bil­des tat­säch­lich wesent­lich. Dar­in ist die Dimen­si­on ent­hal­ten, dass die­ses Gemäl­de in sei­nen Bann schlägt; |{22} seit es exis­tiert, ist es die Basis, die Grund­la­ge von Dis­kus­sio­nen aller Art. Die­ses In-Bann-Schla­gen steht in ganz enger Bezie­hung zu dem, was ich die Sub­ver­si­on des Sub­jekts nen­ne, auf der ich im gesam­ten ers­ten Teil mei­ner Rede heu­te insis­tiert habe; und genau von daher, dass es sich dar­auf stützt, bekommt es sei­nen Wert. Das Ver­hält­nis zum Kunst­werk ist ja immer von die­ser Sub­ver­si­on gekenn­zeich­net. Mit dem Ter­mi­nus der Sub­li­mie­rung schei­nen wir etwas akzep­tiert zu haben, was letzt­lich nichts ande­res ist.

Abb. 8: Ent­wick­lung der Innenacht

Denn wenn wir den Trieb­me­cha­nis­mus hin­rei­chend erkun­det haben, sodass wir sehen, dass das, was hier geschieht, ein Hin und Zurück [weg] vom Sub­jekt [und zurück] zum Sub­jekt ist – vor­aus­ge­setzt, wir erfas­sen, dass das Zurück mit dem Hin nicht iden­tisch ist –, und dass das Sub­jekt, ent­spre­chend der Struk­tur des Möbi­us­ban­des, hier genau auf sich selbst zurück­kommt, nach­dem es die hal­be Dre­hung voll­zo­gen hat, die dazu führt, dass das Sub­jekt, nach­dem es von sei­nem Ort aus­ge­gan­gen ist, dort­hin zurück­kehrt, um sich mit sei­ner Rück­sei­te zu ver­nä­hen, anders aus­ge­drückt, dass es zwei Triebum­dre­hun­gen voll­zie­hen muss, damit etwas erreicht wird, was es uns ermög­licht, zu erfas­sen, wor­um es bei der Sub­jekt­spal­tung denn nun wirk­lich geht [Abb. 8].

Das ist eben das, was die­ses Gemäl­de uns zei­gen wird, des­sen Fes­se­lungs-Wert dar­an hängt, dass es nicht ein­fach das ist, wor­auf wir uns immer beschrän­ken, des­halb näm­lich, weil wir immer nur eine Dre­hung |{23} vollziehen.

Und dass viel­leicht für den Typ des Künst­lers, mit dem wir es zu tun haben, also für die­je­ni­gen, die uns kon­sul­tie­ren, das Kunst­werk zur inter­nen Ver­wen­dung bestimmt ist, es dient ihm dazu, sei­ne eige­ne Schlei­fe zu voll­zie­hen. Aber wenn es um einen Meis­ter wie die­sen hier geht, ist klar, dass zumin­dest das, was von jeder Kon­fron­ta­ti­on mit die­sem Werk bleibt, dies ist, dass der­je­ni­ge, der es betrach­tet, in die Schlei­fe ein­ge­schlos­sen ist. Es gibt ein­fach kei­nen Betrach­ter, der nur ganz schnell wei­ter­geht und dem Muse­ums­ri­tu­al sei­ne Ehre erweist, kei­nen Besu­cher, der nicht erfasst wäre von der Beson­der­heit die­ser Kom­po­si­ti­on, über die alle über­ein­stim­mend sagen, dass vor dem Gemäl­de etwas geschieht, was dar­aus etwas ganz und gar Beson­de­res macht, näm­lich – man drückt sich aus wie man kann – dass wir in sei­nem Raum erfasst sind. Und man zer­bricht sich den Kopf, um her­aus­zu­fin­den, durch wel­che Raf­fi­nes­se der Kon­struk­ti­on und der Per­spek­tive­kon­struk­ti­on sich das her­stel­len kann. Von da aus geht man wei­ter, man spe­ku­liert da­rü­ber, wel­che Funk­ti­on jede die­ser Per­so­nen und Grup­pen hat – und man sieht nicht, dass es dabei um ein und die­sel­be Fra­ge geht.

Im All­ge­mei­nen bewegt man sich auf die­sem Weg, der tat­säch­lich die Fra­ge ist, die beim Kern des Pro­blems blei­ben wird und die auch die ist, auf die ich hof­fe, am Ende die Ant­wort geben zu kön­nen. Was tut der Maler? Was malt er?

{24} Das impli­ziert – und das ist das Häu­figs­te, da es um Kunst­kri­tik geht – die Form, in der die Fra­ge gestellt wird: „Was hat er tun wol­len?“, da natür­lich nie­mand letzt­lich die Fra­ge „Was tut er?“ wirk­lich ernst nimmt. Das Gemäl­de ist da, es ist fer­tig, und wir fra­gen uns nicht, was er gera­de malt, wir fra­gen uns: Was hat er tun wol­len? Oder genau­er: Wel­che Idee will er uns von dem geben, was er gera­de malt? Ein Punkt, an dem sich offen­kun­dig ein Ver­hält­nis zeigt, das für uns gut erkenn­bar ist: Was wir begeh­ren und zu wis­sen begeh­ren, ist im stren­gen Sin­ne etwas, das zur Ord­nung des­sen gehört, was man Begeh­ren des Ande­ren nennt, denn wir sagen: Was hat er tun wol­len? Und das heißt sicher­lich, die fal­sche Posi­ti­on ein­zu­neh­men, denn wir sind nicht in der Posi­ti­on, ich möch­te nicht sagen das Malen, son­dern ein gemal­tes Bild zu ana­ly­sie­ren. Es ist sicher, dass er das, was er tun woll­te – er, der Maler –, dass er es getan hat, da es hier vor unse­ren Augen ist, und dass die Fra­ge sich folg­lich gewis­ser­ma­ßen selbst auf­hebt, da sie jen­seits des Punk­tes ist, an dem sie sich stellt, da wir sie ja auf das bezie­hen, was er bereits getan hat.

Anders aus­ge­drückt, bei der Wie­der­kehr der Schlei­fe, der dop­pel­ten Umdre­hung, von der ich eben gespro­chen habe – und damit führt uns die­ses Bild bereits |{25} in die Dia­lek­tik des Sub­jekts ein –, gibt es bereits eine fak­ti­sche Umdre­hung und wir müs­sen nur die ande­re voll­zie­hen, dafür darf man aller­dings die ers­te nicht verpassen.

Abb. 9: Las meni­nas, Aus­schnitt: Die Rück­sei­te des Bildes

Die Gegen­wart des Bil­des [im Bild], das die gesam­te Höhe ein­nimmt und das uns auf­grund die­ser Höhe ver­an­lasst, dar­in das Gemäl­de selbst zu erken­nen, das uns auf dem Wege dar­ge­stellt wird – ich hal­te das gleich­sam am Ran­de unse­res Vor­an­schrei­tens fest, das einen ande­ren Weg nimmt als die Dis­kus­si­on, an der die­je­ni­gen betei­ligt sind, die die The­se auf­ge­stellt haben (die ich mir gestat­te, für nich­tig zu erach­ten), dass es dabei um ein ande­res Bild geht (Sie wer­den es gleich sehen, wir wer­den das ein­ge­hen­der dis­ku­tie­ren), näm­lich um das Por­trät des Königs und der Köni­gin, das Sie natür­lich auf die­ser sicher­lich völ­lig unzu­rei­chen­den Abbil­dung, die ich Ihnen mit­ge­bracht habe, nicht sehen kön­nen, hier im Hin­ter­grund, und wel­ches, wie Sie ins­ge­samt, hof­fe ich, wis­sen, in einem Rah­men prä­sent ist, bei dem wir gleich dis­ku­tie­ren müs­sen, was er bedeu­tet, in dem aber eini­ge den Beleg dafür sehen, dass er dar­auf hin­weist, dass der König und die Köni­gin hier vor dem Bild ste­hen und dass sie es sind, die der Maler malt – das lässt sich mei­nes Erach­tens wider­le­gen. Im Augen­blick möch­te ich nur anmer­ken, dass dies der Hin­ter­grund dafür ist, dass ich Ihnen sage, dass die Grö­ße der Lein­wand bereits ein Argu­ment ist, das sich dafür anbrin­gen lässt, dass dem nicht so ist und dass die abge­bil­de­te Lein­wand eben das Gemäl­de ist |{26}, eben das Gemäl­de reprä­sen­tiert, das wir hier [vor uns] haben, wobei die­se Lein­wand auf einem Holz­ge­stell auf­ruht, von dem wir dort und hier das Gerüst sehen, und dass wir, anders aus­ge­drückt, in die­sem Bild [im Bild] die Reprä­sen­ta­ti­on die­ses Gemäl­des qua Rea­li­tät haben.

Ich kann hier ja die­se klei­ne Tür auf­sto­ßen, die dahin führt, dass wir hier ein wei­te­res Mal die Über­ein­stim­mung mit mei­ner For­mel fin­den, die hier aus dem pik­tu­ra­len Gegen­stand eine Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz* macht. Damit sage ich kei­nes­wegs, das Bild [auf der für uns unsicht­ba­ren Vor­der­sei­te des Bil­des im Bild] wäre Vorstellung/​Darstellung/​Repräsentation (repré­sen­ta­ti­on) und das [für uns sicht­ba­re] Gestell, die Stüt­ze, wäre davon die Reprä­sen­tanz. Wenn es hier so funk­tio­niert, dass es uns wahr­neh­men lässt, was es hier an Wahr­heit gibt, dann inso­fern, als es uns etwas ins Bild setzt, das hier merk­wür­di­ger­wei­se zum ers­ten Mal gemacht wird – denn es hat in einem Bild zwar bereits sol­che Din­ge wie Spie­gel gege­ben, damals sogar häu­fig, aber das Bild im Bild, das ist nicht das Thea­ter im Thea­ter, über­haupt nicht.

Abb. 10: René Magrit­te, La con­di­ti­on humaine, 1933
Öl auf Lein­wand, 100 x 81 cm
Natio­nal Gal­lery of Art, Washing­ton, D.C.
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Das ist etwas, das hier offen­bar zum ers­ten Mal gemacht wor­den ist und seit­her kaum wie­der gemacht wur­de, außer an dem Punkt, auf den ich Sie hin­ge­wie­sen habe, näm­lich bei Magritte.

Die­se Abbil­dung der Rea­li­tät des Gemäl­des [in Las meni­nas] ist ja tat­säch­lich Repräsentation/​Darstellung/​Vorstellung, aber sie ist da, um uns klar zu zei­gen, dass auf der Ebe­ne von Rea­li­tät und Reprä­sen­ta­ti­on |{27} das, was in das Gemäl­de ein­ge­tra­gen ist, und das Gemäl­de sich gegen­sei­tig sät­ti­gen. Und dass uns dar­in gezeigt wird, dass das, wodurch das Gemäl­de wesent­lich kon­sti­tu­iert wird, gera­de nicht Reprä­sen­ta­ti­on ist.

Denn was ist die Wir­kung die­ses Bil­des im Bild? Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz*, Reprä­sen­tanz der Reprä­sen­ta­ti­on. Das ist eben dies, dass all die­se Per­so­nen, die Sie genau inso­fern sehen, als sie kei­nes­wegs Repräsentationen/​Vorstellungen sind, son­dern als sie eine Vor­stel­lung geben (ils sont en repré­sen­ta­ti­on), dass all die­se Per­so­nen, wel­che auch immer, in ihren Sta­tus, so wie sie in der Rea­li­tät effek­tiv da sind, wenn auch seit lan­gem tot, dass sie aber immer da sind, dass sie Per­so­nen sind, die sich dar­auf stüt­zen, eine Vor­stel­lung zu geben, und das mit vol­ler Über­zeu­gung, was eben heißt, dass kei­ne von ihnen von dem, was sie vor­stellt, irgend­ei­ne Vor­stel­lung hat. Und das ist die Wir­kung von die­sem Etwas, das, in den Raum des Bil­des ein­ge­führt, sie mit­ein­an­der ver­knüpft und sie in der Posi­ti­on kris­tal­li­siert, Per­so­nen zu sein, die eine Vor­stel­lung geben, Per­so­nen des Hofes.

Von da aus erhält die Tat­sa­che, dass Veláz­quez der Maler sich mit­ten unter ihnen auf­stellt, ihre gan­ze Bedeu­tung. Aber das geht natür­lich sehr viel wei­ter als die­ser ein­fa­che Anstrich von sozia­lem Rela­ti­vis­mus, wenn man so sagen kann; die Struk­tur des Bil­des ermög­licht es, weit da­rü­ber hin­aus­zu­ge­hen. Um da­rü­ber hin­aus­zu­ge­hen, hät­te man aller­dings von einer Fra­ge |{28} aus­ge­hen müs­sen, nicht von einer Fra­ge, son­dern von einer ganz ande­ren Bewe­gung als der Bewe­gung die­ser Fra­ge, über die ich Ihnen gesagt habe, dass sie sich allein schon durch die Gegen­wart des Wer­kes selbst annul­liert, son­dern aus­ge­hend von dem, was durch das Werk, wie wir es da sehen, auf­ge­nö­tigt wird, näm­lich dass der­sel­be Kind­heits­mund, der uns durch die zen­tra­le Per­son nahe­ge­bracht wird, durch die­se klei­ne Infan­tin, die die zwei­te Toch­ter des Königs­paa­res ist, von Feli­pe IV. und Doña Ma­ri­a­na von Öster­reich, die klei­ne Doña Mar­ga­ri­ta, die, so kann ich sagen, von Veláz­quez fünf­zig Mal gemalt wor­den ist, dass wir uns von die­ser Per­son füh­ren las­sen, die sich in die­sem Raum gewis­ser­ma­ßen vor uns hin­stellt, die das Fra­ge­zei­chen ist, für uns und für all die­je­ni­gen, die die­ses Bild gese­hen haben, die über die­ses Bild gespro­chen haben, die über die­ses Bild geschrie­ben haben. Das Fra­ge­zei­chen, vor das sie uns stellt, das sind die Schreie, die von ihrem Mund aus­ge­sto­ßen wer­den, möch­te ich sagen, und von denen man aus­ge­hen soll­te, um das voll­zie­hen zu kön­nen, was ich die zwei­te Run­de des Bil­des nen­nen möch­te, und das ist etwas, scheint mir, das in der Ana­ly­se des Wer­kes, von dem ich vor­hin gespro­chen habe, ver­säumt wird – „Lass sehen!“, das, was hin­ter der Lein­wand ist, wie wir sie von der Rück­sei­te aus sehen. Es ist ein „Lass sehen!“, das es aus­ruft und das wir mehr oder weni­ger bereit sind auszusprechen.

Nun, allein schon von die­sem „lass sehen“ her kann das auf­tau­chen, was sich von da aus tat­säch­lich auf­drängt, näm­lich das, was wir sehen, |{29} also die­se Per­so­nen in der Art, wie ich sie habe cha­rak­te­ri­sie­ren kön­nen, als Per­so­nen, die wesent­lich eine Vor­stel­lung geben.

Abb. 11: Las meni­nas, Aus­schnitt: Der Mann in der Tür

Aber wir sehen nicht nur das. Wir sehen die Struk­tur des Bil­des, sei­ne per­spek­ti­vi­sche Mon­ta­ge. Hier kann ich sicher­lich nur bedau­ern, dass wir hier kei­ne Stüt­ze haben, die hin­rei­chend wäre, um Ihnen die­se Merk­ma­le in ihrer Stren­ge zu demons­trie­ren. Hier, die Per­son, die Sie sehen, wie sie im Hin­ter­grund von einer Tür aus Licht ein­ge­rahmt wird, ist genau der Punkt, in dem die Lini­en der Per­spek­ti­ve zusam­men­lau­fen. An einem Punkt, der unge­fähr auf den Lini­en ver­or­tet ist, die man zwi­schen dem Gesicht die­ser Per­son – denn es stel­len sich leich­te Schwan­kun­gen der Über­schnei­dung her – und ihrem Ell­bo­gen zieht, hier hat der Flucht­punkt sei­nen Platz. Und es ist kein Zufall, wenn durch den Flucht­punkt eben die­se Per­son hin­aus­geht und dass sie hin­aus­geht. Die­se Per­son ist nicht irgend­je­mand, sie heißt eben­falls Veláz­quez, Nieto statt Die­go Rodrí­guez. Die­ser Nieto ist jemand, der etwas zu sagen hat­te bei der Ent­schei­dung, durch die Veláz­quez die Posi­ti­on eines apo­sen­ta­dor des Königs erhielt, das heißt so etwas wie ein Kam­mer­herr oder ein Groß­mar­schall. Kurz, das ist eine Art Per­son, die ihn ver­dop­pelt, und die­se Per­son wird uns hier dadurch ange­zeigt, dass sie das, was wir nicht sehen und wozu wir sagen „lass sehen“, dass sie das von dort aus, wo sie ist, nicht nur sieht, son­dern dass sie, wenn ich so sagen kann, zu viel davon gese­hen hat – |{30} sie geht weg. Gibt es ein bes­se­res Mit­tel, um die­se Spit­ze zu bezeich­nen, bezo­gen auf das, was sich ent­fal­tet, bezo­gen auf das The­ma der Funk­ti­on des Auges, ein bes­se­res Mit­tel als das, was durch ein „gese­hen“ aus­ge­drückt wird, das in gewis­ser Wei­se defi­ni­tiv ist?

Abb. 12: Las meni­nas, Aus­schnitt: Der Maler

Von daher ist die Anwe­sen­heit von Veláz­quez selbst, in der Posi­ti­on, in der Sie ihn eben gese­hen haben --; und da das zwei­te Foto nicht bes­ser war als das ers­te, haben Sie etwas nicht sehen kön­nen, was Sie auf bes­se­ren Repro­duk­tio­nen sehen könn­ten und was von tau­send Autoren, die da­rü­ber gespro­chen haben, bezeugt wird, näm­lich dass die­se Per­son, die, wie her­vor­ge­ho­ben wird, in Rich­tung auf uns Betrach­ter blickt – Gott weiß, wie sehr man über die Aus­rich­tung die­ses Blicks hat spe­ku­lie­ren kön­nen –, dass die­se Per­son den Blick so wenig nach außen gerich­tet hat wie nur mög­lich. Das ist kei­nes­wegs eine Ana­ly­se, die nur ich vor­brin­ge; meh­re­re Autoren – die gro­ße Mehr­heit – haben das festgestellt.

Das gewis­ser­ma­ßen träu­me­ri­sche, abwe­sen­de Aus­se­hen, auf einen diseg­no inter­no [inne­ren Ent­wurf] gerich­tet, wie die Gon­go­ris­ten sich aus­drü­cken, ich mei­ne die gesam­te Theo­rie des baro­cken, manie­ris­ti­schen, kon­zep­tis­ti­schen oder was auch immer Stils, wofür Gón­go­ra das Bei­spiel und die Blü­te ist – diseg­no inter­no, das, wor­auf sich der manie­ris­ti­sche Dis­kurs bezieht und was eigent­lich etwas ist, was ich so nen­ne, dass es in die­sem Dis­kurs kei­ne Meta­pher gibt, dass die Meta­pher hier als rea­ler Bestand­teil hin­ein­kommt; die­se Anwe­sen­heit von Veláz­quez auf |{31} sei­ner Lein­wand, bei der sein Gesicht gewis­ser­ma­ßen das Zei­chen und die Stüt­ze dafür trägt, dass er als sie kom­po­nie­rend da ist und zugleich als ihr Ele­ment, das ist hier der dar­ge­stell­te struk­tu­rel­le Punkt, durch den uns bezeich­net wird, was es damit auf sich haben kann, auf wel­chem Wege es dazu kom­men kann, dass der­je­ni­ge auf der Lein­wand selbst erscheint, der sie als bli­cken­des Sub­jekt stützt. Nun ja, das ist etwas wirk­lich Ver­blüf­fen­des, des­sen Wert mei­nes Erach­tens nur von dem her bestimmt wer­den kann, wor­in ich Sie mit die­ser topo­lo­gi­schen Struk­tur ein­ge­führt habe.1

Abb. 13: 1: Infan­ta Mar­ga­ri­ta; 2: Isa­bel de Velas­co; 3: María Agus­ti­na Sar­mi­en­to de Soto­ma­yor; 4: Mari Bár­bo­la; 5: Nico­las Per­tus­a­to; 6: Mar­ce­la de Ulloa; 7: Guard­ada­mas; 8: José Nieto; 9: Die­go Veláz­quez; 10: Phil­ipp IV. von Spa­ni­en; 11: Maria Anna von Österreich

Zwei Merk­ma­le sind her­vor­zu­he­ben. [Ers­tens:] Das, was die­ser Blick erblickt und wor­über jeder Ihnen sagt, „das sind wir, wir die Betrach­ter“. War­um so sehr glau­ben, dass wir es sind? Sicher­lich ruft er uns zu etwas auf, denn wir ant­wor­ten so, wie ich Ihnen gesagt habe. Was aber die­ser Blick mit sich führt wie auch die Anwe­sen­heit des umge­dreh­ten Bil­des im Bild, wie auch die­ser Raum – der alle, die das Bild betrach­ten, in gewis­ser Wei­se als etwas Ein­zig­ar­ti­ges und Ein­ma­li­ges ver­blüfft –, das ist, dass sich das Bild bis in die Dimen­sio­nen des­sen hin­ein erstreckt, was ich das Fens­ter genannt habe, und dass es das Fens­ter als sol­ches bezeichnet.

Die Tat­sa­che, dass auf einer Sei­te des Bil­des durch das Bild selbst – das hier so dar­ge­stellt wird, dass es gewis­ser­ma­ßen in sich umge­stülpt ist – der Raum vor dem Bild erzeugt wird, in wel­chem wir eigent­lich als die­je­ni­gen bezeich­net wer­den, die ihn als sol­chen bewoh­nen, und die |{32} Ver­ge­gen­wär­ti­gung des Fens­ters im Blick des­je­ni­gen, der sich nicht zufäl­lig und nicht in belie­bi­ger Wei­se an den Platz gestellt hat, den er ein­nimmt, Veláz­quez – das ist hier der Punkt der Fes­se­lung und die spe­zi­el­le Akti­on, die die­ses Bild an uns vollzieht.

[Zwei­tens:] Hier­zu gibt es im Gemäl­de eine Über­schnei­dung. Ich kann nur ein wei­te­res Mal bedau­ern, dass ich Sie auf Bil­der ver­wei­sen muss, die übri­gens im all­ge­mei­nen, so muss ich sagen, in vie­len Bän­den immer ziem­lich schlecht sind, ent­we­der zu dun­kel oder zu hell; die­ses Gemäl­de ist nicht leicht zu repro­du­zie­ren. Es ist jedoch klar, dass der Abstand des Malers vom Gemäl­de – in dem Gemäl­de, in dem er abge­bil­det ist – hin­rei­chend betont ist, um uns zu zei­gen, dass es für ihn nicht in Reich­wei­te ist und dass dar­in eine Absicht liegt. Näm­lich dass die­ser Teil der Grup­pe – was man hier Las meni­nas genannt hat, Die Hof­fräu­lein –, näm­lich Doña Mar­ga­ri­ta mit Doña María Agus­ti­na de Sar­mi­en­to, die vor ihr kniet, vor dem Maler steht, wäh­rend die ande­ren, auch wenn es so aus­sieht, als sei­en sie auf einer ent­spre­chen­den Ebe­ne davor, viel­mehr dahin­ter sind und dass die Fra­ge, was es zwi­schen dem Maler und dem Bild an Raum gibt, hier nicht das ist, was uns prä­sen­tiert (pré­sen­té) wird, son­dern das, was uns durch die­se Spur ver­ge­gen­wär­tigt (pré­sen­ti­fie) wird, bei der es genügt, sie zu bezeich­nen, damit erkannt wird, dass hier eine Quer­li­nie etwas mar­kiert, was nicht ein­fach Auf­tei­lung des Lichts ist, |{33} Glie­de­rung des Gemäl­des, son­dern wirk­lich Kiel­was­ser des Vor­über­ge­hens der phan­tas­ma­ti­schen Prä­senz des Malers, inso­fern er blickt.

Wenn ich Ihnen sage, das Blick­sub­jekt kommt irgend­wo auf die Ebe­ne der Über­schnei­dung der Grund­li­nie mit dem Boden der Per­spek­ti­ve, näm­lich an einem Punkt im Unend­li­chen, so ist es auch die­ser Punkt, aus dem Veláz­quez – in der gespens­ti­schen Form, die die­ses Selbst­por­trät, im Ver­gleich zu allen ande­ren Por­träts, aus­zeich­net –, aus dem Veláz­quez eines der Merk­ma­le gemacht hat, das sich vom Stil des Malers sicher­lich unterscheidet.

Abb. 14: Die­go Veláz­quez, Innon­zenz X., ca. 1650
Öl auf Lein­wand, 140 x 120 cm, Gal­le­ria Doria Pam­philj, Rom
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Er selbst wür­de Ihnen sagen: „Glau­ben Sie etwa, mit die­sem Trop­fen da, mit die­sem Öl, mit die­sem Pin­sel wür­de ich ein Selbst­por­trät malen?“ Sie müs­sen sich nur auf das Por­trät von Inno­zenz X. bezie­hen, das in der Pam­phi­lij-Gale­rie hängt, um zu sehen, dass der Stil [dort] kei­nes­wegs der­sel­be ist [Abb. 14].

Die­ses Gespenst des Sub­jekts, das blickt und das durch die­se Spur wie­der­ge­kehrt ist, die hier noch spür­bar ist und von der ich sagen kann, dass sie in allen Per­so­nen mit­schwingt --. Denn in die­sem Bild, bei dem es ein Kli­schee gewor­den ist, ein Gemein­platz – ich habe es aus Mün­dern arti­ku­lie­ren gehört, die, muss ich sagen, nicht nur die­je­ni­gen waren, die am meis­ten auto­ri­siert waren, son­dern die in der Hier­ar­chie der Schöp­fer auch am höchs­ten stan­den –, |{34} die­ses Bild, über das man uns sagt, es sei das Bild der sich kreu­zen­den Bli­cke, eine Art Inter­vi­si­on, so als ob alle Per­so­nen durch eine Bezie­hung zu allen ande­ren cha­rak­te­ri­siert wären –, wenn Sie die Din­ge von Nahem betrach­ten, wer­den Sie sehen, dass außer dem Blick der Meni­na Maria Agus­ti­na de Sar­mi­en­to, die dabei ist, Doña Mar­ga­ri­ta anzu­schau­en, kein ande­rer Blick irgend­et­was fixiert. All die­se Bli­cke ver­lie­ren sich in einem unsicht­ba­ren Punkt. Als wür­de jemand sagen: „ein Engel ist vor­bei­ge­gan­gen“, näm­lich der Maler. Die ande­re Meni­na, die Isa­bel de Velas­co heißt, ist hier: gewis­ser­ma­ßen wie ver­bo­ten, die Arme gewis­ser­ma­ßen wie von der Spur die­ses Vor­über­ge­hens her aus­ge­brei­tet. Die Idio­tin hier, die Miss­ge­burt Mari Bár­bo­la, die Zwer­gin, schaut anders­wo hin und kei­nes­wegs, wie gesagt wird, zu uns hin­über. Was den klei­nen Zwerg angeht, so ist er hier damit befasst, eben das zu tun, eben die Rol­le zu spie­len, die er als Imi­ta­ti­on des klei­nen Jun­gen spie­len soll – er spielt den Zap­pel­phil­ipp, er gib dem Hund einen Tritt in den Hin­tern, als wol­le er ihm sagen: „Los, du Pen­ner! Hast du nicht die Maus geschnup­pert, die gera­de vor­bei­lief?“ Blick, wür­de man uns sagen, wenn man dar­an noch fest­hal­ten woll­te, aber beach­ten Sie, dass es in einem Bild, das ein Bild des Spiels der Bli­cke sein soll, dass es hier jeden­falls kei­ne zwei Bli­cke gibt – auch wenn wir |{35} den Blick von einer der Meni­nas aus­neh­men müs­sen –, die sich kreu­zen, ein­ver­nehm­li­che Bli­cke, ein­ver­stän­di­ge Bli­cke, suchen­de Bli­cke. Doña Mar­ga­ri­ta, das klei­ne Mäd­chen, blickt nicht die Die­ne­rin an, von der sie ange­blickt wird. Sämt­li­che Bli­cke sind anders­wo, und wohl­ge­merkt, der Blick des­je­ni­gen im Hin­ter­grund, der geht, ist nicht mehr als ein Blick, der besa­gen will: „Ich ver­las­se dich“, weit davon ent­fernt, sich auf irgend­et­was zu richten.

Was kann von daher das bedeu­ten, was man ins Zen­trum der Theo­rie die­ses Bil­des stellt, wenn man behaup­tet, das, was hier in der ers­ten Ebe­ne ist, an unse­rem Platz – und Gott weiß, wie sehr der Betrach­ter sich an einer sol­chen Stüt­ze, an einer sol­chen Hypo­the­se erfreu­en kann –, dass es der König und die Köni­gin sei­en, die in dem Spie­gel reflek­tiert wer­den, der hier für Sie sicht­bar sein müss­te und der im Hin­ter­grund ist? Woge­gen ich ein­wen­den möch­te: Wo zeigt sich in die­sem Bild der Maler, wo möch­te er, dass wir ihn unterbringen?

Eine der Hypo­the­sen, und eine, die unter den­je­ni­gen, die vor­ge­bracht wur­den, beson­ders ver­füh­re­risch war, ist die, dass der Maler, weil er dort steht, und weil es dies ist, was er gemalt hat, dass er all dies in einem Spie­gel sehen muss­te, in einem Spie­gel, der da steht, wo wir sind – und damit sind wir in einen Spie­gel ver­wan­delt. Die Sache ist nicht ohne Reiz, und sicher­lich appel­liert sie an |{36} all das, was ich Ihnen als Bezo­gen­sein des Sub­jekts auf den ande­ren in Erin­ne­rung brin­ge, abge­se­hen davon, dass ich Ihnen anläss­lich einer sol­chen Erfah­rung, wenn Sie wol­len, den stren­gen Unter­schied zwi­schen einem Spie­gel und dem Fens­ter zei­gen wer­de, zwei Ter­mi­ni, die struk­tu­rell in kei­ner­lei Ver­hält­nis zuein­an­der ste­hen. Aber hal­ten wir uns an das Bild. Der Maler habe sich so gemalt, dass er dabei die gesam­te Sze­ne der Leu­te um sich her­um in einem Spie­gel sah. Hier­ge­gen habe ich nur einen Ein­wand, näm­lich dass in den his­to­ri­schen Quel­len nichts dar­auf hin­weist – und Gott weiß, wie sehr das Nach­rich­ten sind, die die Geschich­te sich zu über­lie­fern bemüht –, nichts weist uns dar­auf hin, dass Veláz­quez Links­hän­der war. Aber so müss­ten wir ihn ja erschei­nen sehen, wenn wir die Tat­sa­che ernst neh­men, dass in einem Gemäl­de, das gewis­ser­ma­ßen mit Hil­fe eines Spie­gels ange­fer­tigt wor­den ist, er sich dann so wie hier dar­stellt, näm­lich als jemand, der sei­nen Pin­sel mit der rech­ten Hand hält. Die­se Begrün­dung könn­te Ihnen als dürf­tig erschei­nen. Wie auch immer, wenn es so wäre, wäre die­se Theo­rie völ­lig unver­ein­bar mit der Anwe­sen­heit des Königs und der Köni­gin an die­ser Stel­le. Ent­we­der ist an die­ser Stel­le der Spie­gel oder hier ste­hen der König und die Königin.

Falls es der König und die Köni­gin sind, kann es nicht der Maler sein. Falls der Maler anders­wo ist, falls der König und die Köni­gin da sind, kann es nicht der Maler sein, der da ist, denn ich neh­me an, dass |{37} er tat­säch­lich da war.

Sie ver­ste­hen nicht, Herr Castoriadis?

Cor­ne­li­us Cas­to­ria­dis: Nein!

Lacan: Unter der Hypo­the­se, dass der König und die Köni­gin, die hin­ten im Spie­gel reflek­tiert wer­den, da waren, um sich vom Maler malen zu las­sen, und da ich soeben die Hypo­the­se aus­ge­schlos­sen habe, dass der Maler anders als durch die Kunst sei­nes Pin­sels dort war, muss­te es so sein, dass der Maler hier war.

Und im Übri­gen beruht die For­de­rung, dass der Maler dort war und nicht auf der ande­ren Sei­te eines Spie­gels, der wir selbst wären, beruht die­se For­de­rung dar­auf, dass man annimmt, dass König und Köni­gin im Spie­gel sind.

Anders aus­ge­drückt, aus die­sem Trio, näm­lich ein ange­nom­me­ner Spie­gel, König und Köni­gin und der Maler, kön­nen wir nicht zwei belie­bi­ge Per­so­nen an die­sel­be Stel­le set­zen. Damit das geht, sind wir immer gezwun­gen, zwei zugleich hin­zu­stel­len, und sie kön­nen nicht zwei zugleich sein. Falls der König und die Köni­gin hier sind, um im Hin­ter­grund im Spie­gel reflek­tiert zu wer­den, nun, dann ist es unmög­lich, dass sie als im Spie­gel befind­lich dar­ge­stellt sind, und sei es aus Grün­den des Maß­stabs, der Grö­ße, in der man sie im Spie­gel sieht und wor­in sie unge­fähr den­sel­ben Maß­stab haben wie die Per­son, die dabei ist, neben ihnen hin­aus­zu­ge­hen, wohin­ge­gen sie ange­sichts des Abstands, in dem wir uns befin­den, ge-|{38} nau halb so groß sein müss­ten. Aber das ist nur ein Zusatz­ar­gu­ment. Falls der König und die Köni­gin die­ser Hypo­the­se zufol­ge dort sind, dann ist der Maler hier, und wir haben es mit der Auf­fas­sung zu tun, die von den Anek­do­ten­er­zäh­lern vor­ge­bracht wird, von Madame de Mot­te­ville bei­spiels­wei­se, dass der König und die Köni­gin hier wären und außer­dem stün­den, und abei wären, sich --, dabei wären, Modell zu ste­hen, und die Rei­he all die­ser Per­so­nen vor sich hät­ten, wovon Sie sehen kön­nen, was die natür­li­che Fol­ge wäre, falls Veláz­quez wäh­rend­des­sen wirk­lich dabei wäre, etwas ganz ande­res als sie zu malen, und dann auch noch etwas, das er nicht sieht, da er all die­se Per­so­nen in einer Posi­ti­on um sich her­um sieht.

Ich behaup­te, im Gegen­satz zu die­ser offen­kun­di­gen Unmög­lich­keit, dass das Wesent­li­che, das von die­sem Gemäl­de ange­zeigt wird, die Funk­ti­on des Fens­ters ist. Dass die Tat­sa­che, dass die Spur gewis­ser­ma­ßen durch das gekenn­zeich­net ist, wodurch der Maler hier­her zurück­keh­ren kann, hier wirk­lich das ist, was uns zeigt, inwie­fern da der lee­re Platz ist.

Dass sym­me­trisch zu die­sem lee­ren Platz die­je­ni­gen erschei­nen, wenn ich so sagen kann, bei denen nicht der Blick, son­dern die Unter­stel­lung, dass sie alles sehen –, dass sie in die­sem Spie­gel genau so sind, wie sie |{39} hin­ter einem Git­ter oder einer Ein­weg­schei­be sein könn­ten, und schließ­lich wür­de uns im Grenz­fall nichts dar­an hin­dern, anzu­neh­men, dass es sich um etwas Ähn­li­ches han­deln könn­te, näm­lich um das, was man in Ver­bin­dung mit einem gro­ßen Raum Ver­bin­dungs­zim­mer nennt, einen die­ser Orte, die der heim­li­chen Beob­ach­tung die­nen –, dass sie tat­säch­lich da sind; dass die Tat­sa­che, dass sie alles sehen, das ist, wodurch die Welt, in der man eine Vor­stel­lung gibt, gestützt wird.

Dass es hier etwas gibt, was uns in gewis­ser Wei­se die Par­al­le­le zum „Ich den­ke, also bin ich“ von Des­car­tes lie­fert: „Ich male, also bin ich“, sagt Veláz­quez, „und ich bin hier der­je­ni­ge, der Sie dem über­lässt, was ich gemacht habe, damit Sie sich in alle Ewig­keit Fra­gen dazu stel­len. Und ich bin auch an die­sem Ort, von dem aus ich an den Platz zurück­keh­ren kann, den ich Ihnen über­las­se, der wirk­lich der­je­ni­ge ist, an dem sich die Wir­kung ein­stellt, die dar­in besteht, dass es ein Stür­zen und eine Ver­wir­rung gibt, von etwas, das im Inne­ren des Sub­jekts ist.“ Eben die Viel­zahl der Deu­tun­gen, ihre Ver­le­gen­heit, wie man sagen kann, ihre Unbe­hol­fen­heit genü­gen hier, um das zu unterstreichen.

Abb. 15: Las meni­nas, Aus­schnitt: Das Paar im Spiegel

Am ande­ren Punkt jedoch, was haben wir da? Die­se Gegen­wart des Königs­paa­res, das exakt die­sel­be Rol­le spielt wie der Gott von Des­car­tes, näm­lich dass in all dem, was wir sehen, nichts täuscht, unter der einen Bedin­gung, dass der all­ge­gen­wär­ti­ge Gott selbst hier getäuscht wird. Und das ist hier die Gegen­wart die­ser Wesen, die Sie in die­ser eigen­ar­tig ver­schwom­me­nen Atmo­sphä­re |{40} des Spie­gels sehen. Wenn die­ser Spie­gel hier in gewis­ser Wei­se das Äqui­va­lent von etwas ist, das auf der Ebe­ne des Sub­jekts A, das hier ist, ver­schwin­den wird, wie als Gegen­stück zu die­sem klein a des Fens­ters in der ers­ten Ebe­ne, ver­dient es das nicht, dass wir uns noch ein wenig dabei aufhalten?

Ein Maler, unge­fähr drei­ßig Jah­re spä­ter, der Luca Giord­a­no hieß, ein Manie­rist in der Male­rei, der in der [Kunst-]Geschichte den Bei­na­me Fa Pres­to behal­ten hat, da er ein biss­chen schnell mach­te, im Übri­gen außer­ge­wöhn­lich bril­lant, er hat, nach­dem er die­ses Bild lan­ge betrach­tet hat­te – die Geschich­te sei­ner Benen­nun­gen habe ich Ihnen nicht dar­ge­stellt –, er hat einen Aus­spruch getan, einen die­ser Aus­sprü­che, mein Gott, wie man sie von jeman­dem erwar­ten kann, der sowohl Manie­rist als auch sehr intel­li­gent war: „Das ist die Theo­lo­gie der Male­rei“, hat er gesagt. Und natür­lich beruht das genau auf die­ser theo­lo­gi­schen Ebe­ne – auf wel­cher der Gott von Des­car­tes die Stüt­ze einer gan­zen Welt ist, die dabei ist, sich durch die Ver­mitt­lung des sub­jek­ti­vi­schen Phan­toms zu ver­wan­deln –, kommt es genau durch die Ver­mitt­lung des Königs­paa­res, das uns schim­mernd in die­sem Rah­men im Hin­ter­grund erscheint, kommt es von daher, dass die­ser Ter­mi­nus sei­nen Sinn erhält.

*

Abb. 16: Die­go Veláz­quez, Las hil­an­de­ras (Die Spin­ne­rin­nen), zw. 1644 und 1658
Öl auf Lein­wand, 220 x 289 cm, Pra­do, Madrid
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

Aber ich will Sie nicht ver­las­sen, ohne Ihnen, was mich angeht, zu sagen, auf wel­che Gedan­ken mich das bringt, was ein Maler wie Veláz­quez |{41} an Visio­nä­rem haben kann. Denn wer wird bei ihm von Rea­lis­mus spre­chen? Wer wird bei­spiels­wei­se bei den Hil­an­de­ras zu sagen wagen, das sei ein Gemäl­de des Volks in sei­ner Unge­schlif­fen­heit. Sicher­lich ist es das, was ein­fach den Flash ver­ewi­gen will, den er viel­leicht eines Tages hat­te, als er beim Ver­las­sen der könig­li­chen Tep­pich­ma­nu­fak­tur sah, wie die Arbei­te­rin­nen im Vor­der­grund den Rah­men für etwas bil­de­ten, das sich im Hin­ter­grund zutrug.

Ich bit­te Sie ein­fach, sich auf die­ses Gemäl­de [Las meni­nas] anhand von etwas zu bezie­hen, das bes­ser ist als das, was ich Ihnen dort gezeigt habe, um zu sehen, wie weit <das> von jedem Rea­lis­mus ent­fernt sein kann – und im Übri­gen gibt es kei­nen rea­lis­ti­schen Maler, der nicht visio­när wäre –, und genau­er zu betrach­ten, was sich im Hin­ter­grund die­ser Sze­ne ereig­net, in die­sem Spie­gel, in dem uns fla­ckernd die­se Per­so­nen erschei­nen, sicher­lich von dem unter­schie­den, was ich vor­hin als gespens­tisch bezeich­net habe, aber wirk­lich glän­zend. Mir kam der Gedan­ke, dass der Maler, in pola­rem Gegen­satz zu dem Fens­ter, in das er uns ein­rahmt, dass er hier für uns wie in einen Spie­gel etwas auf­tau­chen lässt, was für uns sicher­lich kei­nen belie­bi­gen Platz ein­nimmt, bezo­gen auf das, was sich für uns in den Bezie­hun­gen des Sub­jekts zum Objekt a ereig­net: den Fernsehschirm.

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Französisch/​deutsch mit Anmerkungen und Links

Offe­ne Vorlesung

{1} Pour ce qui est du savoir, il est dif­fi­ci­le de ne pas tenir comp­te de l’e­xis­tence du savant – savant ici pris seu­le­ment com­me le sup­port de l’hy­po­thè­se du savoir en géné­ral – sans mett­re for­cé­ment la con­no­ta­ti­on de scientifique.

Was das Wis­sen (savoir) angeht, ist es schwie­rig, nicht die Exis­tenz des Wis­sen­den (savant) zu berück­sich­ti­gen – „Wis­sen­der“ hier nur als Stüt­ze für die Hypo­the­se des Wis­sens im all­ge­mei­nen genom­men, ohne zwangs­läu­fig die Kon­no­ta­ti­on des Wis­sen­schaft­lers mit hineinzubringen.

 

Le savant sait quel­que cho­se ou bien il ne sait rien : dans les deux cas, il sait qu’il est un savant.

Der Wis­sen­de weiß etwas oder er weiß nichts – in bei­den Fäl­len weiß er, dass er ein Wis­sen­der ist.

 

Cet­te remar­que est seu­le­ment fai­te pour vous poin­ter ce pro­blè­me, pré­pa­ré depuis long­temps, et je dirai même pré­sen­ti­fié depuis, non pas seu­le­ment que j’ens­eig­ne, depuis que j’ai pous­sé mes pre­miè­res remar­ques sur ce que nous rap­pel­le de fon­da­men­tal l’ana­ly­se et qui est cen­tré autour de la fon­c­tion du nar­cis­sis­me ou du sta­de du miroir.

Die­se Bemer­kung soll Sie nur auf das Pro­blem hin­wei­sen, das seit lan­gem vor­be­rei­tet ist, ich möch­te sogar sagen, das nicht erst ver­ge­gen­wär­tigt ist, seit ich unter­rich­te, son­dern seit ich mei­ne ers­ten Bemer­kun­gen über das ver­lau­ten ließ, was die Ana­ly­se uns an Grund­le­gen­dem in Erin­ne­rung ruft und was sich um die Funk­ti­on des Nar­ziss­mus oder des Spie­gel­sta­di­ums dreht.2

 

Disons, pour aller vite, puis­que nous avons com­men­cé en retard, que le sta­tut du sujet au sens le plus large.…
au sens non enco­re déb­rous­saillé, non pas au sens où je suis en train d’es­say­er d’en ser­rer pour vous la structure
…ce qu’on appel­le le sujet en géné­ral veut sim­ple­ment dire, dans le cas que je viens de dire : il y a du savoir, donc il y a un savant.

Sagen wir, um schnell vor­an­zu­kom­men, da wir mit Ver­spä­tung ange­fan­gen haben, dass der Sta­tus des Sub­jekts im wei­tes­ten Sin­ne – in noch nicht geklär­ter Bedeu­tung, nicht in der Bedeu­tung, deren Struk­tur ich gera­de für Sie genau­er zu fas­sen ver­su­che –, also das, was man das Sub­jekt im All­ge­mei­nen nennt, dass dies im gera­de erwähn­ten Fall ein­fach bedeu­tet: Es gibt Wis­sen, also gibt es einen Wissenden.

 

{2} Le fait de savoir qu’on est un savant ne peut pas ne pas s’in­tri­quer pro­fon­dé­ment dans la struc­tu­re de ce savoir.

Es ist aus­ge­schlos­sen, dass die Tat­sa­che, dass man weiß, dass man ein Wis­sen­der ist, in die Struk­tur die­ses Wis­sens nicht tief eingreift.

 

Pour y aller car­ré­ment, disons que le pro­fes­seur… puis­que le pro­fes­seur a beau­coup affai­re avec le savoir - pour trans­mett­re le savoir, il lui faut char­ri­er une cer­taine quan­ti­té de savoir –, qu’il a été prend­re soit dans son expé­ri­ence, soit dans une accu­mu­la­ti­on de savoir fai­te ail­leurs et qui s’ap­pel­le par exemp­le – dans tel ou tel domaine, la phi­lo­so­phie par exemp­le – la tradition.

Um hier sofort wei­ter­zu­ge­hen, sagen wir, dass der Leh­rer (pro­fes­seur) – denn der Leh­rer hat viel mit dem Wis­sen zu tun –, dass er, um das Wis­sen zu über­mit­teln, eine bestimm­te Quan­ti­tät an Wis­sen zusam­men­kar­ren muss, wel­ches er sei­ner Erfah­rung oder einer anders­wo getä­tig­ten Wis­sens­an­häu­fung ent­nom­men hat und das etwa in die­sem oder jenem Bereich, in der Phi­lo­so­phie bei­spiels­wei­se, als Tra­di­ti­on bezeich­net wird.3

 

Il est clair que nous ne sau­ri­ons nég­li­ger que la pré­ser­va­ti­on du sta­tut par­ti­cu­lier de ce savant…
j’ai évo­qué le pro­fes­seur mais il y en a bien d’au­t­res sta­tuts, celui du méde­cin par exemple
… que la pré­ser­va­ti­on de son sta­tut est de natu­re à inflé­chir, à incli­ner ce qui, pour lui, lui paraî­tra le sta­tut géné­ral de son savoir.

Es ist klar, dass wir nicht ver­nach­läs­si­gen kön­nen, dass die Auf­recht­erhal­tung des beson­de­ren Sta­tus die­ses Wis­sen­den – ich habe auf den Sta­tus des Leh­rers ver­wie­sen, es gibt aber noch wei­te­re, den des Arz­tes bei­spiels­wei­se –, dass die Auf­recht­erhal­tung sei­nes Sta­tus dazu führt, dass sie das, was ihm als der all­ge­mei­ne Sta­tus sei­nes Wis­sens erscheint, mit einer bestimm­ten Beu­gung ver­sieht, mit einer bestimm­ten Ausrichtung.

 

Le con­tenu de ce savoir, le pro­grès de ce savoir, la poin­te de son exten­si­on ne sau­rai­ent ne pas être influen­cés par la pro­tec­tion néces­saire de son sta­tut de sujet savant.

Es ist aus­ge­schlos­sen, dass der Inhalt die­ses Wis­sens, der Fort­schritt die­ses Wis­sens, die Rich­tung sei­ner Aus­deh­nung, dass all dies nicht beein­flusst ist durch den not­wen­di­gen Schutz sei­nes Sta­tus als eines wis­sen­den Subjekts.

 

Ceci me sem­ble assez évi­dent si l’on son­ge que nous en avons devant nous la maté­ria­li­sa­ti­on tan­gi­ble par les con­sé­cra­ti­ons socia­les de ce sta­tut qui font qu’un Mon­sieur n’est pas con­sidé­ré com­me savant uni­quement dans la mesu­re où il sait et où il con­ti­nue de fon­c­tion­ner com­me savant : |{3} les con­sidé­ra­ti­ons de ren­de­ment vien­nent là de loin, der­riè­re cel­les du main­ti­en d’un sta­tut per­ma­nent à celui qui a accé­dé à une fon­c­tion savante.

Das scheint mir ziem­lich offen­sicht­lich zu sein, wenn man bedenkt, dass wir des­sen Mate­ria­li­sie­rung vor uns haben, spür­bar in den sozia­len Bestä­ti­gun­gen die­ses Sta­tus, die dazu füh­ren, dass ein bestimm­ter Herr nicht aus­schließ­lich in dem Maße als Wis­sen­der ange­se­hen wird, wie er etwas weiß und wie er fort­fährt, als Wis­sen­der zu fun­gie­ren – Leis­tungs­ge­sichts­punk­te ste­hen hier weit hin­ter sol­chen zurück, bei denen es dar­um geht, dem­je­ni­gen, der ein Wis­sen­samt erreicht hat, einen dau­er­haf­ten Sta­tus zu sichern.

 

Ceci n’est pas inju­s­ti­fié et dans l’en­sem­ble arran­ge tout le mon­de ; tout le mon­de s’en accom­mo­de fort bien.

Das ist nicht unbe­grün­det, und im Gro­ßen und Gan­zen kom­men alle damit zurecht, alle pas­sen sich gut dar­an an.

 

Chacun à sa place : le savant « savan­te » dans des end­roits dési­gnés et on ne va pas regar­der de si près si son « savan­te­ment », à par­tir d’un cer­tain moment, se répè­te, se rouil­le ou même devi­ent pur sem­blant de savanterie.

Jeder an sei­nem Platz, der wis­sen­schaft­lich Wis­sen­de an hier­für bestimm­ten Orten, und man wird nicht so genau hin­schau­en, ob sei­ne „Wis­send­heit“ sich von einem bestimm­ten Moment an wie­der­holt und ein­ros­tet oder sogar zum blo­ßen Schein wird, zum Wissensgehabe.

 

Mais com­me beau­coup de cris­tal­li­sa­ti­ons socia­les, nous ne devons pas nous arrê­ter sim­ple­ment à ce qu’est la pure exi­gence socia­le, ce qu’on appel­le habi­tu­el­le­ment les fon­c­tions de grou­pe et com­ment un cer­tain grou­pe prend un sta­tut plus ou moins pri­vilé­gié pour des rai­sons qui sont en fin de comp­te tou­jours à fai­re remon­ter à quel­que ori­gi­ne historique.

Aber wie bei vie­len sozia­len Kris­tal­li­sie­run­gen dür­fen wir uns nicht ein­fach bei dem auf­hal­ten, was blo­ße sozia­le Anfor­de­rung ist, bei dem, was man gewöhn­lich als Grup­pen­funk­tio­nen bezeich­net, nicht ein­fach dabei, wie eine bestimm­te Grup­pe einen mehr oder weni­ger pri­vi­le­gier­ten Sta­tus ein­nimmt, aus Grün­den, die letzt­lich immer auf einen bestimm­ten his­to­ri­schen Ursprung zurück­zu­füh­ren sind.

 

Il y a bien là quel­que cho­se de struc­tu­ral et qui, com­me le struc­tu­ral nous force sou­vent de le remar­quer, dépas­se de beau­coup la simp­le inter­re­la­ti­on d’utilité.

Es gibt hier etwas Struk­tu­rel­les, das – wie das Struk­tu­rel­le uns oft zu bemer­ken zwingt – über die ein­fa­che Wech­sel­be­zie­hung der Nütz­lich­keit weit hinausreicht.

 

On peut con­sidé­rer que, du point de vue du ren­de­ment, il y aurait avan­ta­ge à fai­re le sta­tut du savant moins stable.

Man kann sich fra­gen, ob es unter dem Gesichts­punkt der Leis­tung nicht vor­teil­haft wäre, den Sta­tus des Wis­sen­den weni­ger sta­bil zu machen.

 

Mais il faut cro­i­re jus­tem­ent qu’il y, a dans les mira­ges du sujet et non dans la struc­tu­re du sujet lui-même, quel­que cho­se qui abou­tit à ces struc­tures sta­bles, qui les nécessite.

Aber man muss wohl anneh­men, dass es in den Trug­bil­dern des Sub­jekts – nicht in der Struk­tur des Sub­jekts selbst – etwas gibt, das zu die­sen sta­bi­len Struk­tu­ren führt und sie not­wen­dig macht.

 

{4} Si la psy­ch­ana­ly­se nous force à remett­re en ques­ti­on le sta­tut du sujet, c’est sans dou­te par­ce qu’el­le abor­de ce pro­blè­me, pro­blè­me de ce qu’est un sujet, d’un aut­re départ.

Wenn die Psy­cho­ana­ly­se uns zwingt, den Sta­tus des Sub­jekts neu in Fra­ge zu stel­len, dann sicher­lich des­halb, weil sie die­ses Pro­blem – das Pro­blem, was ein Sub­jekt ist – von einem ande­ren Aus­gangs­punkt aus angeht.

 

Si pen­dant de longues années j’ai pu mon­trer que l’in­tro­duc­tion de cet­te expé­ri­ence de l’ana­ly­se dans un champ…
qui ne sau­rait se repé­rer que de con­joind­re une cer­taine mise en ques­ti­on du savoir au nom de la vérité 
…si la scan­si­on de ce champ va se cher­cher en un point plus radi­cal… en un point anté­ri­eur à cet­te ren­cont­re, à cet­te ren­cont­re d’u­ne véri­té qui se pose et se pro­po­se com­me étran­gè­re au savoir
…nous l’a­vons dit, ceci s’in­tro­duit du pre­mier biais de deman­de, qui d’a­bord dans une per­spec­ti­ve qui se réduit ensuite, se pro­po­se com­me plus pri­mi­tif, com­me plus archaï­que et qui néces­si­te d’in­ter­ro­ger com­ment s’or­don­nent, dans leur struc­tu­re, cet­te deman­de avec quel­que cho­se dont elle dis­cor­de et qui s’ap­pel­le le désir.

Wenn ich in lan­gen Jah­ren zei­gen konn­te, dass die Ein­füh­rung der Erfah­rung der Ana­ly­se in ein Feld, das nur von daher bestimmt wer­den kann, dass es mit einer bestimm­ten Infra­ge­stel­lung des Wis­sens im Namen der Wahr­heit ver­bun­den ist, wenn die Skan­die­rung die­ses Fel­des an einem radi­ka­le­ren Punkt gesucht wird, an einem Punkt, der die­ser Begeg­nung vor­aus­liegt, die­ser Begeg­nung mit einer Wahr­heit, die sich als etwas setzt und als etwas anbie­tet, das dem Wis­sen, wie wir gesagt haben, fremd ist, so wird dies zuerst in der Per­spek­ti­ve des Anspruchs ein­ge­führt, der sich zunächst – in einer Per­spek­ti­ve, die sich dann redu­ziert –, der sich zunächst als etwas anbie­tet, was ursprüng­li­cher ist, archai­scher, und was es nötig macht, zu fra­gen, in wel­cher Struk­tur die­ser Anspruch mit etwas zusam­men­ge­ord­net ist, womit er nicht über­ein­stimmt und was sich Begeh­ren nennt.4

 

C’est ain­si que, par ce biais en quel­que sor­te, dans ce clivage struc­tu­ral, nous som­mes arri­vés à remett­re en ques­ti­on ce sta­tut, du sujet à con­sidé­rer que, loin que le sujet nous paraisse un point-pivot, une sor­te d’a­xe autour de quoi tour­nerai­ent – quels que soi­ent les ryth­mes, la pul­sa­ti­on que nous accor­di­ons à ce qui tourne – autour de quoi tour­nerai­ent les expan­si­ons et les retraits du savoir.

So kommt es, dass wir, gleich­sam auf die­sem Umweg, in die­ser struk­tu­rel­len Spal­tung dazu gelangt sind, den Sta­tus des Sub­jekts in Fra­ge zu stel­len, zu beden­ken, dass das Sub­jekt uns kei­nes­wegs ein Angel­punkt zu sein scheint, eine Art Ach­se, um die sich was auch immer dre­hen wür­de, die Rhyth­men, das Pul­sie­ren, das wir dem zuschrei­ben, was sich dreht, wor­um sich die Aus­wei­tung und das Schwin­den des Wis­sens dre­hen würden.

 

{5} Nous ne pou­vons con­sidé­rer le dra­me qui se joue…
qui fon­de l’es­sence du sujet tel que nous le don­ne l’expé­ri­ence psy­ch­ana­ly­tique, en intro­dui­sant le biais du désir au cœur même de la fon­c­tion du savoir
…nous ne pou­vons le fai­re sur le fon­de­ment de sta­tut de la per­son­ne qui, en fin de comp­te, est ce qui a domi­né jus­que là, la vue phi­lo­so­phi­que qui a été pri­se du rap­port de l’hom­me à ce qu’on appel­le le mon­de sous la for­me d’un cer­tain savoir.

Wir kön­nen das Dra­ma, das sich abspielt und wor­auf sich das Wesen des Sub­jekts grün­det, wie es uns in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Erfah­rung gege­ben ist, wir kön­nen die­ses Dra­ma nur berück­sich­ti­gen, wenn wir ins Inne­re der Funk­ti­on des Wis­sens den Aspekt des Begeh­rens ein­füh­ren, und das kön­nen wir nicht tun, wenn wir vom Sta­tus der Per­son aus­ge­hen, der letzt­lich das ist, was bis­lang die phi­lo­so­phi­sche Sicht domi­niert hat, die durch das Ver­hält­nis des Men­schen zu dem bestimmt war, was man die Welt nennt, in Gestalt eines bestimm­ten Wissens.

 

Le sujet nous appa­raît fon­da­men­ta­le­ment divi­sé en ce sens qu’à inter­ro­ger ce sujet au point le plus radi­cal, à savoir s’il sait ou non quel­que cho­se – c’est là le dou­te car­té­si­en –, nous voy­ons – ce qui est l’es­sentiel dans cet­te expé­ri­ence du cogi­to – l’êt­re de ce sujet, au moment qu’il est inter­ro­gé, fuir en quel­que sor­te, diver­ger sous la for­me de deux ray­ons d’êt­re qui ne coïn­ci­dent que sous une for­me illu­soi­re à l’êt­re qui trou­va sa cer­ti­tu­de de se mani­fes­ter com­me être au sein de cet­te interrogation.

Das Sub­jekt erscheint uns als grund­le­gend gespal­ten, in dem Sin­ne, dass wir sehen, wenn wir die­ses Sub­jekt am radi­kals­ten Punkt befra­gen, näm­lich ob es etwas weiß oder nicht weiß – das ist der kar­te­si­sche Zwei­fel –, dass wir dann sehen, was in die­ser Erfah­rung des Cogi­to das Wesent­li­che ist, wie das Sein des Sub­jekts in dem Moment, in dem es befragt wird, gewis­ser­ma­ßen flüch­tet, wie es in Gestalt von zwei Berei­chen des Seins aus­ein­an­der­geht, die nur in illu­so­ri­scher Form mit dem Sein/​Wesen zusam­men­tref­fen, wel­ches die Gewiss­heit gefun­den hat, sich im Inne­ren die­ser Befra­gung als Sein zu manifestieren.

 

Je pen­se, pens­ant je suis, mais je suis ce qui pen­se, et pen­ser « je suis » n’est pas la même cho­se que d’être ce qui pense.

Ich den­ke, und indem ich den­ke, bin ich. Aber ich bin, was denkt. Und „ich bin“ zu den­ken, ist nicht das­sel­be wie: das zu sein, was denkt.

 

Point non remar­qué mais qui prend tout son poids, tou­te sa valeur de se recou­per, dans l’expé­ri­ence ana­ly­tique, de ceci que celui qui est ce qui pen­se, pen­se d’u­ne façon dont n’est pas aver­ti celui qui pen­se « je suis ».

Ein unbe­ach­te­ter Punkt, der jedoch sein gan­zes Gewicht, sei­nen gan­zen Wert von daher annimmt, dass er sich in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung damit über­schnei­det, dass das­je­ni­ge, was das ist, was denkt, auf eine Wei­se denkt, auf die der­je­ni­ge, der „ich bin“ denkt, nicht gefasst ist.5

 

{6} C’est là le sujet qu’est char­gé de repré­sen­ter celui qui, diri­geant l’expé­ri­ence ana­ly­tique, s’ap­pelant le psy­ch­ana­lys­te, voit se repo­ser pour lui ce qu’il en est de la ques­ti­on du savant.

Das ist hier das Sub­jekt, mit des­sen Reprä­sen­ta­ti­on der­je­ni­ge beauf­tragt ist, der die ana­ly­ti­sche Erfah­rung anlei­tet und Psy­cho­ana­ly­ti­ker heißt, und der sieht, wie sich für ihn neu das Pro­blem stellt, wor­um es bei der Fra­ge des Wis­sen­den geht.

 

Le rap­port du psy­ch­ana­lys­te à la ques­ti­on de son sta­tut reprend ici, sous une for­me d’u­ne acui­té décu­plée, cel­le qui est posée depuis tou­jours con­cer­nant le sta­tut de celui qui déti­ent le savoir.

Das Ver­hält­nis des Psy­cho­ana­ly­ti­kers zur Fra­ge sei­nes Sta­tus nimmt hier mit gestei­ger­ter Schär­fe die Fra­ge wie­der auf, die seit jeher gestellt wird, die Fra­ge nach dem Sta­tus des­je­ni­gen, der das Wis­sen besitzt.

 

Et le pro­blè­me de la for­ma­ti­on du psy­ch­ana­lys­te n’est vrai­ment rien d’aut­re que, par une expé­ri­ence pri­vilé­giée, de per­mett­re que vien­ne au mon­de, si je puis dire, des sujets pour qui cet­te divi­si­on du sujet ne soit pas seu­le­ment quel­que cho­se qu’ils savent, mais quel­que cho­se en quoi ils pensent.

Und das Pro­blem der Psy­cho­ana­ly­ti­ker­aus­bil­dung ist wirk­lich kein ande­res als dies, es durch eine beson­de­re Erfah­rung zu ermög­li­chen, dass Sub­jek­te zur Welt kom­men, wenn ich so sagen kann, für die die­se Sub­jekt­spal­tung nicht nur etwas ist, das sie wis­sen, son­dern etwas, wor­in sie denken.

 

Il s’a­git que vien­nent au mon­de quel­ques-uns qui sau­rai­ent décou­vr­ir ce qu’ils expé­ri­men­tent dans l’expé­ri­ence ana­ly­tique à par­tir de cet­te posi­ti­on main­te­nue que jamais ils ne soi­ent en état de mécon­naît­re qu’au moment de savoir, com­me ana­lys­tes, ils sont dans une posi­ti­on divisée.

Es geht dar­um, dass sol­che zur Welt kom­men, die in der Lage sind, zu ent­hül­len, was sie in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung erkun­den, aus­ge­hend davon, dass die Posi­ti­on auf­recht­erhal­ten wird, dass sie nie­mals imstan­de sind zu ver­ken­nen, dass sie als Ana­ly­ti­ker im Moment des Wis­sens in einer gespal­te­nen Posi­ti­on sind.

 

Rien n’est plus dif­fi­ci­le que de main­te­nir dans une posi­ti­on d’êt­re ce qui, assu­ré­ment, pour chacun s’il méri­te le tit­re d’ana­lys­te, a été, à quel­que moment, dans l’expé­ri­ence, éprouvé.

Nichts ist schwie­ri­ger, als in einer Posi­ti­on bestän­dig das zu sein, was sicher­lich von jedem, wenn er den Titel des Ana­ly­ti­kers ver­dient, in einem bestimm­ten Moment in der Erfah­rung erlebt wor­den ist.

 

Et voi­là.

Und da sind wir.

 

{7} À par­tir du moment où le sta­tut est instau­ré, de celui qui est sup­po­sé savoir dans la per­spec­ti­ve ana­ly­tique, tous les pres­ti­ges de la mécon­nais­sance spé­cu­lai­re renais­sent, qui ne peu­vent que réuni­fier ce sta­tut du sujet, à savoir lais­ser tom­ber, éli­der l’aut­re par­tie qui est cel­le dont pour­tant ça dev­rait être l’ef­fet de cet­te expé­ri­ence uni­que, ce dev­rait être l’ef­fet sépa­ra­tif par rap­port à l’en­sem­ble du trou­peau que cer­ta­ins non seu­le­ment le sachent mais soi­ent – soi­ent, au moment d’a­bor­der tou­te expé­ri­ence de l’ord­re de la leur –, soi­ent con­for­mes ou au moins pres­sen­tent ce qu’il en est de cet­te struc­tu­re divisée.

Von dem Moment an, in dem der Sta­tus des­je­ni­gen ein­ge­führt wird, dem unter­stellt wird, in ana­ly­ti­scher Per­spek­ti­ve zu wis­sen, kommt es zu einem Wie­der­auf­blü­hen des gesam­ten Pres­ti­ges der spie­gel­haf­ten Ver­ken­nung, was den Sta­tus des Sub­jekts nur wie­der ver­ein­heit­li­chen kann, den ande­ren Teil also nur wie­der fal­len las­sen kann, til­gen kann, den­je­ni­gen, bei dem die Wir­kung die­ser ein­zig­ar­ti­gen Erfah­rung dar­in bestehen müss­te – die tren­nen­de Wir­kung im Ver­hält­nis zu Gesamt der Her­de –, dass eini­ge es nicht nur wis­sen, son­dern in dem Moment, in dem sie die gesam­te Erfah­rung ihrer eige­nen Ord­nung ange­hen, mit dem kon­form gehen oder zumin­dest ahnen, was es mit die­ser gespal­te­nen Struk­tur auf sich hat.

 

Ce n’est pas aut­re cho­se que le sens de mon ens­eig­ne­ment de rap­pe­l­er cet­te exi­gence quand, assu­ré­ment c’est ail­leurs que sont les moy­ens d’y intro­dui­re mais que – de par une struc­tu­re, je le répè­te : qui de beau­coup dépas­se son con­di­ti­onne­ment social – quel­que cho­se – quel­le que soit l’expé­ri­ence –, du seul fait du fon­c­tion­ne­ment où chacun s’i­den­ti­fie à un cer­tain sta­tut nom­ma­ble – dans l’oc­ca­si­on celui d’êt­re le savant –, qui tend à fai­re ren­trer dans l’ord­re l’es­sentiel de la schi­ze par laquel­le seu­le pour­tant peut s’ou­vr­ir un accès à l’expé­ri­ence qui soit au niveau pro­pre de cet­te expérience.

Der Sinn mei­nes Unter­richts besteht in nichts ande­rem als dar­in, an die­se Anfor­de­rung zu erin­nern (wäh­rend die Mit­tel, dar­in ein­zu­füh­ren, sicher­lich anders­wo lie­gen), dass aber durch eine Struk­tur (ich wie­der­ho­le es), die über ihre sozia­le Bedingt­heit weit hin­aus­geht) etwas (bei wel­cher Erfah­rung auch immer) allein schon durch ein Funk­tio­nie­ren, in dem jeder sich mit einem benenn­ba­ren Sta­tus iden­ti­fi­ziert, in die­sem Fal­le mit dem, der Wis­sen­de zu sein, mit einem Sta­tus, der dazu neigt, das Wesent­li­che der schi­ze6 wie­der in eine Ord­nung zu brin­gen –; der schi­ze, durch die jedoch allein sich ein sol­cher Zugang zur Erfah­rung eröff­nen kann, der auf der Höhe die­ser Erfah­rung ist.

 

C’est en tant que sujet divi­sé que l’ana­lys­te est appelé à répond­re à la deman­de de celui qui ent­re avec lui dans une expé­ri­ence de sujet.

Der Ana­ly­ti­ker ist dazu auf­ge­ru­fen, als gespal­te­nes Sub­jekt auf den Anspruch des­je­ni­gen zu ant­wor­ten, der mit ihm eine Sub­jekt­er­fah­rung eingeht.

 

{8} C’est pour­quoi ce n’est pas pur raffinement…
orne­ment de détail, pein­ture d’un sec­teur par­ti­cu­lier de not­re expé­ri­ence qui illus­trerait en quel­que sor­te ce qu’il con­vi­ent d’a­jou­ter d’in­for­ma­ti­on à ce que nous pou­vons con­naît­re, par exemp­le de la pul­si­on scopique 
…que, la der­niè­re fois, j’ai été amené à déve­lo­p­per devant vous des fon­c­tions de la noti­on de la perspective.

Des­halb war es nicht blo­ßes Raf­fi­ne­ment, neben­säch­li­che Aus­schmü­ckung, Aus­ma­len eines bestimm­ten Bereichs unse­rer Erfah­rung – das gewis­ser­ma­ßen ver­an­schau­li­chen wür­de, was man dem an Infor­ma­ti­on hin­zu­zu­fü­gen soll­te, was wir bei­spiels­wei­se vom Schau­trieb erken­nen kön­nen –, wenn ich das letz­te Mal vor Ihnen Funk­tio­nen des Begriffs der Per­spek­ti­ve ent­wi­ckelt habe.

 

C’est dans la mesu­re, au con­trai­re, où il s’a­git pour vous d’il­lus­trer ce qui peut sou­te­nir de son appa­reil ce autour de quoi il s’a­git que la sub­jec­ti­vi­té de l’ana­lys­te se repè­re, et, se repé­rant, n’ou­b­lie jamais…
même au moment où le second point de fuite, si je puis dire, de sa pen­sée, tend à être oublié, éli­dé, lais­sé de côté, du moins dans la force de quel­que schème
…se voit rap­pelé à lui-même qu’il doit cher­cher où fon­c­tion­ne cet aut­re point de fuite ; au moment même, à l’en­droit même où il tend à for­mu­ler quel­que véri­té qui, de par son expres­si­on même, s’il n’y prend gar­de, se trou­ve­ra retom­ber dans les vieux schè­mes unitaires du sujet de la con­nais­sance et l’in­ci­te­ra, par exemp­le, à mett­re au pre­mier plan tel­le idée de tota­li­té qui est à pro­pre­ment par­ler ce dont il doit le plus se méfier dans la syn­thè­se de son expérience.

Viel­mehr geht es dabei dar­um, Ihnen zu ver­an­schau­li­chen, wel­cher Appa­rat das, wor­um es geht, unter­stüt­zen kann, sodass die Sub­jek­ti­vi­tät des Ana­ly­ti­kers sich zurecht­fin­det und, indem sie sich zurecht­fin­det, nie­mals ver­gisst – selbst in dem Moment nicht, wenn ich so sagen kann, in dem der zwei­te Flucht­punkt sei­nes Den­kens unter dem Ein­fluss irgend­ei­nes Sche­mas dazu ten­diert, ver­ges­sen, getilgt, zumin­dest bei­sei­te gelas­sen zu wer­den –, sich selbst dar­an erin­nert sieht, dass er danach suchen muss, wo die­ser ande­re Flucht­punkt am Werk ist, in eben dem Moment, an eben dem Ort, wo er dazu neigt, irgend­ei­ne Wahr­heit zu for­mu­lie­ren, die, falls er nicht acht­gibt, bereits schon durch ihren Aus­druck in die alten Ein­heits­sche­ma­ta des Erkennt­nis­sub­jekts zurück­fällt und ihn bei­spiels­wei­se dazu ver­lei­tet, eine Idee der Tota­li­tät in den Vor­der­grund zu stel­len, die jedoch im stren­gen Sin­ne das ist, dem er bei der Syn­the­se sei­ner Erfah­rung am meis­ten miss­trau­en muss.

 

{9} La der­niè­re fois, essay­ant pour vous, par des voies abré­gées, de pré­sen­ti­fier ce que peut nous appor­ter, ce que nous ens­eig­ne l’expé­ri­ence de la per­spec­ti­ve – enco­re que ces voies je les ai choi­sies aus­si pra­ti­ca­bles que je l’ai pu, assu­ré­ment –, j’ai eu le sen­ti­ment de n’a­voir pas tou­jours réus­si à con­cen­trer, sinon tou­te l’at­ten­ti­on, du moins à avoir tou­jours réus­si à la récom­pen­ser, fau­te peut-être de quel­que schéma.

Als ich das letz­te Mal ver­such­te, Ihnen auf abge­kürz­te Wei­se zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, was uns das, was die Erfah­rung der Per­spek­ti­ve uns lehrt, brin­gen kann, hat­te ich den Ein­druck – auch wenn ich die­se Wege sicher­lich so gang­bar gewählt habe, wie ich konn­te –, dass es mir nicht immer gelun­gen ist, Ihre gan­ze Auf­merk­sam­keit dar­auf zu len­ken, oder dass es mir zumin­dest nicht immer gelun­gen ist, sie zu beloh­nen, viel­leicht man­gels eines Sche­mas.7

 

Et pour­tant c’é­tait bien ce que j’en­ten­dais repous­ser, recu­ler pour évi­ter quel­que malentendu.

Aller­dings war es eben das, was ich, um Miss­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den, zurück­wei­sen woll­te, zurück­drän­gen wollte.

 

Je vais pour­tant aujour­d’hui le fai­re, le résu­mer et dire ce qui, dans cet­te expé­ri­ence de la per­spec­ti­ve, pour nous, à pro­pre­ment par­ler peut illus­trer ce dont il s’a­git, à savoir le rap­port de la divi­si­on du sujet à ce qui spé­ci­fie, dans l’expé­ri­ence ana­ly­tique, la rela­ti­on pro­pre­ment visu­el­le au mon­de, à savoir un cer­tain objet a.

Heu­te jedoch will ich es tun, will ich es wie­der­auf­neh­men und sagen, was für uns in die­ser Erfah­rung der Per­spek­ti­ve streng gesagt das ver­an­schau­li­chen kann, wor­um es geht, näm­lich das Ver­hält­nis der Sub­jekt­spal­tung zu dem, wodurch sich in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung die im eigent­li­chen Sin­ne visu­el­le Bezie­hung zur Welt aus­zeich­net, näm­lich durch ein bestimm­tes Objekt a.8

 

Cet objet a que jus­qu’i­ci et d’u­ne façon appro­chée, et qui n’a d’ail­leurs pas à être repri­se, j’ai distin­gué du champ de la visi­on com­me étant la fon­c­tion du regard, com­ment ceci peut-il s’or­ga­nis­er dans l’expé­ri­ence – l’expé­ri­ence struc­tu­ra­le –, pour autant qu’el­le instau­re un cer­tain type de pen­sée dans la géo­mé­trie ; pour autant qu’el­le est ren­due sen­si­ble dans tout le fon­c­tion­ne­ment de l’art et spé-|{10} cia­le­ment dans la peinture.

Die­ses Objekt a, das ich bis­her auf annä­hern­de Wei­se, die im Übri­gen nicht wie­der auf­ge­grif­fen wer­den muss, vom Feld des Sehens (visi­on) als Funk­ti­on des Blicks (regard) unter­schie­den habe9, wie kann es sich in der Erfah­rung orga­ni­sie­ren, in der struk­tu­rel­len Erfah­rung, inso­fern sie in der Geo­me­trie einen bestimm­ten Typ des Den­kens eta­bliert und inso­fern sie im gesam­ten Funk­tio­nie­ren der Kunst spür­bar gemacht wird, vor allem in der Malerei?

 

J’ai fait la der­niè­re fois, ver­ba­le­ment, une con­s­truc­tion qu’il est faci­le de retrou­ver tel­le quel­le dans un ouvra­ge de perspective.

Das letz­te Mal habe ich ver­bal eine Kon­struk­ti­on vor­ge­nom­men, die so in einer Arbeit über Per­spek­ti­ve leicht wie­der­zu­fin­den ist.

 

Ce n’est pas de celui-là qu’il s’a­git – on me l’a appor­té à l’in­stant –, c’est l’ouvra­ge par exemp­le, ou plu­tôt le recu­eil des artic­les, d’Er­win Panof­sky sur la perspective.

Dabei geht es nicht um die­se hier – das hat man mir sofort gebracht, das ist die Arbeit, bei­spiels­wei­se, oder viel­mehr die Samm­lung von Arti­keln von Erwin Panof­sky über die Per­spek­ti­ve.10

 

Il y en a une édi­ti­on en alle­mand qui est d’ail­leurs… où les artic­les, je le vois, se grou­pent dif­fé­rem­ment de cet­te édi­ti­on italienne.

Davon gibt es eine Aus­ga­be auf Deutsch11, die übri­gens --, wo die Arti­kel, wie ich sehe, anders ange­ord­net sind als in die­ser ita­lie­ni­schen Aus­ga­be.12

 

J’ai rap­pelé que, dans le rap­port dit pro­jec­tif, qui s’é­ta­blit du plan de ce qu’on peut appe­l­er le tableau au plan de ce que, pour être simp­le aujour­d’hui, nous appel­le­rons le sol per­spec­tif, il y a des cor­re­spond­an­ces liné­ai­res fon­da­men­ta­les qui s’é­ta­blis­sent et qui impli­quent des élé­ments à pro­pre­ment par­ler non intui­tiv­a­bles et qui sont pour­tant des élé­ments fon­da­men­taux de ce qu’on peut appe­l­er l’e­space, ou l’é­ten­due projectifs.

Ich habe dar­an erin­nert13, dass es im soge­nann­ten Pro­jek­ti­ons­ver­hält­nis, das sich zwi­schen der Ebe­ne her­stellt, die man als Bild (tableau) bezeich­nen kann, und der Ebe­ne, die wir heu­te, um ein­fach zu sein, den Boden der Per­spek­ti­ve (sol per­spec­tif) nen­nen wol­len14, dass sich in die­sem Ver­hält­nis fun­da­men­ta­le linea­re Ent­spre­chun­gen her­stel­len, die Ele­men­te ent­hal­ten, die im stren­gen Sin­ne nicht intui­tio­nier­bar sind15, die aber gleich­wohl grund­le­gen­de Ele­men­te des­sen sind, was man den pro­jek­ti­ven Raum oder das pro­jek­ti­ve Aus­ge­dehn­te nen­nen kann.16

 

Une géo­mé­trie cohé­ren­te, instau­rant une par­fai­te rigueur démons­tra­ti­ve qui n’a rien de com­mun avec la géo­mé­trie métri­que, s’établit, à con­di­ti­on d’ad­mett­re que ce qui se pas­se dans ce que j’ai appelé aujour­d’hui le sol perspectif…
pour rem­pla­cer un ter­me, je me suis ren­du comp­te, plus dif­fi­ci­le à main­te­nir dans l’e­sprit que celui-là que j’a­vais employé |{11} la der­niè­re fois
… : la cor­re­spond­ance des lignes tra­cées donc sur le sol per­spec­tif avec les lignes tra­ça­bles sur le tableau, impli­que qu’u­ne ligne à l’in­fi­ni sur le sol per­spec­tif se tra­dui­se par la ligne d’ho­ri­zon sur le tableau.

Eine kohä­ren­te Geo­me­trie, die, hin­sicht­lich der Beweis­füh­rung, eine voll­kom­me­ne Stren­ge ein­führt und die mit der metri­schen Geo­me­trie nichts gemein hat, stellt sich unter der Bedin­gung her, dass man zulässt, dass das, was in dem geschieht, was ich heu­te als „Boden der Per­spek­ti­ve“ bezeich­net habe – um damit einen Ter­mi­nus zu erset­zen, der, wie mir klar wur­de, schwe­rer zu mer­ken ist, den­je­ni­gen, den ich das letz­te Mal ver­wen­det habe –, dass die Ent­spre­chung zwi­schen den Lini­en, die also auf den Boden der Per­spek­ti­ve gezeich­net sind, zu den­je­ni­gen Lini­en, die sich auf das Bild zeich­nen las­sen, dass die­se Ent­spre­chung impli­ziert, dass eine Linie, die auf dem Boden der Per­spek­ti­ve im Unend­li­chen liegt, auf dem Bild in die Hori­zont­li­nie über­setzt wird.

 

Ceci est le pre­mier pas de tou­te con­s­truc­tion perspective.

Das ist bei jeder Per­spek­tive­kon­struk­ti­on der ers­te Schritt.

 

Abb. 1: Drei Ebe­nen mit Aug­punkt S und Hori­zont h

Je vais le sché­ma­tis­er de la façon sui­van­te [Abb. 1] : sup­po­sez que ce soit ici [Q] le sol per­spec­tif – je vous laisse de pro­fil le tableau [P].

Ich möch­te es auf fol­gen­de Wei­se sche­ma­ti­sie­ren [Abb. 1]: Neh­men Sie an, dass dies [Q] der Boden der Per­spek­ti­ve ist; das Bild [P] gebe ich Ihnen von der Seite.

 

Je mets ici ce dont je n’ai pas enco­re par­lé : le point œil [S] du sujet.

Hier set­ze ich etwas hin, wovon ich noch nicht gespro­chen habe, näm­lich den Aug­punkt [S] des Subjekts.

 

J’ai suf­fi­sam­ment indi­qué, la der­niè­re fois, ce dont il s’a­gis­sait pour que vous com­pre­niez main­ten­ant le sens du tra­cé que je vais faire.

Das letz­te Mal habe ich das, wor­um es sich han­delt, hin­rei­chend erläu­tert, sodass Sie den Sinn der Zeich­nung, die ich jetzt anfer­ti­ge, ver­ste­hen werden.

 

Je vous ai dit : indé­pen­dam­ment de quoi que ce soit à quoi vous ayez à vous réfé­rer dans l’expérience…
et nom­mé­ment pas l’ho­ri­zon tel qu’il est effec­ti­ve­ment expé­ri­men­té sur not­re boule en tant qu’el­le est ronde
…un plan infi­ni sup­po­se que, de ce point d’œil, il soit en I, posant un plan par­al­lè­le au sol per­spec­tif ; que vous déter­mi­niez la ligne d’ho­ri­zon [h] sur le tableau selon la ligne où ce plan par­al­lè­le cou­pe le plan du tableau.

Ich habe Ihnen gesagt: Unab­hän­gig von irgend­et­was, wor­auf Sie sich in der Erfah­rung bezie­hen müs­sen – ins­be­son­de­re vom Hori­zont, wie er auf unse­rer Kugel in ihrer Rund­heit effek­tiv gege­ben ist –, unter­stellt eine unend­li­che Ebe­ne, dass es von die­sem Aug­punkt her in I eine Ebe­ne gibt, die par­al­lel zum Boden der Per­spek­ti­ve ver­läuft, und dass Sie auf dem Bild die Hori­zont­li­nie [h] als die­je­ni­ge Linie fest­le­gen, wo die­se par­al­le­le Ebe­ne die Bild­ebe­ne schneidet.

 

L’expé­ri­ence du tableau et de la pein­ture nous dit que n’im­por­te quel point de cet­te ligne d’ho­ri­zon est tel que les lignes qui y con­cou­rent cor­re­spon­dent à des lignes par­al­lè­les, quel­les qu’el­les soi­ent, sur le sol perspectif.

Die Erfah­rung des Bil­des und der Male­rei lehrt uns, dass jeder belie­bi­ge Punkt die­ser Hori­zont­li­ni­en so ist, dass die Lini­en, die hier zusam­men­tref­fen, sämt­li­chen par­al­le­len Lini­en auf dem Boden der Per­spek­ti­ve entsprechen.

 

{12} Nous pou­vons donc choi­sir n’im­por­te quel point de cet­te ligne d’ho­ri­zon com­me cent­re de la perspective.

Wir kön­nen also jeden belie­bi­gen Punkt die­ser Hori­zont­li­nie als Zen­trum der Per­spek­ti­ve wählen.

 

C’est ce qui se fait en effet dans tout tableau sou­mis aux lois de la perspective.

Das ist das, was in jedem Bild, das den Geset­zen der Per­spek­ti­ve unter­wor­fen ist, tat­säch­lich gemacht wird.

 

Ce point est pro­pre­ment ce qui, dans le tableau, ne répond pas seu­le­ment, vous le voyez, au sol à mett­re en per­spec­ti­ve mais à la posi­ti­on du point S, et com­me tel dans la figu­re, repré­sen­te l’œil.

Die­ser Punkt ist eigent­lich das, was im Bild nicht nur, wie Sie sehen, dem Grund ent­spricht, der in Per­spek­ti­ve zu set­zen ist, son­dern [zugleich] der Posi­ti­on des Punk­tes S, und der als sol­cher in der Abbil­dung das Auge repräsentiert.

 

C’est en fon­c­tion de l’œil de celui qui regar­de que l’ho­ri­zon s’é­ta­blit dans un plan-tableau.

Es hängt vom Auge des­je­ni­gen ab, der betrach­tet, dass sich in einer Bild­ebe­ne der Hori­zont herstellt.

 

À ceci, vous ai-je dit la der­niè­re fois, tous ceux qui ont étu­dié la per­spec­ti­ve, ajou­tent ce qu’ils appel­lent l’aut­re œil, à savoir l’in­ci­dence dans la per­spec­ti­ve de la distance [δ] de ce point S au plan du tableau.

Hier­zu – so habe ich Ihnen das letz­te Mal gesagt – fügen alle, die die Per­spek­ti­ve stu­diert haben, etwas hin­zu, was sie das ande­re Auge nen­nen, näm­lich den Ein­fluss der Distanz [δ] des Punk­tes S gegen­über der Bild­ebe­ne.17

 

Or, aus­si bien en fait que dans l’u­sa­ge qu’on en fait dans n’im­por­te quel tableau, cet­te distance est arbi­trai­re, au choix de celui qui fait le tableau.

Nun, außer­dem, dass in dem Gebrauch, den man bei irgend­ei­nem Bild davon macht, die­se Distanz will­kür­lich ist, abhän­gig von der Ent­schei­dung des­je­ni­gen, der das Bild anfertigt.

 

Je veux dire qu’el­le est au choix à l’in­té­ri­eur du tableau-même.

Ich will damit sagen, dass da­rü­ber inner­halb des Bil­des ent­schie­den wird.

 

Est-ce à dire que du point de vue de la struc­tu­re du sujet…
en tant que le sujet est le sujet du regard, est le sujet d’un mon­de vu ; c’est ce qui va nous intéresser
…est-ce à dire que nous pou­vons nég­li­ger cet­te par­tie du sujet, qu’el­le ne nous appa­raisse qu’en une fon­c­tion d’artifice…
qu’a­lors que la ligne d’ho­ri­zon est struc­tu­ra­le, le fait que |{13} le choix de la distance libre­ment est lais­sé à mon choix, de moi qui regar­de, je puis­se dire qu’il n’y a là qu’ar­ti­fice de l’ar­tis­te ; que c’est à la distance où je me mets men­ta­le­ment de tel ou tel plan que je choi­sis dans la pro­fon­deur du tableau
…que ceci soit donc en quel­que sor­te caduc et second­ai­re et non pas structural ?

Heißt das, dass unter dem Gesichts­punkt der Struk­tur des Sub­jekts – inso­fern das Sub­jekt das Sub­jekt des Blicks ist, das Sub­jekt einer gese­he­nen Welt, das ist das, was uns inter­es­sie­ren wird –, heißt das, dass wir die­sen Teil des Sub­jekts ver­nach­läs­si­gen kön­nen, dass er uns nur in Abhän­gig­keit von einem Kunst­griff erscheint, wohin­ge­gen die Hori­zont­li­nie struk­tu­rell ist, dass ich des­halb, weil die Wahl der Distanz mei­ner frei­en Ent­schei­dung als des­je­ni­gen, der blickt, über­las­sen ist, dass ich des­halb sagen kann, dass es hier nur den Kunst­griff des Künst­lers gibt, dass es mit der Distanz, in die ich mich men­tal vor die­se oder jene Ebe­ne ver­set­ze, die ich in der Tie­fe des Bil­des wäh­le, dass es damit so ist, dass sie dem­nach gewis­ser­ma­ßen neben­säch­lich und sekun­där ist und kei­nes­wegs strukturell?

 

Je dis : c’est struc­tu­ral, et jamais per­son­ne jus­qu’i­ci ne l’a suf­fi­sam­ment remarqué.

Ich sage, das ist struk­tu­rell, und das hat bis­lang nie jemand aus­rei­chend bemerkt.18

 

Ce second, point dans la per­spec­ti­ve, se défi­nit de la remar­que que quel­le que soit la distance du sujet provisoire…
du sujet S qui est jus­tem­ent ce que nous avons à mett­re en sus­pens et voir com­ment il rent­re dans le tableau
…que quel­le que soit la distance de ce sujet au tableau, il y a quel­que cho­se qui est sim­ple­ment l’ent­re lui et le tableau, ce qui le sépa­re du tableau, et que ceci n’est pas sim­ple­ment quel­que cho­se qui se note­ra de la valeur métri­que de cet­te distance [δ] ; que cet­te distance, en elle-même s’in­scrit quel­que part dans la struc­tu­re, et que c’est là que nous devons trou­ver, non pas l’aut­re œil, com­me disent les auteurs de « per­spec­ti­ve » – ent­re guil­le­mets –, mais l’aut­re sujet.

Die­ser zwei­te Punkt wird in der Per­spek­ti­ve durch die Bemer­kung defi­niert, dass es, wel­ches immer der Abstand des pro­vi­so­ri­schen Sub­jekts sein mag – des Sub­jekts S, das eben das ist, was wir in der Schwe­be las­sen müs­sen und wobei wir sehen müs­sen, wie es wie­der ins Bild kommt –, dass es, wel­ches immer der Abstand die­ses Sub­jekts zum Bild sein mag, etwas gibt, das ein­fach das ist, was zwi­schen ihm und dem Bild ist, das, wodurch das Sub­jekt vom Bild getrennt ist, und dass dies nicht ein­fach etwas ist, was durch den metri­schen Wert die­ses Abstands [δ] regis­triert wird, dass sich viel­mehr die­ser Abstand an sich selbst irgend­wo in die Struk­tur ein­schreibt und dass dies der Punkt ist, wo wir nicht etwa das ande­re Auge fin­den müs­sen, wie die Ver­fas­ser der „Per­spek­ti­ve“, in Anfüh­rungs­zei­chen, sagen, son­dern das ande­re Subjekt.

 

Abb. 2: Abstand δ des Sub­jekts zur Bildebene

Et ceci se démont­re de la façon dont je l’ai fait la der­niè­re fois, et qui pour cer­ta­ins n’a pas été com­pri­se, et qui se fon­de sur la remar­que que, pre­miè­re­ment, si nous fai­sons pas­ser par le point S, un plan [S], paral-|{14} lèle [Abb. 2] non plus cet­te fois au plan per­spec­tif [Q] mais au tableau [P], il en résul­te deux choses :

Und das wird so demons­triert, wie ich es das letz­te Mal getan habe, was für eini­ge nicht ver­ständ­lich war und was sich auf die Bemer­kung grün­det, dass pri­mär, wenn wir durch den Punkt S eine Ebe­ne [S] gehen las­sen [Abb. 2] – dies­mal nicht mehr par­al­lel zur per­spek­ti­vi­schen Ebe­ne [Q], son­dern par­al­lel zum Bild [P] –, dann ergibt sich dar­aus zweierlei:

 

D’a­bord que ceci nous inci­te à remar­quer qu’il exis­te une ligne [λ] d’in­ter­sec­tion du tableau avec le plan sol per­spec­tif – et dont le nom est con­nu, qui s’ap­pel­le, si j’en crois le liv­re de Panof­sky, qui s’ap­pel­le la ligne fon­da­men­ta­le, je ne l’ai pas appelée ain­si la der­niè­re fois –, et c’est cet­te ligne-là.

Zunächst, dass dies uns dazu bringt, dass wir bemer­ken, dass es eine Schnitt­li­nie [λ] des Bil­des mit der Ebe­ne „Boden der Per­spek­ti­ve“ gibt – deren Name übri­gens bekannt ist, die dem Buch von Panof­sky zufol­ge als Grund­li­nie bezeich­net wird19, ich habe sie das letz­te Mal nicht so genannt –, näm­lich die­se Linie da [λ].

 

Le plan [S] par­al­lè­le au tableau qui pas­se par le point S cou­pe le plan du sol per­spec­tif en une ligne [b] par­al­lè­le à la première.

Die Ebe­ne [S], par­al­lel zum Bild, die durch den Punkt S geht, schnei­det die Ebe­ne des Bodens der Per­spek­ti­ve in einer Linie [b], die par­al­lel zur ers­ten [zur Grund­li­nie λ] verläuft.

 

De la repré­sen­ta­ti­on de ces deux lignes sur le tableau – ce que j’ap­pel­ais la der­niè­re fois le plan-figu­re – va se dédui­re ce que nous appel­le­rons le second point sujet.

Aus der Reprä­sen­ta­ti­on [des Abstands] die­ser bei­den Lini­en auf dem Bild – auf dem, was ich beim letz­ten Mal die Abbil­dungs­ebe­ne genannt habe –, lei­tet sich dann das her, was wir als zwei­ten Sub­jekt­punkt bezeich­nen möchten.

 

En effet, dans la rela­ti­on tri­ple : S point-sujet /​ plan-tableau /​ sol per­spec­tif, nous avons vu qu’à la ligne infi­nie sur le sol per­spec­tif [q∞]…
là je pen­se avoir assez indi­qué la der­niè­re fois ce que cet­te ligne infi­nie veut dire
…à la ligne infi­nie du sol per­spec­tif cor­re­spond la ligne hori­zon sur le plan-tableau.

Tat­säch­lich haben wir in der Drei­er­be­zie­hung Sub­jekt­punkt [S] – Bild­ebe­ne [P] – Boden der Per­spek­ti­ve [Q] gese­hen, dass der unend­lich fer­nen Linie auf dem Boden der Per­spek­ti­ve [q∞] – hier, den­ke ich, habe ich beim letz­ten Mal hin­rei­chend ange­zeigt, was die­se unend­lich fer­ne Linie bedeu­tet –, dass der Fern­li­nie, die auf dem Boden der Per­spek­ti­ve liegt, auf der Bild­ebe­ne die Hori­zont­li­nie entspricht.

 

Dans le même grou­pe de trois vous pou­vez, si vous y regar­dez de près, vous aper­ce­voir que la ligne ici défi­nie – appe­lons-la ligne b, cel­le de la par­al­lè­le à la ligne fon­da­men­ta­le – |{15} a la même fon­c­tion par rap­port à la ligne infi­nie du plan du tableau [fig.3, p∞] que l’ho­ri­zon dans le plan-tableau a par rap­port à la ligne infi­nie dans le sol perspectif.

Abb. 3: Dar­stel­lung der unend­lich fer­nen Linie der Bild­ebe­ne durch einen Kreis (P∞)

In der­sel­ben Drei­er­grup­pe kön­nen Sie, wenn Sie näher hin­schau­en, fest­stel­len, dass die hier defi­nier­te Linie, nen­nen wir sie Linie b, die­je­ni­ge, die par­al­lel zur Grund­li­nie [λ] ver­läuft, dass sie im Ver­hält­nis zur Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [Abb. 3, p∞] die­sel­be Funk­ti­on hat wie der Hori­zont in der Bild­ebe­ne im Ver­hält­nis zur Fern­li­nie auf dem Boden der Per­spek­ti­ve [q∞].20

 

Elle est donc repré­sen­tée dans la figu­re par cet­te ligne infi­nie, bien sûr dans le tableau. 

Sie [Linie b] wird in die­ser Abbil­dung also durch die­se unend­li­che Linie [Ver­spre­cher, gemeint ist: „durch die­se unend­lich fer­ne Linie“, RN] reprä­sen­tiert, ich mei­ne auf dem Bild [p∞] .

 

Et d’aut­re part, com­me la ligne fon­da­men­ta­le est déjà dans le tableau, l’aut­re point-sujet, alors que le pre­mier se défi­nis­sait ain­si : n’im­por­te quel point dans la ligne d’ho­ri­zon –, l’autre point-sujet [Sˈ] peut s’é­cr­i­re ain­si : le point d’in­ter­sec­tion de la ligne infi­nie du plan tableau avec la ligne fondamentale.

Und ande­rer­seits, da die Grund­li­nie [λ] bereits im Bild ist, kann der ande­re Sub­jekt­punkt [Sˈ] – wäh­rend der ers­te als belie­bi­ger Punkt auf der Hori­zont­li­nie defi­niert wur­de21 –, kann der ande­re Sub­jekt­punkt [Sˈ] so geschrie­ben wer­den: der Punkt, an dem sich die Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [p∞] mit der Grund­li­nie [λ] schnei­det.22

 

Vous voyez là [Abb. 3] que j’ai repré­sen­té, d’u­ne façon qui n’est que figu­rée, qui est insuf­fi­san­te, la ligne infi­nie par un cer­cle puis­qu’en som­me, pour l’in­tui­ti­on, elle est cet­te ligne qui est tou­jours, de tous les côtés à l’in­fi­ni sur un plan quelconque.

Sie sehen hier [Abb. 3], dass ich – auf eine Wei­se, die nur figür­lich ist, die unzu­rei­chend ist – die unend­lich fer­ne Linie durch einen Kreis dar­ge­stellt habe, da sie für die Anschau­ung ins­ge­samt die Linie ist, die auf einer belie­bi­gen Ebe­ne immer auf allen Sei­ten im Unend­li­chen liegt.

 

Intui­ti­ve­ment, nous la repré­sen­tons par un cer­cle mais elle n’est pas un cercle.

Intui­tiv stel­len wir sie durch einen Kreis dar, sie ist jedoch kein Kreis.

 

Le prou­vent tout son manie­ment et les cor­re­spond­an­ces ligne par ligne, point par point qui con­sti­tu­ent l’es­sentiel de cet­te géo­mé­trie projective.

Das wird bewie­sen durch die gan­ze Art und Wei­se, wie sie behan­delt wird, sowie durch die Ent­spre­chun­gen Linie für Linie, Punkt für Punkt, die in der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie das Wesent­li­che ausmachen.

 

L’ap­pa­rent dou­ble point de ren­cont­re qu’el­le a avec la ligne fon­da­men­ta­le n’est qu’u­ne pure appa­rence puis­qu’el­le est une ligne, une ligne à con­sidé­rer com­me ligne droi­te com­me tou­tes les aut­res lignes, et que deux lignes droi­tes ne sau­rai­ent avoir qu’un |{16} seul point d’in­ter­sec­tion [Abb.4].

Der schein­bar zwei­fa­che Punkt, dort, wo sie auf die Grund­li­nie trifft, ist eine blo­ße Erschei­nung, da sie eine Linie ist, eine Linie, die wie alle ande­ren Lini­en als Gera­de auf­zu­fas­sen ist, und da zwei Gera­den nur einen ein­zi­gen Schnitt­punkt haben kön­nen [Abb.4].

 

Ce ne sont pas là cho­ses que je vous deman­de d’ad­mett­re au nom d’u­ne con­s­truc­tion qui serait mienne.

Das sind hier kei­nes­wegs Din­ge, die ich Sie im Namen einer Kon­struk­ti­on zu akzep­tie­ren bit­te, wel­che die mei­ne wäre.

 

Je ne peux pas, pour vous, pous­ser la por­te de la géo­mé­trie pro­jec­ti­ve, et nom­mé­ment pas pour ceux qui n’en ont pas enco­re la pra­tique, mais il est très simp­le pour qui­con­que de s’y repor­ter et voir qu’il n’y a rien à reprend­re dans ce que j’a­van­ce ici, à savoir qu’il en résul­te que nous avons deux point-sujet dans tou­te struc­tu­re d’un mon­de pro­jec­tif, ou d’un mon­de per­spec­tif ; deux point-sujet : l’un [O] qui est un point quel­con­que sur la ligne d’ho­ri­zon, dans le plan de la figu­re, l’aut­re qui est à l’in­ter­sec­tion d’u­ne aut­re ligne, par­al­lè­le à la pre­miè­re, qui s’ap­pel­le la ligne fon­da­men­ta­le [λ] – qui exprime un rap­port du plan figu­re au sol pro­jec­tif – avec la ligne à l’in­fi­ni, dans le plan-figu­re [p∞].

Ich kann Ihnen nicht die Tür zur pro­jek­ti­ven Geo­me­trie auf­sto­ßen, vor allem den­je­ni­gen nicht, die dar­in noch kei­ne Übung haben. Es ist jedoch für jeden sehr ein­fach, sich dar­auf zu bezie­hen und zu sehen, dass es in dem, was ich hier vor­brin­ge, nichts zurück­zu­neh­men gibt, dass sich dies näm­lich dar­aus ergibt, dass wir in jeder Struk­tur einer pro­jek­ti­ven Welt oder einer per­spek­ti­vi­schen Welt zwei Sub­jekt­punk­te haben, wovon der eine [O] irgend­ein Punkt auf der Hori­zont­li­ni­en auf der Abbil­dungs­ebe­ne ist und der ande­re [Sˈ] am Schnitt­punkt zwei­er Lini­en liegt, zwi­schen einer ande­ren par­al­lel zur ers­ten [zur Hori­zont­li­nie] ver­lau­fen­den Linie, die Grund­li­nie heißt [λ] – die eine Bezie­hung der Abbil­dungs­ebe­ne zum Boden der Per­spek­ti­ve aus­drückt – und der unend­lich fer­nen Linie auf der Abbil­dungs­ebe­ne [p∞].

 

Ceci méri­te d’êt­re poin­té par le che­min où c’est venu, où nous avons pu l’établir.

Das ver­dient es, durch den Weg auf­ge­zeigt zu wer­den, den das gegan­gen ist, auf dem wir es zei­gen konnten.

 

Abb. 4: Zwei­ter Sub­jekt­punkt Sˈ als Schnitt­punkt der unend­lich fer­nen Gera­den auf der Bild­ebe­ne mit der Grundlinie

Mais une fois éta­b­li par cet­te voie…
dont vous ver­rez par la suite qu’el­le n’est pas sans, pour nous, con­sti­tuer une trace importan­te chaque fois que nous aurons à repé­rer cet aut­re point-sujet
…je pen­se pour vous dire main­ten­ant que si, dans le plan-figu­re, nous tra­çons la ligne d’ho­ri­zon qui est par­al­lè­le à cet­te ligne fon­da­men­ta­le, nous devons en dédui­re que la ligne d’ho­ri­zon cou­pe cet­te ligne |{17} infi­nie exac­te­ment au même point où la cou­pe la ligne fon­da­men­ta­le, puis­que c’est une ligne par­al­lè­le à la pre­miè­re [Abb. 4].

Aber wenn es ein­mal gezeigt wor­den ist – auf die­sem Wege, von dem Sie spä­ter sehen wer­den, dass er für uns eine wich­ti­ge Spur bil­det, jedes Mal, wenn wir die­sen ande­ren Sub­jekt­punkt aus­fin­dig machen müs­sen –, dann den­ke ich, um Ihnen das jetzt zu sagen, dass wir, wenn wir auf der Abbil­dungs­ebe­ne die Hori­zont­li­nie ein­tra­gen, die par­al­lel zur Grund­li­nie ver­läuft, dass wir dar­aus schlie­ßen müs­sen, dass die Hori­zont­li­nie die Fern­li­nie an exakt dem­sel­ben Punkt schnei­det, an dem die Fern­li­nie von der Grund­li­nie geschnit­ten wird, da dies eine Linie ist, die zur ers­ten par­al­lel ver­läuft [Abb.4].23

 

D’où vous ver­rez se sim­pli­fier beau­coup le rap­port de ces deux point, l’un est un point quel­con­que sur la ligne d’ho­ri­zon, l’aut­re est le point à l’in­fi­ni en ceci que le point à l’in­fi­ni n’est pas un point quel­con­que ; qu’il est un point uni­que mal­gré que là, il ait l’air d’êt­re deux.

Von woher Sie dann sehen, wie sich das Ver­hält­nis zwi­schen die­sen bei­den Punk­ten stark ver­ein­facht – der eine ist ein belie­bi­ger Punkt auf der Hori­zont­li­nie, der ande­re ist der unend­lich fer­ne Punkt [der Hori­zont­li­nie], und dies inso­fern, als der unend­lich fer­ne Punkt nicht ein belie­bi­ger Punkt ist, son­dern ein ein­zi­ger Punkt, auch wenn es dort so aus­sieht, als kom­me er dop­pelt vor.

 

C’est ceci qui sera pour nous…
quand il s’a­gi­ra de mett­re en valeur la rela­ti­on du sujet dans le fan­tas­me et nom­mé­ment la rela­ti­on du sujet à l’ob­jet a
…ceci aura pour nous valeur d’ap­pui et méri­te que vous ayez pas­sé le temps néces­saire – pas plus, pas plus que dans les démons­tra­ti­ons de Descartes.

Das ist etwas, das für uns – wenn es dar­um gehen wird, im Phan­tas­ma das Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Gel­tung zu brin­gen, ins­be­son­de­re das Ver­hält­nis des Sub­jekts zum Objekt a –, das ist etwas, das für uns den Wert einer Stüt­ze haben wird und was es ver­dient, dass Sie die nöti­ge Zeit damit ver­bracht haben – nicht mehr als mit den Beweis­füh­run­gen von Des­car­tes.24

 

Une démons­tra­ti­on une fois sai­sie est démon­trée, enco­re faut-il en tenir la rigueur et les procès.

Eine Beweis­füh­rung, ein­mal begrif­fen, ist bewie­sen, man muss jedoch noch ihre Stren­ge erfas­sen und die Vorgehensweisen.

 

Ceci est ce qui doit nous ser­vir, nous ser­vir de réfé­rence chaque fois que nous avons à opé­rer, quant au fan­tas­me scopique.

Das ist das, was uns dien­lich sein soll, was uns jedes Mal als Bezugs­punkt die­nen soll, wenn wir mit dem sko­pi­schen Phan­tas­ma umge­hen müs­sen.25

 

Ce sujet divi­sé est sou­tenu par une mon­ture com­mu­ne, l’ob­jet a, qui, dans ce sché­ma est à cher­cher où ?

Die­ses gespal­te­ne Sub­jekt wird von dem übli­chen Gestell getra­gen, vom Objekt a – das in die­sem Sche­ma wo zu suchen ist?

 

Il est à cher­cher en un point où, bien enten­du, il tom­be et s’é­va­nouit, sans ça, ce ne serait pas l’ob­jet a.

Es ist an einem Punkt zu suchen, an dem es aller­dings stürzt und ver­schwin­det – ohne das wäre es nicht das Objekt a.26

 

L’ob­jet a est ici repré­sen­té par ce quel­que cho­se qui, jus­tem­ent, dans la figure…
qu’i­ci, j’e­spè­re vous en avoir mon­tré, avec ce suc­cès de vous en rend­re quel­que cho­se sensible
…l’ob­jet a c’est ce qui sup­porte |{18} ce point S, ce que j’ai ici figu­ré par la menée de ce plan par­al­lè­le [S].

Das Objekt a wird hier durch die­ses Etwas reprä­sen­tiert, das genau in der Abbil­dung, die ich Ihnen hier, so hof­fe ich, mit dem Erfolg gezeigt habe, dass für Sie etwas davon spür­bar wird --; das Objekt a ist das, was die­sen Punkt S stützt, das, was ich hier durch den Ver­lauf die­ser par­al­le­len Ebe­ne [S] dar­ge­stellt habe.27

 

Ce qui y est éli­dé, et ce qui pour­tant y est tou­jours, c’est ce que, sous plus d’u­ne for­me, j’ai déjà intro­duit dans le rap­port struc­tu­ral du sujet au mon­de : c’est la fenêtre.

Abb. 5: Fens­ter und Rahmen

Was hier weg­ge­las­sen ist und was es hier den­noch immer gibt, ist das, was ich in das struk­tu­rel­le Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Welt in bereits mehr als einer Form ein­ge­führt habe, näm­lich das Fens­ter [Abb. 5].28

 

Dans le rap­port sco­pi­que de ce sujet au point S d’où part tou­te la con­s­truc­tion appa­raît spé­ci­fié, indi­vi­dua­li­sé dans ce mur…
si je puis m’ex­pri­mer ain­si, que repré­sen­te ce plan par­al­lè­le en tant qu’il va déter­mi­ner le second point du sujet
…dans ce mur, il faut qu’il y ait une ouver­tu­re, une fen­te, une vue, un regard.

Im sko­pi­schen Ver­hält­nis des Sub­jekts am Punkt S, von dem die gesam­te Kon­struk­ti­on aus­geht, erscheint spe­zi­fi­ziert, indi­vi­dua­li­siert in die­ser Wand – wenn ich mich so aus­drü­cken kann –, die von die­ser par­al­le­len Ebe­ne reprä­sen­tiert wird, inso­fern sie dann den zwei­ten Punkt des Sub­jekts deter­mi­niert –; in die­ser Wand muss es eine Öff­nung geben, eine Spal­te, eine Sicht, einen Blick.29

 

C’est cela, pré­cis­é­ment, qui ne sau­rait être vu de la posi­ti­on initia­le de la construction.

Das ist genau das, was von der Aus­gangs­po­si­ti­on der Kon­struk­ti­on aus nicht gese­hen wer­den konn­te.30

 

Nous avons déjà vu cet­te fon­c­tion de la fenêt­re, l’an­née der­niè­re, nous rend­re des ser­vices en tant que sur­face de ce qui peut s’é­cr­i­re de plus pre­mier com­me fon­c­tion de signifiant :

Bereits im letz­ten Jahr haben wir gese­hen, wie die­se Funk­ti­on des Fens­ters uns Diens­te geleis­tet hat, als Flä­che des­sen, was zual­ler­erst als Funk­ti­on des Signi­fi­kan­ten geschrie­ben wer­den kann

Michel Roussan verweist in seiner Edition zu diesem Satz auf Lacans Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, darin auf das Schema zu „um 5 Uhr allein“, bestehend aus fünf Blumentöpfen in einem Fenster mit zurückgezogenem Vorhang (Sitzungen vom 7. April 1965 und vom 5. Mai 1965).

Ein zweiter Bezug in Seminar 12 ist, Roussan zufolge, die Sitzung vom 23. Juni 1965; in einem Kommentar zu Die Verzückung der Lol V. Stein von Marguerite Duras verweist Lacan dort auf die Funktion des Fensters (vgl. auch die Übersetzung von Lacans Hommage an Marguerite Duras, über die Verzückung der Lol V. Stein, hier).

">31:

 

Appe­lons-là du nom qu’el­le méri­te, elle est pré­cis­é­ment dans cet­te struc­tu­re fermée…
qui est cel­le qui nous per­met­trait de nouer les uns avec les aut­res tous ces dif­fér­ents plans que nous venons de tra­cer et reproduire

…la struc­tu­re du plan pro­jec­tif sous sa for­me pure­ment topo­lo­gi­que, à savoir sous l’en­ve­lo­p­pe du cross-cap,
elle est ce quel­que cho­se de troué dans cet­te struc­tu­re qui per­met pré­cis­é­ment que s’y intro­dui­se l’ir­rup­ti­on d’où va dépend­re, d’où va dépend­re la pro­duc­tion de la divi­si­on du sujet, |{19} c’est-à-dire à pro­pre­ment par­ler, ce que nous appe­lons l’ob­jet a.

Nen­nen wir sie [die Funk­ti­on des Fens­ters] mit dem Namen, der ihr zukommt, sie ist genau in die­ser geschlos­se­nen Struk­tur – in der­je­ni­gen, die es uns erlau­ben wür­de, all die ver­schie­de­nen Ebe­nen, die wir gera­de gezeich­net und wie­der­ge­ge­ben haben, mit­ein­an­der zu ver­kno­ten  –, in der Struk­tur der pro­jek­ti­ven Ebe­ne in ihrer rein topo­lo­gi­schen Form, näm­lich in der Hül­le der cross-cap, sie ist in die­ser Struk­tur die­ses Geloch­te, das es genau ermög­licht, dass sich hier das Ein­drin­gen voll­zieht, von dem dann die Her­stel­lung der Sub­jekt­spal­tung abhängt, also streng gesagt das, was wir das Objekt a nen­nen.Die an dieser Stelle vorausgesetzte Argumentation zum Blick als Objekt a lässt etwa so skizzieren:
(a) Im Schema der Perspektive wird der Blick als Objekt a durch das Fenster in der Betrachterebene repräsentiert.
(b) Die Betrachterebene ist, wie alle Ebenen des Perspektivenschemas, als projektive Ebene aufzufassen, d.h. als eine Ebene, auf der sich Parallelen in einem Punkt im Unendlichen schneiden, die also eine Fernlinie hat.
(c) Eine projektive Ebene ist äquaivalent mit einer Sphäre-mit-Kreuzhaube.
(d) Also ist das Fenster (und damit der Blick als Objekt a) auf der randlosen Kreuzhaube zu verorten.
(e) Auf der randlosen Kreuzhaube entspricht das Fenster (bzw. der Blick als Objekt a) dem als Loch aufgefasst Zentralpunkt, also dem Phallus, der Kastration.
(f) Das Loch in der Kreuzhaube (der Zentralpunkt, der Phallus) ermöglicht das Hereinbrechen des Objekts a, hier des Blicks als Objekt a. Dem Objekt a entspricht die Scheibe, die sich ergibt, wenn man die Kreuzhaube durch einen Schnitt in Form einer Innenacht zerteilt, der zwei Runden um die Durchdringungslinie und den Zentralpunkt dreht, um das Loch. Die Kreuzhaube zerfällt dann in zwei Bestandteile, ein Möbiusband und eine Scheibe.
(g) Die Beziehung zwischen dem Zentralpunkt (Phallus) und der Scheibe (Objekt a) weist darauf hin, dass das Objekt a die (illusorische) Funktion hat, die Kastration zu kompensieren.

Außerdem formuliert Lacan hier die These, dass die Deutung der projektiven Ebene als Kreuzhaube es ermöglich, die verschiedenen Ebenen des Perspektivenschemas miteinander zu "verknoten" (nouer), zu verbinden, zu verschlingen. Was ist damit gemeint?
Den Versuch einer Antwort findet man in dem folgenden Aufsatz:
Jean-Pierre Georgin und Erik Porge: Au-dessus de l’horizon il n’y a pas le ciel. In: Littoral. Revue de psychanalyse, Nr. 29, 1989, S. 137–155, im Internet hier.">32

 

C’est en tant que la fenêt­re, dans le rap­port du regard au mon­de vu, est tou­jours ce qui est éli­dé que nous pou­vons nous repré­sen­ter la fon­c­tion de l’ob­jet a : la fenêt­re, c’est à dire aus­si bien la fen­te des pau­piè­res, c’est à dire aus­si bien l’en­trée de la pupil­le, c’est à dire aus­si bien ce qui con­sti­tue cet objet le plus pri­mi­tif de tout ce qui est de la visi­on, la chambre noire.

Abb. 6: Das Loch der Came­ra obscura

Inso­fern in der Bezie­hung des Blicks zur gese­he­nen Welt das Fens­ter immer das ist, was eli­diert ist33, kön­nen wir uns die Funk­ti­on des Objekts a vor­stel­len: das Fens­ter, das heißt auch: die Lid­spal­te, das heißt auch: der Pupil­len­ein­gang34, das heißt auch: das, wodurch das ursprüng­lichs­te Objekt all des­sen gebil­det wird, wor­um es beim Sehen (visi­on) geht, die Came­ra obscu­ra (la chambre noi­re)35.

 

Or c’est ceci que j’en­tends aujour­d’hui vous illus­trer, vous illus­trer par une œuvre dont je vous ai dit qu’el­le avait été mise au pre­mier plan dans tel­le pro­duc­tion récen­te d’un inves­ti­ga­teur dont le type de recher­ches n’est cer­tai­ne­ment pas très éloi­g­né de celui dont ici, au nom de l’expé­ri­ence psy­ch­ana­ly­tique, je prends la char­ge, enco­re que n’ayant pas la même base ni la même inspi­ra­ti­on ; j’ai nom­mé Michel Fou­cault, et ce tableau de Veláz­quez qui s’appelle Les Méni­nes.

Nun, das ist das, was ich Ihnen heu­te ver­an­schau­li­chen möch­te, Ihnen durch ein Werk ver­an­schau­li­chen möch­te, von dem ich Ihnen gesagt habe, dass es in einem neue­ren Werk eines For­schers in den Vor­der­grund gerückt wor­den ist, des­sen Art der For­schung von der­je­ni­gen, die ich hier in Bezug auf die psy­cho­ana­ly­ti­sche Erfah­rung betrei­be, sicher­lich nicht sehr weit ent­fernt ist, auch wenn sie weder die­sel­be Grund­la­ge hat noch die­sel­be Inspi­ra­ti­on – ich mei­ne Michel Fou­cault und das Gemäl­de von Veláz­quez, das Las meni­nas heißt.36

 

Abb. 7: Veláz­quez, Las meni­nas, 1656
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

Ce tableau, je vais le fai­re maintenant…
fer­mez la fenêtre
…main­ten­ant pro­je­ter devant vous pour que nous y voy­ons d’u­ne façon sen­si­ble ce que per­met une lec­tu­re de quel­que cho­se, qui n’est nullement en quel­que sor­te fait pour répond­re à la struc­tu­re de ce tableau même, mais dont vous allez voir ce qu’il nous permet…

Die­ses Gemäl­de wer­de ich jetzt – schlie­ßen Sie das Fens­ter –, wer­de ich jetzt vor Sie pro­ji­zie­ren las­sen, sodass wir dar­in auf spür­ba­re Wei­se das sehen, was durch eine Lek­tü­re von etwas ermög­licht wird, das in kei­ner Wei­se dazu gemacht ist, um auf die Struk­tur die­ses Gemäl­des selbst zu ant­wor­ten, bei dem Sie aber sehen wer­den, was es uns ermöglicht.

 

Qu’est-ce qui se passe ?

Was ist los?

 

Il s’a­git là d’u­ne dia­po­si­ti­ve qui m’a été prêtée par le Lou­vre, |{20} que je n’ai pas pu expé­ri­men­ter avant et qui, vrai­ment, ne don­nera là que le plus fai­ble sup­port mais qui, pour ceux qui ont vu, soit quel­que pho­to­gra­phie de ce tableau dit des Méni­nes, soit sim­ple­ment qui s’en sou­vi­en­nent un peu, nous ser­vi­ra un peu de repère…

Es han­delt sich hier um ein Dia­po­si­tiv, das mir vom Lou­vre aus­ge­lie­hen wur­de, das ich vor­her nicht aus­pro­bie­ren konn­te, und das hier wirk­lich nur ganz schwa­che Anhalts­punk­te lie­fert, das uns jedoch, für die­je­ni­gen, die eine Pho­to­gra­phie des Gemäl­des gese­hen haben, das Las meni­nas heißt, oder die sich ein­fach ein wenig dar­an erin­nern –, das uns jedoch ein wenig als Bezug die­nen wird.

 

Vous n’a­vez pas un petit bâton­net, quel­que cho­se pour que je puis­se mon­trer les choses ?

Sie haben nicht einen Stab, etwas, damit ich die Sachen zei­gen kann?

 

Ce n’est pas beau­coup, mais enfin c’est mieux que rien.

Das ist nicht viel, aber schließ­lich ist das bes­ser als gar nichts.

 

Voi­là.… alors …peut-être pour­riez-vous… vous voyez quand même un peu, enfin, le minimum ?

Das wär’s, also, viel­leicht könn­ten Sie –; Sie sehen trotz­dem ein biss­chen, na ja, das Minimum?

 

Est-ce que, quand on est là-bas dans le fond, on voit quel­que chose ?

Wenn man ganz dahin­ten ist, sieht man da irgendwas?

 

Mlle X : Aus­si bien que devant. Mon­sieur Mil­ner a essayé.

Fräu­lein X: Genau­so wie vorn. Herr Mil­ner hat’s versucht.

 

Lacan : Remar­quez que ce n’est pas tel­lement défa­vorable, n’est ce pas.…

Lacan: Beach­ten Sie, dass das gar nicht so ungüns­tig ist, nicht wahr.

 

Ici, vous avez la figu­re du peintre.

Hier haben Sie die Figur des Malers.

 

Vous allez la sub­sti­tuer tout de suite pour que, tout de même, on voit qu’il est bien là…

Sie wer­den es sofort erset­zen37, damit man immer­hin sieht, dass er eben da ist.

 

Alors, met­tez au point.

Also stel­len Sie es scharf!

 

Made­moi­sel­le X : C’est tout, je ne peux pas davantage.

Fräu­lein X: Das ist alles, mehr kann ich nicht.

 

Lacan : Oui… Remet­tez la première.

Lacan: Gut. Neh­men Sie wie­der das erste.

 

Le peint­re est au milieu de ce qu’il peint.

Der Maler steht inmit­ten des­sen, was er malt.

 

Et ce qu’il peint vous le voyez répar­ti sur cet­te toi­le, d’u­ne façon sur laquel­le nous allons revenir.

Und was er malt, sehen Sie auf die­sem Gemäl­de in einer Wei­se auf­ge­teilt, auf die wir zurück­kom­men wer­den.38

 

Ici, ce trait que vous voyez est la limi­te, le bord exter­ne, tou­ché de lumiè­re – c’est pour ça qu’il émer­ge – de quel­que cho­se qui va de là, très exac­te­ment jus­qu’à un point |{21} qui se trouve ici.

Hier, die­ser Strich, den Sie sehen, ist die Gren­ze, der äuße­re Rand – es fällt Licht dar­auf, des­halb tritt er her­vor – von etwas, das von dort bis genau zu einem Punkt führt, der hier ist.39

 

Vous voyez pres­que tou­te la hauteur du tableau, et qui nous repré­sen­te, vous voyez ici un mon­tant de che­va­let, un tableau vu à l’envers.

Sie sehen fast die gesam­te Höhe des Gemäl­des, das uns – hier sehen Sie eine Stre­be der Staf­fe­lei – ein von hin­ten gese­he­nes Gemäl­de darstellt.

 

Il est sur cet­te toi­le, il œuvre ce tableau et ce tableau est retourné.

 

Er ist auf die­ser Lein­wand, er arbei­tet an die­sem Gemäl­de, und das Gemäl­de ist umgedreht.

 

Vous avez quoi à dire ?

Was haben Sie zu sagen?

 

Ceci est le plan essentiel d’où nous devons par­tir, et qu’à mon avis Michel Fou­cault, que je vous ai tous prié de lire, dans son très remar­quable tex­te, a éludé.

Das ist die wesent­li­che Ebe­ne, von der wir aus­ge­hen müs­sen, und wel­cher Michel Fou­cault, den ich Sie alle zu lesen gebe­ten habe, in sei­nem wirk­lich bemer­kens­wer­ten Text mei­nes Erach­tens aus­ge­wi­chen ist.40

 

C’est en effet le point autour de quoi il impor­te de fai­re tour­ner tou­te la valeur, tou­te la fon­c­tion de ce tableau.

Das ist tat­säch­lich der Punkt – es ist wich­tig, das zu zei­gen –, um den sich der gesam­te Wert, die gesam­te Funk­ti­on die­ses Gemäl­des dreht.

 

Je dirais que ce tableau est effec­ti­ve­ment une sor­te de car­te retour­née, et dont nous ne pou­vons pas ne pas tenir comp­te ; qu’il est com­me une car­te retour­née, qu’il prend sa valeur d’êt­re du modu­le et du modè­le des aut­res cartes.

Ich möch­te sagen, dass die­ses [umge­dreh­te] Gemäl­de tat­säch­lich eine Art ver­deck­te Kar­te ist und dass es aus­ge­schlos­sen ist, nicht zu berück­sich­ti­gen, dass es als ver­deck­te Kar­te den Wert bekommt, ein Modul und ein Modell der ande­ren Kar­ten zu sein.41

 

Cet­te car­te retour­née, elle est là vrai­ment fai­te pour vous fai­re abatt­re les vôtres.

Die­se ver­deck­te Kar­te ist hier tat­säch­lich dazu da, um Sie dazu zu brin­gen, Ihre eige­nen Kar­ten aufzudecken.

 

Car en effet, il y a eu – je ne pour­rais pas ne pas en fai­re men­ti­on – dis­cus­sion, débat, sur ce qu’il en est de ce que le peint­re, ici Veláz­quez est, là à une cer­taine distance du tableau, de ce tableau, en train de peindre.

Es hat ja tat­säch­lich – aus­ge­schlos­sen, das nicht zu erwäh­nen – eine Dis­kus­si­on, eine Debat­te da­rü­ber gege­ben, was es sein mag, das der Maler, hier Veláz­quez, hier dabei ist, in einem gewis­sen Abstand zum Bild, zu die­sem Bild, gera­de zu malen.

 

La façon dont vous répond­rez à cet­te ques­ti­on, dont vous abatt­rez vos car­tes, est en effet abso­lu­ment essen­ti­el­le à l’ef­fet de ce tableau.

Die Art und Wei­se, wie Sie auf die­se Fra­ge ant­wor­ten – wie Sie Ihre Kar­ten auf­de­cken –, ist für die Wir­kung die­ses Bil­des tat­säch­lich wesentlich.

 

Ceci impli­que cet­te dimen­si­on : que ce tableau sub­ju­gue ; |{22} depuis qu’il exis­te, il est la base, le fon­de­ment de tou­tes sor­tes de débats.

Dar­in ist die Dimen­si­on ent­hal­ten, dass die­ses Gemäl­de in sei­nen Bann schlägt; seit es exis­tiert, ist es die Basis, die Grund­la­ge von Dis­kus­sio­nen aller Art.

 

Cet­te sub­ju­ga­ti­on a le plus grand rap­port avec ce que j’ap­pel­le cet­te sub­ver­si­on, jus­tem­ent, du sujet, sur lequel j’ai insis­té dans tou­te la pre­miè­re par­tie de mon dis­cours aujour­d’hui, et c’est pré­cis­é­ment de s’y appuy­er qu’il prend sa valeur.

Die­ses In-Bann-Schla­gen steht in ganz enger Bezie­hung zu dem, was ich die Sub­ver­si­on des Sub­jekts nen­ne, auf der ich im gesam­ten ers­ten Teil mei­ner Rede heu­te insis­tiert habe42 ; und genau von daher, dass es sich dar­auf stützt, bekommt es sei­nen Wert.

 

En fait, le rap­port à l’œu­vre d’art est tou­jours mar­qué de cet­te subversion.

Das Ver­hält­nis zum Kunst­werk ist ja immer von die­ser Sub­ver­si­on gekennzeichnet.

 

Nous sem­blons avoir admis, avec le ter­me de sub­li­ma­ti­on, quel­que cho­se qui, en som­me, n’est rien d’autre.

Mit dem Ter­mi­nus der Sub­li­mie­rung schei­nen wir etwas akzep­tiert zu haben, was letzt­lich nichts ande­res ist.43

 

Abb. 8: Ent­wick­lung der Innenacht

Car si nous avons suf­fi­sam­ment appro­fon­di le méca­nis­me de la pul­si­on pour voir que ce qui s’y pas­se : c’est un aller et retour du sujet au sujet, à con­di­ti­on de sai­sir que ce retour n’est pas iden­tique à l’al­ler et que, pré­cis­é­ment, le sujet, con­for­mé­ment à la struc­tu­re de la ban­de de Mœbi­us, s’y bou­cle à lui-même après avoir accom­pli ce demi-tour qui fait que, par­ti de son end­roit, il revi­ent à se coud­re à son envers ; en d’au­t­res ter­mes, qu’il faut fai­re deux tours pul­si­on­nels pour que quel­que cho­se soit accom­pli qui nous per­met­te de sai­sir ce qu’il en est authen­ti­quement de la divi­si­on du sujet.

Denn wenn wir den Trieb­me­cha­nis­mus hin­rei­chend erkun­det haben44, sodass wir sehen, dass das, was hier geschieht, ein Hin und Zurück [weg] vom Sub­jekt [und zurück] zum Sub­jekt ist – vor­aus­ge­setzt, wir erfas­sen, dass das Zurück mit dem Hin nicht iden­tisch ist – und dass das Sub­jekt, ent­spre­chend der Struk­tur des Möbi­us­ban­des, hier genau auf sich selbst zurück­kommt, nach­dem es die hal­be Dre­hung voll­zo­gen hat, die dazu führt, dass das Sub­jekt, nach­dem es von sei­nem Ort aus­ge­gan­gen ist, dort­hin zurück­kehrt, um sich mit sei­ner Rück­sei­te zu ver­nä­hen, anders aus­ge­drückt, dass es zwei Triebum­dre­hun­gen voll­zie­hen muss, damit etwas erreicht wird, was es uns ermög­licht, zu erfas­sen, wor­um es bei der Sub­jekt­spal­tung denn nun wirk­lich geht [Abb. 8].45

 

C’est bien ce que va nous mon­trer ce tableau dont la valeur de cap­tu­re tient au fait qu’il n’est pas sim­ple­ment ce à quoi nous nous limi­tons tou­jours, pré­cis­é­ment par­ce que nous ne fai­sons qu’un |{23} tour. 

Das ist eben das, was die­ses Gemäl­de uns zei­gen wird, des­sen Fes­se­lungs-Wert dar­an hängt, dass es nicht ein­fach das ist, wor­auf wir uns immer beschrän­ken, des­halb näm­lich, weil wir immer nur eine Dre­hung voll­zie­hen.46

 

Et que, peut-être, en effet, pour la sor­te d’ar­tis­te à qui nous avons affai­re, c’est-à-dire ceux qui nous con­sul­tent, l’œu­vre d’art est à usa­ge inter­ne : elle lui sert à fai­re sa pro­pre boucle.

Und dass viel­leicht für den Typ des Künst­lers, mit dem wir es zu tun haben, also für die­je­ni­gen, die uns kon­sul­tie­ren, das Kunst­werk zur inter­nen Ver­wen­dung bestimmt ist, es dient ihm dazu, sei­ne eige­ne Schlei­fe zu voll­zie­hen.47

 

Mais quand il s’a­git d’un maît­re tel que celui pré­sent, il est clair que, au moins ce qui res­te de tou­te appré­hen­si­on avec cet­te œuvre est que celui qui la regar­de y est bouclé.

Aber wenn es um einen Meis­ter wie die­sen hier geht, ist klar, dass zumin­dest das, was von jeder Kon­fron­ta­ti­on mit die­sem Werk bleibt, dies ist, dass der­je­ni­ge, der es betrach­tet, in die Schlei­fe ein­ge­schlos­sen ist.

 

Il n’y a pas de spec­ta­teur, sim­ple­ment qui ne fas­se aut­re cho­se que de pas­ser devant à tou­te vites­se et rend­re ses devoirs au rite du musée, qui ne soit sai­si par la par­ti­cu­la­ri­té de cet­te com­po­si­ti­on dont tous s’ac­cor­dent à dire que quel­que cho­se se pas­se, en avant du tableau, qui en fait quel­que cho­se de tout à fait spé­ci­fi­que, à savoir – on s’ex­prime com­me on peut – que nous som­mes pris dans son espace.

Es gibt ein­fach kei­nen Betrach­ter, der nur ganz schnell wei­ter­geht und dem Muse­ums­ri­tu­al sei­ne Ehre erweist, kei­nen Besu­cher, der nicht erfasst wäre von der Beson­der­heit die­ser Kom­po­si­ti­on, über die alle über­ein­stim­mend sagen, dass vor dem Gemäl­de etwas geschieht, was dar­aus etwas ganz und gar Beson­de­res macht, näm­lich – man drückt sich aus wie man kann – dass wir in sei­nem Raum erfasst sind.48

 

Et on se cas­se la tête à cher­cher par quel­le astuce de con­s­truc­tion, et de con­s­truc­tion per­spec­ti­ve, ceci peut se produire.

Und man zer­bricht sich den Kopf, um her­aus­zu­fin­den, durch wel­che Raf­fi­nes­se der Kon­struk­ti­on und der Per­spek­tive­kon­struk­ti­on sich das her­stel­len kann.49

 

À par­tir de là on va plus loin, on spé­cu­le, sur ce qu’il en est de la fon­c­tion de chacun des per­son­na­ges et des grou­pes, et l’on ne voit pas que tout ceci fait une seu­le et même question.

Von da aus geht man wei­ter, man spe­ku­liert da­rü­ber, wel­che Funk­ti­on jede die­ser Per­so­nen und Grup­pen hat – und man sieht nicht, dass es dabei um ein und die­sel­be Fra­ge geht.

 

On pro­cè­de géné­ra­le­ment par cet­te voie qui est en effet la ques­ti­on qui va res­ter au cœur du pro­blè­me et qui est cel­le à laquel­le, à la fin, j’e­spè­re pou­voir don­ner la réponse.

Im All­ge­mei­nen bewegt man sich auf die­sem Weg, der tat­säch­lich die Fra­ge ist, die beim Kern des Pro­blems blei­ben wird und die auch die ist, auf die ich hof­fe, am Ende die Ant­wort geben zu können.

 

Qu’est-ce que le peint­re fait ?

Was tut der Maler?

 

Qu’est-ce qu’il peint ?

Was malt er?

 

{24} Ce qui impli­que – et c’est le plus sou­vent puis­qu’il s’a­git de cri­tique d’art – la for­me sous laquel­le se pose la ques­ti­on : Qu’a-t-il vou­lu fai­re ? puis­qu’en som­me, bien sûr, per­son­ne ne prend à pro­pre­ment par­ler au sérieux la ques­ti­on : Que fait-il ?

Das impli­ziert – und das ist das Häu­figs­te, da es um Kunst­kri­tik geht – die Form, in der die Fra­ge gestellt wird: „Was hat er tun wol­len?“, da natür­lich nie­mand letzt­lich die Fra­ge „Was tut er?“ wirk­lich ernst nimmt.

 

Le tableau est là, il est fini et nous ne nous deman­dons pas ce qu’il peint actu­el­le­ment, nous nous deman­dons : Qu’est-ce qu’il a vou­lu faire ?

Das Gemäl­de ist da, es ist fer­tig, und wir fra­gen uns nicht, was er gera­de malt, wir fra­gen uns: Was hat er tun wollen?

 

Ou plus exac­te­ment : Quel­le idée veut-il nous don­ner de ce qu’il est en train de peindre ?

Oder genau­er: Wel­che Idee will er uns von dem geben, was er gera­de malt?

 

Point où déjà se voit mar­qué évi­dem­ment un rap­port qui, pour nous, est bien reconnaissable :

Ein Punkt, an dem sich offen­kun­dig ein Ver­hält­nis zeigt, das für uns gut erkenn­bar ist:

 

Ce que nous dési­rons et dési­rons savoir, c’est à très pro­pre­ment par­ler quel­que cho­se qui est de l’ord­re de ce qu’on appel­le désir de l’Aut­re, puis­que nous disons : Qu’est-ce qu’il a vou­lu faire ?

Was wir begeh­ren und zu wis­sen begeh­ren, ist im stren­gen Sin­ne etwas, das zur Ord­nung des­sen gehört, was man Begeh­ren des Ande­ren nennt, denn wir sagen: Was hat er tun wollen?

 

C’est cer­tai­ne­ment la posi­ti­on erro­n­ée à prend­re car nous ne som­mes pas en posi­ti­on d’ana­ly­ser, je ne dirai pas la pein­ture, mais un tableau.

Und das heißt sicher­lich, die fal­sche Posi­ti­on ein­zu­neh­men, denn wir sind nicht in der Posi­ti­on, ich möch­te nicht sagen das Malen, son­dern ein gemal­tes Bild zu analysieren.

 

Il est cer­tain que ce qu’il a vou­lu fai­re, le peint­re, il l’a fait puis­que c’est là, devant nos yeux et que par con­sé­quent cet­te ques­ti­on, en quel­que sor­te s’an­nu­le elle-même d’êt­re en deçà du point où elle se pose, puis­que nous la posons au nom de ce qu’il a déjà fait.

Es ist sicher, dass er das, was er tun woll­te – er, der Maler –, dass er es getan hat, da es hier vor unse­ren Augen ist, und dass die Fra­ge sich folg­lich gewis­ser­ma­ßen selbst auf­hebt, da sie jen­seits des Punk­tes ist, an dem sie sich stellt, da wir sie ja auf das bezie­hen, was er bereits getan hat.50

 

En d’au­t­res ter­mes, dans le retour de bou­cle dont je par­lais tout à l’heure…
et c’est en ceci déjà que ce tableau nous |{25} intro­duit à la dialec­tique du sujet
…il y a déjà un tour de fait et nous n’a­vons qu’à fai­re l’aut­re, seu­le­ment pour ça, il ne faut pas man­quer le premier.

Anders aus­ge­drückt, bei der Wie­der­kehr der Schlei­fe, der dop­pel­ten Umdre­hung, von der ich eben gespro­chen habe – und damit führt uns die­ses Bild bereits in die Dia­lek­tik des Sub­jekts ein –, gibt es bereits eine fak­ti­sche Umdre­hung und wir müs­sen nur die ande­re voll­zie­hen, dafür darf man aller­dings die ers­te nicht verpassen.

 

Abb. 9: Las meni­nas, Aus­schnitt: Die Rück­sei­te des Bildes

La pré­sence du tableau qui occupe tou­te cet­te hauteur et qui, du fait même de cet­te hauteur, nous inci­te à y recon­naît­re le tableau lui-même, qui nous est pré­sen­té par la voie – je le note, en quel­que sor­te en mar­ge de not­re pro­grès – qui pas­se par une aut­re voie que cet­te dis­cus­sion pour ceux qui ont avan­cé cet­te thè­se que je me per­mets de con­sidé­rer com­me futile…
que c’est d’un aut­re tableau qu’il s’a­git – vous le ver­rez tout à l’heu­re, nous le dis­cute­rons de plus près –, à savoir le por­trait du roi et de la rei­ne que…
vous ne pou­vez pas le voir bien sûr, sur cet­te figu­re, bien sûr tout à fait insuf­fi­san­te que je vous ai apportée
…ici dans le fond et com­me vous le savez, j’e­spè­re dans l’en­sem­ble, est pré­sent dans un cad­re dont nous aurons à dis­cu­ter tout à l’heu­re de ce qu’il signi­fie mais dont cer­ta­ins pren­nent le témoignage com­me indi­quant que le roi et la rei­ne sont ici en avant du tableau et que c’est eux que le peint­re peint
…ceci est à mon avis réfutable.

Die Gegen­wart des Bil­des [im Bild], das die gesam­te Höhe ein­nimmt und das uns auf­grund die­ser Höhe ver­an­lasst, dar­in das Gemäl­de selbst zu erken­nen, das uns auf dem Wege dar­ge­stellt wird – ich hal­te das gleich­sam am Ran­de unse­res Vor­an­schrei­tens fest, das einen ande­ren Weg nimmt als die Dis­kus­si­on, an der die­je­ni­gen betei­ligt sind, die die The­se auf­ge­stellt haben (die ich mir gestat­te, für nich­tig zu erach­ten), dass es dabei um ein ande­res Bild geht (Sie wer­den es gleich sehen, wir wer­den das ein­ge­hen­der dis­ku­tie­ren), näm­lich um das Por­trät des Königs und der Köni­gin, das Sie natür­lich auf die­ser sicher­lich völ­lig unzu­rei­chen­den Abbil­dung, die ich Ihnen mit­ge­bracht habe, nicht sehen kön­nen, hier im Hin­ter­grund, und wel­ches, wie Sie ins­ge­samt, hof­fe ich, wis­sen, in einem Rah­men prä­sent ist, bei dem wir gleich dis­ku­tie­ren müs­sen, was er bedeu­tet, in dem aber eini­ge den Beleg dafür sehen, dass er dar­auf hin­weist, dass der König und die Köni­gin hier vor dem Bild ste­hen und dass sie es sind, die der Maler malt – das lässt sich mei­nes Erach­tens wider­le­gen.51

 

Je ne veux pour l’in­stant que remar­quer que c’est sur ce fond, que je vous dis que la tail­le de la toi­le est déjà un argu­ment qu’on peut appor­ter pour qu’il n’en soit pas ain­si et que cet­te toi­le repré­sen­tée soit exac­te­ment… |{26} repré­sen­te le tableau que nous avons là, en tant qu’il est une toi­le sup­port­ée sur une mon­ture de bois dont nous voy­ons là, ici, l’ar­ma­tu­re et qu’en d’au­t­res ter­mes, nous avons dans ce tableau la repré­sen­ta­ti­on de ce tableau com­me réalité.

Im Augen­blick möch­te ich nur anmer­ken, dass dies der Hin­ter­grund dafür ist, dass ich Ihnen sage, dass die Grö­ße der Lein­wand bereits ein Argu­ment ist, das sich dafür anbrin­gen lässt, dass dem nicht so ist und dass die abge­bil­de­te Lein­wand eben das Gemäl­de ist, eben das Gemäl­de reprä­sen­tiert, das wir hier [vor uns] haben, wobei die­se Lein­wand auf einem Holz­ge­stell auf­ruht, von dem wir dort und hier das Gerüst sehen, und dass wir, anders aus­ge­drückt, in die­sem Bild [im Bild] die Reprä­sen­ta­ti­on die­ses Gemäl­des qua Rea­li­tät haben.52

 

Je peux bien là pous­ser cet­te peti­te por­te, qui fait qu’u­ne fois de plus nous y trou­vons le recou­pe­ment de ma for­mu­le qui fait là, de l’ob­jet pic­tu­ral, un Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz.

Ich kann hier ja die­se klei­ne Tür auf­sto­ßen, die dahin führt, dass wir hier ein wei­te­res Mal die Über­ein­stim­mung mit mei­ner For­mel fin­den, die hier aus dem pik­tu­ra­len Gegen­stand eine Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz* macht.53

 

Non pas du tout que je dise que le tableau est repré­sen­ta­ti­on dont la mon­ture, le sup­port, serait le représentant.

Damit sage ich kei­nes­wegs, das Bild [auf der für uns unsicht­ba­ren Vor­der­sei­te des Bil­des im Bild] wäre Vorstellung/​Darstellung/​Repräsentation (repré­sen­ta­ti­on) und das [für uns sicht­ba­re] Gestell, die Stüt­ze, wäre davon die Repräsentanz.

 

S’il fon­c­tion­ne ici pour nous fai­re aper­ce­voir ce qu’il y a là de véri­té, c’est en ceci qu’à nous mett­re dans le tableau ce qui, cho­se curieu­se, est là fait pour la pre­miè­re fois – car il y a déjà eu des cho­ses tel­les que les miro­irs dans le tableau, même de nombreux à cet­te épo­que, mais le tableau dans le tableau, ce qui n’est pas la scè­ne dans la scè­ne, pas du tout.

Wenn es hier so funk­tio­niert, dass es uns wahr­neh­men lässt, was es hier an Wahr­heit gibt, dann inso­fern, als es uns etwas ins Bild setzt, das hier merk­wür­di­ger­wei­se zum ers­ten Mal gemacht wird – denn es hat in einem Bild zwar bereits sol­che Din­ge wie Spie­gel gege­ben, damals sogar häu­fig, aber das Bild im Bild, das ist nicht das Thea­ter im Thea­ter, über­haupt nicht.54

 

Abb. 10: René Magrit­te, La con­di­ti­on humaine, 1933
Öl auf Lein­wand, 100 x 81 cm
Natio­nal Gal­lery of Art, Washing­ton, D.C.
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

C’est quel­que cho­se qui a été fait là, sem­ble-t-il, pour la pre­miè­re fois et guè­re refait depuis, sauf au niveau du point où je vous l’ai repé­ré, à savoir dans Magritte.

Das ist etwas, das hier offen­bar zum ers­ten Mal gemacht wor­den ist und seit­her kaum wie­der gemacht wur­de, außer an dem Punkt, auf den ich Sie hin­ge­wie­sen habe, näm­lich bei Magrit­te.55

 

Repré­sen­ta­ti­on, c’est bien en effet ce qu’est cet­te figu­re de la réa­li­té du tableau, mais elle est là pour bien nous mon­trer que, au niveau de réa­li­té et de repré­sen­ta­ti­on, |{27} ce qui est là tra­cé dans le tableau et le tableau mutu­el­le­ment se saturent.

Die­se Abbil­dung der Rea­li­tät des Gemäl­des [in Las meni­nas] ist ja tat­säch­lich Repräsentation/​Darstellung/​Vorstellung, aber sie ist da, um uns klar zu zei­gen, dass auf der Ebe­ne von Rea­li­tät und Reprä­sen­ta­ti­on das, was in das Gemäl­de ein­ge­tra­gen ist, und das Gemäl­de sich gegen­sei­tig sättigen.

 

Et que c’est là en quoi il nous est poin­té que jus­tem­ent ce qui con­sti­tue le tableau dans son essence n’est pas repré­sen­ta­ti­on, car quel est l’ef­fet de ce tableau dans le tableau ? Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz.

Und dass uns dar­in gezeigt wird, dass das, wodurch das Gemäl­de wesent­lich kon­sti­tu­iert wird, gera­de nicht Reprä­sen­ta­ti­on ist. Denn was ist die Wir­kung die­ses Bil­des im Bild? Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz*, Reprä­sen­tanz der Reprä­sen­ta­ti­on.56

 

C’est très pré­cis­é­ment que tout ces per­son­na­ges, que vous voyez…
jus­tem­ent en tant qu’ils ne sont pas du tout des repré­sen­ta­ti­ons mais qu’ils sont en représentation
…que tous ces personnages…
quels qu’ils soi­ent, dans leurs sta­tuts, tels qu’ils sont là effec­ti­ve­ment dans la réa­li­té, quoi­que mor­ts depuis long­temps, mais qu’ils y sont toujours
…sont des per­son­na­ges qui se sou­ti­en­nent en repré­sen­ta­ti­on et avec une con­vic­tion entiè­re, ce qui veut dire pré­cis­é­ment que, de ce qu’ils repré­sen­tent, aucun d’ent­re eux ne se repré­sen­te rien.

Das ist eben dies, dass all die­se Per­so­nen, die Sie genau inso­fern sehen, als sie kei­nes­wegs Repräsentationen/​Vorstellungen sind, son­dern als sie eine Vor­stel­lung geben (ils sont en repré­sen­ta­ti­on), dass all die­se Per­so­nen, wel­che auch immer, in ihren Sta­tus, so wie sie in der Rea­li­tät effek­tiv da sind, wenn auch seit lan­gem tot, dass sie aber immer da sind, dass sie Per­so­nen sind, die sich dar­auf stüt­zen, eine Vor­stel­lung zu geben, und das mit vol­ler Über­zeu­gung, was eben heißt, dass kei­ne von ihnen von dem, was sie vor­stellt, irgend­ei­ne Vor­stel­lung hat.57

 

Et c’est cela l’ef­fet de ce quel­que cho­se qui, intro­duit dans l’e­space du tableau, les noue, les cris­tal­li­se, dans cet­te posi­ti­on d’êt­re des per­son­na­ges en repré­sen­ta­ti­on, des per­son­na­ges de cour.

Und das ist die Wir­kung von die­sem Etwas, das, in den Raum des Bil­des ein­ge­führt, sie mit­ein­an­der ver­knüpft und sie in der Posi­ti­on kris­tal­li­siert, Per­so­nen zu sein, die eine Vor­stel­lung geben, Per­so­nen des Hofes.

 

À par­tir de là, que Veláz­quez le peint­re ail­le se mett­re au milieu d’eux, prend tout son sens.

Von da aus erhält die Tat­sa­che, dass Veláz­quez der Maler sich mit­ten unter ihnen auf­stellt, ihre gan­ze Bedeutung.

 

Mais bien enten­du, il va beau­coup plus loin que cet­te simp­le tou­che, si l’en peut dire, de rela­ti­vis­me social ; la struc­tu­re du tableau per­met d’al­ler bien au-delà.

Aber das geht natür­lich sehr viel wei­ter als die­ser ein­fa­che Anstrich von sozia­lem Rela­ti­vis­mus, wenn man so sagen kann; die Struk­tur des Bil­des ermög­licht es, weit da­rü­ber hinauszugehen.

 

À la véri­té, pour aller au-delà, il aurait fal­lu par­tir |{28} d’u­ne ques­ti­on… non pas d’u­ne ques­ti­on, mais d’un tout aut­re mou­ve­ment que ce mou­ve­ment de la ques­ti­on dont je vous ai dit qu’el­le s’an­nu­lait du seul fait de la pré­sence de l’œu­vre elle-même, mais par­tir de ce qu’im­po­se l’œu­vre tel­le que nous la voy­ons là, à savoir que la même bou­che d’en­fan­ce qui nous est sug­gé­rée par le per­son­na­ge cen­tral, par cet­te peti­te infante…
qui est la secon­de fil­le du cou­ple roy­al : Feli­pe IV et Doña Ma­ri­a­na d’Autriche
…la peti­te doña Mar­ga­ri­ta, je peux dire cin­quan­te fois pein­te par Veláz­quez, que nous nous lais­si­ons gui­der par ce per­son­na­ge qui vient en quel­que sor­te à not­re devant dans cet espace qui est pour nous le point d’in­ter­ro­ga­ti­on – et pour tous ceux qui ont vu ce tableau, qui ont par­lé de ce tableau, qui ont écrit de ce tableau.

Um da­rü­ber hin­aus­zu­ge­hen, hät­te man aller­dings von einer Fra­ge aus­ge­hen müs­sen, nicht von einer Fra­ge, son­dern von einer ganz ande­ren Bewe­gung als der Bewe­gung die­ser Fra­ge, über die ich Ihnen gesagt habe, dass sie sich allein schon durch die Gegen­wart des Wer­kes selbst annul­liert, son­dern aus­ge­hend von dem, was durch das Werk, wie wir es da sehen, auf­ge­nö­tigt wird, näm­lich dass der­sel­be Kind­heits­mund, der uns durch die zen­tra­le Per­son nahe­ge­bracht wird, durch die­se klei­ne Infan­tin, die die zwei­te Toch­ter des Königs­paa­res ist, von Feli­pe IV. und Doña Ma­ri­a­na von Öster­reich, die klei­ne Doña Mar­ga­ri­ta, die, so kann ich sagen, von Veláz­quez fünf­zig Mal gemalt wor­den ist, dass wir uns von die­ser Per­son füh­ren las­sen, die sich in die­sem Raum gewis­ser­ma­ßen vor uns hin­stellt, die das Fra­ge­zei­chen ist, für uns und für all die­je­ni­gen, die die­ses Bild gese­hen haben, die über die­ses Bild gespro­chen haben, die über die­ses Bild geschrie­ben haben.

 

Le point d’in­ter­ro­ga­ti­on qu’il nous pose ce sont, pous­sés par sa bou­che, les cris dirais-je, dont il con­vi­ent de par­tir pour pou­voir fai­re ce que j’ap­pel­ler­ai le second tour de ce tableau…
et c’est celui, me sem­ble-t-il qui est man­qué dans l’ana­ly­se de l’œu­vre dont je par­lais tout à l’heure
…« Fais voir ! » ce qu’il y a der­riè­re la toi­le tel­le que nous la voy­ons à l’envers.

Das Fra­ge­zei­chen, vor das sie uns stellt, das sind die Schreie, die von ihrem Mund aus­ge­sto­ßen wer­den, möch­te ich sagen, und von denen man aus­ge­hen soll­te, um das voll­zie­hen zu kön­nen, was ich die zwei­te Run­de des Bil­des nen­nen möch­te, und das ist etwas, scheint mir, das in der Ana­ly­se des Wer­kes, von dem ich vor­hin gespro­chen habe, ver­säumt wird – „Lass sehen!“, das, was hin­ter der Lein­wand ist, wie wir sie von der Rück­sei­te aus sehen.58

 

C’est un « fais voir » qu’il appel­le et que nous som­mes plus ou moins prêts à prononcer.

Es ist ein „Lass sehen!“, das es aus­ruft und das wir mehr oder weni­ger bereit sind aus­zu­spre­chen.59

 

Or, de ce seul « fais voir » peut sur­gir ce qui, en effet, à par­tir de là s’im­po­se c’est-à-dire ce que nous voy­ons, |{29} à savoir ces per­son­na­ges tels que j’ai pu les qua­li­fier pour être essen­ti­el­le­ment des per­son­na­ges en représentation.

Nun, allein schon von die­sem „lass sehen“ her kann das auf­tau­chen, was sich von da aus tat­säch­lich auf­drängt, näm­lich das, was wir sehen, also die­se Per­so­nen in der Art, wie ich sie habe cha­rak­te­ri­sie­ren kön­nen, als Per­so­nen, die wesent­lich eine Vor­stel­lung geben.

 

Mais nous ne voy­ons pas que cela.

Aber wir sehen nicht nur das.

 

Nous voy­ons la struc­tu­re du tableau, son mon­ta­ge perspectif.

Wir sehen die Struk­tur des Bil­des, sei­ne per­spek­ti­vi­sche Montage.

 

C’est ici qu’assu­ré­ment je peux reg­ret­ter que nous n’ayons pas ici un sup­port qui soit suf­fi­sant pour vous démon­trer ces traits dans leur rigueur.

Hier kann ich sicher­lich nur bedau­ern, dass wir hier kei­ne Stüt­ze haben, die hin­rei­chend wäre, um Ihnen die­se Merk­ma­le in ihrer Stren­ge zu demons­trie­ren.60

 

Abb. 11: Las meni­nas, Aus­schnitt: Der Mann in der Tür

Ici, le per­son­na­ge que vous voyez s’en­cad­rer dans une por­te au fond de lumiè­re, est le point très pré­cis où con­cou­rent les lignes de la perspective.

Hier, die Per­son, die Sie sehen, wie sie im Hin­ter­grund von einer Tür aus Licht ein­ge­rahmt wird, ist genau der Punkt, in dem die Lini­en der Per­spek­ti­ve zusammenlaufen.

 

C’est en un point à peu près situé, selon les lignes qu’on trace ent­re la figu­re de ce per­son­na­ge – car il y a de légè­res fluc­tua­tions du recou­pe­ment qui se pro­dui­sent – et son cou­de, que se situe le point de fuite.

An einem Punkt, der unge­fähr auf den Lini­en ver­or­tet ist, die man zwi­schen dem Gesicht die­ser Per­son – denn es stel­len sich leich­te Schwan­kun­gen der Über­schnei­dung her – und ihrem Ell­bo­gen zieht, hier hat der Flucht­punkt sei­nen Platz.

 

Et ce n’est pas hasard si par ce point de fuite, c’est pré­cis­é­ment ce per­son­na­ge et un per­son­na­ge qui sort.

Und es ist kein Zufall, wenn durch den Flucht­punkt eben die­se Per­son hin­aus­geht und dass sie hin­aus­geht.61

 

Ce per­son­na­ge n’est pas n’im­por­te lequel : il s’ap­pel­le aus­si Veláz­quez : Nieto au lieu de s’ap­pe­l­er Die­go Rodríguez.

Die­se Per­son ist nicht irgend­je­mand, sie heißt eben­falls Veláz­quez, Nieto statt Die­go Rodríguez.

 

Ce Nieto est celui qui a eu quel­ques voix au vote qui a fait accé­der Veláz­quez à la posi­ti­on d’apo­sen­ta­dor du roi, c’est-à-dire quel­que cho­se com­me cham­bel­lan ou grand maréchal.

Die­ser Nieto ist jemand, der etwas zu sagen hat­te bei der Ent­schei­dung, durch die Veláz­quez die Posi­ti­on eines apo­sen­ta­dor des Königs erhielt, das heißt so etwas wie ein Kam­mer­herr oder ein Großmarschall.

 

C’est une sor­te, en som­me, de per­son­na­ge qui le redou­ble, et ce per­son­na­ge ici se dési­gne à nous de ce fait…
par­ce que ce que nous ne voy­ons pas, et nous disons « fais voir »
…:.non seu­le­ment, lui, le voit, de là où il est, mais qu’il l’a, si je puis dire, trop vu : |{30} il s’en va.

Kurz, das ist eine Art Per­son, die ihn ver­dop­pelt, und die­se Per­son wird uns hier dadurch ange­zeigt, dass sie das, was wir nicht sehen und wozu wir sagen „lass sehen“, dass sie das von dort aus, wo sie ist, nicht nur sieht, son­dern dass sie, wenn ich so sagen kann, zu viel davon gese­hen hat – sie geht davon.62

 

Est-ce qu’il y a meil­leur moy­en de dési­gner cet­te poin­te, quant à ce qui s’é­panouit quant au sujet de la fon­c­tion de l’œil, que ceci qui s’ex­prime par un « vu » en quel­que sor­te, définitif ?

Gibt es ein bes­se­res Mit­tel, um die­se Spit­ze zu bezeich­nen, bezo­gen auf das, was sich ent­fal­tet, bezo­gen auf das The­ma der Funk­ti­on des Auges, ein bes­se­res Mit­tel als das, was durch ein „gese­hen“ aus­ge­drückt wird, das in gewis­ser Wei­se defi­ni­tiv ist?63

 

Abb. 12: Las meni­nas, Aus­schnitt: Der Maler

Dès lors, la pré­sence de Veláz­quez lui-même dans cet­te posi­ti­on où vous l’a­vez vu tout à l’heu­re – et la secon­de pho­to n’é­tant pas meil­leu­re que la pre­miè­re, vous n’a­vez pas pu voir ce que vous pour­rez voir sur de meil­leu­res repro­duc­tions et ce dont témoi­g­ne­ront mil­le auteurs qui en ont par­lé, à savoir que ce per­son­na­ge qui regar­de – on le souli­gne – vers nous spec­ta­teurs – dieu sait si on a pu spé­cu­ler sur cet­te ori­en­ta­ti­on du regard –, ce per­son­na­ge a pré­cis­é­ment le regard le moins tour­né vers l’ex­té­ri­eur qui soit.

Von daher ist die Anwe­sen­heit von Veláz­quez selbst, in der Posi­ti­on, in der Sie ihn eben gese­hen haben --; und da das zwei­te Foto nicht bes­ser war als das ers­te, haben Sie etwas nicht sehen kön­nen, was Sie auf bes­se­ren Repro­duk­tio­nen sehen könn­ten und was von tau­send Autoren, die da­rü­ber gespro­chen haben, bezeugt wird, näm­lich dass die­se Per­son, die, wie her­vor­ge­ho­ben wird, in Rich­tung auf uns Betrach­ter blickt – Gott weiß, wie sehr man über die Aus­rich­tung die­ses Blicks hat spe­ku­lie­ren kön­nen –, dass die­se Per­son den Blick so wenig nach außen gerich­tet hat wie nur mög­lich.64

 

Ceci n’est pas une ana­ly­se qui me soit per­son­nel­le, maints auteurs, la gran­de majo­ri­té, l’ont remarqué.

Das ist kei­nes­wegs eine Ana­ly­se, die nur ich vor­brin­ge, meh­re­re Autoren – die gro­ße Mehr­heit – haben das festgestellt.

 

L’as­pect, en quel­que sor­te rêveur, absent, tour­né vers quel­que diseg­no inter­no[172], com­me s’ex­pri­ment les gongoristes…
je veux dire tou­te la thé­o­rie du style baro­que, manié­ris­te, con­cep­tis­te, tout ce que vous voud­rez, et dont Gon­go­ra est l’exemp­le, est la fleur ; diseg­no inter­no, ce quel­que cho­se à quoi se réfè­re le dis­cours manié­ris­te et qui est pro­pre­ment ce que j’ap­pel­le que, dans ce dis­cours, il n’y a pas de méta­pho­re ; que la méta­pho­re y ent­re com­me une com­po­san­te réelle
…cet­te pré­sence de Veláz­quez dans |{31} sa toi­le, sa figu­re portant en quel­que sor­te le signe et le sup­port qu’il y est, là, à la fois com­me la com­po­sant et com­me élé­ment d’el­le, c’est là le point struc­tu­ral, repré­sen­té, par où il nous est dési­gné, ce qu’il peut en être, par quel­le voie peut se fai­re qu’­ap­pa­raisse dans la toi­le même, celui qui la sup­porte en tant que sujet regardant.

Das gewis­ser­ma­ßen träu­me­ri­sche, abwe­sen­de Aus­se­hen, auf einen diseg­no inter­no [inne­ren Ent­wurf] gerich­tet, wie die Gon­go­ris­ten sich aus­drü­cken, ich mei­ne die gesam­te Theo­rie des baro­cken, manie­ris­ti­schen, kon­zep­tis­ti­schen oder was auch immer Stils, wofür Gón­go­ra das Bei­spiel und die Blü­te ist – diseg­no inter­no, das, wor­auf sich der manie­ris­ti­sche Dis­kurs bezieht65 und was eigent­lich etwas ist, was ich so nen­ne, dass es in die­sem Dis­kurs kei­ne Meta­pher gibt, dass die Meta­pher hier als rea­ler Bestand­teil hin­ein­kommt; die­se Anwe­sen­heit von Veláz­quez auf sei­ner Lein­wand, bei der sein Gesicht gewis­ser­ma­ßen das Zei­chen und die Stüt­ze dafür trägt, dass er zugleich als sie kom­po­nie­rend und als ihr Ele­ment da ist, das ist hier der dar­ge­stell­te struk­tu­rel­le Punkt, durch den uns bezeich­net wird, was es damit auf sich haben kann, auf wel­chem Wege es dazu kom­men kann, dass der­je­ni­ge auf der Lein­wand selbst erscheint, der sie als bli­cken­des Sub­jekt stützt.66

Abb. 13: 1: Infan­ta Mar­ga­ri­ta; 2: Isa­bel de Velas­co; 3: María Agus­ti­na Sar­mi­en­to de Soto­ma­yor; 4: Mari Bár­bo­la; 5: Nico­las Per­tus­a­to; 6: Mar­ce­la de Ulloa; 7: Guard­ada­mas; 8: José Nieto; 9: Die­go Veláz­quez; 10: Phil­ipp IV. von Spa­ni­en; 11: Maria Anna von Österreich

 

Eh bien, il est quel­que cho­se de tout à fait frap­pant et dont la valeur ne peut, à mon avis, être repé­rée que de ce que je vous ai intro­duit dans cet­te struc­tu­re topologique.

Nun ja, das ist etwas wirk­lich Ver­blüf­fen­des, des­sen Wert mei­nes Erach­tens nur von dem her bestimmt wer­den kann, wor­in ich Sie mit die­ser topo­lo­gi­schen Struk­tur ein­ge­führt habe.

 

Deux traits sont à mett­re en valeur. 

Zwei Merk­ma­le sind hervorzuheben.

 

Ce que ce regard regar­de et dont chacun vous dit : « c’est nous, nous les spectateurs ». 

[Ers­tens:] Das, was die­ser Blick erblickt und wor­über jeder Ihnen sagt, „das sind wir, wir die Betrach­ter“.67

 

Pour­quoi nous en cro­i­re tant ?

War­um so sehr glau­ben, dass wir es sind?

 

Sans dou­te il nous appel­le à quel­que cho­se, puis­que nous répon­dons ain­si que je vous l’ai dit. 

Sicher­lich ruft er uns zu etwas auf, denn wir ant­wor­ten so, wie ich Ihnen gesagt habe.68

 

Mais ce que ce regard impli­que, com­me aus­si bien la pré­sence du tableau retour­né dans le tableau, com­me aus­si bien cet espace qui frap­pe tous ceux qui regar­dent le tableau com­me étant en quel­que sor­te uni­que et sin­gu­lier, c’est que ce tableau s’é­tend jus­qu’aux dimen­si­ons de ce que j’ai appelé la fenêt­re et la dési­gne com­me telle.

Was aber die­ser Blick mit sich führt, wie auch die Anwe­sen­heit des umge­dreh­ten Bil­des im Bild, wie auch die­ser Raum – der alle, die das Bild betrach­ten, in gewis­ser Wei­se als etwas Ein­zig­ar­ti­ges und Ein­ma­li­ges ver­blüfft –, das ist, dass sich das Bild bis in die Dimen­sio­nen des­sen hin­ein erstreckt, was ich das Fens­ter genannt habe, und dass es das Fens­ter als sol­ches bezeichnet.

 

Ce fait que, dans un coin du tableau, par le tableau lui-même, en quel­que sor­te retour­né sur lui-même pour y être repré­sen­té, soit créé cet espace en avant du tableau où nous som­mes pro­pre­ment dési­gnés com­me l’ha­bi­tant com­me tel, cet­te |{32} pré­sen­ti­fi­ca­ti­on de la fenêt­re dans le regard de celui qui ne s’est pas mis par hasard ni n’im­por­te com­ment à la place qu’il occupe, Veláz­quez, c’est là le point de cap­tu­re et l’ac­tion qu’e­xer­ce sur nous, spé­ci­fi­que, ce tableau.

Die Tat­sa­che, dass auf einer Sei­te des Bil­des durch das Bild selbst – das hier so dar­ge­stellt wird, dass es gewis­ser­ma­ßen in sich umge­stülpt ist – der Raum vor dem Bild erzeugt wird, in wel­chem wir eigent­lich als die­je­ni­gen bezeich­net wer­den, die ihn als sol­chen bewoh­nen69, und die Ver­ge­gen­wär­ti­gung des Fens­ters im Blick des­je­ni­gen, der sich nicht zufäl­lig und nicht in belie­bi­ger Wei­se an den Platz gestellt hat, den er ein­nimmt70 – das ist hier der Punkt der Fes­se­lung und die spe­zi­el­le Akti­on, die die­ses Bild an uns vollzieht.

 

À cela, il y a un recou­pe­ment dans le tableau. 

[Zwei­tens:] Hier­zu gibt es im Gemäl­de eine Überschneidung.

 

Je ne peux que reg­ret­ter une fois de plus de devoir vous ren­voy­er à des images, en géné­ral, d’ail­leurs je dois dire, dans de nombreux volu­mes, tou­jours assez mau­vai­ses : ou trop som­bres ou trop claires
… ce tableau n’est pas faci­le à reproduire. 

Ich kann nur ein wei­te­res Mal bedau­ern, dass ich Sie auf Bil­der ver­wei­sen muss, die übri­gens im all­ge­mei­nen, so muss ich sagen, in vie­len Bän­den immer ziem­lich schlecht sind, ent­we­der zu dun­kel oder zu hell; die­ses Gemäl­de ist nicht leicht zu reproduzieren.

 

Mais il est clair que la distance du peint­re au tableau, dans le tableau où il est repré­sen­té, est très suf­fi­sam­ment accen­tuée pour nous mon­trer qu’il n’est jus­tem­ent pas à por­tée de l’att­eind­re et que là, il y a une intention.

Es ist jedoch klar, dass der Abstand des Malers vom Gemäl­de – in dem Gemäl­de, in dem er abge­bil­det ist – hin­rei­chend betont ist, um uns zu zei­gen, dass es für ihn nicht in Reich­wei­te ist und dass dar­in eine Absicht liegt.71

 

À savoir que cet­te par­tie du grou­pe, ce qu’on a appelé ici Las meni­nas, Les Méni­nes, à savoir doña Mar­ga­ri­ta avec doña María Agus­ti­na de Sar­mi­en­to qui est à genoux devant elle sont en avant du peint­re alors que les aut­res, enco­re qu’a­yant l’air d’êt­re sur un plan ana­lo­gue, devant, sont plu­tôt en arriè­re, et que cet­te ques­ti­on de ce qu’il y a, de cet espace ent­re le peint­re et le tableau, est non seu­le­ment là ce qui nous est pré­sen­té mais qui se pré­sen­ti­fie à nous par cet­te trace qu’il suf­fit de dési­gner pour recon­naît­re qu’i­ci, une ligne de tra­ver­sée mar­que quel­que cho­se qui n’est pas sim­ple­ment divi­si­on lumi­neus e, |{33} grou­pe­ment de la toi­le, mais véri­ta­blem­ent sil­la­ge du pas­sa­ge de cet­te pré­sence fan­tas­ma­tique du peint­re en tant qu’il regarde.

Näm­lich dass die­ser Teil der Grup­pe – was man hier Las meni­nas genannt hat, Die Hof­fräu­lein –, näm­lich Doña Mar­ga­ri­ta mit Doña María Agus­ti­na de Sar­mi­en­to, die vor ihr kniet, vor dem Maler steht, wäh­rend die ande­ren, auch wenn es so aus­sieht, als sei­en sie auf einer ent­spre­chen­den Ebe­ne davor, viel­mehr dahin­ter sind, und dass die Fra­ge, was es zwi­schen dem Maler und dem Bild an Raum gibt, hier nicht das ist, was uns prä­sen­tiert (pré­sen­té) wird, son­dern das, was uns durch die­se Spur ver­ge­gen­wär­tigt (pré­sen­ti­fie) wird, bei der es genügt, sie zu bezeich­nen, damit erkannt wird, dass hier eine Quer­li­nie etwas mar­kiert, was nicht ein­fach Auf­tei­lung des Lichts ist, Glie­de­rung des Gemäl­des, son­dern wirk­lich Kiel­was­ser des Vor­über­ge­hens der phan­tas­ma­ti­schen Prä­senz des Malers, inso­fern er blickt.V = Velázquez der Maler; S = María Agustina Sarmiento de Sotomayor; M = Infanta Margarita; I = Isabel de Velasco; U = Marcela de Ulloa; G = Guardadamos; B = Mari Bárbola; H = Hund; N = Nicolas Pertusato

(Zeichnung aus: John F. Moffitt: Velázquez in the Alcazar Palace in 1656: The Meaning of the Mise-en-scène of Las meninas. In: Art history, 6. Jg. (1983), Nr. 3, S. 272–300, hier: S. 283 (Ausschnitt). Die Beschriftungen habe ich geändert.)

Welche Querlinie ist gemeint? Möglicherweise die Kompositionslinie, die man vom Kopf des Malers zur unteren rechten Bild-Ecke ziehen kann: Vielleicht aber auch die Linie, die man auf dem Boden ziehen könnte und die die den Abstand des Malers vom Bild mit dem Abstand zwischen den beiden Gruppen verbindet. Oder beides zusammen, die Kompositionslinie und der inszenierte Abstand.

Foucault betont ebenfalls eine Zweiteilung der Gruppe, bezieht sich dabei jedoch auf eine andere Gliederung:

"Schließlich gibt es zwei Gruppen, aus jeweils zwei Personen: die eine ist etwas zurückgezogen [Marcela de Ulloa und der Wächter], die andere besteht aus Zwergen und befindet sich ganz im Vordergrund. (...) Durch ihre Stellung und ihre Größe entsprechen die beiden Gruppen einander und bilden eine Dublette. Weiter hinten die Höflinge (die Frau links schaut nach rechts), weiter vorne die Zwerge (der Knabe, der sich ganz außen rechts befindet, betrachtet das Bildinnere)." (A.a.O., S. 41)">72

 

Si je vous dis que c’est quel­que part au niveau de la recou­pée de la ligne fon­da­men­ta­le avec le sol per­spec­tif et en un point à l’in­fi­ni que va le sujet regard, c’est bien éga­le­ment de ce point que Veláz­quez a fait, sous cet­te for­me fan­to­ma­le qui spé­ci­fie, cet auto-por­trait par­mi tous les aut­res, un des traits qui se distin­gue assu­ré­ment du style du peintre.

Wenn ich Ihnen sage, das Blick­sub­jekt kommt irgend­wo auf die Ebe­ne der Über­schnei­dung der Grund­li­nie mit dem Boden der Per­spek­ti­ve, näm­lich an einem Punkt im Unend­li­chen73, so ist es auch die­ser Punkt, aus dem Veláz­quez – in der gespens­ti­schen Form, die die­ses Selbst­por­trät, im Ver­gleich zu allen ande­ren Por­träts, aus­zeich­net –, aus dem Veláz­quez eines der Merk­ma­le gemacht hat, das sich vom Stil des Malers sicher­lich unter­schei­det.74

 

Il vous dirait lui-même : « Croyez-vous qu’un auto­por­trait, c’est de cet­te gout­te là, de cet­te hui­le-là, de ce pin­ceau-là, que je le peindrais ? ».

Er selbst wür­de Ihnen sagen: „Glau­ben Sie etwa, mit die­sem Trop­fen da, mit die­sem Öl, mit die­sem Pin­sel wür­de ich ein Selbst­por­trät malen??“75

 

Abb. 14: Die­go Veláz­quez, Innon­zenz X., ca. 1650
Öl auf Lein­wand, 140 x 120 cm, Gal­le­ria Doria Pam­philj, Rom
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

Vous n’avez qu’à vous repor­ter au por­trait d’In­non­cent X qui est à la Gale­rie Pam­philj, pour voir que le style n’est pas tout à fait le même.

Sie müs­sen sich nur auf das Por­trät von Inno­zenz X. bezie­hen, das in der Pam­phi­lij-Gale­rie hängt, um zu sehen, dass der Stil [dort] kei­nes­wegs der­sel­be ist [Abb. 14].

 

Ce fan­tô­me du sujet regar­dant et ren­tré par cet­te trace qui est enco­re là sen­si­ble et dont je puis dire que tous les per­son­na­ges portent la vibration …

Die­ses Gespenst des Sub­jekts, das blickt und das durch die­se Spur wie­der­ge­kehrt ist76, die hier noch spür­bar ist und von der ich sagen kann, dass sie in allen Per­so­nen mit­schwingt --.77

 

Car dans ce tableau – où c’est devenu un cli­ché, un lieu commun…
et je l’ai enten­du arti­cu­ler des bou­ch­es je dois dire les plus non seu­le­ment auto­ri­sées mais les plus éle­vées dans la hié­rar­chie des créateurs …
|{34} ce tableau dont on nous dit que c’est le tableau des regards qui se croi­sent et d’u­ne sor­te d’intervision…
com­me si tous les per­son­na­ges se carac­té­ri­sai­ent de quel­que rela­ti­on avec chacun des autres
…si vous regar­dez les cho­ses de près, vous ver­rez qu’à part le regard de la meni­na Maria Ago­s­ti­na de Sar­mi­en­to qui regar­de doña Mar­ga­ri­ta, aucun aut­re regard ne fixe rien.

Denn in die­sem Bild, bei dem es ein Kli­schee gewor­den ist, ein Gemein­platz – ich habe es aus Mün­dern arti­ku­lie­ren gehört, die, muss ich sagen, nicht nur die­je­ni­gen waren, die am meis­ten auto­ri­siert waren, son­dern die in der Hier­ar­chie der Schöp­fer auch am höchs­ten stan­den –, die­ses Bild, über das man uns sagt, es sei das Bild der sich kreu­zen­den Bli­cke, eine Art Inter­vi­si­on, so als ob alle Per­so­nen durch eine Bezie­hung zu allen ande­ren cha­rak­te­ri­siert wären –, wenn Sie die Din­ge von Nahem betrach­ten, wer­den Sie sehen, dass außer dem Blick der Meni­na Maria Agus­ti­na de Sar­mi­en­to, die dabei ist, Doña Mar­ga­ri­ta anzu­schau­en, kein ande­rer Blick irgend­et­was fixiert.

 

Tous ces regards sont per­dus sur quel­que point invisible.

All die­se Bli­cke ver­lie­ren sich in einem unsicht­ba­ren Punkt.78

 

Com­me qui dirait : « un ange a pas­sé » pré­cis­é­ment le peintre.

Als wür­de jemand sagen: „ein Engel ist vor­bei­ge­gan­gen“, näm­lich der Maler.79

 

L’aut­re méni­ne qui s’ap­pel­le Isa­bel de Velas­co est là, en quel­que sor­te com­me inter­di­te, les bras com­me en quel­que sor­te écar­tés de la trace de ce passage.

Die ande­re Meni­na, die Isa­bel de Velas­co heißt, ist hier: gewis­ser­ma­ßen wie ver­bo­ten, die Arme gewis­ser­ma­ßen wie von der Spur die­ses Vor­über­ge­hens her ausgebreitet.

 

L’idio­te, là, le mons­t­re Mari Bár­bo­la, la nai­ne, regar­de ail­leurs et non pas du tout, com­me on le dit, de not­re côté.

Die Idio­tin hier, die Miss­ge­burt Mari Bár­bo­la, die Zwer­gin, schaut anders­wo hin und kei­nes­wegs, wie gesagt wird, zu uns hinüber.

 

Quant au petit nain, il s’oc­cupe ici à fai­re très pré­cis­é­ment, à jouer très pré­cis­é­ment le rôle qu’il est fait pour jouer en tant qu’i­mi­ta­ti­on de petit gar­çon, il fait « l’af­freux jojo » : Il don­ne un coup de pied sur le der­riè­re du chien com­me pour en quel­que sor­te lui dire :« Tu rou­pil­les, alors !

Was den klei­nen Zwerg angeht, so ist er hier damit befasst, eben das zu tun, eben die Rol­le zu spie­len, die er als Imi­ta­ti­on des klei­nen Jun­gen spie­len soll – er spielt den Zap­pel­phil­ipp, er gib dem Hund einen Tritt in den Hin­tern, als wol­le er ihm sagen: „Los, du Penner!

 

T’as pas reni­flé la sou­ris qui vient de passer ? ».

Hast du nicht die Maus geschnup­pert, die gera­de vorbeilief?“

 

Regard, nous dirait-on, si on vou­lait enco­re le sou­te­nir, mais obser­vez que dans un tableau qui serait un tableau du jeu des regards, il n’y a pas en tout cas, même si nous devons |{35} rete­nir ce regard de l’u­ne des méni­nes, deux regards qui s’ac­cro­chent, de regards com­pli­ces, de regards d’in­tel­li­gence, de regards de quête.

Blick, wür­de man uns sagen, wenn man dar­an noch fest­hal­ten woll­te, aber beach­ten Sie, dass es in einem Bild, das ein Bild des Spiels der Bli­cke sein soll, dass es hier jeden­falls kei­ne zwei Bli­cke gibt – auch wenn wir den Blick von einer der Meni­nas aus­neh­men müs­sen –, die sich kreu­zen, ein­ver­nehm­li­che Bli­cke, ein­ver­stän­di­ge Bli­cke, suchen­de Blicke.

 

Doña Mar­ga­ri­ta, la peti­te fil­le, ne regar­de pas la sui­van­te qui la regarde.

Doña Mar­ga­ri­ta, das klei­ne Mäd­chen, blickt nicht die Die­ne­rin an, von der sie ange­blickt wird.

 

Tous les regards sont ail­leurs et bien enten­du, le regard, au fon, de celui qui s’en va, n’est plus qu’un regard qui veut dire : « Je te quit­te », loin qu’il soit poin­té sur quiconque.

Sämt­li­che Bli­cke sind anders­wo80, und wohl­ge­merkt, der Blick des­je­ni­gen im Hin­ter­grund, der geht, ist nicht mehr als ein Blick, der besa­gen will: „Ich ver­las­se dich“, weit davon ent­fernt, sich auf irgend­et­was zu richten.

 

Dès lors que peut vou­loir dire ce qu’on amè­ne au cent­re de la thé­o­rie de ce tableau quand on pré­tend que ce qui est là au pre­mier plan, à not­re place – et dieu sait si le spec­ta­teur peut se délec­ter d’un tel sup­port, d’u­ne tel­le hypo­thè­se –, ce sont le roi et la rei­ne qui sont reflé­tés dans ce miro­ir qui dev­rait vous appa­raît­re ici et qui est dans le fond ?

Was kann von daher das bedeu­ten, was man ins Zen­trum der Theo­rie die­ses Bil­des stellt, wenn man behaup­tet, das, was hier in der ers­ten Ebe­ne ist, an unse­rem Platz – und Gott weiß, wie sehr der Betrach­ter sich an einer sol­chen Stüt­ze, an einer sol­chen Hypo­the­se erfreu­en kann –, dass es der König und die Köni­gin sei­en, die in dem Spie­gel reflek­tiert wer­den, der hier für Sie sicht­bar sein müss­te und der im Hin­ter­grund ist?81

 

À ceci j’ob­jec­terai : le peint­re, où qu’il se mont­re dans ce tableau, où entend-il que nous le mettions ?

Woge­gen ich ein­wen­den möch­te: Wo zeigt sich in die­sem Bild der Maler, wo möch­te er, dass wir ihn unterbringen?

 

Une des hypo­thè­ses, et une de cel­les qui ont le plus séduit par­mi cel­les qui ont été avan­cées, c’est que, puis­que le peint­re est là et que c’est ceci qu’il a peint, c’est qu’il a dû, tout cela, le voir dans un miro­ir, un miro­ir qui est à not­re place – et nous voi­ci trans­for­més en miroir.

Eine der Hypo­the­sen, und eine, die unter den­je­ni­gen, die vor­ge­bracht wur­den, beson­ders ver­füh­re­risch war, ist die, dass der Maler, weil dort steht, und weil es dies ist, was er gemalt hat, dass er all dies in einem Spie­gel sehen muss­te, in einem Spie­gel, der da steht, wo wir sind – und damit sind wir in einen Spie­gel verwandelt.

 

La cho­se n’est pas sans séduc­tion, ni même sans com­porter un cer­tain appel à l’en­droit |{36} de tout ce que je vous évo­que com­me rela­ti­vi­té du sujet à l’Aut­re, à ceci près que, quand vous voud­rez, c’est autour d’u­ne tel­le expé­ri­ence que je vous poin­ter­ai la dif­fé­rence stric­te qu’il y a ent­re un miro­ir et la fenêt­re : deux ter­mes pré­cis­é­ment qui, struc­tu­ra­le­ment, n’ont aucun rapport.

Die Sache ist nicht ohne Reiz, und sicher­lich appel­liert sie an all das, was ich Ihnen als Bezo­gen­sein des Sub­jekts auf den Ande­ren in Erin­ne­rung brin­ge, abge­se­hen davon, dass ich Ihnen anläss­lich einer sol­chen Erfah­rung, wenn Sie wol­len, den stren­gen Unter­schied zwi­schen einem Spie­gel und dem Fens­ter zei­gen wer­de, zwei Ter­mi­ni, die struk­tu­rell in kei­ner­lei Ver­hält­nis zuein­an­der stehen.

 

Mais tenons-nous en au tableau.

Aber hal­ten wir uns an das Bild.

 

Le peint­re se serait peint, ayant vu tou­te la scè­ne des gens autour de lui dans un miroir.

Der Maler hät­te sich so gemalt, dass er dabei die gesam­te Sze­ne der Leu­te um sich her­um in einem Spie­gel sah.

 

Je n’y vois qu’u­ne objec­tion : c’est que rien ne nous indi­que, des témoign­ages de l’his­toire – et dieu sait si ce sont là des nou­vel­les que l’his­toire se char­ge de trans­mett­re –, rien ne nous indi­que que Veláz­quez fût gaucher.

Ich habe dage­gen nur einen Ein­wand, näm­lich dass in den his­to­ri­schen Quel­len nichts dar­auf hin­weist – und Gott weiß, wie sehr das Nach­rich­ten sind, die die Geschich­te sich zu über­lie­fern bemüht –, nichts weist uns dar­auf hin, dass Veláz­quez Links­hän­der war.

 

Or c’est bien ain­si que nous devri­ons le voir appa­raît­re si nous pre­nons au sérieux le fait que, dans une pein­ture fai­te soi-dis­ant à l’ai­de d’un miro­ir, il se repré­sen­te tel qu’il était bien en effet, à savoir ten­ant son pin­ceau de la main droite.

Aber so müss­ten wir ihn ja erschei­nen sehen, wenn wir die Tat­sa­che ernst neh­men, dass in einem Gemäl­de, das gewis­ser­ma­ßen mit Hil­fe eines Spie­gels ange­fer­tigt wor­den ist, er sich dann so wie hier dar­stellt, näm­lich als jemand, der sei­nen Pin­sel mit der rech­ten Hand hält.

 

Ceci pour­rait vous paraît­re min­ce raison.

Die­se Begrün­dung könn­te Ihnen als dürf­tig erscheinen.

 

Il n’en res­te pas moins que s’il en était ain­si, cet­te thé­o­rie serait tout à fait incom­pa­ti­ble avec la pré­sence, ici, du roi et de la reine.

Wie auch immer, wenn es so wäre, wäre die­se Theo­rie völ­lig unver­ein­bar mit der Anwe­sen­heit des Königs und der Köni­gin an die­ser Stelle.

 

Ou c’est le miro­ir qui est ici, ou c’est le roi et la reine.

Ent­we­der ist an die­ser Stel­le der Spie­gel oder es sind der König und die Königin.

 

Si c’est le roi et la rei­ne, ça ne peut pas être le peintre.

Wenn es der König und die Köni­gin sind, kann es nicht der Maler sein.

 

Si le peint­re est ail­leurs, si le roi et la rei­ne sont là, ça ne peut pas être le peint­re qui est là, com­me moi je |{37} sup­po­se qu’il y était effectivement.

Wenn der Maler anders­wo ist, wenn der König und die Köni­gin da sind, kann es nicht der Maler sein, der da ist, denn ich neh­me an, dass er tat­säch­lich da war.

 

Vous ne com­pre­nez pas Mon­sieur Castoriadis ?

Sie ver­ste­hen nicht, Herr Castoriadis?

 

Cor­ne­li­us Cas­to­ria­dis : Non !

Cor­ne­li­us Cas­to­ria­dis: Nein!

 

Lacan : Dans l’hy­po­thè­se que le roi et la rei­ne, reflé­tés là-bas dans le miro­ir, étai­ent ici pour se fai­re peind­re par le peint­re, com­me je viens d’é­li­mi­ner l’hy­po­thè­se que le peint­re fût là autre­ment que par l’art de son pin­ceau, il fall­ait bien que le peint­re fût là.

Lacan: Unter der Hypo­the­se, dass der König und die Köni­gin, die hin­ten im Spie­gel reflek­tiert wer­den, da waren, um sich vom Maler malen zu las­sen, und da ich soeben die Hypo­the­se aus­ge­schlos­sen habe, dass der Maler anders als durch die Kunst sei­nes Pin­sels dort war, muss­te es so sein, dass der Maler hier war.

 

Et d’ail­leurs, l’e­xi­gence que le peint­re fût là et non pas de l’aut­re côté d’un miro­ir que nous ser­i­ons nous-même, est dans le fait de sup­po­ser que roi et rei­ne sont dans le miroir.

Und im Übri­gen beruht die For­de­rung, dass der Maler dort war und nicht auf der ande­ren Sei­te eines Spie­gels, der wir selbst wären, beruht die­se For­de­rung dar­auf, dass man annimmt, dass König und Köni­gin im Spie­gel sind.

 

En d’au­t­res ter­mes, à la même place nous ne pou­vons pas mett­re deux quel­con­ques des per­son­na­ges de ce trio qui sont : un miro­ir sup­po­sé, le roi et la rei­ne, ou le peintre. 

Anders aus­ge­drückt, aus die­sem Trio, näm­lich ein ange­nom­me­ner Spie­gel, König und Köni­gin und der Maler, kön­nen wir nicht zwei belie­bi­ge Per­so­nen an die­sel­be Stel­le setzen.

 

Nous som­mes tou­jours for­cés, pour que ça tien­ne, d’en mett­re deux à la fois et ils ne peu­vent pas être deux à la fois.

Damit das geht, sind wir immer gezwun­gen, zwei zugleich hin­zu­stel­len, und sie kön­nen nicht zwei zugleich sein.

 

Si le roi et la rei­ne sont là pour être reflé­tés, dans le fond, dans le miroir… 
or il est impos­si­ble qu’ils soi­ent repré­sen­tés com­me étant là dans le miro­ir, ne serait-ce qu‟en rai­son de l’é­chel­le, de la tail­le où on les voit dans le miro­ir, où ils ont à peu près la même échel­le que le per­son­na­ge qui est en train de sor­tir à côté d’eux, alors qu’é­tant don­née la distance où nous som­mes, ils dev­rai­ent être exac-|{38} tement deux fois plus petits.

Wenn der König und die Köni­gin hier sind, um im Hin­ter­grund im Spie­gel reflek­tiert zu wer­den, nun, dann ist es unmög­lich, dass sie als im Spie­gel befind­lich dar­ge­stellt sind, und sei es aus Grün­den des Maß­stabs, der Grö­ße, in der man sie im Spie­gel sieht und wor­in sie unge­fähr den­sel­ben Maß­stab haben wie die Per­son, die dabei ist, neben ihnen hin­aus­zu­ge­hen, wohin­ge­gen sie ange­sichts des Abstands, in dem wir uns befin­den, genau halb so groß sein
müssten.

 

Mais ceci n’est enco­re qu’un argu­ment de plus …

Aber ist nur ein Zusatzargument.

 

Si le roi et la rei­ne sont là dans cet­te hypo­thè­se, alors, le peint­re est ici et nous nous trou­vons devant la posi­ti­on avan­cée par les anec­do­tiers, par Madame de Mot­te­ville par exemp­le, à savoir que le roi et la rei­ne étai­ent ici – et ils serai­ent debout , enco­re plus ! – en train de se fai­re… de poser et aurai­ent devant eux la ran­gée de tous ces per­son­na­ges, dont vous pou­vez voir quel­le serait la fon­c­tion natu­rel­le, si vrai­ment pen­dant ce temps-là Veláz­quez était en train de peind­re tou­te aut­re cho­se qu’eux et par des­sus le mar­ché, quel­que cho­se qu’il ne voit pas puis­qu’il voit tous ces per­son­na­ges dans une posi­ti­on qui l’entoure.

Wenn der König und die Köni­gin die­ser Hypo­the­se zufol­ge dort sind, dann ist der Maler hier, und wir sind mit der Posi­ti­on kon­fron­tiert, die von den Anek­do­ten­er­zäh­lern vor­ge­bracht wird, von Madame de Mot­te­ville bei­spiels­wei­se, näm­lich dass der König und die Köni­gin hier wären und dass sie außer­dem stün­den und dabei wären, sich --, dabei wären zu posie­ren, und die Rei­he all die­ser Per­so­nen vor sich hät­ten, wovon Sie sehen kön­nen, was die natür­li­che Funk­ti­on wäre, falls Velaz­quez wäh­rend­des­sen wirk­lich dabei wäre, etwas ganz ande­res als sie zu malen, und oben­drein etwas, das er nicht sieht, da er all die­se Per­so­nen in einer Posi­ti­on sieht, die ihn umgibt.82

 

J’a­van­ce, à l’op­po­sé de cet­te impos­si­bi­li­té mani­fes­te, que ce qui est l’es­sentiel de ce qui est indi­qué par ce tableau, c’est cet­te fon­c­tion de la fenêtre.

Ich behaup­te, im Gegen­satz zu die­ser offen­kun­di­gen Unmög­lich­keit, dass das Wesent­li­che, das von die­sem Bild ange­zeigt wird, die Funk­ti­on des Fens­ters ist.

 

Que le fait que la trace soit en quel­que sor­te mar­quée de ce par quoi le peint­re peut y reve­nir, est vrai­ment là ce qui nous mont­re en quoi c’est là, la place vide.

Dass die Tat­sa­che, dass die Spur gewis­ser­ma­ßen durch das gekenn­zeich­net ist, wodurch der Maler hier­her zurück­keh­ren kann, hier wirk­lich das ist, was uns zeigt, inwie­fern da der lee­re Platz ist.83

 

Que ce soit en sym­é­trie à cet­te place vide qu’­ap­pa­rais­sent ceux, si je puis dire, dont, non pas le regard mais la sup­po­si­ti­on qu’ils voi­ent tout, qu’ils sont dans ce miro­ir exac­te­ment com­me ils pour­rai­ent |{39} être der­riè­re un grill­a­ge ou une vit­re sans tain… et après tout rien, à la limi­te, ne nous empê­cher­ait de sup­po­ser qu’il ne s’a­gis­se de quel­que cho­se de sem­bla­ble, à savoir de ce qu’on appel­le con­nec­té, en con­ne­xi­on avec une gran­de piè­ce, un de ces end­roits du type end­roit pour épier
…qu’ils soi­ent là en effet ; que le fait qu’ils voi­ent tout, soit ce qui sou­ti­ent ce mon­de d’êt­re en représentation. 

Dass sym­me­trisch zu die­sem lee­ren Platz die­je­ni­gen erschei­nen, wenn ich so sagen kann, bei denen nicht der Blick, son­dern die Unter­stel­lung, dass sie alles sehen –, dass sie in die­sem Spie­gel genau so sind, wie sie hin­ter einem Git­ter oder einer Ein­weg­schei­be sein könn­ten, und schließ­lich wür­de uns im Grenz­fall nichts dar­an hin­dern, anzu­neh­men, dass es sich um etwas Ähn­li­ches han­deln könn­te, näm­lich um das, was man in Ver­bin­dung mit einem gro­ßen Raum Ver­bin­dungs­zim­mer nennt, einen die­ser Orte, die der heim­li­chen Beob­ach­tung die­nen –, dass sie tat­säch­lich da sind; dass die Tat­sa­che, dass sie alles sehen, das ist, wodurch die Welt, in der man eine Vor­stel­lung gibt, gestützt wird.

 

Qu’il y ait là quel­que cho­se qui nous don­ne en quel­que sor­te le par­al­lè­le au « Je pen­se : donc je suis » de Des­car­tes : « je peins : donc je suis » dit Veláz­quez, et je suis là qui vous laisse avec ce que j’ai fait, pour vot­re éter­nel­le interrogation.

Dass es hier etwas gibt, was uns in gewis­ser Wei­se die Par­al­le­le zum „Ich den­ke also bin ich“ von Des­car­tes lie­fert: „Ich male, also bin ich“, sagt Veláz­quez, „und ich bin hier der­je­ni­ge, der Sie dem über­lässt, was ich gemacht habe, damit Sie sich in alle Ewig­keit Fra­gen dazu stel­len.84

 

Et je suis aus­si dans cet end­roit d’où je peux reve­nir, à la place que je vous laisse qui est vrai­ment cel­le où se réa­li­se cet effet de ce qu’il y ait chu­te et dés­ar­roi de quel­que cho­se qui est au cœur du sujet.

Und ich bin auch an die­sem Ort, von dem aus ich an den Platz zurück­keh­ren kann, den ich Ihnen über­las­se, der wirk­lich der­je­ni­ge ist, an dem sich die Wir­kung ein­stellt, die dar­in besteht, dass es ein Stür­zen und eine Ver­wir­rung gibt, von etwas, das im Inne­ren des Sub­jekts ist.“

 

La mul­ti­pli­ci­té même des inter­pré­ta­ti­ons, leur, on peut dire, leur embar­ras, leur mal­adres­se, est, là, suf­fi­sam­ment fai­te pour le souligner.

Eben die Viel­zahl der Deu­tun­gen, ihre Ver­le­gen­heit, wie man sagen kann, ihre Unbe­hol­fen­heit genü­gen hier, um das zu unterstreichen.

 

Mais à l’aut­re point qu’avons-nous ?

Am ande­ren Punkt jedoch, was haben wir da?

 

Cet­te pré­sence du cou­ple roy­al jouant exac­te­ment le même rôle que le dieu de Des­car­tes, à savoir que, dans tout ce que nous voy­ons, rien ne trom­pe, à cet­te seu­le con­di­ti­on que le dieu omni­pré­sent, lui, y soit trompé.

Die­se Gegen­wart des Königs­paa­res, das exakt die­sel­be Rol­le spielt wie der Gott von Des­car­tes, näm­lich dass in all dem, was wir sehen, nichts täuscht, unter der einen Bedin­gung, dass der all­ge­gen­wär­ti­ge Gott selbst hier getäuscht wird.

 

Et c’est là, la pré­sence de ces êtres que vous voyez dans cet­te atmo­sphè­re brouil­lée |{40} si sin­gu­liè­re du miroir.

Und das ist hier die Gegen­wart die­ser Wesen, die Sie in die­ser eigen­ar­tig ver­schwom­me­nen Atmo­sphä­re des Spie­gels sehen.

 

Si ce miro­ir est là, en quel­que sor­te, l’é­qui­va­lent de quel­que cho­se qui va s’é­va­nouir au niveau du sujet A qui est là, com­me en pen­dant de ce petit a de la fenêt­re au pre­mier plan, est-ce que ceci ne méri­te pas que nous nous y arrê­ti­ons un peu plus ?

Wenn die­ser Spie­gel hier in gewis­ser Wei­se das Äqui­va­lent von etwas ist, das auf der Ebe­ne des Sub­jekts A, das hier ist, ver­schwin­den wird, wie als Gegen­stück zu die­sem klein a des Fens­ters im Vor­der­grund, ver­dient es das nicht, dass wir uns noch ein wenig dabei auf­hal­ten?85

 

Un peint­re, une tren­taine d’an­nées plus tard qui s’ap­pel­ait Luca Giord­a­no, pré­cis­é­ment un manié­ris­te en pein­ture et qui a gar­dé dans l’his­toire l’é­ti­quet­te de Fa Pres­to par­ce qu’il allait un peu vite, extra­or­di­naire­ment bril­lant d’ail­leurs, ayant longuement con­tem­plé cet­te image, dont je ne vous ai pas fait l’his­toire quant à la déno­mi­na­ti­on, a pro­fé­ré une paro­le, une de ces paro­les, mon dieu com­me on peut les attendre de quel­qu’un qui était à la fois manié­ris­te et fort intel­li­gent : « C’est la théo­lo­gie de la pein­ture ! » a-t-il dit.

Ein Maler, unge­fähr drei­ßig Jah­re spä­ter, der Luca Giord­a­no hieß, ein Manie­rist in der Male­rei, der in der [Kunst-]Geschichte den Bei­na­me Fa Pres­to behal­ten hat, da er ein biss­chen schnell mach­te86, im Übri­gen außer­ge­wöhn­lich bril­lant, hat, nach­dem er die­ses Bild lan­ge betrach­tet hat­te – die Geschich­te sei­ner Benen­nun­gen habe ich Ihnen nicht dar­ge­stellt –, hat einen Aus­spruch getan, einen die­ser Aus­sprü­che, mein Gott, wie man sie von jeman­dem erwar­ten kann, der zugleich Manie­rist war und sehr intel­li­gent war: ”Das ist die Theo­lo­gie der Male­rei”, hat er gesagt.

 

Et bien sûr, c’est bien à ce niveau théo­lo­gi­que où le dieu de Des­car­tes est le sup­port de tout un mon­de en train de se trans­for­mer par l’in­ter­mé­di­ai­re du fan­tô­me sub­jec­ti­val, c’est bien par cet inter­mé­di­ai­re du cou­ple roy­al qui nous appa­raît scin­til­lant dans ce cad­re au fond que ce ter­me prend son sens.

Und natür­lich beruht es genau auf die­ser theo­lo­gi­schen Ebe­ne – auf der der Gott von Des­car­tes die Stüt­ze einer gan­zen Welt ist, die dabei ist, sich durch die Ver­mitt­lung des sub­jek­ti­vi­schen Phan­toms zu ver­wan­deln –, kommt es genau durch die Ver­mitt­lung des Königs­paa­res, das uns schim­mernd in die­sem Rah­men im Hin­ter­grund erscheint, kommt es von daher, dass die­ser Ter­mi­nus sei­nen Sinn erhält.

 

Mais je ne vous quit­terai pas sans vous dire, quant à moi, ce que me sug­gè­re le fait qu’un peint­re com­me Veláz­quez, |{41} ce qu’il peut avoir de visionnaire.

Aber ich wer­de Sie nicht ver­las­sen, ohne Ihnen, was mich angeht, zu sagen, auf wel­che Gedan­ken mich das bringt, was ein Maler wie Veláz­quez an Visio­nä­rem haben kann.

 

Car qui par­lera à son pro­pos de réalisme ?

Denn wer wird bei ihm von Rea­lis­mus sprechen?

 

Qui par exemp­le, à pro­pos des Hil­an­de­ras, ose­ra dire que c’est là la pein­ture d’u­ne rudes­se populaire ?

Wer wird bei­spiels­wei­se bei den Hil­an­de­ras zu sagen wagen, das sei ein Gemäl­de des Volks in sei­ner Ungeschliffenheit.

Veláz­quez, Las hil­an­de­ras (Die Spin­ne­rin­nen), zw. 1644 und 1658

 

Elle l’est sans dou­te, qui veut sim­ple­ment éter­nis­er le flash qu’il aurait eu un jour en quit­tant la manu­fac­tu­re de tapis­se­ries roya­les et en voy­ant les ouvriè­res au pre­mier plan fai­re cad­re à ce qui se pro­duit au fond.

Sicher­lich ist es das, was ein­fach den Flash ver­ewi­gen will, den er viel­leicht eines Tages hat­te, als er beim Ver­las­sen der könig­li­chen Tep­pich­ma­nu­fak­tur sah, wie die Arbei­te­rin­nen im Vor­der­grund den Rah­men für etwas bil­de­ten, das sich im Hin­ter­grund zutrug.87

 

Je vous prie sim­ple­ment de vous repor­ter à cet­te pein­ture, sur quel­que cho­se qui vail­le plus que ce que je vous ai mon­tré là pour voir com­bien peut être distan­te de tout réalisme… 
et d’ail­leurs, il n’y a pas de peint­re réa­lis­te, mais visi­on­n­aire, assurément 
…et à mieux regar­der ce qui se pas­se au fond de cet­te scè­ne, dans ce miro­ir où ces per­son­na­ges nous appa­rais­sent clig­notant et eux assu­ré­ment distincts de ce que j’ai appelé tout à l’heu­re fan­to­mal mais vrai­ment brillants.

Ich bit­te Sie ein­fach, sich auf die­ses Gemäl­de [Las meni­nas] anhand von etwas zu bezie­hen, das bes­ser ist als das, was ich Ihnen dort gezeigt habe, um zu sehen, wie weit <das> von jedem Rea­lis­mus ent­fernt sein kann – und im Übri­gen gibt es kei­nen rea­lis­ti­schen Maler, der nicht visio­när wäre –, und genau­er zu betrach­ten, was sich im Hin­ter­grund die­ser Sze­ne ereig­net, in die­sem Spie­gel, in dem uns fla­ckernd die­se Per­so­nen erschei­nen, sicher­lich von dem unter­schie­den, was ich vor­hin als gespens­tisch bezeich­net habe, aber wirk­lich glänzend.

 

Il m’est venu ceci qu’en oppo­si­ti­on, polai­re­ment, à cet­te fenêt­re où le peint­re nous encad­re, et com­me en miro­ir, il nous fait sur­gir… ce qui pour nous sans dou­te, ne vient pas à n’im­por­te quel­le place, quant à ce qui se pas­se pour nous des rap­ports du sujet à l’ob­jet a …l’é­cran de télévision.

Mir kam der Gedan­ke, dass der Maler, in pola­rem Gegen­satz zu dem Fens­ter, in das er uns ein­rahmt, dass er hier für uns wie in einen Spie­gel etwas auf­tau­chen lässt, was für uns sicher­lich kei­nen belie­bi­gen Platz ein­nimmt, bezo­gen auf das, was sich für uns in den Bezie­hun­gen des Sub­jekts zum Objekt a ereig­net: den Fernsehschirm.

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Paraphrase mit Ergänzungen und Fragen

In schwar­zer Schrift: Paraphrase.
In (run­den Klam­mern): die Sei­ten­zah­len von Ver­si­on J.L.
[In ecki­gen Klam­mern und grü­ner Schrift]: mei­ne Ergänzungen. 
[? In ecki­gen Klam­mern, mit einem Fra­ge­zei­chen begin­nend und grün unter­legt]: mei­ne Fragen.

Der Status des Wissenden und das gespaltene Subjekt

Wenn man sich auf das Wis­sen bezieht, ist es schwie­rig, nicht die Exis­tenz eines wis­sen­den Sub­jekts zu berück­sich­ti­gen, eines Wis­sen­den. „Wis­sen­der“ meint hier nicht einen Wis­sen­schaft­ler, son­dern ein­fach jeman­den, der ein Wis­sen hat. Und „Sub­jekt“ bezieht sich auf ein Sub­jekt ganz all­ge­mein, unab­hän­gig von Lacans Defi­ni­ti­on die­ses Begriffs (wie Lacan aus­drück­lich her­vor­hebt). [Anders gesagt:] Es gibt ein Wis­sen, also wird unter­stellt: es gibt einen Wis­sen­den. [Das Sub­jekt im all­ge­mei­nen Sin­ne ist hier das dem Wis­sen unter­stell­te Sub­jekt.] (1)

Was immer der Wis­sen­de wis­sen mag, auf jeden Fall weiß er, dass er ein Wis­sen­der ist. Damit kommt sein Nar­ziss­mus ins Spiel bzw. das Spie­gel­sta­di­um. (1)

Dass man weiß, dass man ein Wis­sen­der ist, greift wie­der­um in die Struk­tur des Wis­sens ein. (2)

Ein Leh­rer (pro­fes­seur) muss, um das Wis­sen zu über­mit­teln, eine bestimm­te Men­ge an Wis­sen zusam­men­ge­karrt haben, aus der Erfah­rung oder aus der Tra­di­ti­on. Da es ihm dar­um geht, sei­nen Sta­tus auf­recht­zu­er­hal­ten, erscheint ihm sein Wis­sen in einer bestimm­ten Aus­rich­tung: Es ist dadurch beein­flusst, dass es ihm dar­um geht, sei­nen Sta­tus als wis­sen­des Sub­jekt auf­recht­zu­er­hal­ten. Das hat zur Fol­ge, dass jemand nicht nur inso­fern, als er etwas weiß, als Wis­sen­der gilt; Leis­tungs­ge­sichts­punk­te ste­hen hin­ter dem Aspekt der Sta­tus­si­che­rung zurück. Das funk­tio­niert ganz gut, die meis­ten kom­men damit zurecht. Das gilt auch für wis­sen­schaft­lich Wis­sen­de – sobald sie ein­mal den Sta­tus des Wis­sen­den erreicht haben, wird man nicht mehr so genau hin­schau­en, ob ihr Wis­sen ein­ros­tet oder gar nur noch vor­ge­täuscht ist. Es geht hier also dar­um, dass eine Grup­pe einen his­to­risch gewon­ne­nen Sta­tus hat, der ihr nütz­lich ist und den sie zu sichern sucht. (3)

Es gibt jedoch etwas, was dar­über hin­aus­geht. Bei den Trug­bil­dern des Sub­jekts gibt es etwas Struk­tu­rel­les, und die­ses Struk­tu­rel­le sorgt dafür, dass die­se sta­bi­len Struk­tu­ren not­wen­dig sind. [? Wel­ches Struk­tu­rel­le ist hier gemeint?] (3)

Die Psy­cho­ana­ly­se zwingt uns, den Sta­tus des Sub­jekts in Fra­ge zu stel­len, und zwar des­halb, weil sie das Pro­blem, was ein Sub­jekt ist, von einem ande­ren Aus­gangs­punkt aus angeht: dem der Infra­ge­stel­lung des Wis­sens im Namen der Wahr­heit [des Bezugs auf das Unbe­wuss­te]. Die Struk­tu­rie­rung die­ses Fel­des wird an einem radi­ka­len Punkt gesucht, dem der Begeg­nung mit einer Wahr­heit, die sich als etwas dar­bie­tet, das dem Wis­sen fremd ist und ihm noch vor­aus­liegt. (4)

Das wird zuerst in der Per­spek­ti­ve des Anspruchs ein­ge­führt, der sich als etwas dar­stellt, das ursprüng­li­cher ist. Hier­durch wird es nötig, danach zu fra­gen, in wel­cher struk­tu­rel­len Bezie­hung der Anspruch zu etwas steht, das nicht Anspruch ist, son­dern Begeh­ren. Und auf dem Weg über die­se struk­tu­rel­le Spal­tung [von Anspruch und Begeh­ren] sind wir dazu gelangt, den Sta­tus des Sub­jekts in Fra­ge zu stel­len. (4)

Für uns ist das Sub­jekt also kei­nes­wegs die Ach­se, um die sich die Ent­wick­lung des Wis­sens dreht. Wir kön­nen das Dra­ma, auf das sich das Wesen des Sub­jekts grün­det, wie es uns in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Erfah­rung gege­ben ist, nur dann berück­sich­ti­gen, wenn wir ins Inne­re der Funk­ti­on des Wis­sens den Aspekt des Begeh­rens ein­füh­ren. (4)

Das Begeh­ren kön­nen wir jedoch nur berück­sich­ti­gen, wenn wir nicht vom Sta­tus der Per­son aus­ge­hen. Die phi­lo­so­phi­sche Sicht wur­de bis­lang aber vom Sta­tus der Per­son domi­niert, näm­lich vom Ver­hält­nis des Men­schen zur soge­nann­ten Welt ver­mit­tels eines bestimm­ten Wis­sens. (4–5)

Das Sub­jekt erscheint uns als grund­le­gend gespal­ten. Wenn wir es dar­auf­hin befra­gen, ob es etwas weiß oder nicht weiß – das ist der kar­te­si­sche Zwei­fel –, dann sehen wir, dass das Wesent­li­che dar­in besteht, dass das Sein des Sub­jekts in dem Moment, in dem es befragt wird, sich ent­zieht und in zwei Seins­be­rei­che aus­ein­an­der­fällt. Nur auf illu­so­ri­sche Wei­se tref­fen sie mit dem Sein/​Wesen zusam­men, das [wie bei Des­car­tes] die Gewiss­heit gefun­den hat, sich in die­ser Befra­gung als Sein zu mani­fes­tie­ren. [Den­ken und Sein fal­len aus­ein­an­der:] Ich den­ke, und indem ich den­ke, bin ich. Ich bin, was denkt [mein Sein besteht dar­in, zu den­ken]. Aber „ich bin“ zu den­ken, ist nicht das­sel­be wie: das zu sein, was denkt. (5)

In der Psy­cho­ana­ly­se erhält die­ser Unter­schied sein gan­zes Gewicht. Das, was denkt [das Sein des unbe­wusst Den­ken­den] denkt auf eine Wei­se, die für den­je­ni­gen, der „ich bin“ denkt, über­ra­schend ist. [Das Merk­mal des Unbe­wuss­ten ist, dass es über­rascht, sagt Lacan mit Freud und Reik.– „Ich bin“ den­ken, die­se For­mu­lie­rung steht für das bewuss­te Den­ken des Ichs; das­je­ni­ge sein, was denkt, bezieht sich auf das unbe­wuss­te Den­ken.] (5)

Der Psy­cho­ana­ly­ti­ker hat den Auf­trag, das Sub­jekt zu reprä­sen­tie­ren, wel­ches das­je­ni­ge ist, was denkt [das die unbe­wuss­ten Gedan­ken hat]. Von hier aus stellt sich neu die Fra­ge, wor­um es beim Wis­sen­den geht [und damit die Fra­ge, was es mit dem Psy­cho­ana­ly­ti­ker als Wis­sen­dem auf sich hat]. (6)

Die Psy­cho­ana­ly­ti­ker­aus­bil­dung zielt dar­auf ab, dafür zu sor­gen, dass für den Psy­cho­ana­ly­ti­ker die Sub­jekt­spal­tung nicht nur etwas ist, das er weiß, son­dern etwas, wor­in er denkt, was nur dann mög­lich ist, wenn er nicht ver­kennt, dass er als Ana­ly­ti­ker im Moment des Wis­sens in einer gespal­te­nen Posi­ti­on ist. (6)

In dem Moment, in dem der Sta­tus des­je­ni­gen ein­ge­führt wird, dem unter­stellt wird, in ana­ly­ti­scher Per­spek­ti­ve zu wis­sen, kommt es zu einem Wie­der­auf­blü­hen der spie­gel­haf­ten Ver­ken­nung [und zur Ver­tei­di­gung des Sta­tus des Wis­sen­den]. Damit wird der Sta­tus des Sub­jekts wie­der ver­ein­heit­lich, die ande­re Sei­te der Spal­tung wird eli­mi­niert. (7)

Die Beson­der­heit des Psy­cho­ana­ly­ti­kers muss dar­in besteht, dass er die Sub­jekt­spal­tung nicht nur weiß, son­dern dass er mit die­ser gespal­te­nen Struk­tur kon­form geht oder zumin­dest eine Ahnung davon hat. (7)

In sei­nem Unter­richt erin­nert Lacan an die­se Anfor­de­rung; die Mit­tel, dar­in ein­zu­füh­ren, lie­gen anders­wo. (7)

[Noch ein­mal:] Der Ana­ly­ti­ker iden­ti­fi­ziert sich mit einem benenn­ba­ren Sta­tus, mit dem Sta­tus, der Wis­sen­de zu sein. Die­ser Sta­tus hat die Ten­denz, das Wesent­li­che der schi­ze [der Spal­tung] „wie­der in Ord­nung zu brin­gen“ [die Spal­tung zu ver­ken­nen], wo doch allein durch sie ein Zugang zur Erfah­rung des Unbe­wuss­ten mög­lich ist. (7)

Der Ana­ly­ti­ker hat also die Auf­ga­be, auf den Anspruch des­je­ni­gen, der mit ihm eine Sub­jekt-Erfah­rung ein­geht [der bei ihm in Ana­ly­se ist], als gespal­te­nes Sub­jekt zu ant­wor­ten. [? Was heißt: als gespal­te­nes Sub­jekt auf den Anspruch ant­wor­ten?] (7)

Der Punkt des blickenden Subjekts (Zusammenfassung der vorangegangenen Sitzung)

Des­halb war das, was er, Lacan, in der letz­ten Sit­zung zu den Funk­tio­nen der Per­spek­ti­ve vor­ge­tra­gen hat­te, nicht eine blo­ße Aus­schmü­ckung zur Fra­ge des Schau­triebs. Die­ser theo­re­ti­sche Appa­rat soll viel­mehr die Sub­jek­ti­vi­tät des Ana­ly­ti­kers unter­stüt­zen, sodass er nie­mals den zwei­ten Flucht­punkt ver­gisst [also den Distanz­punkt im Unend­li­chen, das bli­cken­de Sub­jekt]. Er muss danach suchen, wo die­ser zwei­te Flucht­punkt wirk­sam ist. Und er soll­te das in dem Moment tun, in dem er dazu neigt, eine Wahr­heit zu for­mu­lie­ren, die bereits durch ihren Aus­druck in die Ein­heits­sche­ma­ta des Erkennt­nis­sub­jekts zurück­fällt [wo er also als Wis­sen­der auf­tritt] und die ihn dazu ver­führt, die Idee der Tota­li­tät in den Vor­der­grund zu rücken – eine Idee, der man bei der Syn­the­se sei­ner Erfah­rung am meis­ten miss­trau­en muss. (8)

Beim letz­ten Mal hat­te er, Lacan, das Gefühl, dass es ihm nicht ganz gelun­gen war, das zu ver­mit­teln, was die Erfah­rung der Per­spek­ti­ve uns lehrt, viel­leicht man­gels eines Sche­mas. Um Miss­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den, hat­te er die Dar­stel­lung durch ein Sche­ma zurück­drän­gen wol­len. (9)

Heu­te will er dar­auf zurück­kom­men und erläu­tern, wie die Per­spek­ti­ve das ver­an­schau­li­chen kann, wor­um es geht: das Ver­hält­nis der Sub­jekt­spal­tung zum Objekt a, zu dem Objekt a, durch das sich die visu­el­le Bezie­hung zur Welt aus­zeich­net. (9)

Die­ses Objekt a hat­te er [in Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se] auf annä­hern­de Wei­se als Blick (regard) bezeich­net und vom Feld des Sehens (visi­on) unter­schie­den. [Manch­mal ver­wen­det Lacan die Oppo­si­ti­on von „Blick“ und „Sehen“, so wie hier, manch­mal die von „Blick“ und „Auge“.] (9)

Die Fra­ge ist, wie sich der Blick als Objekt a in der Geo­me­trie zeigt, inso­fern sie [als Kon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve] in der Male­rei wirk­sam ist. (9–10)

Das letz­te Mal hat­te er, Lacan, ver­bal eine Kon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve vor­ge­nom­men, die man leicht nach­le­sen kann. Damit ist nicht die Arbeit von Panof­sky gemeint. [Gemeint sind viel­mehr zwei Bücher von Wil­liam Ivins über Per­spek­ti­ve, wie sich aus einer Bemer­kung in der Sit­zung vom 1. Juli erschlie­ßen lässt; sie­he das Lite­ra­tur­ver­zeich­nis im ers­ten Teil die­ser Über­set­zung.] (10)

In der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung hat­te Lacan dar­an erin­nert, dass man bei der Kon­struk­ti­on einer Per­spek­ti­ve von zwei Ebe­nen aus­geht und zwi­schen ihnen ein soge­nann­tes Pro­jek­ti­ons­ver­hält­nis her­stellt. Die eine Ebe­ne nennt er heu­te „Bild“ (tableau), die ande­re „Boden der Per­spek­ti­ve“ (sol per­spec­tif). [Beim letz­ten Mal hat­te er die­se Ebe­nen als plan-figu­re und plan-sup­port bezeich­net, „Abbil­dungs­ebe­ne“ und „Trä­ge­r­ebe­ne“.] (10)

Zwi­schen die­sen Ebe­nen gibt es Ent­spre­chun­gen, und was sich ent­spricht, sind bestimm­te Lini­en [genau­er gesagt: Gera­den]. Die ein­an­der ent­spre­chen­den Ele­men­te sind nicht intui­tio­nier­bar [sie haben kei­nen anschau­li­chen Cha­rak­ter, inso­fern sie teil­wei­se im Unend­li­chen lie­gen]. Sie sind aber grund­le­gend für den pro­jek­ti­ven Raum, [oder mit einem Ter­mi­nus von Des­car­tes:] für das pro­jek­ti­ve „Aus­ge­dehn­te“ [also für einen Raum mit Fern­ge­ra­den]. (10)

Die pro­jek­ti­ve Geo­me­trie ist eine kohä­ren­te Geo­me­trie mit stren­ger Beweis­füh­rung. Mit der metri­schen Geo­me­trie [also der eukli­di­schen Geo­me­trie, der „Schul­geo­me­trie“] hat sie nichts gemein­sam. [Lacan hat­te die Beweis­tech­nik der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie in der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung erläu­tert, sie­he dort unter „Dua­li­täts­prin­zip“.] (10)

Das wich­tigs­te Ent­spre­chungs­ver­hält­nis ist das zwi­schen der Gera­den im Unend­li­chen des Bodens der Per­spek­ti­ve [zwi­schen der Fern­ge­ra­den der Grund­ebe­ne] und dem Hori­zont des Bil­des [der im End­li­chen lie­gen­den Hori­zont­li­nie der Bild­ebe­ne]. Die Fern­li­nie des Boden der Per­spek­ti­ve wird „über­setzt“ in den Hori­zont des Bil­des [bzw. der Bild­ebe­ne]. (10–11)

Abb. 1: Drei Ebe­nen mit Augen­punkt S

Im Sche­ma ist Q der Boden der Per­spek­ti­ve, P ist das Bild [die Bild­ebe­ne] und S ist der Aug­punkt des Sub­jekts [des Sub­jekts im Sin­ne des Betrad­chters, nicht im Sin­ne von Lacans Sub­jekt­be­griff, dar­auf hat­te Lacan in der vori­gen Sit­zung hin­ge­wie­sen]. Vom Aug­punkt S aus wird par­al­lel zum Boden der Per­spek­ti­ve P eine Ebe­ne I gezo­gen. Die­se schnei­det das Bild [die Bild­ebe­ne Q]. Der Schnitt der bei­den Ebe­nen ergibt die Hori­zont­li­nie [im Sche­ma Linie h]. Da wir uns am Hori­zont der Erde ori­en­tie­ren, stel­len wir uns spon­tan vor, dass die Hori­zont­li­nie rund um den Betrach­ter ver­läuft; bereits beim letz­ten Mal hat­te Lacan jedoch, wie er in Erin­ne­rung bringt, dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die­se Hori­zont­li­nie – die auf der Bild­ebe­ne – nicht kreis­för­mig ver­läuft [son­dern eine unend­li­che Gera­de ist (nicht zu ver­wech­seln mit einer Gera­den im Unend­li­chen)]. (11)

Bei einer per­spek­ti­vi­schen Pro­jek­ti­on hat die Hori­zont­li­nie auf der Bild­ebe­ne ihre Ent­spre­chung in der Fern­ge­ra­den auf dem Boden der Per­spek­ti­ve, also in der­je­ni­gen Gera­den, auf der – auf dem Boden der Per­spek­ti­ve – alle Par­al­le­len sich schnei­den. (11)

Jeder belie­bi­ge Punkt der Hori­zont­li­nie kann als Zen­trum der Per­spek­ti­ve gewählt wer­den [als Haupt­flucht­punkt]. So wird das in Bil­dern, die den Geset­zen der Per­spek­ti­ve unter­wor­fen sind, tat­säch­lich gemacht. (12)

Ein belie­bi­ger Punkt [auf der Hori­zont­li­nie] ist ers­tens die Ent­spre­chung zum Boden der Per­spek­ti­ve [näm­lich zu einem Punkt im Unend­li­chen des Bodens der Per­spek­ti­ve, in dem bestimm­te Par­al­le­len sich schnei­den]. Er ist [außer­dem] die Ent­spre­chung zum Aug­punkt – in der Bild­ebe­ne hängt der Hori­zont [näm­lich sei­ne Höhe] vom Auge des Betrach­ters ab. (12)

Außer­dem wird von den­je­ni­gen, die die Per­spek­ti­ve ein­set­zen, „das ande­re Auge“ ver­wen­det [man könn­te auch mit „das zwei­te Auge“ über­set­zen; ein bestimm­ter Punkt auf der Hori­zont­li­nie der Bild­ebe­ne]. [In heu­ti­ger Ter­mi­no­lo­gie ist das der Distanz­punkt.] Die­ser Punkt [genau­er: sei­ne Ent­fer­nung vom Haupt­flucht­punkt] steht in einem Ent­spre­chungs­ver­hält­nis zur Distanz des Aug­punkts von der Bild­ebe­ne [die­se Distanz heißt im Sche­ma klein del­ta, δ]. (12)

Die Posi­ti­on die­ses „ande­ren Auges“ [auf der Hori­zont­li­nie] kann frei fest­ge­legt wer­den. (12)

Was ergibt sich dar­aus, dass [der Distanz­punkt auf der Bild­ebe­ne und damit] die Distanz von der Bild­ebe­ne will­kür­lich bestimmt wer­den kann? Kann man dar­aus schlie­ßen, dass die­ser Punkt bei der Fra­ge nach der Struk­tur des Sub­jekts ver­nach­läs­sigt wer­den kann, d.h. unter dem Gesichts­punkt, dass das Sub­jekt das Sub­jekt des Blicks ist, das Sub­jekt einer gese­he­nen Welt? [Lacan fragt, ob sich die Posi­ti­on des Distanz­punk­tes struk­tu­rell statt will­kür­lich fest­le­gen lässt.] Muss man anneh­men, dass nur der Hori­zont struk­tu­rel­len Cha­rak­ter hat, wäh­rend die Distanz ein tech­ni­scher Kunst­griff ist? (12)

Kei­nes­wegs. Auch die Distanz [von der Bild­ebe­ne und damit der Distanz­punkt auf der Bild­ebe­ne, das „ande­re Auge“] hat struk­tu­rel­len Cha­rak­ter, das ist bis­lang nicht aus­rei­chend bemerkt wor­den. (12–13)

[In der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie wird die Distanz nicht gemes­sen, sie muss also auf ande­re Wei­se kon­stru­iert wer­den.] Unab­hän­gig davon, wie groß der Abstand des Sub­jekts [bzw. des Betrach­ters, bzw. des Aug­punkts] von der Bild­ebe­ne sein mag, zwi­schen ihm und der Bild­ebe­ne gibt es auf jeden Fall immer einen Abstand über­haupt – das Sub­jekt ist von der Bild­ebe­ne immer getrennt. [Die­se The­se über­nimmt Lacan, ohne es zu sagen, von Ruy­ers, auf den er in der vori­gen Sit­zung hin­ge­wie­sen hat­te.] Die­ser Abstand wird [in der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie] nicht ein­fach durch einen metri­schen Wert erfasst, er schreibt sich viel­mehr in die Struk­tur ein. (13)

Hier [also was den Distanz­punkt angeht] fin­den wir [auf der Bild­ebe­ne] nicht das „ande­re Auge“, son­dern das ande­re Sub­jekt [näm­lich den Punkt des bli­cken­den Sub­jekt im Gegen­satz zum Punkt des sehen­den Sub­jekts]. (13)

[Gesucht ist also inner­halb der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie eine Ent­spre­chung zum Distanz­punkt der klas­si­schen Per­spek­tive­kon­zep­ti­on. Der Distanz­punkt wird nor­ma­ler­wei­se so kon­stru­iert: Der Abstand von der Bild­ebe­ne hat sei­ne Ent­spre­chung in einem Abstand inner­halb der Bild­ebe­ne, näm­lich im Abstand des Distanz­punk­tes vom Flucht­punkt. Die­ser Kon­struk­ti­ons­weg soll auf die pro­jek­ti­ve Geo­me­trie über­tra­gen wer­den, auf eine Geo­me­trie, die nicht dar­auf beruht, dass Län­gen gemes­sen wer­den. Dabei soll der Distanz­punkt durch Bezug auf die Struk­tur defi­niert wer­den, nicht willkürlich.]

Abb. 2: Abstand δ des Sub­jekts zur Abbildungsebene

Das wird fol­gen­der­ma­ßen demons­triert: Wir füh­ren durch den Aug­punkt S eine Ebe­ne [S], die par­al­lel zur Bild­ebe­ne ver­läuft [die soge­nann­te Ver­schwin­dungs­ebe­ne]. Dann haben wir zwei Schnitt­li­ni­en auf dem Boden der Per­spek­ti­ve. Die eine ist der Schnitt der Bild­ebe­ne mit dem Boden der Per­spek­ti­ve; die­se Linie wird als „Grund­li­nie“ bezeich­net, wie Lacan – er erwähnt es aus­drück­lich – der Auf­satz­samm­lung von Panof­sky über Per­spek­ti­ve ent­nom­men hat [im Sche­ma heißt die­se Linie klein lamb­da, λ]. Die ande­re Schnitt­li­nie ist die von Ebe­ne S mit dem Boden der Per­spek­ti­ve [im Sche­ma ist dies Linie b]. Die­se bei­den Schnitt­li­ni­en ver­lau­fen par­al­lel. [Der Abstand der Par­al­le­len b und λ ist die Distanz des Aug­punkts von der Bild­ebe­ne.] (13–14)

Die Fra­ge ist nun, wie sich die­se bei­den Lini­en [die auf dem Boden der Per­spek­ti­ve lie­gen] auf dem Bild dar­stel­len [was ihre Ent­spre­chung auf der Bild­ebe­ne ist, wie also die Distanz von der Bild­ebe­ne inner­halb der Bild­ebe­ne reprä­sen­tiert wird]. Hier­aus ergibt sich dann die Grö­ße, die wir als zwei­ten Sub­jekt­punkt bezeich­nen möch­ten [also (nach Auf­ga­be des Par­al­le­len­axi­oms) fden Nach­fol­ger des ande­ren Auges bzw. des Distanz­punk­tes, näm­lich der Punkt des bli­cken­den Sub­jekts]. (14)

Fol­gen­des wis­sen wir bereits aus der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung: Wenn wir das Ver­hält­nis zwi­schen Boden der Per­spek­ti­ve, Bild­ebe­ne und Sub­jekt [also Aug­punkt] betrach­ten, dann sehen wir, wenn wir von der unend­lich fer­nen Gera­den auf dem Boden der Per­spek­ti­ve aus­ge­hen, dass ihr auf der Bild­ebe­ne die Hori­zont­li­nie ent­spricht [die Hori­zont­li­nie der Bild­ebe­ne ent­steht dadurch, dass die Fern­ge­ra­de des Bodens der Per­spek­ti­ve auf die Bild­ebe­ne pro­ji­ziert wird]. (14)

Wenn wir die Ebe­nen wech­seln und nicht mehr von der Fern­ge­ra­den des Bodens der Per­spek­ti­ve aus­ge­hen, son­dern von der Fern­ge­ra­den der Bild­ebe­ne, sehen wir ein ana­lo­ges Ver­hält­nis. Wenn wir die umge­kehr­te Pro­jek­ti­on vor­neh­men, hat die Fern­ge­ra­de der Bild­ebe­ne auf der Trä­ge­r­ebe­ne ihre Ent­spre­chung in der Schnitt­li­nie zwi­schen der durch den Aug­punkt füh­ren­den Ebe­ne [Ebe­ne S] und dem Boden der Per­spek­ti­ve [also Linie b]. [Das ergibt sich dar­aus, wie die Hori­zont­li­nie der Bild­ebe­ne kon­stru­iert wird: Die­se Hori­zont­li­nie ent­steht als Schnitt der Ebe­ne, die par­al­lel zum Boden der Per­spek­ti­ve durch den Aug­punkt läuft, mit der Abbil­dungs­ebe­ne. Also ent­steht umge­kehrt die Pro­jek­ti­on der Fern­li­nie der Abbil­dungs­ebe­ne auf die Boden­ebe­ne dadurch, dass die Ebe­ne, die par­al­lel zur Bild­ebe­ne durch den Aug­punkt führt, sich mit der Boden­ebe­ne schnei­det.] (14 f.)

Oder, um es in umge­kehr­ter Rich­tung zu beschrei­ben: Die auf dem Boden der Per­spek­ti­ve lie­gen­de Gera­de b wird auf der Bild­ebe­ne durch die Fern­ge­ra­de der Bild­ebe­ne reprä­sen­tiert [durch P∞ – in der Abbil­dung wird die Fern­ge­ra­de durch einen Kreis reprä­sen­tiert] (vgl. Abb. 3). (15)

Abb. 3: Dar­stel­lung der unend­lich fer­nen Linie der Bild­ebe­ne durch einen Kreis (P∞)

Die zwei­te Linie der Grund­ebe­ne, zu der in der Bild­ebe­ne eine Ent­spre­chung gesucht wird, ist die Grund­li­nie [λ]. Die Grund­li­nie liegt jedoch bereits auf der Bild­ebe­ne [da sie die Schnitt­li­nie des Bodens der Per­spek­ti­ve und der Bild­ebe­ne ist]. [Also kön­nen wir sie dop­pelt ver­wen­den: als Linie auf dem Boden der Per­spek­ti­ve und als Linie auf der Bild­ebe­ne.] (15)

Also kann der ande­re Sub­jekt­punkt [auf der Bild­ebe­ne] so notiert wer­den: der Punkt, an dem sich die Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [p∞] mit der Grund­li­nie [λ] schnei­det. [Der Abstand von der Bild­ebe­ne (der Abstand der Par­al­le­len b und λ, Stand­li­nie und Grund­li­nie) wird dem­nach auf fol­gen­de Wei­se in einen Abstand inner­halb der Bild­ebe­ne über­setzt: Zu b und λ wer­den Ent­spre­chun­gen inner­halb der Bild­ebe­ne gesucht. Bei Pro­jek­ti­on von b (Stand­li­nie) auf die Bild­ebe­ne erhält man die Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [p∞]; λ (die Grund­li­nie) ist bereits auf der Bild­ebe­ne. Also geht es auf der Bild­ebe­ne um das Ver­hält­nis zwi­schen der Fern­li­nie und der Grund­li­nie. Das Ver­hält­nis zwi­schen die­sen bei­den Lini­en wird durch ihren Schnitt­punkt aus­ge­drückt. Also entspicht dem Abstand des Betrach­ters von der Bild­ebe­ne (dem Abstand zwi­schen Stand­li­nie und Grund­li­nie) inner­halb der Bild­ebe­ne der Schnitt­punkt zwi­schen Fern­li­nie und Grund­li­nie.] (15)

Abb. 4: Zwei­ter Sub­jekt­punkt Sˈ als Schnitt­punkt der unend­lich fer­nen Gera­den auf der Bild­ebe­ne mit der Grundlinie

Das lässt sich so dar­stel­len wie in Abb. 4. Dar­in ist S der Aug­punkt und O ist der Flucht­punkt bzw. der ers­te Sub­jekt­punkt. Linie λ ist die Grund­li­nie. Die Fern­li­nie der Bild­ebe­ne wird durch den Kreis P∞ dar­ge­stellt [die Gera­de also durch einen Kreis]. Die­ser Kreis schnei­det sich nicht ein­mal, son­dern zwei­mal mit der Grund­li­nie. aber das ist ein Schein, tat­säch­lich ist die Fern­li­nie kein Kreis, son­dern eine Gera­de und axio­ma­tisch gilt in der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie, dass sich zwei Gera­den in einem und nur einem Punkt schnei­den [also haben auch die Grund­li­nie und die Fern­ge­ra­de nur einen Schnitt­punkt]. (15–16)

In der Struk­tur einer pro­jek­ti­ven oder per­spek­ti­vi­schen Welt [einer visu­el­len Welt, die mit­hil­fe der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie kon­stru­iert wird] gibt es also [auf der Bild­ebe­ne] zwei Sub­jekt­punk­te. Der eine Punkt [Punkt O, der Flucht­punkt, der Punkt des sehen­den Sub­jekts] liegt irgend­wo auf der Hori­zont­li­nie, der zwei­te Punkt [der Distanz­punkt, der Punkt des bli­cken­den Sub­jekts] ist der Schnitt­punkt zwi­schen der Grund­li­nie [λ] und der Fern­li­nie der Bild­ebe­ne [P∞]. (16)

Nach­dem dies ein­mal gefun­den ist, kön­nen wir den zwei­ten Sub­jekt­punkt auch auf ande­re Wei­se bestim­men, näm­lich auf der Bild­ebe­ne als Schnitt­punkt zwi­schen der Hori­zont­li­nie und der Fern­li­nie. Die­ser Punkt muss der­sel­be Punkt sein wie der Schnitt­punkt zwi­schen der Grund­li­nie und Fern­li­nie, denn die Hori­zont­li­nie und die Grund­li­nie sind Par­al­le­len, und Par­al­le­len schnei­den sich im Unend­li­chen. [Wenn Fern­ge­ra­de und Grund­li­nie sich im Unend­li­chen in einem Punkt schnei­den, müs­sen sie per defi­ni­tio­nem Par­al­le­len sein. In die­sem Punkt schnei­det sich die Fern­ge­ra­de nicht nur mit der Grund­li­nie, son­dern mit allen Gera­den, die zur Grund­li­nie par­al­lel ver­lau­fen. Diurch die­sen Schritt wird der Distanz­punkt auf der Hori­zon­ti­nie ver­or­tet und das ermög­licht den Anschluss an die klas­si­sche Kon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve, wo der Distanz­punkt ja eben­falls auf der Hoiz­ron­ti­nie ver­or­tet ist.] (16–17)

In der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie ist der zwei­te Sub­jekt­punkt [also der Distanz­punkt] nicht mehr [wie in den Renais­sance-Kon­struk­tio­nen] ein belie­bi­ger Punkt auf der Hori­zont­li­nie, son­dern [ein ganz bestimm­ter] ein­zel­ner Punkt auf die­ser Linie, näm­lich der Punkt im Unend­li­chen. (17)

[Das gespal­te­ne Sub­jekt wird in der Per­spek­tive­kon­struk­ti­on der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie dem­nach durch zwei Punk­te reprä­sen­tiert: durch den Flucht­punkt und durch den Distanz­punkt, bei­de lie­gen, wie in den Renais­sance-Per­spek­ti­ven, auf der Hori­zont­ge­ra­den. Der Distanz­punkt ist jetzt kein belie­bi­ger Punkt mehr, son­dern ein durch die Struk­tur defi­nier­ter ganz bestimm­ter ein­zel­ner Punkt. Außer­dem liegt er jetzt im Unend­li­chen, er hat kei­nen anschau­li­chen Cha­rak­ter mehr, und auch dar­auf kommt es Lacan an.]

Das Fenster als Objekt a

Das wird uns jetzt als Stüt­ze die­nen, um im sko­pi­schen Phan­tas­ma das Ver­hält­nis des [gespal­te­nen] Sub­jekts zum [Blick als] Objekt a zu erfas­sen. [Lacan bezieht sich auf das in der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung for­mu­lier­te Pro­gramm: Die Struk­tur des Phan­tas­mas, $ ◊ a, mit dem Blick als Objekt a, soll mit­hil­fe einer Per­spek­tive­kon­struk­ti­on dar­ge­stellt wer­den, die sich, statt auf die nor­ma­le eukli­di­sche Geo­me­trie, auf die pro­jek­ti­ve Geo­me­trie stützt. Das aus­ge­stri­che­ne oder gespal­te­ne Sub­jekt, $, ist bereits rekon­stru­iert wor­den, als Spal­tung zwi­schen zwei Punk­ten auf der Hori­zont­ge­ra­den der Bild­ebe­ne, zwi­schen dem Flucht­punkt qua sehen­dem Sub­jekt und dem Distanz­punkt im Unend­li­chen qua bli­cken­dem Sub­jekt. Es fehlt noch eine Reko­struk­ti­on des Blicks als Objekt a.] (17)

[Der Aus­druck „sko­pi­sches Phan­tas­ma“ wird hier von Lacan zum ers­ten und ein­zi­gen Mal ver­wen­det. Gemeint ist das ist auf den Schau­trieb bezo­ge­ne Phantasma.]

[Das Adjek­tiv sco­pi­que ist im Fran­zö­si­schen nur in der Ver­bin­dung pul­si­on sco­pi­que üblich, der Über­set­zung von Freuds „Schau­trieb“. Lacan löst den Ter­mi­nus aus die­ser Ver­bin­dung und spricht in die­sem Semi­nar auch von „champ sco­pi­que“, „fan­tas­me sco­pi­que“, „inter­pré­ta­ti­on sco­pi­que“, „mon­de sco­pi­que“, „objet sco­pi­que“, „rap­port sco­pi­que“, „struc­tu­re sco­pi­que“, „sujet sco­pi­que“, Um das nach­bil­den zu kön­nen, über­set­ze ich mit dem Neo­lo­gis­mus „sko­pisch“. „Sko­pisch“ meint „auf das Betrach­ten, Beob­ach­ten, Schau­en, Bli­cken bezo­gen“ (wie etwa in „mikro-sko­pisch“); der Aus­druck geht auf das alt­grie­chi­sche Verb sko­pein zurück, „betrach­ten“, „beob­ach­ten“, „bese­hen“, „hin­bli­cken“, „spä­hen“, „umher­schau­en“.]

„Eine Beweis­füh­rung, ein­mal begrif­fen, ist bewie­sen, jedoch muss man noch ihre Stren­ge erfas­sen und die Ver­fah­ren.“ [? Was will Lacan hier damit sagen?] (17)

Abb. 5: Fens­ter und Rah­men (cad­re)

 

Das gespal­te­ne Sub­jekt wird durch das „Gestell“ (mon­ture) des Objekts a getra­gen. [Frü­her in die­sem Semi­nar hat­te Lacan das Objekt a als bâti bezeich­net, als „Auf­bau“88. [? War­um ver­wen­det Lacan für das Objekt a Kon­struk­ti­ons­me­ta­phern wie mon­ture und bâti und pra­ti­ca­ble (Praktabel)89?] (17)

[Das Objekt a ist die „Ursa­che“ für die Spal­tung des Sub­jekts, wie es in die­sem Semi­nar an ande­rer Stel­le heißt90, es „deter­mi­niert“ die Spal­tung des Sub­jekts91.]

Wo also hat das Objekt a in die­sem Sche­ma (Abb. 5) sei­nen Platz? (17)

Das Objekt a ist im Sche­ma an einem Ort zu suchen, an dem es stürzt und ver­schwin­det – ohne das wäre es nicht das Objekt a. [Das Objekt a ist das ver­schwun­de­ne Objekt, das ver­lo­re­ne Objekt, und die­ses Merk­mal muss im Sche­ma eine Ent­spre­chung fin­den.] (17)

Das Objekt a wird im Dia­gramm durch etwas reprä­sen­tiert, das den Punkt S stützt [das den Aug­punkt stützt, einen Punkt außer­halb des Bodens der Per­spek­ti­ve und außer­halb der Bild­ebe­ne], näm­lich durch den Ver­lauf von Ebe­ne S. [Ebe­ne S, auch „Ver­schwin­dungs­ebe­ne“ genannt, führt durch den Aug­punkt und ver­läuft par­al­lel zur Bild­ebe­ne. Die fol­gen­den Sät­ze machen klar, dass das Objekt a nicht etwa mit Ebe­ne S gleich­zu­set­zen ist, son­dern dass es auf Ebe­ne S zu loka­li­sie­ren ist.] (17–18)

Aller­dings ist im Dia­gramm [der durch den Punkt S füh­ren­den Ebe­ne S] etwas aus­ge­las­sen, das Fens­ter. In die­ser Ebe­ne gibt es jedoch immer das Fens­ter. [Der Blick als Objekt a ist ers­tens in der Ebe­ne ver­or­tet, die, par­al­lel zur Bild­ebe­ne, durch den Punkt S führt, und er ist, zwei­tens, in die­ser Ebe­ne das Fens­ter, also eine Öff­nung, durch die man hin­durch­se­hen kann. Der Blick als Objekt a ist der unter­drück­te Schau­trieb, ein „ver­lo­re­nes“ Objekt, ein Objekt, das fehlt. Das Fens­ter ver­eingt die­se bei­den Merk­ma­le: es bezieht sich auf das Sehen und es hat einen nega­ti­ven Cha­rak­ter, es ist ein Loch.] (18)

[Die Fens­ter­öff­nung „stürzt und ver­schwin­det“ in mehr­fa­chem Sinn: sie ist auf der Ver­schwin­dungs­ebe­ne ver­or­tet; sie ist ein Loch, ein Feh­len; und sie wird beim Hin­durch­schau­en nicht gesehen.]

[Lacan stellt hier indi­rekt den Anschluss als Freuds Bemer­kun­gen über das Ver­hält­nis von Schau­trieb und Fens­ter her (in der Wolfs­mann-Ana­ly­se und in der Ana­ly­se von E.T.A. Hof­manns Sandmann).]

[Mit dem Ter­mi­nus „Fens­ter“ über­nimmt Lacan zugleich einen Ter­mi­nus der Renais­sance-Per­spek­ti­ve­theo­rien; bei einer per­spek­ti­vi­schen Dar­stel­lung hat man den Ein­druck, sagt Alber­ti, durch ein „Fens­ter“ in einen Raum hin­ein­zu­schau­en. Das Fens­ter, von dem Lacan spricht, liegt jedoch nicht wie bei Alber­ti auf der Bild­ebe­ne, son­dern auf der Betrachterebene.]

[Das Dia­gramm, auf das Lacan sich in die­ser Sit­zung bezieht, ent­hält dem­nach offen­bar die durch S füh­ren­de Ebe­ne S, nicht aber das Ele­ment „Fens­ter“, das man in einem Dia­gramm der Rous­san-Ver­si­on des Semi­nars fin­det (das ich hier über­nom­men habe). Das dort ein­ge­zeich­ne­te Fens­ter ist dem­nach ent­we­der von Lacan wäh­rend der Sit­zung ein­ge­tra­gen wor­den oder es ist die Ergän­zung durch einen anony­men Her­aus­ge­ber. Durch den tran­skri­bier­ten Text ist jedoch gesi­chert, dass das Fens­ter in Ebe­ne S zu ver­or­ten ist.]

Das Fens­ter gehört zum struk­tu­rel­len Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Welt. [Das struk­tu­rel­le Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Welt ist, Lacan zufol­ge, durch die Spra­che bestimmt. Offen­bar soll die The­se ange­deu­tet wer­den, dass einer der Sprach­ef­fek­te dar­in besteht, dass es eine Art Sicht­öff­nung gibt, ein Loch im sko­pi­schen Feld.] (18)

In das struk­tu­rel­le Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Welt hat­te Lacan, er erin­nert dar­an, das Fens­ter bereits mehr­mals ein­ge­führt. [Zum Fens­ter hat­te Lacan sich im Angst-Semi­nar geäu­ßert (Semi­nar 10). Dort hieß es, das Fens­ter gehö­re zur Struk­tur des Phan­tas­mas; in der For­mel des Phan­tas­mas ($ ◊ a) wer­de es durch die Rau­te, ◊, reprä­sen­tiert. Lacan wech­selt hier also die Zuord­nung: das Fens­ter ent­spricht nicht dem Schnitt, son­dern dem Objekt a.] (18)

Das Sub­jekt steht in einem sko­pi­schen Ver­hält­nis zum Punkt S [zum Aug­punkt], von dem die Kon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve aus­geht.  (18)

Im sko­pi­schen Ver­hält­nis des Sub­jekts zum Punkt S erscheint etwas in der [zur Bild­ebe­ne] par­al­le­len Ebe­ne [in der Ebe­ne, die durch den Punkt S führt, also in Ebe­ne S, die ich „Ebe­ne des Betrach­ters“ nen­ne], erscheint etwas in der Wand, die den zwei­ten Punkt des Sub­jekts deter­mi­niert. [Ebe­ne S (die Sub­jekt­ebe­ne, die Betrach­ter­ebe­ne) deter­mi­niert den zwei­ten Sub­jekt­punkt (das ande­re Auge, den Distanz­punkt, den Punkt des bli­cken­den Sub­jekts im Unend­li­chen der Bild­ebe­ne), und zwar inso­fern, als die Posi­ti­on des zwei­ten Sub­jekt­punk­tes durch den Abstand der Ebe­ne S von der Bild­ebe­ne deter­mi­niert ist.] (18)

Die­ses Etwas erscheint spe­zi­fi­ziert, indi­vi­dua­li­siert in die­ser Wand. [Es erscheint etwas „spe­zi­fi­ziert“ und „indi­vi­dua­li­siert“ wohl inso­fern, als es spe­zi­ell um den Blick als Objekt a geht.] (18)

In die­ser Wand [also in Ebe­ne S, in der Ebe­ne des Betrach­ters] muss es eine Öff­nung geben, einen Spalt, eine Sicht, einen Blick. [Hier fällt das Wort „Blick“. Im Dia­gramm der Per­spek­ti­ve wird der Blick als Objekt a durch das Fens­ter reprä­sen­tiert, d.h. durch eine Sicht­öff­nung in der Ebe­ne des Betrach­ters (des Aug­punkts). Intui­tiv ist der Blick als Objekt a dem­nach als Sicht­öff­nung auf­zu­fas­sen: als Spalt, als Fens­ter­öff­nung. Der Begriff des Spalts erin­nert dar­an, dass die Trieb­quel­le, die ero­ge­ne Zone, die Form einer Spal­te hat, das heißt eines Ran­des.] (18)

Dies [das Fens­ter] ist das, was von der anfäng­li­chen Posi­ti­on der Kon­struk­ti­on aus [also von Punkt S aus] nicht gese­hen wer­den kann. [Ers­te Deu­tungs­mög­lich­keit: Das Fens­ter kann inso­fern nicht gese­hen wer­den, als im Sehen der Seh­spalt nicht gese­hen wird, Lacan kommt spä­ter dar­auf zurück. ] (18)

[Zwei­te Deu­tungs­mög­lich­keit: Das gemal­te Bild (tableau) ist nur ein Aus­schnitt aus der Bild­ebe­ne. Der anfäng­li­che Punkt der Kon­struk­ti­on, also der Aug­punkt S, erklärt nicht, war­um das gemal­te Bild nur einen Aus­schnitt dar­stellt. Neben dem Flucht­punkt und dem Distanz­punkt brau­chen wir des­halb eine drit­te Grö­ße, um ein per­spek­ti­vi­sches Bild zu kon­stru­ie­ren; auf Ebe­ne S muss etwas hin­zu­ge­fügt wer­den, das in der Pro­jek­ti­on auf die Bild­ebe­ne den Bild­aus­schnitt erzeugt, und die­ser Aus­schnitt­ge­ne­ra­tor ist das Fenster.]

Bereits im letz­ten Jahr [in Semi­nar 12, Schlüs­sel­pro­ble­me für die Psy­cho­ana­ly­se] haben wir uns auf die Funk­ti­on des Fens­ters bezo­gen. „als Flä­che des­sen, was zual­ler­erst als Signi­fi­kan­ten­funk­ti­on geschrie­ben wer­den kann“ [Lacan steht vor der Auf­ga­be, das Fens­ter – die Sicht­öff­nung – in zwei Bezü­gen zu ver­or­ten. Es soll sich auf die pro­jek­ti­ve Geo­me­trie bezie­hen und auf die Signi­fi­kan­ten und damit auf das struk­tu­rel­le Ver­hält­nis des Sub­jekts zur Welt. Die para­do­xe Idee ist hier, dass die „Fens­ter­öff­nung“ – ein Loch – eine „Flä­che“ ist und dass in die­se „Flä­che“ die Signi­fi­kan­ten geschrie­ben wer­den kön­nen. Das „Fens­ter“ ist grund­le­gend ist für die Funk­ti­on des Signi­fi­kan­ten. Was man viel­leicht so über­set­zen kann: Die Spra­che erzeugt zwangs­läu­fig ein Loch – einen Man­gel – auf der Ebe­ne des Schau­triebs (den Blick als Objekt a); das Funk­tio­nie­ren der Spra­che beruht auf der Unter­drü­ckung des Schau­triebs.] (18) 

[In Semi­nar 12 hat­te Lacan über einen Code gespro­chen, mit dem eine Frau ihrem Lieb­ha­ber anzeigt, dass sie „um 5 Uhr allein“ ist. Der Code besteht aus fünf Blu­men­töp­fen, die bei zurück­ge­zo­ge­nem Vor­hang in einem Fens­ter ste­hen; in der Sta­fer­la-Ver­si­on von Semi­nar 12 fin­det man hier­zu die fol­gen­de Zeichnung:

Fünf Uhr allein

Die Blu­men­töp­fe arti­ku­lie­ren eine Bot­schaft, sie haben eine Signi­fi­kan­ten­funk­ti­on, und dies hat zur Bedin­gung, dass sie in einem Fens­ter erschei­nen. Damit gibt es einen intui­ti­ven Hal­te­punkt für die The­se, dass die Signi­fi­kan­ten im Fens­ter erschei­nen und das Fens­ter zur Vor­aus­set­zung haben.]

[Im Angst-Semi­nar hat­te Lacan her­vor­ge­ho­ben, dass zum Phan­tas­ma des Wolfs­manns gehört, dass die auf einem Baum hocken­den Wöl­fe durch ein Fens­ter gese­hen wer­den. Dem­nach wäre in die­sem Phan­tas­ma der Blick der Wöl­fe nur ein Abglanz des Fens­ters als Blick.]

[Das „Fens­ter“ – die Sicht­öff­nung als Loch in der Ebe­ne des Betrach­ters – ist ein intui­ti­ves Kon­zept. Wie lässt es sich topo­lo­gisch rekon­stru­ie­ren? Indem man den Über­gang von der pro­jek­ti­ven Ebe­ne zur Kreuz­hau­be voll­zieht, den Lacan bereits in der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung ange­spro­chen hatte.]

Das Fens­ter ist auf die [Sphä­re-mit-]Kreuz­hau­be zu bezie­hen, also auf die topo­lo­gi­sche Struk­tur der pro­jek­ti­ven Ebe­ne. (18)

Die Kreuz­hau­be ermög­licht es, die ver­schie­de­nen von Lacan bereits gezeich­ne­ten Ebe­nen [also die Bild­ebe­ne und den pro­jek­ti­ven Grund] mit­ein­an­der zu nouer, zu ver­kno­ten, zu ver­bin­den, zu ver­schlin­gen. [? Was ist hier mit  nouer gemeint? Jede die­ser Ebe­nen ist ja eine pro­jek­ti­ve Ebe­ne, jede ent­spricht also einer geschlos­se­nen Kreuz­hau­be. Bezieht sich Lacan hier auf die topo­lo­gi­sche Ver­bin­dung meh­re­rer Kreuz­hau­ben?] (18)

In der Kreuz­hau­be ist das Fens­ter das Geloch­te. [Eine Kreuz­hau­be hat zwei soge­nann­te sin­gu­lä­re Punk­te, die Lacan auf einen redu­ziert; die­sen sin­gu­lä­ren Punkt bezeich­net er häu­fig als „Zen­tral­punkt“. Die­sen Zen­tral­punkt begreift er als Loch. Als  psy­cho­ana­ly­ti­sche Ent­spre­chung zum Loch in der Kreuz­hau­be hat­te er dort den Phal­lus bestimmt. Vgl. hier­zu in Lacan ent­zif­fern den Arti­kel Das Loch in der Kreuz­hau­be].] (18)

Das Geloch­te macht es mög­lich, dass sich das Her­ein­bre­chen des Objekts a voll­zieht, also des Objekts, von dem die Sub­jekt­spal­tung abhängt. [Grund­la­ge für die Objek­te a ist der Phal­lus, d.h. die Kas­tra­ti­on.] [? Wech­selt Lacan hier von der Deu­tung des Kreuz­hau­ben­lochs als Blick-Öff­nung zur Deu­tung als Phal­lus?](18–19)

[Das lässt sich so dar­stel­len92:]

Zeich­nung aus: Juan-David Nasio: Intro­duc­tion à la topo­lo­gie de Lacan. Payots et Riv­ages, Paris 2010, S. 89, von mir modi­fi­ziert, RN.

[In Semi­nar 9, Die Iden­ti­fi­zie­rung, wird das Loch in der Kreuz­hau­be als Phal­lus gedeu­tet; an der Stel­le die­ses Lochs, heißt es dort, kann das Objekt a ein­ge­führt wer­den (Sit­zung vom 23. Mai 1962). Jetzt wird das Loch in der Kreuz­ha­be mög­li­cher­wei­se neu inter­pre­tiert: als Blick-Öffnung.]

[Ins­ge­samt geht es also um die fol­gen­de Struk­tur und um die fol­gen­de Zuord­nun­gen (die­se Zuord­nun­gen hat­te Lacan erst­mals im lau­fen­den Semi­nar vor­ge­nom­men, in der Sit­zung vom 9. Febru­ar 1963):
(a) In die Kreuz­hau­be wird ein Schnitt in Form einer Innenacht eingetragen,der sich um den Zen­tral­punkt dreht, den Phal­lus bzw die Kas­tra­ti­on. Die­sem Schnitt ent­spricht in der For­mel des Phan­tas­mas der Raute (◊).
(b) Ein Teil der Kreuz­hau­be wird durch den Schnitt zu einem Möbi­us­band. Das Möbi­us­band reprä­sen­tiert das gespal­te­ne Subjekt, $.
(c) Die ande­re Teil­flä­che ist eine Schei­be, sie reprä­sen­tiert den Blick als Objekt a.
(d) Auf die­se Wei­se stellt die zer­schnit­te­ne Kreuz­hau­be die Struk­tur des Phan­tas­mas dar ($ ◊ a).]

(e) Die­se Schei­be ent­hält den Zen­tral­punkt, das Loch (den Phal­lus, die Kastration).
(f) Die Bezie­hung zwi­schen der Schei­be und dem Loch ver­weist dar­auf, dass das Objekt a die Funk­ti­on hat, die Kas­tra­ti­on (illu­so­risch) zu kompensieren.

In der Bezie­hung des Blicks zur gese­he­nen Welt ist das Fens­ter immer das, was eli­diert ist. [Im der Ord­nung des Sehens sind das bli­cken­de Sub­jekt und der Blick unsicht­bar, unzu­gäng­lich, sie wer­den aus­ge­blen­det.– Viel­leicht spielt Lacan hier auf eine Bemer­kung von Fou­cault in des­sen Las-meni­nas-Ana­ly­se an: „Das von ihm [dem gemal­ten Veláz­quez] beob­ach­te­te Schau­spiel ist also dop­pelt unsicht­bar: weil es nicht im Bild­raum reprä­sen­tiert ist und weil es genau in jenem blin­den Punkt, in jenem wesent­li­chen Ver­steck liegt, in dem sich uns unse­rer eige­ner Blick in dem Moment ent­zieht, in dem wir bli­cken.“93] (19)

Von die­sem Eli­diert­sein her kön­nen wir uns die Funk­ti­on des [Blicks als] Objekt a vor­stel­len: Das Fens­ter ist der Spalt zwi­schen den Lidern oder der Ein­gang der Pupil­le. (19) [Der Lid­rand bzw. der Pupil­len­rand ist nicht ein­fach der Blick als Objekt a, son­dern vom Lid­rand aus kann man sich den Blick als Objekt vor­stel­len, als das näm­lich, was im Sehen nicht gese­hen wer­den kann.] (19)

[Den Blick als Objekt a hat­te Lacan schon in frü­he­ren Tex­ten auf den Lid­rand bezo­gen; der Pupil­len­rand ist neu.]

[In den frü­he­ren Erläu­te­run­gen zum Blick als Objekt a (Semi­na­re 10 und 11) hat­te Lacan den Blick als Objekt a als punkt­för­mig und ver­schwin­dend cha­rak­te­ri­siert sowie als Licht­re­flex – in Semi­nar 10 als Reflex in den Augen­höh­len einer Bud­dha-Sta­tue, der die Augen­li­der feh­len94, in Semi­nar 11 als Reflex auf einer Kon­ser­ven­do­se95. Jetzt wech­selt die Beschrei­bung: von Punkt und vom Reflex zu Loch und Seh­spalt. Dies hängt viel­leicht damit zusam­men, dass Lacan sich in den frü­he­ren Dar­stel­lun­gen auf die Funk­ti­on des Blicks als Objekt a im Phan­tas­ma bezog, wäh­rend es ihm jetzt mög­li­cher­wei­se um den Blick als Objekt a im Trieb geht. Die Trieb­quel­len oder ero­ge­nen Zonen sind Kör­per­öff­nun­gen, im Fal­le des Schau­triebs also die Lid- und Pupillenöffnungen.]

[Das Ver­hält­nis zwi­schen der Struk­tur des Phan­tas­mas und der des Triebs hat­te Lacan bis zu die­sem Zeit­punkt vor allem im Zusam­men­hang mit dem Gra­phen des Begeh­rens beschäf­tigt (Semi­na­re 5 und 6 mit der End­fas­sung in Sub­ver­si­on des Sub­jekts (1962)), dar­auf ver­weist die Ähn­lich­keit der For­meln für das Phan­tas­ma ($◊a) und für den Trieb ($◊D). Im lau­fen­den Semi­nar 13 stützt er sich für den Trieb jedoch auf die Neu­fas­sung des Trieb­be­griffs in Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se (1964). Damit ist offen, wie das Ver­hält­nis von Phan­tas­ma und Trieb zu fas­sen ist. Klar ist nur, dass das Objekt a des Phan­tas­mas durch den Trieb kon­sti­tu­iert wird.]

[Einen Ansatz zur Deu­tung des Blicks als Loch fin­det man ganz am Ran­de auch in Semi­nar 11.96]

Abb. 6: Das Loch der Came­ra obscura

Die Funk­ti­on des Objekts a als Fens­ter, das heißt auch: die Came­ra obscu­ra (la chambre noi­re). [Genau­er gesagt ent­spricht dem Objekt a als Fens­ter das Loch einer Came­ra obscu­ra und damit etwa auch das Loch einer Loch­ka­me­ra.] (19)

*

[Bis zu die­sem Punkt gibt es die fol­gen­den Ent­spre­chun­gen zwi­schen, einer­seits, der Rekon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve mit­hil­fe der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie bzw. Topo­lo­gie und, ande­rer­seits, der Struk­tur des Phan­tas­mas ($ ◊ a):
– Flucht­punkt = ein belie­bi­ger Punkt auf der Horizontlinie:
–– das sehen­de Subjekt

– Distanz­punkt = der unend­lich fer­ne Punkt auf der Horizontlinie:
–– das bli­cken­de Subjekt

– Flucht­punkt und Distanz­punkt zusammen:
–– das gespal­te­ne Sub­jekt, $

– Fens­ter = Öff­nung in der Betrach­ter­ebe­ne (in Ebe­ne S), den Aug­punkt umge­bend = Zen­tral­punkt der Kreuz­hau­be als Loch:
-- Phal­lus, Kastration;
- Her­ein­bre­chen des Objekts a von die­sem Loch aus:
-- Blick als Objekt a als (illu­so­ri­sche) Kom­pen­sa­ti­on der Kastration

[? Die theo­re­ti­schen Haupt­pro­ble­me sind für mich bis hierher:
– Lässt sich Lacans Umdeu­tung der klas­si­schen Per­spek­ti­ve-Kon­struk­ti­on mit­hil­fe­der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie topo­lo­gisch halten?
– Lässt sich Lacans Deu­tung  des Zen­tral­punkts der Kreuz­hau­be als Loch topo­lo­gisch halten?
– Wie genau ver­hal­ten sich Schau­trieb und sko­pi­sches Phan­tas­ma zueinander?]

Das verdeckte Bild

Lacan kün­digt an, dass er dies am Bild Las meni­nas von Die­go Veláz­quez ver­an­schau­li­chen will, an einem Bild, das durch Fou­caults neu­es­te Arbeit [Die Ord­nung der Din­ge] in den Vor­der­grund gerückt sei. Fou­caults Art der For­schung sei von der­je­ni­gen, die Lacan hier im Namen der psy­cho­ana­ly­ti­schen Erfah­rung betreibt, nicht weit ent­fernt, auch wenn sie weder die­sel­be Grund­la­ge habe noch die­sel­be Inspi­ra­ti­on. (19)

Lacan lässt ein Dia von Las meni­nas zei­gen; es gibt ein tech­ni­sches Pro­blem, nur wenig ist zu erken­nen. (19–20 )

Er beginnt mit der Beschrei­bung des Gemäl­des: Im Bild steht der Maler [Die­go Veláz­quez] inmit­ten des­sen, was er malt. Was er malt, ist auf eine spe­zi­el­le Wei­se auf­ge­teilt; Lacan kün­digt an, dass er dar­auf zurück­kom­men wird. (20)

Der Maler arbei­tet an einem Bild, und man sieht die­ses Bild von hin­ten. Das Bild-im-Bild ist für uns, als Betrach­ter des Gemäl­des, umge­dreht. Das ist die wesent­li­che Ebe­ne, von der wir aus­ge­hen müs­sen, dar­um dreht sich die Funk­ti­on die­ses Gemäl­des. Fou­cault ist ihr aus­ge­wi­chen. [Fou­cault erwähnt mehr­fach, dass das Bild umge­dreht ist.97 Ich neh­me an, dass gemeint ist: Fou­cault fragt sich, auf wel­che Wei­se der Betrach­ter in das Bild ein­be­zo­gen ist und er erklärt das durch die Bli­cke des Malers und der ande­ren Figu­ren sowie damit, dass das Königs­paar, das im Spie­gel erscheint, als Modell am sel­ben Platz steht wie der Betrach­ter. Fou­cault sieht aber nicht, dass wir als Betrach­ter vor allem dadurch in das Gemäl­de ein­be­zo­gen sind, dass wir mit einem ver­deck­ten Bild kon­fron­tiert sind, d.h. dadurch, dass es uns eine Fra­ge auf­nö­tigt und uns damit in begeh­ren­de Sub­jek­te ver­wan­delt.] (20–21)

Das Bild-im-Bild fun­giert wie eine ver­deck­te Kar­te [in einem Kar­ten­spiel]. [Mit dem Kar­ten­spiel sind wir in einer Signi­fi­kan­ten­ord­nung, mit ver­deck­ten Kar­ten bei Signi­fi­kan­ten im Sin­ne der Psy­cho­ana­ly­se, bei sym­bo­li­schen Ele­men­ten, bei denen wir uns nach der Bedeu­tung fra­gen..] Hier­durch wird es zu einem Modul und Modell der ande­ren Kar­ten, inso­fern näm­lich, als die­ses Bild-im-Bild, die­se ver­deck­te Kar­te, den Betrach­ter dazu drängt, die eige­nen Kar­ten auf­zu­de­cken. Es hat eine Dis­kus­si­on dar­über gege­ben, was Veláz­quez dabei ist zu malen, und das Auf­de­cken der eige­nen Kar­te besteht dar­in, wie man die­se Fra­ge beant­wor­tet. Die Art, wie man die Fra­ge beant­wor­tet, ist für die Wir­kung von Las meni­nas wesent­lich. Die­ses Gemäl­de schlägt einen in Bann, es ist Gegen­stand aller mög­li­chen Dis­kus­sio­nen, und das hat damit zu tun, dass es den Betrach­ter nötigt, die Fra­ge zu beant­wor­ten, was auf dem Bild-im-Bild gemalt wird. (21–22)

Die zwei Runden des Schautriebs

Das Gemäl­de fes­selt einen, und das hat mit der Sub­ver­si­on des Sub­jekts zu tun, von der er, Lacan, zu Beginn die­ser Sit­zung gespro­chen hat­te [also mit der Her­stel­lung der Sub­jekt­spal­tung durch das Objekt a und also der Ver­wand­lung des Sub­jekts in ein begeh­ren­des Sub­jekt]. Das Gemäl­de bekommt dadurch sei­nen Wert, dass es sich auf die­se Sub­ver­si­on stützt. (22)

Das Ver­hält­nis zum Kunst­werk ist immer durch die­se Sub­ver­si­on gekenn­zeich­net; hier­auf bezieht sich wohl letzt­lich der Begriff der Sub­li­mie­rung. [Die Sub­li­mie­rung ist durch das Ver­hält­nis zur Lee­re bestimmt, zu einem Feh­len, heißt es seit dem Ethik-Semi­nar.] (22) 

[Bezo­gen auf Las meni­nas geht um den Schau­trieb.] Im Trieb­me­cha­nis­mus gibt es ein Hin und Zurück, näm­lich weg vom Sub­jekt [hin zum Objekt a und wie­der zurück] zum Sub­jekt, wobei das Zurück mit dem Hin nicht iden­tisch ist. [Vgl. hier­zu in Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se, Sit­zung vom 15. Mai 1964 über den Par­ti­al­trieb und sei­ne Kreis­bahn.] (22)

Die­se Hin-und-Zurück-Bewe­gung ent­spricht der Struk­tur eines Möbi­us­ban­des, d.h. das Sub­jekt voll­zieht eine ers­te Dre­hung, die nur eine hal­be Dre­hung ist, und lan­det damit auf der Rück­sei­te des Ban­des. Dann voll­zieht es auf der Rück­sei­te eine zwei­te Dre­hung, mit der es wie­der an den Aus­gangs­punkt gelangt. Das Sub­jekt muss also zwei Triebum­dre­hun­gen voll­zie­hen, damit wir die Sub­jekt­spal­tung erfas­sen kön­nen. [Das Möbi­us­band steht bei Lacan für das gespal­te­ne Sub­jekt, $. Im Kon­text des Schau­triebs ent­spricht die ers­te Dre­hung, so ver­mu­te ich, dem sehen­den Sub­jekt (das in der Kon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve durch den Flucht­punkt reprä­sen­tiert wird), die zwei­te Dre­hung ist die des bli­cken­den Sub­jekts (das im Sche­ma der Per­spek­ti­ve durch den Punkt im Unend­li­chen der Hori­zont­li­nie reprä­sen­tiert wird).] (22)

Abb. 8: Ent­wick­lung der Innenacht

[Abb. 8 zeigt eine soge­nann­ten Innenacht; die Innenacht ist ein Möbi­us­band, das auf eine Linie redu­ziert ist. Die äuße­re Linie, 1, stellt die ers­te Run­de dar, die inne­re trop­fen­för­mi­ge Linie, 2, die zwei­te Run­de. Die Zeich­nung ist irre­füh­rend, die durch einen dicken Punkt mar­kier­te Stel­le ist gera­de kein Schnitt­punkt, die Innenacht berührt sich nicht selbst.]

Wenn das Sub­jekt die­se zwei Umdre­hun­gen durch­lau­fen hat, „ver­näht“ es sich mit sei­ner Rück­sei­te [erzeugt es eine geschlos­se­ne Linie und kon­sti­tu­iert damit die Innenacht bzw. das Möbi­us­band]. (22)

Eben das wird uns von die­sem Gemäl­de gezeigt. Fes­selnd ist es eben des­halb, weil es sich nicht auf eine Dre­hung beschränkt, wie das für gewöhn­lich geschieht. [Das Gemäl­de Las meni­nas ist des­halb fes­selnd, weil es sich nicht auf das sehen­de Sub­jekt beschränkt, weg vom Sub­jekt, son­dern außer­dem das bli­cken­de Sub­jekt ins Spiel bringt, zurück zum Sub­jekt, und damit ins­ge­samt die Spal­tung im Schau­trieb. Es ist also danach zu fra­gen, wo im Bild die­se zwei­te Dre­hung voll­zo­gen wird.] (22–23)

Den Künst­lern, die uns [die Psy­cho­ana­ly­ti­ker] auf­su­chen, dient das Werk zur inter­nen Ver­wen­dung, es dient ihnen dazu, die eige­ne Schlei­fe zu voll­zie­hen [ihre Bil­der haben eine Funk­ti­on im Rah­men des Nar­ziss­mus]. Bei einem Meis­ter wie Veláz­quez hin­ge­gen ist der Betrach­ter in die Schlei­fe ein­ge­schlos­sen – es gibt kei­nen Muse­ums­be­su­cher, der von der Beson­der­heit die­ser Kom­po­si­ti­on nicht erfasst wäre. Man sagt, vor dem Gemäl­de geschieht etwas, dies näm­lich, dass wir, die Betrach­ter, vom Raum des Gemäl­des erfasst sind, und man ver­sucht her­aus­zu­fin­den, durch wel­che Per­spek­tive­kon­struk­ti­on und durch wel­che Tricks die­ser Effekt zustan­de kommt. [Lacan deu­tet an, dass die zwei­te Dre­hung, „zurück zum Sub­jekt“, damit zu tun hat, dass wir, die Betrach­ter, vom Raum des Gemäl­des erfasst sind.] (23)

[Ein Merk­mal der Sub­li­mie­rung ist, Freud zufol­ge, die sozia­le Wert­schät­zung des Kunst­werks. Der von Lacan hier vor­ge­brach­te Gegen­satz zwi­schen der Beschrän­kung auf die eige­ne Schlei­fe und dem Ein­schlie­ßen des Betrach­ters in die Schlei­fe ist mög­li­cher­wei­se eine Refor­mu­lie­rung des sozia­len Aspekts der Sub­li­mie­rung: Die sozia­le Wert­schät­zung (die Aner­ken­nung) beruht auf der Fes­se­lung (auf der Akti­vie­rung des Schau­triebs auf der Ebe­ne des bli­cken­den Sub­jekts) und die „Meis­ter“ zeich­nen sich dadurch aus, dass ihnen dies bei einem anony­men Publi­kum gelingt.]

Außer­dem fragt man sich, wel­che Funk­tio­nen die Figu­ren und Grup­pen haben. Man sieht nicht, dass es dabei um die­sel­be Fra­ge geht wie bei der Fra­ge nach der Beson­der­heit der Kom­po­si­ti­on. (23)

Im All­ge­mei­nen fragt man: Was tut der [im Bild gemal­te] Maler? Was malt er gera­de? [Das ist die durch das umge­dreh­te Bild auf­ge­nö­tig­te Fra­ge.] Die­se Fra­ge bezieht sich tat­säch­lich auf den Kern des Pro­blems und Lacan kün­digt an, dass er ver­su­chen wird, auf sie eine Ant­wort zu gaben. (23)

In der Kunst­kri­tik fragt man aller­dings häu­fig anders, näm­lich „Was hat er tun wol­len?“ So ist die Fra­ge falsch gestellt; das Bild ist fer­tig, und da ist es Unsinn, sich zu fra­gen, was der Maler tun woll­te. War­um wird die Fra­ge „Was hat er tun wol­len?“ den­noch gestellt? Weil wir etwas zu wis­sen begeh­ren, das sich auf das Begeh­ren des Ande­ren bezieht. Aber in die­sem Fal­le ist das kei­ne sinn­vol­le Fra­ge, wir sind nicht in der Posi­ti­on, ein Bild zu psy­cho­ana­ly­sie­ren – wir bezie­hen uns auf das, was der Maler bereits getan hat. (24)

Anders aus­ge­drückt: Bezo­gen auf die dop­pel­te Umdre­hung gilt, dass die ers­te Umdre­hung bereits rea­li­siert ist. Wir müs­sen nun noch die zwei­te Run­de voll­zie­hen. Dabei dür­fen wir die ers­te Umdre­hung jedoch nicht ver­pas­sen. [Die ers­te Umdre­hung bezieht sich, wie spä­ter in die­ser Sit­zung klar wer­den wird, auf das Sehen, die zwei­te Umdre­hung – das wird erst in der nächs­ten Sit­zung erkenn­bar – auf das Bli­cken. Wir soll­ten uns also fra­gen, wo im Bild die Run­de des Sehens voll­zo­gen wor­den ist und wo die Run­de des Bli­ckens.] (24–25)

Das verdeckte Bild als Vorstellungsrepräsentanz

Im Gemäl­de gibt es das Bild-im-Bild. Es nimmt [nahe­zu] die gesam­te Höhe des Gemäl­des ein. Auf­grund die­ser Höhe nimmt Lacan an, dass das Bild-im-Bild eben das Gemäl­de [Las meni­nas] dar­stellt [womit das Gemäl­de Las meni­nas gewis­ser­ma­ßen in sich selbst ein­ge­tra­gen ist; es gibt hier ein re-ent­ry, wie Spen­cer Brown sagen wür­de]. Ande­re [dar­un­ter Fou­cault] neh­men an, dass auf dem Bild-im-Bild der König und die Köni­gin gemalt wer­den, die außer­dem im Hin­ter­grund in einem Rah­men zu sehen sind [womit das Königs­paar also ers­tens vor dem Bild steht, als Modell, zwei­tens im Hin­ter­grund im Rah­men zu sehen ist und drit­tens, für uns unsicht­bar, auf dem Bild-im-Bild gemalt wird]. Lacan hält die­se Auf­fas­sung für falsch. Bereits die Grö­ße des Bil­des-im-Bild spre­che dage­gen. Er nimmt also an, dass das Bild-im-Bild eine Reprä­sen­ta­ti­on des Gemäl­des qua Rea­li­tät ist [dass es eine Reprä­sen­ta­ti­on des Gemäl­des Las meni­nas ist, das der Betrach­ter im Pra­do vor sich hat]. (25–26)

[Für das Fol­gen­de muss man sich klar machen, dass das fran­zö­si­sche Wort repré­sen­ta­ti­on nicht nur „Reprä­sen­ta­ti­on“ bedeu­tet, son­dern auch „Vor­stel­lung“, „Thea­ter­vor­stel­lung“ und „Dar­stel­lung“.]

Das pik­tu­ra­le Objekt [das im Gemäl­de dar­ge­stell­te Bild, das Bild-im-Bild] ist eine Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz. (26)

Damit ist nicht gemeint, das Bild-im-Bild [genau­er, sei­ne für uns unsicht­ba­re Vor­der­sei­te] sei die Vorstellung/​Darstellung und die [für uns sicht­ba­re] Staf­fe­lei sowie der Rah­men des Gemäl­des sei­en die Reprä­sen­tanz die­ser Dar­stel­lung. (26)

Mit „Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz“ ist viel­mehr gemeint, dass wir hier ein Bild im Bild haben. [Lacan deu­tet den Begriff „Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz“ als „Reprä­sen­tant einer Vorstellung/​Darstellung“ (vgl. in Lacan ent­zif­fern den Arti­kel Die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz). Wenn man den Geni­tiv so auf­fasst, kann man das Gemäl­de Las meni­nas, das der Betrach­ter als Rea­li­tät vor sich hat, als Vor­stel­lung /​ Reprä­sen­ta­ti­on /​ Dar­stel­lung auf­fas­sen, und das Bild-im-Bild als die Reprä­sen­tanz die­ser Vor­stel­lung /​ die­ser Reprä­sen­ta­ti­on /​ die­ser Dar­stel­lung. Eine der Über­set­zun­gen von „Reprä­sen­tant der Reprä­sen­ta­ti­on“ ist also „Bild im Bild“.] Ein Bild-im-Bild, das hat man hier zum ers­ten Mal gemacht, und seit­her ist das kaum wie­der gemacht wor­den [gemeint ist: Dies ist das ers­te Bild, in dem eben die­ses Bild noch ein­mal in sich ein­ge­tra­gen ist]. Das Bild im Bild ist nicht das Thea­ter im Thea­ter. [Wenn ein Thea­ter­stück eine Thea­ter­sze­ne ent­hält, ist die­se Sze­ne nicht noch ein­mal das Thea­ter­stück – in der play sce­ne in Ham­let wird nicht Ham­let gespielt.] (26) 

Abb. 9: René Magrit­te, La con­di­ti­on humaine, 1933
Öl auf Lein­wand, 100 x 81 cm
Natio­nal Gal­lery of Art, Washing­ton, D.C.
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

 

Das Bild im Bild ist ins­be­son­de­re von Magrit­te wie­der gemalt wor­den. [Lacan bezieht sich, wie schon frü­her in die­sem Semi­nar, auf Gemäl­de von Magrit­te, die Bil­der in einer Fens­ter­öff­nung dar­stel­len, wobei das Bild genau das zeigt, was ver­mut­lich zu sehen wäre, wenn man ohne das Bild-im-Bild aus dem Fens­ter schau­en wür­de. Das (im Gemäl­de dar­ge­stell­te) Bild ver­stopft die (im Gemäl­de dar­ge­stell­te) Fens­ter­öff­nung und bie­tet sich als Ersatz an. Wenn man das auf Lacans Perp­sek­ti­ven­kon­struk­ti­on bezieht, heißt das, in Magrit­tes Bil­dern wird die Distanz zwi­schen der Bild­ebe­ne und Ebe­ne des Betrach­ters abgeschafft.]

Die Abbil­dung der Rea­li­tät des Bil­des [durch das Bild-im-Bild in Las meni­nas] ist tat­säch­lich eine Reprä­sen­ta­ti­on [das Bild-im-Bild reprä­sen­tiert das Gemäl­de Las meni­nas]. Das soll uns jedoch zei­gen, dass es zwi­schen der Rea­li­tät [dem heu­te im Pra­do hän­gen­den Gemäl­de Las meni­nas] und der Reprä­sen­ta­ti­on [dem Bild-im-Bild] eine Bezie­hung der wech­sel­sei­ti­gen Sät­ti­gung gibt. [Die bei­den Sei­ten des Reprä­sen­ta­ti­ons­ver­hält­nis­ses wer­den in gewis­sem Sin­ne gleich­ge­setzt, der Abstand zwi­schen ihnen wird besei­tigt, ähn­lich wie in Magrit­tes Fensterbildern.] 

Und damit zeigt das Bild-im-Bild von Las meni­nas, dass das Bild wesent­lich gera­de nicht durch die Reprä­sen­ta­ti­on kon­sti­tu­iert ist [wohl im Sin­ne von: dass es beim gemal­ten Bild nicht pri­mär um die Ver­dop­pe­lung des Objekts geht]. (26–27)

Die Wir­kung des Bil­des-im-Bild ist [eine ande­re als die der Reprä­sen­ta­ti­on], die Wir­kung des Bil­des-im-Bild ist Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz. [Unter einer Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz ver­steht Lacan einen Signi­fik­an­tenn, der sich auf ein feh­len­des, nicht-reprä­sen­tier­ba­res Objekt bezieht. Die­ser Signi­fi­kan­ten­cha­rak­ter teilt sich dem gesam­ten Bild mit.] (27)

[Mit dem Begriff „Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz“ bezieht Freud sich auf den Trieb, die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz ist Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz des Trie­bes; im aktu­el­len Kon­text geht es um die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz des Schautriebs.
Mit der Oppo­si­ti­on Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz ver­sus Reprä­sen­ta­ti­on for­mu­liert Lacan mög­li­cher­wei­se einen Ein­wand gegen Fou­cault. Fou­cault ist der Auf­fas­sung, dass es in Las meni­nas wesent­lich um repré­sen­ta­ti­on geht (um Reprä­sen­ta­ti­on, Vor­stel­lung, Dar­stel­lung). Fou­caults Begriff der Reprä­sen­ta­ti­on ist für Lacan mög­li­cher­wei­se zu flach, für die Zwe­cke der Trie­b­ana­ly­se benö­tigt er einen Begriff, in dem ein mani­fes­tes Ele­ment auf ein feh­len­des Ele­ment ver­weist, und hier­zu dient ihm der Begriff der Vorstellungsrepräsentanz.]

Wor­in besteht die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz im Bild [abge­se­hen vom Bild-im-Bild]? Dar­in, dass die Per­so­nen mit vol­ler Über­zeu­gung als Per­so­nen des Hofes „in einer Vor­stel­lung sind“ (sont en repré­sen­ta­ti­on), eine Vor­stel­lung geben, dass sie jedoch von dem, was sie durch ihre Auf­füh­rung reprä­sen­tie­ren, kei­ne Vor­stel­lung haben. [Mit être en repré­sen­ta­ti­on ver­weist Lacan auf das Schau­spiel, auf das Thea­ter. Die Per­so­nen geben eine Vor­stel­lung, sie geben etwas zu sehen, sie stel­len sich als etwas ande­res dar als sie sind. Sie haben jedoch kei­ne Vor­stel­lung von dem, was sie reprä­sen­tie­ren. Inso­fern sind sie Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tan­zen: Reprä­sen­tan­ten einer feh­len­den Vor­stel­lung.] (27) 

Dass die Per­so­nen zu Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tan­zen wer­den, ist die Wir­kung von dem Etwas, was in den Raum des Bil­des ein­ge­führt wird [näm­lich die Wir­kung des Bil­des-im-Bild]. [Das Bild-im-Bild ist ein Modul und Modell der ande­ren Kar­ten, hieß es S. 21; es über­trägt den Cha­rak­ter der Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz auf die gemal­ten Per­so­nen.] (27)

Die Infantin: „Lass sehen!“

Von daher erhält die Tat­sa­che, dass Veláz­quez sich inmit­ten die­ser Grup­pe dar­stellt, ihre gan­ze Bedeu­tung; das geht über ein­fa­chen sozia­len Rela­ti­vis­mus hin­aus. (27)

Bei der Ana­ly­se des Gemäl­des soll­te man nicht von der Fra­ge aus­ge­hen, die sich durch die Gegen­wart des Wer­kes selbst annul­liert [also nicht von der Fra­ge, was der Maler tun woll­te]. Man soll­te sich von der zen­tra­len Per­son des Bil­des füh­ren las­sen, von die Infan­tin. Sie stellt sich in die­sen Raum vor uns hin, und für alle die das Bild gese­hen haben und die sich dazu geäu­ßert haben, ist sie ein Fra­ge­zei­chen. Das Fra­ge­zei­chen, vor das die­ses Bild uns stellt, das sind die Schreie, die aus dem Mund der Infan­tin aus­ge­sto­ßen wer­den; von die­sen Schrei­en soll­te man aus­ge­hen, um die zwei­te Run­de [des Schau­triebs] voll­zie­hen zu kön­nen. In Fou­caults Ana­ly­se des Bil­des ist das ver­säumt wor­den. (27–28)

Die Infan­tin schreit: „Lass sehen!“, lass das sehen, was auf der ande­ren Sei­te der Lein­wand ist. [Damit sind wir bei der ers­ten Run­de des Schau­triebs, beim Sehen. Die­se Seh-For­de­rung ermög­licht dem Über­gang zur zwei­ten Run­de, zum Bli­cken.] (28)

Wir sind mehr oder weni­ger bereit, die­ses „Lass sehen!“ aus­zu­spre­chen. [Wir soll­ten bei der Bild­ana­ly­se nicht fra­gen, was der Maler tun woll­te, son­dern was das Bild mit uns macht, wozu es uns anreizt. Das umge­dreh­te Bild-im-Bild drängt uns die Fra­ge auf, was auf der Vor­der­sei­te gemal­te wird, Fou­cault hat­te die­sen Punkt über­gan­gen. Die Infan­tin fun­giert im Bild (in Lacans Deu­tung) als die Per­so­ni­fi­zie­rung unse­rer Fra­ge.] (28)

[„Lass sehen!“ (fait voir!) ist eine deman­de, ein Anspruch, eine For­de­rung (zum Begeh­ren kom­men wir nur auf dem Weg über den Anspruch). Die­se For­de­rung bezieht sich auf das Sehen. Wir sind hier beim sehen­den Sub­jekt (also bei der ers­ten Umdre­hung des Schau­triebs), nicht beim bli­cken­den Subjekt.]

[Die For­de­rung „Lass sehen!“ erin­nert an die Geschich­te der Maler Zeu­xis und Par­r­ha­si­os, an die Lacan in Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe, erin­nert hat­te: Zeu­xis gelingt es, Trau­ben so zu malen, dass sie selbst Vögel zu täu­schen ver­mö­gen. Par­r­ha­si­os jedoch trägt den Sieg davon, als er auf eine Mau­er einen Vor­hang so täu­schend malt, dass Zeu­xis zu ihm sagt: „Gut, und jetzt zeig uns, was du dahin­ter gemacht hat.“ Das umge­kehr­te Bild-im-Bild funk­tio­niert wie ein Vor­hang, wie ein Schlei­er, es erzeugt die Illu­si­on, dass etwas dahin­ter ist und pro­vo­ziert den Anspruch, das, was dahin­ter zu sein scheint, zu sehen.]

Die übrigen Personen: geben eine Vorstellung

Von die­sem „Lass sehen!“ her kön­nen die Per­so­nen als das auf­tau­chen, was sie sind, näm­lich Per­so­nen, die wesent­lich eine Vor­stel­lung geben [das heißt, die etwas ver­ber­gen]. (28–29)

[Ein­lei­tend hat­te Lacan erklärt, dass die ers­te Run­de (des Schau­triebs) bereits voll­zo­gen wor­den sei, dass es dar­um gehe, die zwei­te zu dre­hen, dass man die ers­te jedoch nicht ver­pas­sen dür­fe. Dar­auf folg­ten die Bemer­kun­gen über das umge­dreh­te Bild-im-Bild als Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz, über die dar­ge­stell­ten Per­so­nen als Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tan­zen und über die Infan­tin als Per­so­ni­fi­zie­rung der For­de­rung „Lass sehen!“. Die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz, die die Anspruch „Lass sehen!“ pro­vo­ziert, gehört dem­nach zur ers­ten Run­de des Schau­triebs, zum Sehen im Unter­schied zum Blicken.] 

Nieto Velázquez: das sehende Subjekt als Abwehr

Abb. 11: Las meni­nas, Aus­schnitt: Der Mann in der Tür

Aber wir sehen auch die per­spek­ti­vi­sche Mon­ta­ge des Bil­des. [Damit kün­digt Lacan an, dass er sich nun dem Flucht­punkt (dem sehen­den Sub­jekt), dem Distanz­punkt (dem bli­cken­den Sub­jekt) und dem „Fens­ter“ (dem Blick als Objekt a) zuwen­den wird.] (29)

Die Per­son in der Tür im Hin­ter­grund, die den Raum ver­lässt, ist an dem Platz, an dem die Lini­en der Per­spek­ti­ve die­ses Bil­des zusam­men­lau­fen; der Flucht­punkt liegt zwi­schen ihrem Gesicht und ihrem Ell­bo­gen. [Die­se Per­son ist am Flucht­punkt, d.h. sie ent­spricht dem sehen­den Sub­jekt.– Ob die­se Per­son den Raum ver­lässt oder ihn gera­de betritt, ist unter Kunst­his­to­ri­kern umstrit­ten.] (29)

Dass gera­de die­se Per­son am Flucht­punkt ver­or­tet ist und dass sie hin­aus­geht, ist bei­des kein Zufall. [? Bezieht sich Lacan hier auf die Ver­bin­dung von „Flucht“ und „sich davon­ma­chen“?] (29)

Die­se Per­son heißt eben­falls Veláz­quez, Nieto mit Vor­na­men. Nieto Veláz­quez war an der Ent­schei­dung betei­ligt, durch die Die­go Veláz­quez, der Maler, das Amt eines apo­sen­ta­dor des Königs erhielt, eines Groß­mar­schalls. [Nieto Veláz­quez selbst hat­te die­ses Amt bereits inne.] Nieto Veláz­quez ist also eine Per­son, durch wel­che Die­go Veláz­quez ver­dop­pelt wird. [Sol­che Ver­dop­pe­lun­gen sind Lacan zufol­ge cha­rak­te­ris­tisch für das ima­gi­nä­re Ich (moi) – das Ich exis­tiert nur in der Ver­dop­pe­lung. Im Gra­phen des Begeh­rens wird die­se Ver­dop­pe­lung durch die Bezie­hung zwi­schen m (moi) und i(a) dar­ge­stellt (image de l’autre).98. Das sehen­de Sub­jekt ent­spricht also, im sko­pi­schen Feld, dem Ich (moi) in sei­ner Dop­pel­gän­ger-Struk­tur.] (29)

Die­se Per­son wird dadurch cha­rak­te­ri­siert, dass sie das, was wir nicht sehen kön­nen und in Bezug auf das wir „Lass sehen!“ for­dern, dass sie das bereits gese­hen hat und dass sie sogar zu viel davon gese­hen hat: sie geht weg. [Damit wird Nieto Veláz­quez in einen Gegen­satz zur Infan­tin gebracht. Anders als die Infan­tin erhebt Nieto Veláz­quez kei­nen Anspruch und ver­mei­det damit den Über­gang vom Anspruch zum Begeh­ren.] (29–30)

[Für Fou­cault ist Nieto Veláz­quez der in das Gemäl­de pro­ji­zier­te Betrach­ter, der die Sze­ne anschaut.]

Damit wird die Funk­ti­on des „Auges“ [im Gegen­satz zum Blick] bezeich­net, es ist durch ein „gese­hen“ cha­rak­te­ri­siert, das defi­ni­tiv ist. [Lacan greift hier auf die in Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe, ent­wi­ckel­ten Gegen­satz von „Auge“ und „Blick“ zurück, die er in der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung und zu Beginn die­ser Sit­zung durch die Oppo­si­ti­on zwi­schen dem „sehen­den Sub­jekt“ und dem „bli­cken­den Sub­jekt“ ersetzt hat­te. Das „Auge“ ent­spricht also dem sehen­den Sub­jekt.– Das Ich (moi) hat die Funk­ti­on der Abwehr, im sko­pi­schen Feld fun­giert es als die Instanz, die genug gese­hen hat. Nieto Veláz­quez ent­spricht also dem Flucht­punkt und damit dem sehen­den Sub­jekt (dem Auge) in der Funk­ti­on der Abwehr. (30)

[Das sehen­de Sub­jekt wäre also zum einen der Anspruch, etwas sehen zu wol­len – einen Vor­hang bei­sei­te zu schie­ben, einen Schlei­er abzu­rei­ßen, ein ver­deck­tes Bild umzu­dre­hen. Damit eröff­net sich die Dyna­mik von Anspruch und Begeh­ren. Und es wäre zwei­tens durch Abwehr gekenn­zeich­net: durch das Genug-gese­hen-Haben, durch das Nicht-mehr-sehen-Wol­len, durch das Davon­ge­hen. Dies wäre der Aspekt des Ichs (moi) im sko­pi­schen Feld.]

Diego Velázquez: das blickende Subjekt

Der Maler – der gemal­te Die­go Veláz­quez – hat eine bestimm­te Posi­ti­on [in deut­li­chem Abstand zum Bild]. Er rich­tet den Blick auf uns, die Betrach­ter. Dabei ist sien Blick so wenig nach außen gerich­tet hat wie nur mög­lich, das sagt die Mehr­heit der Autoren, die sich zu die­sem Bild geäu­ßert haben; Veláz­quez hat [hier­durch] ein träu­me­ri­sches, abwe­sen­des Aus­se­hen. (30)

Abb. 11: Las meni­nas, Aus­schnitt: Der Maler

Das Aus­se­hen des gemal­ten Malers zeigt, so wird gesagt, dass er auf einen diseg­no inter­no gerich­tet ist, auf einen inne­ren Ent­wurf [näm­lich auf den Ent­wurf des Gemäl­des Las meni­nas]. So wird ange­zeigt, dass er eine Dop­pel­rol­le hat: er ist Bestand­teil eines Gemäl­des, das er gleich­zei­tig kom­po­niert. (30–31)

Mit diseg­no inter­no wird das im manie­ris­ti­schen Dis­kurs bezeich­net, womit er, Lacan, sagen wol­le, dass es in die­sem Dis­kurs kei­ne Meta­pher gibt, dass die Meta­pher hier als rea­ler Bestand­teil hin­zu­kommt. [? Ist das eine Anspie­lung auf die Psy­cho­se? Sie beruht ja dar­auf, dass der Name-des-Vaters ver­wor­fen ist, dass also kei­ne Vater­me­ta­pher gebil­det wor­den ist. Das, was im Sym­bo­li­schen ver­wor­fen ist, kehrt im Rea­len wie­der.] (30)

Das Gesicht von Veláz­quez ist das Zei­chen dafür, dass er im Bild anwe­send ist und es zugleich kom­po­niert; das ist ein struk­tu­rel­ler Punkt, durch den uns bezeich­net wird, wie es mög­lich ist, dass jemand, der auf dem Bild erscheint, sie als „bli­cken­des Sub­jekt“ stützt. [Der gemal­te Veláz­quez ent­spricht dem­nach dem bli­cken­den Sub­jekt.] (30–31)

 In der Per­spek­tive­kon­struk­ti­on wird das bli­cken­de Sub­jekt durch einen Punkt im Unend­li­chen reprä­sen­tiert. Es muss also noch erklärt wer­den, wie das bli­cken­de Sub­jekt auf dem für uns sicht­ba­ren Gemäl­de erschei­nen, also im Endlichen.]

Das ist etwas Ver­blüf­fen­des, das nur von der topo­lo­gi­schen Struk­tur her bestimmt wer­den kann, die er, Lacan, ein­ge­führt hat. [Näm­lich von der Bezie­hung zwi­schen dem Distanz­punkt im Unend­li­chen der Hori­zont­li­nie (dem Punkt des bli­cken­den Sub­jekts) und dem Fens­ter in Ebe­ne S (und damit dem Blick als Objekt a).] (31)

Beziehung des Gemäldes zum Fenster

Über zwei Merk­ma­le des gemal­ten Malers ist zu spre­chen. Ers­tens über das, wor­auf sich sein Blick rich­tet. Alle sagen, dass wir es sind, die Betrach­ter, auf die sich sein Blick rich­tet. [Die­se Auf­fas­sung ver­tritt u.a. Fou­cault.] Und dar­an ist rich­tig, dass sein Blick uns zu etwas auf­ruft, denn wir reagie­ren so, wie er, Lacan, es gesagt hat. [Indem wir näm­lich den Anspruch erhe­ben: „Lass sehen!“] (31)

Ent­schei­dend am Blick des gemal­ten Malers [der sich nach außen und zugleich nach innen rich­tet] ist jedoch, dass er eines der Ele­men­te ist, die dazu füh­ren, dass sich das Gemäl­de bis in die Dimen­si­on des Fens­ters erstreckt [und damit den Abstand zwi­schen der Bild­ebe­ne und der Ebe­ne des betrach­ten­den Sub­jekts ins Spiel bringt]. Ins­ge­samt wird der Bezug des Gemäl­des auf das Fens­ter durch drei Fak­to­ren her­ge­stellt: zum einen durch den Blick des gemal­ten Veláz­quez [durch das bli­cken­de Sub­jekt], außer­dem durch das von uns weg­ge­dreh­te Bild-im-Bild [also durch die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz, durch den Signi­fi­kan­ten] und schließ­lich durch den gemal­ten Raum, der alle als ein­ma­lig ver­blüfft [inso­fern der gemal­te Raum gewis­ser­ma­ßen auf den Raum vor dem Bild über­greift]. (31)

Auf einer Sei­te des [wirk­li­chen] Bil­des [näm­lich auf der lin­ken Bild­sei­te] wird durch das Bild[-im-Bild] der Raum vor dem Bild erzeugt [im Sche­ma der Per­spek­ti­ve ist der Raum vor dem Bild der Abstand zwi­schen der Bild­ebe­ne und der Ebe­ne des betrach­ten­den Sub­jekts]. Das Bild-im-Bild ist gewis­ser­ma­ßen in sich umge­stülpt, wir wer­den [durch es] als die­je­ni­gen bezeich­net, die die­sen Raum bewohn­ten [inso­fern als das Bild-im-Bild uns die Fra­ge auf­drängt, was auf der abge­wand­ten Vor­der­sei­te zu sehen ist; durch die­se Fra­ge wer­den wir zu Sub­jek­ten, ent­spre­chend dem Punkt S, dem Aug­punkt]. Und im Blick des gemal­ten Veláz­quez [des bli­cken­den Sub­jekts] wird das Fens­ter ver­ge­gen­wär­tigt [und damit der Blick als Objekt a]. Es ist nicht zufäl­lig, dass Veláz­quez [im Gemäl­de] an die­sem Platz steht [in deut­li­chem Abstand zum Bild-im-Bild] und dass er die­se [träu­me­ri­sche] Hal­tung ein­nimmt. Dies bei­des [das umge­dreh­te Bild und außer­dem Blick und Posi­ti­on von Veláz­quez] ist das, was uns fes­selt. (31–32)

[Der Blick als Objekt a wird also ins Spiel gebracht einer­seits durch das bli­cken­de Sub­jekt (der gemal­te Maler), ande­rer­seits durch den Signi­fi­kan­ten (das Bild im Bild), drit­tens durch den Raum. Die fes­seln­de Wir­kung des Bil­des beruht dar­auf, dass es durch das Zusam­men­wir­ken der genann­ten drei Fak­to­ren die Ebe­ne des Betrach­ters ins Spiel bringt, d.h. dass es den Betrach­ter in die Posi­ti­on des Blicks bringt.99]

Der Abstand des blickenden Subjekts und die Spur seiner Rückkehr

[Lacan spricht jetzt, nach dem Objekt des Blicks, über das zwei­te Merk­mal des gemal­ten Veláz­quez.] Im Bild gibt es eine Über­schnei­dung [der Gedan­ke bricht ab, wir erfah­ren nicht, was sich womit über­schnei­det]. (32)

Im Gemäl­de ist der Raum zwi­schen dem gemal­ten Malers und dem Bild-im-Bild deut­lich betont, der Maler steht so weit vom Bild ent­fernt, dass er es nicht errei­chen kann. Dar­in liegt eine Absicht. [Der Abstand des gemal­ten Malers vom Bild-im-Bild wie­der­holt inner­halb des Bil­des den Abstand des Betrach­ters vom Bild, ähn­lich wie im Sche­ma der Per­spek­ti­ve die Distanz zwi­schen Aug­punkt und Flucht­punkt inner­halb des Bil­des durch den Abstand von Flucht­punkt und Distanz­punkt auf­ge­nom­men wird. Wenn der gemal­te Maler dem bli­cken­den Sub­jekt ent­spricht und das Bild-im-Bild dem Signi­fi­kan­ten, geht es hier also um den Abstand des bli­cken­den Sub­jekts vom Signi­fi­kan­ten.– Den Abstand des gemal­ten Malers vom Bild-im-Bild hat­te Fou­cault gleich in den ers­ten Sät­zen sei­ner Las-meni­nas-Ana­ly­se her­vor­ge­ho­ben.] (32)

Der Abstand des Malers vom Bild wird dadurch betont, dass die übri­gen Per­so­nen des Bil­des in zwei Grup­pen auf­ge­teilt sind, eine, die vor dem Maler steht, und eine, die hin­ter ihm plat­ziert ist. Auf die­se Wei­se wird uns der Abstand des Malers vom Bild-im-Bild nicht nur prä­sen­tiert (pré­sen­té), son­dern uns durch die­se Spur auch ver­ge­gen­wär­tigt (pré­sen­ti­fié) [durch die Spur, die im Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen besteht]. Eine Quer­li­nie [zwi­schen den bei­den Grup­pen] mar­kiert, dass es sich hier [bei ihrem Abstand] gewis­ser­ma­ßen um das Kiel­was­ser des Vor­über­ge­hens der phan­tas­ma­ti­schen Gegen­wart des Malers als bli­cken­des Sub­jekts han­delt. [Der Abstand des gemal­ten Malers vom Bild wird durch den Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen gewis­ser­ma­ßen ver­dop­pelt. Dabei deu­tet Lacan den Abstand zwi­schen den Grup­pen so, dass der Maler gewis­ser­ma­ßen zwi­schen den Per­so­nen hin­durch­ge­gan­gen ist und sie dadurch in zwei Grup­pen auf­ge­teilt hat; das Gemäl­de Las meni­nas erfasst den Maler in einer Art Moment­auf­nah­me am Ende die­ses Durch­gangs. Die Distanz zwi­schen den Grup­pen ist das Kiel­was­ser, dass der Maler durch sei­nen Durch­gang erzeugt hat, sie ist die Spur sei­nes Vor­über­ge­hens als bli­cken­des Sub­jekt. Fest­zu­hal­ten ist, dass der Maler hier als bli­cken­des Sub­jekt bezeich­net wird und dass sein Durch­gang als „phan­tas­ma­tisch“ cha­rak­te­ri­siert wird.] (32–33) 

[Die Zeich­nung unten zeigt eine Auf­sicht der gemal­ten Sze­ne. Den Abstand des Malers vom Bild habe ich mit einer blau­en Line ein­ge­tra­gen, die Distanz zwi­schen den bei­den Grup­pen mit einer grünen.]

[? Wel­che „Quer­li­nie“ ist gemeint? Die Kom­po­si­ti­ons­li­nie, die vom Gesicht des Malers zur unte­ren rech­ten Bild-Ecke führt? Oder die Linie, die man auf dem Boden zie­hen könn­te und durch wel­che die Posi­ti­on des Malers, ent­fernt vom Bild, mit dem Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen ver­bun­den wird? Oder bei­des zusam­men, die Kom­po­si­ti­ons­li­nie und die insze­nier­te Kluft inner­halb der Gruppe?]

[Lacan fasst sei­ne Rekon­struk­ti­on des Distanz­punk­tes in einer For­mu­lie­rung zusam­men, die einen Ver­spre­cher ent­hält:] Das „Blick­sub­jekt kommt irgend­wo auf die Ebe­ne der Über­schnei­dung der Grund­li­nie mit dem Boden der Per­spek­ti­ve und an einem Punkt im Unend­li­chen“. [Es müss­te hei­ßen: Das bli­cken­de Sub­jekt ist an dem Punkt ver­or­tet, an dem sich die Grund­li­nie (d.h. die Über­schnei­dung der Bild­ebe­ne mit dem Boden der Per­spek­ti­ve) mit der unend­lich fer­nen Linie der Bild­ebe­ne schnei­det, also an dem unend­lich fer­nen Punkt der Grund­li­nie.] Die­ser Punkt des Blick­sub­jekts ist der Punkt, aus dem Veláz­quez einen der Züge die­ses Selbst­por­träts gemacht hat, indem er ihm eine gespens­ti­sche Form gege­ben hat. [Veláz­quez, das bli­cken­de Sub­jekt, ist von einem Punkt im Unend­li­chen zurück­ge­kehrt, und der Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen ist die Spur die­ser Rück­kehr aus dem Unend­li­chen. Die The­se, dass der Maler von einem Punkt im Unend­li­chen zurück­kehrt, wird hier nur ange­deu­tet, in der Fol­ge­sit­zung wird sie aus­drück­lich for­mu­liert (Ver­si­on J.L. Sei­te 40). Die gespens­ti­sche Form des Selbst­por­träts ist dem­nach eine Ent­spre­chung dazu, dass der Distanz­punkt unend­lich ent­fernt ist. Mit „gespens­tisch“ spielt Lacan sicher­lich auf das Phan­tas­ma an – das bli­cken­de Sub­jekt fun­giert als Teil des Phan­tas­mas.] (33)

[Der gemal­te Maler zeich­net sich also durch fol­gen­de Merk­ma­le aus: die Rich­tung des Blicks (damit der Bezug auf das Fens­ter), das träu­me­ri­sche Aus­s­se­hen, der Abstand vom Bild und die Ver­bin­dung mit dem Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen als Spur sei­ner Rückkkehr von einem Punkt im Unendlichen.]

Die­se Art des Por­träts unter­schei­det sich deut­lich vom [sons­ti­gen Por­trät-]Stil des Malers, etwa vom Por­trät von Inno­cent X. (33)

Abb. 14: Die­go Veláz­quez, Innon­zenz X., ca. 1650
Öl auf Lein­wand, 140 x 120 cm, Gal­le­ria Doria Pam­philj, Rom
In grö­ße­rer Auf­lö­sung in sepa­ra­tem Fens­ter öffnen

[Der gemal­te] Veláz­quez wür­de Ihnen sagen: „Glau­ben Sie etwa, mit die­sem Trop­fen da, mit die­sem Öl, mit die­sem Pin­sel wür­de ich ein Selbst­por­trät malen?“ [Das bezieht sich auf die klas­si­schen Attri­bu­te des Malers, die in Las meni­nas Teil des Selbst­por­träts sind: die Palet­te mit Far­ben und der Pin­sel (auf guten Repro­duk­tio­nen sieht man auch den Mal­stock). Lacan deu­tet das Aus­se­hen des Malers so, dass sein Blick die tra­di­tio­nel­len Hand­werks­at­tri­bu­te in Fra­ge stellt und damit als eine Art Imma­te­ria­li­sie­rung des Por­träts. Das Selbst­por­trät von Veláz­quez ist also kein Selbst­por­trät, son­dern das Gespenst des bli­cken­den Sub­jekts.]  [? Wie ist die­ser Geni­tiv auf­zu­fas­sen? (a) das Gespenst, also das bli­cken­de Sub­jekt, (b) das Gespenst des bli­cken­den Sub­jekts, wel­ches selbst kein Gespenst ist.– ?] (33) 

Das Gespenst des bli­cken­den Sub­jekts ist durch die Spur [von einem Punkt im Unend­li­chen] wie­der­ge­kehrt. [Der Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen ist die Spur des Durch­gangs des Gespensts.] [Die For­mu­lie­rung spielt auf das Gespenst als Wie­der­gän­ger an (als Wesen, das von den Toten zurück­ge­kehrt ist), sie ver­weist außer­dem auf die Hin-und-Zurück-Bewe­gung des Schau­triebs sowie auf die Wie­der­kehr des Ver­dräng­ten.] (33) 

[Damit ist klar, wor­in für Lacan in die­sem Gemäl­de die zwei­te Run­de des Schau­triebs besteht: in der Rück­kehr von Veláz­quz an den Platz neben dem Bild im Bild, aus­ge­hend von einem Punkt im Unendlichen.]

Die Spur [des bli­cken­den Sub­jekts] schwingt hier in allen Per­so­nen mit. Man behaup­tet über die­ses Bild, es sei ein Bild der sich kreu­zen­den Bli­cke, eine Art Inter-Visi­on, so als ob alle in einer Bezie­hung zu allen ande­ren stün­den. [Damit wären wir bei der Bezie­hung zum ima­gi­nä­ren ande­ren.] Tat­säch­lich aber fixiert kei­ner der Bli­cke irgend­et­was, mit Aus­nah­me der Hof­da­me, die auf die Infan­tin schaut; alle ande­ren Bli­cke ver­lie­ren sich in einem unsicht­ba­ren Punkt. [Mit dem „unsicht­ba­ren Punkt“ spielt Lacan wohl auf den unend­lich fer­nen Punkt auf der Hori­zont­li­nie an.] In die­sem Bild, in dem es ein Spiel der Bli­cke geben soll, gibt es kei­ne zwei Bli­cke, die sich kreu­zen, gibt es kei­ne ein­ver­nehm­li­chen Bli­cke, kei­ne ein­ver­stän­di­gen Bli­cke. Sämt­li­che Bli­cke sind anders­wo. [„Anders­wo“: sie rich­ten sie auf einen unsicht­ba­ren Punkt.] (33 –34)

Als wür­de jemand sagen, „Ein Engel ist vor­über­ge­gan­gen“, näm­lich der Maler [als bli­cken­des Sub­jekt]. [Dass die Bli­cke sich auf einen unsicht­ba­ren Punkt rich­ten, ist ein Effekt des­sen, dass der Maler zwi­schen ihnen hin­durch­ge­gan­gen ist und sie geteilt hat. Nahe­zu alle Bli­cke bezie­hen sich auf die zwei­te Run­de des Schau­triebs.] (34)

[Aus dem Gespenst wird hier ein ande­res kör­per­lo­ses Wesen, ein Engel, gewis­ser­ma­ßen ein umge­kehr­tes Gespenst. Wäh­rend ein Wie­der­gän­ger ein­mal einen mate­ri­el­len Kör­per hat­te, des­sen er jedoch ver­lus­tig ging, gilt, soweit ich unter­rich­tet bin, für einen Engel, dass er kei­nen mate­ri­el­len Kör­per hat, ihn aber bei pas­sen­der Gele­gen­heit anneh­men kann.]

Die ande­re Meni­na, Isa­bel de Velas­co, „ist hier gewis­ser­ma­ßen wie ver­bo­ten“, sie brei­tet die Arme wie von der Spur die­ses Vor­über­ge­hens aus. [? Was meint, dass sie „wie ver­bo­ten“ ist?] Die Fehl­ge­bil­de­te, Mari Bár­bo­la, schaut kei­nes­wegs zu uns hin­über, son­dern „anders­wo hin“. Der Klein­wüch­si­ge, Nico­las Per­tus­a­to, tritt den Hund und scheint ihm zu sagen: „Los, du Pen­ner! Hast du nicht die Maus geschnup­pert, die gera­de vor­bei­lief?“ [Er scheint den Hund auf­zu­for­dern, sei­nen Blick auf etwas zu rich­ten, das ver­schwun­den ist. Offen­bar soll selbst der Hund sich in ein begeh­ren­des Sub­jekt ver­wan­deln.] Die Infan­tin blickt nicht die Die­ne­rin an, von der sie ange­blickt wird. [Auch Fou­cault weist dar­auf hin, dass die Per­so­nen ihre Bli­cke auf etwas gerich­tet haben, das sich vor ihnen abspielt, „auf die hel­le Unsicht­bar­keit, die die Lein­wand begrenzt“100. Der Blick des Man­nes hin­ten in der Tür, also der von Nieto Veláz­quez, rich­tet sich auf nichts Bestimm­tes, die­ser Blick besagt nur: „Ich ver­las­se dich.“ (34–35)

[Lacan cha­rak­te­ri­siert das Gemäl­de durch eine dop­pel­te Bewe­gung der Anste­ckung. Der Cha­rak­ter des Bil­des-im-Bild als Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz teilt sich allen Per­so­nen mit, so dass sie zu Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tan­zen wer­den, zu Leu­ten, die eine Vor­stel­lung geben. Der Cha­rak­ter von Veláz­quez als bli­cken­dem Sub­jekt über­trägt sich auf die Bli­cken der meis­ten Per­so­nen, so dass sie zu bli­cken­den Sub­jek­ten wer­den, zu Sub­jek­ten, die auf einen Punkt im Unend­li­chen beziehen.]

Der Platz vor dem Bild: das Fenster

[Lacan geht nun der Fra­ge nach, wen oder was wir am Platz des Betrach­ters anneh­men müs­sen, also gewis­ser­ma­ßen vor dem Bild – dort, wo für ihn der Platz des Fens­ters ist. Er greift damit eines der Haupt­the­men von Fou­caults Las-meni­nas-Ana­ly­se auf.]

Was bedeu­tet es, wenn man sagt, in der ers­ten Ebe­ne [des Sche­mas der Per­spek­ti­ve, in Ebe­ne S, in der Ver­schwin­dungs­ebe­ne], also am Platz des Betrach­ters, ste­he das Königs­paar und es wer­de in dem Spie­gel reflek­tiert, der im Hin­ter­grund des Bil­des zu erken­nen ist? Und was bedeu­tet es, wenn man die­se The­se ins Zen­trum der Theo­rie die­ses Bil­des stellt? Klar ist, dass dies den Betrach­ter freut [da es sei­nen Nar­ziss­mus befrie­digt – er steht am Platz des Königs]. [Die The­se, dass das Königs­paar am Platz des Betrach­ters ist, wird auch von Fou­cault ver­tre­ten.] (35)

Lacan wen­det hier­ge­gen ein: Wo zeigt sich in die­sem Bild der Maler, wo möch­te er, dass wir ihn unter­brin­gen? [Der gemal­te Maler steht inmit­ten der in Las meni­nas dar­ge­stell­ten Grup­pe, und damit stellt sich die Fra­ge, wie das mög­lich ist.] Man hat eine ande­re The­se auf­ge­stellt, [die zu erklä­ren ver­sucht, wie der Maler mit­ten in der Grup­pe ste­hen kann, die er malt]. Die­se The­se ist ver­füh­re­risch, sie besagt, dass am Platz des Betrach­ters ein sehr gro­ßer Spie­gel auf­ge­stellt war und dass der Maler die­ses Spie­gel­bild abge­malt hat, in wel­chem er sich also selbst inmit­ten die­ser Grup­pe auf die Wei­se erblick­te, wie wir ihn heu­te im Gemäl­de Las meni­nas sehen. Die­se The­se ver­wan­delt uns [die Betrach­ter] in einen Spie­gel, sie appel­liert an all das, was Lacan über das Bezo­gen­sein des Sub­jekts auf den [ima­gi­nä­ren] ande­ren in Erin­ne­rung bringt. [? Auf wel­chen Autor bezieht sich Lacan?] [Die The­se vom Groß­spie­gel ist von H. U. Ase­mis­sen aus­ge­ar­bei­tet wor­den, aller­dings erst 1981, also 15 Jah­re nach Lacans Vor­le­sun­gen. Ase­mis­sen ver­weist in sei­ner Arbeit nicht auf Lacans Bemer­kung, also gibt es hier wohl eine gemein­sa­me Quel­le.] (35–36)

Hier­von aus­ge­hend möch­te Lacan, so sagt er, den stren­gen Unter­schied zwi­schen dem Spie­gel und dem Fens­ter zei­gen. Das sind zwei Ter­mi­ni, die struk­tu­rell in kei­ner Bezie­hung zuein­an­der ste­hen. [Die The­se vom Groß­spie­gel am Platz des Betrach­ters ist eine Alter­na­ti­ve zu Lacans The­se, dass hier das Fens­ter zu ver­or­ten sei. Das Fens­ter steht für das Objekt a, und das Objekt a steht in kei­nem Ver­hält­nis zum Spie­gel, es ist nicht „spe­ku­la­ri­sier­bar“, wie Lacan im Angst-Semi­nar aus­ge­führt hat­te, das heißt topo­lo­gisch, sein Spie­gel­bild zeigt kei­ne Rechts-links-Ver­tau­schung und psy­cho­ana­ly­tisch, es ent­zieht sich der nar­ziss­ti­schen Ori­en­tie­rung, dem Ima­gi­nä­ren.101] (36)

Gegen die The­se, das Gemäl­de Las meni­nas sei ein abge­mal­tes Spie­gel­bild, führt Lacan an, dass der dar­ge­stell­te Maler rechts­hän­dig ist, dass er also in Wirk­lich­keit links­hän­dig gewe­sen sein müss­te, dass dies in den his­to­ri­schen Quel­len jedoch nicht erwähnt wird, obwohl sol­che Details gern über­lie­fert wer­den. (36)

Wie auch immer, falls die The­se stimmt, dass am Platz des Betrach­ters ein gro­ßer Spie­gel auf­ge­stellt ist, ist sie unver­ein­bar mit der Auf­fas­sung, dass hier das Königs­paar steht. Ent­we­der gibt es hier das Königs­paar oder einen Groß­spie­gel, man muss sich ent­schei­den. (36)

[Das­sel­be gilt für die Bezie­hung zwi­schen Königs­paar und Maler.] Falls am Platz des Betrach­ters das Königs­paar steht, um sich malen zu las­sen, kann nicht der Maler am Platz des Betrach­ters sein. Am Platz des Betrach­ters war ent­we­der ein Groß­spie­gel oder das Königs­paar oder der Maler, aber nur eine die­ser drei Mög­lich­kei­ten, [Die Ein­zel­hei­ten von Lacans Argu­men­ta­ti­on zu die­sem Punkt kann ich sprach­lich nicht ent­wir­ren, es gibt zu oft ein „hier“ und ein „dort“, also Ver­wei­se auf Posi­tio­nen im pro­ji­zier­ten Gemäl­de, die sich nicht klar zuord­nen las­sen.] (36–37)

Wenn man annimmt, dass König und Köni­gin „hier“ sind [„hier“: am Platz des Betrach­ters], dann kön­nen Sie nicht im Spie­gel [im Hin­ter­grund] erschei­nen, dann wer­den sie im Spie­gel­bild zu groß dar­ge­stellt; im Spie­gel müss­ten sie halb so groß sein. Aber das ist nur ein zusätz­li­cher Ein­wand. [Ich weiß nicht, ob die­ser Grö­ßen­ein­wand tech­nisch stimmt, jeden­falls wird er auch von ande­ren Autoren vor­ge­bracht.] (37–38)

Falls König und Köni­gin dort sind [„dort“: ver­mut­lich am Platz des Betrach­ters], ist der Maler „hier“ [? wo?], wir hät­ten also die Situa­ti­on, dass das Königs­paar als Modell am Platz des Betrach­ters steht und all die­se Per­so­nen vor sich sieht [all die­je­ni­gen, die wir Betrach­ter eben­falls im Gemäl­de vor uns sehen]. (38)

Sie könn­ten sehen, was die natür­li­che Fol­ge wäre, falls Veláz­quez etwas ande­res malt als das Königs­paar, er wür­de dann etwas malen, was er nicht sieht, da er die­se Per­so­nen um sich her­um sieht. [?] (38)

Im Gegen­satz zu die­ser offen­kun­di­gen Unmög­lich­keit [etwas zu malen, was man nicht sieht] behaup­tet Lacan: Das Wesent­li­che, was von die­sem Gemäl­de ange­zeigt wird, ist die Funk­ti­on des Fens­ters [und damit die Funk­ti­on des Blicks als Objekt a]. [Am Platz des Betrach­ters (in Ebe­ne S, in der Ver­schwin­dungs­ebe­ne) ist weder ein Spie­gel anzu­neh­men noch das Königs­paar noch der Maler, son­dern das Fens­ter. Das Fens­ter wird vom Gemäl­de Las meni­nas „ange­zeigt“, anders gesagt, das Gemäl­de ver­weist auf das Fens­ter als etwas, das außer­halb des Bil­des liegt, das gewis­ser­ma­ßen vor dem Bild loka­li­siert ist. Auf die­se Wei­se spannt das Gemäl­de gewis­ser­ma­ßen den Platz zwi­schen dem Gemäl­de und dem Fens­ter auf.] (38)

Das Fens­ter wird durch die Spur ange­zeigt [durch den Abstand zwi­schen den bei­den Per­so­nen­grup­pen, es geht jetzt um die Bezie­hung zwi­schen dem Objekt a (Fens­ter) und dem bli­cken­den Sub­jekt (der Spur)]. Die­se Spur ist dadurch cha­rak­te­ri­siert, dass der Maler hier­her [zum Punkt im Unend­li­chen] zurück­keh­ren kann. [Die Spur – der Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen – zeigt an, dass der Maler (bzw. sein Gespenst) von außer­halb des Bil­des, gewis­ser­ma­ßen vom rech­ten Bild­rand her an den Platz neben dem Bild-im-Bild zurück­ge­kehrt ist.] Die­se Mar­kie­rung der Spur zeigt uns, inwie­fern der lee­re Platz [der Abstand] eben dort ist [„dort“, ich neh­me an: im Abstand des gemal­ten Malers vom gemal­ten Bild]. (38)

Das Königspaar: der getäuschte allsehende Andere

Sym­me­trisch [als Gegen­pol] zu die­sem lee­ren Platz erschei­nen die­je­ni­gen, bei denen es nicht um den Blick geht, son­dern um die Unter­stel­lung, dass sie alles sehen [erschei­nen also König und Köni­gin]. [Das Attri­but „all­se­hend“ ist ein tra­di­tio­nel­les Attri­but des christ­li­chen Got­tes.] (38)

[Neben dem sehen­den Sub­jekt und dem bli­cken­den Sub­jekt gibt es im sko­pi­schen Feld dem­nach noch eine wei­te­re Funk­ti­on des Sehens: den all­se­hen­den Ande­ren. Für die­se Grö­ße gibt es kei­ne Ent­spre­chung im Sche­ma der Per­spek­ti­ve; Lacan ver­lässt hier die Koor­di­na­ten der Topologie.]

König und Köni­gin erschei­nen wie hin­ter einem Git­ter oder hin­ter einer Ein­weg­schei­be, und im Grenz­fall könn­te man tat­säch­lich anneh­men, dass sie die im Vor­der­grund dar­ge­stell­te Sze­ne von einem soge­nann­ten Ver­bin­dungs­zim­mer aus heim­lich beob­ach­ten. (39)

Die Welt, in der man eine Vor­stel­lung gibt [wie die Per­so­nen des Vor­der­grunds es tun], stützt sich auf die Unter­stel­lung, dass sie [die Herr­scher] alles sehen. [Die Unter­stel­lung, dass die Herr­scher alles sehen, ist also para­do­xer­wei­se mit der Annah­me ver­bun­den, dass sie sich täu­schen las­sen.] (39)

Das lie­fert uns eine Par­al­le­le zum „ich den­ke, also bin ich“ von Des­car­tes. Veláz­quez sagt: „Ich male, also bin ich.“ [Lacan deu­tet Des­car­tes’ „Ich den­ke, also bin ich“ als Spal­tung zwi­schen dem Ich, wel­ches denkt, und dem Ich, wel­ches ist. Also geht es wohl auch bei der Über­tra­gung auf Veláz­quez um eine Spal­tung, zwi­schen dem malen­den Ich und dem sei­en­den Ich.] (39)

[In wel­chem Sin­ne „ist“ Veláz­quez? Das wird mit den fol­gen­den Bemer­kun­gen ange­deu­tet.] Veláz­quez sagt gewis­ser­ma­ßen: „Ich bin der­je­ni­ge, der Sie dem über­lässt, was ich gemalt habe, damit Sie sich in alle Ewig­keit Fra­gen dazu stel­len kön­nen.“ [Das Sein von Veláz­quez besteht dar­in, dass er die Betrach­ter dazu bringt, sich Fra­gen zu stel­len – zum Bei­spiel die Fra­ge, was auf der ver­deck­ten Lein­wand zu sehen ist, „Lass sehen!“.] „Ich bin an dem Ort, von dem aus ich an den Platz zurück­keh­ren kann, den ich Ihnen über­las­se.“ [Das Sein von Velaz­quez (im Unter­schied zu sei­nem Malen) wird topo­lo­gisch bestimmt, als Bezie­hung zwi­schen dem Ort, an dem er jetzt ist (neben dem Bild-im-Bild) und dem Ort, an dem er war und von dem aus er zurück­ge­kehrt ist, den er uns über­lässt, also dem Platz des bli­cken­den Sub­jekt an einem Punkt im Unend­li­chen. Die­sen Platz über­lässt er dem Betrach­ter – die Fes­se­lung des Betrach­ters beruht dar­auf, dass der Betrach­ter durch das Gemäl­de an den Platz des bli­cken­den Sub­jekts gebracht wird.] „Die­ser Platz ist der­je­ni­ge, an dem es ein Stür­zen und eine Ver­wir­rung gibt, von etwas, das im Inne­ren des Sub­jekts ist.“ [Der Platz des bli­cken­den Sub­jekts ist ein Platz, an dem sich Sturz und Ver­wir­rung ein­stellt – durch die Kon­fron­ta­ti­on mit dem Objekt a. Die Exis­ten­z­wei­se des Objekts a ist der Sturz. Lacan bezieht sich hier­für spä­ter in die­sem Semi­nar auf Ödi­pus, der sich nach der Ent­de­ckung, dass er sei­nen Vater getö­tet und sei­ne Mut­ter gehei­ra­tet hat, die Augen aus­reißt; dies sei der Sturz des Blicks von Ödi­pus (vgl. Sit­zung vom 15. Juni 1966, S. 13 von Ver­si­on J.L.). Das Objekt a ist im Inne­ren des Sub­jekts - und es ist zugleich außen.] (39)

Abb. 15: Las meni­nas, Aus­schnitt: Das Paar im Spiegel

Am ande­ren Punkt haben wir die Gegen­wart des Königs­paa­res, und die­ses Paar spielt exakt die­sel­be Rol­le wie der Gott von Des­car­tes [in den Medi­ta­tio­nen], näm­lich dafür zu sor­gen, dass in all dem, was wir sehen, nichts uns täuscht. [Das Königs­paar hat wie der Gott von Des­car­tes die Funk­ti­on, die Wahr­heit zu garan­tie­ren, in die­sem Fal­le die Wahr­heit im Fel­de des Sehens. Mit der Fra­ge der Wahr­heit kommt das Sym­bo­li­sche ins Spiel.] Die Bedin­gung hier­für ist aller­dings, dass der all­ge­gen­wär­ti­ge Gott selbst getäuscht wird [dass man ihm eine Vor­stel­lung gibt]. [Neben das Prä­di­kat „all­se­hend“ wird jetzt das Prä­di­kat „all­ge­gen­wär­tig“ gestellt. Der all­se­hen­de und all­ge­gen­wär­ti­ge Gott wird getäuscht, damit sind wir in der Ord­nung des Schirms: das, was sich ihm zeigt, ver­birgt etwas.] Und auf die­se Wei­se funk­tio­niert die Gegen­wart die­ser Wesen in der eigen­ar­tig ver­schwom­me­nen Atmo­sphä­re des Spie­gels. (39–40)

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem allsehenden Anderen und dem Blick als Objekt a

„Wenn die­ser Spie­gel hier in gewis­ser Wei­se das Äqui­va­lent von etwas ist, das auf der Ebe­ne des Sub­jekts A, das hier ist, ver­schwin­den wird, wie als Gegen­stück zu die­sem klein a des Fens­ters in der ers­ten Ebe­ne, ver­dient es das nicht, dass wir uns noch ein wenig dabei auf­hal­ten?“ [Die Ebe­ne des Sub­jekts A ist, so ver­mu­te ich, die durch den Aug­punkt füh­ren­de Ebe­ne des Betrach­ters, Ebe­ne S. Auf die­ser Ebe­ne ver­schwin­det etwas, das, was hier ver­schwin­det ist sicher­lich der Blick als Objekt a bzw. das Fens­ter. Also ist wohl gemeint: „Der Spie­gel mit dem Königs­paar hat eine Ent­spre­chung in etwas, was auf der Ebe­ne des Sub­jekts ist,  auf Ebe­ne S, näm­lich im Fens­ter, im Blick als Objekt a.“ Bei die­sem Ent­spre­chungs­ver­hält­nis soll­ten wir uns auf­hal­ten, wir soll­ten uns fra­gen, wie sich der getäusch­te All­se­hen­de zum Blick als Objekt a verhält.]

Der Maler Luca Giord­a­no, genannt Fa Pres­to [ita­lie­nisch für „(er) macht schnell“], hat über Las meni­nas gesagt: „Das ist die Theo­lo­gie der Male­rei.“ Das beruht auf die­ser theo­lo­gi­schen Ebe­ne [also auf dem Aspekt des All­se­hens]. Zu die­ser theo­lo­gi­schen Ebe­ne kommt es durch das Königs­paar, das schim­mernd im Rah­men im Bild­hin­ter­grund erscheint; es hat die­sel­be Funk­ti­on wie der Gott von Des­car­tes. (40)

Der Gott von Des­car­tes ist die Stüt­ze einer Welt, die dabei ist, sich durch das sub­jek­ti­vi­sche Phan­tom zu ver­wan­deln. [Das sub­jek­ti­vi­sche Phan­tom ist ver­mut­lich die idea­lis­ti­sche Vor­stel­lung, dass die gan­ze Welt vom Sub­jekt abhängt (in der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung hat­te sich Lacan dar­auf bezo­gen).] (40)

Lacan spricht zum Schluss die­ser Sit­zung dar­über, was Veláz­quez an Visio­nä­rem haben kann. Denn man kön­ne hier nicht von Rea­lis­mus spre­chen, man wür­de bei­spiels­wei­se nicht wagen zu behaup­ten, das Bild Die Spin­ne­rin­nen sei eine Dar­stel­lung des Vol­kes in sei­ner Unge­schlif­fen­heit. (40)

Abb. 16: Die­go Veláz­quez, Las hil­an­de­ras (Die Spinnerinnen)

Sicher­lich, das ist etwas, das auf­blitz­te, als Veláz­quez die könig­li­che Tep­pich­ma­nu­fak­tur ver­ließ. Man sieht aber sofort, dass die­ses Bild von jedem Rea­lis­mus weit ent­fernt ist. Und außer­dem gibt es kei­nen rea­lis­ti­schen Maler, der nicht visio­när wäre. (40)

Der Maler rahmt uns mit dem Fens­ter ein [er erfasst uns dadurch, dass das Gemäl­de sich auf den Blick bezieht]. Im Gegen­satz hier­zu erschei­nen im Hin­ter­grund [von Las meni­nas] wie in einem Spie­gel fla­ckernd bestimm­te Per­so­nen, nicht gespens­tisch, aber glän­zend [das Königs­paar]. Lacan kam hier­zu der Gedan­ke, sagt er, dass der Maler im Hin­ter­grund etwas auf­tau­chen lässt, was in den Bezie­hun­gen des Sub­jekts zum Objekt a einen wich­ti­gen Platz ein­nimmt: den Fern­seh­schirm. [Der Fern­seh­schirm ist etwas, das fla­ckert und glänzt (und abge­trennt ist), damit ver­kör­pert er den Blick als Objekt a. Eine der Erschei­nungs­for­men des Blicks als Objekt a ist der Licht­re­flex, etwa der­je­ni­ge, der von einer Kon­ser­ven­do­se aus­ging und Lacan wie ein Schlag traf, wie er im Semi­nar über die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se erzählt hat­te.102 Eini­ge Jah­re nach den Las-meni­nas-Vor­le­sun­gen, in Tele­vi­si­on von 1973, wird Lacan die Gleich­set­zung von Fern­se­hen und Blick aus­drück­lich vor­neh­men.103] (40–41)

[Dem­nach gibt es nicht nur einen pola­ren Gegen­satz zwi­schen dem (getäusch­ten) all­se­hen­den Ande­ren, der im Spie­gel erscheint, und dem Fens­ter, das die Betrach­ter ein­rahmt, also dem Blick als Objekt a, son­dern auch eine Bezie­hung zwi­schen den bei­den Sei­ten: das Glän­zen des Spie­gels, in dem der (getäusch­te) all­se­hen­de Ande­re erscheint.]

Einige Koordinaten

Die Sei­ten­zah­len bezie­hen sich auf die Sei­ten von Ver­si­on J.L.; sie sind in der Über­set­zung angegeben. 

 

Per­spek­ti­ve in der pro­jek­ti­ven Geometrie

Prak­ti­sche Funk­ti­on des Schemas

– Das Sche­ma der Per­spek­ti­ve soll die Sub­jek­ti­vi­tät des Ana­ly­ti­kers dar­in unter­stüt­zen, dass er nie den zwei­ten Punkt des Sub­jekts ver­gisst [den Distanz­punkt im Unend­li­chen]; er soll­te danach suchen, wo die­ser zwei­te Punkt wirk­sam ist. Er soll­te es dann tun, wenn er in die Ein­heits­sche­ma­ta der Erkennt­nis zurück­fällt, das heißt wenn er die Tota­li­tät in den Vor­der­grund stellt. (Vgl. S. 8)

 

Phan­tas­ma

– Das Sche­ma der Per­spek­ti­ve soll das Ver­hält­nis der Sub­jekt­spal­tung zum Objekt a ver­an­schau­li­chen, wobei die Sub­jekt­spal­tung hier die Spal­tung zwi­schen dem Blick und dem Sehen ist. (Vgl. S. 9)

 

Ter­mi­no­lo­gie

– Lacan nennt die bei­den Ebe­nen jetzt „Boden der Per­spek­ti­ve“ und „Bild­ebe­ne“ (in der Sit­zung davor hie­ßen sie „Trä­ge­r­ebe­ne“ und „Abbil­dungs­ebe­ne“). (Vgl. S. 10)

 

Ent­spre­chun­gen

– Das wich­tigs­te Ent­spre­chungs­ver­hält­nis ist das zwi­schen der Fern­li­nie des Bodens der Per­spek­ti­ve und der Hori­zont­li­nie der Bild­ebe­ne. (Vgl. S. 10–11)

 

Flucht­punkt

– Jeder belie­bi­ge Punkt auf der Hori­zont­li­nie der Bild­ebe­ne kann als Zen­trum der Per­spek­ti­ve gewählt wer­den [als Flucht­punkt]. (Vgl. S. 12) [Die­ser Punkt reprä­sen­tiert das sehen­de Subjekt.]

 

[Distanz­punkt]: der Punkt des bli­cken­des Subjekt

– Bei der Struk­tur des Sub­jekts geht es [vor allem] dar­um, dass das Sub­jekt das Sub­jekt des Blicks (sujet du regard) ist, das Sub­jekt einer gese­he­nen Welt. (Vgl. S. 12)

[– Das bli­cken­de Sub­jekt wird auf der Bild­ebe­ne durch einen zwei­ten Punkt reprä­sen­tiert. Er wird meist als „Distanz­punkt“ bezeich­net, Lacan ver­wen­det die­sen Aus­druck nicht. Bei ihm wird dar­aus im Rah­men der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie ein bestimm­ter Punkt im Unend­li­chen, auf der Fern­li­nie der Bildebene.]

– Der zwei­te Punkt des Sub­jekts auf der Bild­ebe­ne reprä­sen­tiert den Abstand des Aug­punkts von der Bild­ebe­ne. (Vgl. S. 12–13)

– Die­ser zwei­te Punkt des Sub­jekts auf der Bild­ebe­ne heißt tra­di­tio­nell „das ande­re Auge“. (Vgl. S. 13)

– In der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie wird der Abstand von der Bild­ebe­ne nicht gemes­sen; es geht hier um einen Abstand über­haupt. (Vgl. S. 13)

– Aus­gang­punkt für die Kon­struk­ti­on des zwei­ten Sub­jekt­punk­tes auf der Bild­ebe­ne ist, dass wir über die Fern­li­nie des Bodens der Per­spek­ti­ve wis­sen, dass sie auf der Bild­ebe­ne durch die Hori­zont­li­nie reprä­sen­tiert wird. Hier­aus folgt für die Fern­li­nie der Bild­ebe­ne, dass sie auf dem Boden der Per­spek­ti­ve durch die Schnitt­li­nie des Bodens der Per­spek­ti­ve mit der Ebe­ne reprä­sen­tiert wird, die durch den Aug­punkt führt, par­al­lel zur Bild­ebe­ne. [Ich nen­ne die­se Ebe­ne im Fol­gen­den „Sub­jekt­ebe­ne“] (Vgl. S. 15)

– Der Abstand des Sub­jekts von der Bild­ebe­ne wird auf dem Boden der Per­spek­ti­ve durch den Schnitt­punkt zwei­er Par­al­le­len reprä­sen­tiert. Die eine die­ser Gera­den ist die Schnitt­li­nie von Boden der Per­spek­ti­ve und Bild­ebe­ne, die ande­re Gera­de ist die Schnitt­li­nie zwi­schen dem Boden der Per­spek­ti­ve und der [Sub­jekt­ebe­ne]. (Vgl. S. 13–14)

– Es gibt auf der Bild­ebe­ne also zwei Punk­te, die das Sub­jekt reprä­sen­tie­ren, ers­tens den Flucht­punkt (ein belie­bi­ger Punkt auf der Hori­zont­li­nie) und zwei­tens den [Distanz­punkt]. Die­ser zwei­te Punkt ist im Rah­men der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie ein bestimm­ter Punkt auf der Fern­li­nie der Bild­ebe­ne, dort, wo sie sich mit der Grund­li­nie schnei­det. (Vgl. S. 16)

– Nach­dem der [Distanz­punkt] ein­mal gefun­den ist, kann man ihn auch anders bestim­men, näm­lich als Schnitt­punkt von Grund­li­nie und Hori­zont­li­nie, da die­se bei­den Lini­en par­al­lel sind. (Vgl. S. 16–17)

 

Blick als Objekt a und Fenster

– Lacan hat das Objekt a als Funk­ti­on des Blicks (regard) vom Feld des Sehens (visi­on) unter­schie­den. (Vgl. S. 9)

– Das gespal­te­ne Sub­jekt wird durch das „Gestell“ des Objekts a getra­gen. (Vgl. S. 17)

– Das Objekt a ist im Sche­ma an einem Ort zu fin­den, wo es stürzt und ver­schwin­det, ohne das wäre es nicht das Objekt a. (Vgl. S. 17)

– In der [Sub­jekt­ebe­ne] gibt es eine Öff­nung, einen Spalt, eine Sicht, einen Blick, näm­lich das Fens­ter. (Vgl. S. 18) [Der Blick als Objekt a ist also ein Loch in der Subjektebene.]

– Das Fens­ter stützt den Punkt S [also den tra­di­tio­nel­len Aug­punkt]. (Vgl. S. 17 f.)

– Das Fens­ter ist die Lid­spal­te und der Pupil­len­ein­gang. (Vgl. S. 19) Das Fens­ter ist der Spalt zwi­schen den Lidern oder der Ein­gang der Pupil­le, die Came­ra obscu­ra [genau­er: das Loch der Came­ra obscu­ra]. (Vgl. S. 19)

– Das Fens­ter kann vom anfäng­li­chen Punkt der Kon­struk­ti­on aus nicht gese­hen wer­den. (Vgl. S. 19)

– [Man kann die pro­jek­ti­ve Ebe­ne in eine Kreuz­hau­be umwan­deln.] In der Kreuz­hau­be ist das Fens­ter das Geloch­te. Das Geloch­te ermög­licht das Her­ein­bre­chen des Objekts a. (Vgl. S. 18–19) [Das Geloch­te ist das Loch, das dadurch ent­steht, das in der Kreuz­hau­be ein bestimm­ter Schnitt in Form einer Innenacht vor­ge­nom­men wird.]

– Das Fens­ter ist das, was in der Bezie­hung des Blicks zur gese­he­nen Welt immer eli­diert ist. (Vgl. S. 19)

 

Las meni­nas

Beschrei­bung

– Bei der Ana­ly­se von Las meni­nas muss man davon aus­ge­hen, dass es ein Bild-im-Bild gibt, des­sen Vor­der­sei­te ver­deckt ist, dar­um dreht sich die Funk­ti­on die­ses Gemäl­des. (Vgl. S. 20–21)

– Das Bild im Bild funk­tio­niert wie eine ver­deck­te Kar­te, die uns dazu drängt, dass wir unse­re eige­nen Kar­ten auf­de­cken. Anders gesagt: Das Gemäl­de schlägt uns in Bann, weil es uns dazu drängt, die Fra­ge zu beant­wor­ten, was auf der unsicht­ba­ren Vor­der­sei­te des Bil­des im Bild abge­bil­det ist. (Vgl. S. 21–22)

 

Der Schrei der Infantin

– Die Prin­zes­si­on schreit: „Lass sehen!“, näm­lich was auf der ver­deck­ten Vor­der­sei­te des Bil­des im Bild ist. (Vgl. S. 28)

– Von die­sem „Lass sehen!“ her kön­nen die ande­ren Per­so­nen als die­je­ni­gen auf­tau­chen, die wesent­lich eine Vor­stel­lung geben. (Vgl. S. 28 f.)

– Wir sind mehr oder weni­ger bereit, die­ses „Lass sehen!“ aus­zu­spre­chen. (Vgl. S. 28)

 

Der Trieb­mechanis­mus

– Im Trieb gibt es ein Hin und Zurück , dar­stell­bar als die bei­den Run­den, die man auf einem Möbi­us­band voll­zie­hen muss, um zum Aus­gangs­punkt zurück­zu­keh­ren. Eben das wird uns von die­sem Gemäl­de gezeigt, fes­selnd ist es, weil es sich nicht auf eine Dre­hung beschränkt. (Vgl. S. 22)

– Der Betrach­ter ist in die Schlei­fe ein­ge­schlos­sen. (Vgl. S. 23)

– Die ers­te Run­de ist bereits rea­li­siert, wir müs­sen noch die zwei­te voll­zie­hen, dür­fen die ers­te jedoch nicht ver­pas­sen. (Vgl. S. 24–25)

 

Das Bild im Bild

– Das Bild im Bild stellt das Gemäl­de Las meni­nas dar; Begrün­dung: die Höhe. (Vgl. S. 25–26)

– Das Bild im Bild ist eine Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz. (Vgl. S. 26)

– Die Abbil­dung der Rea­li­tät des Gemäl­des [durch das Bild im Bild] ist eine Reprä­sen­ta­ti­on, die aber zei­gen soll, dass es zwi­schen der Rea­li­tät und der Reprä­sen­ta­ti­on eine wech­sel­sei­ti­ge Sät­ti­gung gibt. Und damit zweigt das Bild-im-Bild, dass es beim Bild wesent­lich gera­de nicht um Reprä­sen­ta­ti­on geht. (Vgl. S. 26–27)

– Die Wir­kung des Bil­des im Bild ist Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz. Das zeigt sich dar­in, dass die dar­ge­stell­ten Per­so­nen eine Vor­stel­lung geben, von der sie kei­ne Vor­stel­lung haben. (Vgl. S. 28)

 

Nieto Veláz­quez: das sehen­de Subjekt

– Die­ser Mann ist am Ort des Flucht­punkts. Er ist jemand, durch den Die­go Veláz­quez ver­dop­pelt wird. (Vgl. S. 29)

– Nieto Veláz­quez wird dadurch cha­rak­te­ri­siert, dass er das, was wir nicht sehen kön­nen, bereits gese­hen hat und dass er gewis­ser­ma­ßen zu viel gese­hen hat, er geht weg. (Vgl. S. 29–30)

– Damit wird die Funk­ti­on des Auges bezeich­net: durch ein „gese­hen“, das defi­ni­tiv ist. (Vgl. S. 30)

 

Die­go Veláz­quez: das bli­cken­de Subjekt

– Mit Veláz­quez erscheint der­je­ni­ge auf der Lein­wand, der sie als bli­cken­des Sub­jekt stützt. (Vgl. S. 31)

– Der gemal­te Maler hat den Blick so wenig nach außen gerich­tet wie nur mög­lich. (Vgl. S. 30)

– Man soll­te nicht unbe­dingt glau­ben dass der Blick von Veláz­quez sich, wie meist behaup­tet wird, auf uns rich­tet, auf die Betrach­ter. Der Blick von Veláz­quez führt mit sich, dass sich das Bild Las meni­nas bis in die Dimen­si­on des Fens­ters hin­ein erstreckt. Im Blick von Veláz­quez wird das Fens­ter ver­ge­gen­wär­tigt, des­we­gen fes­selt uns das Bild. (Vgl. S. 31 f.).

–Der Abstand des gemal­ten Malers vom gemal­ten Bild ist betont, vor allem durch den Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen. (Vgl. S. 32)

– Die Spur (der Abstand zwi­schen den bei­den Grup­pen) ist das Kiel­was­ser der phan­tas­ma­ti­schen Gegen­wart des Malers, inso­fern er blickt. Das Gespenst des bli­cken­den Sub­jekts ist durch die Spur wie­der­ge­kehrt. (Vgl. S. 33)

– Abge­se­hen vom lin­ken Hof­fräu­lein fixiert kei­ner der Bli­cke der Per­so­nen irgend­et­was, alle Bli­cke ver­lie­ren sich in einem unsicht­ba­ren Punkt. Es gibt kei­ne zwei Bli­cke, die sich kreu­zen, kei­ne ein­ver­nehm­li­chen Bli­cke. (Vgl. S. 34 f.)

 

Das Fens­ter

– „Ich behaup­te, (…) dass das Wesent­li­che, das von die­sem Gemäl­de ange­zeigt wird, die Funk­ti­on des Fens­ters ist. Dass die Tat­sa­che, dass die Spur gewis­ser­ma­ßen durch das gekenn­zeich­net ist, wodurch der Maler hier­her zurück­keh­ren kann, hier wirk­lich das ist, was uns zeigt, inwie­fern da der lee­re Platz ist.“ (Vgl. S. 38)

 

Der Raum vor dem Bild und der Betrachter

– Durch das Bild im Bild wird der Raum vor dem Bild erzeugt, wor­in wir als die­je­ni­gen bezeich­net wer­den, die ihn bewoh­nen. (Vgl. S. 31 f.)

– Der­je­ni­ge, der das Bild betrach­tet, ist in die Schlei­fe [des Schau­triebs] ein­ge­schlos­sen, jeder Betrach­ter ist erfasst von der Beson­der­heit die­ser Kom­po­si­ti­on. (Vgl. S. 23)

 

Das bli­cken­de Sub­jekt und das Fenster

– Der Blick des gemal­ten Malers, das umge­dreh­te Bild-im-Bild und die Dar­stel­lung des Raums füh­ren dazu, dass sich das Gemäl­de bis in die Dimen­si­on des Fens­ters erstreckt. (S. 31) Im Blick von Veláz­quez wird das Fens­ter ver­ge­gen­wär­tigt, des­we­gen fes­selt uns das Bild. (Vgl. S. 31 f.)

 

Das Königs­paar

– Sym­me­trisch zum lee­ren Platz erscheint im Spie­gel das Königs­paar, bei dem es nicht um den Blick geht, son­dern um die Unter­stel­lung, dass sie alles sehen. (Vgl. S. 38) Der Spie­gel mit dem Königs­paar im Hin­ter­grund ist wie das Gegen­stück zum klein a des Fens­ters in der ers­ten Ebe­ne. (S. 40) Der Spie­gel mit dem Königs­paar im Hin­ter­grund steht im Gegen­satz zu dem Fens­ter, in das der Maler uns ein­rahmt. (Vgl. S. 41)

– Das Flim­mern und Glän­zen des Spie­gels erin­nert an einen Fern­seh­schirm. (Vgl. S. 41)

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  • Die Spal­tung von Auge und Blick, am Bei­spiel des Films „Stan­dard Ope­ra­ting Procedure“
  • Die Vor­stel­lungs­re­prä­sen­tanz
  • Das Loch in der Kreuzhaube

Anmerkungen

  1. Die fol­gen­de Bild­le­gen­de ist aus dem Wiki­pe­dia-Arti­kel „Las Meni­as“.
  2. Die Theo­rie des Spie­gel­sta­di­ums hat­te Lacan zuerst 1936 auf dem 14. Kon­gress der Inter­na­tio­na­len Psy­cho­ana­ly­ti­schen Ver­ei­ni­gung in Mari­en­bad vor­ge­stellt. Der Text die­ses Vor­trags ist nicht erhal­ten. Die ältes­te Ver­öf­fent­li­chung ist: J. Lacan: Die Fami­lie (1938). Über­setzt von Fried­rich A. Kitt­ler. In: Ders.: Schrif­ten III. Hg. v. Nor­bert Haas. Wal­ter, Olten 1980, S. 39–100, dar­in das Kapi­tel „Der Kom­plex des Ein­dring­lings“, S. 54-62.

  3. Das Wort pro­fes­seur meint, wie im Öster­rei­chi­schen das Wort „Pro­fes­sor“, nicht nur den Hoch­schul­leh­rer, son­dern auch den Gymnasiallehrer.

  4. Die Spal­tung des Sub­jekts als Spal­tung von Wis­sen und (unbe­wuss­ter) Wahr­heit war The­ma von Semi­nar 12 von 1964/​65, Schlüs­sel­pro­ble­me für die Psy­cho­ana­ly­se, und The­ma der ers­ten Sit­zung des lau­fen­den Semi­nars Das Objekt der Psy­cho­ana­ly­se (1. Dezem­ber 1965). Eine Tran­skrip­ti­on die­ser ers­ten Sit­zung wur­de im Janu­ar 1966 unter dem Titel Die Wis­sen­schaft und die Wahr­heit in den Cahier pour l’analyse ver­öf­fent­licht und in den Écrits nach­ge­druckt. Vgl. J.L.: Die Wis­sen­schaft und die Wahr­heit. In: Ders.: Schrif­ten. Band II. Voll­stän­di­ger Text. Über­setzt von Hans-Die­ter Gon­dek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 401–428.

  5. Anspie­lung auf Freuds Kon­zept des unbe­wuss­ten Den­kens, etwa im Begriff des „Traum­ge­dan­kens“ bzw. des „laten­ten Traumgedankens“.

    Der­je­ni­ge, der „ich bin“ denkt, die­se For­mu­lie­rung steht im Kon­text der Psy­cho­ana­ly­se für das bewuss­te Den­ken und für das Ichs.
    Das sein, was denkt, bezieht sich auf das unbe­wuss­te Denken.

    Das Unbe­wuss­te hat den Cha­rak­ter des Über­ra­schen­den, sagt Lacan mit Freud und Reik.

    Zur Über­ra­schung vgl. Semi­nar 4, Die Objekt­be­zie­hung (1956/​57), Ver­si­on Miller/​Gondek, S. 320 f.; J.L.: Anmer­kung zum Bericht von Dani­el Lag­a­che „Psy­cho­ana­ly­se und Struk­tur der Per­sön­lich­keit“. In: J.L.: Schrif­ten. Band II. Voll­stän­di­ger Text. Über­setzt von Hans-Die­ter Gon­dek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 146–191, hier: 173.

    In Semi­nar 9 (Die Iden­ti­fi­zie­rung, 1961/​62) heißt es: „Man muss sagen, dass es auch eine Erfah­rungs­tat­sa­che ist, deren Fri­sche, wenn man so sagen kann, wir ver­lo­ren haben (…), die­se Fri­sche, die dem ent­spricht, was ich die Schock­wir­kung, die Über­ra­schungs­wir­kung genannt habe, wie sie von Freud selbst defi­niert wor­den ist als kenn­zeich­nend für die­ses Auf­tau­chen von Bezie­hun­gen des Unbe­wuss­ten.“ (Ver­si­on Sta­fer­la, 13. Dezem­ber 1961, mei­ne Übersetzung)

    Für den Zusam­men­hang von Unbe­wuss­tem und Über­ra­schung ver­weist Lacan, außer auf Freud, auf Theo­dor Reik, Lis­tening with the third ear (1948). (dt.: Hören mit dem drit­ten Ohr. Klotz, Esch­born bei Frank­furt am Main, 3. Auf­la­ge 2007), vgl. Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se (1964), Ver­si­on Miller/​Haas, S. 31. Zu ergän­zen wäre: Th. Reik: Der über­rasch­te Psy­cho­lo­ge. Über Erra­ten und Ver­ste­hen unbe­wuß­ter Vor­gän­ge. A.W. Sijthoff’s Uit­ge­vers­maats­ch­ap­pij, Lei­den 1935.

  6. Das alt­grie­chi­sche Wort schi­ze meint „Spal­tung“.

  7. Lacan bezieht sich auf die Sit­zung vom 4. Mai 1966; Über­set­zung hier.

  8. Anspie­lung auf die For­mel für die Struk­tur des Phan­tas­mas, $ ◊ a, aus­ge­stri­che­nes Sub­jekt, Rau­te bzw. Schnitt, Objekt a.

  9. Vgl. J. Lacan: Semi­nar 11 von 1964, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se, Sit­zun­gen vom 19. Febru­ar, 26. Febru­ar, 4. März und 11. März 1964. An die­se Unter­schei­dung hat­te er im lau­fen­den Semi­nar bereits in der Sit­zung vom 27. April 1966 erin­nert, sie­he die Über­set­zung hier. Zur Unter­schei­dung von Sehen und Blick vgl. auf die­ser Web­site den Arti­kel Lacans Sche­ma von Auge und Blick.

  10. Aus einer Bemer­kung in der Sit­zung vom 1. Juni 1966 ergibt sich, dass Lacan sich beim The­ma der Per­spek­ti­ve vor allem auf zwei Tex­te von Wil­liam Ivins stützt:
    – Wil­liam Mills Ivins: Art & geo­me­try : a stu­dy in space intui­ti­ons. Har­vard Press, Cam­bridge, Mass. 1946 (135 S.), Neu­auf­la­ge: Dover Publ., New York 1964
    – Ders.: On the ratio­na­liza­ti­on of sight. With an exami­na­ti­on of three renais­sance texts on per­spec­ti­ve. Mit einer Repro­duk­ti­on der Aus­ga­ben 1505 und 1509 von Via­tor, De arti­fi­ci­a­li per­spec­ti­va. Da Capo Press, New York 1973 (Reprint der ers­ten Auf­la­ge The Metro­po­li­tan Muse­um of Art, New York 1938)

  11. Die zum Zeit­punkt die­ses Semi­nars ver­füg­ba­re Aus­ga­be war: Erwin Panof­sky: Auf­sät­ze zu Grund­fra­gen der Kunst­wis­sen­schaft. Hg. v. Hariolf Obe­rer und Egon Ver­he­yen. Hess­ling, Ber­lin 1964. Hier­von gab es 1992 einen Reprint im Ver­lag Vol­ker Spiess, Berlin.

  12. Vgl. Erwin Panof­sky: La pro­s­pet­ti­va come „for­ma sim­bo­li­ca“ et altri scrit­ti. Fel­tri­nel­li, Mai­land 1961.

  13. Lacan bezieht sich hier, wie in der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung, auf eine Kon­zep­ti­on der Per­spek­ti­ve, bei der er die in der Renais­sance ent­wi­ckel­te Kon­struk­ti­on der Per­spek­ti­ve, die auf der eukli­di­schen Geo­me­trie beruht, auf die pro­jek­ti­ve Geo­me­trie über­trägt, d.h. auf Flä­chen, in denen sich Par­al­le­len im Unend­li­chen schneiden.

  14. In der vor­an­ge­gan­ge­nen Sit­zung hat­te Lacan die bei­den Ebe­nen als plan-figu­re („Abbil­dungs­ebe­ne“), und plan-sup­port („Trä­ge­r­ebe­ne“), unter­schie­den. In die­ser Sit­zung spricht er statt­des­sen von plan du tableau oder plan-tableau („Bild­ebe­ne“) und sol per­spec­tif („Boden der Per­spek­ti­ve“). Er bezieht sich dabei auf pro­jek­ti­ve Ebe­nen und damit auf Ebe­nen mit einer Fern­li­nie. Unter dem „Bild“ ver­steht er an die­ser Stel­le also nicht etwa einen Aus­schnitt aus einer Ebe­ne, son­dern eine Ebe­ne, zu der eine Gera­de im Unend­li­chen gehört.

  15. Die für die pro­jek­ti­ve Geo­me­trie grund­le­gen­de Linie im Unend­li­chen, in der sich die Par­al­le­len einer Ebe­ne schnei­den und bei der es sich um eine Gera­de han­delt (auch „Fern­ge­ra­de“ genannt), über­steigt unser Vor­stel­lungs­ver­mö­gen, eben­so, dass Par­al­le­len sich im Unend­li­chen in genau einem Punkt schnei­den und nicht etwa in zwei Punkten.

  16. „Das Aus­ge­dehn­te“ (l’étendue) ist Des­car­tes’ Ter­mi­nus für den Raum.

  17. Man könn­te l’aut­re œil auch mit „das zwei­te Auge“ übersetzen.

  18. Das Pro­blem ist, wie kann der Abstand, den der Betrach­ter oder Maler gegen­über dem Bild ein­nimmt inner­halb des Bil­des reprä­sen­tiert wer­den, wenn es – da wir in der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie sind – kei­ne metri­schen Abstän­de gibt, son­dern struk­tu­rel­le Bezie­hun­gen zwi­schen Punk­ten, Lini­en und Ebenen?

    Zugleich ant­wor­tet Lacan hier mög­li­cher­wei­se auf die Bemer­kung von Panof­sky, dass die Renais­sance­per­spek­ti­ve ein künst­le­ri­sches Pro­blem dar­stellt, da sie ihrer Natur nach eine zwei­schnei­di­ge Waf­fe sei:

    „sie bringt“,

    sagt Panof­sky,

    „die künst­le­ri­sche Erschei­nung auf fes­te, ja mathe­ma­tisch exak­te Regeln, aber sie macht sie auf der andern Sei­te vom Men­schen, ja vom Indi­vi­du­um abhän­gig, indem die­se Regeln auf die psy­cho­phy­si­schen Bedin­gun­gen des Seh­ein­drucks Bezug neh­men, und indem die Art und Wei­se, in der sie sich aus­wir­ken, durch die frei wähl­ba­re Lage eines sub­jek­ti­ven ‚Blick­punk­tes‘ bestimmt wird. So läßt sich die Geschich­te der Per­spek­ti­ve mit glei­chem Recht als ein Tri­umph des distan­zi­ie­ren­den und objek­ti­vie­ren­den Wirk­lich­keits­sinns, und als ein Tri­umph des distanz­ver­nei­nen­den mensch­li­chen Macht­stre­bens, eben­so­wohl als Befes­ti­gung und Sys­te­ma­ti­sie­rung der Außen­welt, wie als Erwei­te­rung der Ich­sphä­re begrei­fen; sie muß­te daher das künst­le­ri­sche Den­ken immer wie­der vor das Pro­blem stel­len, in wel­chem Sin­ne die­se ambi­va­len­te Metho­de benutzt wer­den sol­le. (…) Man sieht, daß eine Ent­schei­dung hier nur durch jene gro­ßen Gegen­sät­ze bestimmt wer­den kann, die man als Will­kür und Norm, Indi­vi­dua­lis­mus und Kol­lek­ti­vis­mus, Irra­tio­na­li­tät und Ratio oder wie sonst immer zu bezeich­nen pflegt (…).“

    (Die Per­spek­ti­ve als „sym­bo­li­sche Form“ (1927), in: ders, Auf­sät­ze zu Grund­fra­gen der Kunst­wis­sen­schaft, a.a.O., S. 99–167, hier: S. 123 und 124 (im Inter­net hier)

  19. Das bezieht sich ver­mut­lich auf: Erwin Panof­sky: Das per­spek­ti­vi­sche Ver­fah­ren Leo­ne Bat­tis­ta Alber­tis (1914/​15). In: Ders.: Deutsch­spra­chi­ge Auf­sät­ze II. Hg. von Karen Michels und Mar­tin Warn­ke. Aka­de­mie-Ver­lag, Ber­lin 1998, S. 653–663.

    Panof­sky ver­wen­det hier zur Erläu­te­rung der Per­spek­ti­ve immer wie­der den Ter­mi­nus „Grund­li­nie“, im Auf­satz über Per­spek­ti­ve als sym­bo­li­sche Form erscheint der Ter­mi­nus nur ein­mal, und er bezieht sich dort auf das Drei­eck, nicht auf die Perspektive.

  20. Im Dia­gramm bezeich­net die kreis­för­mi­ge Linie p∞ die unend­lich fer­ne Linie der Bild­ebe­ne. Die­se Fern­li­nie ist im Rah­men der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie eine Gera­de; zum Zwe­cke der Ver­an­schau­li­chung wird sie hier als Kreis dargestellt.

    Die Bezie­hung der Gera­den ist also: b ver­hält sich zu p∞ so, wie h sich zu q∞ ver­hält, oder auch (in der Nota­ti­ons­wei­se von Lévi-Strauss):

    b : p∞ :: h : q∞

    In bei­den Fäl­len geht es um die Bezie­hung zwi­schen einer im End­li­chen lie­gen­den Gera­den auf der einen Ebe­ne und der unend­lich fer­nen Gera­den auf der ande­ren Ebe­ne. Bezie­hun­gen des Typs „a ver­hält sich zu b so, wie c sich zu d ver­hält“, wer­den als „Pro­por­tio­nen“ bezeichnet.

  21. Genau gesagt: Der ers­te Sub­jekt­punkt ist die Pro­jek­ti­on des Punk­tes S auf die Hori­zont­li­nie der Bildebene.

  22. Anders for­mu­liert: Der zwei­te Sub­jekt­punkt Sˈ ist ein Punkt auf der Bild­ebe­ne, näm­lich der Schnitt­punkt der Grund­li­nie (λ) mit der unend­lich fer­nen Gera­den der Bild­ebe­ne (p∞).

    Der zwei­te Sub­jekt­punkt ent­steht also nicht durch „die Begeg­nung im Unend­li­chen zwi­schen der Sicht­ebe­ne und der Bild­ebe­ne“, wie Erik Por­ge in sei­nem aus­ge­zeich­ne­ten Auf­satz zu Lacans Las-meni­nas-Inter­pre­ta­ti­on schreibt.
    (Vgl. E. Por­ge: L’analyste dans l’histoire et dans la struc­tu­re du sujet com­me Veláz­quez dans „Les Méni­nes“. In: Lit­to­ral, No. 26, 8. Jg., Novem­ber 1988, S. 3–29, hier: S. 23).

    Lacan beschreibt die­sen Punkt anders. Abge­se­hen davon ergibt die Begeg­nung zwei­er Ebe­nen eine Linie, kei­nen Punkt.

  23. Der zwei­te Sub­jekt­punkt kann also auch als Schnitt­punkt im Unend­li­chen von Grund­li­nie λ und Hori­zont­li­nie h auf­ge­fasst werden.

  24. Auf Des­car­tes hat­te Lacan sich in frü­he­ren Sit­zun­gen die­ses Semi­nars immer wie­der bezogen.

  25. Das „sko­pi­sche Phan­tas­ma“ ist das auf den Schau­trieb bezo­ge­ne Phan­tas­ma; Lacan ver­wen­det die­sen Aus­druck im gesam­ten Werk nur ein­mal, näm­lich hier.

    Das Adjek­tiv sco­pi­que ist im Fran­zö­si­schen nur in der Ver­bin­dung pul­si­on sco­pi­que üblich, der Über­set­zung von Freuds „Schau­trieb“. Lacan löst den Ter­mi­nus aus die­ser engen Ver­bin­dung und spricht in die­sem Semi­nar auch von „champ sco­pi­que“, „inter­pré­ta­ti­on sco­pi­que“, „mon­de sco­pi­que“, „objet sco­pi­que“, „rap­port sco­pi­que“, „struc­tu­re sco­pi­que“, „sujet sco­pi­que“, Um das nach­bil­den zu kön­nen, über­set­ze ich mit dem Neo­lo­gis­mus „sko­pisch“. „Sko­pisch“ meint „auf das Betrach­ten, Beob­ach­ten, Schau­en, Bli­cken bezo­gen“ (wie etwa in „mikro-sko­pisch“); der Aus­druck geht auf das alt­grie­chi­sche Verb sko­pein zurück, „betrach­ten“, „beob­ach­ten“, „bese­hen“, „hin­bli­cken“, „spä­hen“, „umher­schau­en“.

  26. Das Objekt a ist Lacans Rekon­struk­ti­on von Freuds ver­lo­re­nem Objekt; sei­ne Exis­ten­z­wei­se ist also die des „Stür­zens“, des Verschwindens.

    Beim Blick als Objekt a ver­schärft sich das. In Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se, heißt es: „Sowie das Sub­jekt sich die­sem Blick akko­mo­die­ren will, wird der Blick jenes punkt­för­mi­ge Objekt, jener schwin­den­de Seins­punkt, mit dem das Sub­jekt sein eige­nes Schwin­den ver­wech­selt. Auch ist der Blick von allen übri­gen Objek­ten, in denen das Sub­jekt die Abhän­gig­keit, in der es im Regis­ter des Begeh­rens ist, erken­nen kann, dadurch unter­schie­den, daß er nicht zu fas­sen ist. Er wird daher mehr als jedes ande­re Objekt ver­kannt, und viel­leicht ist auch dies Grund, wes­halb das Sub­jekt so ger­ne den ihm eige­nen Zug des Schwin­dens und der Punk­tua­li­tät in der Illu­si­on des Bewußt­seins, sich sich sehen zu sehen, sym­bo­li­siert, in der der Blick eli­diert wird.“ (Sit­zung vom 26. Febru­ar 1964, Ver­si­on Miller/​Haas S. 89 f.)

  27. Die ers­te Ant­wort auf die Fra­ge, wo im Sche­ma das Objekt a zu ver­or­ten ist, lau­tet dem­nach: Das Objekt a wird durch Ebe­ne S reprä­sen­tiert, also durch die Ebe­ne, die, par­al­lel zur Bild­ebe­ne, durch den Aug­punkt S ver­läuft, sagen wir, durch die Betrach­ter­ebe­ne. Aller­dings ist die Zuord­nung des Blicks als Objekt a zur Betrach­ter­ebe­ne nur eine ers­te Annä­he­rung; aus den spä­te­ren Aus­füh­run­gen geht her­vor, dass das Objekt a auf die­ser­Ebe­ne liegt, aber nicht mit ihr gleich­zu­set­zen ist.

  28. In der Ebe­ne des Betrach­ters liegt das „Fens­ter“.

    Das Objekt a wird also nicht durch die gesam­te Betrach­ter­ebe­ne reprä­sen­tiert, son­dern durch das Fens­ter in die­ser Ebe­ne, d.h. durch eine Öff­nung in die­ser Ebe­ne. Das knüpft dar­an an, dass im Fran­zö­si­schen mit regard („Blick“) auch eine Eings­tiegs­öff­nung bezeich­net wird, ein Einstiegsschacht.

    Bei der Ein­füh­rung des Blicks als Objekt a in Semi­nar 10, Die Angst, hat­te Lacan her­aus­ge­stellt, wo Freud sich auf das Fens­ter bezieht:
    – Im Traum des „Wolfs­manns“ wird das Phan­tas­ma (die Wöl­fe auf dem Baum) von einem Fens­ter ein­ge­rahmt, das sich plötz­lich öff­net. (Vgl. Semi­nar 10, Sit­zung vom 12. Dezem­ber 1962, Ver­si­on Miller/​Gondek S. 89; Sit­zung vom 16. Janu­ar 1963, Ver­si­on Miller/​Gondek S. 138.)
    – In Hoff­manns Erzäh­lung Der Sand­mann (von Freud in Das Unheim­li­che ana­ly­siert) erblickt der Held die Pup­pe (i‘(a)) durch ein Fens­ter; in die­ser Geschich­te geht es um das Auge. (Vgl. Semi­nar 10, Sit­zung vom 5. Dezem­ber 1962, Ver­si­on Miller/​Gondek S. 67.)

    Außer­dem hat­te er dort auf einen bestimm­ten Bild­typ von Magrit­te hin­ge­wie­sen, bei dem ein Gemäl­de in einem Fens­ter ver­or­tet wird (vgl. Semi­nar 10, Sit­zung vom 19. Dezem­ber 1962, Ver­si­on Miller/​Gondek S. 97 f.; der Name „Magrit­te“ wird an die­ser Stel­le in Semi­nar 10 von Lacan nicht genannt).

    Melan­cho­li­ker, so heißt es im Angst­se­mi­nar wei­ter­hin, bege­hen oft an einem Fens­ter Selbst­mord oder dadurch, dass sie durch ein Fens­ter sprin­gen (vgl. Semi­nar 10, Sit­zung vom 3. Juli 1963, Ver­si­on Miller/​Gondek S. 423).

    „Fens­ter“ ist zugleich ein Begriff der Renais­sance-Theo­rien über Per­spek­ti­ve. Panof­sky schreibt hier­zu: „wir wol­len da, und nur da, von einer in vol­lem Sin­ne ‚per­spek­ti­vi­schen‘ Raum­an­schau­ung reden, wo nicht nur ein­zel­ne Objek­te, wie Häu­ser oder Möbel­stü­cke, in einer ‚Ver­kür­zung‘ dar­ge­stellt sind, son­dern wo sich das gan­ze Bild – um den Aus­druck eines andern Renais­sance­theo­re­ti­kers zu zitie­ren – gleich­sam in ein ‚Fens­ter‘ ver­wan­delt hat, durch das wir in den Raum hin­durch­zu­bli­cken glau­ben sol­len – wo also die mate­ri­el­le Mal- oder Reli­ef­flä­che, auf die die For­men ein­zel­ner Figu­ren oder Din­ge zeich­ne­risch auf­ge­tra­gen oder plas­tisch auf­ge­hef­tet erschei­nen, als sol­che negiert ist und zu einer blo­ßen ‚Bild­ebe­ne‘ umge­deu­tet wird, auf die sich ein durch sie hin­durch erblick­ter und alle Ein­zel­din­ge in sich befas­sen­der Gesamtraum pro­ji­ziert“ (Die Per­spek­ti­ve als „sym­bo­li­sche Form“, a.a.O., S. 99).
    Der „ande­re Renais­sance­theo­re­ti­ker“ ist Leon Bat­tis­ta Alberti.
    Bei die­ser Ver­wen­dung des Ter­mi­nus Fens­ter liegt das Fens­ter nicht auf der Betrach­ter­ebe­ne, son­dern auf der Bild­ebe­ne, ent­spricht im Dia­gramm also dem Ter­mi­nus „Rah­men“.

    An die­ser Stel­le wird nicht das gesam­te Phan­tas­ma mit dem Fens­ter gleich­ge­setzt. spon­dern nur das Objekt a (das Fens­ter, der Blick). In der Sit­zung vom 25. Mai 1966 wird dann das Phan­tas­ma ins­ge­samt in der Ebe­ne des Betrach­ters ver­or­tet, also in Ebe­ne S (S. 9 von Ver­si­on J.L.).

  29. Topo­lo­gisch geht Lacans Kon­struk­ti­on vom Punkt S aus, vom Aug­punkt. Durch den Aug­punkt führt eine Ebe­ne, die par­al­lel zur Bild­ebe­ne ver­läuft, Ebe­ne S, die Betrach­ter­ebe­ne. Der Abstand der Betrach­ter­ebe­ne zur Bild­ebe­ne bestimmt den Distanz­punkt. In der Betrach­ter­ebe­ne gibt es eine Öff­nung; durch den vor­her­ge­hen­den Satz ist klar, dass dies das Fens­ter ist. Die­se Öff­nung wird hier auch als „Spal­te“, als „Sicht“ und schließ­lich als „Blick“ bezeich­net. Dem­nach reprä­sen­tiert nicht die gesam­te Betrach­ter­ebe­ne den Blick, son­dern die Öff­nung in die­ser Ebe­ne, das Fenster.

    Der Begriff der Spal­te bzw. des Spalts spielt dar­auf an, dass die Quel­le der Trie­be – die ero­ge­ne Zone, wie Freud sagt – in Lacans Deu­tung immer eine Kör­per­öff­nung ist, ein Körperspalt.

    Freud zufol­ge „ent­spricht bei der Schau- und Exhi­bi­ti­ons­lust das Auge einer ero­ge­nen Zone“ (Drei Abhand­lun­gen zur Sexu­al­theo­rie (1905). In: Ders.: Stu­di­en­aus­ga­be, Bd. 5. Fischer Taschen­buch Ver­lag, Frank­furt am Main 2000, S. 37–145, hier: S. 77 f.).

    In Lacans For­mel für den Trieb ($ ◊ D) reprä­sen­tiert die Rau­te – der „Schnitt“ – den Rand der Kör­per­öff­nung, ihre Gren­ze (vgl. J.L.: Sub­ver­si­on des Sub­jekts und Dia­lek­tik des Begeh­rens im Freud’schen Unbe­wus­ten. In: Ders.: Schrif­ten. Band II. Voll­stän­di­ger Text. Über­setzt von Hans-Die­ter Gon­dek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 325–368, hier: S. 355 f.)

    Heißt das, dem Fens­ter ent­spricht in der For­mel des Phan­tas­mas nicht das a, son­dern die Rau­te? Oder hat die Rau­te in der For­mel des Phan­tas­mas eine ande­re Bedeu­tung als in der For­mel des Triebs? Da Lacan hier das Fens­ter aus­drück­lich mit dem Blick gleich­setzt, ist die zwei­te Mög­lich­keit die plausiblere.

    Rah­men

    In der Zeich­nung (Abb. 5) gibt es zum Fens­ter auf der Bild­ebe­ne eine kor­re­spon­die­ren­de Enti­tät, die als cad­re bezeich­net wird, als Rah­men. In der Film­tech­nik ist cad­re der Begriff für den Bild­aus­schnitt; also meint cad­re hier ver­mut­lich nicht den Rand oder Rah­men des Bil­des qua Linie, son­dern die Bild­flä­che, aller­dings nicht die Bild­flä­che in ihrem Inhalt, son­dern die Bild­flä­che unter dem Aspekt, dass sie einen aus­ge­wähl­ten Aus­schnitt aus einer grö­ße­ren Ebe­ne dar­stellt, das Bild als Ebe­nen­frag­ment, das den größ­ten Teil der Ebe­ne von sich ausschließt.

    Die Zeich­nung behaup­tet also ver­mut­lich: Dem Fens­ter in Ebe­ne S ent­spricht in der Bild­ebe­ne der Rah­men im Sin­ne des Bild­aus­schnitts, also die Tat­sa­che, dass bei­spiels­wei­se das Bild Las meni­nas ein Aus­schnitt aus der (unend­lich aus­ge­dehn­ten) Bild­ebe­ne ist.

    Ob Lacan auf eben die­se Zeich­nung ver­weist, ist aller­dings nicht klar. Auf­fäl­lig ist, dass er im gespro­che­nen Text den Aus­druck cad­re nicht ver­wen­det und dass er sich zum Ent­spre­chungs­ver­hält­nis von Fens­ter und cad­re, wie es von der Zeich­nung dar­ge­stellt wird, in die­ser Sit­zung nicht äußert. Erläu­te­run­gen zum Ver­hält­nis von Fens­ter und Rah­men auf der Betrach­ter­ebe­ne und auf der Bild­ebe­ne gibt Lacan im lau­fen­den Semi­nar 13 in den Sit­zun­gen vom 18. Mai 1966, Ver­si­on J.L. S. 47, und vom 25. Mai 1966, Ver­si­on J.L. S. 6 f.

  30. Das heißt viel­leicht: Das Bild (tableau) ist nur ein Aus­schnitt aus der Bildebene.

    Die im Hin­ter­grund ste­hen­de Argu­men­ta­ti­on könn­te sein: Der anfäng­li­che Punkt der Kon­struk­ti­on, also der Aug­punkt S, erklärt nicht, war­um das Bild nur einen Aus­schnitt umfasst. Neben dem Flucht­punkt und dem Distanz­punkt brau­chen wir des­halb eine drit­te Grö­ße, um ein per­spek­ti­vi­sches Bild zu kon­stru­ie­ren; auf der Ebe­ne des Betrach­ters muss etwas hin­zu­ge­fügt wer­den, das in der Pro­jek­ti­on auf die Bild­ebe­ne den Bild­aus­schnitt erzeugt, und das ist das Fenster.

    Damit stellt sich die Fra­ge, wie das hier zunächst nur intui­tiv ein­ge­führ­te Fens­ter, das im Rah­men der eukli­di­schen Geo­me­trie unpro­ble­ma­tisch ist, mit den Mit­teln der pro­jek­ti­ven Geo­me­trie bzw. der Topo­lo­gie rekon­stru­iert wer­den kann.

  31. Das Fens­ter ist dem­nach auf die Funk­ti­on des Signi­fi­kan­ten zu bezie­hen, es ist so etwas wie die Bedin­gung für das Funk­tio­nie­ren der Signifikantenbeziehungen.

    Michel Rous­san ver­weist in sei­ner Edi­ti­on zu die­sem Satz auf Lacans Semi­nar 12 von 1964/​65, Schlüs­sel­pro­ble­me für die Psy­cho­ana­ly­se, dar­in auf das Sche­ma zu „um 5 Uhr allein“, bestehend aus fünf Blu­men­töp­fen in einem Fens­ter mit zurück­ge­zo­ge­nem Vor­hang (Sit­zun­gen vom 7. April 1965 und vom 5. Mai 1965).

    Ein zwei­ter Bezug in Semi­nar 12 ist, Rous­san zufol­ge, die Sit­zung vom 23. Juni 1965; in einem Kom­men­tar zu Die Ver­zü­ckung der Lol V. Stein von Mar­gue­ri­te Duras ver­weist Lacan dort auf die Funk­ti­on des Fens­ters (vgl. auch die Über­set­zung von Lacans Hom­mage an Mar­gue­ri­te Duras, über die Ver­zü­ckung der Lol V. Stein, hier).

  32. Wie in der vor­an­ge­hen­den Sit­zung stellt Lacan auch hier den Über­gang von der pro­jek­ti­ven Ebe­ne zur Kreuz­hau­be her, genau­er zur Sphä­re, der eine Kreuz­hau­be auf­ge­setzt ist, zur Kreuz­hau­be ohne Rand. In der mathe­ma­ti­schen Topo­lo­gie gilt die pro­jek­ti­ve Ebe­ne (die Ebe­ne, für die gilt, dass Par­al­le­len sich im Unend­li­chen schnei­den) als äqui­va­lent mit einer Sphä­re-mit-Kreuz­hau­be; anders gesagt: wenn man eine pro­jek­ti­ve Ebe­ne in den drei­di­men­sio­na­len Raum ein­fügt, wird sie zu einer rand­lo­se Kreuz­hau­be. (Vgl. auf die­ser Web­site den Arti­kel Die Kreuz­hau­be und die Struk­tur des Phan­tas­mas.)

    Damit stellt sich die Fra­ge, wel­che Ent­spre­chung das Fens­ter in der Sphä­re-mit-Kreuz­hau­be hat, und Lacans Ant­wor­tet lau­tet: In der Sphä­re-mit-Kreuz­hau­be ent­spricht dem Fens­ter das Loch. Für Lacan gilt also, dass die Sphä­re-mit-Kreuz­hau­be ein Loch hat (vgl. hier­zu auf die­ser Web­site den Arti­kel Das Loch in der Kreuz­hau­be). Das Loch in der Sphä­re-mit-Kreuz­hau­be ist der soge­nann­te Zen­tral­punkt,; der Zen­tral­punkt ent­spricht, Lacan zufl­ge, dem Phallus.

    Das Loch in der Kreuz­hau­be (der Phal­lus, die Kas­tra­ti­on) ermög­licht das Her­ein­bre­chen des Objekts a – die Objek­te a sind Sym­bo­le für die Kas­tra­ti­on. Lacan: „Ein Objekt a ist ein etwas, von dem als Organ das Sub­jekt sich getrennt hat zu sei­ner Kon­sti­tu­ie­rung. Die­ses Objekt gilt als Sym­bol des Man­gels, das heißt des Phal­lus, und zwar nicht des Phal­lus an sich, son­dern des Phal­lus, inso­fern er einen Man­gel /​ ein Feh­len dar­stellt.“ (J.L. Das Semi­nar, Buch XI (1964): Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se. Tex­terstel­lung von Jac­ques-Alain Mil­ler, über­setzt von Nor­bert Haas. Wal­ter-Ver­lag, Olten 1978, Sit­zung vom 4. März 1965, S. 110.)

    Vom Her­ein­bre­chen des Objekts a hängt wie­der­um die Sub­jekt­spal­tung ab; d.h. das Objekt a fun­giert als Ursa­che des Begehrens.

    Wenn die Sphä­re-mit-Kreuz­hau­be durch einen Schnitt in Form einer Innenacht zer­teilt wird, der die Durch­drin­gungs­li­nie und den Zen­tral­punkt umkreist, zer­fällt sie in ein Möbi­us­band und eine Schei­be; das Möbi­us­band ent­spricht, so erklärt Lacan ab dem lau­fen­den Semi­nar 13, dem gespal­te­nen Sub­jekt und die Schei­be dem Objekt a; damit hat die zer­teil­te Kreuz­hau­be die Struk­tur des Phan­tas­mas $ ◊ a (wobei der Innenacht-Schnitt der Rau­te ent­spricht). (Vgl. Semi­nar 13, Sit­zung vom 9. Febru­ar 1966.)

    Die fol­gen­de Zeich­nung stellt die­se Zusam­men­hän­ge dar, sie ist eine von mir über­ar­bei­te­te Fas­sung eines Dia­gramms aus Juan-David Nasio: Intro­duc­tion à la topo­lo­gie de Lacan. Payots et Riv­ages, Paris 2010, S. 189:

    Die an die­ser Stel­le vor­aus­ge­setz­te Argu­men­ta­ti­on zum Blick als Objekt a lässt etwa so skizzieren:
    (a) Im Sche­ma der Per­spek­ti­ve wird der Blick als Objekt a durch das Fens­ter in der Betrach­ter­ebe­ne repräsentiert.
    (b) Die Betrach­ter­ebe­ne ist, wie alle Ebe­nen des Per­spek­ti­ven­sche­mas, als pro­jek­ti­ve Ebe­ne auf­zu­fas­sen, d.h. als eine Ebe­ne, auf der sich Par­al­le­len in einem Punkt im Unend­li­chen schnei­den, die also eine Fern­li­nie hat.
    (c) Eine pro­jek­ti­ve Ebe­ne ist äquai­va­lent mit einer Sphäre-mit-Kreuzhaube.
    (d) Also ist das Fens­ter (und damit der Blick als Objekt a) auf der rand­lo­sen Kreuz­hau­be zu verorten.
    (e) Auf der rand­lo­sen Kreuz­hau­be ent­spricht das Fens­ter (bzw. der Blick als Objekt a) dem als Loch auf­ge­fasst Zen­tral­punkt, also dem Phal­lus, der Kastration.
    (f) Das Loch in der Kreuz­hau­be (der Zen­tral­punkt, der Phal­lus) ermög­licht das Her­ein­bre­chen des Objekts a, hier des Blicks als Objekt a. Dem Objekt a ent­spricht die Schei­be, die sich ergibt, wenn man die Kreuz­hau­be durch einen Schnitt in Form einer Innenacht zer­teilt, der zwei Run­den um die Durch­drin­gungs­li­nie und den Zen­tral­punkt dreht, um das Loch. Die Kreuz­hau­be zer­fällt dann in zwei Bestand­tei­le, ein Möbi­us­band und eine Scheibe.
    (g) Die Bezie­hung zwi­schen dem Zen­tral­punkt (Phal­lus) und der Schei­be (Objekt a) weist dar­auf hin, dass das Objekt a die (illu­so­ri­sche) Funk­ti­on hat, die Kas­tra­ti­on zu kompensieren.

    Außer­dem for­mu­liert Lacan hier die The­se, dass die Deu­tung der pro­jek­ti­ven Ebe­ne als Kreuz­hau­be es ermög­lich, die ver­schie­de­nen Ebe­nen des Per­spek­ti­ven­sche­mas mit­ein­an­der zu „ver­kno­ten“ (nouer), zu ver­bin­den, zu ver­schlin­gen. Was ist damit gemeint?
    Den Ver­such einer Ant­wort fin­det man in dem fol­gen­den Aufsatz:
    Jean-Pierre Geor­gin und Erik Por­ge: Au-des­sus de l’horizon il n’y a pas le ciel. In: Lit­to­ral. Revue de psy­ch­ana­ly­se, Nr. 29, 1989, S. 137–155, im Inter­net hier.

  33. Lacan spielt an die­ser Stel­le ver­mut­lich auf eine Bemer­kung von Fou­cault in des­sen Las-meni­nas-Ana­ly­se an: „Das von ihm beob­ach­te­te Schau­spiel ist also dop­pelt unsicht­bar, weil es nicht im Bild­raum reprä­sen­tiert ist und weil es genau in jenem blin­den Punkt liegt, in jenem wesent­li­chen Ver­steck in dem sich uns unser eige­ner Blick in dem Moment ent­zieht, in dem wir bli­cken.“ (Die Hof­fräu­lein. In: Michel Fou­cault: Die Ord­nung der Din­ge. Eine Archäo­lo­gie der Human­wis­sen­schaf­ten. Über­setzt von Ulrich Köp­pen. Suhr­kamp, Frank­furt am Main 1971, S. 31–45, hier: S. 32, Über­set­zung geän­dert, Her­vor­he­bung RN)

  34. Der Blick als Objekt a wird hier durch den Bezug auf den Kör­per bestimmt, als Kör­per­öff­nung, die sich auf das Sehen bezie­hen: als Lid­spal­te und als Pupilleneingang.

    Die ero­ge­nen Zonen haben, so heißt es bei Lacan, topo­lo­gisch gese­hen die Struk­tur eines Schnitts, in ana­to­mi­scher Auf­fas­sung die eines Ran­des oder einer Gren­ze; Lid­rand und Pupil­len­rand sind also die Schnit­te des Auges.

    In Sub­ver­si­on des Sub­jekts und Dia­lek­tik des Begeh­rens im Freud’schen Unbe­wuss­ten (1962) schreibt er: „Die eigent­li­che Abgren­zung der ‚ero­ge­nen Zone‘, die der Trieb vom Meta­bo­lis­mus der Funk­ti­on abhebt (der Akt des Ver­schlin­gens lässt ande­re Orga­ne teil­ha­ben als den Mund, fra­gen Sie den Pawlow’schen Hund), ist die Tat­sa­che eines Schnit­tes, der durch das ana­to­mi­sche Merk­mal einer Gren­ze [mar­ge] oder eines Ran­des begüns­tigt wird: Lip­pen, das ‚Gehe­ge der Zäh­ne‘, die Rand­zo­ne des Anus, die Penis­fur­che, die Vagi­na, die Lid­spal­te, ja die Ohr­mu­schel (wir ver­mei­den hier die embryo­lo­gi­schen Prä­zi­sie­run­gen).“ (A.a.O., S. 356)

    Auf die Lid­spal­te hat­te Lacan sich auch bei der Ein­füh­rung des Blicks als Objekt a bezo­gen, auf die Lid­spal­te einer Bud­dha-Sta­tue – bei der die Lid­spal­te aller­dings gera­de fehl­te (vgl. Semi­nar 10, Die Angst, Sit­zung vom 8. Mai 1963, Ver­si­on Miller/​Gondek S. 285).

    In Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se (1964) spricht Lacan über das Loch im Bild als Reflex der Pupil­le, hin­ter der der Blick ist (Sit­zung vom 11. März 1964, Ver­si­on Miller/​Haas S. 115).

    Der Blick als Objekt a wird hier auf der Ebe­ne des Trie­bes bestimmt (des Schau­triebs) und nicht des sko­pi­schen Phantasmas.

    Trieb und Phantasm

    Damit stellt sich die Fra­ge nach dem Ver­hält­nis zwi­schen dem Blick im Trieb und dem Blick im Phantasma.

    Die Kör­per­öff­nung ist, in Freuds Ter­mi­no­lo­gie, die ero­ge­ne Zone als Trieb­quel­le, von wel­cher ein kon­stan­ter Drang aus­geht, der sich auf ein Objekt rich­tet, mit dem Ziel der Befrie­di­gung (vgl. S. Freud: Trie­be und Trieb­schick­sa­le (1915). In: Ders.: Stu­di­en­aus­ga­be, Bd. 3. Fischer Taschen­buch Ver­lag, Frank­furt am Main 2000, S. 75–102).

    In Lacans Rekon­struk­ti­on des Trie­bes dreht sich der Drang um das Objekt und kehrt zur Trieb­quel­le zurück; die­se Hin- und Zurück-Bewe­gung ist für Lacan das Trieb­ziel. Das Objekt, um das sich der Drang in einer Hin- und Zurück­be­we­gung dreht, ist für ihn das Objekt a im Rah­men des Trie­bes (vgl. Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se, Sit­zung vom 13. Mai 1964, vgl. das Sche­ma in Ver­si­on Miller/​Haas S. 187).

    Wenn man dar­an fest­hält, sind Lid­rand und Pupil­le nicht der Blick als Objekt a, son­dern die ero­ge­ne Zone des Schau­triebs, von dem ein Drang aus­geht, der sich um den Blick als Objekt a dreht.

    In den Semi­na­ren 9 und 10 wur­de der Blick meist auf das Phan­tas­ma bezo­gen und auch in den Las-meni­nas-Vor­le­sun­gen geht es pri­mär um das Phan­tas­ma. Im Rah­men des Phan­tas­mas fun­giert der Blick als Angst vor einem gefähr­li­chen Blick, als Gefühl, beob­ach­tet zu wer­den, auf der visu­el­len Ebe­ne als Lichtreflex.

  35. Dem Blick als Objekt a wird ein tech­ni­sches Modell zuge­ord­net, die Came­ra obscu­ra. Vom Kon­text her ist klar, dass nicht die gesam­te Came­ra obscu­ra gemeint ist, son­dern spe­zi­ell das Loch darin.

  36. Die­go Veláz­quez: Las meni­nas, 1656, Madrid, Prado.
    Fou­caults Ana­ly­se des Bil­des fin­det man in: Michel Fou­cault: Les sui­van­tes. Ers­tes Kapi­tel von ders.: Les Mots et les cho­ses. Une archéo­lo­gie des sci­en­ces humain­es. Gal­li­mard, Paris 1966, S. 19–31.– Deutsch: Die Hof­fräu­lein. In: Ders.: Die Ord­nung der Din­ge. Eine Archäo­lo­gie der Human­wis­sen­schaf­ten. Über­setzt von Ulrich Köp­pen. Suhr­kamp, Frank­furt am Main 1971, S. 31–45.

    Auf Fou­caults Ana­ly­se die­ses Bil­des hat­te Lacan bereits in den Sit­zun­gen vom 27. April und vom 4. Mai die­ses Semi­nars ver­wie­sen (hier übersetzt).

  37. Offen­bar eine Auf­for­de­rung, das Dia zu wechseln.

  38. Lacans The­se ist dem­nach: das Bild, das der in Las meni­nas dar­ge­stell­te Maler gera­de malt und des­sen Rück­sei­te im Gemäl­de gezeigt wird, ist das Bild, das wir Betrach­ter sehen, also das Bild Las meni­nas.

    Der Hin­weis auf die Auf­tei­lung bezieht sich ver­mut­lich auf den Abstand des gemal­ten Malers vom ver­deck­ten Gemäl­de sowie auf die Spal­tung der Grup­pe, The­men, die spä­ter in die­ser Sit­zung (S. 32 f. von Ver­si­on J.L.) sowie in den bei­den Fol­ge­sit­zun­gen noch aus­führ­lich behan­delt wer­den (vgl. Sit­zung vom 18. Mai 1966, S. 41 von Ver­si­on J.L., und Sit­zung vom 25. Mai 1966, S. 11 f. von Ver­si­on J.L.

  39. Das könn­te sich auf den Rand des Bil­des im Bild bezie­hen; auf die­sem Rand liegt das Licht.

  40. Tat­säch­lich weist Fou­cault vor allem zu Beginn sei­nes Arti­kels immer wie­der dar­auf hin, dass in Las meni­nas vom Bild im Bild für den Betrach­ter nur die Rück­sei­te ein­seh­bar ist. Es könn­te gemeint sein, dass Fou­cault dar­aus nicht alle Kon­se­quen­zen gezo­gen hat.

  41. Anspie­lung auf Kar­ten­spie­le vom Typ des Poker, bei denen mit ver­deck­ten Kar­ten gespielt wird.
    Die Meta­pher „ver­deck­te Kar­te“ ver­weist auf die Begrif­fe des Schirms (écran) und der Vorstellungsrepräsentanz.

  42. Das Sub­jekt ist nicht vom Wis­sen her auf­zu­fas­sen, son­dern vom Begeh­ren (d.h. vom Bezug auf einen Man­gel); vgl. oben S. 4 f. von Ver­si­on J.L.

  43. Die Sub­li­mie­rung ist, Freud zufol­ge, eines der „Trieb­schick­sa­le“ (Trie­be und Trieb­schick­sa­le (1915). In: Ders.: Stu­di­en­aus­ga­be, Bd. 3. Fischer Taschen­buch Ver­lag, Frank­furt am Main 2000, S. 75–102, hier: S. 90).

    Als wich­ti­ges Feld der Sub­li­mie­rung gilt die Kunst. So gese­hen erscheint die Male­rei als eine Sub­li­mie­rung des Schautriebs.

    In Lacans Ethik-Semi­nar heißt es, „bei jeder Form der Sub­li­mie­rung wird das Bestim­men­de die Lee­re sein“ (Sit­zung vom 3. Febru­ar 1960, Ver­si­on Miller/​Haas S. 160). Die Lee­re ist gewis­ser­ma­ßen die Grund­la­ge des Begehrens.

    In Semi­nar 11, Die vier Grund­be­grif­fe der Psy­cho­ana­ly­se, liest man:

    „Für uns geht es um die Schöp­fung, wie Freud sie auf­faßt, das heißt die Schöp­fung als Sub­li­ma­ti­on, und es geht um den Wert, den die­se in einem sozia­len Feld einnimmt.

    Auf unge­fäh­re und zugleich prä­zi­se Art und nur den Erfolg des Werks im Auge for­mu­liert Freud, daß, wenn eine Schöp­fung aus dem Begeh­ren, rein auf der Ebe­ne des Malers, zu einem kom­mer­zi­el­len Wert wird – eine Gra­ti­fi­ka­ti­on, die man trotz­dem als sekun­där bezeich­nen kann – dies sei­nen Grund dar­in hat, daß ihre Wir­kung etwas Nutz­brin­gen­des für die Gesell­schaft hat, für das, was an Gesell­schaft­li­chem in ihren Bereich fällt. Blei­ben wir fürs ers­te im Unge­fäh­ren und sagen, daß das Werk die Leu­te befrie­det, die Leu­te erquickt, indem es ihnen zeigt, daß es ande­re Leu­te gibt, die von der Aus­beu­tung ihres Begeh­rens leben. Damit es aber zu einer sol­chen Befrie­di­gung kommt, muß der zwei­te Umstand hin­zu­tre­ten, daß ihr Begeh­ren, ihr eige­nes Begeh­ren, zu schau­en, hier eini­ger­ma­ßen sich befrie­det sieht. Das hebt die See­len, wie man sagt, das heißt, es ent­mu­tigt sie ihrer­seits zur Ent­sa­gung. Sie kön­nen nicht über­se­hen, daß hier etwas von der Funk­ti­on anklingt, die ich Blick­zäh­mung nann­te.“ (Sit­zung vom 11. März 1964, Ver­si­on Miller/​Haas S. 118)

    Die Sub­li­mie­rung ist für Lacan ein durch die Wie­der­ho­lung her­ge­stell­tes Ver­hält­nis zum Man­gel. In Semi­nar 14, Die Logik des Phan­tas­mas, wird er zu einem bestimm­ten Dia­gramm sagen (zum Dia­gramm der har­mo­ni­schen Tei­lung, auf­ge­fasst als Grenzwertoperation):

    „Was ergibt das als Struk­tur der Sub­li­mie­rungs­funk­ti­on? Zunächst, dass sie im Gegen­satz zum ein­fa­chen Sexu­al­akt vom Man­gel aus­geht und dass sie mit­hil­fe des Man­gels das kon­stru­iert, was ihr Werk ist und was immer die Repro­duk­ti­on die­ses Man­gels ist. Wel­ches auch immer das Werk der Sub­li­mie­rung sein mag, auf wel­che Wei­se auch immer es erfasst sein mag. Es ist kei­nes­wegs zwangs­läu­fig das Kunst­werk, es kann auch noch ande­re sein, ein­schließ­lich des­sen, was ich gera­de hier mit Ihnen mache, was nichts mit dem Kunst­werk zu tun hat. Die Repro­duk­ti­on des Man­gels, die dahin führt, den Punkt ein­zu­krei­sen, an dem ihr letz­ter Schnitt ganz streng dem anfäng­li­chen Man­gel – näm­lich a2 – gleich ist, dar­um geht es in jedem Werk, in dem eine Sub­li­mie­rung erreicht wird. Das schließt im Inne­ren des Akts natür­lich eine Wie­der­ho­lung ein – nur wenn der Man­gel in unend­lich wie­der­hol­ter Wei­se immer neu bear­bei­tet wird, wird die Gren­ze erreicht, die dem gesam­ten Werk sein Maß gibt.“ (Semi­nar 14, Sit­zung vom 8. März 1967, mei­ne Über­set­zung nach Ver­si­on Staferla)

  44. Als „Trieb­schick­sal“ unter­liegt die Sub­li­mie­rung dem all­ge­mei­nen Triebmechanismus.

  45. Dass der Trieb durch eine Hin-und-Zurück-Bewe­gung cha­rak­te­ri­siert ist, ist eine The­se, die Lacan in Semi­nar 11 von 1964, Die vier Grund­la­gen der Psy­cho­ana­ly­se, ent­wi­ckelt hat­te (Sit­zung vom 15. Mai 1964, bei Mil­ler hat sie den Titel „Der Par­ti­al­trieb und sei­ne Kreis­bahn“). Die Bewe­gung führt vom Sub­jekt zum Objekt a, umkreist die­ses Objekt und führt dann wie­der zurück zum Subjekt.

    Lacan stützt sich hier­für auf Freuds Auf­satz Trie­be und Trieb­schick­sa­le, in dem die Trie­be u.a. durch die „Wen­dung gegen die eige­ne Per­son“ cha­rak­te­ri­siert wer­den – der Maso­chis­mus ist ein gegen sich selbst gerich­te­ter Sadis­mus, der Schau­trieb ist durch das Ver­hält­nis von Schau­en und Beschau­t­wer­den bestimmt (vgl. S. Freud: Trie­be und Trieb­schick­sa­le (1915). In: Ders.: Stu­di­en­aus­ga­be, Bd. 3. Fischer Taschen­buch Ver­lag, Frank­furt am Main 2000, S. 75–102).

    Das Möbi­us­band reprä­sen­tiert das gespal­te­ne Sub­jekt, $. Mit der Dar­stel­lung des Sub­jekts durch die Struk­tur des Möbi­us­ban­des befasst Lacan sich seit Semi­nar 9 von 1961/​62, Die Iden­ti­fi­zie­rung; im lau­fen­den Semi­nar 13 hat­te er sich aus­führ­lich hier­auf bezo­gen. Eine mathe­ma­ti­sche Amei­se, die ein Möbi­us­band ent­lang­krab­belt ohne die Kan­te zu über­que­ren, lan­det nach der ers­ten Umdre­hung auf der Rück­sei­te des Aus­gangs­punkts und kommt bei der zwei­ten Umdre­hung an de