Jacques Lacan
Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse, Sitzung vom 4. Mai 1966
Vorlesungen über Velázquez’ Bild Las meninas. Teil I
Übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Rolf Nemitz
Diego Velázquez, Las meninas („Die Hoffräulein“), 1656
Öl auf Leinwand, 318 x 276 cm, Museo del Prado, Madrid
Über Velázquez’ Bild Las meninas („Die Hoffräulein“) hat Lacan eine Serie von Vorlesungen gehalten, die ausführlichste Deutung eines einzelnen Bildes, die es von ihm gibt. Im Folgenden findet man, in fünf Teilen, meine Übersetzung dieser Bildanalyse – die erste deutsche Übersetzung dieser Texte – sowie erläuternde Paraphrasen.
Dies ist Teil I.
Überblick über die Übersetzung
Teil I: dieser Beitrag
– Vorbemerkung zur gesamten Übersetzung
–Ankündigung der Las-meninas-Vorlesungen (27. April 1966, Auszug)
– Die Vorstellungsrepräsentanz und die Spaltung zwischen dem sehenden und dem blickenden Subjekt (4. Mai 1966)
– Literaturverzeichnis
Teil II:
– Der Blick als Objekt a und das Fenster (11. Mai 1966)
Teil III:
– Noch einmal, für Foucault (18. Mai 1966)
Teil IV:
– Das blinde Sehen des Anderen (25. Mai 1966)
Teil V: NACHTRÄGE
– Objekt a zwischen Ⱥ und $ (Seminar XIII, 1. Juni 1966, Auszüge)
– Das Geheimnis der narzisstischen Fesselung: der Blick (Seminar XIII, 15. Juni 1966, Auszug)
– Der Blick und die Übertragung (Seminar XV, 20. und 27. März 1968, Auszug)
– Der Punkt im Unendlichen (Seminar XXII, 18. Februar 1975, Auszug)
– Die Verortung des Blicks im Intervall (Seminar XXII, 13. Mai 1975, Auszug)
Vorbemerkung
Am 8. April 1966 erscheint bei Gallimard in Paris Michel Foucaults Buch Les mots et les choses; der deutsche Titel wird Die Ordnung der Dinge lauten.1 Das erste Kapitel ist eine ausführliche Analyse eines Gemäldes von Diego Velázquez, Las meninas, „Die Hoffräulein“; eine erste Fassung dieses Kapitels war ein Jahr zuvor im Mercure de France erschienen2 Knapp drei Wochen später, am 27. April 1966, verweist Lacan in seinem Seminar auf das Buch, in Seminar 13 von 1965/66, mit dem Titel Das Objekt der Psychoanalyse. In den folgenden vier Sitzungen – am 4., 11., 18. und 25. Mai – trägt er seine eigene Analyse des Bildes vor, immer in Auseinandersetzung mit der von Foucault. In einer dieser Sitzungen, am 18. Mai, sitzt Foucault unter den Hörern. Den Hintergrund bildet Lacans Rekonstruktion der in der Renaissance entwickelten Konstruktion der Perspektive mithilfe der projektiven Geometrie und der Topologie der Kreuzhaube.
Lacan verwendet das Gemälde, um eine Theorie über die Struktur des sich auf den Schautrieb stützenden Phantasmas zu entwickeln, über das „skopische Phantasma“, wie er es nennt. Dabei knüpft er an Vorlesungen an, die er zwei Jahre zuvor im Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964), gehalten hatte, Vorlesungen über die Spaltung von Auge und Blick (eine Erläuterung des in diesem Seminar entwickelten Schemas findet man auf dieser Website hier). Eingeführt hatte er die Beziehung zwischen dem Schautrieb und dem Objekt a in Seminar 10, Die Angst (1962/63).
Ich übersetze vier Sitzungen von Seminar 13 vollständig: die vom 4. Mai, 11. Mai, 18. Mai und vom 25. Mai 1966. In der ersten Sitzung erwähnt er das Bild nur mit einem Satz; er beginnt hier, seine Adaption der projektiven Geometrie vorzustellen, mit deren Hilfe er in den anschließenden Sitzungen das Bild von Velázquez analysieren wird.
Außerdem übersetze ich eine kurze Passage aus einer früheren Sitzung (27. April 1966), in der Lacan Foucaults Las-meninas-Analyse empfiehlt und zugleich seine eigenen Vorlesungen zu diesem Thema ankündigt. Ich übersetze auch einige Passagen aus späteren Sitzungen, in denen er auf seine Las-meninas-Analyse zurückkommt (1. und 15. Juni 1966 sowie Bemerkungen aus den Seminaren 15 und 22).
In Seminar 13 wechselt Lacan zwischen zwei Formen der Veranstaltung. Einige der Sitzungen sind allgemein zugänglich, andere nur für einen begrenzten Teilnehmerkreis. Hierauf verweist zu Beginn der Übersetzungen der Hinweis „offene Veranstaltung“ bzw. „geschlossene Vorlesung“.
Von Seminar 13 gibt es keine offizielle Ausgabe. Meine Übersetzung folgt der von Michel Roussan herausgegebenen ausgezeichneten inoffiziellen kritischen Ausgabe des Seminars.3 Wichtigste Grundlage für die Textherstellung ist eine von Lacan in Auftrag gegebene Stenotypie, genannt „Version J.L“; man findet sie auf der Website der École lacanienne de Paris hier. (Lacans Stenotypistinnen verwendeten eine Stenographiermaschine und transkribierten das Ergebnis dann mit einer gewöhnlichen Schreibmaschine.4) Wie die Korrekturen in diesem Text ausweisen, wurde er mit einer Tonaufnahme verglichen. Roussan wiederum hat Version J.L. mit Hörermitschriften und mit einer weiteren Transkription verglichen. Die Interpunktion – den Schnitt der Sätze und Absätze – habe ich gelegentlich geändert.
Von Cormac Gallagher gibt es eine Übersetzung von Seminar 13 ins Englische.
Die Gliederung durch Absätze und Leerzeilen sowie die Strukturierung verwickelter Sätze im Französischen durch drei Punkte mit Zeilenwechsel übernehme ich (mit geringen Änderungen) aus der Edition von Michel Roussan. Die Abbildungen stammen teils hieraus, teils aus der Staferla-Version des Seminars5; die Staferla-Zeichnungen zur Perspektive und zur projektiven Geometrie habe ich bisweilen leicht verändert. Die Anmerkungen sind, sofern nicht anders vermerkt, von mir und ebenso die Überschriften.
Die Übersetzung wird hier zweimal gegeben, zunächst nur deutsch, dann gewissermaßen als Studienausgabe: ein Satz französisch, ein Satz deutsch, mit erläuternden Anmerkungen und Links.
Es folgt nach jeder Übersetzung eine Paraphrase mit erläuternden Zusätzen.
Die Übersetzung von Lacan Las-meninas-Vorlesungen habe ich für ein Seminar über die Las-meninas-Deutungen von Foucault und Lacan angefertigt, das ich zusammen mit Karlheinz Lüdeking im Sommersemester 2017 an der Universität der Künste in Berlin gehalten habe.
Herzlichen Dank an Gerhard Herrgott für seine Hilfe bei der Übersetzung und beim Nachvollziehen von Lacans Ausführungen zur projektiven Geometrie!
Zur Notation
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift – {1} usw. – verweisen auf die Seitenzahlen von Version J.L.; in der Roussan-Edition findet man diese Seitenangaben am Rand.
– [Text in eckigen Klammern] ist nicht von Lacan.
– Wörter mit nachgestelltem Sternchen*: im Original deutsch.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
Ankündigung der Las-meninas-Vorlesungen
(27. April 1966, Auszug)
Deutsch
Nach einer Bemerkung zu Beginn der Sitzung über zwei Objekte a, Kot und Penis, heißt es.
{2} Wir werden bemerken, dass es zwei weitere Objekte a gibt – eine Merkwürdigkeit, die sogar in der Freud’schen Theorie halb im Schatten geblieben ist, obgleich sie hier die Rolle aktiver Instanzen spielen, nämlich der Blick und die Stimme.
Ich denke, dass ich beim nächsten Mal auf den Blick zurückkommen werde. Ich habe zwei und sogar drei berühmte Seminare, wie man sagt, im ersten Jahr meiner Vorträge hier gehalten, in denen ich mich bemüht habe, Ihnen die Dimension spürbar zu machen, in die sich das Objekt, das als Blick bezeichnet wird, einschreibt. Einige von Ihnen werden sich daran wohl erinnern; denjenigen, die mein Seminar seit längerem besuchen, kann deren Wichtigkeit nicht entgangen sein.
Und da ich beim nächsten Mal, nehme ich an, Gelegenheit haben werde, die Betonung ganz hierauf zu legen, möchte ich von heute an denjenigen, die hier die Heilige Schar meiner Zuhörerschaft bilden – Ihnen also – , möchte |{3} ich Ihnen bis dahin das empfehlen – weil das die Bezüge, die ich hier herstellen werde, weitaus verständlicher machen wird –, möchte ich das empfehlen, was in dem wirklich brillanten Buch, das unser Freund Michel Foucault gerade veröffentlicht hat, was im ersten Kapitel dieses Buches unter dem Titel Die Hoffräulein erschienen ist: Kapitel I des Buches von Michel Foucault, mit dem Titel – für diejenigen, die heute schwerhörig sind – , mit dem Titel Les mots et les choses, „Die Wörter und die Dinge“ [dt. Titel: Die Ordnung der Dinge].
Das ist ein schöner Titel. Dieses Buch wird Sie in keiner Weise enttäuschen, und wenn ich Ihnen die Lektüre des ersten Kapitels empfehle, bin ich mir jedenfalls ganz sicher, dem Buch keinen schlechten Dienst zu erweisen, denn es wird genügen, dass Sie dieses erste Kapitel gelesen habe, damit Sie sich gierig auf alle anderen stürzen. Dennoch hätte ich gern, dass zumindest eine gewisse Anzahl von Ihnen dieses erste Kapitel bis zum nächsten Mal gelesen hat, denn es ist schwierig, hier nicht das geschrieben zu sehen – in einer außerordentlich eleganten Beschreibung –, was eben diese doppelte Dimension ist, die ich früher, falls Sie sich erinnern, durch die beiden gegeneinander gerichteten Dreiecke dargestellt habe, das Dreieck des Sehens (vision) mit, hier, diesem idealen Objekt, das man als Auge bezeichnet und von dem angenommen wird, dass es den äußersten Punkt der Ebene des Sehens bildet, und dann das, was in umgekehrter Richtung in Gestalt des Blicks (regard) eingetragen ist.
Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, können Sie --, wird es Ihnen sehr viel leichter fallen, zu verstehen, was ich im Anschluss daran beim nächsten Mal hier ausführen möchte.
Lacan fährt damit fort, dass er ein weiteres Buch zur Lektüre empfiehlt: Raymond Ruyer, „Paradoxes de la conscience“. Die Übersetzung einer weiteren Passage aus dieser Seminarsitzung (zum Thema jouissance und Orgasmus) findet man auf dieser Website hier.
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Französisch/deutsch mit Anmerkungen
Nach einer Bemerkung zu Beginn der Sitzung über zwei Objekte a, Kot und Penis, heißt es.
{2} Nous nous apercevrons qu’il y a deux autres objets a – chose curieuse restés, même dans la théorie freudienne, à demi dans l’ombre, encore qu’ils y jouent leur rôle d’instance active, à savoir : le regard et la voix.
Wir werden bemerken, dass es zwei weitere Objekte a gibt – eine Merkwürdigkeit, die sogar in der Freud’schen Theorie halb im Schatten geblieben ist, obgleich sie hier die Rolle aktiver Instanzen spielen, nämlich der Blick und die Stimme.
Je pense que, la prochaine fois, je reviendrai sur le regard.
Ich denke, dass ich beim nächsten Mal auf den Blick zurückkommen werde.
J’ai fait deux, et même trois, célèbres séminaires, comme on dit, dans la première année de mes conférences ici, où j’ai tenté pour vous de vous faire sentir la dimension où s’inscrit cet objet qu’on appelle le regard.
Ich habe zwei und sogar drei berühmte Seminare, wie man sagt, im ersten Jahr meiner Vorträge hier gehalten, in denen ich mich bemüht habe, Ihnen die Dimension spürbar zu machen, in die sich das Objekt, das als Blick bezeichnet wird, einschreibt.6
Certains d’entre vous s’en souviennent sûrement; ceux qui viennent depuis longtemps à mon séminaire ne peuvent pas en avoir laissé passer l’importance.
Einige von Ihnen werden sich daran wohl erinnern; denjenigen, die mein Seminar seit längerem besuchen, kann deren Wichtigkeit nicht entgangen sein.
Et puisque j’aurai l’occasion, je pense, la prochaine fois d’y mettre tout l’accent, je voudrais dès aujourd’hui, à ceux qui représentent le bataillon sacré de mon assistance, à savoir vous autres, de |{3} vous recommander d’ici-là – parce que ça rendra beaucoup plus intelligible les références que j’y ferai – ce qui est paru – dans le très brillant bouquin qui vient de sortir de notre ami Michel Foucault – ce qui est paru dans le premier chapitre de ce livre, sous le titre „Les suivantes“, chapitre I du livre de Michel Foucault intitulé, pour ceux qui sont aujourd’hui durs de l’oreille, in-ti-tu-lé Les mots et les choses.
Und da ich beim nächsten Mal, nehme ich an, Gelegenheit haben werde, die Betonung ganz hierauf zu legen, möchte ich von heute an denjenigen, die hier die Heilige Schar meiner Zuhörerschaft bilden – Ihnen also –, möchte |{3} ich Ihnen bis dahin das empfehlen – weil das die Bezüge, die ich hier herstellen werde, weitaus verständlicher machen wird –, das empfehlen, was in dem wirklich brillanten Buch, das unser Freund Michel Foucault gerade veröffentlicht hat, was im ersten Kapitel dieses Buches unter dem Titel Die Hoffräulein erschienen ist: Kapitel I des Buches von Michel Foucault, mit dem Titel – für diejenigen, die heute schwerhörig sind – , mit dem Titel Les mots et les choses, „Die Wörter und die Dinge“ [dt. Titel: Die Ordnung der Dinge].7
C’est un beau titre.
Das ist ein schöner Titel.
De toute façon, ce livre ne vous décevra pas et en vous recommandant la lecture du premier chapitre, je suis en tout cas bien sûr de ne pas le desservir, car il suffira que vous ayez lu ce premier chapitre pour, voracement, vous jeter sur tous les autres.
Dieses Buch wird Sie in keiner Weise enttäuschen, und wenn ich Ihnen die Lektüre des ersten Kapitels empfehle, bin ich mir jedenfalls ganz sicher, dem Buch keinen schlechten Dienst zu erweisen, denn es wird genügen, dass Sie dieses erste Kapitel gelesen habe, damit Sie sich gierig auf alle anderen stürzen.
Néanmoins, j’aimerais qu’au moins un certain nombre d’entre vous aient lu ce premier chapitre d’ici la prochaine fois, parce qu’il est difficile de n’y pas voir inscrit, en une description extraordinairement élégante, ce qui est précisément cette double dimension que, si vous vous souvenez, j’avais représentée autrefois par deux triangles opposés : celui de la vision avec, ici, cet objet idéal qu’on appelle l’œil et qui est censé constituer le sommet du plan de la vision, et ce qui, dans le sens inverse, s’inscrit sous la forme du regard.
Dennoch hätte ich gern, dass zumindest eine gewisse Anzahl von Ihnen dieses erste Kapitel bis zum nächsten Mal gelesen hat, denn es ist schwierig, hier nicht das geschrieben zu sehen – in einer außerordentlich eleganten Beschreibung –, was eben diese doppelte Dimension ist, die ich früher, falls Sie sich erinnern, durch die beiden gegeneinander gerichteten Dreiecke dargestellt habe, das Dreieck des Sehens (vision) mit, hier, diesem idealen Objekt, das man als Auge bezeichnet und von dem angenommen wird, dass es den äußersten Punkt der Ebene des Sehens bildet, und dann das, was in umgekehrter Richtung in Gestalt des Blicks (regard) eingetragen ist.8
Quand vous aurez lu ce chapitre vous pourrez… vous serez beaucoup plus à l’aise pour entendre ce que j’y donnerais la prochaine fois comme suite.
Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, können Sie --, wird es Ihnen sehr viel leichter fallen, zu verstehen, was ich im Anschluss daran beim nächsten Mal hier ausführen möche.
Lacan fährt damit fort, dass er ein weiteres Buch zur Lektüre empfiehlt: Raymond Ruyer, „Paradoxes de la conscience et limites de l’automatisme“, Albin Michel, Paris 1966. Die Übersetzung einer weiteren Passage aus dieser Seminarsitzung (zum Thema jouissance und Orgasmus) findet man auf dieser Website hier.
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Die Vorstellungsrepräsentanz und die Spaltung zwischen dem sehenden und dem blickenden Subjekt (4. Mai 1966)
Offene Vorlesung
Deutsch
{1} Für uns geht es darum, unsere Topologie zu verorten – uns zu verorten, uns Analytiker, als solche, die darin handeln.
Bei einem geschlossenen Treffen in einer ganz kleinen Gruppe hat mir kürzlich jemand die folgende Frage gestellt, zu dem, was ich über diese Topologie gesagte habe, nämlich dass sie keine Metapher sei: „Was hat es damit auf sich? Was bedeutet es, uns als Subjekte in einem Bezug zu verorten, der nicht metaphorisch ist?“ Ich habe nicht geantwortet; die Person, die mich gefragt hatte, war beim letzten geschlossenen Seminar nicht anwesend, und die elliptische Antwort, die ich hätte geben können – „uns mit der Jouissance zu konfrontieren“ –, wäre eine Antwort gewesen, die nicht hinreichend kommentiert gewesen wäre.
In dem verortet zu sein, was nicht mehr die Metapher des Subjekts ist, heißt, die Grundlagen seiner Position nicht in einem Bedeutungseffekt zu suchen, sondern in dem, was aus einer Kombinatorik hervorgeht.
Was genau hat es mit dem Subjekt in seiner klassischen Position auf sich, von dem Ort her, der aufgrund der Konstituierung der objektiven Welt |{2} erforderlich ist? Beachten Sie, dass man an dieses reine Subjekt, dieses Subjekt, dessen Einheitsbezug die Theoretiker der Philosophie ins Extrem getrieben haben, dass man an dieses Subjekt, sage ich, überhaupt nicht glaubt – aus gutem Grund, man kann nicht glauben, dass alles in der Welt von ihm abhängt. Eben darin besteht der Idealismus-Vorwurf.
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Hier soll die visuelle Struktur dieses Subjekts erkundet werden. Ich habe mich bereits dem angenähert, was unsere analytische Erfahrung uns hierzu an Stoff bietet, in erster Linie der Schirm (écran). Der Schirm, über den unsere analytische Erfahrung uns lehrt, dass er der Ursprung unseres Zweifels ist: Was gesehen wird, enthüllt nicht, sondern verbirgt etwas. Dieser Schirm jedoch stützt für uns alles, was sich präsentiert.
Das Fundament der Fläche liegt allem zugrunde, was wir Organisation der Form nennen, Konstellation. Von daher ist alles in einer Überlagerung paralleler Ebenen organisiert und entstehen die ausweglosen Labyrinthe der Repräsentation als solcher. In einem Buch, das ich den meisten der hier Anwesenden bereits empfohlen habe – denn die Zuhörerschaft hier ist auch nicht viel größer als diejenige, die ich das letzte Mal hatte –, in einem Buch mit dem Titel Die Paradoxien des Bewusstseins von Herrn Ruyer, werden Sie die Konsequenz dieses strukturellen Verweises sehen. All das, was wir als Punkt-für Punkt-Entsprechung |{3} auffassen, zwischen dem, was zu der einen Fläche gehört, und dem, was zu einer anderen gehört, wird hierbei durch die Vorstellung eines Punktes verbildlicht, von dem die Strahlen ausgehen, von denen die beiden parallelen Ebenen durchquert werden, die hierbei – von einer Spur zur anderen, von derjenigen auf der einen Ebene im Verhältnis zu der korrespondierenden Ebene –, die hierbei eine grundlegende Homothetie, Homologie manifestieren, derart, dass sich – wie auch immer wir das Verhältnis des Bildes zum Objekt manipulieren mögen –, derart, dass sich daraus ergibt, dass es irgendwo dieses berühmte Subjekt geben muss, durch das die Konfiguration, die Konstellation vereinheitlicht wird, indem sie sie auf einige leuchtende Punkte begrenzt, das Subjekt, durch das irgendwo das, woraus die Konstellation besteht, vereinheitlicht wird; von daher die Wichtigkeit des Subjekts.
Aber diese Flucht in eine mythische Einheit, bei der es leicht ist, darin die Forderung nach dem reinen vereinheitlichenden Geist zu sehen – der Weg, auf dem ich Sie führe, der im strengen Sinne des Wortes das ist, was man Methode nennt, dieser Weg führt zu dieser Topologie, die in der Bemerkung besteht, dass es nicht darum geht, das zu suchen, was der Fläche im Augenhintergrund entsprechen soll, Netzhaut genannt, oder irgendeiner anderen Fläche, irgendeiner Stelle, an der sich das Bild formt, auf die man sich als auf denjenigen beziehen soll, die das vereinheitlichende Element bildet. Das hat seinen Ausgangspunkt natürlich in der kartesischen Unterscheidung zwischen dem Ausgedehnten und dem Denken. Diese Unterscheidung setzt voraus, dass das Ausgedehnte, also der Raum, homogen ist, in dem undenkbaren Sinne, dass er, wie Descartes sagt, gänzlich |{4} als partes extra partes aufzufassen ist, jedoch bis auf dies, was in dieser Bemerkung verschleiert ist, dass der Raum homogen ist, dass jeder Punkt mit allen anderen identisch ist, obwohl er sich zugleich davon unterscheidet, was eben das ist, was die Hypothese besagt, dass nämlich all seine Teile gleichwertig sind.
Nun, die Erfahrung dessen, worum es bei der Struktur des Raumes geht, keineswegs wenn wir ihn vom Denken unterscheiden, sondern insofern das Denken einzig und grundlegend von der Kombinatorik der Signifikanten getragen wird; dass dieser Raum davon überhaupt nicht getrennt werden kann, dass er vielmehr innerlich damit zusammenhängt; dass es, um ihn wieder in dieser notwendigen Kohärenz zu erfassen, keinen Bedarf nach einem Denken des Überflugs gibt; dass das Denken hier nicht dadurch eingeführt wird, dass die Messung hier eingeführt wird, ein gewissermaßen anwendbares, landvermessendes Messen, [sondern] ein Denken, das, weit davon entfernt, den Raum zu erkunden, ihn vielmehr konstruiert. Ich habe hier das Wesen dessen bezeichnet, was es mit dem ersten Schritt der Geometrie auf sich hat, wovon ihr Name, Geometrie, noch die Spur trägt, bei der griechischen, euklidischen Geometrie, die sich ganz und gar auf das Thema eines eingeführten Maßes gründet, wohinter sich versteckt, dass es keineswegs das Denken ist, von dem sie getragen wird, sondern im strengen Sinne das, was die Griechen selbst als Messung oder Maß bezeichnet haben. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“, das heißt sein Körper: der Fuß, der Daumen und die Elle.
{5} Also, der Fortschritt des weiterhin als geometrisierend bezeichneten Denkens – und sicherlich ist es nicht ohne Bedeutung, dass als Ideal einer jeden Deduktion des Denkens immer das more geometrico erschienen ist –, der Fortschritt, sage ich, dieser Geometrie zeigt uns zunächst das Auftauchen eines anderen Modus, in welchem Ausgedehntes und Kombinatorik eng miteinander verbunden sind, nämlich der projektiven Geometrie.
Keineswegs Gleichheit, Messung, Wirkung der Überdeckung, sondern, wie Sie sich noch erinnern werden, eine oft mühselige Anstrengung, um die ersten Deduktionen der Geometrie zu begründen. Erinnern Sie sich an die Zeit, in der man Sie dazu brachte, den Trick des Umklappens auf eine Ebene anzuwenden; Gott weiß, dass dies eine Operation ist, die nicht in den Prämissen enthalten zu sein schien, die den Status des gleichschenkligen Dreiecks begründen.
Verschiebung, Translation, Manipulation und sogar Homothetie – das ganze Spiel, von dem aus sich das Spektrum der euklidischen Deduktion entfaltet, wird in der projektiven Geometrie im strengen Sinne transformiert und zwar dadurch, dass in die Beziehung zwischen zwei Figuren die Funktion der Äquivalenz durch Transformation eingeführt wird.
Dieser Fortschritt ist historisch vor allem durch den Beitrag von wirklichen Künstlern gekennzeichnet, von solchen, die sich für die Perspektive interessiert haben.
Perspektive ist nicht Optik. Bei der Perspektive geht es nicht |{6} um visuelle Eigenschaften, sondern um die Entsprechung zwischen Figuren, die auf einer bestimmten Fläche eingetragen sind, und Figuren, die auf einer anderen Fläche zustande kommen, einzig durch die Kohärenz, die abhängig von einem Punkt hergestellt wird, durch den gerade Linien führen, die mit den Gliederungen der ersten Figur verbunden sind, und die dann, wenn sie eine andere Fläche durchqueren, eine andere Figur erscheinen lassen. Hier finden wir die Funktion des Schirms wieder. Und das impliziert keineswegs, dass von der einen Figur zur anderen eine Beziehung der Ähnlichkeit oder der Gleichartigkeit erscheinen würde, sondern einfach eine solche der Kohärenz, die wir zwischen beiden definieren könnten.
Der Schirm hat hier die Funktion von etwas, das zwischen das Subjekt und die Welt eingeschoben wird. Er ist kein Gegenstand wie andere Gegenstände – hier zeigt sich etwas. Noch bevor der Schirm definiert, was es mit der Repräsentation auf sich hat, kündigt er uns am Horizont bereits die Dimension dessen an, was von der Vorstellung/Repräsentation die Repräsentanz ist. Bevor die Welt Repräsentation wird, Vorstellung, taucht ihre Repräsentanz auf, ich meine der Repräsentant der Repräsentation / die Vorstellungsrepräsentanz.
Ich werde es mir nicht nehmen lassen, hier ein erstes Mal einen Begriff in Erinnerung zu rufen, und sei es nur, um später darauf zurückzukommen, einen Begriff, der zwar prähistorisch ist, der bei dieser Sache jedoch keinesfalls als archäologisch gelten kann. |{7} Die Felsbilder, diejenigen, die wir hinten in den geschlossenen Räumen finden, die man Höhlen nennt, sind sie in ihrem Geheimnis --, das sicherlich vor allem darin besteht, dass wir weiterhin Schwierigkeiten damit haben, bis wohin diese Orte beleuchtet waren, nur an der Öffnung waren sie es, und bis wohin diese Orte besucht wurden, das scheint selten gewesen zu sein, wenn wir uns auf die Spuren verlassen, die wir in Gestalt von Fußspuren ausmachen können, an Orten, die es aber begünstigen, Abdrücke davon aufzunehmen, diese Felsbilder also scheinen uns auf nichts Geringeres zu verweisen als auf das, was später im Platon’schen Höhlenmythos geäußert wird, der damit tatsächlich eine ganz andere als eine metaphorische Bedeutung annähme. Wenn Platon versucht, uns ins Innere einer Höhle zu führen, um die Dimension des Realen für uns auftauchen zu lassen, ist es dann ein Zufall, wenn das, was sich auf diesen Wänden findet, wo die neuesten Forschungen, mit endlich wissenschaftlichen Methoden – die sich den Mann der Frühzeit angesichts dieser Figuren nicht mehr atemlos als jemanden vorstellen, der von der Angst getrieben wäre, seiner Angetrauten nicht genug zum Mittagessen heranzuschaffen, diese Forschung, die sich nicht auf die einfallsreiche Interpretation dessen stützt, was es mit dem Verhältnis zwischen einem Pfeil und einem Tier auf sich haben mag, vor allem wenn es scheint |{8}, dass die Wunde die ganz offenkundigen Spuren dessen trägt, eine Darstellung der Vulva zu sein –, diese Methode, die mit Herrn Leroi-Gourhan den Apparat einer sorgfältig geführten Kartei ins Spiel gebracht hat, sogar die Verwendung einer elektronischen Maschine, diese Methode stellt uns dar, dass diese Figuren nicht nach Zufall verteilt sind und dass die konstante eindeutige Häufung von Hirschen am Eingang und von Bisons in der Mitte uns gewissermaßen direkt einführt, auch wenn Herr Leroi-Gourhan aus gutem Grund keinen Gebrauch von diesem doch sehr einfachen Bezug macht, wie er ihm durch die Reichweite meines Unterrichts unmittelbar gegeben ist, nämlich dass es nicht nötig war, dass diejenigen, die – um diese für uns noch rätselhafte Malerei herum – ganz offenkundig an einem Kult teilnahmen, dass es für sie nicht nötig war, bis ans Ende der Höhle vorzudringen, um von den Signifikanten des Eingangs für die Signifikanten des Endes repräsentiert zu werden, bei denen es außerhalb der genauen Zeiten der Initiation jedoch nicht nötig war, sie besonders häufig aufzusuchen.
Alles, was diese einzigartigen Prozessionen begleitet: punktierte Linien und Pfeile, die hier weitaus eher Leitlinien des Subjekts zu sein scheinen als Vektorlinien der Ernährungsabsicht, all dies weist uns darauf hin, dass allein eine strukturelle Kette, dass allein eine Aufteilung, deren Wesen strenggenommen darin besteht, signifikant zu sein, das ist, wodurch uns die Führung |{9} eines Denkens gegeben werden kann, das im Hinblick auf das, worum es geht, zugleich entschieden und umsichtig ist.
Funktion des Schirms als Stütze der Signifikanz, das ist das, was wir sofort beim Erwachen dessen finden, wodurch für uns gesichert ist, dass der Mensch ein sprechendes Wesen war, wie auch immer die Stimme, die er von sich gab, geklungen haben mag. Hier geht es darum, das Verhältnis der Signifikanz zur visuellen Struktur näher zu erfassen, zu einer Struktur, die zwangsläufig hier zu finden ist, da es ja bis auf Weiteres so zu sein scheint, dass uns niemals eine Spur der Stimme dieser ersten Menschen zugänglich sein wird und dass es deshalb sicherlich so ist, dass wir die ersten Manifestationen des Sprechens bei ihm von daher finden, dass wir uns auf den Stil der Schrift beziehen.
Es ist nicht nötig, dass ich auf einer wirklich außergewöhnlichen Tatsache insistiere, dass nämlich, wenn man gleichermaßen diese Darstellungen herausstellt – bei denen man in Entzücken ausbricht, sie seien naturalistisch, als hätten wir bei unserer Analyse des Realismus nicht gelernt, wie sehr er in jeder Kunstart grundlegend metonymisch ist, das heißt, dass er etwas anderes bezeichnet als das, was er uns präsentiert –, dass diese realistischen Formen mit bemerkenswerter Konstanz diese oszillierende Linie aufweisen, die tatsächlich durch die Form eines |{10} in die Länge gezogenen S übersetzt wird, bei der ich, was mich angeht, keinen Nachteil darin sähe, wenn man bemerken würde, dass sie mit der Form des S übereinstimmt, mit dem ich Ihnen das Subjekt bezeichne. Ja, aus demselben Grund, aus dem Herr Hogarth – wenn er das zu zeichnen versucht, worin die Struktur der Schönheit besteht – sich ebenso ganz speziell auf dieses S bezieht [vgl. Abb. 1 und 2].:
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Natürlich, um diesen Extrapolationen konkrete Gestalt zu verleihen, da stimme ich zu – Extrapolationen, die Ihnen als kühn erscheinen mögen –, müssen wir jetzt zu dem kommen, was ich vorhin als visuelle Struktur der topologischen Welt bezeichnet habe, derjenigen, auf die sich jede Einsetzung des Subjekts gründet. Ich habe gesagt, diese Struktur sei gegenüber der Physiologie des Auges und selbst gegenüber der Optik logisch vorgängig und dass es sich um die Struktur handelt, welche die Fortschritte der Geometrie uns zu formulieren gestatten, als diejenige, die in exakter Form das liefert, worum es geht – ich betone „exakt“ –, das, worum es beim Verhältnis des Subjekts zum Ausgedehnten geht.
Natürlich werde ich durch schlichte Erwägungen des Anstands daran gehindert, Ihnen hier einen Kurs in projektiver Geometrie zu geben. Also muss ich bei Ihnen durch einige Hinweise das Begehren wachrufen, sich darauf zu beziehen, und muss ich Ihnen deren spezielle Dimension durch einige Apologe spürbar machen.
Die projektive Geometrie ist im strengen Sinne des Wortes kombinatorisch. Eine Kombinatorik aus Punkten, Linien und Flächen, die sich streng |{11} nachzeichnen lassen, deren intuitive Grundlage – das, was Punkte, Linien und Ebenen bei Ihnen evozieren – sich jedoch in eine Reihe von rein kombinatorischen Notwendigkeiten auflöst, davon absorbiert wird und schließlich verschwindet, wie beispielsweise [dadurch,] dass der Punkt als Überschneidung zweier Linien definiert wird und dass zwei Linien so definiert werden, dass sie sich immer schneiden. Denn in einer Kombinatorik ist eine Definition dann ungültig, wenn sie Ausnahmen intuitiven Charakters enthält, etwa wenn wir annehmen, dass Parallelen diejenigen Linien sind, die sich nicht schneiden. Zwei Linien werden sich immer in einem Punkt schneiden, und wie auch immer man damit zurechtkommen mag, diesen Punkt muss es jedenfalls geben.
Nun, es zeigt sich, dass eben dieser Punkt existiert, und um ihn existieren zu lassen, wird man sogar die projektive Geometrie begründen, und dass der Beitrag der Perspektive eben darin besteht, ihn auf eine andere Ebene zu projizieren, dass man ihn dann auf dieser anderen Ebene erscheinen sieht, in einer Weise, die nicht deshalb von Interesse ist, weil er intuitiv da wäre, also in der Verbindung der beiden Linien auf der Horizontlinie vollkommen sichtbar, sondern weil er nach den strengen Gesetzen einer erwarteten Äquivalenz in einem Entsprechungsverhältnis stehen muss, ausgehend von rein kombinatorischen Hypothesen, ich wiederhole es, nämlich denjenigen, die dann beispielsweise in solchen Termini ausgeführt werden wie diesen, dass zwei Punkte |{12} nur eine einzige gerade Linie determinieren oder dass zwei gerade Linien sich nicht in zwei Punkten schneiden können.
Um Sie spüren zu lassen, um was es bei solchen Definitionen geht, erinnere ich Sie daran, dass aus ihnen folgt, dass, im Gegensatz zu den Manipulationen der euklidischen Beweisführung, durch das Akzeptieren dieser Prinzipien – die in einer Form zusammengefasst werden, die Dualitätsprinzip genannt wird – eine rein projektive, nicht metrische Geometrie in der Lage ist, ein Theorem, das in Termini von Punkten und Linien gesichert ist, zuverlässig so zu übersetzen, dass in dieser Geometrie in der Aussage des Theorems die Linie durch den Punkt und der Punkt durch die Linie ersetzt wird und hierdurch eine Aussage entsteht, die mit Sicherheit ebenso gültig ist wie die vorhergehende.
Das ist etwas, das im 17. Jahrhundert mit dem Genie von Pascal auftaucht, sicherlich vorbereitet durch das vielfache Aufkommen einer geistigen Dimension, wie sie sich in der Geschichte des Subjekts immer geltend macht, und die beispielsweise dahin führt, dass der Satz von Brianchon, der so lautet, dass ein Sechseck aus sechs geraden Linien, welche die Tangenten eines Kegelschnitts bilden, also ein umbeschriebenes Sechseck [vgl. Abb. 3] – ich denke, Sie wissen, was ein Kegelschnitt ist, aber ich rufe es Ihnen in Erinnerung: ein Kegelschnitt ist ein Kegel [ein Schnitt in einen Kegel]: eine Hyperbel, eine Parabel, was in diesem Fall heißen soll, dass es sich um bestimmte dieser Formen handelt, wie sie im Raum erzeugt werden, und nicht einfach in Form von Rotationen, wobei ein Kegel also |{13} durch die Form definiert ist, die sich im Raum darstellt, durch die Einhüllende einer Linie, die einen Punkt beispielweise mit einem Kreis verbindet und sie nicht zwangsläufig von einem Punkt aus verbindet, der im rechten Winkel zu seinem Zentrum verortet ist –, all diese Linien also zeigen die Eigenschaft, dass die drei Linien, durch welche die gegenüberliegenden Ecken miteinander verbunden werden – was durch einfaches Abzählen leicht zu bestimmen ist, welches auch immer die Form des Sechsecks sein mag –, dass diese drei Linien sich in einem Punkt schneiden.
Allein schon dadurch, dass man die Prinzipien der projektiven Geometrie akzeptiert, lässt sich das unmittelbar so übersetzen, dass ein Sechseck, das durch sechs Punkte gebildet wird, die auf einem Kegelschnitt liegen, welches also ein einbeschriebenes Sechseck ist, dass in diesem Fall die drei Schnittpunkte der entgegengesetzten Seiten auf ein und derselben Linie liegen.
Wenn Sie diese beiden Aussagen gehört haben, sehen Sie, dass sie einfach dadurch ineinander übersetzt werden, dass, ohne Mehrdeutigkeit, „Linie“ durch „Punkt“ und „Punkt“ durch „Linie“ ersetzt wird. Im Beweisverfahren, das werden Sie wohl spüren, gibt es hier etwas ganz anderes als das, was darin besteht, Messung, Lineal oder Zirkel einzuschalten, und dass es – da es sich um eine Kombinatorik handelt –, dass es um Punkte geht, um Linien, sogar um Ebenen als reine Signifikanten und ebenso um Theoreme, die einzig mit Buchstaben geschrieben werden können.
{14} Und bereits dies ermöglicht es uns, der Entsprechung eines Objekts mit dem, was wir seine Abbildung (figure) nennen wollen, eine ganz andere Bedeutung zu geben. Wir wollen hier den Apparat einführen, der uns bereits wesentlich dazu gedient hat, das mythische Bild des Auges (œil) – ein Bild, welches, gleich welcher Art, dem ausweicht und das auslöscht, worum es beim Verhältnis der Vorstellung zum Objekt geht, da die Vorstellung hier auf irgendeine Weise immer ein Doppel des Objekts sein wird –, um dieses Bild mit dem zu konfrontieren, was ich Ihnen zunächst als Struktur des Sehens (vision) präsentiert habe, indem ich hier die des Blicks (regard) entgegensetzte. Und in diesem ersten Zugang habe ich den Blick dort platziert, wo er erfasst wird, dort, wo er ertragen wird, dort nämlich, wo er sich in dem Werk ausgebreitet hat, das man als tableau bezeichnet, als gemaltes Bild, als Gemälde.
Die in gewisser Weise ursprüngliche Beziehung des Blicks zum Fleck (tache), insofern nämlich, als das biologische Phylum uns dies bei ganz primitiven Organismen in Gestalt des Flecks tatsächlich erscheinen lassen kann, weshalb die lokal begrenzte Sensibilität, die durch den Fleck in seinem Verhältnis zum Licht repräsentiert wird, uns als Bild (image) und als Beispiel für das dienen kann, worin die visuelle Welt ihren Ursprung hat --; aber sicherlich ist das hier nur eine evolutionistische Mehrdeutigkeit, deren Wert als Referenz nur dadurch erfasst werden kann, nur dadurch bestätigt werden kann, |{15} dass sie auf eine synchrone Struktur bezogen wird, die vollkommen greifbar ist.
Worum geht es bei dem, was sich auf der Ebene dieser Topologie als Feld des Sehens und als Blick gegenübersteht? Sicherlich wird das gemalte Bild hier weiterhin eine Rolle spielen, und das sollte uns nicht erstaunen, wenn wir bereits akzeptiert haben, dass für das, was wir anzielen, so etwas wie eine Montage, ein Gestell, ein Apparat wesentlich ist, da wir damit ja Erfahrung haben, nämlich die Struktur des Phantasmas. Und das Gemälde, von dem wir sprechen werden, da wir erwarten, dass es uns in diesem Sinne dienlich und nützlich sein wird, dieses Gemälde werden wir durchaus in seinem Staffelei-Gestell nehmen, dieses Gemälde von etwas, das als materielles Objekt Bestand hat. Das wird uns hier für eine Reihe von Überlegungen als Bezugspunkt dienen.
Abb. 4: Projektion zweier Punkte von der Trägerebene Q (M, N) auf die Abbildungsebene P (M1, N1). O ist der Augpunkt9
In der projektiven Geometrie ist dieses Bild dann die Ebene, von der ich vorhin gesprochen habe [Abb. 4, Ebene P], die Ebene, auf der beim Durchgang jeder der Linien – die wir, wenn Sie mögen, Okularlinien nennen wollen, um jede Verwechslung mit Sehstrahl zu vermeiden –, der Linien, die den Punkt treffen, der zu Beginn unserer Demonstration wesentlich ist, den wir Auge [O] nennen wollen und der das ideale Subjekt der Identifizierung des klassischen Subjekts der Erkenntnis ist – vergessen Sie beispielsweise nicht, dass es in allen Schemata, die ich zur Identifizierung gegeben habe, dass es in all diesen Schemata ein S ist, |{16} Augpunkt, von dem die Linien ausgehen, die ich von diesem Punkt aus als gerade Linien eintrage –; Okularlinie, die sich mit der trifft, die sich mit dem trifft, was wir als Träger bezeichnen wollen – Punkt [M, N], Linie, ja sogar Ebene, auf der Trägerebene (plan-support) [Q] –, diese Linien durchqueren die zweite Ebene [P]; und die Punkte und die Linien, an denen sie diese Ebene durchqueren – sogar die Durchquerung der Ebene, die dann im Verhältnis zu einer dieser Linien bestimmt wird, beispielsweise von daher, sie zu enthalten –, diese Durchquerungen der Abbildungsebene (plan-figure) – ich unterscheide also Trägerebene [Q] und Abbildungsebene [P] –, diese von der Okularlinie vollzogene Durchquerung, die auf der Abbildungsebene ihre Spur hinterlässt [M1, N1], das ist das, womit wir es bei der Konstruktion der Perspektive zu tun haben. Und sie ist das, wodurch uns die Topologie enthüllt werden muss, materialisiert werden muss, die Topologie, aus der sich ergibt, dass sich im Aufbau des Sehens etwas herstellt, das nichts anderes ist als das, was uns die Grundlage und den Träger des Phantasmas liefert, nämlich [einerseits] ein Verlust, der nichts andres ist als der, den ich den Verlust des Objekts a nenne und das nichts andres ist als der Blick, und andererseits eine Spaltung des Subjekts.
Denn was lehrt uns die Perspektive? Die Perspektive lehrt uns, dass sämtliche Okularlinien, die parallel zur Trägerebene verlaufen, auf der Abbildungsebene eine Linie erzeugen, die keine andere ist als die Horizontlinie [Abb. 5: Linie h].
Abb. 5: Erzeugung der Horizontlinie h durch Projektion des Augpunkts10
Diese Horizontlinie ist, wie Sie wissen, die wichtigste Bezugsgröße für jede Perspektivenkonstruktion.
{17} Was entspricht ihr auf der Trägerebene? Wenn wir an den Prinzipien der Kohärenz dieser kombinatorischen Geometrie festhalten, entspricht ihr ebenfalls eine Linie. Diese Linie ist eben diejenige, die von den Griechen verfehlt wurde – deswegen…, weil…, aus Gründen, die wir heute beiseitelassen werden, auch wenn wir sie eines Tages zur Diskussion stellen müssen –, die von den Griechen nur verfehlt werden konnte, eine Linie, die im strengen Sinne ebenfalls eine Linie ist und aufgrund unserer Prinzipien ebenfalls eine gerade Linie, eine Linie, die auf der Trägerebene im Unendlichen liegt und die wir intuitiv nur so auffassen können, dass sie davon, wenn ich so sagen darf, das Ganze repräsentiert. Auf dieser Linie liegen die Punkte, in denen auf der Trägerebene die Parallelen zusammenlaufen, was sich auf der Abbildungsebene, wie Sie wissen, darin zeigt, dass fast alle parallelen Linien im Horizont zusammentreffen. Das wird im Allgemeinen so veranschaulicht und das findet man in den Texten der besten Autoren, das ist etwas, das Sie gut kennen: Wenn Sie eine Straße sehen, die zum Horizont führt, wird sie immer kleiner, immer schmaler. Man vergisst nur eins, die Gefahr, die in solchen Bezügen liegt, denn alles, was wir als Horizont kennen, ist ein Horizont unserer Erdkugel, das heißt ein völlig anderer Horizont, |{18} einer, der durch die Kugelform bestimmt wird, worauf man übrigens hinweist – ohne darin anscheinend den geringsten Widerspruch zu sehen –, worauf man hinweist, wenn man uns sagt, der Horizont sei der Beweis für die runde Gestalt der Erde. Nun bitte ich Sie zu beachten, dass selbst wenn wir uns auf einer unendlichen Ebene befänden, es für jeden, der darauf stünde, immer noch eine Horizontlinie gäbe.
Was uns bei dieser Auffassung der Horizontlinie irritiert und durcheinanderbringt, ist zunächst einmal etwas, worauf ich gleich noch zurückkommen werde, nämlich dass wir diese Linie immer nur in einem Bild (tableau) sehen. Was es mit der Struktur des Bildes auf sich hat, werden wir gleich noch sehen. Da ein Bild begrenzt ist, kommt uns überhaupt nicht in den Sinn, dass, wenn sich das Bild unendlich ausdehnen würde, die Horizontlinie bis ins Unendliche gerade verliefe, dermaßen geben wir uns hierbei damit zufrieden, einfach auf grob analoge Weise denken zu müssen, der Horizont auf dem Bild sei ein Horizont wie unser eigener Horizont, also einer, um den man eine Runde drehen kann.
Außerdem muss man darauf hinweisen, dass ein Bild ein Bild ist und die Perspektive etwas anderes. Wie man sich ihrer im Bild bedient, werden wir gleich sehen.
Wenn Sie jedoch von den Bedingungen ausgehen, die ich Ihnen angegeben habe für das, was sich auf der Abbildungsebene einzeichnen soll, werden Sie |{19} Folgendes bemerken, nämlich dass ein Bild, das unter diesen Bedingungen hergestellt wird, also unter denen einer strengen Perspektive, zur Wirkung hätte – wenn Sie beispielsweise, da Sie sich ja an etwas halten müssen, annehmen, dass Sie auf einer Ebene stehen [auf der Trägerebene], die bis ins Unendliche von einem Gitternetz bedeckt ist –, dass dieses Gitternetz dann selbstverständlich [bei Projektion auf die Abbildungsebene] am Horizont [der Abbildungsebene] aufhören würde; wie, werden wir gleich sehen.
Abb. 6: Projektion eines Punktes im Rücken des Betrachters über die Horizontlinie10
Und über dem Horizont? Sie werden natürlich sagen: der Himmel! Aber keineswegs, keineswegs, keineswegs! Über dem Horizont ist das, was, vom Horizont aus, [auf der Trägerebene] hinter Ihnen ist, wie Sie es, nehme ich an, wenn Sie darüber nachdenken, unmittelbar erfassen können, wenn Sie die Linie zeichnen, die den Punkt, den wir S genannt haben, mit dem verbindet, was auf der Trägerebene dahinter ist [hinter dem Schnitt mit der Abbildungsebene] [Abb. 6: Punkt a] und von dem Sie dann sofort sehen, dass er über den Horizont projiziert wird [Abb. 6: Punkt aˈ].
Sorgen wir dafür, dass, ausgehend von der Trägerebene, die beiden gegenüberliegenden Punkte [der Ferngeraden] der Trägerebene mit demselben Horizontpunkt der projektiven Ebene [d.h. der Abbildungsebene] vernäht werden; der Punkt, der beispielsweise ganz links von Ihnen auf der Horizontlinie der Trägerebene ist [auf der Ferngeraden der Trägerebene], wird sich an einen anderen heften, der ganz rechts von Ihnen auf der Horizontlinie ebenfalls der Trägerebene ist.
{20} Haben Sie verstanden? Ich meine … Nein? Also noch einmal.
Sie haben eine Fläche vor sich, Sie haben eine Ebene mit einem Gitternetz vor sich. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass sie horizontal verläuft und dass Sie selbst die vertikale Position einnehmen. Dies hier ist eine Linie, durch die Ihr Auge – ich will es so einfach wie möglich sagen – mit einem beliebigen Punkt der gerasterten Trägerebene verbunden ist und die auf der vertikalen Ebene – sagen wir, um Ihnen eine Freude zu machen, die vertikale Ebene ist die Ebene der Projektion –, die dann auf der vertikalen Ebene die Punkt-für-Punkt-Entsprechung determiniert. Jedem Punkt des Horizonts der Trägerebene, das heißt im Unendlichen der Trägerebene, entspricht ein Punkt auf dem Horizont Ihrer vertikalen Ebene. Überlegen Sie, was passiert. Natürlich handelt es sich um eine Linie, die, wie ich anfangs gesagt habe, gerade nichts mit einem Sehstrahl zu tun hat. Das ist eine Linie, die hinter Ihnen auf der Trägerebene beginnt und zu Ihrem Auge führt; auf der Abbildungsebene führt sie dann zu einem Punkt über dem Horizont.
Einem Punkt, der dem Horizont der Trägerebene entspricht [also der Ferngeraden der Trägerebene], wird ein zweiter Punkt entsprechen, der dazu gelangt, wenn ich so sagen kann, sie [die Abbildungsebene] von oben her auf der Horizontlinie zu berühren. Und was rechts hinter Ihnen ist, wird, da es auf der Höhe des Augpunktes durchgeht und sich dort kreuzt, wird in|{21} genau der umgekehrten Richtung ankommen [also links vorn], umgekehrt als es sich darstellen würde, wenn Sie sich umdrehen würden, nämlich dass Sie das, was Sie links sehen würden, wenn Sie sich zu diesem Horizont umdrehen [zur Ferngeraden auf der Trägerebene], dass sie das dann auf der projektiven Ebene, auf der Ebene der Projektion, rechts über der Horizontlinie eingestochen sehen.
Abb. 7: Hinten rechts wird vorne links10
Mit anderen Worten, dass das, was eine Linie ist – die wir nicht als rund definieren können, da sie nur in unserer alltäglichen Erfassung der Rundheit der Erde rund ist --, dass wir von dieser Linie, die auf der Trägerebene im Unendlichen liegt, sehen, wie die Punkte sich verbinden, indem sie jeweils von oben und von unten kommen, und dies auf eine Weise, die, was den hinteren Horizont angeht in einer Ordnung eingreift, die im Verhältnis zum vorderen Horizont strikt umgekehrt ist [vgl. Abb. 8].
Dabei kann ich natürlich annehmen, dass mein Kopf fixiert ist, so wie Platon das in seiner Höhle macht, wodurch dann zwei Hälften bestimmt sind, über die ich in Bezug auf die Trägerebene sprechen kann.
Das, was Sie hier sehen, ist übrigens nichts anderes als einfach die Illustration dessen, was sich ergibt, wenn ich Ihnen an der Tafel die projektive Ebene in Gestalt einer cross-cap darstelle [vgl. Abb. 9]. Das heißt, was Sie da sehen, ist statt einer sphärischen Welt eine bestimmte Blase, die auf bestimmte Weise in sich verschlungen ist, sodass sie sich selbst durchdringt, und die bewirkt, dass das, was sich zunächst als |{22} eine unendlich ausgedehnte Ebene dargestellt hat, auf einer anderen Ebene dazu gelangt, nachdem sie sich geteilt hat, sich auf der Ebene dieser Horizontlinie mit sich selbst wieder zu verbinden und sich dabei so wieder zu verbinden, dass jeder Horizontpunkt der Trägerebene [d.h. jeder Punkt der Ferngeraden der Trägerebene] dazu gelangt, sich womit zu verbinden? Genau mit dem, was von der Form der projektiven Ebene gezeigt wird, die ich Ihnen bereits an die Tafel gezeichnet habe, nämlich mit seinem diametral gegenüberliegenden Punkt. Aus diesem Grunde kommt es bei einer solchen Projektion dazu, dass sich der Punkt hinten rechts mit dem Punkt vorne links verbindet.
So ist also das, worum es bei der Horizontlinie geht, und was uns bereits anzeigt, dass das, wodurch die Kohärenz einer Signifikantenwelt mit einer visuellen Struktur hergestellt wird, eine Struktur der Einhüllung ist und keineswegs eine des unbegrenzt Ausgedehnten.
Es bleibt jedoch, dass es nicht genügt, diese Dinge so zu sagen, wie ich Sie Ihnen gerade veranschaulicht habe, denn ich habe in dieser Frage das Gitternetz [auf der Trägerebene] vergessen, das ich dort zwar einzig zur ihrer Bequemlichkeit eingefügt hatte, das jedoch keineswegs belanglos ist, denn bei einem Gitternetz aus Parallelen ist es so, wenn man außerdem akzeptiert, dass ich meinen Kopf fixiert habe, dass alle parallelen Linien des Raumes [d.h. der Trägerebene] – wie Sie sich, nehme ich an, ohne weiteres vorstellen können – sich dann [bei der Projektion auf die Abbildungsebene] in einem bestimmten Fluchtpunkt am Horizont treffen, in einem einzigen Punkt [Abb. 10: Punkt N], das heißt, dass die Richtung aller Parallelen |{23} in einer bestimmten gegebenen Position den einzigen Horizontpunkt bestimmt, in dem sie sich auf der Abbildungsebene kreuzen.
Abb. 10: Projektion eines Geradenbündels hinter der Abbildungsebene auf die Abbildungsebene11
Wenn Sie [auf der Trägerebene] das unendliche Gitternetz haben, von dem wir sprechen, dann sehen Sie, wie alle Parallelen [einer bestimmten Richtung] des gesamten Gitternetzes [bei Projektion auf die Abbildungsebene] auf dem Horizont [der Abbildungsebene] in einem einzigen Punkt zusammenlaufen [Abb. 10: Punkt N], was nicht verhindert, dass dies derselbe Punkt ist, in dem alle Parallelen [derselben Richtung] des gesamten hinteren Gitternetzes [der Trägerebene, also des Gitternetzes im Rücken des Betrachters] [bei Projektion auf die Abbildungsebene] ebenfalls, von oben her kommend, im selben Punkt zusammenlaufen [vgl. Abb. 8].
Diese Bemerkungen, die für jede Wissenschaft der Perspektive grundlegend sind und die das sind, was jeder Künstler, der vor der Schwierigkeit steht, irgendetwas in eine Anordnung zu bringen – eine Reihe von Figuren in einem Gemälde oder auch die Linien dessen, was man als Bauwerk bezeichnet, nämlich die Anordnung einer Reihe von Gegenständen um eine Leere herum –, was jeder Künstler berücksichtigen wird, und dass der Punkt auf der Horizontlinie, von dem ich eben in Bezug auf das Gitternetz gesprochen habe, eben das ist – ich denke nicht, dass ich hier etwas einbringe, das wirklich transzendierend wäre –, was gemeinhin als Fluchtpunkt der Perspektive bezeichnet wird. Der Fluchtpunkt der Perspektive ist eben der Punkt, der in der Abbildung das blickende Auge repräsentiert. Das Auge muss nicht außerhalb der Abbildung erfasst werden, es ist in der Abbildung, und alle, seit es eine Wissenschaft der Perspektive gibt, |{24} haben es als solches erkannt und als solches bezeichnet. Bei Alberti wird es als Auge bezeichnet, bei Vignola wird es als Auge bezeichnet, bei Albrecht Dürer wird es als Auge bezeichnet.
Aber das ist nicht alles. Denn ich bedaure, dass man mich Zeit damit hat verlieren lassen, diesen Punkt zu erläutern, der doch wirklich zugänglich ist; das ist nicht alles. Das ist überhaupt nicht alles, denn es gibt [auf der Trägerebene] auch die Sachen, die zwischen dem Bild und mir sind.
Abb. 11: Projektion von Punkt b auf die Abbildungsebene unten10
Die Sachen, die zwischen dem Bild und mir sind, können ebenfalls, durch dasselbe Verfahren, auf der Bildebene repräsentiert werden, wo sie dann in Tiefen führen, die wir für unendlich halten können, nichts hindert uns daran [Abb. 11]. Sie werden jedoch an einem Punkt zu einem Halt kommen. Der wem korrespondiert? Der Ebene [S], die parallel zum Bild verläuft und die durch mein Auge – möchte ich sagen, um die Dinge zu erleichtern –, die durch mein Auge führt beziehungsweise durch den Punkt S [Abb. 11 und 12: Ebene S ist blau gefärbt].
Wir haben hier zwei Spuren. Wir haben [erstens] die Spur dessen, wodurch das Bild dazu gelangt, den Träger zu schneiden [Abb. 12: hQ], und wir haben [zweitens, mit sQ in Abb. 12] die Umkehrung der Horizontlinie, anders ausgedrückt, das ist das, was – wenn wir die Beziehungen umkehren [Abb. 13], und dazu haben wir das Recht – im Träger [Q] als Horizontlinie die unendliche Linie in der Abbildung bildet [gemeint ist: „was im Träger [Q] als Horizontlinie die Linie im Unendlichen der Abbildungsebene repräsentiert“]. Und dann gibt es [erstens] die Linie, die die Schneidung des Trägers durch die Bildebene repräsentiert. Das sind zwei Linien.
{25} Es ist spät, und da mir wenig Zeit bleibt, werde ich Ihnen etwas sagen, das weitaus weniger streng ist – es dauert doch länger, die Dinge zu erläutern, als es zunächst aussieht.
Auf strenge Weise, das bedeutet [Abb. 14], dass es einen zweiten Augpunkt gibt [dass es auf der Abbildungsebene neben dem Fluchtpunkt eine weitere Entsprechung zum Augpunkt gibt, Sˈ], nämlich den Punkt, der gebildet wird durch die Linie im Unendlichen auf der Abbildungsebene und deren Überschneidung mit dem, was genau hier ist, das heißt mit der Linie, in welcher die Abbildungsebene die Trägerebene schneidet [hQ]. Diese beiden Linien [Linie im Unendlichen und hQ] schneiden sich, da sie beide auf der Abbildungsebene liegen. Und mehr noch, sie schneiden sich in einem einzigen Punkt [im Unendlichen] [Sˈ], denn dieser Punkt [der im Diagramm als zwei Punkte erscheint] ist auf der Linie im Unendlichen ein und derselbe.
Um damit in einem Bereich des Bildes (image) zu bleiben, möchte ich sagen, dass die Distanz zwischen den beiden Parallelen [Abb. 11: δ] , die auf der Trägerebene folgende sind, [zum einen diejenige,] die durch meine fixierte Position als Blickender festgelegt ist, und [zum anderen] diejenige, die durch die Einfügung, durch das Zusammentreffen des Bildes (tableau) mit der Trägerebene bestimmt ist, diese Klaffung, die auf der Abbildungsebene nur durch einen Punkt übersetzt wird, durch einen Punkt, der sich vollständig entzieht, da wir ihn nicht so bezeichnen können, wie wir den Fluchtpunkt auf dem Horizont bezeichnen, |{26} dieser Punkt also, der für die gesamte Konfiguration wesentlich und ganz besonders charakteristisch ist, dieser verlorene Punkt – wenn Sie sich mit diesem Bild (image) zufriedengeben wollen –, der, bezogen auf die Trägerebene, in den Zwischenraum zwischen den beiden Parallelen fällt, dies ist der Punkt, den ich als den Punkt des blickenden Subjekts (sujet regardant) bezeichne.
Wir haben also den Fluchtpunkt, das heißt den Punkt des Subjekts, insofern es sehend (voyant) ist, und außerdem den Punkt, der in den Zwischenraum zwischen dem Subjekt und der Abbildungsebene stürzt, also denjenigen, den ich als den Punkt des blickenden Subjekts (sujet regardant) bezeichne.
Das ist nichts Neues. Das Neue besteht darin, es so einzuführen, dass hier die Topologie des ausgestrichenen S [$] wiedergefunden wird, in Bezug worauf es jetzt nötig sein wird, zu wissen, wo wir das a verorten, durch das die Spaltung dieser beiden Punkte determiniert wird. Ich sage „dieser beiden Punkte“, insofern sie in der Abbildung[sebene] das Subjekt repräsentieren.
Wenn wir noch weitergehen, wird uns das gestatten, einen Apparat einzuführen, eine Montage, die streng ist und die uns auf der Ebene der visuellen Kombinatorik zeigt, was das Phantasma ist. Wo wir es in diesem Ensemble verorten müssen, wird später noch gesagt werden.
Aber jetzt schon, damit Sie nicht denken, dass ich Sie hier in Abgründe führe: Ich betreibe keine Tiefenpsychologie, ich betreibe |{27} Geometrie, und Gott weiß, welche Vorsichtsmaßnahmen ich dabei ergriffen habe. Nachdem ich alles gelesen habe, was sich auf die Geschichte der Perspektive beziehen könnte – angefangen mit Euklid, der sie in seinen Porismen so vollkommen verfehlt hat, bis zu Personen, über die ich vorhin gesprochen habe, und bis zum neuesten Buch von Michel Foucault, der in seiner Analyse der Hoffräulein, im ersten Kapitel von Die Ordnung der Dinge, auf diese Dinge direkt anspielt –, habe ich versucht, Ihnen davon etwas zu geben, das wirklich eine Stütze ist, das darf ich wohl sagen.
Was jedoch diesen eindeutig definierten Punkt angeht, den ich gerade als den zweiten Punkt dargestellt habe, der in der projektiven Kombinatorik das blickende Subjekt repräsentiert – glauben Sie nur nicht, dass ich es war, der ihn erfunden hat. Man stellt ihn jedoch auf andere Weise dar, und diese andere Weise ist von anderen als mir bereits benannt worden, beispielsweise als das andere Auge.
Er ist allen Malern wirklich gut bekannt, dieser Punkt.
Denn da ich Ihnen gesagt habe, dass dieser Punkt strenggenommen in den Zwischenraum fällt, wie ich ihn auf der Trägerebene definiert habe, um dann an einem Punkt verortet zu werden, auf den Sie natürlich nicht zeigen können, der jedoch aufgrund der fundamentalen Äquivalenz der projektiven Geometrie erforderlich ist und der sich auf der Abbildungsebene befindet – auch wenn |{28} er im Unendlichen liegt, dort liegt er.
Wie wird dieser Punkt verwendet? Er wird von allen verwendet, die Bilder mithilfe der Perspektive gemalt haben, also genau seit Masaccio und van Eyck, in Gestalt dessen, was man, wie ich Ihnen eben bereits gesagt habe, das andere Auge nennt. Das ist der Punkt, der dazu dient, jede plane Perspektive zu konstruieren, insofern sie flieht, insofern sie genau in der Trägerebene ist. Genauso wird sie bei Alberti konstruiert, etwas anders wird sie bei jemandem konstruiert, der Le Pèlerin heißt.
Nämlich so. |{29} Das ist das, dessen Perspektive festgestellt werden soll, also beispielsweise ein Gitternetz, dessen Basis hier aufliegt. Wir haben eine Bezugsfläche [Abb. 15 a].
Wenn ich mich darauf einlasse, ich meine, wenn ich es für Ihr Verständnis einfach machen will, stelle ich mich mitten in diese Bezugsfläche des Gitternetzes und eine auf der Basis dieses Gitternetzes errichtete Senkrechte [Abb. 15 b] gibt mir am Horizont [h] den Fluchtpunkt. Ich würde jetzt also bereits wissen, dass sich mein Gitternetz mit Hilfe meines Fluchtpunkts so anordnen wird [Abb. 15 c].
Aber wodurch bekomme ich dann die Höhe, die das Gitternetz in der perspektivischen Darstellung haben soll? Durch etwas, wofür es erforderlich ist, dass ich mich meines anderen Auges bediene. Und was die Leute entdeckt haben – ziemlich spät, da die erste Theorie letztlich bei Alberti gegeben wird, ein Zeitgenosse derer, die ich Ihnen gerade genannt habe, Masaccio und van Eyck –, naja, ich nehme dann hier eine bestimmte Distanz [Abb. 15 d: δ], die genau dem entspricht, was ich Ihnen vorhin als diesen Abstand meines Blocks an der Tafel gegeben habe. Ausgehend von dieser Distanz mache ich eine Konstruktion, indem ich einen Punkt [Sˈ] nehme, der auf derselben Höhe liegt wie der Fluchtpunkt, eine Konstruktion, die bei Alberti durch eine hier liegende Vertikale verläuft [Abb. 15 f: β]. Hier zeichne ich die Diagonale [Abb. 15 g: γ], hier eine horizontale Linie, und hier habe ich die Grenze, |{30} bei der dann mein Gitternetz endet, dasjenige, das ich in Perspektive sehen wollte.
Ich habe also jede Freiheit, was die Höhe angeht, die ich dann dem Gitternetz gebe, das perspektivisch erfasst wird, das heißt, innerhalb meines Bildes wähle ich nach Belieben die Distanz [δ], in der ich mich dann von meinem Gitternetz aufstelle, damit es mir in Perspektive erscheint. Und das ist derart zutreffend, dass Sie in vielen klassischen Gemälden in verdeckter Form einen kleinen Fleck haben, ja manchmal ganz einfach ein Auge, die Angabe des Punktes, hier [Sˈ], an dem Sie selbst die Distanz vom Bild einnehmen müssen, wo Sie sich aufstellen müssen, damit der ganze Aufwand an Perspektive für Sie zum Tragen kommt.
Wie Sie sehen, eröffnet das eine andere Dimension, nämlich die folgende, die genau dieselbe ist wie diejenige, die Sie vorhin verblüfft hat, als ich Ihnen sagte, dass über dem Horizont nicht der Himmel ist. Den Himmel gibt es, weil Sie in den Hintergrund über den Horizont eine Stellwand einfügen, die der Himmel ist. Der Himmel ist in Wirklichkeit immer nur eine Stellwand, wie im Theater, und genauso gibt es zwischen Ihnen und dem Himmel eine ganze Reihe von Stellwänden.
{31} Die Tatsache, dass Sie im Bild Ihre Distanz wählen können --; und jedes Bild im Bild und bereits das Bild selbst ist eine Distanzierung, denn Sie machen ein Bild von sich nicht in der Fensteröffnung, von der Sie sich dann einrahmen lassen. Sie erstellen das Bild bereits innerhalb dieses Rahmens.
Ihre Beziehung zu diesem Bild und was es mit dem Phantasma zu tun hat, wird es uns ermöglichen, Bezugspunkte zu haben, eine gesicherte Anzahl, für all das, was es uns später erlauben wird, die Beziehungen des Objekts a zum ausgestrichenen S zu demonstrieren. Das ist das, was ich hoffe – und hoffentlich ein wenig schneller als heute –, Ihnen beim nächsten Mal darlegen zu können.
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Französisch/deutsch mit Anmerkungen und Links
{1} Il s’agit, pour nous, de situer notre topologie : de nous situer, nous analystes, comme agissant en elle.
Für uns geht es darum, unsere Topologie zu verorten – uns zu verorten, uns Analytiker, als solche, die darin handeln.12
Dans une réunion fermée, en un tout petit groupe, quelqu’un me posait récemment la question, à propos de ce que j’ai dit de cette topologie, qu’elle n’est pas une métaphore : « Qu’en est-il ?
Bei einem geschlossenen Treffen in einer ganz kleinen Gruppe hat mir kürzlich jemand die folgende Frage gestellt, zu dem, was ich über diese Topologie gesagte habe, nämlich dass sie keine Metapher sei: „Was hat es damit auf sich?13
Que signifie de nous situer comme sujets dans une référence qui n’est pas métaphorique. »
Was heißt es, uns als Subjekte in einem Bezug zu verorten, der nicht metaphorisch ist?“
Je n’ai pas répondu : celui qui me questionnait n’avait pas été présent au dernier séminaire fermé et la réponse elliptique que j’aurais pu donner : « nous affronter à la jouissance », aurait été une réponse qui n’aurait pas été suffisamment commentée.
Ich habe nicht geantwortet; die Person, die mich gefragt hatte, war beim letzten geschlossenen Seminar nicht anwesend, und die elliptische Antwort, die ich hätte geben können – „uns mit der Jouissance zu konfrontieren“ –, wäre eine Antwort gewesen, die nicht hinreichend kommentiert gewesen wäre.14
Être situé dans ce qui n’est plus la métaphore du sujet c’est aller chercher les fondements de sa position, non point dans aucun effet de signification, mais dans ce qui résulte de la combinatoire elle-même.
In dem verortet zu sein, was nicht mehr die Metapher des Subjekts ist, heißt, die Grundlagen seiner Position nicht in einem Bedeutungseffekt zu suchen, sondern in dem, was aus einer Kombinatorik hervorgeht.15
Qu’en est-il exactement du sujet, dans sa position classique, de ce lieu nécessité par la constitution du monde |{2} objectif ?
Was genau hat es mit dem Subjekt in seiner klassischen Position auf sich, von dem Ort her, der aufgrund der Konstitution der objektiven Welt erforderlich ist?
Observez qu’à ce sujet pur, ce sujet dont les théoriciens de la philosophie ont poussé jusqu’à l’extrême la référence unitaire, à ce sujet, dis-je, on n’y croit pas tout à fait, et pour cause : on ne peut croire, qu’à lui, tout du monde soit suspendu.
Beachten Sie, dass man an dieses reine Subjekt, dieses Subjekt, dessen Einheitsbezug die Theoretiker der Philosophie ins Extrem getrieben haben, dass man an dieses Subjekt, sage ich, überhaupt nicht glaubt – aus gutem Grund, man kann nicht glauben, dass alles in der Welt von ihm abhängt.
Et c’est bien ce en quoi consiste l’accusation d’idéalisme.
Eben darin besteht der Idealismus-Vorwurf.
C’est ici que la structure visuelle de ce sujet doit être explorée.
Hier soll die visuelle Struktur dieses Subjekts erkundet werden.
Déjà j’ai approché ce que, de matière, nous apporte notre expérience analytique : au premier chef : l’écran.
Ich habe mich bereits dem angenähert, was unsere analytische Erfahrung uns hierzu an Stoff bietet, in erster Linie der Schirm (écran).
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L’écran que notre expérience analytique nous apprend comme étant le principe de notre doute : ce qui se voit, non pas révèle mais cache quelque chose.
Der Schirm, über den unsere analytische Erfahrung uns lehrt, dass er der Ursprung unseres Zweifels ist: Was gesehen wird, enthüllt nicht, sondern verbirgt etwas.16
Cet écran, pourtant, supporte, pour nous, tout ce qui se présente.
Dieser Schirm jedoch stützt für uns alles, was sich präsentiert.
Le fondement de la surface est au principe de tout ce que nous appelons organisation de la forme, constellation.
Das Fundament der Fläche liegt allem zugrunde, was wir Organisation der Form nennen, Konstellation.17
Dès lors tout s’organise en une superposition de plans parallèles, et s’instaurent les labyrinthes sans issue de la représentation comme telle.
Von daher ist alles in einer Überlagerung paralleler Ebenen organisiert und entstehen die ausweglosen Labyrinthe der Repräsentation als solcher.
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Dans un livre que j’ai conseillé à la plupart de ceux qui sont ici – puisqu’aussi bien, cette assistance n’est pas beaucoup plus étendue que celle que j’ai eue la dernière fois –, un livre qui s’appelle Les paradoxes de la conscience, de Monsieur Ruyer, vous verrez la conséquence de ce renvoi structural.
In einem Buch, das ich den meisten der hier Anwesenden bereits empfohlen habe – denn die Zuhörerschaft hier ist auch nicht viel größer als diejenige, die ich das letzte Mal hatte –, in einem Buch mit dem Titel Die Paradoxien des Bewusstseins von Herrn Ruyer, werden Sie die Konsequenz dieses strukturellen Verweises sehen.18
Tout ce que nous concevons comme correspondance point |{3} par point de ce qui est d’une surface sur une autre s’y image de la représentation d’un point dont les rayons partants traversent ces deux plans parallèles, y manifestant, d’une trace à une autre, de celle sur un plan au plan correspondant, une fondamentale homothétie/homologie, de sorte que, de quelque façon que nous manipulions le rapport de l’image à l’objet, il en résulte qu’il faut bien qu’il y ait quelque part ce fameux sujet qui unifie la configuration, la constellation, pour la limiter à quelques points brillants ; qui, quelque part l’unifie, ce quelque chose en quoi elle consiste, d’où l’importance du sujet.
All das, was wir als Punkt-für Punkt-Entsprechung auffassen, zwischen dem, was zu der einen Fläche gehört, und dem, was zu einer anderen gehört, wird hierbei durch die Vorstellung eines Punktes verbildlicht, von dem die Strahlen ausgehen, von denen die beiden parallelen Ebenen durchquert werden, die hierbei – von einer Spur zur anderen, von derjenigen auf der einen Ebene im Verhältnis zu der korrespondierenden Ebene –, die hierbei eine grundlegende Homothetie, Homologie manifestieren, derart, dass sich – wie auch immer wir das Verhältnis des Bildes zum Objekt manipulieren mögen –, derart, dass sich daraus ergibt, dass es irgendwo dieses berühmte Subjekt geben muss, durch das die Konfiguration, die Konstellation vereinheitlicht wird, indem sie sie auf einige leuchtende Punkte begrenzt, das Subjekt, durch das irgendwo das, woraus die Konstellation besteht, vereinheitlicht wird; von daher die Wichtigkeit des Subjekts.19
Mais cette fuite dans une unité mythique, où il est facile de voir l’exigence du pur esprit unificateur : la voie, la voie par laquelle je vous mène, qui est proprement ce qu’on appelle méthode, aboutit à cette topologie qui consiste en cette remarque que ce n’est point à rechercher ce qui va correspondre à cette surface au fond de l’œil qui s’appelle la rétine ou aussi bien à toute autre, à quelque point où se forme l’image, qu’il s’agit de se reporter comme constituant l’élément unificateur.
Aber diese Flucht in eine mythische Einheit, bei der es leicht ist, darin die Forderung nach dem reinen vereinheitlichenden Geist zu sehen – der Weg, auf dem ich Sie führe, der im strengen Sinne des Wortes das ist, was man Methode nennt, dieser Weg führt zu dieser Topologie, die in der Bemerkung besteht, dass es nicht darum geht, das zu suchen, was der Fläche im Augenhintergrund entsprechen soll, Netzhaut genannt, oder irgendeiner anderen Fläche, irgendeiner Stelle, an der sich das Bild formt, auf die man sich als auf diejenigen beziehen soll, die das vereinheitlichende Element bildet.20
Bien sûr, ceci part de la distinction cartésienne de l’étendue et de la pensée.
Das hat seinen Ausgangspunkt natürlich in der kartesischen Unterscheidung zwischen dem Ausgedehnten und dem Denken.21
Cette distinction suppose l’étendue, soit l’espace, comme homogène, en ce sens impensable qu’il est, comme dit Descartes, tout |{4} entier à concevoir comme partes extra partes, mais à ceci près qui est voilé dans cette remarque, c’est qu’il est homogène : que chaque point est identique à tous les autres tout en étant différent, ce qui est proprement ce que veut dire l’hypothèse, à savoir que toutes ses parties se valent.
Diese Unterscheidung setzt voraus, dass das Ausgedehnte, also der Raum, homogen ist, in dem undenkbaren Sinne, dass er, wie Descartes sagt, gänzlich als partes extra partes aufzufassen ist, jedoch bis auf dies, was in dieser Bemerkung verschleiert ist, dass der Raum homogen ist, dass jeder Punkt mit allen anderen identisch ist, obwohl er sich zugleich davon unterscheidet, was eben das ist, was die Hypothese besagt, dass nämlich all seine Teile gleichwertig sind.22
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Or, l’expérience de ce qu’il en est de cette structure de l’espace, non point quand nous le distinguons de la pensée, de la pensée en tant que la supporte uniquement et fondamentalement la combinatoire signifiante ; que cet espace n’en est effectivement point séparable ; qu’il en est, au contraire, intimement cohérent ; qu’il n’y a nul besoin d’une pensée de survol pour la ressaisir en cette cohérence nécessaire ; que la pensée ne s’y introduit pas d’y introduire la mesure : une mesure, en quelque sorte applicable, arpenteuse qui loin de l’explorer, le bâtit.
Nun, die Erfahrung dessen, worum es bei der Struktur des Raumes geht, keineswegs wenn wir ihn vom Denken unterscheiden, sondern insofern das Denken einzig und grundlegend von der Kombinatorik der Signifikanten getragen wird; dass dieser Raum davon überhaupt nicht getrennt werden kann, dass er vielmehr innerlich damit zusammenhängt; dass es, um ihn wieder in dieser notwendigen Kohärenz zu erfassen, keinen Bedarf nach einem Denken des Überflugs gibt; dass das Denken hier nicht dadurch eingeführt wird, dass die Messung hier eingeführt wird, ein gewissermaßen anwendbares, landvermessendes Messen, [sondern] ein Denken, das, weit davon entfernt, den Raum zu erkunden, ihn vielmehr konstruiert.23
J’ai désigné là l’essence de ce qu’il en est du premier pas de la géométrie, comme son nom de géométrie en véhicule encore la trace ; de la géométrie grecque, euclidienne, entièrement fondée précisément sur ce thème d’une mesure introduite où se cache que ce n’est point la pensée qui la véhicule, mais à proprement parler ce que les Grecs ont eux-même nommé mesure.
Ich habe hier das Wesen dessen bezeichnet, was es mit dem ersten Schritt der Geometrie auf sich hat, wovon ihr Name, Geometrie, noch die Spur trägt, bei der griechischen, euklidischen Geometrie, die sich ganz und gar auf das Thema eines eingeführten Maßes gründet, wohinter sich versteckt, dass es keineswegs das Denken ist, von dem sie getragen wird, sondern im strengen Sinne das, was die Griechen selbst als Messung oder Maß bezeichnet haben.24
„L’homme est la mesure de toute chose“ c’est-à-dire son corps : le pied, le pouce, et la coudée.
„Der Mensch ist das Maß aller Dinge“, das heißt sein Köper: der Fuß, der Daumen und die Elle.25
{5} Or, le progrès de la pensée restée intitulée géométrisante…
et sans doute n’est ce pas pour rien que more geometrico a toujours paru l’idéal de toute déduction de la pensée
…le progrès, dis-je, de cette géométrie nous montre l’émergence d’un autre mode d’abord où étendue et combinatoire se nouent d’une façon étroite et qui est, à proprement parler, la géométrie projective.
Also, der Fortschritt des weiterhin als geometrisierend bezeichneten Denkens – und sicherlich ist es nicht ohne Bedeutung, dass als Ideal einer jeden Deduktion des Denkens immer das more geometrico erschienen ist –, der Fortschritt, sage ich, dieser Geometrie zeigt uns zunächst das Auftauchen eines anderen Modus, in welchem Ausgedehntes und Kombinatorik eng miteinander verbunden sind, nämlich der projektiven Geometrie.26
Non point égalité, mesure, effet de recouvrement mais, comme vous vous en souvenez encore, effort souvent pénible pour fonder les premières déductions de la géométrie.
Keineswegs Gleichheit, Messung, Wirkung der Überdeckung sondern, wie Sie sich noch erinnern werden, eine oft mühselige Anstrengung, um die ersten Deduktionen der Geometrie zu begründen.27
Rappelez-vous du temps où on vous faisait passer la muscade d’un retournement sur le plan ; Dieu sait que c’est là opération qui ne semblait pas impliquée dans les prémices pour fonder le statut du triangle isocèle.
Erinnern Sie sich an die Zeit, in der man Sie dazu brachte, den Trick des Umklappens auf eine Ebene anzuwenden; Gott weiß, dass dies eine Operation ist, die nicht in den Prämissen enthalten zu sein schien, die den Status des gleichschenkligen Dreiecks begründen.28
Déplacement, translation, manipulation, homothétie même : tout ce jeu à partir duquel se déploie en éventail la déduction euclidienne se transforme à proprement parler dans la géométrie projective, justement d’introduire, de figure à figure, la fonction de l’équivalence par transformation.
Verschiebung, Translation, Manipulation und sogar Homothetie – das ganze Spiel, von dem aus sich das Spektrum der euklidischen Deduktion entfaltet, wird in der projektiven Geometrie im strengen Sinne transformiert und zwar dadurch, dass in die Beziehung zwischen zwei Figuren die Funktion der Äquivalenz durch Transformation eingeführt wird.29
Singulièrement, ce progrès se marque historiquement par la contribution d’artistes à proprement parler, à savoir ceux qui se sont intéressés à la perspective.
Dieser Fortschritt ist historisch vor allem durch den Beitrag von wirklichen Künstlern gekennzeichnet, von solchen, die sich für die Perspektive interessiert haben.30
La perspective n’est pas l’optique.
Perspektive ist nicht Optik.
Il ne s’agit point, dans la perspective, |{6} de propriétés visuelles mais précisément de cette correspondance de ce qui s’établit, concernant les figures qui s’inscrivent dans une surface, à celles qui, dans une autre surface, sont produites de cette seule cohérence établie de la fonction d’un point à partir duquel les lignes droites conjoignent ce point aux articulations de la première figure se trouvent, à traverser une autre surface, faire apparaître une autre figure.
Bei der Perspektive geht es nicht um visuelle Eigenschaften, sondern um die Entsprechung zwischen Figuren, die auf einer bestimmten Fläche eingetragen sind, zu Figuren, die auf einer anderen Fläche zustande kommen, einzig durch die Kohärenz, die abhängig von einem Punkt hergestellt wird, durch den gerade Linien führen, die mit den Gliederungen der ersten Figur verbunden sind, und die dann, wenn sie eine andere Fläche durchqueren, eine andere Figur erscheinen lassen.31
Nous retrouvons là la fonction de l’écran.
Hier finden wir die Funktion des Schirms wieder.
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Et rien n’est impliqué que d’une figure à l’autre apparaisse une relation de ressemblance ou de similitude, mais simplement de cohérence que nous pourrons définir entre les deux.
Und das impliziert keineswegs, dass von der einen Figur zur anderen eine Beziehung der Ähnlichkeit oder der Gleichartigkeit erscheinen würde, sondern einfach eine solche der Kohärenz, die wir zwischen beiden definieren könnten.
L’écran, ici, fait fonction de ce qui s’interpose entre le sujet et le monde.
Der Schirm hat hier die Funktion von etwas, das zwischen das Subjekt und die Welt eingeschoben wird.32
Il n’est pas un objet comme un autre : il s’y point quelque chose.
Er ist kein Gegenstand wie andere Gegenstände – hier zeigt sich etwas.
Avant de définir ce qu’il en est de la représentation, l’écran déjà nous annonce, à l’horizon, la dimension de ce qui, de la représentation, est le représentant.
Noch bevor der Schirm definiert, was es mit der Repräsentation auf sich hat, kündigt er uns am Horizont bereits die Dimension dessen an, was von der Vorstellung/Repräsentation die Repräsentanz ist.
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Avant que le monde devienne représentation, son représentant – j’entends le représentant de la représentation – émerge.
Bevor die Welt Repräsentation wird, Vorstellung, taucht ihre Repräsentanz auf, ich meine der Repräsentant der Repräsentation / die Vorstellungsrepräsentanz.33
Je ne me priverai pas d’évoquer ici une première fois, fût-ce pour y revenir, une notion qui, quoique préhistorique, ne saurait d’aucune façon passer pour archéologique en la matière.
Ich werde es mir nicht nehmen lassen, hier ein erstes Mal einen Begriff in Erinnerung zu rufen, und sei es nur, um später darauf zurückzukommen, einen Begriff, der zwar prähistorisch ist, der bei dieser Sache jedoch keinesfalls als archäologisch gelten kann.
{7} L’art pariétal…
celui que nous trouvons précisément au fond de ces espaces clos qu’on appelle des cavernes
…est-ce que dans son mystère…
dont le principal est assurément que nous restons encore dans l’embarras quant à savoir jusqu’à quel point ces lieux étaient éclairés – ils ne l’étaient qu’à l’orifice –, jusqu’à quel point ces lieux étaient visités – ils semblent l’avoir été rarement si nous en faisons foi aux traces que nous pouvons repérer sous la forme de traces de pas dans des lieux qui, pourtant, sont favorables à en porter les marques
…l’art pariétal semble nous reporter à rien de moins que ce qui, plus tard, s’énonce dans le mythe platonicien de la caverne, qui prendrait là bien d’autres portées en effet que métaphorique.
Die Felsbilder, diejenigen, die wir hinten in den geschlossenen Räumen finden, die man Höhlen nennt, sind sie in ihrem Geheimnis --, das sicherlich vor allem darin besteht, dass wir weiterhin Schwierigkeiten damit haben, bis wohin diese Orte beleuchtet waren, nur an der Öffnung waren sie es, und bis wohin diese Orte besucht wurden, das scheint selten gewesen zu sein, wenn wir uns auf die Spuren verlassen, die wir in Gestalt von Fußspuren ausmachen können, an Orten, die es aber begünstigen, Abdrücke davon aufzunehmen, diese Felsbilder also scheinen uns auf nichts Geringeres zu verweisen als auf das, was später im Platon’schen Höhlenmythos geäußert wird, der damit tatsächlich eine ganz andere als eine metaphorische Bedeutung annähme.34
Si c’est au sein d’une caverne que Platon tente de nous porter pour faire surgir pour nous la dimension du réel, est-ce un hasard si sans doute ce qui se trouve sur ces parois… où les récentes explorations…
par des méthodes enfin scientifiques et qui, devant ces figures, ne s’essoufflent plus à imaginer l’homme des premiers temps dans je ne sais quelle anxiété de rapporter suffisamment, pour le repas de midi, à sa bourgeoise
…cette exploration qui, elle, se portant non pas sur l’interprétation imaginative de ce qu’il peut en être du rapport d’une flèche et d’un animal…
surtout quand il apparaît |{8} que la blessure porte les traces les plus évidentes d’être une représentation vulvaire
…cette méthode qui a fait entrer en jeu avec Monsieur Leroi-Gourhan, l’appareil d’un fichier soigné, voire l’usage d’une machine électronique, nous représente que ces figures ne sont pas réparties au hasard et que la fréquence constante, univoque, des cerfs à l’entrée, des bisons au milieu, nous introduit en quelque sorte directement…
encore que Monsieur Leroi-Gourhan, et pour cause, n’use pas de ce repère pourtant bien simple, tel qu’il lui est immédiatement donné par la portée de mon enseignement
…à savoir qu’il n’y a nul besoin que ceux qui participaient, très évidemment, autour de ces peintures encore pour nous énigmatiques, à un culte ; que ceux-là n’avaient nul besoin d’entrer jusqu’au fond de la caverne pour que les signifiants de l’entrée ne les représentent pour les signifiants du fond, qui n’avaient point besoin, par contre, d’être si fréquemment, en dehors des temps précis de l’initiation, visités comme tels.
Wenn Platon versucht, uns ins Innere einer Höhle zu führen, um die Dimension des Realen für uns auftauchen zu lassen, ist es dann ein Zufall, wenn das, was sich auf diesen Wänden findet, wo die neuesten Forschungen, mit endlich wissenschaftlichen Methoden – die sich den Mann der Frühzeit angesichts dieser Figuren nicht mehr atemlos als jemanden vorstellen, der von der Angst getrieben wäre, seiner Angetrauten nicht genug zum Mittagessen heranzuschaffen, diese Forschung, die sich nicht auf die einfallsreiche Interpretation dessen stützt, was es mit dem Verhältnis zwischen einem Pfeil und einem Tier auf sich haben mag, vor allem wenn es scheint, dass die Wunde die ganz offenkundigen Spuren dessen trägt, eine Darstellung der Vulva zu sein –, diese Methode, die mit Herrn Leroi-Gourhan den Apparat einer sorgfältig geführten Kartei ins Spiel gebracht hat, sogar die Verwendung einer elektronischen Maschine, diese Methode stellt uns dar, dass diese Figuren nicht nach Zufall verteilt sind und dass die konstante eindeutige Häufung von Hirschen am Eingang und von Bisons in der Mitte uns gewissermaßen direkt einführt, auch wenn Herr Leroi-Gourhan aus gutem Grund keinen Gebrauch von diesem doch sehr einfachen Bezug macht, wie er ihm durch die Reichweite meines Unterrichts unmittelbar gegeben ist, nämlich dass es nicht nötig war, dass diejenigen, die – um diese für uns noch rätselhafte Malerei herum – ganz offenkundig an einem Kult teilnahmen, dass es für sie nicht nötig war, bis ans Ende der Höhle vorzudringen, um von den Signifikanten des Eingangs für die Signifikanten des Endes repräsentiert zu werden, bei denen es außerhalb der genauen Zeiten der Initiation jedoch nicht nötig war, sie besonders häufig aufzusuchen.35
Tout ce qui accompagne ces cortèges singuliers…
lignes de points, flèches, qui apparaissent ici beaucoup plus directrices du sujet que vectrices de l’intention alimentaire…
tout nous indique qu’une chaîne structurale, qu’une répartition, dont l’essence est à proprement parler d’être signifiante, est ce quelque chose qui, seul, peut nous donner le guide |{9} d’une pensée, à la fois ferme et prudente, au regard de ce dont il s’agit.
Alles, was diese einzigartigen Prozessionen begleitet: punktierte Linien und Pfeile, die hier weitaus eher Leitlinien des Subjekts zu sein scheinen als Vektorlinien der Ernährungsabsicht, all dies weist uns darauf hin, dass allein eine strukturelle Kette, dass allein eine Aufteilung, deren Wesen strenggenommen darin besteht, signifikant zu sein, das ist, wodurch uns die Führung eines Denkens gegeben werden kann, das im Hinblick auf das, worum es geht, zugleich entschieden und umsichtig ist.
Fonction de l’écran comme support, comme tel, de la signifiance, voilà ce que nous trouvons tout de suite à l’éveil de ce quelque chose qui, de l’homme, nous assure que, quel que fût le ton de voix qu’il y donnait, il était un être parlant.
Funktion des Schirms als Stütze der Signifikanz, das ist das, was wir sofort beim Erwachen dessen finden, wodurch für uns gesichert ist, dass der Mensch ein sprechendes Wesen war, wie auch immer die Stimme, die er von sich gab, geklungen haben mag.36
C’est bien ici qu’il s’agit de saisir de plus près le rapport de la signifiance à la structure visuelle, laquelle se trouve, de par la force des choses – à savoir de par le fait qu’il semble, jusqu’à nouvel ordre, que nous n’aurons jamais aucune trace de la voix de ces premiers hommes –, c’est assurément du style de l’écriture que nous trouvons les premières manifestations, chez lui, de la parole.
Hier geht es darum, das Verhältnis der Signifikanz zur visuellen Struktur näher zu erfassen, zu einer Struktur, die zwangsläufig hier zu finden ist, da es ja bis auf Weiteres so zu sein scheint, dass uns niemals eine Spur der Stimme dieser ersten Menschen zugänglich sein wird und dass es deshalb sicherlich so ist, dass wir die ersten Manifestationen des Sprechens bei ihm von daher finden, dass wir uns auf den Stil der Schrift beziehen.37
Je n’ai point besoin d’insister sur un fait très singulier, que mettent en évidence également ces représentations…
dont on s’extasie qu’elles soient naturalistes comme si nous n’avions pas appris, dans notre analyse du réalisme, à quel point, dans tout art il est foncièrement métonymique, c’est-à-dire désignant autre chose que ce qu’il nous présente
…ces formes réalistes représentent avec une remarquable constance cette ligne oscillante qui se traduit en fait par la forme de |{10} cet S allongé où je ne verrai, quant à moi, aucun inconvénient à voir se recouper celle de l’S dont je vous désigne le sujet.
Es ist nicht nötig, dass ich auf einer wirklich außergewöhnlichen Tatsache insistiere, dass nämlich, wenn man gleichermaßen diese Darstellungen herausstellt – bei denen man in Entzücken ausbricht, sie seien naturalistisch, als hätten wir bei unserer Analyse des Realismus nicht gelernt, wie sehr er in jeder Kunstart grundlegend metonymisch ist, das heißt, dass er etwas anderes bezeichnet als das, was er uns präsentiert –, dass diese realistischen Formen mit bemerkenswerter Konstanz diese oszillierende Linie aufweisen, die tatsächlich durch die Form eines in die Länge gezogenen S übersetzt wird, bei der ich, was mich angeht, keinen Nachteil darin sähe, wenn man bemerken würde, dass sie mit der Form des S übereinstimmt, mit dem ich Ihnen das Subjekt bezeichne.38
Oui, exactement pour la même raison que quand Monsieur Hogarth cherche à désigner ce qu’il en est de la structure de la beauté, c’est aussi exactement et nommément à cet « S » qu’il se réfère [Abb. 1 und 2].
Ja, aus demselben Grund, aus dem Herr Hogarth – wenn er das zu zeichnen versucht, worin die Struktur der Schönheit besteht – sich ebenso ganz speziell auf dieses S bezieht [vgl. Abb. 1 und 2].39
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Pour donner corps, bien sûr, à ces extrapolations, j’en conviens, qui peuvent vous paraître hardies, il nous faut maintenant en venir à ce que j’ai appelé tout à l’heure la structure visuelle de ce monde topologique, celui sur lequel se fonde toute instauration du sujet.
Natürlich, um diesen Extrapolationen konkrete Gestalt zu verleihen, da stimme ich zu – Extrapolationen, die Ihnen als kühn erscheinen mögen –, müssen wir jetzt zu dem kommen, was ich vorhin als visuelle Struktur der topologischen Welt bezeichnet habe, derjenigen, auf die sich jede Einsetzung des Subjekts gründet.40
J’ai dit que cette structure est antérieure, logiquement, à la physiologie de l’œil et à, même, l’optique ; qu’elle est cette structure que les progrès de la géométrie nous permettent de formuler comme donnant, sous une forme exacte, ce qu’il en est – je souligne exacte –, ce qu’il en est du rapport du sujet à l’étendue.
Ich habe gesagt, diese Struktur sei gegenüber der Physiologie des Auges und selbst gegenüber der Optik logisch vorgängig und dass es sich um die Struktur handelt, welche die Fortschritte der Geometrie uns zu formulieren gestatten, als diejenige, die in exakter Form das liefert, worum es geht – ich betone „exakt“ –, das, worum es beim Verhältnis des Subjekts zum Ausgedehnten geht.41
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Et certes je suis bien empêché, par de simples considérations de décence, de vous donner ici un cours de géométrie projective.
Natürlich werde ich durch schlichte Erwägungen des Anstands daran gehindert, Ihnen hier einen Kurs in projektiver Geometrie zu geben.
Il faut donc qu’au moyen de quelques indications, je suscite en vous le désir de vous y reporter, qu’au moyen de quelques apologues je vous en fasse sentir la dimension propre.
Also muss ich bei Ihnen durch einige Hinweise das Begehren wachrufen, sich darauf zu beziehen, und muss ich Ihnen deren spezielle Dimension durch einige Apologe spürbar machen.
La géométrie projective est à proprement parler combinatoire.
Die projektive Geometrie ist im strengen Sinne des Wortes kombinatorisch.
Combinatoire de points, de lignes, de surfaces sus- |{11} ceptibles de tracés rigoureux mais dont le fondement intuitif – ce que points, lignes, plans, pour vous évoquent – se dissipe, se résorbe et, à la fin, s’évanouit derrière un certain nombre de nécessités purement combinatoires qui sont telles, par exemple, que le point se définira comme intersection de deux lignes ; que deux lignes seront définies comme se coupant toujours.
Eine Kombinatorik aus Punkten, Linien und Flächen, die sich streng nachzeichnen lassen, deren intuitive Grundlage – das, was Punkte, Linien und Ebenen bei Ihnen evozieren – sich jedoch in eine Reihe von rein kombinatorischen Notwendigkeiten auflöst, davon absorbiert wird und schließlich verschwindet, wie beispielsweise [dadurch,] dass der Punkt als Überschneidung zweier Linien definiert wird und dass zwei Linien so definiert werden, dass sie sich immer schneiden.
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Car une définition combinatoire ne vaut pas si elle comporte des exceptions de l’ordre intuitif : si nous croyons que les parallèles sont justement les lignes qui ne se coupent pas.
Denn in einer Kombinatorik ist eine Definition dann ungültig, wenn sie Ausnahmen intuitiven Charakters enthält, etwa wenn wir glauben, dass Parallelen diejenigen Linien sind, die sich nicht schneiden.
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Deux lignes se couperont toujours en un point, et l’on se débrouillera comme on pourra, mais il faut que ce point existe.
Zwei Linien werden sich immer in einem Punkt schneiden, und wie auch immer man damit zurechtkommen mag, diesen Punkt muss es jedenfalls geben.42
Or, il apparaît que précisément ce point existe, et que c’est même à le faire exister qu’on fondera la géométrie projective et que c’est bien là en quoi consiste l’apport de la perspective, c’est que c’est précisément à le projeter sur un autre plan, qu’on le verra, sur cet autre plan, apparaître, d’une façon dont l’intérêt n’est pas qu’il soit là intuitif, à savoir parfaitement visible dans la jonction des deux lignes sur la ligne d’horizon, mais qu’il ait à répondre selon les lois strictes d’une équivalence attendue, à partir des hypothèses purement combinatoires je le répète, qui sont celles qui se poursuivront dans les termes, que deux points, |{12} par exemple, ne détermineront qu’une seule ligne droite, et que deux lignes droites ne peuvent se couper en deux points.
Nun, es zeigt sich, dass eben dieser Punkt existiert, und um ihn existieren zu lassen, wird man sogar die projektive Geometrie begründen, und dass der Beitrag der Perspektive eben darin besteht, ihn auf eine andere Ebene zu projizieren, dass man ihn dann auf dieser anderen Ebene erscheinen sieht, in einer Weise, die nicht deshalb von Interesse ist, weil er intuitiv da wäre, also in der Verbindung der beiden Linien auf der Horizontlinie vollkommen sichtbar, sondern weil er nach den strengen Gesetzen einer erwarteten Äquivalenz in einem Entsprechungsverhältnis stehen muss, ausgehend von rein kombinatorischen Hypothesen, ich wiederhole es, nämlich denjenigen, die dann beispielsweise in solchen Termini ausgeführt werden wie diesen, dass zwei Punkte nur eine einzige gerade Linie determinieren oder dass zwei gerade Linien sich nicht in zwei Punkten schneiden können.43
Pour vous faire sentir ce qu’il en est de telles définitions, je vous rappelle qu’il en résulte qu’à l’encontre des manipulations de la démonstration euclidienne, de l’admission de ces principes – qui se résument en une forme qu’on appelle principe de dualité – une géométrie purement projective, non métrique, pourra avec assurance traduire un théorème acquis en termes de points et de lignes en substituant point à ligne, dans son énoncé, et ligne à point, et en obtenant un énoncé certainement aussi valable que le précédent.
Um Sie spüren zu lassen, um was es bei solchen Definitionen geht, erinnere ich Sie daran, dass aus ihnen folgt, dass, im Gegensatz zu den Manipulationen der euklidischen Beweisführung, durch das Akzeptieren dieser Prinzipien – die in einer Form zusammengefasst werden, die Dualitätsprinzip genannt wird – eine rein projektive, nicht metrische Geometrie in der Lage ist, ein Theorem, das in Termini von Punkten und Linien gesichert ist, zuverlässig so zu übersetzen, dass in dieser Geometrie in der Aussage des Theorems die Linie durch den Punkt und der Punkt durch die Linie ersetzt wird und hierdurch eine Aussage entsteht, die mit Sicherheit ebenso gültig ist wie die vorhergehende.44
C’est là ce qui surgit au XVIIème siècle avec le génie de Pascal, sans aucun doute déjà préparé par l’avènement multiple d’une dimension mentale telle qu’elle se présente toujours dans l’histoire du sujet, qui fait, par exemple, que le théorème dit de Brianchon, lequel s’énonce : Qu’un hexagone formé par six lignes droites qui sont tangentes à une conique, donc hexagone circonscrit [vgl. Abb. 3]…
je pense que vous savez ce que c’est qu’une conique mais je vous le rappelle : conique c’est un cône, c’est une hyperbole, c’est une parabole, ce qui veut dire dans l’occasion qu’il s’agit de certaines de leurs formes telles qu’elles sont engendrées dans l’espace et non pas simplement sous forme de révolutions, un cône se définissant |{13} alors par la forme qui se présente dans l’espace, de par l’enveloppement d’une ligne joignant un point à un cercle par exemple et ne la joignant pas forcément d’un point situé perpendiculairement à son centre
…toutes ces lignes donc présentent la propriété que, les trois lignes qui joignent des sommets opposés – ce qui est facile à déterminer, quelle que soit la forme de l’hexagone, par un simple comptage –, ces trois lignes convergent en un point.
Das ist etwas, das im 17. Jahrhundert mit dem Genie von Pascal auftaucht, sicherlich vorbereitet durch das vielfache Aufkommen einer geistigen Dimension, wie sie sich in der Geschichte des Subjekts immer geltend macht, und die beispielsweise dahin führt, dass der Satz von Brianchon, der so lautet, dass ein Sechseck aus sechs geraden Linien, welche die Tangenten eines Kegelschnitts bilden, also ein umbeschriebenes Sechseck [vgl. Abb. 3] – ich denke, Sie wissen, was ein Kegelschnitt ist, aber ich rufe es Ihnen in Erinnerung: ein Kegelschnitt ist ein Kegel [ein Schnitt in einen Kegel]: eine Hyperbel, eine Parabel, was in diesem Fall heißen soll, dass es sich um bestimmte dieser Formen handelt, wie sie im Raum erzeugt werden, und nicht einfach in Form von Rotationen, wobei ein Kegel also durch die Form definiert ist, die sich im Raum darstellt, durch die Einhüllende einer Linie, die einen Punkt beispielweise mit einem Kreis verbindet und sie nicht zwangsläufig von einem Punkt aus verbindet, der im rechten Winkel zu seinem Zentrum verortet ist –, all diese Linien also zeigen die Eigenschaft, dass die drei Linien, durch welche die gegenüberliegenden Ecken miteinander verbunden werden – was durch einfaches Abzählen leicht zu bestimmen ist, welches auch immer die Form des Sechsecks sein mag –, dass diese drei Linien sich in einem Punkt schneiden.
Du seul fait de l’admission des principes de la géométrie projective, ceci se traduit immédiatement en ceci qu’un hexagone formé par six points qui reposent sur une conique, qui est alors un hexagone inscrit, que dans ce cas les trois points d’intersection des côtés opposée, reposent sur une même ligne.
Allein schon dadurch, dass man die Prinzipien der projektiven Geometrie akzeptiert, lässt sich das unmittelbar so übersetzen, dass ein Sechseck, das durch sechs Punkte gebildet wird, die auf einem Kegelschnitt liegen, welches also ein einbeschriebenes Sechseck ist, dass in diesem Fall die drei Schnittpunkte der entgegengesetzten Seiten auf ein und derselben Linie liegen.
Si vous avez écouté ces deux énoncés, vous voyez qu’ils se traduisent l’un de l’autre par simple substitution, sans équivoque, de point à ligne et de ligne à point.
Wenn Sie diese beiden Aussagen gehört haben, sehen Sie, dass sie einfach dadurch ineinander übersetzt werden, dass, ohne Mehrdeutigkeit, „Linie“ durch „Punkt“ und „Punkt“ durch „Linie“ ersetzt wird.45
Il y a là, dans le procédé de la démonstration, vous le sentez bien, tout autre chose que ce qui fait intervenir mensuration, règle ou compas, et que, s’agissant de combinatoire, c’est bien de points, de lignes voire de plans, en terme de pur signifiant et aussi bien de théorèmes qui peuvent s’écrire seulement avec des lettres, qu’il s’agit.
Im Beweisverfahren, das werden Sie wohl spüren, gibt es hier etwas ganz anderes als das, was darin besteht, Messung, Lineal oder Zirkel einzuschalten, und dass es – da es sich um eine Kombinatorik handelt –, dass es um Punkte geht , um Linien, sogar um Ebenen als reine Signifikanten und ebenso um Theoreme, die einzig mit Buchstaben geschrieben werden können.46
{14} Or, ceci à soi seul va nous permettre de donner une toute autre portée à ce qu’il en est de la correspondance d’un objet avec ce que nous appellerons sa figure.
Und bereits dies ermöglicht es uns, der Entsprechung eines Objekts mit dem, was wir seine Abbildung (figure) nennen wollen, eine ganz andere Bedeutung zu geben.47
Ici, nous introduirons l’appareil qui déjà nous a servi comme essentiel à confronter à cette image mythique de l’œil…
qui, quelle qu’elle soit, élude, élide ce qu’il en est du rapport de la représentation à l’objet, puisque, de quelque façon, la représentation y sera toujours un double de cet objet
…confronter à ce que je vous ai d’abord présenté comme la structure de la vision, y opposant celle du regard.
Wir wollen hier den Apparat einführen, der uns bereits wesentlich dazu gedient hat, das mythische Bild des Auges (œil) – ein Bild, welches, gleich welcher Art, dem ausweicht und das auslöscht, worum es beim Verhältnis der Vorstellung zum Objekt geht, da die Vorstellung hier auf irgendeine Weise immer ein Doppel des Objekts sein wird –, um dieses Bild mit dem zu konfrontieren, was ich Ihnen zunächst als Struktur des Sehens (vision) präsentiert habe, indem ich hier die des Blicks (regard) entgegensetzte. 48
Et ce regard, dans ce premier abord, je l’ai mis là où il se saisit, là où il se supporte, à savoir là où il s’est épandu en cette œuvre qu’on appelle un tableau.
Und in diesem ersten Zugang habe ich den Blick dort platziert, wo er erfasst wird, dort, wo er ertragen wird, dort nämlich, wo er sich in dem Werk ausgebreitet hat, das man als tableau bezeichnet, als gemaltes Bild, als Gemälde.49
Le rapport en quelque sorte originaire du regard à la tache…
pour autant même que le phylum biologique peut nous le faire apparaître effectivement, selon des organismes extrêmement primitifs, sous la forme de la tache, à partir de quoi la sensibilité localisée que représente la tache dans son rapport à la lumière, peut nous servir d’image, d’exemple de ce quelque chose où s’origine le monde visuel,
…mais assurément ce n’est là qu’équivoque évolutionniste dont la valeur ne peut prendre, ne peut s’affirmer comme réfé- |{15} rence que de se référer à une structure synchronique parfaitement saisissable.
Die in gewisser Weise ursprüngliche Beziehung des Blicks zum Fleck (tache), insofern nämlich, als das biologische Phylum uns dies bei ganz primitiven Organismen in Gestalt des Flecks tatsächlich erscheinen lassen kann, weshalb die lokal begrenzte Sensibilität, die durch den Fleck in seinem Verhältnis zum Licht repräsentiert wird, uns als Bild (image) und als Beispiel für das dienen kann, worin die visuelle Welt ihren Ursprung hat --; aber sicherlich ist das hier nur eine evolutionistische Mehrdeutigkeit, deren Wert als Referenz nur dadurch erfasst werden kann, nur dadurch bestätigt werden kann, dass sie auf eine synchrone Struktur bezogen wird, die vollkommen greifbar ist.50
Qu’en est-il de ce qui s’oppose, comme champ de vision et comme regard, au niveau précisément de cette topologie ?
Worum geht es bei dem, was sich auf der Ebene dieser Topologie als Feld des Sehens und als Blick gegenübersteht?
Assurément le tableau va continuer d’y jouer un rôle, et ceci n’est point pour nous étonner, si déjà nous avons admis que quelque chose comme un montage, comme une monture, comme un appareil, est essentiel à ce que nous visons, pour en avoir, nous, l’expérience, à savoir la structure du fantasme.
Sicherlich wird das gemaltes Bild hier weiterhin eine Rolle spielen, und das sollte uns nicht erstaunen, wenn wir bereits akzeptiert haben, dass für das, was wir anzielen, so etwas wie eine Montage, ein Gestell, ein Apparat wesentlich ist, da wir damit ja Erfahrung haben, nämlich die Struktur des Phantasmas.51
Et le tableau dont nous allons parler, puisque c’est dans ce sens que nous en attendons service et rendement, c’est bien dans sa monture de chevalet que nous allons le prendre, ce tableau de quelque chose qui se tient comme un objet matériel.
Und das Gemälde, von dem wir sprechen werden, da wir erwarten, dass es uns in diesem Sinne dienlich und nützlich sein wird, dieses Gemälde werden wir durchaus in seinem Staffelei-Gestell nehmen, dieses Gemälde von etwas, das als materielles Objekt Bestand hat.
C’est là ce qui va nous servir de référence pour un certain nombre de réflexions.
Das wird uns hier für eine Reihe von Überlegungen als Bezugspunkt dienen.
Dans la géométrie projective, ce tableau ce va être ce plan dont je parlais tout à l’heure [Abb. 4], sur lequel, à la percée de chacune des lignes que nous appellerons, si vous le voulez lignes oculaires – pour ne faire aucune équivoque avec rayon visuel –, les lignes qui joignent le point essentiel au départ de notre démonstration, que nous allons appeler œil [O], et qui est ce sujet idéal de l’identification du sujet classique de la connaissance…
n’oubliez pas par exemple, dans tous les schémas que j’ai donnés, sur l’identification, que c’est d’un S |{16}, point d‘ œil que partent les lignes que je trace de ce point dans une ligne droite
…ligne oculaire qui se joint à ce qui… ce que nous désignerons comme support : point [M1, N1], ligne voire même plan, dans le plan-support [Q] ; ces lignes traversent cet autre plan [P] et les points, les lignes où elles le traversent…
voire la traversée du plan qui se déterminera par rapport à une de ces lignes, de la contenir par exemple
…ces traversées du plan-figure – je distingue donc plan-support [Q] et plan-figure [P] –, cette traversée de la ligne oculaire, laissant sa trace sur le plan-figure [M1, N1], c’est à ceci que nous avons affaire dans ce qu’il en est de la construction de la perspective.
Abb. 4: Projektion zweier Punkte von der Trägerebene Q (M, N) auf die Abbildungsebene P (M1, N1). O ist der Augpunkt9
In der projektiven Geometrie ist dieses Bild dann die Ebene, von der ich vorhin gesprochen habe [Abb. 4, Ebene P], die Ebene, auf der beim Durchgang jeder der Linien – die wir, wenn Sie mögen, Okularlinien nennen wollen, um jede Verwechslung mit Sehstrahl zu vermeiden –, der Linien, die den Punkt treffen, der zu Beginn unserer Demonstration wesentlich ist, den wir Auge [O] nennen wollen und der das ideale Subjekt der Identifizierung des klassischen Subjekts der Erkenntnis ist – vergessen Sie beispielsweise nicht, dass es in allen Schemata, die ich zur Identifizierung gegeben habe, dass es in all diesen Schemata ein S ist, |{16} Augpunkt, von dem die Linien ausgehen, die ich von diesem Punkt aus als gerade Linien eintrage –; Okularlinie, die sich mit der trifft, die sich mit dem trifft, was wir als Träger bezeichnen wollen – Punkt [M, N], Linie, ja sogar Ebene, auf der Trägerebene (plan-support) [Q] –, diese Linien durchqueren die zweite Ebene [P]; und die Punkte und die Linien, an denen sie diese Ebene durchqueren – sogar die Durchquerung der Ebene, die dann im Verhältnis zu einer dieser Linien bestimmt wird, beispielsweise von daher, sie zu enthalten –, diese Durchquerungen der Abbildungsebene (plan-figure) – ich unterscheide also Trägerebene [Q] und Abbildungsebene [P] –, diese von der Okularlinie vollzogene Durchquerung, die auf der Abbildungsebene ihre Spur hinterlässt [M1, N1], das ist das, womit wir es bei der Konstruktion der Perspektive zu tun haben.52
Et c’est elle qui doit nous révéler, matérialiser pour nous, la topologie d’où il résulte que quelque chose se produit dans la construction de la vision qui n’est autre que ce qui nous donne la base et le support du fantasme, à savoir une perte qui n’est autre que celle que j’appelle la perte de l’objet a et qui n’est autre que le regard et, d’autre part, une division du sujet.
Und sie ist das, wodurch uns die Topologie enthüllt werden muss, materialisiert werden muss, die Topologie, aus der sich ergibt, dass sich im Aufbau des Sehens etwas herstellt, das nichts anderes ist als das, was uns die Grundlage und den Träger des Phantasmas liefert, nämlich [einerseits] ein Verlust, der nichts andres ist als der, den ich den Verlust des Objekts a nenne und das nichts andres ist als der Blick, und andererseits eine Spaltung des Subjekts.53
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Que nous apprend en effet la perspective ?
Denn was lehrt uns die Perspektive?
Abb. 5: Erzeugung der Horizontlinie h durch Projektion des Augpunkts10
La perspective nous apprend que toutes les lignes oculaires qui sont parallèles au plan-support vont déterminer sur le plan-figure une ligne [Abb. 5: Linie h] qui n’est autre que la ligne d’horizon.
Denn was lehrt uns die Perspektive? Die Perspektive lehrt uns, dass sämtliche Okularlinien, die parallel zur Trägerebene verlaufen, auf der Abbildungsebene eine Linie erzeugen, die keine andere ist als die Horizontlinie [Abb. 5: Linie h].
Cette ligne d’horizon est, vous le savez, le repère majeur de toute construction perspective.
Diese Horizontlinie ist, wie Sie wissen, die wichtigste Bezugsgröße für jede Perspektivenkonstruktion.
{17} À quoi correspond-elle dans le plan-support ?
Was entspricht ihr auf der Trägerebene?
Elle correspond, si nous maintenons fermes les principes de la cohérence de cette géométrie combinatoire, également à une ligne.
Wenn wir an den Prinzipien der Kohärenz dieser kombinatorischen Geometrie festhalten, entspricht ihr ebenfalls eine Linie.54
Cette ligne est à proprement parler celle que les Grecs ont manquée, du fait que – pour des raisons que nous laisserons aujourd’hui de coté même si nous devons un jour les mettre en question –, que les Grecs ne pouvaient que manquer et qui est, à proprement parler, cette ligne, ligne également, et de par nos principes également ligne droite, qui se trouve à l’infini sur le plan-support et qu’intuitivement nous ne pouvons concevoir que comme en représentant, si je puis dire, le tout.
Diese Linie ist eben diejenige, die von den Griechen verfehlt wurde – deswegen…, weil…, aus Gründen, die wir heute beiseitelassen werden, auch wenn wir sie eines Tages zur Diskussion stellen müssen –, die von den Griechen nur verfehlt werden konnte, eine Linie, die im strengen Sinne ebenfalls eine Linie ist und aufgrund unserer Prinzipien ebenfalls eine gerade Linie, eine Linie, die auf der Trägerebene im Unendlichen liegt und die wir intuitiv nur so auffassen können, dass sie davon, wenn ich so sagen darf, das Ganze repräsentiert.55
C’est sur cette ligne que se trouvent les points où, dans le plan-support, les parallèles convergent, ce qui se manifeste dans le plan-figure, vous le savez, de la convergence de presque toutes les lignes parallèles, à l’horizon.
Auf der Horizontlinie liegen die Punkte, in denen auf der Trägerebene die Parallelen zusammenlaufen, was sich auf der Abbildungsebene, wie Sie wissen, darin zeigt, dass fast alle parallelen Linien im Horizont zusammentreffen.56
On image ceci, en général, et on le voit sous la plume des meilleurs auteurs, c’est ce que vous savez bien, quand vous voyez une route qui s’en va vers l’horizon, elle devient de plus en plus petite, de plus en plus étroite.
Das wird im Allgemeinen so veranschaulicht und das findet man in den Texten der besten Autoren, das ist etwas, das Sie gut kennen: Wenn Sie eine Straße sehen, die zum Horizont führt, wird sie immer kleiner, immer schmaler.
On n’oublie qu’une chose : le danger qu’il y a à de telles références car tout ce que nous connaissons comme horizon est un horizon de notre boule terrestre, c’est–à–dire un tout autre horizon, |{18} déterminé par la forme sphérique, comme on le remarque d’ailleurs – sans y voir semble-t-il la moindre contradiction – comme on le remarque quand on nous dit que l’horizon est la preuve de la rotondité de la terre.
Man vergisst nur eins, die Gefahr, die in solchen Bezügen liegt, denn alles, was wir als Horizont kennen, ist ein Horizont unserer Erdkugel, das heißt ein völlig anderer Horizont, einer, der durch die Kugelform bestimmt wird, worauf man übrigens hinweist – ohne darin anscheinend den geringsten Widerspruch zu sehen –, worauf man hinweist, wenn man uns sagt, der Horizont sei der Beweis für die runde Gestalt der Erde.
Or, je vous prie de remarquer que même si nous étions sur un plan infini, il y aurait toujours, pour quiconque s’y tiendrait debout, une ligne d’horizon.
Nun bitte ich Sie zu beachten, dass selbst wenn wir uns auf einer unendlichen Ebene befänden, es für jeden, der darauf stünde, immer noch eine Horizontlinie gäbe.57
Ce qui nous trouble et nous perturbe, dans cette considération de la ligne d’horizon, c’est d’abord ce sur quoi je reviendrai tout à l’heure, à savoir que nous ne la voyons jamais que dans un tableau.
Was uns bei dieser Auffassung der Horizontlinie irritiert und durcheinanderbringt, ist zunächst einmal etwas, worauf ich gleich noch zurückkommen werde, nämlich dass wir diese Linie immer nur in einem Bild (tableau) sehen.58
Nous verrons tout à l’heure ce qu’il en est de la structure du tableau.
Was es mit der Struktur des Bildes auf sich hat, werden wir gleich noch sehen.
Comme un tableau est limité, il ne nous vient même pas à l’esprit que si le tableau s’étendait infiniment, la ligne d’horizon serait droite jusqu’à l’infini, tellement en cette occasion nous nous satisfaisons d’avoir simplement à penser d’une façon grossièrement analogique, à savoir que l’horizon qui est là sur le tableau, c’est un horizon comme notre horizon, dont on peut faire le tour.
Da ein Bild begrenzt ist, kommt uns überhaupt nicht in den Sinn, dass, wenn sich das Bild unendlich ausdehnen würde, die Horizontlinie bis ins Unendliche gerade verliefe, dermaßen geben wir uns hierbei damit zufrieden, einfach auf grob analoge Weise denken zu müssen, der Horizont auf dem Bild sei ein Horizont wie unser eigener Horizont, also einer, um den man eine Runde drehen kann.
.
Une autre remarque est celle-ci : c’est que, un tableau est un tableau et la perspective une autre chose.
Außerdem muss man darauf hinweisen, dass ein Bild ein Bild ist und die Perspektive etwas anderes.
Nous allons voir tout à l’heure comment on s’en sert dans le tableau.
Wie man sich ihrer im Bild bedient, werden wir gleich sehen.
Mais si vous partez des conditions que je vous ai données pour ce qui doit venir à se tracer sur le plan-figure, vous |{19} remarquerez ceci, c’est qu’un tableau fait dans ces conditions, qui seraient celles d’une stricte perspective, aurait pour effet…
si vous supposez par exemple, parce qu’il faut bien vous accrocher à quelque chose, que vous êtes debout sur un plan couvert d’un quadrillage à l’infini
…que ce quadrillage vienne bien entendu, s’arrêter – nous verrons tout à l’heure comment – à l’horizon.
Wenn Sie jedoch von den Bedingungen ausgehen, die ich Ihnen angegeben habe für das, was sich auf der Abbildungsebene einzeichnen soll, werden Sie Folgendes bemerken, nämlich dass ein Bild, das unter diesen Bedingungen hergestellt wird, also unter denen einer strengen Perspektive, zur Wirkung hätte – wenn Sie beispielsweise, da Sie sich ja an etwas halten müssen, annehmen, dass Sie auf einer Ebene stehen [auf der Trägerebene], die bis ins Unendliche von einem Gitternetz bedeckt ist –, dass dieses Gitternetz dann selbstverständlich [bei Projektion auf die Abbildungsebene] am Horizont [der Abbildungsebene] aufhören würde; wie, werden wir gleich sehen.59
Abb. 6: Projektion eines rückwärtigen Punktes über die Horizontlinie10
Et au-dessus de l’horizon ?
Und über dem Horizont?60
Vous allez dire naturellement : le ciel.
Sie werden natürlich sagen: der Himmel!
Mais pas du tout, pas du tout, pas du tout, pas du tout !
Aber keineswegs, keineswegs, keineswegs!
Au-dessus, ce qu’il y a, à l’horizon, derrière vous, comme je pense que si vous y réfléchissez, vous pourrez immédiatement le saisir, à tracer la ligne qui joint le point que nous avons appelé S à ce qui est derrière sur le plan-support [Abb. 6 : a] dont vous verrez aussitôt qu’il va se projeter au-dessus de l’horizon [Abb. 6 : aˈ].
Über dem Horizont ist das, was, vom Horizont aus, [auf der Trägerebene] hinter Ihnen ist, wie Sie es, nehme ich an, wenn Sie darüber nachdenken, unmittelbar erfassen können, wenn Sie die Linie zeichnen, die den Punkt, den wir S genannt haben, mit dem verbindet, was auf der Trägerebene dahinter ist [hinter dem Schnitt mit der Abbildungsebene] [Abb. 6: Punkt a] und von dem Sie dann sofort sehen, dass er über den Horizont projiziert wird [Abb. 6: Punkt aˈ].61
Faisons qu’à cet horizon du plan projectif viennent, du plan-support, se coudre au même point d’horizon les deux points opposés du plan-support : l’un par exemple, qui est tout à fait à gauche de vous sur la ligne d’horizon du plan-support, viendra se coudre à un autre qui est tout à fait à votre droite sur la ligne d’horizon également du plan-support.
Sorgen wir dafür, dass, ausgehend von der Trägerebene, die beiden gegenüberliegenden Punkte [der Ferngeraden] der Trägerebene mit demselben Horizontpunkt der projektiven Ebene [d.h. der Abbildungsebene] vernäht werden; der Punkt, der beispielsweise ganz links von Ihnen auf der Horizontlinie der Trägerebene ist [auf der Ferngeraden der Trägerebene], wird sich an einen anderen heften, der ganz rechts von Ihnen auf der Horizontlinie ebenfalls der Trägerebene ist.62
{20} Est-ce que vous avez compris ?
Haben Sie verstanden?
Je veux dire…
Ich meine …
Non ?
Nein?
Recommençons…
Also noch einmal.
Vous avez devant vous une surface ; vous avez devant vous un quadrillage-plan.
Sie haben eine Fläche vor sich, Sie haben eine Ebene mit einem Gitternetz vor sich.
Supposons, pour la plus grande simplicité qu’il soit horizontal et vous, vous êtes vertical.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass sie horizontal verläuft und dass Sie selbst die vertikale Position einnehmen.
C’est une ligne joignant votre œil – je vais dire des choses aussi simples que possible – avec un point quelconque de ce plan-support quadrillé et, à l’infini, qui détermine sur le plan vertical – disons, pour vous faire plaisir, qui est celui de la projection –, qui va déterminer la correspondance point par point.
Dies hier ist eine Linie, durch die Ihr Auge – ich will es so einfach wie möglich sagen – mit einem beliebigen Punkt der gerasterten Trägerebene verbunden ist und die auf der vertikalen Ebene – sagen wir, um Ihnen eine Freude zu machen, die vertikale Ebene ist die Ebene der Projektion –, die dann auf der vertikalen Ebene die Punkt-für-Punkt-Entsprechung determiniert.63
À tout point d’horizon, c’est-à-dire à l’infini du plan-support, correspond un point sur l’horizon de votre plan vertical.
Jedem Punkt des Horizonts der Trägerebene, das heißt im Unendlichen der Trägerebene, entspricht ein Punkt auf dem Horizont Ihrer vertikalen Ebene.64
Réfléchissez à ce qui se passe.
Überlegen Sie, was passiert.
Bien sûr s’agit-il d’une ligne qui justement, comme j’ai commencé de le dire, n’a rien à faire avec un rayon visuel.
Natürlich handelt es sich um eine Linie, die, wie ich anfangs gesagt habe, gerade nichts mit einem Sehstrahl zu tun hat.
C’est une ligne qui part derrière vous, du plan-support et qui va à votre œil ; elle va aboutir sur le plan-figure à un point au-dessus de l’horizon.
Das ist eine Linie, die hinter Ihnen auf der Trägerebene beginnt und zu Ihrem Auge führt; auf der Abbildungsebene führt sie dann zu einem Punkt über dem Horizont.65
À un point qui correspond à l’horizon du plan-support va correspondre un autre point venant le toucher par en haut, si je puis dire, sur la ligne d’horizon.
Einem Punkt, der dem Horizont der Trägerebene entspricht [also der Ferngeraden der Trägerebene], wird ein zweiter Punkt entsprechen, der dazu gelangt, wenn ich so sagen kann, sie [die Abbildungsebene] von oben her auf der Horizontlinie zu berühren.66
Et ce qui est derrière vous à droite, puisque cela passe et que ça se croise au niveau du point œil, va venir exactement dans |{21} le sens inverse où ceci se présenterait si vous vous retourniez, à savoir que ce que vous verriez à gauche si vous vous retourniez vers cet horizon [Staferla : vers -∞], vous le verrez s’être piqué à droite au-dessus de la ligne d’horizon sur le plan projectif, de la projection.
Und was rechts hinter Ihnen ist, wird, da es auf der Höhe des Augpunktes durchgeht und sich dort kreuzt, wird in genau der umgekehrten Richtung ankommen [also links vorn], umgekehrt als es sich darstellen würde, wenn Sie sich umdrehen würden, nämlich dass Sie das, was Sie links sehen würden, wenn Sie sich zu diesem Horizont umdrehen [zur Ferngeraden auf der Trägerebene], dass sie das dann auf der projektiven Ebene, auf der Ebene der Projektion, rechts über der Horizontlinie eingestochen sehen.67
Abb. 7: Hinten rechts wird vorne links[note]Abbildung aus: Version Staferla von Seminar 13[/note]
En d’autres termes, que ce qui est une ligne…
que nous ne pouvons pas définir comme ronde, puisqu’elle n’est ronde que de notre appréhension quotidienne de la rotondité terrestre,
…que c’est de cette ligne, qui est à l’infini sur le plan-support, que nous verrons les points se nouer, venant respectivement d’en haut, et d’en bas, et d’une façon qui, pour l’horizon postérieur, vient s’accrocher dans un ordre strictement inverse à ce qu’il en est de l’horizon antérieur.
Mit anderen Worten, dass das, was eine Linie ist – die wir nicht als rund definieren können, da sie nur in unserer alltäglichen Erfassung der Rundheit der Erde rund ist --, dass wir von dieser Linie, die auf der Trägerebene im Unendlichen liegt, sehen, wie die Punkte sich verbinden, indem sie jeweils von oben und von unten kommen, und dies auf eine Weise, die, was den hinteren Horizont angeht in einer Ordnung eingreift, die im Verhältnis zum vorderen Horizont strikt umgekehrt ist [vgl. Abb. 8].68
Abb. 8: Parallelen von unten und von oben10
Je peux, bien entendu, dans cette occasion supposer, comme le fait Platon dans sa caverne, ma tête fixe et déterminant, par conséquent, deux moitiés dont je peux parler, concernant le plan-support.
Dabei kann ich natürlich annehmen, dass mein Kopf fixiert ist, so wie Platon das in seiner Höhle macht, wodurch dann zwei Hälften bestimmt sind, über die ich in Bezug auf die Trägerebene sprechen kann.69
Ce que vous voyez là n’est rien d’autre d’ailleurs que l’illustration pure et simple, de ce qu’il en est quand le plan projectif, je vous le représente au tableau sous la forme d’un cross-cap [Abb. 9].
Das, was Sie hier sehen, ist übrigens nichts anderes als einfach die Illustration dessen, was sich ergibt, wenn ich Ihnen an der Tafel die projektive Ebene in Gestalt einer cross-cap darstelle [vgl. Abb. 9]. 70
C’est à savoir que ce que vous voyez, au lieu d’un monde sphérique, c’est une certaine bulle qui se noue d’une certaine façon, se recroisant elle-même et qui fait que ce qui s’est présenté d’abord comme |{22} un plan à l’infini vient, dans un autre plan, s’étant divisé, se renouer à lui-même au niveau de cette ligne d’horizon, et se renouer d’une façon telle qu’à chacun des points de l’horizon du plan-support vient se nouer quoi ?
Das heißt, was Sie da sehen, ist statt einer sphärischen Welt eine bestimmte Blase, die auf bestimmte Weise in sich verschlungen ist, sodass sie sich selbst durchdringt, und die bewirkt, dass das, was sich zunächst als eine unendlich ausgedehnte Ebene dargestellt hat, auf einer anderen Ebene dazu gelangt, nachdem sie sich geteilt hat, sich auf der Ebene dieser Horizontlinie mit sich selbst wieder zu verbinden und sich dabei so wieder zu verbinden, dass jeder Horizontpunkt der Trägerebene [d.h. jeder Punkt der Ferngeraden der Trägerebene] dazu gelangt, sich womit zu verbinden?71
Précisément ce que montre la forme, que je vous ai déjà mise au tableau, du plan projectif, à savoir son point diamétralement opposé.
Genau mit dem, was von der Form der projektiven Ebene gezeigt wird, die ich Ihnen bereits an die Tafel gezeichnet habe, nämlich mit seinem diametral gegenüberliegenden Punkt.72
C’est bien pour cela qu’il se fait que dans une telle projection c’est le point postérieur à droite qui vient se nouer au point antérieur à gauche.
Aus diesem Grunde kommt es bei einer solchen Projektion dazu, dass sich der Punkt hinten rechts mit dem Punkt vorne links verbindet.73
Tel est ce qu’il en est de la ligne d’horizon, nous indiquant déjà que ce qui fait la cohérence d’un monde signifiant à structure visuelle est une structure d’enveloppe, et nullement d’indéfinie étendue.
So ist also das, worum es bei der Horizontlinie geht, und was uns bereits anzeigt, dass das, wodurch die Kohärenz einer Signifikantenwelt mit einer visuellen Struktur hergestellt wird, eine Struktur der Einhüllung ist und keineswegs eine des unbegrenzt Ausgedehnten.74
Il n’en reste pas moins qu’il n’est point assez de dire ces choses telles que je viens de vous les imager, car j’oubliais dans la question le quadrillage, que j’avais mis là uniquement pour votre commodité mais qui n’est pas indifférent, car un quadrillage étant fait de parallèles…
il faut dire qu’étant admis en outre ceci que j’ai fixé ma tête
…toutes les lignes parallèles de l’espace…
comme vous n’avez, je pense, aucune peine à l’imaginer
…iront rejoindre, en un certain point de fuite à l’horizon, un seul point ; à savoir que c’est la direction de toutes les parallèles |{23} dans une certaine position donnée qui détermine l’unique point d’horizon sur lequel dans le plan–figure, elles se croisent.
Abb. 10: Projektion eines Geradenbündels hinter der Abbildungsebene auf die Abbildungsebene11
Es bleibt jedoch, dass es nicht genügt, diese Dinge so zu sagen, wie ich Sie Ihnen gerade veranschaulicht habe, denn ich habe in dieser Frage das Gitternetz [auf der Trägerebene] vergessen, das ich dort zwar einzig zur ihrer Bequemlichkeit eingefügt hatte, das jedoch keineswegs belanglos ist, denn bei einem Gitternetz aus Parallelen ist es so, wenn man außerdem akzeptiert, dass ich meinen Kopf fixiert habe, dass alle parallelen Linien des Raumes [d.h. der Trägerebene] – wie Sie sich, nehme ich an, ohne weiteres vorstellen können – sich dann [bei der Projektion auf die Abbildungsebene] in einem bestimmten Fluchtpunkt am Horizont treffen, in einem einzigen Punkt [Abb. 10: Punkt N], das heißt, dass die Richtung aller Parallelen in einer bestimmten gegebenen Position den einzigen Horizontpunkt bestimmt, in dem sie sich auf der Abbildungsebene kreuzen.75
Si vous avez ce quadrillage infini dont nous parlons, ce que vous verrez se conjoindre à l’horizon, ce sera toutes les parallèles de tout le quadrillage en un seul point [Abb. 10: Punkt N], ce qui n’empêche pas que ce sera le même point où toutes les parallèles de tout le quadrillage postérieur viendront, d’en haut, également, se conjoindre [Abb. 8].
Wenn Sie [auf der Trägerebene] das unendliche Gitternetz haben, von dem wir sprechen, dann sehen Sie, wie alle Parallelen [einer bestimmten Richtung] des gesamten Gitternetzes [bei Projektion auf die Abbildungsebene] auf dem Horizont [der Abbildungsebene] in einem einzigen Punkt zusammenlaufen [Abb. 10: Punkt N], was nicht verhindert, dass dies derselbe Punkt ist, in dem alle Parallelen [derselben Richtung] des gesamten hinteren Gitternetzes [der Trägerebene, also des Gitternetzes im Rücken des Betrachters] [bei Projektion auf die Abbildungsebene] ebenfalls, von oben her kommend, im selben Punkt zusammenlaufen [vgl. Abb. 8].
.
Ces remarques, qui sont fondamentales pour toute science de la perspective et qui sont ce dont tout artiste en mal d’ordonner quoi que ce soit…
une série de figures sur un tableau, ou aussi bien les lignes de ce qu’on appelle un monument, qui est la disposition d’un certain nombre d’objets autour d’un vide
…tiendra compte ; et que ce point sur la ligne d’horizon dont je parlais tout à l’heure à propos du quadrillage, est exactement ce qui est appelé couramment…
je ne vois pas que j’y apporte là quoique ce soit de véritablement bien transcendant
…le point de fuite de la perspective.
Diese Bemerkungen, die für jede Wissenschaft der Perspektive grundlegend sind und die das sind, was jeder Künstler, der vor der Schwierigkeit steht, irgendetwas in eine Anordnung zu bringen – eine Reihe von Figuren in einem Gemälde oder auch die Linien dessen, was man als Bauwerk bezeichnet, nämlich die Anordnung einer Reihe von Gegenständen um eine Leere herum –, was jeder Künstler berücksichtigen wird, und dass der Punkt auf der Horizontlinie, von dem ich eben in Bezug auf das Gitternetz gesprochen habe, eben das ist – ich denke nicht, dass ich hier etwas einbringe, das wirklich transzendierend wäre –, was gemeinhin als Fluchtpunkt der Perspektive bezeichnet wird.76
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Ce point de fuite de la perspective est à proprement parler ce qui représente, dans la figure, l’œil qui regarde.
Der Fluchtpunkt der Perspektive ist eben der Punkt, der in der Abbildung das blickende Auge repräsentiert.77
L’œil n’a pas à être saisi en dehors de la figure : il est dans la figure et tous, depuis qu’il y a une science de la perspective, |{24} l’ont reconnu comme tel et appelé comme tel.
Das Auge muss nicht außerhalb der Abbildung erfasst werden, es ist in der Abbildung, und alle, seit es eine Wissenschaft der Perspektive gibt, haben es als solches erkannt und als solches bezeichnet.
Il est appelé l’œil dans Alberti, il est appelé l’œil dans Vignola, il est appelé l’œil dans Albert Dürer.
Bei Alberti wird es als Auge bezeichnet, bei Vignola wird es als Auge bezeichnet, bei Albrecht Dürer wird es als Auge bezeichnet.78
Mais ce n’est pas tout.
Aber das ist nicht alles.
Car je regrette qu’on m’ait fait perdre du temps à expliquer ce point pourtant véritablement accessible, ce n’est pas tout.
Denn ich bedaure, dass man mich Zeit damit hat verlieren lassen, diesen Punkt zu erläutern, der doch wirklich zugänglich ist; das ist nicht alles.
Ce n’est pas tout du tout, car il y a aussi les choses qui sont entre le tableau et moi.
Das ist überhaupt nicht alles, denn es gibt [auf der Trägerebene] auch die Sachen, die zwischen dem Bild und mir sind.
Abb. 11: Projektion von Punkt b auf die Abbildugnsebene unten10
Les choses qui sont entre le tableau et moi, elles peuvent également, par le même procédé, se représenter sur le plan du tableau où elles s’en iront vers des profondeurs que nous pourrons tenir pour infinies, rien de ceci ne nous en empêche.
Die Sachen, die zwischen dem Bild und mir sind, können ebenfalls, durch dasselbe Verfahren, auf der Bildebene repräsentiert werden, wo sie dann in Tiefen führen, die wir für unendlich halten können, nichts hindert uns daran [Abb. 11].79
Mais elles s’arrêteront en un point.
Sie werden jedoch an einem Punkt zu einem Halt kommen.80
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Qui correspond, à quoi ?
Der wem korrespondiert?81
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Au plan parallèle au tableau qui passe – je vais dire, pour vous faciliter les choses –, qui passe par mon œil ou par le point S [Abb. 12 : Ebene S].
Der Ebene [S], die parallel zum Bild verläuft und die durch mein Auge – möchte ich sagen, um die Dinge zu erleichtern –, die durch mein Auge führt beziehungsweise durch den Punkt S [Abb. 11 und 12: Ebene S ist blau gefärbt].82
Abb. 12: Abstand δ auf der Trägerebene zwischen sQ und hQ
Nous avons là deux traces.
Wir haben hier zwei Spuren.
Abb. 13: Vorige Abbildung nach einer Vierteldrehung im Uhrzeigersinn
Nous avons la trace de ce par quoi le tableau vient couper le support [Abb. 12: hQ] – et l’inverse de la ligne d’horizon [sQ], en d’autres termes, c’est ce qui, si nous renversions les rapports [Abb. 13], et nous en avons le droit, constitue comme ligne d’horizon, dans le support [Q], la ligne infinie dans la figure,
Wir haben [erstens] die Spur dessen, wodurch das Bild dazu gelangt, den Träger zu schneiden [Abb. 12: hQ], und wir haben [zweitens, mit sQ in Abb. 12] die Umkehrung der Horizontlinie, anders ausgedrückt, das ist das, was – wenn wir die Beziehungen umkehren [Abb. 13], und dazu haben wir das Recht – im Träger [Q] als Horizontlinie die unendliche Linie in der Abbildung bildet [gemeint ist: „was im Träger [Q] als Horizontlinie die Linie im Unendlichen der Abbildungsebene repräsentiert“].83
Et puis il y a la ligne qui représente la section du support par le plan du tableau [hQ].
Und dann gibt es [erstens] die Linie, die die Schneidung des Trägers durch die Bildebene repräsentiert.
Ce sont deux lignes.
Das sind zwei Linien.
.
{25} Il est tard et je vous dirai quelque chose de beaucoup moins rigoureux en raison du peu de temps qui me reste – les choses sont plus longues à expliquer qu’il n’apparaît d’abord.
Es ist spät, und da mir wenig Zeit bleibt, werde ich Ihnen etwas sagen, das weitaus weniger streng ist – es dauert doch länger, die Dinge zu erläutern, als es zunächst aussieht.
Abb. 14: Der „zweite Augpunkt“ Sˈ (der Distanzpunkt)
Rigoureusement, ceci veut dire [Abb. 14] qu’il y a un autre point d’œil [Sˈ] qui est celui qui est constitué par la ligne à l’infini sur le plan de la figure et son intersection par quelque chose qui y est bien, à savoir la ligne [hQ] par laquelle le plan de la figure coupe le plan-support.
Auf strenge Weise, das bedeutet [Abb. 14], dass es einen zweiten Augpunkt gibt [dass es auf der Abbildungsebene neben dem Fluchtpunkt eine weitere Entsprechung zum Augpunkt gibt, Sˈ], nämlich den Punkt, der gebildet wird durch die Linie im Unendlichen auf der Abbildungsebene und deren Überschneidung mit dem, was genau hier ist, das heißt mit der Linie, in welcher die Abbildungsebene die Trägerebene schneidet [hQ].84
.
Ces deux lignes se coupent puisqu’elles sont toutes les deux dans le plan de la figure.
Diese beiden Linien [Linie im Unendlichen und hQ] schneiden sich, da sie beide auf der Abbildungsebene liegen.
.
Et qui plus est, elles se coupent en un seul point car ce point est bel et bien le même sur la ligne à l’infini.
Und mehr noch, sie schneiden sich in einem einzigen Punkt [im Unendlichen] [Sˈ], denn dieser Punkt [der im Diagramm als zwei Punkte erscheint, Sˈ und Sˈ] ist auf der Linie im Unendlichen ein und derselbe.85
Pour en rester sur un domaine de l’image, je dirai que cette distance [Abb. 11 : δ] des deux parallèles, qui sont dans le plan-support celles qui sont déterminées par ma position fixée de regardant et celle qui est déterminée par l’insertion, la rencontre du tableau avec le plan-support, cette béance, cette béance qui, dans le plan-figure, ne se traduit que par un point…
par un point qui, lui, se dérobe totalement car nous ne pouvons pas le désigner comme nous désignons le point de fuite à l’horizon
|{26}…ce point essentiel à toute la configuration et tout à fait spécialement caractéristique ; ce point perdu, si vous voulez vous contenter de cette image, qui tombe dans l’intervalle des deux parallèles quant à ce qu’il en est du support : c’est ce point que j’appelle le point du sujet regardant.
Um damit in einem Bereich des Bildes (image) zu bleiben, möchte ich sagen, dass die Distanz zwischen den beiden Parallelen [Abb. 11: δ], die auf der Trägerebene folgende sind, [zum einen diejenige,] die durch meine fixierte Position als Blickender festgelegt ist, und [zum anderen] diejenige, die durch die Einfügung, durch das Zusammentreffen des Bildes (tableau) mit der Trägerebene bestimmt ist, diese Klaffung, die auf der Abbildungsebene nur durch einen Punkt übersetzt wird, durch einen Punkt, der sich vollständig entzieht, da wir ihn nicht so bezeichnen können, wie wir den Fluchtpunkt auf dem Horizont bezeichnen, dieser Punkt also, der für die gesamte Konfiguration wesentlich und ganz besonders charakteristisch ist, dieser verlorene Punkt – wenn Sie sich mit diesem Bild (image) zufriedengeben wollen –, der, bezogen auf die Trägerebene, in den Zwischenraum zwischen den beiden Parallelen fällt, dies ist der Punkt, den ich als den Punkt des blickenden Subjekts (sujet regardant) bezeichne.86
Nous avons donc le point de fuite qui est le point du sujet en tant que voyant, et le point qui choit dans l’intervalle du sujet et du plan-figure et qui est celui que j’appelle le point du sujet regardant.
Wir haben also den Fluchtpunkt, das heißt den Punkt des Subjekts, insofern es sehend (voyant) ist, und außerdem den Punkt, der in den Zwischenraum zwischen dem Subjekt und der Abbildungsebene stürzt, also denjenigen, den ich als den Punkt des blickenden Subjekts (sujet regardant) bezeichne.87
Ceci n’est pas une nouveauté.
Das ist nichts Neues.
C’est une nouveauté de l’introduire ainsi, d’y retrouver la topologie du S barré [$] dont il va falloir savoir maintenant où nous situons le a qui détermine la division de ces deux points.
Das Neue besteht darin, es so einzuführen, dass hier die Topologie des ausgestrichenen S [$] wiedergefunden wird, in Bezug worauf es jetzt nötig sein wird, zu wissen, wo wir das a verorten, durch das die Spaltung dieser beiden Punkte determiniert wird.88
Je dis de ces deux points en tant qu’ils représentent le sujet dans la figure.
Ich sage „dieser beiden Punkte“, insofern sie in der Abbildung[sebene] das Subjekt repräsentieren.
Aller plus loin nous permettra d’instaurer un appareil, un montage tout à fait rigoureux et qui nous montre, au niveau de ce qu’il en est de la combinatoire visuelle, ce qu’est le fantasme.
Wenn wir noch weitergehen, wird uns das gestatten, einen Apparat einzuführen, eine Montage, die streng ist und die uns auf der Ebene der visuellen Kombinatorik zeigt, was das Phantasma ist.89
Où nous aurons à le situer dans cet ensemble, c’est ce qui se dira par la suite.
Wo wir es in diesem Ensemble verorten müssen, wird später noch gesagt werden.
Mais dès maintenant, pour que vous ne pensiez pas que je vous emmène là dans des endroits abyssaux – je ne fais pas de la psychologie des profondeurs, je suis en train de faire |{27} de la géométrie, et dieu sait si j’ai pris des précautions.
Aber jetzt schon, damit Sie nicht denken, dass ich Sie hier in Abgründe führe: Ich betreibe keine Tiefenpsychologie, ich betreibe Geometrie, und Gott weiß, welche Vorsichtsmaßnahmen ich dabei ergriffen habe.90
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Après avoir lu tout ce qui peut bien se rapporter à cette histoire de la perspective, depuis Euclide qui l’a si parfaitement loupée dans ses Porismes, jusqu’aux personnes dont j’ai parlé tout à l’heure et jusqu’au dernier livre de Michel Foucault qui fait directement allusion à ces choses dans son analyse des Suivantes, dans le premier chapitre des Mots et des choses, j’ai essayé de vous en donner quelque chose de tout à fait support, c’est le cas de le dire.
Nachdem ich alles gelesen habe, was sich auf die Geschichte der Perspektive beziehen könnte – angefangen mit Euklid, der sie in seinen Porismen so vollkommen verfehlt hat, bis zu Personen, über die ich vorhin gesprochen habe, und bis zum neuesten Buch von Michel Foucault, der in seiner Analyse der Hoffräulein, im ersten Kapitel von Die Ordnung der Dinge, auf diese Dinge direkt anspielt –, habe ich versucht, Ihnen davon etwas zu geben, das wirklich eine Stütze ist, das darf ich wohl sagen.91
Mais quant à ce point parfaitement défini que je viens de donner comme le deuxième point représentant le sujet regardant dans la combinatoire projective, ne croyez pas que c’est moi qui l’ai inventé.
Was jedoch diesen eindeutig definierten Punkt angeht, den ich gerade als den zweiten Punkt dargestellt habe, der in der projektiven Kombinatorik das blickende Subjekt repräsentiert – glauben Sie nur nicht, dass ich es war, der ihn erfunden hat.92
Mais on le représente autrement, et cet autrement a été déjà appelé, par d’autres que par moi, l’autre œil par exemple.
Man stellt ihn jedoch auf andere Weise dar, und diese andere Weise ist von anderen als mir bereits benannt worden, beispielsweise als das andere Auge.93
Il est exactement bien connu de tous les peintres, ce point.
Er ist allen Malern wirklich gut bekannt, dieser Punkt.
Car puisque je vous ai dit que ce point, dans sa rigueur, il choit dans l’intervalle tel que je l’ai défini sur le plan-support, pour aller se situer en un point que vous ne pouvez naturellement pas pointer mais qui est nécessité par l’équivalence fondamentale de ce qui est la géométrie projective et qui se trouve dans le plan-figure, il a beau |{28} être à l’infini, il s’y trouve.
Denn da ich Ihnen gesagt habe, dass dieser Punkt strenggenommen in den Zwischenraum fällt, wie ich ihn auf der Trägerebene definiert habe, um dann an einem Punkt verortet zu werden, auf den Sie natürlich nicht zeigen können, der jedoch aufgrund der fundamentalen Äquivalenz der projektiven Geometrie erforderlich ist und der sich auf der Abbildungsebene befindet – auch wenn er im Unendlichen liegt, dort liegt er.
Ce point comment est-il utilisé ?
Wie wird dieser Punkt verwendet?
Il est utilisé par tous ceux qui ont fait des tableaux en se servant de la perspective, c’est–à–dire très exactement depuis Masaccio et van Eyck sous la forme de ce qu’on appelle l’autre œil, comme je vous le disais tout à l’heure.
Er wird von allen verwendet, die Bilder mithilfe der Perspektive gemalt haben, also genau seit Masaccio und van Eyck, in Gestalt dessen, was man, wie ich Ihnen eben bereits gesagt habe, das andere Auge nennt.94[/note]
C’est le point qui sert à construire toute perspective plane en tant qu’elle fuit, en tant qu’elle est précisément dans le plan-support.
Das ist der Punkt, der dazu dient, jede plane Perspektive zu konstruieren, insofern sie flieht, insofern sie genau in der Trägerebene ist.95
Elle se construit très exactement ainsi dans Alberti – elle se construit un peu différemment dans ce qui est Le Pèlerin.
Genauso wird sie bei Alberti konstruiert, etwas anders wird sie bei jemandem konstruiert, der Le Pèlerin heißt.96
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Voici…
Nämlich so.
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{29}…Voici ce dont il s’agit de découvrir la perspective, à savoir un quadrillage par exemple dont la base vient s’appuyer ici.
Das ist das, dessen Perspektive festgestellt werden soll, also beispielsweise ein Gitternetz, dessen Basis hier aufliegt.
Nous avons un repère [Abb. 15 a].
Wir haben eine Bezugsfläche [Abb. 15 a].
Si je m’y prête… je veux dire si je veux simplement faire les choses simples pour votre compréhension, je me mets au milieu de ce repère du quadrillage, et une perpendiculaire élevée sur la base de ce quadrillage me donne, à l’horizon, le point de fuite [Abb. 15 b].
Wenn ich mich darauf einlasse, ich meine, wenn ich es für Ihr Verständnis einfach machen will, stelle ich mich mitten in diese Bezugsfläche des Gitternetzes und eine auf der Basis dieses Gitternetzes errichtete Senkrechte [Abb. 15 b] gibt mir am Horizont [h] den Fluchtpunkt.
Je saurais donc, d’ores et déjà, que mon quadrillage va s’arranger comme ça, à l’aide de mon point de fuite [Abb. 15 c].
Ich würde jetzt also bereits wissen, dass sich mein Gitternetz mit Hilfe meines Fluchtpunkts so anordnen wird [Abb. 15 c].
Mais qu’est-ce qui va me donner la hauteur où va venir le quadrillage en perspective ?
Aber wodurch bekomme ich dann die Höhe, die das Gitternetz in der perspektivischen Darstellung haben soll?97
Quelque chose qui nécessite que je me serve de mon autre œil.
Durch etwas, wofür es erforderlich ist, dass ich mich meines anderen Auges bediene.98
Et ce qu’ont découvert les gens…
assez tard puisqu’en fin de compte la première théorie en est donnée dans Alberti, contemporain de ceux que je viens de vous nommer, Masaccio et van Eyck
…eh bien : je prendrai une certaine distance [Abb. 15 d: δ], qui est exactement ce qui correspond à ce que je vous ai donné tout à l’heure, comme cet intervalle de mon bloc au tableau.
Und was die Leute entdeckt haben – ziemlich spät, da die erste Theorie letztlich bei Alberti gegeben wird, ein Zeitgenosse derer, die ich Ihnen gerade genannt habe, Masaccio und van Eyck –, naja, ich nehme dann hier eine bestimmte Distanz [Abb. 15 d: δ], die genau dem entspricht, was ich Ihnen vorhin als diesen Abstand meines Blocks an der Tafel gegeben habe.99
Sur cette distance, prenant un point [Sˈ] situé à la même hauteur que le point de fuite, je fais une construction, une construction qui passe, dans Alberti, par une verticale située ici [Abb. 15 f : β].
Ausgehend von dieser Distanz mache ich eine Konstruktion, indem ich einen Punkt [Sˈ] nehme, der auf derselben Höhe liegt wie der Fluchtpunkt, eine Konstruktion, die bei Alberti durch eine hier liegende Vertikale verläuft [Abb. 15 f: β].
Je trace ici la diagonale [Abb. 15 g : γ] ; ici une ligne horizontale et ici, j’ai la limite |{30} à laquelle se terminera mon quadrillage, celui que j’ai voulu voir en perspective.
Hier zeichne ich die Diagonale [Abb. 15 g: γ], hier eine horizontale Linie, und hier habe ich die Grenze, bei der dann mein Gitternetz endet, dasjenige, das ich in Perspektive sehen wollte.
J’ai donc toute liberté quant à la hauteur que je donnerai à ce quadrillage pris en perspective, c’est-à-dire qu’à l’intérieur de mon tableau, je choisis à mon gré la distance [δ] où je vais me placer de mon quadrillage pour qu’il m’apparaisse en perspective.
Ich habe also jede Freiheit, was die Höhe angeht, die ich dann dem Gitternetz gebe, das perspektivisch erfasst wird, das heißt, innerhalb meines Bildes wähle ich nach Belieben die Distanz [δ], in der ich mich dann von meinem Gitternetz aufstelle, damit es mir in Perspektive erscheint.100
Et ceci est tellement vrai que dans beaucoup de tableaux classiques vous avez, sous une forme masquée, une petite tache, voire quelquefois tout simplement un œil
…l’indication, ici [Sˈ], du point où vous devez vous-même prendre la distance où vous devez vous mettre du tableau pour que tout l’effort de perspective soit pour vous réalisé.
Und das ist derart zutreffend, dass Sie in vielen klassischen Gemälden in verdeckter Form einen kleinen Fleck haben, ja manchmal ganz einfach ein Auge, die Angabe des Punktes, hier [Sˈ], an dem Sie selbst die Distanz vom Bild einnehmen müssen, wo Sie sich aufstellen müssen, damit der ganze Aufwand an Perspektive für Sie zum Tragen kommt.101
Vous le voyez, ceci ouvre une autre dimension qui est celle-ci, celle-ci qui est exactement la même qui vous a étonné tout à l’heure, quand je vous ai dit qu’au-dessus de l’horizon, il n’y a pas le ciel.
Wie Sie sehen, eröffnet das eine andere Dimension, nämlich die folgende, die genau dieselbe ist wie diejenige, die Sie vorhin verblüfft hat, als ich Ihnen sagte, dass über dem Horizont nicht der Himmel ist.
Il y a le ciel parce que vous foutez au fond, sur l’horizon, un portant qui est le ciel.
Den Himmel gibt es, weil Sie in den Hintergrund über den Horizont eine Stellwand einfügen, die der Himmel ist.
Le ciel n’est jamais qu’un portant dans la réalité, comme au théâtre et de même, entre vous et le ciel il y a toute une série de portants.
Der Himmel ist in Wirklichkeit immer nur eine Stellwand, wie im Theater, und genauso gibt es zwischen Ihnen und dem Himmel eine ganze Reihe von Stellwänden.
{31} Le fait que vous puissiez choisir dans le tableau votre distance et n’importe quel tableau dans le tableau, et déjà le tableau lui-même, est une prise de distance, car vous ne faites pas un tableau de vous à l’orifice de la fenêtre dans laquelle vous vous encadrez.
Die Tatsache, dass Sie im Bild Ihre Distanz wählen können --; und jedes Bild im Bild und bereits das Bild selbst ist eine Distanzierung, denn Sie machen ein Bild von sich nicht in der Fensteröffnung, von der Sie sich dann einrahmen lassen.102
Déjà, vous faites le tableau à l’intérieur de ce cadre.
Sie erstellen das Bild bereits innerhalb dieses Rahmens.103
Votre rapport avec ce tableau et ce qu’il a à faire avec le fantasme, cela nous permettra d’avoir des repères, un chiffre assuré pour tout ce qui, dans la suite, nous permettra de manifester les rapports de l’objet a avec le S barré.
Ihre Beziehung zu diesem Bild und was es mit dem Phantasma zu tun hat, wird es uns ermöglichen, Bezugspunkte zu haben, eine gesicherte Anzahl, für all das, was es uns später erlauben wird, die Beziehungen des Objekts a zum ausgestrichenen S zu demonstrieren.
C’est ce que j’espère, et j’espère un peu plus vite qu’aujourd’hui, je pourrai vous exposer la prochaine fois.
Das ist das, was ich hoffe – und hoffentlich ein wenig schneller als heute –, Ihnen beim nächsten Mal darlegen zu können.
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Paraphrase
In schwarzer Schrift: Paraphrase.
In (runden Klammern): die Seitenzahlen von Version J.L.
[In eckigen Klammern und grüner Schrift]: meine Ergänzungen.
Von Metapher und Sinn zu Kombinatorik und Jouissance
Lacan geht es darum, so sagt er einleitend, die Rolle der Topologie für den Psychoanalytiker zu bestimmen. (1)
[In diesem Seminar, Das Objekt der Psychoanalyse, geht es einerseits um die Topologie und andererseits um das Phantasma – um das Phantasma, soweit es sich auf den Schautrieb bezieht, d.h. um den Blick als Objekt a.]
[Drei Jahre zuvor hatte Lacan den Blick als Objekt a eingeführt, in Seminar 10, Die Angst (1962/63). Dort verwendet er die Termini „Blick“ und „Auge“ noch synonym. Im Folgeseminar, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964), führt er die Opposition von „Blick“ und „Auge“ ein. Bei der Einführung des Auges bzw. des Blick in Seminar 10 setzt er das Visuelle und das Räumliche mehr oder weniger miteinander gleich. Er spricht von der Stufe,
„die wir visuell oder räumlich nennen werden“104,
von der
„Stufe des Auges, welche auch die des Raumes ist“105. Von daher stellt sich die Frage: Um welche Art von Raum geht es beim Auge bzw. beim Blick als Objekt a?]
[In Seminar 9, Die Identifizierung (1961/62), hatte Lacan begonnen, sich für seine Theorie der Psychoanalyse auf die mathematische Topologie zu stützen. Im Seminar, das die Las-meninas-Vorlesungen enthält, also Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse, werden diese beiden Stränge – Opposition Auge/Blick und Topologie – erstmals zusammengeführt.]
[Lacan bezieht sich dabei auf eine der vier grundlegenden Flächen der Topologie, auf die projektive Ebene.106 Wenn diese Fläche in den dreidimensionalen Raum eingefügt wird – in ihn „immergiert“ wird –, verwandelt sie sich in ein Gebilde, das Lacan meist „Kreuzhaube“ nennt; die topologisch korrekte Bezeichnung ist „Sphäre mit Kreuzhaube“. Die Fläche, mit deren Hilfe die Funktion des Blicks als Objekts a im Phantasma rekonstruiert werden soll, ist also die (Sphäre-mit-)Kreuzhaube. Vgl. hierzu auf dieser Website den Artikel Die Kreuzhaube und die Struktur des Phantasmas.]
[In den Las-Meninas-Vorlesungen bezieht Lacan sich nur sehr knapp auf die Topologie, jedoch ausführlich auf die projektive Geometrie und damit auf projektive Ebenen, d.h. auf euklidische Ebenen, die durch eine Fernlinie erweitert sind. Das Verbindungsstück ist die Kreuzhaube: sie ist einer projektiven Ebene äquivalent, d.h. eine Kreuzhaube kann durch stetige Verformung in eine projektive Ebene verwandelt werden.]
Lacan erinnert daran, dass er gesagt hatte, die Topologie sei keine Metapher. Warum nicht? Auf diese Frage könne er nur eine elliptische Antwort geben: Weil die Topologie dazu dient, uns mit der jouissance zu konfrontieren, mit der Lust. [Die Lust (jouissance) im Bereich des Sehens ist, in Freuds Terminologie, die Schau- und Zeigelust. In den Seminarsitzungen zu Las Menina wird der Zusammenhang zwischen Topologie und Jouissance nicht unmittelbar hergestellt, sondern erst in späteren Sitzungen dieses Seminars. In den Las-Meninas-Vorlesungen erscheint die Jouissance als Jouissance-Verlust, d.h. in Gestalt des Blicks als Objekt a.] (1)
Bei der Topologie geht es nicht um die Metapher des Subjekts; damit ist gemeint, sagt Lacan, es handelt sich nicht mehr darum, dass die Grundlage des Subjekts in einer Bedeutung verankert ist. [Die Metapher des Subjekts ist der Titel eines Aufsatzes von Lacan aus dem Jahr 1961. Unter einer Metapher versteht Lacan die Ersetzung eines Signifikanten durch einen anderen Signifikanten, und eine solche Ersetzung hat, ihm zuflge, einen Sinn-Effekt (vgl. die Formel der Metapher in Lacans Aufsatz Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud von 1957). Es geht also darum, das Subjekt nicht vom Sinn her zu begreifen.] (1)
Bei der Topologie handelt es sich vielmehr um etwas, das aus einer Kombinatorik hervorgeht. [Die Frage ist demnach, wie das Verhältnis von Signifikant und Subjekt zu begreifen ist, ob es dabei um die Metapher und den Sinn geht oder um die Kombinatorik und die Jouissance und Lacan optiert hier für die zweite Möglichkeit.] (1)
[Lacan bezieht sich hier auf die „kombinatorische Topologie“, die sich mit der Anwendung kombinatorischer Methoden auf die Topologie befasste und in die Anfang des 20. Jahrhunderts in der algebraischen Topologie aufging. In Seminar 9 (1961/62), Die Identifizierung, in dem er die mathematische Topologie einführt, bezeichnet er die Topologie als „topologische Kombinatorik“. In Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, heißt es:
„dass der Raum – der dreidimensionale Raum – keineswegs etwas Klares ist, und bevor man darüber einfach alles nachplappert, sollte man sehen, in welchen unterschiedlichen Formen wir ihn auffassen können, und zwar auf dem Wege der Mathematik, der wesentlich kombinatorisch ist.“107]
[Seit 1953 erklärt Lacan beständig, dass die Beziehung zwischen Signifikanten den Charakter einer Kombinatorik hat, und er verweist hierfür immer wieder auf die Elementaren Strukturen der Verwandtschaft von Claude Lévi-Strauss (1949). Im Ethik-Seminar hatte er 1959 behauptet, dass Metonymie und Metapher auf einer Kombinatorik beruhen.108 Bei der Orientierung der Psychoanalyse an der Topologie (seit Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung) geht es offenbar um das Zurückdrängen der Orientierung an der Metapher (und damit an der Bedeutung) und um die Beförderung der Orientierung an der Kombinatorik ohne Bedeutung, jedoch mit Bezug auf die Jouissance.]
Das Subjekt, um das es Lacan geht, ist nicht das Subjekt, so sagt er, durch welches [wie bei Kant] die objektive Welt konstituiert wird; man kann ja nicht glauben, dass alles in der Welt von ihm abhängt. [Der theoretische Rahmen für die Untersuchung des Blicks als Objekt a ist also einerseits die Signifikantenbeziehung (die nicht von der Metapher her aufgefasst, nicht vom Sinn-Effekt her, sondern als Kombinatorik) und andererseits das Subjekt (das nicht als objekt- und weltkonstituierend begriffen wird). Im Hintergrund steht hier Lacans Definition des Signifikanten: „Ein Signifikant ist, wodurch für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird“, zuerst vorgetratgen in Seminar 9, Die Identifizierung. Ein Signifikant ist das, wodurch in der Beziehung zu einem anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird.] (1 f.)
Die visuelle Struktur dieses Subjekts soll erkundet werden, ausgehend von der psychoanalytischen Erfahrung. Lacan weist darauf hin, dass er sich dazu bereits geäußert hatte [vor allem in Seminar 10 von 1962/62, Die Angst (Sitzungen vom 8. und 15. Mai 1963), in Die Namen-des-Vaters (1963) und in Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (Sitzungen vom 19. Februar bis zum 11. März 1964)], [in Seminar 11] insbesondere über die Funktion des Schirms (écran). Sie besteht darin, dass das, was sich zeigt, nicht nur etwas enthüllt, sondern zugleich etwas verbirgt. Auf diese Weise ist der Schirm der Ursprung unseres Zweifels. [Das erinnert an Heideggers Wahrheitsbegriff, Wahrheit als (Un-)Verborgenheit im Gegensatz zu Wahrheit als Richtigkeit, als Übereinstimmung zwischen Erkenntnis und Sache; zwei Sitzungen später, in der Sitzung vom 18. Mai 1966, wird Lacan sich ausdrücklich darauf beziehen. Wenn man das Konzept des Schirms mit der Formel für den Signifikanten zusammenbringt, ergibt sich: Die kombinatorischen Signifikantenbeziehungen der Topologie fungieren als Schirm, in ihnen wird das Subjekt zugleich enthüllt und verhüllt.] (2)
Alles, was sich präsentiert, stützt sich auf den Schirm. Daher rühren die ausweglosen Labyrinthe der Repräsentation. [Représentation meint sowohl „Vorstellung“ als auch „Darstellung“ als auch „Repräsentation“. „Schirm“ ist hier Gegenbegriff zu „Repräsentation“, wie im Verlauf von Lacans Las-meninas-Vorlesungen klar werden wird.] (2)
[„Repräsentation“ ist ein Schlüsselbegriff von Foucaults Las-meninas-Analyse; dieses Gemälde, sagt Foucault, sei vielleicht „die Repräsentation der klassischen Repräsentation“ (a.a.O., S. 45).]
[Kurz: Untersuchungsgegenstand ist die Struktur des visuellen Feldes und damit des Schautriebs und des damit verbundenen Phantasmas. Das visuelle Feld ist von der Struktur des Raums aus zu begreifen. Die Struktur des Raumes ist nicht durch die euklidischen Geometrie zu erfassen, sondern mithilfe der Topologie und der projektiven Geometrie; und das heißt: sie beruht auf Beziehungen zwischen Signifikanten, bei denen es um eine Kombinatorik geht, nicht auf Metaphern. Die kombinatorischen Signifikantenbeziehungen der Topologie und der projektiven Geometrie fungieren als Schirm, in ihnen wird das Subjekt zugleich enthüllt und verhüllt.]
Perspektive: Vom Parallelenpostulat zur projektiven Geometrie
Lacan verweist auf ein Buch von Raymond Ruyer, das er bereits in der vorangegangenen Sitzung empfohlen hatte, Paradoxes de la connaissance, „Paradoxien der Erkenntnis“. Ruyer spricht dort über eine Struktur, bei der die Punkt-für-Punkt-Entsprechungen zwischen zwei Ebenen durch einen Punkt hindurchgehen. [Ruyer beschreibt also eine Zentralprojektion; auf dieser Art der Projektion beruht die perspektivische Konstruktion eines Bildes.] (3)
Lacans Weg (sagt Lacan über sich selbst) ist der einer Methode im strengen Sinne [mit Anspielung auf griechisch methodos, Weg]. Dieser Weg führt zur Topologie. [Descartes Methode orientiert sich an der euklidischen Geometrie; Lacans Methode führt zur geometria situs, zur Topologie und auf diesem Weg zur projektiven Geometrie.] (3)
Wenn Lacan sich auf den Raum [des Sehens] bezieht, geht es ihm nicht, sagt er, [wie in der Optik] um eine Fläche, die dem Augenhintergrund entspricht. (3)
Descartes unterscheidet das Ausgedehnte [also dem Raum] vom Denken. Descartes begreift den Raum als partes extra partes [Teile außerhalb von Teilen]. Damit gelten alle Teile als gleichwertig, der Raum demnach als homogen, und das heißt, jeder Punkt ist mit jedem anderen identisch und zugleich von ihm verschieden [als anderer Punkt]. Dies aber ist undenkbar. [Eine dialektische Figur: die Frage nach der Identität von Identität und Differenz.] [? Worin genau besteht die Undenkbarkeit?] (3–4)
Wenn Lacan vom Raum spricht, dann unterscheidet er dabei, so sagt er, [anders als Descartes] den Raum keineswegs vom Denken [diese Idee teilt er mit Ruyer]. Denn das Denken beruht auf der Kombinatorik der Signifikanten und der Raum ebenso. Das Denken ist [allerdings] nicht der Überflug [wie Ruyer sagt, womit er den Raum ins Spiel bringt] und auch nicht die Messung [er wird nicht als Gegenstand der Gegenstand der Messung konstituiert]. Das Denken [die Signifikanten-Kombinatorik] konstruiert den Raum, es erkundet ihn nicht [durch Überflug oder Messen]. Die frühe Geometrie [die euklidische Geometrie] beruht auf Messung, und das heißt, diese Geometrie wird nicht vom Denken getragen [sie stützt sich nicht auf die Kombinatorik]. Der Fortschritt der Geometrie hat dazu geführt, dass das „Ausgedehnte“ [wie Descartes sagt, also der Raum] mit der Kombinatorik verbunden wird, und eben das ist grundlegend für die projektive Geometrie. In der euklidischen Geometrie hingegen geht es um Gleichheit [und Ungleichheit von Linien. Flächen und Körpern], um Messungen, um das Umklappen [von Flächen] mit Überdeckung, um Translation [Parallelverschiebung], um Manipulatio. In der projektiven Geometrie [der Geometrie ohne Parallelenpostulat, d.h. ohne die Forderung, dass Parallelen sich nicht schneiden] geht es [mit Begriffen von Poncelet] um Homothetie [Abbildung einer Geraden auf eine parallele Gerade] und Homologie, hier wird all dies transformiert, und zwar dadurch, dass in die Beziehung zwischen zwei Figuren die Funktion der Äquivalenz durch Transformation eingeführt wird [d.h. es geht hier um die Eigenschaften, die bei Projektion erhalten bleiben]. (5)
[Lacan korrigiert sich hier indirekt selbst. In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, hatte er bei der Analyse von Auge und Blick gesagt, der Zugang über die Geometrie und über die Gerade könne den visuellen Raum nicht erfassen.109 Jetzt heißt es indirekt, der Zugang über die Geometrie kann den visuellen Raum durchaus erfassen, allerdings muss man dafür von der euklidischen Geometrie zur projektiven Geometrie wechseln (und damit zur Zentralprojektion und zu den Punkten im Unendlichen).]
Die [ab dem 17. Jahrhundert entwickelte] projektive Geometrie stützt sich letztlich auf die Analysen von Künstlern, die sich [seit dem 15. Jh.] mit Perspektive befasst haben. [Das wird meist vermutet, lässt sich jedoch nicht zwingend belegen, nicht einmal für Desargues, den Begründer der projektiven Geometrie, der auch über Perspektive geschrieben hat.] (5)
Bei der Perspektive geht es nicht um Optik, sondern um die Beziehungen zwischen zwei Figuren auf zwei Ebenen [der Grundebene (oder Bodenebene) und der Abbildungsebene (oder Bildebene)]. Von den Punkten der Figur der einen Ebene gehen Geraden aus, durch welche die Punkte der anderen Figur erzeugt werden, und zwar so, dass hierbei sämtliche Geraden durch einen einzigen Punkt laufen [durch den Augpunkt, der außerhalb der beiden Ebenen liegt]. [Wenn die Projektionslinien durch einen Punkt gehen, spricht man von Zentralprojektion.] (5–6)
Zwischen den beiden Figuren gibt es nicht eine Beziehung der Ähnlichkeit oder Gleichartigkeit, sondern eine Beziehung der Kohärenz. [Die Zentralprojektion orientiert sich nicht am Ziel der Ähnlichkeit, sondern an dem der Punkt-für-Punkt-Entsprechung.] (6)
[Die im Hintergrund stehende Argumentation ist offenbar:
– Die Struktur des Blick-Phantasmas ist von der Struktur des Raumes her aufzufassen.
– Die Funktion des Raumes für das Unbewusste lässt sich nicht begreifen, wenn man den Raum vom Imaginären her angeht.
– Man benötigt eine Theorie, die den Raum vom Symbolischen her auffasst.
– Genauer: Man benötigt eine Theorie, die den Raum vom Symbolischen auffasst, jedoch nicht vom Sinn her, sondern ausgehend von der Kombinatorik.
– Deshalb ist die Struktur des Raumes für die Psychoanalyse mithilfe der Topologie und der projektiven Geometrie zu rekonstruieren. Mithilfe der projektiven Geometrie, d.h. der Geometrie, die das Parallelenpostulat aufgibt (das Postulat, das Parallelen sich nicht schneiden). Denn die projektive Geometrie beruht auf einer Kombinatorik.
– Die projektive Geometrie ermöglicht zugleich den Zugang zur Analyse von Gemälden, denn ihre Erfindung stützt sich historisch auf die in der Renaissance entwickelten Konzeption der Perspektive.
– Eine entscheidende Figur ist deshalb Gérard Desargues (17. Jh.), der erste, der eine projektive Geometrie entwickelte, zugleich Autor einer Abhandlung über Perspektive.
– Von Desargues führt der Weg zur im 19. Jh. entwickelten mathematischen Topologie, die an die projektive Geometrie anknüpft (Jean-Victor Poincelet: Traité des propriétés projectives des figures, 1822, Begründung der projektiven Geometrie unter ausdrücklicher Berufung auf Desargues).
Der Schirm: Vorstellungsrepräsentanz versus Repräsentation
Hier finden wir die Funktion des Schirms wieder, in Gestalt dessen, was zwischen das Subjekt und die Welt eingeschoben ist. Der Schirm ist kein Gegenstand, sondern: Hier zeigt sich etwas [und wird zugleich etwas verborgen]. (6)
Aber noch bevor der Schirm definiert, worum es bei der Repräsentation geht, kündigt er die Vorstellungsrepräsentanz an (le représentant de la représentation), die Repräsentanz der Vorstellung [die Signifikanten]. [Im Kontext der Las-Meninas-Vorlesungen kann man diesen Hinweis vielleicht als Kritik an Foucault lesen; das entscheidende Konzept von Foucaults Las-Meninas-Deutung ist der Begriff der Repräsenation. Für Lacan gehört die Repräsentation zur Ordnung des Imaginären. Die unbewussten Vorstellungsrepräsentanzen des Triebes – z.B. des Schautriebs – sind Signifikanten und sie fungieren als Schirm, sie verschleiern etwas und deuten es zugleich an.] (6)
Die visuelle Struktur als Struktur von Signifikanten
[Damit stellt sich die Frage: Was ist ein Signifikant?] Lacan stützt sich auf die Definition des Signifikanten [die er in Seminar 9, Die Identifizierung, gegeben hatte]: Ein Signifikant ist das, wodurch für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird. (8)
Er erläutert die Formel durch die Höhlenmalerei [mit einem Beispiel, das er einem Buch von Leroi-Gourhan entnimmt]: Die Bilder haben hier eine bestimmte Verteilung – am Eingang gibt es besonders häufig Hirsche, in der Mitte besonders häufig Bisons. Diese Aufteilung ist signifikant [im Doppelsinn von: sie ist bedeutsam, und: sie gehört zur Ordnung des Signifikanten], sie bildet eine Kette [eine Anordnung von Bildern], die eine bestimmte Struktur hat. Die Bilder am Eingang der Höhle repräsentieren das Subjekt für die Bilder am Ende der Höhle [die Bilder fungieren demnach als Signifikanten einer Signifikantenkette, die Bilder am Eingang entsprechen dem ersten Signifikanten, die Bilder in der Mitte dem zweiten Signifikanten]. (6–9)
[Die Bilder am Eingang der Höhle sind zugänglich, die Bilder in der Mitte der Höhle schwer zugänglich oder unzugänglich; damit hat die Beziehung zwischen diesen beiden Signifikanten die Struktur der Vorstellungsrepräsentanz; vgl. Sitzung vom 18. Mai 1966.]
Der Schirm dient als Stütze für die Signifikanz [für die Signifikantenbeziehung]. [Hier ist mit „Schirm“ offenbar die Höhlenmalerei gemeint. Inwiefern ist die Höhlenmalerei ein Schirm?] (9)
Und damit ist für uns gesichert, dass diese frühen Menschen gesprochen haben, auch wenn wir keinen Zugang zu ihren Stimmen haben. (9)
Es geht darum, das Verhältnis der Signifikanz [also der Signifikantenbeziehung] zur visuellen Struktur näher zu erfassen. (9)
In den Höhlenmalereien findet man häufig eine S-förmige Linie, und Lacan weist [augenzwinkernd] darauf hin, dass sie mit dem Buchstaben S übereinstimmt, mit dem er das Subjekt bezeichnet. [Damit hat er, bezogen auf die Höhlenmalerei, die Elemente seiner Formel zusammen, dass ein Signifikant (Hirsch) für einen anderen Signifikanten (Bison) das Subjekt (S-förmige Linie) repräsentiert.] (9–10)
Für das S weist Lacan darauf hin, dass William Hogarth diese Form als „Linie der Schönheit“ bestimmt hat. [Man findet dieses S in den beiden folgenden Bildern von Hogarth, in Abb. 1 auf der Palette.] (9)
[Der erste Signifikant repräsentiert das Subjekt für den zweiten Signifikanten und er verfehlt es zugleich. Diese Beziehung stützt sich auf einen Trieb-Rest außerhalb der Signifikantenbeziehung , auf das Objekt a, beispielsweise auf die Stimme, auf die Lacan hier anspielt (die Stimme ist verloren), oder, was im Folgenden sein Thema sein wird, auf den Blick.]
Projektive Geometrie als Kombinatorik
Die Einsetzung des Subjekts gründet sich auf die topologische Welt [auf räumliche Beziehungen]. Jetzt geht es um die Struktur dieser topologischen Welt. Diese Struktur ist, wie gesagt, gegenüber der Physiologie des Auges und gegenüber der Optik logisch vorgängig. [Lacan bezieht sich hier indirekt auf die These von Felix Klein, dass die projektive Geometrie als Grundlage der euklidischen Geometrie aufgefasst werden kann; die Optik stützt sich auf die euklidische Geometrie, von Euklid gibt es eine Optik.] Es handelt sich um die Struktur, die zu formulieren uns durch die projektive Geometrie möglich ist [also durch die Geometrie, in der gilt, dass Parallelen sich im Unendlichen schneiden, in der also das Parallelenpostulat aufgegeben wird, das Postulat, welches besagt, dass Parallelen sich nicht schneiden]. Wir müssen uns auf die projektive Geometrie stützen, weil sie in exakter Form das liefert, worum es beim Verhältnis des Subjekts zum Raum geht. (10)
Die projektive Geometrie ist kombinatorisch, die Elemente dieser Kombinatorik sind Punkte, Linien und Flächen [d.h. in dieser Geometrie werden die Beziehungen zwischen Punkten, Linien und Flächen systematisch durchgespielt]. Die Beziehungen zwischen diesen Elementen werden durch die Kombinatorik definiert; die intuitiven Vorstellungen, die sich für jeden mit Punkten, Linien und Flächen verbinden, werden dadurch aufgelöst. (10)
Ein Punkt wird hier als Überschneidung zweier Geraden definiert, und für zwei Gerade wird festgelegt, dass sie sich immer schneiden, und zwar in genau einem Punkt; zwei Geraden können sich also niemals in zwei Punkten schneiden. Für zwei Punkte wird festgelegt, dass sie durch genau eine Linie miteinander verbunden sind. (11–12)
Das heißt: Zwei Geraden schneiden sich auch dann in einem Punkt, wenn sie Parallelen sind [sie schneiden sich dann in einem Punkt im Unendlichen]. Um diesen Punkt existieren zu lassen, also den Punkt, in dem die Parallelen sich schneiden, wird die projektive Geometrie gegründet [die traditionelle euklidische Geometrie kennt zwar unendlich ausgedehnte Ebenen, aber keine Punkte im Unendlichen]. [Der Punkt, in dem die ehemaligen Paralellen sich schneiden ist ein Punkt im aktual Unendlichen, dieser Punkt heißt Fernpunkt.] (11)
Die Verbindung zur Perspektive besteht darin, dass auch dort angenommen wird, dass Parallelen sich in einem Punkt schneiden. Dabei wird der Schnittpunkt der Parallelen auf eine andere Ebene projiziert. [Der im Unendlichen liegende Schnittpunkt der Parallelen der Grundebene wird auf auf die Abbildungsebene projiziert und ergibt hier den im Endlichen liegenden Fluchtpunkt.] (11)
Die Annahmen der projektiven Geometrie werden im sogenannten Dualitätsprinzip zusammengefasst. Es besagt: Aus einem wahren Theorem der projektiven Geometrie kann man ein zweites Theorem gewinnen, das ebenfalls wahr ist, indem man die Termini „Punkt“ und „Gerade“ miteinander vertauscht. [Beispielsweise gilt: Zwei Gerade schneiden sich immer in genau einem Punkt. Also gilt auch: Zwei Punkte liegen immer auf genau einer Geraden. In dieser Beweistechnik besteht die Kombinatorik.] (12)
Lacan gibt nun ein Beispiel für das Dualitätsprinzip; das Beispiel bezieht sich auf Kegelschnitte. [Kegelschnitte sind bestimmte Kurven, nämlich Kreis, Ellipse, Parabel und Hyperbel; sie heißen deshalb so, weil diese Kurven dadurch erzeugt werden können, dass man einen Kegel auf bestimmte Weise zerschneidet, waagerecht, senkrecht oder schräg.] Der Satz von Pascal besagt: In einem Sechseck, das einem Kegelschnitt einbeschrieben ist (das ihn von innen berührt), liegen die Schnittpunkte der Diagonalen auf derselben Geraden. Der Satz von Brianchon lautet: In einem Sechseck, das einen Kegelschnitt umschreibt (das ihn von außen berührt), schneiden sich die Diagonalen in demselben Punkt. (13)
Die beiden Sätze lassen sich ineinander überführen, wenn man „Punkt“ und „Gerade“ gegeneinander austauscht, außerdem „auf derselben Geraden liegen“ und „sich im selben Punkt schneiden“ und schließlich „einbeschreiben“ und „umschreiben“. (13)
Das Beweisverfahren ist hier also ein anderes als bei den Beweisen mit Messung, Zirkel und Lineal [also anders als in der euklidischen Geometrie]. Das Beweisverfahren der projektiven Geometrie beruht auf einer Kombinatorik. Darin sind Punkte, Geraden und Ebenen reine Signifikanten und die Theoreme können einzig mit Buchstaben geschrieben werden. (13)
[Lacan scheint hier die Begriffe „reiner Signifikant“ und „Buchstabe“ aneinander anzunähern und auf die Kombinatorik zu beziehen. Vielleicht kann man das so zuspitzen:
(a) Unter „reinen Signifikanten“ versteht Lacan Signifikanten, die unabhängig von der Signifikatsbeziehung operieren, unabhängig vom Sinn.
(b) Statt von „reinen Signifikanten“ spricht er auch von „Buchstaben“.
(c) Reine Signifikanten oder Buchstaben sind immer die Elemente einer Kombinatorik.]
Damit bekommt die Entsprechung zwischen einem Objekt und seiner Abbildung (figure) [also die Beziehung, um die es bei der Perspektive geht] eine ganz andere Bedeutung. [Wie verändert sich diese Beziehung, wenn man annimmt, dass die Ebenen, die hierbei im Spiel sind, Punkte im Unendlichen haben?] (14)
[Wenn Lacan sagt, die Grundlage des Subjekts sei nicht die Metapher und damit nicht die Bedeutung, sondern die Kombinatorik (S. 1) und wenn er hinzufügt, hierbei gehe es letztlich um die Jouissance, kann man das vielleicht so umformulieren: Die Grundlage des Subjekts ist eine Kombinatorik von Buchstaben, von reinen Signifikanten, und diese Kombinatorik steht in Verbindung mit der Jouissance. Der Trieb, um den es im aktuellen Zusammenhang geht, ist der Schautrieb. Also würde sich ergeben: Die Schaulust funktioniert auf der Basis einer Kombinatorik von Buchstaben, von reinen Signifikanten.]
Auge und Blick
Lacan erinnert an die Unterscheidung zwischen Auge (œil) und Blick (regard) [die er in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe (1964), eingeführt hatte]. Dieser Gegensatz ist grundlegend für die Struktur des Sehens (vision). [Lacan verwendet den Terminus vision (Sehen) in zwei Bedeutungen, mal als Oberbegriff für Auge und Blick (wie hier), mal als Synonym für „Auge“.] (14)
Das mythische Bild des Auges löscht aus, worum es im Verhältnis der Repräsentation zum Objekt tatsächlich geht, insofern die Repräsentation in diesem mythischen Bild als Verdoppelung des Objekts aufgefasst wird. (14)
[„Repräsentation“ ist der Schlüsselbegriff von Foucaults Las-meninas-Analyse. Die Frage, die Lacan hier aufwirft, ist: Was ist unter Repräsentation zu verstehen? Erste (zurückgewiesene) Möglichkeit: eine Verdoppelung des Objekts.]
Den Blick hatte er damals [in Seminar 11] im gemalten Bild (tableau) untergebracht. (14)
Der Blick steht [wie er damals ausgeführt hatte] in einem ursprünglichen Verhältnis zum Fleck (tache) [vor allem bei den Tieren; der Fleck eines Tieres ist hier das, wovon ein anderes Tier sich angeschaut fühlt]. Der Fleck ist ein Beispiel für das, worin die visuelle Welt ihren Ursprung hat. Aber das ist ein evolutionstheoretischer Bezug, der nur dann brauchbar ist, wenn er auf eine synchrone Struktur bezogen wird. Diese Struktur ist vollkommen greifbar. (14–15)
Es stehen sich also Sehen (vision) und Blick gegenüber. [Lacan wechselt hier die Terminologie und verwendet statt der Opposition von Auge und Blick (im Felde des Sehens) nun die Opposition von Sehen und Blick.] (15)
Dabei wird das gemalte Bild, das Gemälde (tableau), weiterhin eine Rolle spielen, und das ist nicht verwunderlich, da wir ja bereits festgestellt haben, dass wir auf eine Montage abzielen, auf ein Gestell, auf einen Apparat, nämlich auf die Struktur des Phantasmas. [Lacan meint mit „Apparat“ oder „Montage“ hier die Struktur des Phantasma, insofern es eine Verbindung von heterogenen Elementen ist, eine „disjunktive Synthese“, wie Deleuze sagen würde. In Seminar 11 hatte er den Trieb als Montage beschrieben110.– Übrigens verwendet Ruyer den Ausdruck „Montage“ häufig.] (15)
Augpunkt und Horizont
Lacan beschreibt ein Schema zur Konstruktion einer zentralperspektivischen Darstellung. In diesem Schema gibt es zwei Ebenen: die [senkrecht dargestellte] Abbildungsebene und die [waagerecht dargestellte] Trägerebene. Dazwischen liegt ein Punkt, den Lacan „Auge“ nennt und mit S bezeichnet [dieser Punkt, der Augpunkt oder Augenpunkt, liegt auf keiner der beiden Ebenen]. Dieser Punkt repräsentiert das ideale Subjekt der Identifizierung der klassischen Theorie der Erkenntnis [diese Gleichsetzung findet man bei Panofsky]. [Für den Übergang von der normalen euklidischen Geometrie zur projektiven Geometrie ist entscheidend, dass die durch Rechtecke dargestellten Ebenen als Ebenen aufgefasst werden, die durch eine Linie begrenzt sind, die im Unendlichen liegt, und die so gewissermaßen als äußerster Rand der Ebenen fungiert.] (15)
Abb. 4: Projektion zweier Punkte von der Trägerebene Q (M, N) auf die Abbildungsebene P (M1, N1). O ist der Augpunkt9
[Zum Schema (Abb. 4): Die Punkt M und N, die auf der Trägerlinie liegen, werden duch Geraden, die durch den Augpunkt O führen, auf die Abbildungsebene projiziert, was hier die Punkte M1 und N1 erzeugt.]
Vom Augpunkt gehen [gerade] Linien in allen Richtungen aus; Lacan nennt sie „Okularlinien“, um die Verwechslung mit dem Begriff des Sehstrahls zu vermeiden, der in den klassischen Perspektive-Abhandlungen verwendet wird. [Anders als die Sehstrahlen, die im Augpunkt beginnen und von dort aus zur Abbildungsebene führen, rechs und links bis zum Winkel von maximal 90 Grad, gehen die Okularlinien vom Augpunkt aus in sämtliche Richtungen, im Winkel von 360 Grad. Abb. 4 zeigt Sehstrahlen, nicht Okularlinien.] Man kann nun eine dieser Okalularlinien gewissermaßen in umgekehrter Richtung verfolgen, ausgehend von dem Punkt, in dem sie auf die Trägerebene trifft [z.B. in M], in Richtung auf den Augpunkt; sie durchquert dabei die Abbildungsebene und erzeugt hier eine Spur, sie erzeugt hier einen korrespondierenden Punkt [M1]. [Darin, dass sämtliche Punkte des Bildes auf der Abbildungsebene auf diese Weise erzeugt werden, also durch den Augpunkt laufend, besteht die Zentralprojektion.] (16)
Durch die Perspektive muss uns die Topologie enthüllt werden, aus der sich ergibt, dass im Aufbau des Sehens die Grundlage des Phantasmas gelegt wird [Lacans Formel für das Phantasma ist $◊ a], nämlich einerseits der Verlust des Objekts, des Blicks, also des Blicks als Objekt a, als verlorenes Objekt, und andererseits die Spaltung des Subjekts [also $]. [Das Schema der Perspektive soll auf die Struktur des Phantasmas bezogen werden.] (16)
Abb. 5: Erzeugung der Horizontlinie h durch Projektion des Augpunkts10
Die Lehre von der Perspektive sagt uns, dass die Okularlinien, die parallel zur Trägerebene verlaufen, auf der Abbildungsebene eine Linie erzeugen, die als „Horizont“ bezeichnet wird [Abb. 5: Linie h]. (16)
[Porge und Georgin zeigen ein anderes Verfahren zur Erzeugung der Horizontinie: demnach entsteht sie durch Projektion der Schnittpunkte der Parallelen von der Trägerebene auf die Abbildungsebene:]
Projektion von Parallelen der Trägerebene auf die Abbildungsebene111
Diese Horizontlinie ist bekanntlich der Hauptbezugsort für die Konstruktion einer perspektivischen Darstellung. Auf der Trägerebene entspricht ihr in der kombinatorischen Geometrie [also in der projektiven Geometrie] die Linie im Unendlichen, in der alle Parallelen dieser Ebene sich schneiden. [Der Begriff „Linie im Unendlichen“ ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff „unendliche Linie“.] Die Linie im Unendlichen wird als Gerade definiert [„Ferngerade“ genannt]. Von den Griechen [von der traditionellen euklidischen Geometrie] ist die Linie im Unendlichen verfehlt worden [da sich für diese Art der Geometrie die Parallelen nicht schneiden, sog. Parallelenpostulat]. Intuitiv können wir uns diese Linie nur als alles umfassend vorstellen [als eine Art Rand einer unendlich weiten Ebene]. Ihr entspricht auf der Abbildungsebene die [dort im Endlichen liegende] Horizontlinie, in der sich fast alle projizierten parallelen Linien schneiden. [Das „fast“ gilt für die euklidische Geometrie: diejenigen Geraden, die parallel zur Abbildungsebene durch den Augpunkt führen, schneiden im Rahmen dieser Geometrie nicht die Abbildungsebene.] (16–17)
Für die Festlegung, dass Parallelen sich im Unendlichen schneiden, beziehen wir uns spontan auf unsere Anschauung von einer Straße, die zum Horizont führt und immer schmaler wird. Man vergisst dabei leicht, dass der uns bekannte Horizont anders funktioniert als der Horizont bei der Konstruktion eines perspektivischen Bildes; bei der Perspektivekonstruktion ist der Horizont eine Gerade auf einer unendlich ausgedehnten Ebene [auf der Abbildungsebene]. Der Horizont unserer Alltagserfahrung ist ein Horizont auf einer Kugel und wird dadurch bestimmt [nämlich als Kreis, in dessen Zentrum wir stehen]; auf die Kugelform bezieht man sich beispielsweise dann, wenn man sagt, der Horizont sei ein Beweis für die runde Gestalt der Erde. (17–18)
Man muss sich jedoch vorstellen, dass wir nicht auf einer Kugel stehen, sondern auf einer unendlich ausgedehnten Ebene. Auch hier gibt es einen Horizont [in der projektiven Geoemtrie ist dies die Ferngerade]. [Man muss also zwei Bedeutungen von „Horizont“ unterscheiden: (a) der Horizont der Fläche, auf der wir stehen, also der Erdkugel, (b) der Horizont in einem Bild. Verlegt man das in die projektive Geometrie und stellen wir uns vor, dass wir auf der Trägerebene stehen, gibt es (a) den Horizont der Trägerebene, nämlich die Fernlinie dieser Ebene, (b) den Horizont auf der Abbildungsebene, keine Fernlinie, sondern eine unendlich lange Linie im Endlichen, die Projektion des Horizonts (der Fernlinie) der Trägerebene.]
Ein Problem beim Horizont [auf der Abbildungsebene] besteht darin, dass wir diesen Horizont immer nur in einem Bild sehen und dass ein Bild begrenzt ist, deshalb kommt uns nicht in den Sinn, dass die Horizontlinie auf der Abbildungsebene eine unendliche Gerade ist und nicht etwa ein Kreis wie der Horizont unserer Erde. (18)
Außerdem muss man darauf hinweisen, dass das Bild ein Bild ist und die Perspektive etwas anderes. [Das Bild ist gewissermaßen ein Ausschnitt aus der Abbildungsebene, die Perspektive ist eine bestimmte Projektionsbeziehung zwischen der Trägerebene und der Abbildungsebene.] Wir werden noch sehen, wie man sich im Bild der Perspektive bedient [wie ein Fluchtpunkt und ein Distanzpunkt konstruiert werden]. (18)
Die Projektion der beiden Ferngeraden
Wenn wir uns vorstellen, dass die Trägerebene bis ins Unendliche durch ein Gitternetz bedeckt ist, dann hört bei Projektion auf die Abbildungsebene das projizierte Gitternetz am Horizont der Abbildungsebene auf [also an der im Endlichen liegenden Horizontlinie dieser Ebene]. (19)
Über dem Horizont der Abbildungsebene erscheint nicht etwa der Himmel, hierher wird vielmehr [sofern man Okularstrahlen verwendet und nicht etwa Sehstrahlen] der Teil der Trägerebene projiziert, der, von der Abbildungsebene aus gesehen, hinter dem Augpunkt in Richtung Ferngerade liegt. (19)
Abb. 6: Projektion eines Punktes im Rücken des Betrachters über die Horizontlinie
In jedem Punkt der Horizontgeraden der Abbildungsebene laufen zwei Gitternetze perspektivisch zusammen. Das eine führt von unten zum Horizont, das andere von oben. [Das von unten kommende Gitternetz entsteht durch Projektion desjenigen Teils der Trägerebene, der, vom Augpunkt aus, hinter der Abbildungsebene liegt. Das von oben kommende Gitternetz wird dadurch erzeugt, das der Teil der Trägerebene auf die Abbildungsebene projiziert wird, der, von der Abbildungsebene her, hinter dem Augpunkt liegt.] (19-20)
Abb. 7: Hinten rechts wird vorne links10
Abb. 8: Parallelen von unten und von oben10
Außerdem gibt es in der Beziehung zwischen der Fernlinie der Grundebene und der Horizontlinie der Abbildungsebene eine Rechts-links-Vertauschung. Punkte die, vom Augpunkt aus, auf der Fernlinie der Horizontlinie rechts liegen, erscheinen bei Projektion auf die Abbildungsebene links auf der Horizontlinie und umgekehrt. (19-20)
Die Kreuzhaube
Lacan zeigt die Abbildung einer Kreuzhaube oder cross-cap. Diese Kreuzhaube ist eine bestimmte Form der projektiven Ebene. [Eine projektive Ebene ist eine euklidische Ebene zusammen mit einer Fernlinie. Sie ist einer Kreuzhaube äquivalent, d.h. sie kann durch stetige Verformung in einer Kreuzhaube verwandelt werden.] [Lacan macht hier klar, warum er im laufenden Seminar 13, in dem es um die Topologie, die Kreuzhaube und das skopische Phantasma geht, zur projektiven Geometrie gewechselt hat: der Zusammenhang mit der Topologie bleibt erhalten.] (21)
Damit [also mit der Sphäre-mit-Kreuzhaube] sind wir in einer Welt, die nicht sphärisch ist, sondern die eine Art in sich verschlungene Blase bildet. [Die Kreuzhaube ist nicht sphärisch und das heißt für Lacan: sie gehört nicht zur Ordnung des Imaginären.] (21)
Lacan skizziert dann ein Verfahren zur Herstellung einer Halbsphäre-mit-Kreuzhaube aus einer projektiven Ebene [„Identifizierung der Diametralpunkte“ genannt]. Hierzu werden die gegenüberliegenden Punkte der Fernlinie miteinander verbunden. (21)
Darum also geht es bei der Horizontlinie [bei der Einführung der Fernlinie]. Damit ist nachgewiesen, dass eine Signifikantenwelt mit einer visuellen Welt kohärent ist. [Lacan bekräftigt hier, dass es ihm bei der Rekonstruktion der Perspektive mithilfe der projektiven Geometrie und der projektiven Ebene (bzw. Sphäre mit Kreuzhaube) darum geht, die visuelle Welt als etwas zu beschreiben, das mit einer Signifikantenwelt kohärent ist. Um die Signifikantenwelt geht es insofern, als die projektive Geometrie auf einer Kombinatorik beruht. Die visuelle Welt kommt vielleicht insofern ins Spiel, als die projektive Geometrie sich, Poincaré zufolge, mit dem Studium des Lichts befasst (siehe das Zitat weiter oben).] Diese Welt hat nicht die Struktur eines unendlichen Raumes [also nicht die Struktur des euklidischen Raumes] sondern die einer in sich verschlungenen Einhüllung, nämlich die einer [Sphäre-mit-]Kreuzhaube. (21)
Repräsentation I des Augpunkts auf der Abbildungsebene: der Fluchtpunkt, das sehende Subjekt
Wenn man davon ausgeht, dass die Trägerebene bis ins Unendliche von einem Gitternetz bedeckt ist, und wenn man außerdem annimmt, dass der Augpunkt einen Betrachter repräsentiert, der in Richtung auf die Abbildungsebene schaut und dessen Kopf fixiert ist [so dass sich für ihn die Trägerebene in drei Teilflächen aufteilt, in den Bereich hinter der Abbildungsebene, in den Bereich in seinem Rücken und in den Bereich, der zwischen ihm und der Abbildungsebene liegt] und wenn man nun das Gitternetz der Trägerebene auf die Abbildungsebene projiziert, dann schneiden sich auf der Abbildungsebene die Parallelen, [die hinter der Abbildungsebene liegen und] die dieselbe Richtung haben, in einem Punkt [der auf der Horizontlinie liegt]. (22–23)
Abb. 10: Projektion eines Geradenbündels hinter der Abbildungsebene auf die Abbildungsebene11
In diesem Punkt schneiden sich ebenfalls die Parallelen, die hinter dem Augpunkt liegen [also weg von der Abbildungsebene, im Rücken des Betrachters] (vgl. Abb. 8). (23)
Dieser Punkt wird bekanntlich als Fluchtpunkt bezeichnet. Der Fluchtpunkt repräsentiert [auf der Abbildungsebene] das Auge [den Augpunkt, den Punkt S], d.h. das Auge, das blickt. [Diese Formulierung ist ein Versprecher, nur wenige Sätze später wird Lacan sagen: Der Fluchtpunkt repräsentiert das Auge, das sieht, und er wird es vom Auge, das blickt, unterscheiden.] Das Auge [, d.h. der Augpunkt, liegt außerhalb der Abbildungsebene, aber es] kann nur innerhalb der Abbildungsebene erfasst werden. Die Renaissancetheoretiker der Perspektive haben denn auch das, was wir „Fluchtpunkt“ nennen, als „Auge“ bezeichnet. (23–24)
Repräsentation II des Augpunkts auf der Abbildungsebene: der Distanzpunkt, ein Punkt im Unendlichen, das blickende Subjekt
[Für die Konstruktion einer Perspektive brauchen wir nicht nur die Unterscheidung von Grundebene und Abbildungsebene sowie den Augpunkt, die Horizontlinie und den Fluchtpunkt.] Es gibt außerdem „die Sachen, die zwischen dem Bild und mir sind“ [also den Teil der Trägerebene, der zwischen der Abbildungsebene und der Betrachterebene liegt. Die Betrachterebene ist die Ebene, die parallel zur Abbildungsebene durch den Augpunkt verläuft, Ebene S, traditionell wird sie als „Verschwindungsebene“ bezeichnet]. (24)
Abb. 11: Projektion von Punkt b auf die Abbildungsebene unten10
Sie [die Parallen der Trägerebene zwischen Abbildungsebene und Trägerebene] führen [in der Projektion auf die Abbildungsebene] zu Tiefen, die wir für unendlich halten können [Abb. 11], sie kommen jedoch an einem bestimmten Punkt zu einem Halt [sie schneiden sich in einem Punkt im Unendlichen]. Wem korrespondiert dieser Punkt? Der Ebene S [das, was diesem Punkt korrespondiert, liegt auf der Betrachterebene]. Auf Ebene S gibt es den Schnitt mit der Trägerebene, Linie sQ [diesen Schnitt kann man als Standlinie bezeichnen]. Diese Linie ist ein Horizont [sie kann erzeugt werden durch Projektion der Ferngeraden der Abbildungsebene auf die Trägerebene]. [Der Punkt, in dem die Parallelen der Abbildungsebene sich im Unendlichen schneiden, hat seine Entsprechung also in einem Punkt auf der Standlinie, auf Linie sQ.] (24)
Abb. 12: Abstand δ auf der Trägerebene zwischen sQ und hQ
Die Trägerebene wird also von zwei Ebenen geschnitten, von der Abbildungsebene und von Ebene S. Daraus ergeben sich zwei „Spuren“ auf der Trägerebene, zwei Schnittlinien [in Abb. 12 werden diese Schnittlinien bezeichnet mit hQ (Schnittlinie unten rechts) und sQ (Schnittlinie unten links) [die beiden Schnittlinien sind die Grundlinie und die Standlinie]. Die Linien hQ und sQ sind Parallelen. [Die Distanz δ des Subjekts von der Abbildungsebene (vgl. Abb. 12) kann damit als Abstand zwischen den Parallelen sQ und hQ aufgefasst werden.] (24)
Abb. 13: Vorige Abbildung nach einer Vierteldrehung im Uhrzeigersinn: h am Platz von hQ
Die Schnittlinie sQ kann als Gegenstück der Horizontlinie h aufgfasst werden: denn Linie sQ ergibt sich durch Projektion der Fernlinie der Abbildungsebene auf die Trägerebene. [Lacan spricht hier von der „unendlichen Linie“ der Abbildung, ich nehme an, dass es sich um einen Versprecher handelt und dass die „im Unendlichen liegende Linie“ der Abbildungsebene gemeint ist.] (24)
[Lacan definiert nun als Nächstes den Distanzpunkt, d.h. den Punkt auf der Abbildungsebene, durch den innerhalb der Abbildungsebene der Abstand des Augpunkts von der Abbildungsebene repräsentiert wird, der Abstand zwischen Standlinie und Grundlinie. In den Renaissance-Theorien der Perspektive liegt der Distanzpunkt auf der Horizontlinie der Abbildungsebene, und zwar im Endlichen. Lacan definiert den Distanzpunkt im Folgenden anders und dies mithilfe der projektiven Geometrie.]
Abb. 14 Der „zweite Augpunkt“ Sˈ (der Distanzpunkt)
Es gibt „einen weiteren Augpunkt“. [Es gibt, neben dem Fluchtpunkt, einen weiteren Punkt, durch den das betrachtende Subjekt – also der Augpunkt – auf der Abbildungsebene repräsentiert wird.] Dieser weitere Punkt wird [auf der Abbildungsebene] gebildet durch die Überschneidung der folgenden beiden Linien:
(a) der Linie im Unendlichen auf der Abbildungsebene [also gewissermaßen den Rand der Abbildungsebene] und
(b) der Linie hQ (die erzeugt wird durch den Schnitt der Abbildungsebene mit der Trägerebene) [also der „Grundlinie“]. (Vgl. Abb. 14) (25)
Da diese beiden Linien auf der Abbildungsebene liegen, schneiden sie sich [das gilt in der projektiven Geometrie per definitionem – alle Geraden einer Ebene schneiden sich]. [Sie schneiden sich im Unendlichen, da eine der beiden Linien eine Fernlinie ist.] Und sie schneiden sich in genau einem Punkt, auch wenn er im Diagramm als zwei Punkte erscheint, Sˈ links und Sˈ rechts. [Auch dies gilt per definitionem – alle Geraden einer Ebene schneiden sich in genau einem Punkt. Da man sich die Fernlinie einer Ebene spontan als eine Art Kreisumfang vorstellt, denkt man zunächst, dass sich die Fernlinie und Linie hQ in zwei Punkten schneiden und im Diagramm wird das auch so dargestellt; die Fernlinie ist jedoch eine Gerade, wir stoßen hierauf die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens.]
Die auf der Trägerebene liegende Distanz zwischen den beiden Parallelen [sQ und hQ, Grundliie und Standlinie], dieser Zwischenraum ist ein Aufklaffen. Dieses Aufklaffen hat auf der Abbildungsebene seine Entsprechung in einem Punkt, der sich entzieht [da er im Unendlichen liegt], wir können diesen Punkt nicht in der Weise bezeichnen, wie wir den Fluchtpunkt auf der Horizontlinie bezeichnen können [wir können ihn nicht im Endlichen lokalisieren]. Dieser von Lacan neu definierte Distanzpunkt ist ein „verlorener Punkt“, sagt Lacan, und er betont, dass es sich bei dieser Formulierung um ein Bild (image) handelt. [Dieser Punkt ist insofern verloren, als er im Unendlichen liegt. Sicherlich soll der Terminus auf das „verlorene Objekt“ anspielen – der Distanzpunkt steht in einer Beziehung zum Blick als verlorenen Objekt.] (26)
[Lacan definiert den Distanzpunkt demnach so: der auf der Abbildungsebene liegende Schnittpunkt zwischen der Grundlinie und der Ferngeraden. Diesen Punkt kann es im Rahmen der euklidischen Geometrie nicht geben also auch nicht im Rahmen der Renaissance-Perspektive, er existiert nur im Rahmen der projektiven Geometrie, da es nur hier eine Ferngerade gibt.]
[Im Rahmen der projektiven Geometrie wird für Lacan die Distanz des Augpunkts von der Abbildungsebene auf der Abbildungsebene durch einen bestimmten Fernpunkt repräsentiert. Inwiefern? Ein Begründungsversuch könnte so aussehen:
– Gesucht ist eine Repräsentation des Abstands des Augpunkts von der Abbildungslinie auf der Abbildungsebene im Rahmen der projektiven Geometrie, d.h. in einer Geometrie, in der nicht gemessen wird, weder Längen noch Winkel.
– Der Abstand des Augpunkts von der Abbildungsebene entspricht dem Abstand zwischen der Grundlinie und der Standlinie.
– Geraden verlaufen entweder parallel oder nicht parallel. Parallel versus nicht-parallel, das ist im Rahmen der projektiven Geometrie eine Neubestimmung des „Abstands“ zweier Geraden.
– Dass zwei Geraden parallel verlaufen heißt, dass sie sich in einem Punkt im Unendlichen schneiden.
– Also wird der Abstand von Parallelen durch ihren Fernpunkt repräsentiert.
– Grundlinie und Standlinie verlaufen parallel, also wird ihr Abstand durch ihren Fernpunkt repräsentiert.
– Gesucht ist ein Punkt auf der Abbildungsebene, der den Abstand zwischen Grundlinie und Standlinie repräsentiert, ihre Parallelität.
– Dieser Punkt ist der Fernpunkt, an dem die Grundlinie die Fernlinie der Abbildungsebene schneidet.]
Der neu definierte Distanzpunkt fällt auf der Trägerebene in den Zwischenraum zwischen den Parallelen sQ und hQ [der Distanzpunkt repräsentiert den Abstand zwischen den Paralellen sQ und hQ]. (25–26)
Lacan bezeichnet den von ihm neu definierten Distanpunkt als den „Punkt des blickenden Subjekts“. (26)
Auf der Abbildungsebene gibt es also zwei Repräsentanten des Augpunkts: den Fluchtpunkt und den zweiten Punkt [den Distanzpunkt], soweit ist das nichts Neues [die Unterscheidung von Fluchtpunkt und Distanzpunkt ist eine Erfindung der Renaissance-Perspektive, sie wird bereits von Alberti beschrieben]. (26)
Neu ist, dass diese beiden Punkte auf die Spaltung des Subjekts bezogen werden. Der Fluchtpunkt [ein Punkt im Endlichen] entspricht dem sehenden Subjekt und der Distanzpunkt [ein Punkt im Unendlichen] entspricht dem blickenden Subjekt. Diese beiden Punkte repräsentieren das [gespaltene] Subjekt. [Damit gibt es eine Entsprechung zur Spaltung des Subjekts auf der Abbildungsebene, beruhend auf der projektiven Geometrie. Die Spaltung des Subjekts bezieht sich speziell auf das skopische Phantasma, die Spaltung ist hier die in das sehende und das blickende Subjekt. Die Verortung des blickenden Subjekts im Unendlichen spielt sicherlich darauf an, dass das blickende Subjekt die unbewusste Seite der Subjektspaltung ist. (26)
Wir müssen jetzt noch sehen, wie das Objekt a zu verorten ist. [Lacan verfolgt das Ziel, die Struktur des Phantasmas, $ ◊ a, in der visuellen Welt zu verorten, wobei die visuelle Welt mithilfe der Perspektive rekonstruiert wird und die Perspektive mithilfe der projektiven Geometrie. Für das gespaltene Subjekt, $, hat Lacan eine Entsprechung gefunden (Fluchtpunkt plus Distanzpunkt im Unendlichen). Fehlt noch die Entsprechung zum Objekt a.] (26)
Durch das Objekt a ist die Spaltung dieser beiden Punkte determiniert. [Ich beziehe mich auf zwei gegensätzliche Weisen auf den Blick als Objekt a. Als sehendes Subjekt wehre ich ihn ab; der Blick erscheint mit dann als aggressiver Blick, der mich von außen trifft. Als blickendes Subjekts umkreise ich ihn und identifiziere mich mit ihm, dies ist die Ebene des Phantasmas.] (26)
Dies [die Verbindung der beiden Subjektpunkte mit dem Blick als Objekt a] bildet dann eine strenge Montage. Diese Montage wird uns zeigen, wo in der visuellen Kombinatorik [also in der projektiven Geometrie] das Phantasma zu verorten ist [d.h. wo dies zu verorten ist: die Verbindung des gespaltenen Subjekts mit dem Objekt a, als Formel dargestellt: $ ◊ a] . (26)
Lacan betont, dass er [vielleicht: mit der Rede vom verlorenen Punkt, der in einen Zwischenraum fällt] seine Hörer nicht in Abgründe führen möchte, er betreibe keine Tiefenpsychologie sondern Geometrie [nämlich projektive Geometrie]. Die [traditionelle] euklidische Geometrie hat die Perspektive [theoretisch] verfehlt [da ihr die Konzepte „Punkt im Unendlichen“ und „Linie im Unendlichen“ fehlten]. (26–27)
Michel Foucault spielt in Die Ordnung der Dinge hierauf direkt an, in seiner Analyse von Las meninas. [Das bezieht sich möglicherweise auf Foucaults Bemerkung, dass dieses Bild die Repräsentation der klassischen Repräsentation sei „und die Definition des Raums, den sie eröffnet“112.] (27)
Den zweiten Punkt des Subjekts, den er Lacan, den Punkt des blickenden Subjekts nennt, habe nicht er erfunden, sagt Lacan. Man hat ihn jedoch anders dargestellt, und in der Renaissance wurde er anders bezeichnet, etwa als „das andere Auge“ [heute als „Distanzpunkt“]. [Demnach ist die Rekonstruktion des Distanzpunktes im Rahmen der projektiven Geometrie eine Erfindung von Lacan. In der nächste Sitzung, der vom 11. Mai 1966, wird er sagen, bislang sei nicht ausreichend bemerkt worden, dass der Distanzpunkt strukturellen Charakter hat (S. 13 von Version J.L.); auch das spricht dafür, dass die Deutung des Distanzpunktes als Fernpunkt eine Idee von Lacan ist.] (27)
Dieser Punkt ist allen Malern bekannt. Auf der Trägerebene fällt er in den beschriebenen Zwischenraum [zwischen dem Schnitt mit der Abbildungsebene und dem Schnitt mit der Betrachterebene, auf der Trägerebene repräsentiert er den Abstand zwischen diesen beiden Geraden]. Auf der Abbildungsebene liegt er im Unendlichen [und hier ist er tatsächlich ein Punkt]. (27 f.)
Dieser Punkt ist von allen verwendet worden, die sich der Perspektive bedient haben und wurde von ihnen „das andere Auge“ genannt [heute wird er Distanzpunkt genannt]. [Er wurde in der Renaissance jedoch als Punkt im Endlichen aufgefasst, im Rahmen der messenden euklidischen Geometrie]. (28)
Der Distanzpunkt dient dazu, die Perspektive zu konstruieren, insofern sie flieht [vermutlich in dem Sinne, dass der Distanzpunkt reguliert, wie stark die Dinge sich vom Betrachter wegbewegen, wie stark sie gestaucht dargestellt werden]. (28)
Wie also konstruiert man [nach Alberti] eine Perspektive, beispielsweise ein perspektivisch dargestelltes Gitternetz? Man zeichnet [auf der Abbildungsebene] eine Bezugsfläche für das Gitternetz [dargestellt durch eine waagerechte Linie, Abb. 15 a]. Darauf errichtet man eine Senkrechte [Abb. 15 b]. Der [obere] Endpunkt dieser Geraden [h] gibt mir den Fluchtpunkt sowie den Horizont [als Gerade, die parallel zur Bezugslinie verläuft, durch den Fluchtpunkt]. Damit kann ich die von unten nach oben verlaufenden projizierten Parallelen des Gitternetzes eintragen; sie gehen von der Bezugslinie aus und treffen sich im Fluchtpunkt [Abb. 15 c]. Jetzt gibt es noch das Problem der Höhe [gemeint ist das Problem, wie stark die Karos des projizierten Gitternetzes in der Höhe verkürzt sein sollen]. Hierzu benötige ich das andere Auge [anders gesagt den Distanzpunkt]. Ich trage [auf der Horizontlinie] eine bestimmte Distanz [zum Fluchtpunkt] ein, sie entspricht dem zuvor beschriebenen Zwischenraum [also dem Abstand von Standlinie und Grundlinie auf der Trägerebene, je größer dieses Intervall, desto größer der Abstand des „anderen Auges“ (des Distanzpunktes) vom Fluchtpunkt auf der Horizontlinie]. Die Eintragung des Abstandes auf der Horizontlinie erzeugt auf der Horizontlinie einen Punkt S‘ [den Distanzpunkt, Abb. 15 e]. Von diesem Punkt aus zeichne ich eine Diagonale quer durch die perspektivisch dargestellten „Parallelen“ des Gitternetzes [Abb. 15 f]. [Der Schnittpunkt dieser Diagonalen mit den „Parallelen“ des Gitternetzes gibt mir die Höhe der Karos des Gitternetzes.] [Es ist klar, dass wir hier in der (messenden) euklidischen Geometrie sind.] (29–30)
Bei der Festlegung der Distanz [des Abstamdes des Distanzpunktes vom Fluchtpunkt] und damit der Höhe [der Karos in der Abbildungsebene] habe ich also jede Freiheit. (30–31)
In vielen klassischen Bildern gibt es einen Hinweis, in welcher Distanz sich der Betrachter vom Bild aufstellen sollte, damit die perspektivische Darstellung für ihn voll zur Geltung kommt. [Angenommen, das Bild zeigt einen Boden mit Fliesenmuster und der Boden davor hat ebenfalls ein Fliesenmuster, gibt es einen Abstand vom Bild, bei dem die Verkürzung im Bild die Verkürzung auf dem Boden davor gewissermaßen fortsetzt.] (30)
[Lacan fasst die Ergebnisse zusammen, die für die Zuhörer möglicherweise überraschend waren.] Erstens: Über dem Horizont gibt es bei perspektivischer Projektion nicht den Himmel [sondern die Projektion des Teiles der Trägerebene, der hinter dem Augpunkt liegt (hinter = weg von der Bildebene)]; den Himmel gibt es nur deshalb, weil über den Horizont eine Schiebewand gepackt wird, wie im Theater. Genauso gibt es zwischen dem Betrachter und dem Himmel eine Reihe von Schiebewänden. [Die Fläche, die bei Zentralprojektion mit Okularlinien über den Horizont projiziert wird, wird im Gemälde gewissermaßen übermalt.] [Lacan bedient sich der Theater-Metaphorik, auf die er später noch zurückommen wird (in Las Meninas dargestellte Szene als Tableau vivant, Objekt a als Praktikabel).] (30)
Jedes Bild-im-Bild ist eine Distanzierung. [Das ist offenbar eine Vorausdeutung auf das Bild-im-Bild von Las meninas, das demnach die Funktion der Distanzierung hätte]. (31)
Bereits das Bild selbst ist eine Distanzierung [es beruht auf einer Distanzierung des Betrachters vom Bild (des Augpunkts von der Abbildungsebene)], denn man macht ein Bild nicht so, dass man [als Maler] dabei in der Fensteröffnung ist, von der man dann eingerahmt würde [das Bild ist eine Fensteröffnung, wie Albertis Metapher lautet]. [Lacan übernimmt hier einen Gedanken von Ruyer. Es gibt immer einen Abstand zwischen Subjekt und Bild (zwischen Augpunkt und Bildebene), wie klein er auch sein mag. Die Distanz vom Bild gehört konstitutiv zum Bild.] (31)
Man macht das gemalte Bild innerhalb des Rahmens. [Das gemalte Bild ist ein Ausschnitt aus der Abbildungsebene; zur Konstruktion eines Bildes gehört nicht nur der Fluchtpunkt und der Distsanzpunkt, sondern auch der Ausschnittcharakter des Bildes, der Rahmen.] (31)
Ankündigung des Themas der nächsten Sitzung: Die Beziehungen des Betrachters zum Bild und was es mit dem Phantasma zu tun hat. Dies wird uns eine Chiffre liefern für die Beziehungen des Objekt a zum ausgestrichenen Subjekt [also für die Struktur des Phantasmas]. (31).
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Literaturverzeichnis
Literatur, auf die Lacan sich in den Las-meninas-Vorlesungen bezieht
Psychoanalyse
Fenichel, Otto: Schautrieb und Identifizierung. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 21. Jg. (1935), S. 561–581, im Internet hier; Nachdruck in: Ders.: Aufsätze. Band I. Hg. v. Klaus Laermann. Ullstein, Frankfurt am Main u.a. 1985, S. 382–408
Freud, Sigmund: Triebe und Triebschicksale (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 75–102
Freud, Sigmund: Die Verdrängung (1915): In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 103–118
Freud, Sigmund: Das Unbewusste (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 119–173
Perspektive
Flocon, Albert; René Taton: La Perspective. 4. aktualisierte Auflage. Presses Universitaires de France, Paris 1984, Reihe „Que sais-je?“ (1. Auflage 1963), darin v.a. Kap. IV, „Perspective et géometrie projective“, S. 95-126
In der Sitzung vom 1. Juni 1966 sagt Lacan über Perspektive:
„Es gibt jemanden, der das sehr, sehr schön nachgewiesen hat, das ist ein Amerikaner, der einige raffinierte kleine Bücher über Kunst und Geometrie geschrieben hat, von denen eines sich speziell auf den Status der Perspektive bezieht, insofern er sich aus Alberti, Viator und Albert Dürer ergibt, und da wird all das sehr gut erklärt.“ (Version J.L., S. 9 f.)
Der Name des Autors wird nicht genannt. Lacans Hinweis bezieht sich William Mills Ivins, auf dessen folgende Bücher:
Ivins, William Mills: On the rationalization of sight. With an examination of three renaissance texts on perspective. Mit einer Reproduktion der Ausgaben 1505 und 1509 von Viater, De artificiali perspectiva. The Metropolitan Museum of Art, New York 1938, Reprint: Da Capo Press, New York 1973, im Internet hier
Ivins, William Mills: Art & geometry : a study in space intuitions. Harvard Press, Cambridge, Mass. 1946 (135 S.), Reprint: Dover Publ., New York 1964, im Internet hier
Panofsky, Erwin: Die Perspektive als „symbolische Form“. In: Ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Hg. von Hariolf Oberer und Egon Verheyen. Hessling, Berlin 1964 (Reprint: Verlag Volker Spiess, Berlin 1992), im Internet hier
– In der Sitzung vom 11. Mai 1966 verweist Lacan auf Panofskys Aufsatzsammlung (Version J.L. S. 9)
Panofsky, Erwin: Das perspektivische Verfahren Leone Battista Albertis (1914/15). In: Ders.: Deutschsprachige Aufsätze II. Hg. von Karen Michels und Martin Warnke. Akademie-Verlag, Berlin 1998, S. 653–663, im Internet hier
– Aus diesem Aufsatz übernimmt Lacan vermutlich den deutschen Terminus „Grundlinie“ (vgl. Sitzung vom 11. Mai 1966, Version J.L., S. 14)
Sekundärliteratur zu Lacans Vorlesungen über Perspektive und „Las meninas“
Bergande, Wolfram: Lacan, Kojève und „Las meninas“ von Velázquez. In: RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse – Freud – Lacan. 15. Jg. (2000), Heft 48, S. 53–86; im Internet hier
– Analysiert Las meninas vor allem mithilfe von Lacans Theorie des Spiegelstadiums. Auf Lacans eigene (und völlig andere) Analyse des Bildes gibt der Autor in den Anmerkungen einige knappe Hinweise.
Bergande, Wolfram: Das Bild als Selbstbewusstsein. Bildlichkeit und Subjektivität nach Hegel und Lacan am Beispiel von Diego de Velázquez’ „Las meninas“. In: Karin Nitzschmann und Philipp Soldt (Hg.): Die Arbeit der Bilder. Psychosozial-Verlag, Gießen 2009, S. 155–181; im Internet hier
– Analysiert Las meninas auch hier vor allem mit Lacans Theorie des Spiegelstadiums. Die Hinweise auf Lacans eigene Analyse des Bildes sind noch knapper als in der älteren Version dieses Aufsatzes.
Brockelman, Tom: The other side of the canvas: Lacan flips Foucault over Velázquez. In: Continental Philosophy Review, 46. Jg. No. 1, April 2013, S. 271–290; im Internet hier.
Charraud, Nathalie: Lacan et les mathématiques. Anthropos, Paris 1997, darin über die Las-Meninas-Analyse: Kapitel III.4: „Réduction du fantasme au mathème“ (S. 97–101)
– These von Ch. N.: Der Punkt im Unendlichen bzw., bezogen auf die Kreuzhaube, der Punkt der Selbstdurchdringung [gemeint sind vermutlich die beiden singulären Punkte] entzieht sich sowohl der Anschauung als auch dem Universum der Signifikanten. Es ist dies ein Punkt im Realen, ein Punkt a, der nur algebraisiert werden kann. Dieser Punkt a wird von den Objekten a abgedeckt.
- Neben dem Artikel von Porge 1988 ist dies der wichtigste Beitrag zum Verständnis von Lacans Las-Meninas-Analyse
Copjec, Joan: The strut of vision. Seeing’s somatic support. In: Qui parle, 9. Jg. (1996), Heft 2, S. 1–30, im Internet hier; nachgedruckt in: Dies.: Imagine there’s no woman. MIT-Press, Cambridge, Mass. 2002, S. 176–195
– Enthält Hinweise zu Lacans Darstellung der Renaissance-Perspektive in Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse, nichts zu Lacans Las-meninas-Deutung.
Elalouf, Jérémie: La perspective comme forme du réel. In: Philippe Cardinali und Marc Perelman (Hg.): Ville et architecture en perspective. Presses universitaires de Paris Nanterre, 2018, S. 79–105, im Internet hier
- Enthält eine gute knappe Darstellung von Lacans Verwendung der projektiven Geometrie in der Las-Meninas-Analyse
Georgin, Jean-Pierre; Porge, Erik: Au-dessus de l’horizon il n’y a pas le ciel. In: Littoral. Revue de psychanalyse, Nr. 29, 1989, S. 137–155, im Internet hier
– Über Lacans Konstruktion der Perspektive in Seminar 13; für das Verständnis dieser Konstruktion (Verhältnis von Perspektive und Kreuzhaube) sehr hilfreich.
Guéguen, Pierre Gilles: Foucault and Lacan on Velázquez: The Status of the Subject of Representation. In: Newsletter of the Freudian Field 1, Nr. 2/3, 1989, S. 51–57, im Internet hier
Hérouville, Xavier d’: Les Ménines: ou l’art conceptuel de Diego Vélasquez. l’Harmattan, Paris 2015
-- Collage von Zitaten von Foucault und Lacan, ergänzt um romanhafte Erfindungen über das Innenlebens von Lacans Zuhörern. Für das Verständnis von Lacans Las-meninas-Deutung unergiebig. .
Lemosof, Alain: XIII. L’objet de la psychanalyse (1965-66). In: Moustapha Safouan u.a. (Hg.): Lacaniana. Les séminaires de Jacques Lacan. 2. 1965-1979. Fayard, Paris 2005
-- Enthält u.a. eine Zusammenfassung der Sitzungen über Perspektive und Las meninas.
Lis, Jacques: L’espace du regard en peinture. In: Revue du littoral, Nr. 30, Oktober 1990, S. 145–165, im Internet hier
– ab S. 157 zu Lacans Rekonstruktion der Perspektive im Seminar Das Objekt der Psychoanalyse, anknüpfend an Georgin/Porge 1989
Melenotte, George-Henri: L’effet Ménines. Foucault, Lacan, Picasso, Leroy. Epel, Paris 2024, darin Kapitel II, „Quand Lacan fait des Ménines de Vélasquez l’image du fantasme“, S. 37–56
Miller, Jacques-Alain: L’image du corps en psychanalyse. In: La Cause freudienne 2008/1, Nr. 68, S. 94-104, im Internet hier
- Kurzer Hinweis auf Lacans Las-Meninas-Analyse auf S. 101
Nominé, Bernard: Las meninas de Velázquez (La topologia de los tres planos). In: Ders.: Perspectivas de Las meninas. Federación de Foros del Campo Lacaniano en España (FFLCE), San Sebastián 2009 , S. 53-67, im Internet hier
– Seminar von Beranrd Nominé in San Sebastián 1990/91 mit dem Titel „El marco del fantasma y el lienzo de la identificación“, 4. Sitzung
Nominé, Bernard: Perspectivas de Las meninas. In: Ders.: Perspectivas de Las meninas. Federación de Foros del Campo Lacaniano en España (FFLCE), San Sebastián 2009, p. 111–127, im Internet hier
– Ein am 17. April 2009 im Museo del Prado, Madrid, gehaltener Vortrag
Nominé, Bernard: L’écrit et la voix. In: Champ lacanien. Revue de psychanalyse, 8. Jg. (2011), Nr. 10, Dossier: La parole et l’écrit dans la psychanalyse, S. 125-132, im Internet hier
-- Enthält auf S. 125–126 Bemerkungen zu Lacans Las-meninas-Interpretation.
Porge, Erik: L’analyste dans l’histoire et dans la structure du sujet comme Velázquez dans „Les Ménines“. In: Littoral. Revue de psychanalyse, Nr. 26, 8. Jg., November 1988, S. 3–29 (érès), im Internet hier
-- Grundlegend für das Verständnis von Lacans Las-Meninas-Vorlesungen, vor allem von S. 16 bis Schluss. Porge zeigt dort die Beziehungen zwischen dem 3-Punkte-Schema der Perspektive (Augpunkt, Fluchtpunkt, Distanzpunkt), dessen Umdeutung mithilfe der projektiven Geometrie und Lacans Formel des Phantasmas ($◊a).
Porge, Erik: La chute du regard de l’analyste. In: Ders.: Jacques Lacan, un psychanalyste. Parcours d’un enseignement. Durchgesehene und aktualisierte Auflage. érès, Toulouse 2014, S. 359–365
Porge, Erik: La leçon des Ménines de Vélazquez. In: Ders.: Le ravissement de Lacan. Marguerite Duras à la lettre. Érès, Toulouse 2015, S. 37–53
- Enthält eine Zusammenfassung des Aufsatzes von Georgin/Porge 1989
Porge, Erik: La sublimation, une érotique pour la psychanalyse. Érès, Toulouse 2018
– darin zu Lacans Las-Meninas-Deutung: S. 137 f.
Quinet, Antoni: Le plus de regard. Destins de la pulsion scopique. Étude psychanalytique. Éditions du Champ lacanien, Paris 2003; Nachdruck Éditions Nouvelles du Champ lacanien, Paris 2019
- zu Lacans Las-Meninas-Deutung: Kap. IV.2, „Le tableau du fantasme“, S. 173–215
Safouan, Moustapha: Dix Conférences de psychanalyse. Paris, Fayard 2001
– zu Lacans Las-Meninas-Analyse: S. 81 f.
Sarduy, Severo: L’ellipse du sujet: Velázquez. In: Ders.: Barroco. Seuil, Paris 1975 (spanisch 1974), Kap. III.6., S. 85–90
Schuster, Aaron: The Lacan-Foucault Relation. Las Meninas, Sexuality, and the Unconscious. (Lecture at the “Lacan Contra Foucault” conference, American University of Beirut, December 4, 2015.), im Internet hier.
Viltard, Mayette: Foucault-Lacan : la leçon des Ménines. In: L’Unebévue, No. 12. Epel, Paris 1999, S. 57–89, im Internet hier.
Zu Lacans Ästhetik
Regnault, François: Lacan’sche Ästhetik. Vier Vorlesungen (1997). Übersetzt von Christoph Sökler. Turia und Kant, Wien 2016
Zu Lacans Theorie des Blicks (unabhängig von der Las-Meninas-Analyse)
Cremonini, Andreas: Die Nacht der Welt. Ein Versuch über den Blick bei Hegel, Sartre und Lacan. In: Gondek, Hans-Dieter, u.a. (Hg.): Jacques Lacan – Wege zu seinem Werk. Klett-Cotta, Stuttgart 2001, S. 164–188
Cremonini, Andreas: Die Durchquerung des Cogito. Lacan contra Sartre. Wilhelm Fink, München 2003
Salecl, Renata, und Slavoj Žižek (Hg.): Gaze and voice as love objects. Duke University Press, Durham und London 1996
Zur projektiven Ebene und zur Kreuzhaube bei Lacan
Darmon, Marc: Essais sur la topologie lacanienne. Nouvelle édition, revue et augmentée. Éditions de l’Association Lacanienne Internationale, Paris 2004, darin Kapitel VI: „La topologie du sujet“, S. 177–252, zur Kreuzhaube v.a. S. 179–185, 200–203, 209–211, 225 f.
Georgin, Jean-Pierre: Du plan projectif au cross-cap. In: Littoral. Revue de psychanalyse, Nr. 17, September 1987, S. 147–168, im Internet hier
Granon-Lafont, Jeanne: La topologie ordinaire de Jacques Lacan. Point Hors Ligne, Paris 1985, darin Kapitel IV: „Le plan projectif ou cross-cap“, S. 69–90; englische Übersetzung: Jeanne Lafont: The ordinary topology of Jacques Lacan. Übersetzt von Jack W. Stone. University of Missoury, M.I.T 1986, im Internet hier.
Nasio, Juan-David: Introduction à la topologie de Lacan. Payots et Rivages, Paris 2010 (überarbeitete Fassung von: Ders.: Topologerie. Introduction à la topologie psychanalytique. In: Ders.: Les yeux de Laure. Le concept d’objet a dans la théorie de J. Lacan. Aubier, Paris 1987, S. 149–219)
Nasio, Juan-David: Object a and the cross-cap. In: Ellie Ragland und Dragan Milovanovic (Hg.): Lacan: topologically speaking. Other Press, New York 2004, S. 98–116 (Übersetzung von Nasio, Les yeux de Laure, a.a.O., S. 193–217
Petit, Jean-Pierre; Fabrice Guyod: Récit des trois rencontres entre Jean-Pierre Petit et Jacques Lacan, tournant autour de la surface du cross-cap et de la surface de Boy. In: Figures de la psychanalyse 2006/2 (Nr.14), S. 181–204.
Siboni, Jacques: Plan projectif et sujet lacanien – quelques exemples (2000), auf der Seite Lutecium im Internet hier: http://jacsib.lutecium.org/papers/l960201a/index.html
Siboni, Jacques: topologos-webex-10 Lutecium Jacques Lacan and the projective plane. Video von 2012 auf Englisch, zusammen mit Jeann Lafont. Im Internet hier, https://www.youtube.com/watch?v=GGG85uY-Tk0
Vandermersch, Bernard: Artikel „Cross-cap“ in: Roland Chemama Bernard Vandermersch (Hg.): Dictionnaire de la psychanalyse. Larousse, Paris 2009, S. 126–129.
Zu Desargues und zur projektiven Geometrie
Primärliteratur
Bosse, Abraham: Manière universelle de M. Desargues, pour pratiquer la perspective par petit-pied, comme le géométral, ensemble les places et proportions des fortes et foibles touches, teintes ou couleurs.2 vols . Paris, 1648–1653.
Desargues, Girard: Exemple de l’une des manieres universelles du S.G.D.L. touchant la pratique de la perspective usw. Paris 1636.
Desargues, Girard: Brouillon projet d’une atteinte aux evenemens des rencontre du cone avec un plan. Paris 1639.
Desargues, Girard; Taton, René: L’œuvre mathématique de G. Desargues. Hg., eingeleitet und kommentiert von René Taton. Vrin, Paris 1988.
Field, Judith Veronica, Jeremy John Gray: The Geometrical Work of Girard Desargues. Springer-Verlag, New York u.a. 1987 (Übersetzung mit ausführlichen Erläuterungen)
Sekundärliteratur
Andersen, Kirsti: The geometry of an art. The history of the mathematical theory of perspective from Alberti to Monge. Springer, New York 2007, zu Desargues: Kapitel IX.7 und IX.9.
Coxeter H.S.M.: Projective geometry. Second edition. Springer-Verlag, New York u.a. 1987
Dhombres, Jean, Joël Sakarovitch (Hg.): Desargues et son temps. Blanchard, Paris 1994.
Field, Judith Veronica: The Invention of Infinity. Mathematics and Art in the Renaissance. Oxford University Press, Oxford 1997.
Granger, Gilles Gaston: L’irrationnel. Odile Jacob, Paris 1998 zu Desargues: Kap. III, „La perspective“, S. 79–104, v.a.: „Le révolution arguésienne“, S. 95–104.
Hilbert, David, Stephan Cohn-Vossen: Anschauliche Geometrie. Julius Springer, Berlin 1932, zu Desargues: §§ 18 und 19 (enthält einen auch für Nicht-Mathematiker verständlichen Beweis des Desargues’schen Satzes).
Ivins, William M. : Art & geometry : a study in space intuitions (1946). Dover Publ., New York 1964, darin Kap. VIII, „Desargues and Pascal“, S. 87–94.
Kline, Morris: Mathematics in Western culture. Oxford University Press, London u.a. 1953, zu Desargues: Kap. XI, „Science Born on Art: Projective Geometry“, S. 144–158.
Kline, Morris: Mathematical Thought from Ancient to Modern Times. Oxford University Press, New York 1972, zu Desargues: Kap. 14, „The Beginnings of Projective Geometry“, S. 285–300.
Panofsky, Erwin: Die Perspektive als „symbolische Form“ (1927). In: Ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwisssenschaft. Hg. v. Hariolf Oberer und Egon Verheyen. Verlag Volker Spiess, Berlin 1980, S. 99–167, zu Desargues: S. 99, 125, 140.
Poncelet, J.-V.: Traité des propriétés projectives des figures. Gauthier-Villars, Paris 1865, zu Desargues : S. XXV–XXX, 86, 92 f., 409 f. (Gelenkstück zwischen Desargues und der projektiven Geometrie des 19. Jahrhunderts).
Taton, René: Desargues, Girard. In: Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): Dictionary of scientific biography. Band 4: Richard Dedekind – Firmicus Maternus. Charles Scribner’s Sons, New York 1971, S. 46–51.
Wildberger, Norman: Projective geometry. YouTube-Video 2011 (MathHistory8 = Teil 8 der Serie „A brief course on the history of mathematics).
Lacan-Rezeption in der Kunstwissenschaft
Blümle, Claudia; Heiden, Anne von der (Hg.): Blickzähmung und Augentäuschung. Zu Jacques Lacans Bildtheorie. Diaphanes, Berlin 2005 (darin: Blümle, Claudia; Heiden, Anne von der: Blickzähmung und Augentäuschung. Einleitung, S. 7–42)
Damisch, Hubert: Der Ursprung der Perspektive. Aus dem Französischen von Heinz Jatho. Diaphanes, Zürich 2010 (Original: Flammarian, Paris 1987)
-- Bezieht sich auf Lacans Blicktheorie in Seminar 11 (Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse), auf Foucault und auf Las meninas, nicht jedoch auf Lacans Deutung der Perspektive und dieses Bildes in Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse
Iversen, Margaret; Melville, Stephen: The gaze in perspective: Merleau-Ponty, Lacan, Damisch. In: Dies.: Writing art history. Disciplinary departures. University of Chicago Press, Chicago 2010, S. 109–128
Suthor, Nicole: „Triumph, über das Auge, des Blicks“. Zu Jacques Lacans Bildbegriff als Theorie des Schleiers. In: Johannes Endres, Barbara Wittmann, Gerhard Wolf (Hg.): Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher. Fink, München 2005, S. 35–58, im Internet hier
Foucault über „Las meninas“
Foucault, Michel: Les suivantes. Erstes Kapitel von ders.: Les Mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines. Gallimard, Paris 1966, S. 19–31.– Deutsch: Die Hoffräulein. In: Ders.: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Übersetzt von Ulrich Köppen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, S. 31–45 (dieses Kapitel gibt es als eigenes Buch bei Bibliothek Suhrkamp und als Insel Taschenbuch; bei Insel mit einem Kommentar zu Foucault von Rainer Marx und einer biographischen Skizze zu Velázquez von Robert A.M. Stevenson)
Foucault, Michel: Les suivantes. In: Le Mercure de France, 354. Jg. (Juli/August 1965,), Hefte 1221-1222, S. 368-384 (erste Fassung des „Las meninas“-Kapitels in „Die Ordnung der Dinge“)
Gente, Peter (Hg.): Foucault und die Künste. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004
Harlizius-Klück, Ellen: Der Platz des Königs : Las Meniñas [!] als Tableau des klassischen Wissens bei Michel Foucault. Passagen, Wien 2005
Lüdeking, Karlheinz: Die Wörter und die Bilder und die Dinge. In: René Magritte – Die Kunst der Konversation. [Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, vom 23. November 1996 bis zum 2. März 1997.] Prestel, München u.a. 1996, S. 58–72
– Zum Verhältnis Foucault – Magritte
Schmeiser, Leonhard: Blickwechsel. Drei Essays zur Bildlichkeit des Denkens. Descartes – Lacan – Foucault – Velázquez. Sonderzahl, Wien 1991
-- Bezieht sich nicht auf Lacans Las-meninas-Interpretation
Über „Las meninas“ allgemein
Überblicke
Greub, Thierry (Hg.): „Las meninas“ im Spiegel der Deutungen: Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte. Reimer, Köln 2001
Kesser, Caroline: „Las meninas“ von Velázquez: eine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte. Reimer, Köln 1994
Stratton-Pruitt, Suzanne L. (Hg.): Velázquez’s „Las meninas“. Cambridge University Press, Cambrige 2003
Einzelne Arbeiten
Arasse, Daniel: „Das Auge des Meisters“ [zu Las meninas]. In: Ders.: Guck doch mal hin. Was es in Bildern zu entdecken gibt. DuMont, Köln 2002, S. 126–155 .– Originaltitel: On n’y voit rien. Descriptions. Essai. Denoël, Paris 2000, zu Las meninas: S. 175–215
– Zum Verhältnis von Kunstgeschichte und Kunsttheorie, u.a. zu Foucault und Damisch
Asemissen, Hermann Ulrich: Las meninas von Diego Velazquez. Hg. v. Gesamthochschule Kassel, Fachbereich Kunst, Kassel 1981 (=Kassler Hefte für Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik, Heft 2)
– Entwickelt die These, dass „Las meninas“ ein abgemaltes Spiegelbild ist.
Brown, Jonathan: Über die Bedeutung von Las meninas (1978), in: Greub, a.a.O., S. 150–169
Mena Marqués, Manuela B.: Die Spitze am Ärmel der Zwergin Mari-Bárbola im Gemälde Las meninas von Velázquez (1997). in: Greub, a.a.O., S. 247–280
Moffitt, John F.: Velázquez in the Alcázar Palace in 1965. The meaning of the mise-en-scène of Las meninas. In: Art History, Vol. 6, No. 3, Sept. 1983, S. 271–300, dt.: Velázquez im Alcázar-Palast von 1656: Die Bedeutung der mise-en-scène von Las meninas. In: Greub, a.a.O., S. 40–72
Searle, John R.: „Las meninas“ und die Paradoxa der bildhaften Repräsentation. In: Greub, a.a.O., 2001, S. 172–182 (zuerst in: Critical Inquiry 6 (1980), S. 477–88)
Snyder, Joel: „Las meninas“ and the mirror of the prince. In: Critical Inquiry, Vol. 11, Heft 4, 1985
Snyder, Joel; Cohen, Ted: Reflexions on „Las meninas“: Paradox Lost. In: Critical Inquiry, Vol. 7, No. 2 (Winter, 1980), S. 429–447
– Kritik an Searle
Warnke, Martin: Las meninas. In: Ders.: Velázquez. Form und Reform. DuMont, Köln 2005, S. 152–163
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Anmerkungen
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Diesen Erscheinungstag gibt der Gallimard-Verlag an, hier.
Untertitel der französischen Ausgabe: Une archéologie des sciences humaines.
Deutsche Übersetzung: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Übersetzt von Ulrich Köppen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1. Auflage 1974.
-
Mercure de France, 354. Jg., Juli/August 1965, Hefte 1221–1222, S. 368–384.
-
J. Lacan: L’objet de la psychanalyse, dit „Séminaire XIII“. Prononcé à l’E.N.S. 1965–1966. Hg. von Michel Roussan. Paris 2006, nicht im Buchhandel, über Roussan zu beziehen.
-
Vgl. das Interview mit einer der Stenotypistinnen, Frau M., in: Rencontre avec la sténotypiste, Anhang zur Stécriture-Ausgabe von Seminar 8, Le transfert, hier.
-
J. Lacan: L’objet …. 1965/66. Ohne Ort, ohne Jahr. Website staferla.free.fr
-
im ersten Jahr meiner Vorträge hier: Mit „hier“ ist die École normale supérieur (ENS) de Paris in der Rue d’Ulm gemeint. Im Jahre 1963 wurde Lacan von der Société française de psychanalyse die Zulassung als Lehranalytiker entzogen. Damit verlor er auch die Erlaubnis, seine Seminare im Sainte-Anne-Krankenhaus in Paris zu halten. 1964 bekam einen Lehrauftrag von der École pratique des hautes études, 6. Sektion, und sein Unterrichtsort wurde nun für einige Jahre die ENS in der Rue d’Ulm.
zwei oder sogar drei berühmte Seminare: Mit „Seminar“ sind hier Seminarsitzungen gemeint. Tatsächlich waren es vier Sitzungen. Vgl. J. Lacan: Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzungen vom 19. Februar, 26. Februar, 4. März und 11. März 1964 (J. Lacan: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Das Seminar, Buch XI. 1964. Textherstellung von Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau 1978, S. 73–126).
-
Michel Foucault: Les suivantes. Erstes Kapitel von ders.: Les Mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines. Gallimard, Paris 1966, S. 19–31.– Deutsch: Die Hoffräulein. In: Ders.: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Übersetzt von Ulrich Köppen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, S. 31–45.
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Vgl. Seminar 11, Sitzung vom 11. März 1964, Version Miller/Haas, a.a.O., S. 112.– Siehe hierzu auf dieser Website auch den Artikel „Das Schema von Auge und Blick“.
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Quelle der Abbildung: Georgin/Porge, a.a.O., S. 144, Abb. 5.
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unsere Topologie: Lacan verwendet den Ausdruck Topologie im laufenden Seminar in zwei verschiedenen Bedeutungen, einer weiteren und einer engeren. Im weiteren Sinne versteht er hier unter Topologie die Lehre von den mathematisch beschreibbaren räumlichen Strukturen, im engeren Sinne die Lehre von den Strukturen, die bei stetiger Verformung erhalten bleiben. Seit Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, hatte er versucht, die Topologie im engeren Sinne für die Psychoanalyse fruchtbar zu machen; zu den Flächen der mathematischen Topologie gehört die Kreuzhaube (oder cross-cap), die Lacan im laufenden Seminar 13 ausführlich behandelt hatte, in den Sitzungen vom Dezember 1965 und vom Januar 1966. An der aktuellen Stelle scheint er wohl eher den weiteren Begriff von Topologie zu verwenden, denn anschließend spricht er über die projektive Geometrie, die nicht mit der Topologie i.e.S. gleichzusetzen ist.
Man muss drei Arten von Geometrie unterscheiden, die metrische Geometrie, die projektive Geometrie und die Topologie. In der metrischen Geometrie (wozu auch die euklidische Geometrie gehört) gelten zwei Figuren dann als äquivalent, wenn sie gleich sind, was durch Messung festgestellt wird, etwa der Längen und Winkel. In der projektiven Geometrie wird nicht gemessen; hier gelten zwei Figuren dann als äquivalent, wenn sie durch eine projektive Transformation ineinander überführt werden können, d.h. wenn die eine Figur eine perspektivische Darstellung der anderen ist. Allerdings gibt es hier doch einen Rest von Messung; die projektive Geometrie arbeitet mit geraden Linien, und um festzustellen, ob eine Linie gerade ist, braucht man ein Lineal oder ein vergleichbares Messgerät. In der Topologie gibt es keine geraden Linien, hier gelten zwei Figuren dann als äquivalent, wenn sie sich durch kontinuierliche Verformung ineinander umwandeln lassen. (Vgl. Henri Poincaré: Pourquoi l’espace a trois dimensions. In: Ders.: Dernières pensées. Flammarion, Paris 1920, S. 57–97, hier: S. 57 f.)
Es gibt jedoch eine Verbindung zwischen projektiver Geometrie und Topologie i.e.S.: Die grundlegende Fläche der projektiven Geometrie, nämlich die projektive Ebene (die durch eine Linie im Unendlichen erweiterte euklidische Ebene) ist einer der Flächen der Topologie äquivalent: der Kreuzhaube; die Äquivalenz der beiden Flächen besteht darin, dass sie durch stetige Verformung ineinander überführt werden können.
Als Begründer der Topologie gilt Euler mit dem Euler’schen Polyedersatz (1752), wonach Folgendes gilt: Bei einem Polyeder ist die Anzahl der Ecken minus der Anzahl der Kanten plus der Anzahl der Flächen gleich 2 (E – K + F = 2). Dieser Satz gehört insofern zur Topologie, als die Beziehung auch dann erhalten bleibt, wenn die Kanten und die Flächen verbogen werden. Im 19. Jahrhundert wurde die Topologie durch Johann Benedict Listing, Ludwig Schläfli und Felix Klein weiterentwickelt. 1895 begründete Henri Poincaré dann mit Analysis situs die algebraische Topologie (zu diesem Zeitpunkt wurde die Topologie Analysis situs genannt). Eine auch für Nicht-Mathematiker leicht verständliche Darstellung seiner Topologie gibt er selbst in Wissenschaft und Hypothese (frz. 1902). Übers. von F. und L. Lindemann. Teubner, Leipzig 1904, Teil II „Der Raum“, S. 36–90.
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dass sie keine Metapher sei: In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte Lacan gesagt:
„Kürzlich hat mich jemand gefragt, ob – ich meine jemand, der nicht aus unserem Fach kommt, ein sehr angesehener Mathematiker, dessen Freund zu sein ich seit einiger Zeit die Ehre habe und den einige hier kennen, zumindest durch die Verbindung, die ich begonnen habe, zwischen ihnen und ihm herzustellen –, dieser jemand also, der das Erscheinen des ersten Heftes des Epistemologischen Zirkels keineswegs unbeachtet gelassen hat, hat mir einige Fragen zu bestimmten Texten von Herrn Milner und von Herrn Miller gestellt, und er war über das, worum es ging, in gewisser Weise beunruhigt, nämlich ob es sich um mathematische Modelle oder sogar um mathematische Metaphern handele. Ich glaubte, ihm antworten zu können, dass die Dinge in meinem Denken weitergingen und dass die Strukturen, um die es sich handelt, zu Recht als solche angesehen werden können, die zur Ordnung eines Hypokeimenon gehören, einer Stütze, ja einer Substanz dessen, wodurch unser Feld konstituiert wird.
Der Terminus der Denkform, der hier immer als Zugang dient, ist ungeeignet.
Vergessen Sie jedoch nicht, dass derjenige, der die Frage der Revision der topologischen Formen als Grundlage der Geometrie in herausragender Weise eingeführt hat – Henri Poincaré, um seinen Namen zu nennen, und seine Veröffentlichungen, die, wie Sie wissen, mit dem Resümee der Mathematischen Gesellschaft von Palermo beginnen –, begreifen Sie doch, dass es sich hier um etwas handelte, das beim Mathematiker selbst eine Art Exerzitium (exercice) notwendig macht, wobei das Exerzitium darin besteht, dass er die ihm vertrauten intuitiven Rahmen selbst zerbricht, und dass Poincaré zugab, dass diese Bezüge zur Quelle für eine Art Konversion der intuitiven Betätigung (exercice) des Geistes wurden, für eine Konversion, die er, um diese Revision herbeizuführen nicht nur für grundlegend, sondern für notwendig hielt.“
(Seminar 13, Sitzung vom 30. März 1966, Version J.L. S. 14 f., meine Übersetzung nach Version Roussan)
Mit dem Epistemologischen Zirkel ist der von 1966 bis 1969 bestehende Cercle d’épistémologie de l’École Normale Supérieur gemeint, die von diesem Zirkel herausgegebene Zeitschrift hieß Cahiers pour l’Analyse. Das erste Heft (Februar 1966) wurde von Jacques-Alain Miller und Jean-Claude Milner herausgegeben. In dieser Nummer erschien auch die erste Sitzung von Lacans laufendem Seminar L’objet de la psychanalyse, unter dem Titel „Die Wissenschaft und die Wahrheit“. Im Internet findet man die Cahiers pour l’Analyse hier.
Poincaré: Lacan bezieht sich vermutlich auf die Arbeit, mit der Poincaré die algebraische Topologie begründete: Analysis situs. Sie erschien zuerst in: Journal de l’École Polytechnique, Reihe 2, Band 1, 1895, S. 1–123. Zu diesem Text hat Poincaré fünf Nachträge veröffentlicht, der erste erschien in: Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo, Band 13, 1899, S. 285–343.
Englische Übersetzung von Analysis situs und aller fünf Nachträge: Henri Poincaré: Papers on topology. Analysis situs and its five supplements. Übersetzt von John Stillwell. American Mathematical Society, Providence (Rhode Island, USA) 2010.
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Jouissance: Über die Jouissance hatte Lacan in laufenden Seminar immer wieder gesprochen, zuletzt in der vorhergehenden Sitzung, wo es hieß: Freud zufolge sei die Funktion des Symptoms an sich Jouissance, es gebe also noch andere Formen der Jouissance als den Orgasmus (im Französischen meint jouissance häufig „Orgasmus“); Freud habe die Funktion des Orgasmus und die des Symptoms in eine Äquivalenzbeziehung gebracht (Sitzung vom 27. April 1967, Version J.L. S. 32; vgl. die Übersetzung dieser Passage hier).
Zur Jouissance wird Lacan sich im laufenden Seminar 13 noch mehrfach äußern (Sitzungen vom 8., 15. und 22. Juni 1966), nicht jedoch in den Vorträgen zu Las meninas. Eine Passage aus der Sitzung vom 15. Juni 1966, die sich u.a. auf die Jouissance bezieht, findet man in Teil IV dieser Übersetzung der Las-Meninas-Sitzungen; siehe hier, zweiter Nachtrag).
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Metapher: Lacan entwickelt seine Theorie der Metapher vor allem in dem Aufsatz Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (1957) (in: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626).
Die Hauptfunktion einer Metapher besteht demnach darin, eine Bedeutung zu erzeugen, ein Signifikat.
„Die Metapher des Subjekts“ ist auch der Titel eines Beitrags von Lacan aus dem Jahr 1960 (in: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 429–434).
Kombinatorik: Die kombinatorische Topologie befasste sich mit der Anwendung kombinatorischer Methoden auf die Topologie und ging Anfang des 20. Jahrhunderts in der algebraischen Topologie auf. In Seminar 9 (1961/62), Die Identifizierung, in dem Lacan die Topologie i.e.S. mit seiner Theorie der Psychoanalyse verbindet, bezeichnet er sie als „topologische Kombinatorik“ (vgl. Sitzung vom 13. Dezember 1961). Im Folgenden wird er auch die projektive Geometrie als Kombinatorik charakterisieren, da sie sich auf das Dualitätsprinzip stützt.
Seit 1953 erklärt Lacan beständig, dass die Beziehung zwischen Signifikanten den Charakter einer Kombinatorik hat (vgl. etwa Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse (1953). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–381, hier: S. 317). Er verweist hierfür immer wieder auf die Elementaren Strukturen der Verwandtschaft von Claude Lévi-Strauss (1949).
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Schirm: Den Begriff des Schirms hatte Lacan zwei Jahre zuvor in seinen Vorlesungen über den Schautrieb und den Blick als Objekt a eingeführt (Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzungen vom 19. Februar, 26. Februar, 14. März und 11. März 1964); die nun beginnenden vier Sitzungen über den Schautrieb schließen hieran an. Das Material, mit dem die Psychoanalyse es zu tun hat – Assoziationen, Phantasmen, Träume, Fehlleistungen –, dieses Material zeigt etwas und verbirgt zugleich. Der Begriff des Schirms bezieht diesen Doppelcharakter auf die Ordnung des Sichtbaren.
Ein französischsprachiger Psychoanalytiker wird écran („Schirm“) vor allem mit souvenir d’écran verbinden, einer der Übersetzungen von Freuds Begriff der „Deckerinnerung“. An dieser Stelle wird der Begriff von Lacan breiter gefasst.
Lacans Beschreibung des Schirms erinnert an Heideggers Wahrheitsbegriff als Einheit von Verbergen und Entbergen.
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Fläche: Damit wird angedeutet, dass die visuelle Struktur des Subjekts es mit der Fläche zu tun hat.
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Ruyer: Vgl. Raymond Ruyer: Paradoxes de la conscience et limites de l’automatisme. Michel, Paris 1966, im Internet hier. Auf diese Arbeit hatte Lacan sich bereits in der vorangegangenen Sitzung dieses Seminars bezogen (27. April 1966).
Zu Ruyer heißt es in Seminar 2 von 1954/55, Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse: „Ich schätze normalerweise das, was Monsieur Ruyer schreibt, aber nicht sein Buch über die Kybernetik.“ (Sitzung vom 9. Februar 1955; Version Miller/Metzger S. 154)
In Seminar 11 bezieht Lacan sich kritisch auf Ruyers Charakterisierung des Bewusstseins als „Überflug“ in dessen Arbeit über Neo-Finalismus (vgl. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 4. März 1964; Version Miller/Haas S. 104). In Seminar 11 hatte Lacan den Begriff des Überflugs zugleich übernommen, der absolute Überflug, so heißt es dort, sei der Fleck (a.a.O., S. 104). Auf das Konzept des „Überflugs“ stützt Ruyer sich auch in Paradoxes de la conscience.
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Homologie und Homothetie: Diese Bemerkung bezieht sich nicht auf die Arbeit von Ruyer, sondern auf die von Poincaré in Analysis situs (1895) entwickelte Topologie; Homologie und Homothetie sind Begriffe von Poincaré.
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Methode: Das griechische Wort methodos bedeutet „Weg“ (einer Untersuchung).
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kartesische Unterscheidung: Descartes unterscheidet in den Principia philosophiae (1644) drei Substanzen: res extensa, die ausgedehnte Substanz (den Raum), res cogitans, die denkende Substanz, und Gott.
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in dem undenkbaren Sinne:
? Worin besteht die Undenkbarkeit?partes extra partes, lateinisch, „Teile außerhalb von Teilen“.
Homogen: Bereits der euklidische Raum ist homogen, d.h. alle Punkte sind geometrisch gleich; dieser Raum ist außerdem isotrop, d.h. an einem Punkt sind alle Richtungen gleich. Nicht-homogen ist der Raum von Aristoteles, in dem jedes Ding seinen natürlichen Ort hat, zu dem es hinstrebt; außerdem hat die Richtung von oben nach unten hier eine Vorrangstellung, da Gegenstände von oben nach unten fallen. Nicht-homogen ist auch der visuelle Raum, insofern hier Punkte in der Mitte anders erscheinen als Punkte, die am Rande liegen (vgl. Poincaré, Wissenschaft und Hypothese, a.a.O., S. 54).
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Denken und Raum: Die These, dass das Denken nicht vom Raum getrennt werden kann, findet man auch bei Ruyer (Paradoxes, a.a.O., S. 22).
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Geometrie: Das Wort „Geometrie“ kommt aus dem Griechischen: geometria, „Erdmessung“. Die euklidische Geometrie ist eine Geometrie, in der gemessen wird, im Unterschied zur projektiven Geometrie und zur Topologie, in denen nicht gemessen wird (abgesehen davon, dass die projektive Geometrie mit geraden Linien operiert, was nur durch Messung festgestellt werden kann).
Messen: In der Sitzung vom 1. Juni 1966 des laufenden Seminars wird Lacan zur Frage der Perspektive auf Arbeiten von William Mills Ivins verweisen (ohne dessen Namen zu verwenden). Über Euklids Elemente schreibt Ivins:
„It is important to notice that descriptive theorems hardly exist in the Elements and that the dominant idea of the book is the metrical one inherent in the two great basic tactile-muscular assumptions of congruence and parallelism. The very etymology of the word geometry shows that, in the minds of the Greeks who coined it, it referred to a metrical study.“
(William Mills Ivins: Art & geometry : a study in space intuitions. Dover Publ., New York 1964 (1. Aufl. 1946), S. 39)
„The meaning of all these things is quite simply that Euclid’s geometry was based on the tactile-muscular intuitions. It is further important to notice that neither Euclid nor any of his Greek successors made any use in proof of the idea of infinity. The tactile-muscular awarenesses of things are awarenesses of things here, literally at hand. Infinity, wherever it is, as by definition escapes handling and measurement. Intuitionally it belongs in the field of vision.“
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Der Mensch ist das Maß aller Dinge: Der Satz wird dem Sophisten Protagoras zugeschrieben.
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More geometrico („nach geometrischer Art“), über eine Theorie ausgesagt, bedeutet, dass die Theorie beansprucht, nach Art von Euklids Elementen aufgebaut zu sein, d.h. in Form einer zwingenden Ableitung, ausgehend von obersten Sätzen, die evident sind, d.h. die ohne Begründung jedermann einleuchten (Axiomen, Prinzipien). Die bekanntesten Philosophen, die sich um diesen Typ der Theoriebildung bemühten, sind Descartes und Spinoza (René Descartes, Mediationen über die Erste Philosophie (1641), darin die Erläuterungen zur geometrischen Methode in den „Erwiderungen auf die zweiten Einwände“; Baruch Spinoza, Ethik (1677), im lateinischen Original lautet der Titel: Ethica, ordine geometrico demonstrata, „Ethik, nach geometrischer Methode bewiesen“.
Projektive Geometrie: Die projektive Geometrie, ein Teilgebiet der Geometrie, nimmt an, dass Parallelen sich im Unendlichen schneiden, was in der euklidischen Geometrie durch das sogenannten Parallelenaxiom ausgeschlossen ist; die projektive Geometrie verlässt also den Boden der euklidischen Geometrie. Die projektive Geometrie arbeitet nicht nur mit unendlich fernen Punkten („Fernpunkten“, „uneigentlichen Punkten“), sondern auch mit unendlich fernen Geraden („Ferngeraden“) sowie mit Ebenen, bei denen die euklidische Ebene von einer unendlich fernen Geraden umgeben ist, mit sogenannten projektiven Ebenen.
Die euklidische Geometrie verwirft Punkte im Unendlichen. Sie arbeitet mit unendlich langen Geraden, kennt aber keine Geraden im Unendlichen, keine Geraden, die ganz und gar, mit all ihren Punkten, im Unendlichen liegen.
Die unendlich langen Geraden der euklidischen Geometrie sind potentiell unendlich, d.h. die Unendlichkeit besteht hier darin, dass eine endlich lange Gerade stets weiter verlängert werden kann. Der Fernpunkt der projektiven Geometrie ist aktual unendlich, er ist ein jetzt gegebener Punkt.
Auch für Nicht-Mathematiker verständliche Überblicksdarstellungen der projektiven Geometrie sind:
– Morris Kline: Mathematical Thought from Ancient to Modern Times. 3. Bde. Oxford University Press, Oxford u.a. 1972, darin: Kap. 14, „The beginnings of projective geometry“ (17. Jh., Desargues u.a.) , S. 285-301, Kap. 34, „The revival of projective geometry“ (19. Jh., Poncelet u.a.), S. 834-860.
– Norman John Wildberger: MathHistory8: Projective geometry, 2011, YouTube-Video;
– Ausführlicher von Wildberger zur projektiven Geometrie auf YouTube: WildTrig31 bis WildTrig41, 2008.Kombinatorik: Der kombinatorische Charakter der projektiven Geometrie besteht darin, dass Beweise hier auf dem Dualitätsprinzip beruhen (vgl. die Erläuterung weiter unten den Fußnoten).
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Messung: Grundlegend für die euklidische Geometrie ist das Messen (von Längen und Winkeln) und die Überdeckung oder Kongruenz. In der projektiven Geometrie hingegen wird nicht gemessen.
die oft mühselige Anstrengung, an die man sich erinnern wird: Wohl ein Hinweis auf auf den Schulunterricht.
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Umklappen: Der Nachweis dafür, dass ein Dreieck gleichschenklig ist, wird so geführt, dass durch die Mitte der Basis des Dreiecks eine Senkrechte gezogen wird und dass dann die eine Hälfte auf die andere geklappt wird – wenn die beiden Hälften sich genau überdecken, ist das Dreieck gleichschenklig.
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Äquivalenz durch Transformation: Lacan bezieht sich hier vermutlich auf den von Poncelet eingeführten Begriff der projektiven Eigenschaft. Eine Eigenschaft ist dann projektiv, wenn sie bei zentralprojektiver Abbildung invariant ist.
Das Buch, mit dem Poncelet im 19. Jh. die projektive Geometrie begründete, hat den Titel Traité des propriétés projectives des figures (1822), „Abhandlung über die projektiven Eigenschaften der Figuren“.
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wirkliche Künstler: Lacan folgt hier der Annahme, dass sich die Erfindung der projektiven Geometrie durch den Mathematiker Gaston Desargues im Jahre 1639 auf die Entwicklung der Perspektive in der Renaissance-Malerei stützt. Diese These kann darauf verweisen, dass Desargues nicht nur über projektive Geometrie geschrieben hat, sondern auch über Perspektive – allerdings in zwei verschiedenen Texten.
Zu den Beziehungen zwischen Renaissance-Malerei, euklidischer Geometrie und der Begründung der projektiven Geometrie durch Desargues vgl.:
- Judith V. Field: The invention of infinity. Mathematics and art in the Renaissance. Oxford University Press, Oxford u.a. 1997.
- Kirsti Andersen: The geometry of an art. The history of the mathematical theory of perspective from Alberti to Monge. Springer, New York 2007. -
Perspektive: Lacan beschreibt hier die Perspektive als Zentralprojektion. Die Aufgabe besteht darin, dreidimensionale Objekte auf einer Fläche abzubilden. Die Lösung besteht in der Zentralprojektion. Ausgangspunkt für dieses Projektionsverfahren sind zwei Ebenen, die Grundebene und die Abbildungsebene; jedem Punkt einer Figur auf der einen Ebene entspricht ein Punkt einer Figur auf der anderen Ebene und umgekehrt. Die Projektionsgeraden, welche die Punkte der beiden Ebenen verbinden, schneiden sich in einem Punkt, der außerhalb der beiden Ebenen liegt, dem „Augpunkt“ (oder „Augenpunkt“ oder „Zentralpunkt“). Grundlage ist die euklidische Geometrie.
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Schirm: Mit dem Schirm dürfte die Abbildungsebene gemeint sein. Vom Augpunkt aus gesehen ist die Grundebene nur indirekt mittels der Abbildungsebene zugänglich. In der Zentralprojektion bzw. Perspektive entspricht dem Subjekt der Augpunkt, der Welt entspricht die Grundebene und dem Schirm die Abbildungsebene, von der angenommen wird, dass sie zwischen dem Augpunkt und der Grundebene hindurchführt.
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Vorstellung und Vorstelllungsrepräsentanz: Die Opposition zwischen Vorstellung (oder Repräsentation) und Vorstellungsrepräsentanz (Repräsentanz der Repräsentation) soll vermutlich der Opposition zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten entsprechen.
Mit représentant de la représentation übersetzt Lacan Freuds Begriff der Vorstellungsrepräsentanz. Freud bezieht sich damit auf eine Vorstellung, insofern sie etwas repräsentiert, nämlich den Trieb. Lacan versteht den Begriff anders, als Repräsentanz einer Vorstellung, als Ersatz für eine Vorstellung. Die Vorstellung ist für Freud das Repräsentierende, für Lacan ist sie das Repräsentierte. Die Vorstellungsrepräsentanz ist für Lacan ein unbewusster Signifikant, der etwas repräsentiert, das nicht Signifikant werden kann. Dieses Unrepräsentierbare ist das Objekt a. Vgl. diesen Artikel in Lacan entziffern.
In Die Dritte (1974) wird Lacan sagen:
„Vielleicht wird uns die Analyse dazu bringen, die Welt als das anzusehen, was sie ist: imaginär. Dazu gelangt man nur dadurch, dass man die Funktion der sogenannten Vorstellung (représentation) reduziert, um sie dort anzusetzen, wo sie ist, nämlich im Körper.“
(Meine Übersetzung, von hier; vgl. Version Lettres de l’Ècole freudienne, S. 184).
Und in Seminar 22 von 1973/74, RSI, wird es heißen:
„Die Repräsentation ist Reflex des Organismus; das ist die geringste der Unterstellungen, die der Körper impliziert.“ (Sitzung vom 10. Dezember 1974).
Die Repräsentation geht demnach (falls man diese Bemerkungen von 1974 auf das Jahr 1966 zurückprojizieren darf) auf das Körperbild zurück.
Repräsentation ist einer der Hauptbegriffe von Foucaults Las-meninas-Analyse – das Bild sei vielleicht „die Repräsentation der klassischen Repräsentation“, heißt es dort (a.a.O., S. 45).
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Höhlenmalerei: Auf die Höhlenmalerei hatte Lacan sich bereits in Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse, bezogen (Sitzung vom 10. Februar 1960, Version Miller/Haas S. 171 f.). Er knüpft dort an einen Aufsatz von Ella Sharpe an, in dem ebenfalls die Höhlenmalerei thematisiert wird: E.S.: Certain aspects of sublimation and delusion (1930). In: Dies.: Collected Papers on Psycho-Analysis. Hogarth, London 1950, S. 125–136.
etwas ganz anderes als eine metaphorische Bedeutung: Damit spielt Lacan vermutlich auf den Projektionscharakter von Platons Höhlengleichnis an – die Projektion ist das Hauptthema der laufenden Sitzung. (In Platons Gleichnis werden hinter den Gefesselten Statuen vorbeigetragen, hinter denen wiederum ein Feuer brennt, diese räumliche Anordnung hat zur Folge, dass die Schatten der Statuen auf die Höhlenwand vor den Gefesselten projiziert werden.)
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Leroi-Gourhan: Vgl. André Leroi-Gourhan: Le Geste et la parole. 2 Bde. Albin Michel, Paris 1964 und 1965. Deutsch: Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst. Übersetzt von Michael Bischoff. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980.
um von den Signifikanten des Eingangs für die Signifikanten des Endes repräsentiert zu werden: Anspielung auf Lacans Formel „Ein Signifikant ist das, wodurch für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird“; vgl. diesen und diesen Blogartikel.
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Funktion des Schirms:
? Worin besteht im Falle der Höhlenmalerei die Funktion des Schirms? -
Schrift: Anspielung auf Leroi-Gourhans These, dass die frühen Kunstwerke der Schrift näher stehen als dem Kunstwerk (vgl. Hand und Wort, a.a.O., S. 240).
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metonymischer Charakter des Realismus: Die These vom metonymischen Charakter des Realismus stammt von Roman Jakobson. Vgl. R. Jakobson: Zwei Seiten der Sprache und zwei Typen aphatischer Störungen (1956). Übersetzt von Georg Friedrich Meier, Überarbeitung der Übersetzung durch Wolfgang Raible. In: R. Jakobson: Aufsätze zur Linguistik und Poetik. Hg. v. Wolfgang Raible. Ullstein, Frankfurt am Main u.a. 1979, S. 117–141, im Internet hier.
die Form des S: Lacan spielt ein weiteres Mal auf seine Formel an, wonach ein Signifikant das ist, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert, und er deutet an, dass sie auch für Bilder gilt, die als Signifikanten fungieren. Der erste Signifikant sind hier die Bilder am Eingang der Höhle, der zweite Signifikant entspricht den Bildern in der Mitte der Höhle und das Subjekt erscheint als S-förmige Linie.
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dieses S: William Hogarth (1694–1764), Maler, Grafiker und Kunsttheoretiker. In The analysis of beauty (1753) erklärt Hogarth die S-förmig geschwungene Linie zur „Linie der Schönheit und der Anmut“ (im Internet hier). In seinem Selbstporträt The artist and his pug stellt er die line of beauty and grace auf der Palette dar; auf der Titelseite von The analysis of beauty findet man sie in dem Dreieck auf dem Sockel.
Auf die Schönheitsline wird sich Lacan später in Seminar 23 beziehen (Das Sinthom, Sitzung vom 13. Januar 1976, Version Miller S. 34).
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visuelle Struktur der topologischen Welt: Anschließend spricht Lacan über projektive Geometrie; die visuelle Struktur der topologischen Welt ist also, im ersten Schritt, die Struktur der projektiven Geometrie. Der Übergang zur topologischen Welt im engeren Sinne wird dadurch hergestellt, dass die projektive Ebene einer Halbsphäre-mit-Kreuzhaube äquivalent ist, Lacan wird die Umwandlungsmöglichkeit später in dieser Sitzung beschreiben (vgl. S. 21 f.).
In welchem Sinne bezieht sich die projektive Geometrie auf die visuelle Struktur? Vielleicht hat Lacan hier die folgende Bemerkung von Poincaré im Hinterkopf:
„Die Eigenschaften des Lichtes und seine geradlinige Fortpflanzung haben ebenfalls Veranlassung zu einigen Sätzen der Geometrie gegeben, besonders zu denjenigen der projektíven Geometrie, und zwar derart, daß man von diesem Gesichtspunkte aus versucht sein könnte zu behaupten, daß die metrische Geometrie das Studium der festen Körper ist und daß die projektive Geometrie sich mit dem Studium des Lichtes beschäftigt.“
(Henri Poincaré: Wissenschaft und Hypothese. Übersetzt von F. und L. Lindemann. Teubner, Leipzig 1904 (frz. Original 1902), S. 50 f.)
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Struktur, die gegenüber der Optik logisch vorgängig ist: Gegenüber der Struktur des Auges und der Optik ist die projektive Geometrie vermutlich in dem Sinne logisch vorgängig, dass die euklidische Geometrie als Sonderfall der projektiven Geometrie aufgefasst werden kann; Felix Klein hatte das in Nicht-Euklidische Geometrie (1890) gezeigt (vgl. auch Felix Klein: Vorlesungen über Nicht-euklidische Geometrie. Springer, Berlin, Heidelberg u.a. 1967, Nachdruck der Ausgabe Verlag Julius Springer, Berlin 1928). Die Optik stützt sich auf die euklidische Geometrie, von Euklid gibt es eine Optik.
exakt: „Exakt“ nicht im Sinne von „messbar“, sondern von „auf einer Kombinatorik beruhend“. Möglicherweise eine Anspielung auf die folgende Passage in Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse:
„Hier erscheint der Gegensatz, den man von den exakten Wissenschaften zu denen zeichnete, für die kein Anlass besteht, die Benennung als konjektural abzulehnen, nicht mehr zulässig: da dieser Gegensatz jeder Grundlage entbehrt.
Denn die Exaktheit unterscheidet sich von der Wahrheit, und die Konjektur schließt die Strenge nicht aus. Und auch wenn die experimentelle Wissenschaft aus der Mathematik ihre Exaktheit bezieht, bleibt ihr Verhältnis zur Natur darum nicht weniger problematisch.“
(In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–381, hier: 337)
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immer in einem Punkt schneiden: Die grundlegende Annahme der projektiven Geometrie lautet: Zwei Geraden schneiden sich immer. Damit wird das Parallelenaxiom der euklidischen Geometrie zurückgewiesen, wonach es zu jeder Geraden durch einen Punkt außerhalb dieser Geraden genau eine Gerade gibt, die sich mit der ersten Geraden nicht schneidet. Der Punkt in dem die (einstigen) Parallelen sich schneiden, wird Fernpunkt genannt.
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Horizontlinie: Die Horizontlinie der Abbildungsebene ist eine unendlich lange Linie im Endlichen, keine Linie im Unendlichen. In der projektiven Geometrie wird sie zu derjenigen Linie, auf welche die Fernpunkte der Grundebene projiziert werden.
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Dualitätsprinzip: Die projektive Geometrie ist insofern kombinatorisch, als die Beziehungen zwischen Punkten, Geraden und Flächen hier durch das Dualitätsprinzip bestimmt sind. Das Dualitätsprinzip besagt: Aus einem wahren Theorem der projektiven Geometrie kann man ein zweites Theorem gewinnen, das ebenfalls wahr ist, indem man die Termini „Punkt“ und „Gerade“ miteinander vertauscht sowie die Relationen „schneiden sich in einem Punkt“ und „liegen auf einer Geraden“. Beispielsweise gilt: Zwei Geraden schneiden sich immer in genau einem Punkt. Also gilt auch: Zwei Punkte liegen immer auf genau einer Geraden. Das Dualitätsprinzip wurde zuerst von dem französischen Mathematiker Joseph Gergonne formuliert, ungefähr 1826.
Eine auch für Nicht-Mathematiker verständliche Darstellung des Dualitätsprinzips findet man in: David Hilbert, Stephen Cohn-Vossen: Anschauliche Geometrie. Julius Springer, Berlin 1932, § 18, „Perspektive, unendlich ferne Elemente und Dualitätsprinzip“.
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Ersetzen von „Linie“ durch „Punkt“ usw.: Lacan gibt hier ein Beispiel für das Dualitätsprinzip.
Bei Hilbert/Cohn-Vossen liest sich das so (S. 104):
„Sätze von Brianchon: 1, 2, 3. Es sei ein Sechseck aus sechs Geraden gebildet, die Tangenten eines Kegelschnittes sind (Sechseck, das einem Kegelschnitt umbeschrieben ist). Dann schneiden sich die Verbindungslinien gegenüberliegender Ecken in einem Punkt.
4. Es seien sechs Gerade gegeben, von denen drei mit einem Punkt A und drei mit einem Punkt B incident sind. Ich greife sechs Schnittpunkte heraus, so daß sie mit den zugehörigen Verbindungslinien ein Sechseck bilden, dessen Seiten abwechselnd durch A und B gehen. Dann schneiden sich die Verbindungslinien gegenüberliegender Ecken in einem Punkt (Brianchonscher Punkt des Sechsecks).
Sätze von Pascal:: 1, 2, 3. Es sei ein Sechseck aus sechs Punkten gebildet, die auf einem Kegelschnitt liegen (Sechseck, das einem Kegelschnitt einbeschrieben ist). Dann liegen die drei Schnittpunkte gegenüberliegender Seiten auf einer Geraden.
4. Es seien sechs Punkte gegeben, von denen drei mit einer Geraden a und drei mit einer Geraden b incident sind. Ich greife sechs Verbindungsgeraden heraus, so daß sie mit den zugehörigen Schnittpunkten ein Sechseck bilden, dessen Ecken abwechselnd auf a und b liegen. Dann liegen die Schnittpunkte gegenüberliegen-der Seiten auf einer Geraden (Pascalsche Gerade des Sechsecks).“.
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reine Signifikanten: Lacan scheint hier die Begriffe reiner Signifikant und Buchstabe aneinander anzunähern und auf die Kombinatorik zu beziehen. Möglicherweise kann man sagen: Unter reinen Signifikanten oder Buchstaben versteht Lacan die Elemente einer Kombinatorik, d.h. Elemente, die ohne Bezug auf den Sinn funktionieren.
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ganz andere Bedeutung: Die Perspektive beruht auf der Entsprechung zwischen dem Objekt und seiner Abbildung. Wie verändert sich diese Beziehung, wenn man annimmt, dass die Ebenen, die hierbei im Spiel sind, Punkte im Unendlichen haben?
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Sehen und Blick: Lacan bezieht sich hier auf Gegensatz zwischen Auge (bzw. Sehen) und Blick, der für den Schautrieb bestimmend ist. Diese Konzeption hatte er in Seminar 11 entwickelt. Mit Auge ist das dem Ich (moi) entsprechende Sehen gemeint. Der Blick ist ein bei der Konstituierung des sprechenden Subjekts verdrängter und wiederkehrender Trieb-Rest (ein Objekt a); der Blick ist immer ein Blick, der einen von aggressiv außen erfasst, etwa in der Paranoia.
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Gemälde: In Seminar 11 heißt es zu Holbeins Gemälde Die Gesandten:
„Dieses Bild (tableau) ist nichts anderes als das, was jedes Bild ist, eine Falle für den Blick. Welches Bild Sie auch nehmen, wenn Sie Punkt für Punkt dem Blick nachspüren, werden Sie sehen, wie dieser verschwindet.“
(Sitzung vom 26. Februar 1964, Version Miller/Haas S. 95, Übersetzung geändert)
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Fleck: Der Fleck ist für Lacan eine evolutionär frühe Form des Blicks, und das heißt: der Fleck ist etwas, wovon ein Lebewesen angeblickt wird. Den Begriff des Flecks entwickelt er in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964), zuerst in der Sitzung vom 19. Februar 1964 (vgl. Version Miller/Haas S. 80). Für diese Konzeption des Flecks bezieht er sich auf Roger Caillois: Méduse & Cie (1960). Übersetzt von Peter Geble. Brinkmann & Bose, Berlin 2007.
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Montage ist ein von Ruyer in Paradoxes häufig verwendeter Ausdruck.
Struktur des Phantasmas: Die erste These von Lacan zum Bild Las meninas lautet also: Das Bild Las meninas wird wesentlich durch die Struktur des Phantasmas bestimmt. Die Struktur des Phantasmas wird von Lacan mit der Formel ($ ◊ a) angegeben, ausgestrichenes oder gespaltenes Subjekt ($), Schnitt (◊), Objekt a (a). Er verwendet diese Formel seit Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten.
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Sehstrahl
Ein Begriff der Optik, den Alberti übernommen hatte. Die Sehstrahlen führen vom Auge aus zum Objekt und werden von der Abbildungsebene geschnitten; die Sehpyramide verläuft deshalb vom Auge aus unidirektional in Richtung auf die Abbildungsebene oder Projektionsebene. In den Perspektivekonstruktionen der Maler interessiert nur diese Richtung. Die projektive Geometrie hingegen arbeitet mit Geraden, die vom Augpunkt aus in beide Richtungen verlaufen, die also nicht nur zur Projektionsebene führen, sondern auch in den Teil des Raums, der gewissermaßen im Rücken des Betrachters liegt. Lacan meint mit „Okularlinie“ also eine Gerade, die in beiden Richtungen durch den Augpunkt verläuft.
Vgl. Panofskiy:
„‚Hochraum‘, ‚Nahraum‘ und ‚Schrägraum‘: in diesen drei Darstellungsformen [der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts] drückt sich die Anschauung aus, daß die Räumlichkeit der künstlerischen Darstellung alle sie spezifizierenden Bestimmungen vom Subjekt aus empfängt, - und dennoch bezeichnen gerade sie, so paradox es klingt, den Augenblick, in dem (philosophisch durch Descartes und perspektiv-theoretisch durch Desargues) der Raum als weltanschauliche Vorstellung endgültig von allen subjektiven Beimischungen gereinigt ist. Denn indem die Kunst sich das Recht erobert hat, von sich aus zu bestimmen, was „Oben“ und „Unten“, „Vorn“ und „Hinten“, „Rechts“ und „Links“ sein solle, hat sie dem Subjekt im Grunde nur dasjenige gegeben, was ihm von vornherein gebührt hätte, und was die Antike nur per nefas (wenn auch kraft geistesgeschichtlicher Notwendigkeit) dem Raum als seine objektiven Eigenschaften vindiziert hatte: die Richtungs- und Entfernungs-Willkür des modernen Bildraums bezeichnet und besiegelt die Richtungs- und Entfernungs-Indifferenz des modernen Denkraums, und sie entspricht nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich vollkommen derjenigen Entwicklungsstufe der theoretischen Perspektivlehre, auf der sich diese, unter den Händen Desargues‘, in eine allgemeine projektive Geometrie verwandelt hat, indem sie – den einsinnigen euklidischen „Sehkegel“ zum ersten Male durch das allseitige „geometrische Strahlenbündel“ ersetzend – auch von der Blickrichtung vollständig abstrahiert und dadurch alle Raum-Richtungen gleichmäßig erschließt.“
(Erwin Panofsky: Die Perspektive als „symbolische Form“ (1927). In: Ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwisssenschaft. Hg. v. Hariolf Oberer und Egon Verheyen. Verlag Volker Spiess, Berlin 1980, S. 99–167, hier: S. 125)
Auge: Der übliche Terminus ist Augpunkt (oder Augenpunkt), das übliche Symbol dafür ist O (für lateinisch oculus, „Auge“). Die Frage nach der Projektionsbeziehung führt also zu einer Neubestimmung des Begriffs Augpunkt. Der Augpunkt wird zum Kreuzungspunkt von Geraden im dreidimensionalen Raum, ähnlich einer Lichtquelle, von der nach allen Seiten Strahlen ausgehen.
Konstruktion der Perspektive: Soweit gilt die Beschreibung auch für eine Perspektivenkonstruktion im Rahmen der euklidischen Geometrie. Der Übergang zur projektiven Geometrie wird in dem Moment vollzogen, in dem die Horizontlinie der Abbildungsebene als Projektion der Fernlinie der Grundebene aufgefasst werden. Eine solche Fernlinie war den Renaissance-Malern unbekannt, da sie sich an der euklidischen Geometrie orientierten, in der sich Parallelen nicht schneiden.
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Lacan bezieht sich hier auf die Formel des Phantasmas, $ ◊ a, gespaltenes Subjekt, Raute, Objekt a.
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kombinatorische Geometrie: Damit ist hier die projektive Geometrie gemeint.
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das Ganze repräsentiert: Die unendlich ferne Gerade repräsentiert insofern das „Ganze“ einer Ebene, als sie die Ebene, intuitiv gesprochen, von allen Seiten umgibt.
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Horizont: Die unendlich ferne Gerade der Trägerebene ist die Linie, auf der alle Punkte liegen, in der die Parallelen der Trägerebene sich schneiden (es gibt unendlich viele Paralellenbündel mit unterschiedlicher Richtung). Eine zweite, anders funktionierende Horizontlinie liegt auf der Abbildungsebene; diese Horizontlinie entsteht durch Projektion der unendlich fernen Geraden der Trägerebene auf die Abbildungsebene.
fast alle Parallelen: Auf der Horizontlinie der Abbildungsebene schneiden sich im Bild fast alle Parallelen – das gilt für die euklidische Geometrie, hier gilt, dass die Geraden, die parallel zur Abbildungsebene verlaufen, nicht in der Horizontlinie zusammenlaufen.
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Horizontlinie: Mit „Horizontlinie“ ist an dieser Stelle die unendlich ferne Linie der Trägerebene gemeint. Für einen auf der Trägerebene stehenden Betrachter bildet sie den Horizont dieser Ebene, ähnlich wie unser Erdhorizont.
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immer nur in einem Bild: Man muss also zwei Existenzweisen des Horizonts unterscheiden: den Horizont der Trägerebene (nämlich die Fernlinie dieser Ebene, in Analogie zu unserem Erdhorizont) und den Horizont in einem Bild, d.h. den Horizont als Ergebnis der Projektion der Fernlinie der Trägerebene auf die Abbildungsebene.
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Der Horizont, an dem das Gitternetz aufhört, ist die Fernlinie der Trägerebene.
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Lacan wechselt mit dieser Frage vom Horizont qua Fernlinie der Trägerebene zum Horizont als Projektion dieser Fernlinie auf die Abbildungsebene.
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über den Horizont: Lacan betont hier den Unterschied zwischen der Perspektive in der Malerei und den Projektionsbeziehungen in der projektiven Geometrie. In der Malerei werden die Punkte, die im Rücken des Betrachters liegen, nicht auf die Abbildungsebene projiziert. In der projektiven Geometrie ist es anders, hier werden auch die Punkte „im Rücken des Betrachters“ auf die Abbildungsebene projiziert, sie erscheinen dann über der Horizontlinie; die Projektionsgerade verläuft dann vom Ursprungspunkt auf der Trägerebene über den Augpunkt zur Abbildungsebene.
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die beiden gegenüberlieegenden Punkte: Die Ferngerade bildet einen Kreis. Sie ist eine unendlich lange Gerade und diese Gerade hat in der projektiven Geometrie genau einen Punkt im Unendlichen, da axiomatisch gilt, dass Geraden sich in genau einem Punkt schneiden. Der Punkt im Unendlichen ist deshalb in beiden Richtungen derselbe Punkt. Die Projektion der Ferngeraden der Trägerebene ergibt die Horizontlinie der Abbildungsebene und genau gegenüberliegende Punkt des Ferngeraden-Kreises werden auf der Abbildungsebene auf denselben Punkt projiziert.
„projektive Ebene“: Lacan bezeichnet hier die Abbildungsebene als „projektive Ebene“. In der projektiven Geometrie wird der Ausdruck anders verwendet; alle Ebenen, die eine Ferngerade haben, werden hier als projektive Ebenen bezeichnet. Unter der Voraussetzung, dass Trägerebene und Abbildungsebene beide Ferngeraden haben, sind beide Ebenen „projektive Ebenen“.
Horizont: Außerdem bezeichnet Lacan hier als Horizont zunächst die Ferngerade der Trägerebene dann die Horizontlinie auf der Abbildungsebene. Diese Linie ist zwar unendlich lang, jedoch nicht unendlich entfernt, sie ist keine Ferngerade.
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Auge: Damit ist hier der Augpunkt gemeint.
Ebene der Projektion: Die Bezeichnung der Abbildungsebene als „Ebene der Projektion“ dient dazu, „um Ihnen eine Freude zu machen“, um Ihnen den Zugang zu erleichtern, da die Projektion eigentlich eine Beziehung zwischen zwei Ebenen ist, die in beide Richtungen geht: jedem Punkt der einen Ebene entspricht genau ein Punkt der anderen Ebene und umgekehrt.
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Horizont: Der Ausdruck „Horizont“ hat hier wieder zwei verschiedene Bedeutungen: gemeint ist zunächst die Fernlinie der Trägerebene, dann deren Projektion auf die Abbildungsebene.
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über dem Horizont: Eine Projektionsgerade, die auf der Trägerebene im Endlichen hinter dem Betrachter liegt („hinter“ dem Augpunkt: von der Abbildungsebene aus gesehen), führt durch den Augpunkt und schneidet denn die Abbildungsebene oberhalb der Horizontlinie.
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ein zweiter Punkt von oben her: Die Projektion der Ferngeraden der Trägerebene erzeugt auf der Abbildungsebene die im Endlichen liegende Horizontgerade. In einem Punkt der Horizontgeraden laufen perspektivisch zwei projizierte Gitternetze zusammen, sowohl ein von unten kommendes Gitternetz als auch ein von oben kommendes Gitternetz. Das von unten kommende Gitternetz wird erzeugt durch Projektion des Teils der Trägerebene, der, vom Augepunkt aus, hinter der Abbildungsebene liegt. Das von oben kommende Gitternetz entsteht durch Projektion des Teils der Trägerebene, der, von der Abbildungsebene aus, hinter dem Augpunkt liegt, gewissermaßen im Rücken des Betrachters.
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auf der projektiven Ebene, auf der Ebene der Projektion: Lacan korrigiert sich hier, gemeint ist nicht „projektive Ebene“, sondern „Ebene der Projektion“. Beide Ebenen, Trägerebene und Abbildungsebene, sind projektive Ebenen, da beide eine Fernlinie haben. Die Abbildungsebene hatte er auch als Ebene der Projektion bezeichnet.
Die Seitenverkehrung gibt es nur, wenn ich mich nicht umdrehe. Angenommen, ich drehe mich zur Fernlinie um und sehe eine Linie, die von links her auf mich zukommt; wenn ich mich dann wieder der Abbildungsebene zuwende, sehe ich, wie diese Linie die Abbildungsebene links durchquert.
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wie die Punkte sich verbinden: Lacan spricht jetzt offenbar nicht mehr über die Projektionsbeziehung zwischen zwei projektiven Ebenen, sondern über die Struktur der projektiven Ebene an sich und skizziert das Verfahren der Identifizierung der Diametralpunkte.
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Kopf fixiert: Die Frage ist, wie man auf der Trägerebene „vorne“ und „hinten“ unterscheiden kann. Dafür muss man gewissermaßen den Kopf des Betrachters fixieren. Unter dem Gesichtspunkt der Projektion unterteilt sich die Trägerebene vor dem Augpunkt wiederum in zwei Teilflächen: zwischen dem Augpunkt und der Abbildungsebene und hinter der Abbildungsebene.
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Projektive Ebene und Kreuzhaube: Eine projektive Ebene (eine Ebene mit Ferngerade) ist äquivalent mit einer Kreuzhaube, d.h. die beiden Flächen lassen sich durch stetige Verformung ineinander überführen.
Zur Kreuzhaube vgl. auf dieser Website den Artikel Die Kreuzhaube und die Struktur des Phantasmas.
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statt einer sphärischen Welt: Die Sphäre gehört für Lacan zur Ordnung des Imaginären, in Freuds Terminologie: des Narzissmus. Die Kreuzhaube ist eine asphère, eine „Asphäre“, wie er in L’étourdit schreiben wird (Autres écrits. Seuil, Paris 2001, S.471-474, 482, 483, 485), mit ihr verlassen wir das imaginäre Register.
eine bestimmte Blase: Gemeint ist die Kreuzhaube, die einer Halbsphäre aufgesetzt ist.
sich selbst durchdringt: Ein charakteristisches Merkmal von Darstellungen der Kreuzhaube ist die sogenannte Durchdringungslinie (der senkrechte Strich in der Abbildung). Die Selbstdurchdringung ergibt sich nicht bei Einfügung in den vierdimensionalen Raum („Einbettung“ genannt), sondern nur bei Einfügung dieser Fläche in den dreidimensionalen Raum, weshalb diese Form der Einfügung in den Raum als „Immersion“ von der „Einbettung“ unterschieden wird.
unendlich ausgedehnte Ebene: Gemeint ist die projektive Ebene, also eine euklidische Ebene plus Fernlinie. (Auch die euklidische Ebene ist unendlich ausgedehnt, nur hat sie keine Punkte und keine Linie im Unendlichen.)
nachdem sie sich geteilt hat: Gemeint ist vermutlich die Aufteilung der Fernlinie in zwei Hälften, als Bedingung dafür, dass gegenüberliegende Punkt unterschieden werden können.
? Ist das tatsächlich gemeint? -
mit seinem diametral entgegengesetzten Punkt: Eine Kreuzhaube (genauer: eine mit Kreuzhaube versehene Sphäre) kann so konstruiert werden, dass man von einer Ebene mit Fernlinie ausgeht, einer projektiven Ebene, und die gegenüberliegenden Punkte der Fernlinie gewissermaßen miteinander verklebt; Topologen nennen das Identifizierung der Diametralpunkte.
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bei einer solchen Projektion: Lacan wechselt jetzt von der Frage nach dem Verhältnis zwischen projektiver Ebene und Kreuzhaube wieder zum Thema der Zentralprojektion bei projektiven Ebenen. Die Angaben „hinten“ und „vorne“ beziehen sich auf einen Betrachter, dessen Kopf, wie in Platons Höhlengleichnis, in Richtung auf die Abbildungsebene fixiert ist, auf die Wand mit den Schatten. Die Projektionsgeraden führen in beiden Richtungen durch den Augpunkt, sind also Okularlinien, wie es früher in dieser Sitzung hieß, nicht Sehstrahlen. Die Okularlinien verbinden die Punkte, die hinten rechts auf der Grundebene liegen, mit den Punkten, die vorne links auf der Abbildungsebene ihren Platz haben. Dies gilt auch für euklidische Ebenen ohne Ferngerade. Wenn wir es mit projektiven Ebenen zu tun haben, gibt es Okularlinien, die hinten rechts auf der Fernlinie der Grundebene beginnen und vorne links die Abbildungsebene durchstoßen; sie bilden dort den linken Abschnitt des Horizonts.
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worum es bei der Horizontlinie geht: Vermutlich im Sinne von: Letztlich geht es bei der projektiven Ebene um eine Fläche, die durch Identifizierung der Diametralpunkte der Fernlinie (der Horizontlinie) der Trägerebene in eine Sphäre-mit-Kreuzhaube verwandelt werden kann.
? Ist das tatsächlich gemeint?Kohärenz einer Signifikantenwelt mit einer visuellen Struktur: Man erfährt ein weiteres Mal, warum Lacan die visuelle Struktur mithilfe der projektiven Geometrie untersucht: weil die projektive Geometrie es ermöglich, das Verhältnis zwischen der Signifikantenordnung (qua Kombinatorik) und der visuellen Ordnung als kohärent aufzufassen.
unbegrenzt Ausgedehntes: Begriff von Descartes. Descartes zufolge ist der Raum nicht infini (unendlich), dieses Prädikat ist Gott vorbehalten, sondern indéfini (unbegrenzt). Vgl. Descartes, Brief an Chanut vom 6. Juni 1647.
eine Struktur der Einhüllung: Diese Bemerkung bezieht sich auf den Unterschied zwischen euklidischer Ebene und projektiver Ebene. Die euklidische Ebene ist unbegrenzt ausgedehnt, die projektive Ebene ist einer Kreuzhaube äquivalent; bei Immersion in den dreidimensionalen Raum hat sie die Gestalt einer Einhüllung.
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Fluchtpunkt: In der Renaissance-Perspektive wird der Augpunkt auf der Abbildungsebene durch zwei Punkte repräsentiert: durch den Fluchtpunkt und durch den Distanzpunkt. Lacan beginnt jetzt damit, diese beiden Punkte im Rahmen der projektiven Geometrie zu rekonstruieren.
in einer bestimmten gegebenen Position: Der Fluchtpunkt ist der Punkt, in dem Parallelen der Grundebene in der Projektion auf die Abbildungsebene zusammenlaufen. Parallelen haben eine bestimmte „Position“, eine bestimmte Richtung. Auf der Abbildungsebene wird ein bestimmtes Parallelenbündel auf der Horizontlinie durch einen Punkt repräsentiert. Da auf der Grundebene unendlich viele unterschiedliche Parallelen verortet sind, Parallelen unterschiedlicher „Position“, gibt es auf der Abbildungsebene unendlich viele Fluchtpunkte, die zusammen die Horizontlinie bilden.
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Bauwerk als Anordnung von Gegenständen um eine Leere herum: Die Architektur ist um eine Leere herum gebaut, diese These hatte Lacan bereits in früheren Seminaren vorgebracht. Vgl. Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse, Sitzung vom 3. Februar 1960 (vgl. Version Miller/Haas S. 167 f.); Seminar 9, Die Identifizierung, Sitzung vom 16. Mai 1962 (Version Roussan S. 228, Stenotypie S. 7 f.).
nicht transzendierend: Das Konzept des Fluchtpunkts gehört zur Renaissance-Perspektive und damit zu einer Geometrie ohne Fernlinie auf der Grundebene.
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Fluchtpunkt: Wenige Sätze später wird Lacan sagen, der Fluchtpunkt repräsentiert das Subjekt, insofern es sieht, nicht insofern es blickt (Version J.L., S. 26).
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Auge: Man muss also den Augpunkt und das Auge unterscheiden. Der Augpunkt liegt außerhalb der Abbildungsebene, gewissermaßen „vor“ ihr; das „Auge“ der Renaissancetheoretiker liegt auf der Abbildungsebene, heute heißt dieser Punkt „Fluchtpunkt“.
Alberti: Die erste schriftliche Einführung in Theorie und Konstruktion einer perspektivischen Darstellung stammt von Alberti: Leon Battista Alberti: De pictura, 1435; im Internet hier.– Deutsch: De pictura. Über die Malkunst. Hrsg., eingeleitet, übers. und kommentiert von Oskar Bätschmann und Sandra Gianfreda. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002.– Engl. Übersetzung von John R. Spencer (1956) hier.
Vignola: Giacomo (oder Iacopo) Barozzi da Vignola, genannt Vignola: Le due regule della prospettiva, 1530, Faksimile im Internet hier.– Erweiterte Übersetzung: Des Jacobi Barozzi von Vignola Grund Regeln über die Fünff Säulen, ca. 1720, Faksimile im Internet hier.– Italienisch/französisch: Ignazio Danti (1536–1586): Les deux règles de la perspective pratique de Vignola. Italienisch/französisch. Übersetzt und kritisch herausgegeben von Pascal Dubourg Glatigny. CNRS, Paris 2003.
Dürer: Albrecht Dürer: Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt in Linien ebnen unnd gantzen corporen. Nürnberg 1525, Faksimile im Internet hier, Ersetzung der Frakturschrift durch eine moderne Groteskschrift hier. (Richtscheit = Lineal; Messung mit Zirkel und Lineal = Geometrie)
Auf die Untersuchungen von Alberti und Vignola zur Perspektive hatte Lacan bereits in Seminar 11 verwiesen, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (Sitzung vom 26. Februar 1964, Version Miller/Haas S. 92 f.).
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in Tiefen führen: Die Trägerebene besteht bei Zentralprojektion aus drei Bereichen, die auf verschiedene Weise auf die Abbildungsebene projiziert werden.
Die Trägerebene wird von der Abbildungsebene geschnitten, der Schnitt wird Grundlinie genannt, dies ist die erste Teilung der Trägerebene. Wenn man den Augpunkt senkrecht auf die Trägerebene projiziert und durch den Punkt, der sich dann ergibt (Standpunkt geheißen), eine Linie parallel zur Abbildungsebene zieht, erhält man eine Gerade, die man Standlinie nennen könnte; sie erzeugt die zweite Teilung der Trägerebene. Von Standlinie aus gesehen zerfällt die Trägerebene also in den Bereich jenseits der Grundlinie, in den Bereich diesseits der Standlinie und den Bereich zwischen Standlinie und Grundlinie.
Diese drei Bereiche werden auf unterschiedliche Weise auf die Abbildungsebene projiziert.
– Die Parallelen der Trägerebene, die jenseits der Grundlinie liegen, beginnen auf der Abbildungsebene bei der Grundlinie und laufen von unten nach oben in einem Punkt der Horizontlinie zusammen. (Dies ist der Teil der Projektion, für den sich Maler interessiert haben.)
– Die Parallelen der Trägerebene, die diesseits der Standlinie liegen, Beginnen auf der laufen auf der Abbildungsebene bei der Fernlinie und laufen von oben von oben nach unten im selben Punkt der Horizontlinie zusammen.
– Die Parallelen der Trägerebene, die zwischen Standlinie und Grundlinie liegen, werden auf den Teil der Abbildungsebene projiziert, der unterhalb ihres Schnitts mit der Grundebene liegt – sie werden „in Tiefen“ projiziert. Diese Tiefen sind unendlich, sie führen zu einer Fernlinie.Vgl. hierzu Jean-Pierre Georgin, Erik Porge: Au-dessus de l’horizon il n’y a pas le ciel. In: Littoral. Revue de psychanalyse, Nr. 29, 1989, S. 137–155, dort v.a. Abb. 8b auf S. 146 und S. 149.
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in einem Punkt zu einem Halt kommen: Die Parallelen der Trägerebene, die auf den unteren Teil der Abbildungsebene projiziert werden, schneiden sich auf der Abbildungsebene in einem Punkt im Unendlichen; dies ist die grundlegende Annahme der projektiven Geometrie.
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der wem korrespondiert? Als Projektion welchen Punktes kann der Punkt im Unendlichen der Abbildungsebene begriffen werden?
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Ebene [S]: Der Punkt im Unendlichen der Abbildungsebene ist die Projektion eines Punktes auf Ebene S, auf der Betrachterebene (der parallel zur Abbildungsebene durch den Augpunkt führenden Ebene). Traditionell wird Ebene S als „Verschwindungsebene“ bezeichnet.
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Spuren: „Spur“ (trace) meint hier „Schnittlinie“, also eine Linie als Spur des Schnitts einer Ebene mit einer anderen Ebene. Es geht um zwei Geraden auf der Trägerebene. Die erste Gerade, hQ, wird gebildet durch den Schnitt der Trägerebene mit der Abbildungsebene, sie wird meist Grundlinie genannt. Die zweite Linie, sQ, entsteht durch den Schnitt der Trägerebene mit der Betrachterebene, mit Ebene S (mit der Betrachterebene).
Umkehrung der Horizontlinie: Die Standlinie, Linie sQ, kann als Horizont aufgefasst werden, d.h. als Projektion einer Ferngeraden. Welche Ferngerade wird auf sQ projiziert? Der Ferngerade der Abbildungsebene. Man sieht das, wenn man Abb. 12 um einen Viertelkreis im Uhrzeigersinn dreht, woraus sich Abb. 13 ergibt. Der Punkt, in dem die Parallelen der Abbildungsebene sich im Unendlichen schneiden, hat seine Entsprechung also in einem Punkt auf der Standlinie.
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Einen zweiten Augpunkt: Der Augpunkt, der außerhalb der Trägerebene und der Abbildungsebene liegt, hat in der Renaissance-Perspektive auf der Abbildungsebene zwei Entsprechungen: den Fluchtpunkt („Auge“ genannt) und den Distanzpunkt („anderes Auge“ genannt). Nachdem Lacan den Fluchtpunkt erläutert hatte, geht er jetzt zum Distanzpunkt über. Er reformuliert diesen Punkt im Rahmen der projektiven Geometrie und definiert ihn als Schnittpunkt der folgenden beiden Geraden:
– der Linie im Unendlichen (Fernlinie) auf der Abbildungsebene (gewissermaßen dem äußersten Rand der unendlich ausgedehnten Abbildungsebene) und
– der Schnittlinie der Abbildungsebene mit der Trägerebene, häufig Grundlinie genannt.
Diese beiden Geraden verlaufen parallel, also gilt im Rahmen der projektiven Geometrie, dass sie sich im Unendlichen schneiden. -
in einem einzigen Punkt: In der projektiven Geometrie gilt axiomatisch, dass alle Geraden, die auf einer Ebene liegen, sich in genau einem Punkt schneiden. Spontan stellt man sich zwei Schnittpunkte von Parallelen vor, z.B. einen rechts, einen links, was jedoch nicht haltbar ist; per definitionem gibt es nur einen Schnittpunkt.
Zu Abbildung 14:
– P ist ein Ausschnitt aus der Abbildungsebene; dieser Ausschnitt ist hier senkrecht dargestellt, als Rechteck mit leicht gekrümmten Rändern.
– Die vier Tortenstücke, deren erstes mit Q bezeichnet ist, repräsentieren die Trägerebene; diese Ebene liegt teils vor, teils hinter der Abbildungsebene, darauf verweist die Punktierung.
– Die Kanten der Tortenstücke sind Parallelen auf der Trägerebene.
– Punkt S ist der Augpunkt, man muss sich vorstellen, dass er im Raum vor der Abbildungsebene schwebt.
– Die gekrümmt dargestellte Linie h ist der Horizont auf der Abbildungsebene.
– Die gekrümmt dargestellte Linie hQ ist die Grundlinie, also der Schnitt der Abbildungsebene mit der Trägerebene.
– Die vom Punkt S zur Linie h führende Gerade stellt die Projektion des Augpunkts auf den Horizont dar.
– Der Schnittpunkt dieser Projektionsgeraden mit dem Horizont ist durch einen dicken Punkt markiert, dies ist der Fluchtpunkt.
– Die Punkte Sˈ links und Sˈ rechts sind die Schnittpunkte von Horizontlinie und Grundlinie. Da diese beiden Linien parallel verlaufen, liegen die Schnittpunkte Sˈ und Sˈ im Unendlichen. Nach den Voraussetzungen der projektiven Geometrie gilt, dass Geraden sich in genau einem Punkt schneiden; Sˈ und Sˈ sind also identisch, deshalb werden sie hier auf dieselbe Weise bezeichnet. -
nur durch einen Punkt übersetzt wird: Lacan gibt jetzt seine Definition des Distanzpunktes. Der Distanzpunkt repräsentiert auf der Abbildungsebene den Abstand des Augpunkts von der Abbildungsebene. Auf der Trägerebene ist die Distanz eine zwischen zwei parallelen Geraden. Die erste Gerade verläuft, parallel zur Abbildungsebene, gewissermaßen unter dem Fuß des Betrachters hindurch, man könnte sie „Standlinie“ nennen; die zweite Gerade ist die Linie, in der die Trägerebene von der Abbildungsebene geschnitten wird, also die Grundinie, in Abbildung 12 ist dies Linie hQ. Auf der Abbildungsebene wird dieser Abstand durch den Distanzpunkt repräsentiert; soweit sind das die üblichen Bestimmungen der Renaissance-Perspektive. Lacan definiert den Distanzpunkt mithilfe der projektiven Geometrie neu, als Schnittpunkt zwischen der Grundlinie und der Fernlinie der Abbildungsebene. Während der Distanzpunkt in der Renaissance-Perspektive im Endlichen liegt, begreift Lacan ihn (mit einem Konzept der 17. Jahrhunderts) als Fernpunkt, als Punkt im Unendlichen. In Abb. 14 ist dieser Schnittpunkt der Punkt Sˈ.
den Punkt des blickenden Subjekts: Der Fluchtpunkt ist für Lacan der Punkt des sehenden Subjekts, der Distanzpunkt (ein Fernpunkt) ist für ihn der Punkt des blickenden Subjekts. Er betont, dass dieser Punkt sich entzieht (da er im Unendlichen liegt), dass er insofern ein „verlorener Punkt“ ist. Nun ist aber Lacan zufolge im Feld des Sehens der Blick als Objekt a draußen, ein Blick, der mich von außen trifft (vgl. Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 11. März 1964, Version Miller/Haas S. 113). Was könnte dann mit dem blickenden Subjekt gemeint sein? Ich nehme an, das blickende Subjekt ist das Subjekt, insofern es sich auf den Blick als Objekt a auf eine Weise bezieht, die nicht im Feld des Sehens verortet ist.
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der in den Zwischenraum stürzt: Der Betrachter (bzw. der Augpunkt) ist außerhalb der Abbildungsebene verortet. Auf der Abbildungsebene wird er durch zwei Punkte repräsentiert, durch den Fluchtpunkt – den Punkt des sehenden Subjekts – und durch den Distanzpunkt – den Punkt des blickenden Subjekts. Der Punkt des blickenden Subjekts „stürzt in“ den Zwischenraum zwischen dem Subjekt (d.h. dem Betrachter, dem Augpunkt) und der Abbildungsebene, insofern nämlich, als er dieses Intervall repräsentiert.
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Das ist nichts Neues: Die Unterscheidung von Fluchtpunkt und Distanzpunkt ist eine Erfindung der Renaissance-Perspektive. Neu ist, dass Lacan diese beiden Punkte dem sehenden Subjekt (Fluchtpunkt) und dem blickenden Subjekt (Distanzpunkt) zuordnet und dass er das blickende Subjekt auf einen Fernpunkt bezieht, also auf eine Größe der projektiven Geometrie, die in der Renaissance-Perspektive aufgrund der Orientierung an der euklidischen Geometrie nicht möglich war. Durch diese Zuordnung wird die Topologie des gespaltenen Subjekts wiedergefunden, als Spaltung zwischen dem sehenden Subjekt und dem blickenden Subjekt, wobei Fluchtpunkt und Distanzpunkt jetzt zu zwei heterogenen Größen gehören, der Fluchtpunkt (das sehende Subjekt) liegt im Endlichen, der Distanzpunkt (das blickende Subjekt) im Unendlichen.
wo wir das a verorten: Insgesamt geht es Lacan in Seminar 13 um die Struktur des skopischen Phantasmas. Dieses Phantasma hat die Struktur ($ ◊ a) mit dem Blick als Objekt a. Nachdem das gespaltene Subjekt, also $, dem Schema der Perspektive bzw. der Zentralprojektion zugeordnet worden ist, muss jetzt noch das Objekt a untergebracht werden.
durch das die Spaltung dieser beiden Punkte determiniert wird: Lacan erinnert daran, dass das Objekt a die Ursache für die Spaltung des Subjekts ist. Das Subjekt bezieht sich in der Weise auf den Blick als Objekt a, dass es ihn einerseits abwehrt (das ist das sehende Subjekt), der Blick erscheint dann als aggressiver Blick von außen, und dass es ihn andererseits umkreist und sich mit ihm identifiziert (dies ist das blickende Subjekt). Das Konzept des Objekts a als „Ursache“ des Begehrens und damit der Spaltung wurde von Lacan zuerst entwickelt in Seminar 10 von 1962/63, Die Angst, in der Sitzung vom 16. Januar 1963.
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eine Montage: Gemeint ist die Struktur des Phantasmas, siehe oben S. 15.
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keine Tiefenpsychologie: Das bezieht sich vielleicht auf die Rede vom verlorenen Punkt, der in ein Intervall fällt. Freud verwendet den Ausdruck „Tiefenpsychologie“ für die Psychoanalyse immer wieder; in den Gesammelten Werken gibt es 27 Verwendungen, am häufigsten in Die Frage der Laienanalyse (1926) und Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933).
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Porismen: Die Porismen sind verlorene Schriften von Euklid, zu deren Inhalt man bei Pappos und Proklus Hinweise findet. Vgl. Ivins über Euklids Porismen: they were
„as close a miss as possible for Desargues’ Theorem. But they regarded these things as isolated propositions having no relation to each other. Had the late Greeks only added to them the one further idea that parallel lines meet at infinity, they would have had in their hands at least logical equivalents of the basic ideas for geometrical continuity and for perspective and perspective geometry.“
(Art & geometry, a.a.O., S. 47)
Vgl. August Richter: Porismen. Nach Robert Simson bearbeitet und vermehrt, nebst den Lemmen des Pappus zu den Porismen des Euklides. Neumann-Hartmann, Elbing 1837.– Michel Chasles: Les trois livres des Porismes d’Euclide rétabli. Mallet-Bachelier, Paris 1860.
Personen, über die ich vorhin gesprochen habe: Alberti, Vignola und Dürer
Hoffräulein: Vgl. Michel Foucault: Les suivantes. Erstes Kapitel von ders.: Les Mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines. Gallimard, Paris 1966, S. 19–31.– Deutsch: Die Hoffräulein. In: Ders.: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Übersetzt von Ulrich Köppen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, S. 31–45.– Eine erste Version dieses Kapitels erschien in Le Mercure de France, 354. Jg. (Juli/August 1965), Heft 1221/22, S. 368–384.
? Wo spielt Foucault in der Analyse von Las meninas „auf diese Dinge“ direkt an? Meint Lacan Foucaults Bemerkung, das Bild von Velázquez gebe vielleicht die Repräsentation der klassischen Repräsentation „und die Definition des Raums, den sie eröffnet“ (a.a.O., S. 44)? Setzt Lacan hier stillschweigend Desargues ein, der ja ein Zeitgenosse von Velázquez war?
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den zweiten Punkt: Gemeint ist der Distanzpunkt, eine Erfindung der Renaissance-Perspektive.
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Man stellt ihn auf andere Weise dar: In der Renaissance-Perspektive ist der Distanzpunkt ein Punkt im Endlichen. Lacans Erfindung besteht darin, ihn auf die projektive Geometrie zu beziehen und als Fernpunkt zu definieren, als Punkt im Unendlichen.
das andere Auge: Eine ältere Bezeichnung für den Distanzpunkt ist „das andere Auge“. Vgl. Ivins über Albertis Konstruktion der Perspektive:
„It is interesting and important to notice that the combined drawing contains two different views of the strings representing the lines of sight and two different views of the eye hole. Alberti called the eye hole of his first drawing the center point, the eye hole of the other drawing he called his eye. Both Leonardo da Vinci and Dürer when drawing the construction put literal eyes at each of the two points. Dürer, in his description of the construction, called the center point his ’near eye‘ and the other point his ‚other eye.‘ In modern terminology the ‚center point‘ or ’near eye‘ is the ‚vanishing point,‘ [Fluchtpunkt] and the ‚eye‘ or ‚other eye‘ is the ‚distance point.‘“
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Masaccio: Masaccios Dreifaltigkeit, 1425–1428, ein Fresko in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz, gilt als das erste Bild, in dem die von Brunelleschi etwa 1410 entdecken Gesetze der mathematisch konstruierbaren Perspektive angewendet wurden.
van Eyck: Vgl. etwa Jan van Eyck, Die Arnolfini-Hochzeit, 1434, National Gallery in London.
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insofern sie flieht: Gemeint ist vielleicht: Der Distanzpunkt bestimmt, in welchem Maße die Perspektive flieht; geht man vom Fliesenmuster aus: wie sehr die Fliesen in der Projektion gestaucht sind.
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Le Pèlerin: Jean Pèlerin Viator: De artificiali perspectiva. 3 Auflagen. Toul, 1505, 1509 und 1521.– Band 3 hier. Neudruck hg. v. de Montaiglon, 1861. Vgl. William Mills Ivins: On the rationalization of sight : with an examination of three Renaissance texts on perspective. Mit einer Reproduktion der Ausgaben 1505 und 1509 von Viator, De artificiali perspectiva. 2. Aufl., Repr. von 1938. Da Capo Press, New York 1973.– L. Brion-Guerry: Jean Pèlerin Viator, sa place dans l’histoire de la perspective. Les Belles lettres, Paris 1962.
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Anmerkung von M. Roussan: Nämlich die Höhe der Karos, die perspektivisch abnimmt.
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Abstand meines Blocks an der Tafel: Damit könnten die Abbildungen 13 und 14 gemeint sein.
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Anmerkung von M. Roussan: Je größer δ ist, desto geringer ist die Höhe der Karos.
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Anmerkung von Michel Roussan:
Die Vertikale β stellt das Bild (die projektive Ebene) im Profil dar, worauf der „Sichtstrahl“ γ projiziert wird.Albertis costruzione legittima
Die Abstände zwischen den parallel zur Grundlinie verlaufenden Linien des Gitternetzes werden folgendermaßen konstruiert: Die von Sˈ ausgehenden Sehstrahlen γ werden so eingezeichnet, dass sie sich mit den von oben kommenden Linien des Gitternetzes an der Grundlinie schneiden.
Albertis costruzione legittima
Um das Gitternetz zum Fluchtpunkt hochzuführen, also die Konstruktion bis zur Horizontlinie fortzusetzen, genügt es, die Segmente der Basis zu verlängern [was meint das?] und die Diagonalen durch sie hindurchzuführen.
Das ist das, was Alberti [1540] als costruzione legittima bezeichnet. Diese Konstruktion unterscheidet sich spürbar von der artificiali perspectiva von Viator [Toul, 1505] (siehe unten), bei der die Projektionsebene β nicht verwendet wird
Viators artificiali perspectiva
Bei Viator ist es so, dass die Abstände zwischen den Graden, die parallel zur Basis verlaufen, dadurch bestimmt werden, dass die Sehstrahlen γ als die Diagonalen des Gitternetzes aufgefasst werden. Die Perspektive ist bei Viators Aufbau unten gedrängter und zum Horizont hin weiter.
Lacans Diagonale mit Viators Verfahren und Albertis Vertikale
Die einzige von Lacan gezeichnete Diagonale (Abbildung 15 h) ermöglicht es mit Viators Verfahren, so viele Linien parallel zur Grundlinie einzutragen, wie es von oben kommende Linien des Gitternetzes gibt, wie es also Überschneidungen dieser Linien mit dem Sehstrahl γ gibt. Bei Alberti hat jeder Sehstrahl γ seine einmalige Projektion auf die Vertikale β. [Ende von Roussans Anmerkung]
Anmerkung RN: In Panofskys Perspektive-Aufsatz findet man auf S. 121 die folgenden Abbildungen:
Und Fußnote 60 dieses Aufsatzes (S. 155) enthält die beiden folgenden Diagramme:
In diesem Diagramm ist A der Fluchtpunkt und D der Distanzpunkt.
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dass Sie im Bild Ihre Distanz wählen können: Möglicherweise denkt Lacan hier an Las Meninas und an den Abstand des gemalten Malers vom Bild im Bild.
jedes Bild im Bild: Auch das ist vielleicht eine Vorausdeutung auf das Bild im Bild in Las meninas.
Sie machen ein Bild von sich nicht in der Fensteröffnung: Bereits das Bild selbst ist eine Distanzierung, es beruht unvermeidlich auf einer Distanzierung des Betrachters (des Augpunkts) von der Abbildungsebene. Auf die Notwendigkeit der Distanz im Feld des Sehens verweist auch Ruyer, Paradoxien, a.a.O., S. 20.
Fenster: Zum Verhältnis von Perspektive und Fenster vgl. Panofsky:
„wir wollen da, und nur da, von einer in vollem Sinne ‚perspektivischen‘ Raumanschauung reden, wo nicht nur einzelne Objekte, wie Häuser oder Möbelstücke, in einer ‚Verkürzung‘ dargestellt sind, sondern wo sich das ganze Bild – um den Ausdruck eines andern Renaissancetheoretikers zu zitieren – gleichsam in ein ‚Fenster‘ verwandelt hat, durch das wir in den Raum hindurchzublicken glauben sollen“
(Panofsky, Die Perspektive als „symbolische Form“, a.a.O., S. 100)
(Der „andere Renaissancetheoretiker“ ist Leon Battista Alberti.)
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innerhalb dieses Rahmens: Die Tatsache, dass das Bild einen Rahmen hat, einen Rand, impliziert bereits einen Abstand des Augpunkts von der Abbildungsebene. Inwiefern? Der Rahmen (bzw. der Bildrand) wird von Lacan als Projektion des Auges aufgefasst, insofern es ein Fenster darstellt, d.h. insofern es einen Rand hat. Die Deutung des Augpunkts als Fenster ist ein Thema der nächsten Sitzung.
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Seminar 10, Sitzung vom 15. Mai 1963, Version Miller/Gondek S. 289.
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Seminar 10, Sitzung vom 22. Mai 1963, Version Miller/Gondek S. 314.
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Die anderen Grundflächen sind die Sphäre, der Torus und die Klein’sche Flasche.
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Seminar 12, Sitzung vom 16. Dezember 1964, meine Übersetzung.
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Vgl. Seminar 7 von 1959/60, Die Ethik der Psychoanalyse, Sitzung vom 16. Dezember 1959, Version Miller/Haas S. 78.
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Vgl. Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 4. März 1964, Version Miller/Haas S. 100.
Vgl. Sitzung vom 6. Mai 1965; vgl. Version Miller/Haas S. 177 f.
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Quelle der Abbildung: Georgin/Porge, a.a.O., S. 145, Abb. 6.