Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom
IV. Zur Sitzung vom 13. Januar 1976
Wie man zwei Seil-Enden durch einen Spleiß verbindet
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, “Das Sinthom“
Jacques Lacan: Seminar 23 von 1975/76: Le sinthome / Das Sinthom
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin ab März 2013
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Sitzung vom 13. Januar 1976
Dritte Fassung vom 20. September 2019. Die zweite Fassung erschien am 30. April 2015, die erste Fassung am 23. Mai 2014.
Die erste Fassung erschien am 25. März 2015, die zweite Fassung am 4. Mai 2015: Wichtigste Änderungen gegenüber der zweiten Fassung:
(a) Auf der Grundlage der Übersetzung von Max Kleiner wurde eine neue Übersetzung erstellt.
(b) Die „Paraphrase mit Ergänzungen und Fragen“ wurde stark überarbeitet.
(c) Seitenverweise auf die inzwischen erschienene offizielle Übersetzung wurden eingefügt (J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017).
In der von Miller erstellten Version ist dies IV. Joyce et l’énigme du renard, S. 61–74, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann IV. Joyce und das Fuchs-Rätsel, S. 63–78.
10., 11. und 12. Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
am 22. Februar, 25. März und 29. April 2014 in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin
QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– die Übersetzung von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der Staferla-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Primärtexten und mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern).
NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Homophonien und Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
TONAUFNAHMEN
Die Aufnahmen sind von der Website von Patrick Valas, hier
Version Lutecium:
Version Duncan & Valas:
DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
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{63} Verantwortlich ist man nur im Maße seines Savoir-faire, seines Könnens.
Was ist Savoir-faire? Sagen wir, das ist die Kunst, der Kunstgriff, das, was der Kunst – der Kunst, zu der man fähig ist – einen bemerkenswerten Wert verleiht. Bemerkenswert insofern, als es keinen Anderen des Anderen gibt, um das letzte Urteil zu fällen – zumindest wird das von mir so gesagt.
Das heißt, dass es etwas gibt, woran wir keinen Genuss haben können, keine Jouissance, nennen wir es die Jouissance Gottes, mit dem darin eingeschlossenen Sinn der sexuellen Jouissance.
Impliziert das Bild, das man sich von Gott macht, dass er an dem, was er angestellt hat, seine Jouissance hat, einmal angenommen, er existiert? Wenn darauf geantwortet wird, dass er nicht existiert, wird damit die Frage so entschieden, dass man uns die Last eines Denkens aufbürdet, das seinem Wesen nach darin besteht, sich in diese Realität einzufügen – eine erste Annäherung an das Wort real, das in meinem Vokabular einen anderen Sinn hat –, darin besteht, sich in diese begrenzte Realität einzufügen, die bezeugt wird durch die Ex-sistenz – so geschrieben: E, x, Bindestrich, s –, durch die Ex-sistenz des Geschlechts (sexe). Gut.
Das ist die Art von Dingen, die ich Ihnen an diesem Jahresanfang letztlich mitbringe, nämlich das, was ich – für einen Jahresanfang ist das gar nicht schlecht –, was ich erste Wahrheiten nennen möchte.
Nicht etwa, dass ich in der Zwischenzeit, die uns jetzt seit etwa drei Wochen getrennt hat, nicht dass ich nicht gearbeitet hätte. Ich habe an Sachen gearbeitet, von denen Sie dort an der Tafel eine Kostprobe sehen.
|{64} Das hier [Abb. A] ist, wie Sie sehen können, ein borromäischer Knoten.
Er unterscheidet sich nicht von dem, den ich, wie Sie sich erinnern werden, für gewöhnlich zeichne und der so gebaut ist [Abb. B]; er unterscheidet sich von dem da nur durch etwas, das nicht zu vernachlässigen ist, nämlich dass dieser hier so auseinandergezogen werden kann, dass die beiden Extreme Ringe sind und dass der in der Mitte die Verbindung herstellt [Abb. C]..
{65} Der Unterschied ist folgender: Nehmen Sie an, es gibt drei Elemente wie dieses Element da – das mittlere –, die kreisförmig vereinigt sind [Abb. D]. Sie können sehen, hoffe ich, wie sich das machen lässt, es ist nicht nötig, dass ich Ihnen die Sache an der Tafel anzeichne.
Also das lässt sich so vereinfachen: so oder auch so [Abb. E], weil es derselbe ist.
Natürlich gebe ich mich damit allein noch nicht zufrieden, ich habe meine Ferien damit zugebracht, eine Menge anderer auszutüfteln, in der Hoffnung, einen guten zu finden, der als Stütze dienen könnte, ich meine als bequeme Stütze für das, was ich Ihnen heute als erste Wahrheiten zu erzählen begonnen habe.
{66} Nun – etwas Überraschendes –, das geht nicht von allein. Nicht, dass ich glaube, im Unrecht zu sein, wenn ich im Knoten das finde, was unsere Konsistenz stützt. Nur ist das bereits ein Zeichen dafür, dass ich diesen Knoten nur von einer Verkettung herleiten kann, also von etwas, das keineswegs von derselben Natur ist: Verkettung – oder im Englischen link –, das ist nicht dasselbe wie ein Knoten..
Aber nehmen wir es wieder auf, das Schnurren der genannten ersten Wahrheiten, der Wahrheiten, die ich selbst so genannt habe.
Es ist klar, dass bereits der Ansatz dessen, was man Denken nennt – alles, was, sobald es seine Nasenspitze zeigt, einen Sinn ergibt –, eine Bezugnahme, eine Gravitation in Richtung auf den Geschlechtsakt mit sich führt, wie wenig offensichtlich dieser Akt auch sein mag. Allein schon das Wort „Akt“ impliziert die Aktiv/passiv-Polarität, was bereits heißt, sich in eine Fehldeutung zu verwickeln. Das ist das, was man Erkenntnis nennt, mit der Mehrdeutigkeit, dass das Aktive das ist, was wir erkennen, dass wir uns jedoch vorstellen, dass wir, wenn wir uns zu erkennen bemühen, aktiv sind. Die Erkenntnis zeigt sich also von Anfang an als das, was sie ist: als trügerisch.
Aus diesem Grunde muss zu Beginn, ausgehend von der Opazität des Sexuellen, alles wieder neu aufgenommen werden. Opazität sage ich, weil wir zunächst nicht wahrnehmen, dass das Sexuelle in keiner Weise irgendein Verhältnis begründet.
Das impliziert dem Denken zufolge, dass es Verantwortung nur – in dem Sinne, dass Verantwortung Nicht-Antwort heißt oder danebengehende Antwort –, dass es Verantwortung nur als sexuelle Verantwortung gibt, wofür letztlich alle ein Gefühl haben.
Wohingegen das, was ich Savoir-faire genannt habe, weit darüber hinausgeht und hier den Kunstgriff hinzufügt, den wir völlig unnötig Gott zuschreiben, worauf Joyce beharrt, weil das eine Sache ist, die bei ihm irgendwo das gekitzelt hat, was man Denken nennt..
Man schreibt Gott das zu, was Sache des Künstlers ist, dessen erstes Modell bekanntlich der Töpfer ist, und man sagt, er habe – womit übrigens? –, er habe diese Sache modelliert, die man nicht zufällig Universum nennt, was nur eins bedeutet, nämlich dass es Ein gibt, Y a d’l’Un. Y a d’l’Un, |{67} man weiß aber nicht wo. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass dieses Ein das Universum bildet.
Der reale also unmögliche Andere des Anderen, das ist die Idee, die wir vom Kunstgriff haben, insofern es sich dabei um ein Tun handelt, das uns entgeht, das also über die Jouissance, die wir davon haben können, weit hinausgeht. Diese ganz winzige Jouissance ist das, was wir Witz nennen.
All dies impliziert natürlich einen Begriff des Realen. Es ist klar, dass wir ihn so bilden müssen, dass er sich vom Symbolischen und vom Imaginären unterscheidet. Die einzige Schwierigkeit – das kann man hier wirklich sagen, Sie werden gleich sehen warum –, die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass das Reale hierbei Sinn macht, während sich doch zeigt – wenn Sie sich in das vertiefen, was ich mit dem Begriff des Realen sagen will –, dass sich das Reale von daher begründet, dass es keinen Sinn hat, dass es den Sinn ausschließt oder genauer, dass es sich dadurch ablagert, dass es aus dem Sinn ausgeschlossen ist.
Also, ich erzähl Ihnen das so, wie ich’s denke. Und ich sage es Ihnen, damit Sie es wissen.
Die am meisten von Sinn entleerte Gestalt dessen, was gleichwohl imaginiert wird, ist die Konsistenz. Nichts zwingt uns ja, die Konsistenz zu imaginieren, stellen Sie sich vor. Ja.
Ich habe hier einen Schmöker mit dem Titel Surface and symbol, mit dem Zusatz, dass dies eine Studie ist, das muss man schon wissen, denn wie wüsste man es ohne diesen Untertitel, der hinzufügt The consistency of James Joyce’s Ulysses, von Robert Martin Adams. Darin gibt es so etwas wie eine Ahnung von der Unterscheidung zwischen dem Imaginärem und dem Symbolischem. Als Beweis: ein Kapitel, wo – nachdem das Buch Surface and symbol betitelt wurde –, ein ganzes Kapitel, in dem gefragt wird, ich meine, das hinter Surface or symbol ein Fragezeichen setzt: „Fläche oder Symbol?“
Die Konsistenz hier, was bedeutet das? Das bedeutet: das, was zusammenhält, und genau deshalb wird es hierbei durch die Fläche symbolisiert – da wir, arm wie wir sind, eine Vorstellung von Konsistenz nur von dem her haben, was einen Sack ausmacht oder einen Lappen, das ist die erste Idee, die wir davon haben. Selbst den Körper spüren wir als Haut, die in ihrem Sack einen Haufen Organe zusammenhält.
Mit anderen Worten, diese Konsistenz montre la corde, sie ist fadenscheinig. Die Fähigkeit zur imaginativen Abstraktion ist jedoch so schwach, dass sie aus diesem corde, aus diesem durchscheinenden Faden als Überrest der Konsistenz, dass sie aus diesem Faden den Knoten ausschließt.
{68} Dies ist vielleicht das, wozu ich das einzige Körnchen Salz beisteuern kann, für das ich mich letztlich als verantwortlich begreife: Bei einem Faden ist der Knoten alles, was ex-sistiert – im strengen Sinne des Ausdrucks, so wie ich ihn schreibe –, ist er alles, was strenggenommen ex-sistiert.
Und das nicht ohne Grund. Ich meine, es ist nicht ohne verborgene Ursache, dass ich bei diesem Knoten, um einen Zugang herzustellen, mit der Verkettung beginnen musste, in der es Elemente gibt, die sich unterscheiden, Elemente, die dann in einer bestimmten Form der Schnur zusammenhalten, entweder dadurch, dass es sich um eine Gerade handelt, die wir, damit der Knoten sich nicht auflöst, als unendlich annehmen müssen, oder aber durch das, was ich Fadenring genannt habe, anders gesagt eine Schnur, die mit sich selbst verknüpft ist oder genauer gesagt, die durch einen Spleiß mit sich selbst verbunden ist, derart, dass der Knoten im eigentlichen Sinne nicht ihre Konsistenz bildet, da man Konsistenz und Knoten auf jeden Fall unterscheiden muss. Der Knoten ex-sistiert, er ex-sistiert dem Schnur-Element, der konsistenten Schnur.
Ein Knoten kann also gemacht werden. Eben deshalb habe ich diesen Weg eingeschlagen, den der Zusammenfügung von Elementen. Ich bin deshalb so vorgegangen, weil mir das am didaktischsten zu sein schien, in Anbetracht der Mentalität – mehr muss ich nicht sagen –, der dem Sprechwesen eigene Senti-Mentalität, der Mentalität, insofern das Sprechewesen ihre Bürde spürt; puisqu’il la sent, denn es spürt sie ja, die Mentalität, en tant qu’il ment, in dem Maße, in dem es lügt. Das ist ein fait, ein Faktum, eine Tatsache.
Was ist ein fait, eine Tatsache? Es ist ja das Sprechwesen, qui le fait, das sie macht. Ein Faktum gibt es nur aufgrund des Faktums, dass das Sprechwesen es sagt. Es gibt keine anderen Fakten als diejenigen, die das Sprechwesen dadurch als solche (an)erkennt, dass es sie sagt. Ein Faktum gibt es nur durch ein Artefakt.
Und es ist Fakt, qu’il ment, dass es lügt, das heißt, dass es in der (An-)Erkenntnis falsche Fakten etabliert, dies deshalb, weil es Mentalität hat, das heißt Eigenliebe. Das ist das Prinzip der Imagination: es betet seinen Körper an.
Es betet ihn an, weil es glaubt, es habe ihn. In Wirklichkeit hat es ihn nicht. Sein Körper ist jedoch seine einzige Konsistenz, seine einzige mentale Konsistenz. versteht sich. |{69} Das ist ein selbst bei Tieren konstatiertes Faktum. Der Körper verflüchtigt sich nicht, er ist konsistent. Und das ist das, was ihr, der Mentalität, unsympathisch ist, einzig deshalb, weil sie glaubt, einen Körper zum Anbeten zu haben. Das ist die Wurzel des Imaginären.
Je le panse – p, a, n, s, e –, ich striegle ihn, das heißt je le fais panse, ich mach ihn zu Wanst, donc je l’essuie, also wisch ich es weg. (Gelächter) Darauf läuft das hinaus.
Was dabei lügt, ist das Sexuelle, indem es große Sprüche macht, mangels der erwähnten imaginären Abstraktion, derjenigen, die sich auf die Konsistenz reduziert. Denn das Konkrete, das einzige, das wir erkennen, ist immer die sexuelle Anbetung, das heißt la méprise, der Missgriff, anders gesagt le mépris, die Verachtung; was man anbetet, dem wird unterstellt – siehe der Fall Gottes – keinerlei Mentalität zu haben.
Was nur für den Körper wahr ist, der als solcher aufgefasst wird, ich meine angebetet wird, da dies die einzige Beziehung ist, die das Sprechwesen zu seinem Körper hat. Was so weit geht, dass es stets verdächtig ist, wenn es einen anderen anbetet, einen anderen Körper, denn das geht mit derselben Verachtung einher, einer wahrhaften Verachtung, da es um Wahrheit geht.
Was ist Wahrheit? wie mal jemand gefragt hat. Was heißt es, das Wahre über das Wahre zu sagen? – da man mir, als ich anfing herumzuspinnen, vorgeworfen hat, es nicht zu sagen. Das heißt, nicht mehr als das zu tun, was ich tatsächlich getan habe: der Spur des Realen zu folgen, des Realen, das nur im Knoten konsistiert und ex-sistiert.
Funktion der Hast, ja. Ich muss hasten, ja. Natürlich werd ich nicht zu Ende kommen, obwohl ich nicht getrödelt habe. Aber den Knoten unbedacht zu schließen, heißt einfach, ein bisschen schnell vorzugehen.
{70} Vielleicht ist der Knoten, den ich da gemacht habe, der rechte oder der linke, vielleicht ist er nicht ganz ausreichend. Eben deshalb habe ich nach welchen gesucht, bei denen es mehr Überkreuzungen gibt als hier.
Aber halten wir uns dabei doch ans Prinzip, an das Prinzip, das man ja letztlich gefunden haben muss. Hierzu bin ich durch das sexuelle Verhältnis gelangt, das heißt durch die Hysterie, insofern sie, wie Freud ganz klar gesehen hat, die letzte wahrnehmbare Realität ist, die letzte – hysteron – Realität dessen, worum es beim sexuellen Verhältnis geht.
Da hat Freud das Abc davon gelernt. Was ihn nicht daran gehindert hat, die WwdW-Frage zu stellen: *„Was will das Weib?“* Er machte nur einen Fehler, er dachte, es gäbe *das Weib*. Es gibt nur *ein Weib*: W, w, e, W – WweW [als Wort gesprochen: wef].
So, jetzt werde ich Ihnen doch mal ein Eckchen zu beißen geben. Also los. Ich möchte das durch etwas veranschaulichen, durch etwas, das eine Stütze liefert und was eben das ist, worum es bei dieser Frage geht.
Vom Enigma, vom Rätsel, habe ich bereits früher mal gesprochen. Ich habe das so geschrieben: groß E, Index klein e: Ee. Dabei geht es um die énonciation, das Aussagen, und um das Énoncé, das Ausgesagte.Ein Enigma ist, wie der Name anzeigt, ein Aussagen [e], das so beschaffen ist, dass man das davon Ausgesagte [E] nicht findet.
In dem Buch, über das ich vorhin zu Ihnen gesprochen habe, dem von R. M. Adams – leichter zu beschaffen, hoffe ich, als das berühmte Portrait of the artist as a young man, das Sie sich trotzdem besorgen können, vorausgesetzt, Sie möchten nicht auch noch den ganzen kritischen Apparat haben, um dessen Hinzufügung sich, als Herausgeber, Chester Anderson gekümmert hat –, Surface and symbol ist bei Oxford University Press erschienen, das bekommt man leicht, Oxford University Press hat auch in New York ein Büro. (Gelächter)
Gut, da also, bei diesem R. M. Adams, werden Sie etwas finden, das seinen Wert hat, nämlich dass in den ersten Kapiteln von Ulysses, als er Unterricht abhält, bei diesem kleinen Volk, wie es von einer Schulklasse gebildet wird – im Trinity College, falls ich mich recht erinnere –, dass hier Joyce, das heißt nicht Joyce, sondern Stephen, Stephen, also der Joyce, den Joyce imaginiert und den er, da er kein Trottel ist, nicht anbetet, weit davon entfernt – sobald er von Stephen spricht, wird er |{71} höhnisch. Das ist ja von meiner Position, wenn ich über mich spreche, gar nicht so weit entfernt, jedenfalls wenn ich über das spreche, was ich Ihnen vorschwatze.
Also, woraus besteht ein Rätsel? Das ist eine Kunst, die ich, um auf die Schnur anzuspielen, eine Zwischen-den-Zeilen-Kunst nennen möchte. Es ist nicht einzusehen, warum die Zeilen des Geschriebenen nicht durch eine zweite Schnur verknüpft sein sollten.
So habe ich mich ans Träumen gemacht, und ich muss sagen, dass alles, was ich von der Geschichte der Schrift wie auch von der Theorie der Schrift habe aufnehmen können – es gibt da einen gewissen Février, der die Geschichte der Schrift geschrieben hat, und es gibt einen weiteren, der Gelb heißt und der eine Theorie der Schrift verfasst hat –; die Schrift, das interessiert mich, da ich denke, dass man, historisch gesehen, durch kleine Stücke Schrift zum Realen gelangt ist und also aufgehört hat, zu imaginieren, da ich denke, dass die Schrift der kleinen mathematischen Buchstaben das ist, wodurch das Reale gestützt wird.
Aber, du lieber Gott, wie kommt das zustande? Auf diese Weise bin ich auf etwas gestoßen, das mir, sagen wir, wahrscheinlich zu sein scheint; ich habe mir gesagt, dass die Schrift immer etwas damit zu tun haben muss, wie wir den Knoten schreiben.
Es ist offensichtlich, dass ein Knoten üblicherweise so geschrieben wird [Abb. F]. Das ergibt bereits ein S, das heißt etwas, das ja doch zur Instanz des Buchstabens, wie ich ihn stütze, in einem deutlichen Verhältnis steht..
Und das gibt dann der Schönheit einen Körper, einen solchen wahrScheinlichen Körper. Denn man sollte erwähnen, dass es einen gewissen Hogarth gegeben hat, der sich ausführlich mit der Schönheit befasst hat und der dachte, Schönheit habe immer etwas mit dieser doppelten Krümmung |{72} zu tun [Abb. G]. Das ist natürlich Blödsinn. Aber immerhin ginge das in die Richtung, die Schönheit mit etwas anderem als mit dem Obszönen zu verbinden, nämlich mit dem Realen. Es gäbe Schrift letztlich nur von schöner [unverständlich, vielleicht „gelesen wird“], was … warum nicht? Gut.
Gut, aber kommen wir zu Stephen zurück, der ebenfalls mit einem S beginnt.
Stephen, das ist Joyce, insofern dieser sein eigenes Rätsel entziffert. Er kommt nicht weit. Er kommt deshalb nicht weit, weil er an seine sämtlichen Symptome glaubt, ja, das ist wirklich verblüffend. Er fängt an mit –, er fängt an –, er hat weit vorher angefangen, er hat einige kleine Sachen ausgespuckt, Gedichte sogar. Die Gedichte, das gehört nicht zu seinen besseren Sachen. Mein Gott, er glaubt an Sachen! Er glaubt an das „ungeschaffene Gewissen seines Volkes“. So endet es, das Porträt des Künstlers als – betrachtet als – junger Mann. Das führt nicht weit, das ist offensichtlich.
Es endet jedoch gut, ja. Da gibt es „Old father, 27. April“, das ist der letzte Satz des Portrait of an artist –, of the artist – sehen Sie, ich habe einen Versprecher gemacht: Porträt eines Künstlers as a young man, wo er doch glaubte, the artist zu sein –, „Old father, old artificer, stand me now and ever in good stead“: halten Sie mich warm, einst und heute. Es ist sein Vater, an den er das Gebet richtet, sein Vater, der sich genau dadurch auszeichnet, dass er – na ja, letztlich können wir ihn so nennen – ein unwürdiger Vater ist, ein ausfallender Vater, einer, den er im ganzen Ulysses in Gestalten suchen wird, in denen er ihn nicht im Geringsten findet, denn offenkundig gibt es irgendwo einen Vater, nämlich Bloom, einen Vater, der sich einen Sohn sucht. Stephen jedoch setzt ihm ein „Ohne mich“ entgegen, „nach dem Vater, den ich hatte, hab ich’s satt – keinen Vater mehr“. Umso mehr, als dieser Bloom, der erwähnte Bloom, nicht gerade verlockend ist.
Aber es ist schon sonderbar, dass es diese Gravitation zwischen den Gedanken von Bloom und denen von Stephen gibt, die den ganzen Roman durchziehen, so weit sogar, dass dieser Adams, dessen Name jüdischer klingt als der von Bloom, dass dieser Adams von bestimmten kleinen Hinweisen, die er entdeckt, ganz beeindruckt ist, |{73} die er insbesondere von daher entdeckt, dass sie allzu unwahrscheinlich sind, nämlich Bloom ein Wissen über Shakespeare zuzuschreiben, das er ganz offensichtlich nicht hat, ein Wissen über Shakespeare, das im Übrigens keineswegs unbedingt richtig ist, obgleich es das Wissen ist, das Stephen hat, und das darin besteht, Shakespeare Beziehungen zu einem bestimmten Kräuterhändler zu unterstellen, der in in London in derselben Gegend wie Shakespeare wohnte, und weil dies trotz allem wirklich eine bloße Vermutung ist. Dass die Sache Bloom in den Sinn kommt, das ist etwas, das Adams herausstellt, das er als etwas herausstellt, das die Grenzen dessen überschreitet, was Bloom mit Recht zugeschrieben werden kann.
Tatsächlich gibt es ein ganzes Kapitel – nämlich das, von dem ich bereits gesprochen habe, Surface or symbol? –, gibt es ein ganzes Kapitel, in dem es streng nur darum geht. Das geht so weit, dass es in einem Blephen kulminiert – da ich gerade einen Versprecher gemacht habe –, in einem Blephen und Stoom, Blephen und Stoom, die sich im Text des Ulysses begegnen und die ganz manifest zeigen, dass sie nicht nur aus demselben Signifikanten gemacht sind, sondern wirklich aus demselben Stoff.
Ulysses ist das Zeugnis für das, worin Joyce in seinem Vater verwurzelt bleibt, während er ihn zugleich verleugnet, und eben das ist sein Symptom.
Ich habe gesagt, er sei das Symptom. Sein gesamtes Werk ist dafür ein umfassendes Zeugnis..
Exiles, das ist wirklich die Annäherung an etwas, das für ihn letztlich das Symptom ist, das zentrale Symptom, bei dem es natürlich um das Symptom geht, das aus dem Definit gemacht ist, der dem sexuellen Verhältnis eigen ist. Die Form, die dieses Definit annimmt, ist jedoch keineswegs beliebig. Es ist ja notwendig, dass dieser Mangel eine Form annimmt, und diese Form ist diejenige, die ihn mit seiner Frau verknotet, mit besagter Nora, während derer Herrschaft er die Exiles ausspinnt, „Die Exilierten“, wie man das übersetzt hat, obgleich es ebenso „Die Exile“ bedeutet.
„Exile“, es kann keinen besseren Begriff geben, um das Nichtverhältnis auszudrücken, und genau um dieses Nichtverhältnis dreht sich in Exiles alles. Das Nichtverhältnis ist ja dies, dass es wirklich keinen Grund dafür gibt, dass er eine-Frau-unter-anderen für seine Frau |{74} hält, dass eine-Frau-unter-anderen auch die ist, die ein Verhältnis zu irgendeinem anderen Mann hat. Und um diesen irgendeinen-anderen-Mann geht es bei der Figur, die er sich ausdenkt und der er zu diesem Zeitpunkt seines Lebens die Wahl zu eröffnen weiß, die Wahl der Einen Frau, um die es geht, die hierbei niemand anders ist als Nora..
Das Porträt, das er damals beendete, zu der Zeit, auf die ich beim „ungeschaffnen Gewissen seines Volkes“ verwiesen habe, wobei er den artificer par excellence anruft, der sein Vater wäre, während er doch selbst der artificer ist, derjenige, der weiß, was er zu tun hat, der jedoch glaubt, es gebe ein ungeschaffenes Gewissen irgendeines Volkes – worin eine große Illusion liegt.
Der auch glaubt, es gebe ein book of himself. Was für eine Idee, sich zu einem Buch zu machen! Auf so etwas kann wirklich nur ein verkümmerter Dichter kommen, ein Kümmerling von Dichter. Warum sagt er nicht stattdessen, dass er ein Knoten ist?
Kommen wir zum Ulysses.
Dass man ihn analysieren kann, denn das ist sicherlich das, was ein gewisser Shechner macht – na ja, als ich träumte, habe ich geglaubt, er hieße Checher, das war leichter zu schreiben; nein, er heißt Shechner, das ist schade, er ist überhaupt nicht Checher! (Gelächter) Er bildet sich ein, Analytiker zu sein. Er bildet sich ein, Analytiker zu sein, weil er viele analytische Bücher gelesen hat – das ist eine recht verbreitete Illusion, gerade unter Analytikern –, und also analysiert er Ulysses. Das ergibt, das macht einen absolut grauenhaften Eindruck – im Gegensatz zu Surface and symbol –, diese Analyse des Ulysses, natürlich erschöpfend, da man ja, wenn man ein Buch analysiert, nicht aufhören kann, oder?
Freud allerdings hat darüber nur Artikel geschrieben, begrenzte Artikel, nicht wahr; im Übrigen hat er, abgesehen von Dostojewski, keinen Roman im strengen Sinne analysiert. Er hat eine kleine Anspielung auf Ibsens Rosmersholm gemacht, aber letztlich hat er sich zurückgehalten.
Das führt wirklich zu der Idee, dass die Einbildungskraft des Romanautors – ich meine diejenige, die im Ulysses herrscht – in den Papierkorb zu werfen sei. Das ist übrigens keineswegs etwas, das meinem Gefühl entspricht.
Man muss sich aber dennoch darauf einlassen, in |{75} diesem Ulysses einige erste Wahrheiten aufzusammeln, und das ist das, was ich mit dem Rätsel begonnen habe. Hier also das, was der liebe Joyce, Joyce in der Erscheinungsform von Stephen, seinen Schülern als Rätsel vorlegt. Das ist eine énonciation, ein Aussagen.
The cock crew
Es krähte der Hahn
The sky was blue.
The bells in heaven
Die Glocken im Himmel
Were striking eleven.
Schlugen elf.
‚T is time for this poor soul
Es ist Zeit für diese arme Seele
To go to heaven..
Ich wette, dass Sie den Schlüssel, die Antwort, niemals erraten. Joyce liefert sie natürlich erst, nachdem die gesamte Klasse aufgegeben hat: The fox burying his grandmother under the bush, also: Der Fuchs, der seine Großmutter unter einem Busch begräbt.
Das sieht nach nichts aus, es ist jedoch unbestreitbar, dass, abgesehen von der Inkohärenz des Aussagens – das, ich mache Sie darauf aufmerksam, in Versen ist, das heißt, es ist ein Gedicht, es ist regelmäßig, es ist eine Schöpfung –, dass abgesehen davon dieser fox, dieser kleine Fuchs, der seine Großmutter unter einem Busch begräbt, wirklich ein elendes Ding ist, nicht wahr. Tja..
Welches Echo kann das haben für –, ich werde natürlich nicht sagen, für die Leute, die in diesem Raum sind, sondern: für diejenigen, die Analytiker sind? Dies, dass eben dies die Analyse ist. Sie ist die Antwort auf ein Rätsel, und zwar, wie man mit diesem Beispiel wohl sagen muss, eine ganz besonders blöde Antwort.
Eben deshalb muss man sich an die Schnur halten. Ich will sagen, wenn man keine Idee davon hat, wo die Schnur hinführt, nämlich zum Kno-|{76} ten des sexuellen Nichtverhältnisses, läuft man Gefahr zu stammeln.
Der Sinn – ach, ich müsste Ihnen das zeigen –, der Sinn ergibt sich aus einem Feld zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen [Abb. H], das versteht sich natürlich von selbst.
Denn wenn wir denken, dass es keinen Anderen des Anderen gibt, zumindest keine Jouissance dieses Anderen des Anderen, dann müssen wir doch irgendwo die Naht herstellen, nämlich hier, zwischen dem Symbolischen, das sich allein dort erstreckt, und dem Imaginären, das hier ist. Hier natürlich das klein a, die Ursache des Begehrens. Nun ja..
Es ist nötig, dass wir irgendwo den Knoten bilden, den Knoten zwischen dem Imaginären und dem unbewussten Wissen, dass wir hier irgendwo einen Spleiß machen [Abb. I, Spleiß A] .
All dies, um einen Sinn zu erhalten, was das Ziel der Antwort des Analytikers ist, der Antwort darauf, was der Analysant im Verlauf seines Symptoms exponiert.
Wenn wir diesen Spleiß herstellen, machen wir zugleich einen weiteren, diesen hier, genau zwischen dem, was Symptom ist, und dem Realen [Abb. I, Spleiß B].
Das heißt, dass wir ihm auf irgendeine Weise beibringen zu spleißen, einen Spleiß herzustellen zwischen seinem Symptom und dem Realen, Parasit der Jouissance, das ist für unser Vorgehen charakteristisch.
Diese Jouissance zu ermöglichen ist dasselbe wie das, was ich so schreiben möchte: j’ouïs sens, „ich höre Sinn“, es ist dasselbe wie einen Sinn zu hören.
{77} In der Analyse geht es um Vernähen und Verspleißen. Jedoch muss man sagen, dass wir die Instanzen als realiter getrennt auffassen müssen – Imaginäres, Symbolisches und Reales vermischen sich nicht.
Einen Sinn zu finden impliziert zu wissen, welches der Knoten ist, und ihn, mithilfe eines Kunstgriffs, gut zusammenzufügen.
Einen Knoten mit dem zu bilden, was ich eine borromäische Knotenverkettung nennen möchte, geht das nicht zu weit? Mit dieser Frage, die ich in der Schwebe lassen möchte, verlasse ich Sie.
Dem lieben Jacques Aubert, dem ich den Rest der Sitzung über eigentlich das Quasseln überlassen wollte, habe ich nicht die Zeit gelassen, jetzt zu Ihnen zu sprechen; es ist Zeit, dass wir uns trennen. Das nächste Mal jedoch, angesichts dessen, was ich von ihm gehört habe – da er die Güte hatte, mich am Freitag anzurufen –, angesichts dessen, was ich von ihm gehört habe, glaube ich, er könnte über das, was es mit besagtem Bloom auf sich hat, also mit jemandem, der, mein Gott, in keiner schlechteren Position ist als andere, um etwas von der Analyse zu kapieren, da er Jude ist –; dass über diesen Bloom und über die Art, wie die Suspendierung zwischen den Geschlechtern empfunden wird, die zur Folge hat, dass der erwähnte Bloom nicht umhin kann, sich zu fragen, ob er ein Vater oder eine Mutter ist. Das ist etwas, was der Text von |{78} Joyce macht, was in diesem Text von Joyce sicherlich tausend Ausstrahlungen hat, nämlich dass er hinsichtlich seiner Frau die Gefühle einer Mutter hat, er glaubt, sie in seinem Bauch zu tragen, und dass dies nun wirklich die schlimmste Verirrung ist, in dem, was man gegenüber jemanden, den man liebt, empfinden kann.
Und warum nicht? Man muss die Liebe gut erklären, und sie durch einer Art Wahnsinn zu erklären ist ja das Erste, das in Reichweite ist.
Darüber verlasse ich Sie und hoffe, dass Sie, was diese Eingangssitzung angeht, nicht allzu sehr enttäuscht worden sind.
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FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
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[61] On n’est responsable que dans la mesure de son savoir-faire.
{63} Verantwortlich ist man nur im Maße seines Savoir-faire, seines Könnens.
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Qu’est-ce que c’est que le savoir-faire ?
Was ist Savoir-faire?1
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Disons que c’est l’art, l’artifice, ce qui donne à l’art – à l’art dont on est capable – une valeur remarquable.
Sagen wir, das ist die Kunst, der Kunstgriff, das, was der Kunst – der Kunst, zu der man fähig ist – einen bemerkenswerten Wert verleiht.2
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Remarquable en quoi, puisqu’il n’y a pas d’Autre de l’Autre pour opérer le Jugement Dernier, du moins est-ce moi qui l’énonce ainsi.
Bemerkenswert insofern, als es keinen Anderen des Anderen gibt, um das letzte Urteil zu fällen – zumindest wird das von mir so gesagt.3
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Ceci veut dire qu’il y a quelque chose dont nous ne pouvons jouir, appelons ça la jouissance de Dieu, avec le sens inclus là-dedans de jouissance sexuelle.
Das heißt, dass es etwas gibt, woran wir keinen Genuss haben können, keine Jouissance, nennen wir es die Jouissance Gottes, mit dem darin eingeschlossenen Sinn der sexuellen Jouissance.4
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L’image qu’on se fait de Dieu implique-t-elle ou non qu’il jouisse de ce qu’il a commis – en admettant qu’il ex-siste – ?
Impliziert das Bild, das man sich von Gott macht, dass er an dem, was er angestellt hat, seine Jouissance hat, einmal angenommen, er existiert?
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Y répondre qu’il n’existe5 pas, tranche la question en nous rendant la charge d’une pensée dont l’essence est de s’insérer dans cette réalité… première approximation du mot réel qui a un autre sens dans mon vocabulaire …dans cette réalité limitée qui s’atteste de l’ex-sistence – écrite de la même façon : x, trait d’union, s – de l’ex-sistence du sexe.
Wenn darauf geantwortet wird, dass er nicht exsistiert, wird damit die Frage so entschieden, dass man uns die Last eines Denkens aufbürdet, das seinem Wesen nach darin besteht, sich in diese Realität einzufügen – eine erste Annäherung an das Wort real, das in meinem Vokabular einen anderen Sinn hat –, darin besteht, sich in diese begrenzte Realität einzufügen, die bezeugt wird durch die Ex-sistenz – so geschrieben: E, x, Bindestrich, s –, durch die Ex-sistenz des Geschlechts (sexe).
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Voilà. C’est le type de chose que – en fin de compte – je vous apporte en ce début d’année, à savoir ce que j’appellerai… c’est pas plus mal pour un début d’année …ce que j’appellerai des vérités premières.
Gut. Das ist die Art von Dingen, die ich Ihnen an diesem Jahresanfang letztlich mitbringe, nämlich das, was ich – für einen Jahresanfang ist das gar nicht schlecht –, was ich erste Wahrheiten nennen möchte.6
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Non pas bien sûr que dans l’intervalle qui nous a séparés depuis quelque chose comme maintenant trois semaines, non pas que je n’aie pas travaillé.
Nicht etwa, dass ich in der Zwischenzeit, die uns jetzt seit etwa drei Wochen getrennt hat, nicht dass ich nicht gearbeitet hätte.
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J’ai travaillé à des trucs dont vous voyez là, sur le tableau un échantillon.
Ich habe an Sachen gearbeitet, von denen Sie dort an der Tafel eine Kostprobe sehen.
…
[62] Ceci [A], comme vous pouvez le voir, est un nœud borroméen :
Das hier [Abb. A] ist, wie Sie sehen können, ein borromäischer Knoten.
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Il ne diffère de celui que – je vous le rappelle – je dessine d’habitude, qui est foutu comme ça [B], il n’en diffère que de quelque chose qui n’est pas négligeable, c’est que celui-ci peut se distendre de façon telle que il y ait deux extrêmes comme rond et que ce soit celui qui est dans le milieu qui fasse le joint [C].
Er unterscheidet sich nicht von dem, den ich, wie Sie sich erinnern werden, für gewöhnlich zeichne und der so gebaut ist [Abb. B]; er unterscheidet sich von dem da nur durch etwas, das nicht zu vernachlässigen ist, nämlich dass dieser hier7 so auseinandergezogen werden kann, dass die beiden Extreme Ringe sind und dass der in der Mitte die Verbindung herstellt [Abb. C]..
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La différence est celle-ci : supposez que ce soit trois éléments comme celui-là – le médian [D] – qui s’unissent de façon circulaire.
{65} Der Unterschied ist folgender: Nehmen Sie an, es gibt drei Elemente wie dieses Element da – das mittlere –, die kreisförmig vereinigt sind [Abb. D].8
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Vous voyez bien, j’espère, comment ça peut se faire, il n’y a pas besoin que je vous trace le truc au tableau.
Sie können sehen, hoffe ich, wie sich das machen lässt, es ist nicht nötig, dass ich Ihnen die Sache an der Tafel anzeichne.
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Eh bien ça se simplifie comme ça : comme ça ou comme ça [E], parce que c’est le même.
Also das lässt sich so vereinfachen: so oder auch so [Abb. E], weil es derselbe ist.
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Naturellement, c’est pas de ça seulement que je me contente : j’ai passé mes vacances à en élucubrer bien d’autres, dans l’espoir d’en trouver un bon qui servirait de support – de support – j’entends : aisé – à ce que j’ai commencé aujourd’hui de vous raconter comme vérités premières.
Natürlich gebe ich mich damit allein noch nicht zufrieden, ich habe meine Ferien damit zugebracht, eine Menge anderer auszutüfteln, in der Hoffnung, einen guten zu finden, der als Stütze dienen könnte, ich meine als bequeme Stütze für das, was ich Ihnen heute als erste Wahrheiten zu erzählen begonnen habe.
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[64] Eh ben – chose surprenante – ça ne va pas tout seul.
{66} Nun – etwas Überraschendes –, das geht nicht von allein.
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Non pas que je croie que j’ai tort de trouver dans le nœud ce qui supporte notre consistance.
Nicht, dass ich glaube, im Unrecht zu sein, wenn ich im Knoten das finde, was unsere Konsistenz stützt.9
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Seulement c’est déjà un signe que ce nœud je ne puisse le déduire que d’une chaîne, à savoir de quelque chose qui n’est pas du tout de la même nature : chaîne – ou link en anglais – c’est pas la même chose qu’un nœud.
Nur ist das bereits ein Zeichen dafür, dass ich diesen Knoten nur von einer Verkettung herleiten kann, also von etwas, das keineswegs von derselben Natur ist: Verkettung – oder im Englischen link –, das ist nicht dasselbe wie ein Knoten..
Mais reprenons le ronron des vérités dites premières… dites par moi comme telles.
Aber nehmen wir es wieder auf, das Schnurren der genannten ersten Wahrheiten, der Wahrheiten, die ich selbst so genannt habe.
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Il est clair que l’ébauche même de ce qu’on appelle la pensée… tout ce qui fait sens dès que ça montre le bout de son nez …comporte une référence, une gravitation à l’acte sexuel, si peu évident que soit cet acte.
Es ist klar, dass bereits der Ansatz dessen, was man Denken nennt – alles, was, sobald es seine Nasenspitze zeigt, einen Sinn ergibt –, eine Bezugnahme, eine Gravitation in Richtung auf den Geschlechtsakt mit sich führt, wie wenig offensichtlich dieser Akt auch sein mag.
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Le mot même d’« acte » implique la polarité active-passive, ce qui déjà est s’engager dans un faux-sens.
Allein schon das Wort „Akt“ impliziert die Aktiv/passiv-Polarität, was bereits heißt, sich in eine Fehldeutung zu verwickeln.10
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C’est ce qu’on appelle la connaissance, avec cette ambiguïté que l’actif c’est ce que nous connaissons, mais que nous nous imaginons que – faisant effort pour connaître – nous sommes actifs.
Das ist das, was man Erkenntnis nennt, mit der Mehrdeutigkeit, dass das Aktive das ist, was wir erkennen, dass wir uns jedoch vorstellen, dass wir, wenn wir uns zu erkennen bemühen, aktiv sind.11
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La connaissance donc, dès le départ se montre ce qu’elle est : trompeuse ! (31)
Die Erkenntnis zeigt sich also von Anfang an als das, was sie ist: als trügerisch.
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C’est bien en quoi tout doit être repris au départ, à partir de l’opacité sexuelle.
Aus diesem Grunde muss zu Beginn, ausgehend von der Opazität des Sexuellen, alles wieder neu aufgenommen werden.
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Je dis opacité en ceci : c’est que premièrement nous ne nous apercevons pas que du sexuel ne fonde en rien quelque rapport que ce soit.
Opazität sage ich, weil wir zunächst nicht wahrnehmen, dass das Sexuelle in keiner Weise irgendein Verhältnis begründet.
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Ceci implique, au gré de la pensée, qu’il n’y a de responsabilité – en ce sens où responsabilité ça veut dire non réponse, ou réponse à côté – il n’y a de responsabilité que sexuelle, ce dont tout le monde en fin de compte a le sentiment.
Das impliziert dem Denken zufolge, dass es Verantwortung nur – in dem Sinne, dass Verantwortung Nicht-Antwort heißt oder danebengehende Antwort –, dass es Verantwortung nur als sexuelle Verantwortung gibt, wofür letztlich alle ein Gefühl haben.12
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Mais par contre, que ce que j’ai appelé le savoir-faire va bien au-delà et y ajoute l’artifice que nous imputons à Dieu tout à fait gratuitement, comme Joyce y insiste, parce que c’est un truc qui lui a chatouillé quelque part ce qu’on appelle la pensée.
Wohingegen das, was ich Savoir-faire genannt habe, weit darüber hinausgeht und hier den Kunstgriff hinzufügt, den wir völlig unnötig Gott zuschreiben, worauf Joyce beharrt, weil das eine Sache ist, die bei ihm irgendwo das gekitzelt hat, was man Denken nennt.13
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C’est pas Dieu qui a commis ce truc qu’on appelle l’Univers.
Diese Sache, die man Universum nennt, wurde nicht von Gott verbrochen.
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On impute à Dieu ce qui est l’affaire de l’artiste dont le premier modèle est – comme chacun sait – le potier, et qu’on dit que – avec quoi d’ailleurs ? – il a moulé, comme ça, ce truc qu’on appelle, pas par hasard, l’Univers, ce qui ne veut dire qu’une seule chose, c’est qu’y a d’l’Un.
Man schreibt Gott das zu, was Sache des Künstlers ist, dessen erstes Modell bekanntlich der Töpfer ist, und man sagt, er habe – womit übrigens? –, er habe diese Sache modelliert, die man nicht zufällig Universum nennt, was nur eins bedeutet, nämlich dass es Ein gibt, Y a d’l’Un.14
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Yad’l’un15, mais on ne sait pas où.
Y a d’l’Un,|{67} man weiß aber nicht wo.16
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Il est plus qu’improbable que cet Un constitue l’Univers.
Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass dieses Ein das Universum bildet.
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L’Autre de l’Autre réel, c’est-à-dire impossible, c’est l’idée que nous avons de l’artifice, en tant qu’il est un faire – f.a.i.r.e, n’écrivez pas ça f.e.r – un faire qui nous échappe, c’est-à-dire qui déborde de beaucoup la jouissance que nous en pouvons avoir.
Der reale also unmögliche Andere des Anderen, das ist die Idee, die wir vom Kunstgriff haben, insofern es sich dabei um ein Tun handelt, das uns entgeht, das also über die Jouissance, die wir davon haben können, weit hinausgeht.
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Cette jouissance tout à fait mince, c’est ce que nous appelons l’esprit.
Diese ganz winzige Jouissance ist das, was wir Witz nennen.17
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Tout ceci implique une notion du réel, bien sûr.
All dies impliziert natürlich einen Begriff des Realen.
Bien sûr qu’il faut que nous la fassions distincte du symbolique et de l’imaginaire.
Es ist klar, dass wir ihn so bilden müssen, dass er sich vom Symbolischen und vom Imaginären unterscheidet.
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Le seul ennui, [65] c’est bien le cas de le dire, vous verrez tout à l’heure pourquoi, c’est que le réel fasse sens dans cette affaire, alors que si vous creusez ce que je veux dire par cette notion du réel, il apparaît que c’est pour autant qu’il n’a pas de sens, qu’il exclut le sens, ou plus exactement qu’il se dépose d’en être exclu, que le réel se fonde.
Die einzige Schwierigkeit – das kann man hier wirklich sagen, Sie werden gleich sehen warum –, die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass das Reale hierbei Sinn macht, während sich doch zeigt – wenn Sie sich in das vertiefen, was ich mit dem Begriff des Realen sagen will –, dass sich das Reale von daher begründet, dass es keinen Sinn hat, dass es den Sinn ausschließt oder genauer, dass es sich dadurch ablagert, dass es aus dem Sinn ausgeschlossen ist.
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Voilà, je vous raconte ça comme je le pense.
Also, ich erzähl Ihnen das so, wie ich’s denke.
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C’est pour que vous le sachiez que je vous le dis.
Und ich sage es Ihnen, damit Sie es wissen.
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La forme la plus dépourvue de sens de ce qui pourtant s’imagine, c’est la consistance. Ouias
Die am meisten von Sinn entleerte Gestalt dessen, was gleichwohl imaginiert wird, ist die Konsistenz.18 Ja.
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Rien ne nous force, hein, à imaginer la consistance, figurez-vous. Ouais…
Nichts zwingt uns ja, die Konsistenz zu imaginieren, stellen Sie sich vor. Ja.
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J’ai là un bouquin qui s’appelle Surface and symbol qui ajoute que c’est une étude… faut bien le savoir, car sans ce sous-titre comment le saurait-on ? …qui ajoute The Consistency of James Joyce’s Ulysses, par Robert Martin Adams.
Ich habe hier einen Schmöker mit dem Titel Surface and symbol, mit dem Zusatz, dass dies eine Studie ist, das muss man schon wissen, denn wie wüsste man es ohne diesen Untertitel, der hinzufügt The consistency of James Joyce’s Ulysses, von Robert Martin Adams.19
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Il y a là comme quelque chose comme un pressentiment de la distinction de l’imaginaire et du symbolique.
Darin gibt es so etwas wie eine Ahnung von der Unterscheidung zwischen dem Imaginärem und dem Symbolischem.
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À preuve : un chapitre, où après avoir intitulé le livre Surface and symbol, un chapitre tout entier qui s’interroge, je veux dire qui met un point d’interrogation sur Surface or symbol, surface ou symbole?
Als Beweis: ein Kapitel, wo – nachdem das Buch Surface and symbol betitelt wurde –, ein ganzes Kapitel, in dem gefragt wird, ich meine, das hinter Surface or symbol ein Fragezeichen setzt: „Fläche oder Symbol?“
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La consistance là, qu’est-ce que ça veut dire ?
Die Konsistenz hier, was bedeutet das?
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Ça veut dire ce qui tient ensemble, et c’est bien pour ça que c’est symbolisé, dans l’occasion, par la surface, parce que, pauvres de nous, nous n’avons idée de consistance que de ce qui fait sac ou torchon, c’est la première idée que nous en avons.
Das bedeutet: das, was zusammenhält, und genau deshalb wird es hierbei durch die Fläche symbolisiert – da wir, arm wie wir sind, eine Vorstellung von Konsistenz nur von dem her haben, was einen Sack ausmacht oder einen Lappen, das ist die erste Idee, die wir davon haben.
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Même le corps, c’est comme peau retenant dans son sac un tas d’organes, que nous le sentons.
Selbst den Körper spüren wir als Haut, die in ihrem Sack einen Haufen Organe zusammenhält.20
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En d’autres termes, cette consistance montre la corde.
Mit anderen Worten, diese Konsistenz montre la corde, sie ist fadenscheinig.
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Mais la capacité d’abstraction imaginative est si faible que de cette corde… cette corde montrée comme résidu de la consistance …que de cette corde, elle exclut le nœud.
Die Fähigkeit zur imaginativen Abstraktion ist jedoch so schwach, dass sie aus diesem corde, aus diesem durchscheinenden Faden als Überrest der Konsistenz, dass sie aus diesem Faden den Knoten ausschließt.21
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Or, c’est là-dessus – peut-être – que je peux apporter le seul grain de sel dont en fin de compte je me reconnaisse responsable : dans une corde, le nœud est tout ce qui ex-siste… au sens propre du terme, tel que je l’écris …est tout ce qui ex-siste à proprement parler.
{68} Dies ist vielleicht das, wozu ich das einzige Körnchen Salz beisteuern kann, für das ich mich letztlich als verantwortlich begreife: Bei einem Faden ist der Knoten alles, was ex-sistiert – im strengen Sinne des Ausdrucks, so wie ich ihn schreibe –, ist er alles, was strenggenommen ex-sistiert.22
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Ce n’est pas pour rien.
Und das nicht ohne Grund .
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Je veux dire ce n’est pas sans cause cachée que j’ai dû, pour ce nœud, y ménager un accès : commencer par la chaîne où il y a des éléments qui sont distincts, éléments qui consistent alors en quelque forme de la corde, c’est-à-dire : ou bien en tant que c’est une droite que nous devons supposer infinie pour que le nœud ne se dénoue pas, ou bien en tant que ce que j’ai appelé rond de ficelle, autrement dit, corde qui se noue à elle-même, ou plus exactement qui se joint d’une épissure de façon à ce que le nœud à proprement parler, n’en constitue pas la consistance, parce qu’il faut tout de même distinguer consistance et nœud.
Ich meine, es ist nicht ohne verborgene Ursache, dass ich bei diesem Knoten, um einen Zugang herzustellen, mit der Verkettung beginnen musste, in der es Elemente gibt, die sich unterscheiden, Elemente, die dann in einer bestimmten Form der Schnur zusammenhalten, entweder dadurch, dass es sich um eine Gerade handelt, die wir, damit der Knoten sich nicht auflöst, als unendlich annehmen müssen, oder aber durch das, was ich Fadenring genannt habe, anders gesagt eine Schnur, die mit sich selbst verknüpft ist oder genauer gesagt, die durch einen Spleiß mit sich selbst verbunden ist, derart, dass der Knoten im eigentlichen Sinne nicht ihre Konsistenz bildet, da man Konsistenz und Knoten auf jeden Fall unterscheiden muss.23
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Le nœud ex-siste, ex-siste à l’élément corde, corde consistante.
Der Knoten ex-sistiert, er ex-sistiert dem Schnur-Element, der konsistenten Schnur.24
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[66] Un nœud donc, ça peut se faire.
Ein Knoten kann also gemacht werden.
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C’est bien pour ça que j’en ai pris le cheminement, de raboutages élémentaires.
Eben deshalb habe ich diesen Weg eingeschlagen, den der Zusammenfügung von Elementen.
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J’ai procédé comme ça parce que il m’a semblé que c’était le plus didactique, vu la mentalité… y a pas besoin de dire plus …la senti-mentalité propre au parlêtre, la mentalité en tant que, puisqu’il la sent, il en sent le fardeau, la mentalité en tant qu’il ment.
Ich bin deshalb so vorgegangen, weil mir das am didaktischsten zu sein schien, in Anbetracht der Mentalität – mehr muss ich nicht sagen –, der dem Sprechwesen eigene Senti-Mentalität, der Mentalität, insofern das Sprechewesen ihre Bürde spürt; puisqu’il la sent, denn es spürt sie ja, die Mentalität, en tant qu’il ment, in dem Maße, in dem es lügt.
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C’est un fait.
Das ist ein fait, ein Faktum, eine Tatsache.25
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Qu’est-ce qu’un fait ?
Was ist ein fait, eine Tatsache?26
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C’est justement lui qui le fait :
Es ist ja das Sprechwesen, qui le fait, das sie macht.
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Il n’y a de fait que du fait que le parlêtre le dise.
Ein Faktum gibt es nur aufgrund des Faktums, dass das Sprechwesen es sagt.
als solche .
Il n’y a pas d’autres faits que ceux que le parlêtre reconnaît comme tels en les disant.
Es gibt keine anderen Fakten als diejenigen, die das Sprechwesen dadurch als solche (an)erkennt, dass es sie sagt.
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Il n’y a de fait que d’artifice.
Ein Faktum gibt es nur durch ein Artefakt.
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Et c’est un fait qu’il ment, c’est-à-dire qu’il instaure dans la reconnaissance de faux faits, ceci parce qu’il a de la mentalité, c’est-à-dire de l’amour propre.
Und es ist Fakt, qu’il ment, dass es lügt, das heißt, dass es in der (An-)Erkenntnis falsche Fakten etabliert, dies deshalb, weil es Mentalität hat, das heißt Eigenliebe.27
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C’est le principe de l’imagination : il adore son corps.
Das ist das Prinzip der Imagination: es betet seinen Körper an.
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Il l’adore parce qu’il croit qu’il l’a.
Es betet ihn an, weil es glaubt, es habe ihn.28
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En réalité il l’a pas.
In Wirklichkeit hat es ihn nicht.
Mais son corps est sa seule consistance : mentale bien entendu …
Sein Körper ist jedoch seine einzige Konsistenz, seine einzige mentale Konsistenz. versteht sich.29
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Son corps fout le camp à tout instant, c’est déjà assez miraculeux qu’il subsiste durant un temps, le temps de cette consommation qui est de fait – du fait de le dire – inexorable. Inexorable en ceci que rien n’y fait, parce qu’elle n’est pas résorptive.
Sein Körper macht sich in jedem Moment davon, es grenzt schon an ein Wunder, dass er eine Zeitlang Bestand hat, während der Zeit seines Verbrauchs, der de facto – aufgrund des Faktums, dass es gesagt wird – unerbittlich ist, unerbittlich insofern, als da nichts zu machen ist, da dieser Verbrauch nicht resorptiv ist.30
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C’est un fait constaté même chez les animaux.
{69} Das ist ein selbst bei Tieren konstatiertes Faktum.
Le corps ne s’évapore pas, il est consistant.
Der Körper verflüchtigt sich nicht, er ist konsistent.
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Et c’est ce qui lui est – à la mentalité – antipathique, uniquement parce que – elle – elle y croit d’avoir un corps à adorer.
Und das ist das, was ihr, der Mentalität, unsympathisch ist, einzig deshalb, weil sie glaubt, einen Körper zum Anbeten zu haben.
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C’est la racine de l’imaginaire.
Das ist die Wurzel des Imaginären.
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Je le panse – p.a.n.s.e –, c’est-à-dire je le fais panse donc je l’essuie. (Gelächter)
Je le panse – p, a, n, s, e –, ich striegle ihn, das heißt je le fais panse, ich mach ihn zu Wanst, donc je l’essuie, also wisch ich es weg.31 (Gelächter)
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C’est à ça que ça se résume.
Darauf läuft das hinaus.
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C’est le sexuel qui ment là-dedans, de trop s’en raconter, faute de l’abstraction imaginaire dite plus haut, celle qui se réduit à la consistance.
Was dabei lügt, ist das Sexuelle, indem es große Sprüche macht, mangels der erwähnten imaginären Abstraktion, derjenigen, die sich auf die Konsistenz reduziert.
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Car le concret, le seul que nous connaissions, c’est toujours l’adoration sexuelle, c’est-à-dire la méprise, autrement dit le mépris ; ce qu’on adore est supposé – confer le cas de Dieu – n’avoir aucune mentalité.
Denn das Konkrete, das einzige, das wir erkennen, ist immer die sexuelle Anbetung, das heißt la méprise, der Missgriff, anders gesagt le mépris, die Verachtung; was man anbetet, dem wird unterstellt – siehe der Fall Gottes – keinerlei Mentalität zu haben.
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Ce qui n’est vrai que pour le corps considéré comme tel, je veux dire adoré, puisque c’est le seul rapport que le parlêtre a à son corps.
Was nur für den Körper wahr ist, der als solcher aufgefasst wird, ich meine angebetet wird, da dies die einzige Beziehung ist, die das Sprechwesen zu seinem Körper hat.
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Au point, que quand il en adore un autre – un autre corps – c’est toujours suspect, car cela comporte le même mépris véritable, puisqu’il s’agit de vérité.
Was so weit geht, dass es stets verdächtig ist, wenn es einen anderen anbetet, einen anderen Körper, denn das geht mit derselben Verachtung einher, einer wahrhaften Verachtung, da es um Wahrheit geht.
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Qu’est-ce que la vérité comme disait l’autre ?
Was ist Wahrheit? wie mal jemand gefragt hat.32
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Qu’est-ce que « dire »… comme pendant le début du temps où je déconnais, on me reprochait de ne pas le dire …qu’est-ce que « dire le vrai sur le vrai » ?
Was heißt es, das Wahre über das Wahre zu sagen? – da man mir, als ich anfing herumzuspinnen, vorgeworfen hat, es nicht zu sagen.33
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C’est faire rien de plus que ce que j’ai fait effectivement : suivre à la trace le réel, le réel qui ne consiste et qui n’ex-siste que dans le nœud.
Das heißt, nicht mehr als das zu tun, was ich tatsächlich getan habe: der Spur des Realen zu folgen, des Realen, das nur im Knoten konsistiert und ex-sistiert.
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[67] Fonction de la hâte, hein !
Funktion der Hast, ja.34
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Il faut que je me hâte, hein !
Ich muss hasten, ja.
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Naturellement j’arriverai pas au bout, quoique je n’ai pas musardé !
Natürlich werd ich nicht zu Ende kommen, obwohl ich nicht getrödelt habe.
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Mais boucler le nœud imprudemment, ça veut simplement dire aller un peu vite.
Aber den Knoten unbedacht zu schließen, heißt einfach, ein bisschen schnell vorzugehen.
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Le nœud peut-être que je fais là, celui de droite ou celui de gauche est peut-être un peu insuffisant.
{70} Vielleicht ist der Knoten, den ich da gemacht habe, der rechte oder der linke, vielleicht ist er nicht ganz ausreichend.
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C’est même pour ça que j’en ai cherché où il y ait plus de croisements que ça.
Eben deshalb habe ich nach welchen gesucht, bei denen es mehr Überkreuzungen gibt als hier.
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Mais tenons-nous en au principe, au principe qu’il faut en somme avoir trouvé.
Aber halten wir uns dabei doch ans Prinzip, an das Prinzip, das man ja letztlich gefunden haben muss.35
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J’y ai été conduit par le rapport sexuel, c’est-à-dire par l’hystérie, en tant qu’elle est la dernière réalité perceptible… comme Freud l’a aperçu fort bien …la dernière – ὕστερον [husteron] – réalité, sur ce qu’il en est du rapport sexuel, précisément.
Hierzu bin ich durch das sexuelle Verhältnis gelangt, das heißt durch die Hysterie, insofern sie, wie Freud ganz klar gesehen hat, die letzte wahrnehmbare Realität ist, die letzte – hysteron – Realität dessen, worum es beim sexuellen Verhältnis geht.36
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C’est là que Freud en a appris le b.a.ba.
Da hat Freud das Abc davon gelernt.
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Ce qui l’a pas empêché de poser la question WwdW : « Was will das Weib ? »
Was ihn nicht daran gehindert hat, die WwdW-Frage zu stellen: *„Was will das Weib?“*
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Il ne faisait qu’une erreur : il pensait qu’il y avait das Weib.
Er machte nur einen Fehler, er dachte, es gäbe *das Weib*.37
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Il n’y a que ein Weib : W, w, e, W – WweW [in einem Wort gesprochen: vef].
Es gibt nur *ein Weib*: W, w, e, W – WweW [als Wort gesprochen: wef].
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Alors maintenant quand même, je vais vous donner – comme ça – un petit bout à manger. Voilà.
So, jetzt werde ich Ihnen doch mal ein Eckchen zu beißen geben. Also los.
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Je voudrais illustrer ça, illustrer ça de quelque chose qui fasse support, et qui est bien ce dont il s’agit dans la question.
Ich möchte das durch etwas veranschaulichen, durch etwas, das eine Stütze liefert und was eben das ist, worum es bei dieser Frage geht.
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J’ai déjà parlé, dans un temps, de l’énigme.
Vom Enigma, vom Rätsel, habe ich bereits früher mal gesprochen.38
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J’ai écrit ça grand E indice petit e : Ee.
Ich habe das so geschrieben: groß E, Index klein e: Ee.39
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Il s’agit de l’énonciation et de l’Énoncé.
Dabei geht es um die énonciation, das Aussagen, und um das Énoncé, das Ausgesagte.40
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Une énigme, comme le nom l’indique, est une énonciation telle qu’on n’en trouve pas l’Énoncé.
Ein Enigma ist, wie der Name anzeigt, ein Aussagen [e], das so beschaffen ist, dass man das davon Ausgesagte [E] nicht findet.41
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Dans le bouquin dont je vous parlais tout à l’heure, celui d’R. M. Adams … plus facile, je l’espère, à trouver que ce fameux Portrait of the Artist as a Young Man, que vous pouvez trouver quand même, à cette seule condition de ne pas exiger d’avoir au bout tout le criticisme que Chester Anderson a pris soin d’y rajouter …Surface and Symbol est édité à Oxford University Press, c’est facile à avoir, Oxford University Press a aussi un bureau à New York. (Gelächter)
In dem Buch, über das ich vorhin zu Ihnen gesprochen habe, dem von R. M. Adams – leichter zu beschaffen, hoffe ich, als das berühmte Portrait of the artist as a young man, das Sie sich trotzdem besorgen können, vorausgesetzt, Sie möchten nicht auch noch den ganzen kritischen Apparat haben, um dessen Hinzufügung sich, als Herausgeber, Chester Anderson gekümmert hat –, Surface and symbol ist bei Oxford University Press erschienen, das bekommt man leicht, Oxford University Press hat auch in New York ein Büro.42 (Gelächter)
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Bon, alors là, dans ce R. M. Adams, vous y trouverez quelque chose qui a son prix, |[68] c’est à savoir que dans les premiers chapitres de Ulysses, quand il va professer auprès de ce menu peuple qui constitue une classe, si mon souvenir est bon, à Trinity Collège, Joyce… c’est-à-dire, non pas Joyce, mais Stephen …Stephen c’est-à-dire le Joyce qu’il imagine et – comme Joyce n’est pas un sot – qu’il n’adore pas, bien loin de là, il suffit qu’il parle de Stephen pour ricaner.
Gut, da also, bei diesem R. M. Adams, werden Sie etwas finden, das seinen Wert hat, nämlich dass in den ersten Kapiteln von Ulysses, als er Unterricht abhält, bei diesem kleinen Volk, wie es von einer Schulklasse gebildet wird – im Trinity College, falls ich mich recht erinnere –, dass hier Joyce, das heißt nicht Joyce, sondern Stephen, Stephen, also der Joyce, den Joyce imaginiert und den er, da er kein Trottel ist, nicht anbetet, weit davon entfernt – sobald er von Stephen spricht, wird er |{71} höhnisch.43
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C’est pas très loin de ma position quand même, quand je parle de moi, quand je parle en tout cas de ce que je vous jaspine.
Das ist ja von meiner Position, wenn ich über mich spreche, gar nicht so weit entfernt, jedenfalls wenn ich über das spreche, was ich Ihnen vorschwatze.
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Alors, en quoi consiste l’énigme ?
Also, woraus besteht ein Rätsel?
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C’est un art que j’appellerai d’entre-les-lignes pour faire allusion à la corde.
Das ist eine Kunst, die ich, um auf die Schnur anzuspielen, eine Zwischen-den-Zeilen-Kunst nennen möchte.44
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On voit pas pourquoi les lignes de ce qui est écrit, ça ne serait pas noué par une seconde corde.
Es ist nicht einzusehen, warum die Zeilen des Geschriebenen nicht durch eine zweite Schnur verknüpft sein sollten.45
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Je me suis mis comme ça à rêver, et je dois dire que tout ce que j’ai pu consommer d’histoire de l’écriture, voire de théorie de l’écriture… il y a un nommé Février qui a fait l’Histoire de l’écriture, – il y en a un autre qui s’appelle Gelb46 qui a fait une théorie de l’écriture …l’écriture ça m’intéresse puisque je pense qu’historiquement c’est par des petits bouts d’écriture qu’on est rentré dans le réel à savoir qu’on a cessé d’imaginer, que l’écriture petites lettres, des petites lettres mathématiques c’est ça qui supporte le réel.
So habe ich mich ans Träumen gemacht, und ich muss sagen, dass alles, was ich von der Geschichte der Schrift wie auch von der Theorie der Schrift habe aufnehmen können – es gibt da einen gewissen Février, der die Geschichte der Schrift geschrieben hat, und es gibt einen weiteren, der Gelb heißt und der eine Theorie der Schrift verfasst hat –; die Schrift, das interessiert mich, da ich denke, dass man, historisch gesehen, durch kleine Stücke Schrift zum Realen gelangt ist und also aufgehört hat, zu imaginieren, da ich denke, dass die Schrift der kleinen mathematischen Buchstaben das ist, wodurch das Reale gestützt wird.47
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Mais – bon Dieu ! – comment ça se fait ?
Aber, du lieber Gott, wie kommdas zustande?
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J’ai franchi – comme ça – quelque chose qui me semble, disons vraisemblable ; je me suis dit que l’écriture ça devait toujours avoir quelque chose à faire avec la façon dont nous écrivons le nœud.
Auf diese Weise bin ich auf etwas gestoßen, das mir, sagen wir, wahrscheinlich zu sein scheint; ich habe mir gesagt, dass die Schrift immer etwas damit zu tun haben muss, wie wir den Knoten schreiben.
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Il est évident qu’un nœud ça s’écrit comme ça couramment.
Es ist offensichtlich, dass ein Knoten üblicherweise so geschrieben wird [Abb. F].48
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Ça donne déjà un S, | [69] c’est-à-dire quelque chose qui a tout de même beaucoup de rapport avec l’instance de la lettre, telle que je la supporte.
Das ergibt bereits ein S, das heißt etwas, das ja doch zur Instanz des Buchstabens, wie ich ihn stütze, in einem deutlichen Verhältnis steht.49
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Et puis ça donne un corps, un corps comme ça, vraisemblable à la beauté.
Und das gibt dann der Schönheit einen Körper, einen solchen wahrScheinlichen Körper.
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Parce qu’il faut dire que il y avait un nommé Hogarth qui s’était beaucoup interrogé sur la beauté, et qui pensait que la beauté, ça avait toujours quelque chose à faire avec cette double inflexion :
Denn man sollte erwähnen, dass es einen gewissen Hogarth gegeben hat, der sich ausführlich mit der Schönheit befasst hat und der dachte, Schönheit habe immer etwas mit dieser doppelten Krümmung |{72} zu tun [Abb. G].50
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C’est une connerie, bien entendu.
Das ist natürlich Blödsinn.
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Mais enfin, ça tendrait à rattacher la beauté à quelque chose d’autre qu’à l’obscène, c’est-à-dire au réel.
Aber immerhin ginge das in die Richtung, die Schönheit mit etwas anderem als mit dem Obszönen zu verbinden, nämlich mit dem Realen.51
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Il n’y aurait en somme que l’écriture de belle […]52, ce qui […] pourquoi pas ? Bon !
Es gäbe Schrift letztlich nur von schöner […] [unverständlich, vielleicht „gelesen wird“], was […] warum nicht? Gut.
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Bon, mais revenons à Stephen, qui commence aussi par un S.
Gut, aber kommen wir zu Stephen zurück, der ebenfalls mit einem S beginnt.
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Stephen c’est Joyce en tant qu’il déchiffre sa propre énigme.
Stephen, das ist Joyce, insofern dieser sein eigenes Rätsel entziffert.
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Il ne va pas loin.
Er kommt nicht weit.
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Il ne va pas loin parce qu’il croit à tous ses symptômes, ouais… c’est très frappant.
Er kommt deshalb nicht weit, weil er an seine sämtlichen Symptome glaubt, ja, das ist wirklich verblüffend.
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Il commence par… Il commence – il a commencé bien avant : il a crachoté quelques petits morceaux, des poèmes même…
Er fängt an mit –, er fängt an –, er hat weit vorher angefangen, er hat einige kleine Sachen ausgespuckt, Gedichte sogar.53
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Les poèmes, c’est pas ce qu’il a fait de mieux.
Die Gedichte, das gehört nicht zu seinen besseren Sachen. .
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Ma foi, il croit à des choses.
Mein Gott, er glaubt an Sachen!
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Il croit à la conscience incréée de sa race.
Er glaubt an das ungeschaffene Gewissen seines Volkes.54
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C’est comme ça que ça se termine, Le Portrait de l’Artiste comme – considéré comme – un jeune homme.
So endet es, das Porträt des Künstlers als – betrachtet als – junger Mann.
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Il est évident que ça va pas loin.
Das führt nicht weit, das ist offensichtlich.
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Mais enfin, il termine bien. Ouais !
Es endet jedoch gut, ja.
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Il y a « Old Father, 27 Avril »… c’est la dernière phrase du Portrait of an Artist – of the Artist ! – vous voyez, j’ai fait le lapsus, hein ! Portrait d’un Artiste, as a Young Man, alors qu’il se croyait The Artist …« Old father, old artificer, stand me now and ever in good stead » « Tenez-moi au chaud d’alors et de maintenant ».
Da gibt es „Old father, 27. April“, das ist der letzte Satz des Portrait of an artist –, of the artist – sehen Sie, ich habe einen Versprecher gemacht: Porträt eines Künstlers as a young man, wo er doch glaubte, the artist zu sein –, „Old father, old artificer, stand me now and ever in good stead“: halten Sie mich warm, einst und heute.55
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C’est à son père qu’il adresse cette prière, son père qui justement se distingue d’être – bof – ce que nous pouvons appeler un père indigne, un père carent, celui que dans tout Ulysses il se mettra à chercher sous des espèces où il le trouve à aucun degré, parce que il y a évidemment un père quelque part qui est Bloom, un père qui se cherche un fils.
Es ist sein Vater, an den er das Gebet richtet, sein Vater, der sich genau dadurch auszeichnet, dass er – na ja, letztlich können wir ihn so nennen – ein unwürdiger Vater ist, ein ausfallender Vater, einer, den er im ganzen Ulysses in Gestalten suchen wird, in denen er ihn nicht im Geringsten findet, denn offenkundig gibt es irgendwo einen Vater, nämlich Bloom, einen Vater, der sich einen Sohn sucht.56
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Mais Stephen lui oppose un « très peu pour moi, après le père que j’ai eu, j’en ai soupé : plus de père ! »
Stephen jedoch setzt ihm ein „Ohne mich“ entgegen, „nach dem Vater, den ich hatte, hab ich’s satt – keinen Vater mehr“.57
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Et surtout que ce Bloom, ce Bloom en question n’est pas tentant.
Umso mehr, als dieser Bloom, der erwähnte Bloom, nicht gerade verlockend ist.
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Mais enfin, il est singulier qu’il y ait cette gravitation entre les pensées de Bloom et de Stephen qui se poursuivent pendant tout le roman, et même au point que le Adams… dont le nom respire plus de juiverie que Blooms …que le Adams soit très frappé de certains petits indices qu’il découvre, qu’il découvre singulièrement comme étant par trop invraisemblable d’attribuer à Bloom une connaissance de Shakespeare que manifestement il n’a pas, une connaissance de Shakespeare qui d’ailleurs n’est pas, n’est pas du tout forcément la bonne, quoique ce soit celle que Stephen ait, parce que c’est supposer à Shakespeare des relations avec un certain herboriste qui habitait | [70] dans le même coin que Shakespeare à Londres, et que malgré tout ça c’est vraiment pure supposition.
Aber es ist schon sonderbar, dass es diese Gravitation zwischen den Gedanken von Bloom und denen von Stephen gibt, die den ganzen Roman durchziehen, so weit sogar, dass dieser Adams, dessen Name jüdischer klingt als der von Bloom, dass dieser Adams von bestimmten kleinen Hinweisen, die er entdeckt, ganz beeindruckt ist, |{73} die er insbesondere von daher entdeckt, dass sie allzu unwahrscheinlich sind, nämlich Bloom ein Wissen über Shakespeare zuzuschreiben, das er ganz offensichtlich nicht hat, ein Wissen über Shakespeare, das im Übrigens keineswegs unbedingt richtig ist, obgleich es das Wissen ist, das Stephen hat, und das darin besteht, Shakespeare Beziehungen zu einem bestimmten Kräuterhändler zu unterstellen, der in London in derselben Gegend wie Shakespeare wohnte, und weil dies trotz allem wirklich eine bloße Vermutung ist.58
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Que la chose vienne à l’esprit de Bloom est quelque chose qu’Adams souligne, souligne comme dépassant les limites de ce qui peut être justement imputé à Bloom.
Dass die Sache Bloom in den Sinn kommt, das ist etwas, das Adams herausstellt, das er als etwas herausstellt, das die Grenzen dessen überschreitet, was Bloom mit Recht zugeschrieben werden kann.59
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À la vérité il y a tout un chapitre… qui est celui dont je vous ai parlé : Surface or symbol ? …il y a tout un chapitre où il ne s’agit strictement que de ça.
Tatsächlich gibt es ein ganzes Kapitel – nämlich das, von dem ich bereits gesprochen habe, Surface or symbol? –, gibt es ein ganzes Kapitel, in dem es streng nur darum geht.
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C’est au point qu’il culmine dans un Blephen… puisque tout à l’heure j’ai fait un lapsus : Blephen et Stoom60 …Blephen et Stoom qui se rencontrent dans le texte du Ulysses, et qui montrent manifestement que c’est pas seulement du même signifiant qu’ils sont faits, c’est vraiment de la même matière.
Das geht so weit, dass es in einem Blephen kulminiert – da ich gerade einen Versprecher gemacht habe –, in einem Blephen und Stoom, Blephen und Stoom, die sich im Text des Ulysses begegnen und die ganz manifest zeigen, dass sie nicht nur aus demselben Signifikanten gemacht sind, sondern wirklich aus demselben Stoff.61
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Ulysses, c’est le témoignage de ce par quoi Joyce reste enraciné dans son père tout en le reniant, et c’est bien ça qui est son symptôme.
Ulysses ist das Zeugnis für das, worin Joyce in seinem Vater verwurzelt bleibt, während er ihn zugleich verleugnet, und eben das ist sein Symptom.
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J’ai dit qu’il était le symptôme.
Ich habe gesagt, er sei das Symptom.62
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Toute son œuvre en est un long témoignage.
Sein gesamtes Werk ist dafür ein umfassendes Zeugnis..
Exiles, c’est vraiment l’approche de quelque chose qui est pour lui, enfin, le symptôme, le symptôme central, dont bien entendu ce dont il s’agit c’est du symptôme fait de la carence propre au rapport sexuel.
Exiles, das ist wirklich die Annäherung an etwas, das für ihn letztlich das Symptom ist, das zentrale Symptom, bei dem es natürlich um das Symptom geht, das aus dem Definit gemacht ist, der dem sexuellen Verhältnis eigen ist.63
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Mais cette carence ne prend pas n’importe quelle forme.
Die Form, die dieses Definit annimmt, ist jedoch keineswegs beliebig.
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Il faut bien que cette carence prenne une forme, et cette forme c’est celle de ce qui le noue à sa femme, à ladite Nora pendant le règne de laquelle il élucubre les Exiles, les Exilés comme on l’a traduit, alors que ça veut aussi bien dire les Exils.
Es ist ja notwendig, dass dieser Mangel eine Form annimmt, und diese Form ist diejenige, die ihn mit seiner Frau verknotet, mit besagter Nora, während derer Herrschaft er die Exiles ausspinnt, „Die Exilierten“, wie man das übersetzt hat, obgleich es ebenso „Die Exile“ bedeutet.
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« Exils », il ne peut pas y avoir de meilleur terme pour exprimer le non-rapport, et c’est bien autour de ce non-rapport que tourne tout ce qu’il y a dans Exiles.
„Exile“, es kann keinen besseren Begriff geben, um das Nichtverhältnis auszudrücken, und genau um dieses Nichtverhältnis dreht sich in Exiles alles.
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Le non-rapport c’est bien ceci : c’est que, il y a vraiment aucune raison pour que une-femme-entre-autres il la tienne pour sa femme, que une-femme-entre-autres c’est aussi bien celle qui a rapport à n’importe quel autre homme.
Das Nichtverhältnis ist ja dies, dass es wirklich keinen Grund dafür gibt, dass er eine-Frau-unter-anderen für seine Frau |{74} hält, dass eine-Frau-unter-anderen auch die ist, die ein Verhältnis zu irgendeinem anderen Mann hat.
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Et c’est bien de ce n’importe-quel-autre-homme qu’il s’agit dans le personnage qu’il imagine et pour lequel – à cette date de sa vie – il sait ouvrir, ouvrier le choix de l’Une femme en question, qui n’est autre dans l’occasion que Nora.
Und um diesen irgendeinen-anderen-Mann geht es bei der Figur, die er sich ausdenkt und der er zu diesem Zeitpunkt seines Lebens die Wahl zu eröffnen weiß, die Wahl der Einen Frau, um die es geht, die hierbei niemand anders ist als Nora.64
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Le Portrait qu’il a fini à l’époque, celle que j’évoquais à propos de « la conscience incréée de sa race » à propos de laquelle il invoque « l’artificer » par excellence que serait son père, alors que c’est lui « l’artificer », que c’est lui qui sait ce qu’il a à faire, mais qui croit qu’il y a une conscience incréée d’une race quelconque, en quoi c’est une grande illusion.
Das Porträt, das er damals beendete, zu der Zeit, auf die ich beim „ungeschaffnen Gewissen seines Volkes“ verwiesen habe, wobei er den artificer par excellence anruft, der sein Vater wäre, während er doch selbst der artificer ist, derjenige, der weiß, was er zu tun hat, der jedoch glaubt, es gebe ein ungeschaffenes Gewissen irgendeines Volkes – worin eine große Illusion liegt.65
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[71] Qui croit aussi qu’il y a un « book of himself ».
Der auch glaubt, es gebe ein book of himself.66
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Quelle idée de se faire être un livre !
Was für eine Idee, sich zu einem Buch zu machen!
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Ça ne peut venir vraiment qu’à un poète rabougri, à un bougre de poète.
Auf so etwas kann wirklich nur ein verkümmerter Dichter kommen, ein Kümmerling von Dichter.
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Pourquoi ne dit-il pas plutôt qu’il est un nœud ?
Warum sagt er nicht stattdessen, dass er ein Knoten ist?67
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Ulysse, venons-en là.
Kommen wir zum Ulysses.
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Qu’on puisse l’analyser, car c’est sans aucun doute ce que réalise un certain Shechner… comme ça, pendant que je rêvais, j’ai cru qu’il s’appelait Checher68, c’était plus facile à écrire, non, il s’appelle Shechner, c’est regrettable, il n’est pas « Checher »69 du tout. (Gelächter)
Dass man ihn analysieren kann, denn das ist sicherlich das, was ein gewisser Shechner macht – na ja, als ich träumte, habe ich geglaubt, er hieße Checher, das war leichter zu schreiben; nein, er heißt Shechner, das ist schade, er ist überhaupt nicht Checher! (Gelächter)70
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Il s’imagine qu’il est analyste.
Er bildet sich ein, Analytiker zu sein.
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Il s’imagine qu’il est analyste parce qu’il a lu beaucoup de livres analytiques… c’est une illusion assez répandue, parmi les analystes justement et alors, il analyse Ulysse.
Er bildet sich ein, Analytiker zu sein, weil er viele analytische Bücher gelesen hat – das ist eine recht verbreitete Illusion, gerade unter Analytikern –, und also analysiert er Ulysses.
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Ça donne, ça fait une impression absolument terrifiante… contrairement à Surface and symbol …cette analyse d’Ulysse, exhaustive naturellement, parce qu’on ne peut pas s’arrêter quand on analyse un bouquin, n’est-ce-pas ?
Das ergibt, das macht einen absolut grauenhaften Eindruck – im Gegensatz zu Surface and symbol –, diese Analyse des Ulysses, natürlich erschöpfend, da man ja, wenn man ein Buch analysiert, nicht aufhören kann, oder?
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Freud quand même n’a fait là-dessus que des articles, des articles limités, n’est-ce pas d’ailleurs, mis à part Dostoievski, il n’a pas – à proprement parler – analysé de roman.
Freud allerdings hat darüber nur Artikel geschrieben, begrenzte Artikel, nicht wahr; im Übrigen hat er, abgesehen von Dostojewski, keinen Roman im strengen Sinne analysiert.71
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Il a fait une petite allusion à Rosmersholm d’Ibsen, mais enfin il s’est contenu.
Er hat kurz auf Ibsens Rosmersholm verwiesen, aber letztlich hat er sich zurückgehalten.72
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Ça donne vraiment l’idée que l’imagination du romancier, je veux dire celle qui règne dans Ulysses est à jeter au panier.
Das führt wirklich zu der Idee, dass die Einbildungskraft des Romanautors – ich meine diejenige, die im Ulysses herrscht – in den Papierkorb zu werfen sei.
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C’est pas du tout – d’ailleurs – quelque chose qui soit mon sentiment.
Das ist übrigens keineswegs etwas, das meinem Gefühl entspricht.73
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Mais il faut tout de même s’obliger à y ramasser dans cet Ulysses quelques vérités premières, et c’est ce que j’abordais à propos de l’énigme.
Man muss sich aber dennoch darauf einlassen, in |{75} diesem Ulysses einige erste Wahrheiten aufzusammeln, und das ist das, was ich mit dem Rätsel begonnen habe.74
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Voilà ce qu’à ses élèves propose le cher Joyce, Joyce sous les espèces de Stephen, comme énigme.
Hier also das, was der liebe Joyce, Joyce in der Erscheinungsform von Stephen, seinen Schülern als Rätsel vorlegt.
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C’est une énonciation :
Das ist eine énonciation, ein Aussagen.75
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The cock crew
Le coq cria
The sky was blue:
The bells in heaven
Les cloches dans le ciel
Were striking eleven.
Etaient sonnant onze heures
T’is time for this poor soul
Il est temps pour cette pauvre âme
To go to heaven.
The cock crew
Es krähte der Hahn
The sky was blue.
The bells in heaven
Die Glocken im Himmel
Were striking eleven.
Schlugen elf.
‚T is time for this poor soul
Es ist Zeit für diese arme Seele
To go to heaven.76 (60)
.
[72] Je vous donne en mille quelle est la clé, quelle est la réponse.
Ich wette, dass Sie den Schlüssel, die Antwort, niemals erraten.
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C’est celle qu’après – bien sûr – que toute la classe ait donné sa langue au chat, Joyce fournit « The fox burying his grandmother under the bush », c’est : le renard enterrant sa grand-mère sous un buisson.
Joyce liefert sie natürlich erst, nachdem die gesamte Klasse aufgegeben hat: The fox burying his grandmother under the bush, also: Der Fuchs, der seine Großmutter unter einem Busch begräbt.77
.
Ça n’a l’air de rien, mais il est incontestable que, à côté de l’incohérence78 de l’énonciation… dont je vous fais remarquer qu’elle est en vers, c’est-à-dire que c’est un poème, que c’est suivi, que c’est une création …qu’à côté de ça, ce fox, ce petit renard qui enterre sa grand-mère sous un buisson, est vraiment une misérable chose, hein ! Ouais…
Das sieht nach nichts aus, es ist jedoch unbestreitbar, dass, abgesehen von der Inkohärenz des Aussagens – das, ich mache Sie darauf aufmerksam, in Versen ist, das heißt, es ist ein Gedicht, es ist regelmäßig, es ist eine Schöpfung –, dass abgesehen davon dieser fox, dieser kleine Fuchs, der seine Großmutter unter einem Busch begräbt, wirklich ein elendes Ding ist, nicht wahr. Tja.79
.
.Qu’est-ce que ça peut avoir comme écho pour, je ne dirai pas bien sûr pour les gens qui sont dans cette enceinte, mais pour ceux qui sont analystes ?
Welches Echo kann das haben für –, ich werde natürlich nicht sagen, für die Leute, die in diesem Raum sind, sondern: für diejenigen, die Analytiker sind?
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C’est que l’analyse, c’est ça.
Dies, dass eben dies die Analyse ist.
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C’est la réponse à une énigme, et une réponse – il faut bien le dire, par cet exemple – tout à fait spécialement conne.
Sie ist die Antwort auf ein Rätsel, und zwar, wie man mit diesem Beispiel wohl sagen muss, eine ganz besonders blöde Antwort.
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C’est bien pour ça que : il faut garder la corde.
Eben deshalb muss man sich an die Schnur halten.
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Je veux dire que si on n’a pas l’idée de où ça aboutit la corde, au nœud du non-rapport sexuel, on risque de bafouiller.
Ich will sagen, wenn man keine Idee davon hat, wo die Schnur hinführt, nämlich zum Kno-|{76} ten des sexuellen Nichtverhältnisses, läuft man Gefahr zu stammeln.
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Le sens – ah il faudrait que je vous montre ça – le sens résulte d’un champ entre l’imaginaire et le symbolique, cela va de soi, bien sûr.
Der Sinn – ach, ich müsste Ihnen das zeigen –, der Sinn ergibt sich auf einem Feld zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen [Abb. H], das versteht sich natürlich von selbst.80
.
Parce que si nous pensons qu’il n’y a pas d’Autre de l’Autre, tout au moins pas de jouissance de cet Autre de l’Autre, il faut bien que nous fassions la suture quelque part, ici nommément : entre ce symbolique qui seul s’étend là, et cet imaginaire qui est ici.
Denn wenn wir denken, dass es keinen Anderen des Anderen gibt, zumindest keine Jouissance dieses Anderen des Anderen, dann müssen wir doch irgendwo die Naht herstellen, nämlich hier, zwischen dem Symbolischen, das sich allein dort erstreckt, und dem Imaginären, das hier ist.81
.
Bien sûr, ici, le petit a, la cause du désir. Ouais…
Hier natürlich das klein a, die Ursache des Begehrens. Nun ja.
Il faut bien que nous fassions quelque part le nœud, le nœud de l’imaginaire et du savoir inconscient, que nous fassions ici, quelque part, | [73] une épissure [figure I, épissure A]:.
Es ist nötöig, dass wir irgendwo den Knoten bilden, den Knoten zwischen dem Imaginären und dem unbewussten Wissen, dass wir hier irgendwo einen Spleiß machen [Abb. I, Spleiß A].82
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Tout ça pour obtenir un sens, ce qui est l’objet de la réponse de l’analyste à l’exposé par l’analysant, tout au long de son symptôme :
All dies, um einen Sinn zu erhalten, was das Ziel der Antwort des Analytikers ist, der Antwort darauf, was der Analysant im Verlauf seines Symptoms exponiert.
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Quand nous faisons cette épissure, nous en faisons du même coup une autre, celle ici [figure I, épissure B]: entre précisément ce qui est symptôme83 et le réel.
Wenn wir diesen Spleiß herstellen, machen wir zugleich einen weiteren, diesen hier, genau zwischen dem, was Symptom ist, und dem Realen [Abb. I, Spleiß B].84
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C’est-à-dire que, par quelque côté, nous lui apprenons à épisser – avec deux s – à faire épissure entre son symptôme85 et le réel, parasite de la jouissance, ce qui est caractéristique de notre opération.
Das heißt, dass wir ihm auf irgendeine Weise beibringen zu spleißen, einen Spleiß herzustellen zwischen seinem Symptom und dem Realen, Parasit der Jouissance, das ist für unser Vorgehen charakteristisch..86
.
Rendre cette jouissance possible, c’est la même chose que ce que j’écrirai : « j’ouïs-sens », c’est la même chose que d’ouïr un sens.
Diese Jouissance zu ermöglichen ist dasselbe wie das, was ich so schreiben möchte: j’ouïs sens, „ich höre Sinn“, es ist dasselbe wie einen Sinn zu hören.87
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C’est de suture et d’épissure qu’il s’agit dans l’analyse.
{77} In der Analyse geht es um Vernähen und Verspleißen.
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Mais il faut dire que les instances, nous devons les considérer comme séparées réellement : imaginaire, symbolique et réel ne se confondent pas.
Jedoch muss man sagen, dass wir die Instanzen als realiter getrennt auffassen müssen – Imaginäres, Symbolisches und Reales vermischen sich nicht.
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Trouver un sens implique de savoir quel est le nœud, et de le bien rabouter grâce à un artifice.
Einen Sinn zu finden impliziert zu wissen, welches der Knoten ist, und ihn, mithilfe eines Kunstgriffs, gut zusammenzufügen.
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Faire un nœud avec ce que j’appellerai une chaînœud borroméenne, est-ce qu’il n’y a pas là abus ?
Einen Knoten mit dem zu bilden, was ich eine borromäische Knotenverkettung nennen möchte, geht das nicht zu weit?88
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C’est sur cette question – que je laisserai pendante – que je vous quitte.
Mit dieser Frage, die ich in der Schwebe lassen möchte, verlasse ich Sie.
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J’ai pas laissé le temps à ce cher Jacques Aubert… à qui je comptais confier le crachoir pendant le reste de la séance …de vous parler maintenant ; il est temps que nous nous séparions.
Dem lieben Jacques Aubert, dem ich den Rest der Sitzung über eigentlich das Quasseln überlassen wollte, habe ich nicht die Zeit gelassen, jetzt zu Ihnen zu sprechen; es ist Zeit, dass wir uns trennen.
Mais la prochaine fois, étant donné ce que j’ai entendu de lui… puisqu’il a eu la bonté de m’appeler vendredi par téléphone …étant donné ce que j’ai entendu de lui, je crois qu’il pourra, sur ce qu’il en est du Bloom en question… à savoir – mon Dieu – de quelqu’un qui n’est pas plus mal placé qu’un autre pour piger quelque chose à l’analyse, puisque c’est un juif …que sur ce Bloom, et sur la façon dont est ressentie la suspension, entre les sexes, celle qui fait que le nommé Bloom ne peut | [74] que s’interroger s’il est un père ou une mère. (36)
Das nächste Mal jedoch, angesichts dessen, was ich von ihm gehört habe – da er die Güte hatte, mich am Freitag anzurufen –, angesichts dessen, was ich von ihm gehört habe, glaube ich, er könnte über das, was es mit besagtem Bloom auf sich hat, also mit jemandem, der, mein Gott, in keiner schlechteren Position ist als andere, um etwas von der Analyse zu kapieren, da er Jude ist –; dass über diesen Bloom und über die Art, wie die Suspendierung zwischen den Geschlechtern empfunden wird, die zur Folge hat, dass der erwähnte Bloom nicht umhin kann, sich zu fragen, ob er ein Vater oder eine Mutter ist.89
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C’est quelque chose qui fait le texte de Joyce, ce qui assurément a mille irradiations dans ce texte de Joyce, c’est à savoir qu’au regard de sa femme, il a les sentiments d’une mère : il croit la porter dans son ventre et que c’est bien là, somme toute, le pire égarement de ce qu’on peut éprouver vis-à-vis de quelqu’un qu’on aime.
Das ist etwas, was der Text von |{78} Joyce macht, was in diesem Text von Joyce sicherlich tausend Ausstrahlungen hat, nämlich dass er hinsichtlich seiner Frau die Gefühle einer Mutter hat, er glaubt, sie in seinem Bauch zu tragen, und dass dies nun wirklich die schlimmste Verirrung ist, in dem, was man gegenüber jemanden, den man liebt, empfinden kann.90
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Et pourquoi pas !
Und warum nicht?
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Il faut bien expliquer l’amour, et l’expliquer par une sorte de folie c’est bien la première chose qui soit à la portée de la main.
Man muss die Liebe gut erklären, und sie durch einer Art Wahnsinn zu erklären ist ja das Erste, das in Reichweite ist.
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C’est là-dessus que je vous quitte, et que j’espère que pour cette séance d’entrée, vous n’avez pas été trop déçus.
Darüber verlasse ich Sie und hoffe, dass Sie, was diese Eingangssitzung angeht, nicht allzu sehr enttäuscht worden sind.
..
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen.
Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine Ergänzungen.
Passagen in eckigen Klammern, die mit einem Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
Knoten
Stütze für erste Wahrheiten
{63} Verantwortlich ist man nur im Maße seines Savoir-faire, seines Könnens.
Können ist die Kunst (l’art), der Kunstgriff / das Artefakt (l’artifice). [Die Kunst wird hier mit dem Kunstgriff zusammengebracht, mit der Technik. Das entspricht der Begriffsgeschichte, aber auch bestimmten programmatischen Positionen, etwa, bezogen auf die Dichtung, der von Poe: der Künstler ist ein Wort-Handwerker (etwa in The philosophy of composition, 1846).]
Damit verleiht man der Kunst, zu der man fähig ist, also dem Kunstgriff, einen hohen Wert. [Es geht um die soziale Wertschätzung von Kunst, ein Thema von Freud im Zusammenhang der Sublimierung.]
Dieser Wert [diese Wertschätzung] ist bemerkenswert, da es keinen Anderen des Anderen gibt, also niemanden, der ein letztes Urteil [über die Kunst] sprechen könnte.
[In der christlichen Religion hat Gott die Funktion, im Jüngsten Gericht das letzte Urteil zu sprechen; in religiöser Terminologie meint der Satz „Es gibt keinen Anderen des Anderen“: Gott (als derjenige, der das letzte Urteil spricht) ist tot. Lacans Kürzel dafür, dass es keinen Anderen des Anderen gibt, ist S(Ⱥ), Signifikant eines Mangels im Anderen (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Signifikant eines Mangels im Anderen).]
Es gibt keinen Anderen des Anderen, das heißt [auch]: Es gibt eine Jouissance, an der wir keine Jouissance haben können: diese Jouissance kann man als „Jouissance Gottes“ bezeichnen, wobei die sexuelle Jouissance eingeschlossen ist. [In einer heterosexuellen Beziehung kann der Mann zur (sexuellen) Jouissance seiner Partnerin keine Beziehung herstellen. Im Diagramm der borromäischen Ringe wird dies durch den Überschneidungsbereich „Jouissance des ausgestrichenen Anderen“ dargestellt, JȺ (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Jouissance des versperrten Anderen). Die Unmöglichkeit, Jouissance an der Jouissance des anderen Geschlecht zu haben (JȺ), beruht darauf, dass es im Unbewussten keinen Signifikanten der Geschlechtsdifferenz gibt.]
Impliziert das Bild, das man sich von Gott macht – einmal angenommen, er existiert –, dass er an dem, was er angestellt hat, Jouissance hat? [Was wäre, im üblichen Verständnis, die Jouissance Gottes, die Jouissance auf der Seite von Gott? Die Jouissance an seiner Schöpfung?]
Angenommen, man antwortet darauf mit, „Gott existiert nicht“. Wenn man das behauptet, bürdet man sich die Last eines Denkens auf, das seinem Wesen nach darin besteht, sich in die Realität einzufügen, die von der Ex-sistenz des Geschlechts bezeugt wird. [Wenn man sagt „Gott existiert nicht“, bürdet man sich damit auf, zu akzeptieren, dass die Geschlechter im Verhältnis zueinander ex-sistieren, einander äußerlich sind, dass ihre Lüste nicht in einem Verhältnis zueinander stehen, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt. Man bürdet sich auf, eine Unmöglichkeit zu akzeptieren, also das Reale. Umgekehrt gesagt: Dass man an ein Wesen glaubt, das allmächtig ist und das über uns das letzte Urteil spricht, ist letztlich eine Abwehr der Nicht-Existenz des sexuellen Verhältnisses.] Der Ausdruck „Realität“ ist an dieser Stelle eine erste Annäherung an das Wort „real“. [Das Reale ist das Nicht-Verhältnis.]
Das, sagt Lacan, sind einige der ersten Wahrheiten, die er zu Beginn dieses Jahres seinen Hörern liefern will.
[Diese ersten Wahrheiten sind also bis hierher:
– Verantwortlich ist man nur im Maße seines Könnens.
– Über das Können lässt sich kein letztes Urteil sprechen, anders gesagt: Es gibt keinen Anderen des Anderen (S(Ⱥ)).
– Es ist nicht möglich, an Gott Jouissance zu haben; vermutlich im Sinn von: es ist nicht möglich, als Mann in einer heterosexuellen Beziehung an der Jouissance seiner Partnerin Jouissance zu haben (JȺ).
– Wenn man sagt, Gott existiert nicht, bürdet man sich damit auf, zu akzeptieren, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, keine Beziehung, durch die sich meine Jouissance auf die Jouissance des Anderen qua Jouissance des anderen Geschlechts bezieht.
{64} Lacan zeigt dann auf verschiedene Diagramme („Plättungen“) einer borromäischen Verkettung von drei trivialen Knoten [von „Ringen“, von Knoten ohne Selbstverschingung]. Die erste Zeichnung [Abbildung A] ist nur eine andere Darstellungsform der borromäischen Verkettung von drei trivialen Knoten, die er sonst meist so [wie in Abbildung B] darstellt.
Im ersten Diagramm [Abbildung A] sieht man, dass man zwei Ringe auseinanderziehen kann, so dass sich eine Darstellung mit zwei Außenringen und einem vermittelnden Ring [C] ergibt. |{65} Man kann annehmen, dass sich drei Ringe von der Art des mittleren Rings [C] kreisförmig vereinigen. [Man kann beliebig viele Ringe dieser Art [C] zu einer borromäischen Verkettung zusammenschließen, wobei die Verkettung insgesamt durch einen Ring zusammengehalten wird; vgl. die Abbildung in Seminar 20, Sitzung vom 15. Mai 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 135.]
Und auch dies [D] ist eine borromäische Verkettung von drei trivialen Knoten.
In den Ferien hat er, Lacan, an weiteren Knoten bzw. Verkettungen laboriert, um eine Stütze für die „ersten Wahrheiten“ zu finden, die er in dieser Sitzung vortragen will. [Am Schluss dieser Sitzung spricht er darüber, wie man eine borromäische Verkettung von drei trivialen Knoten durch Aufschneiden und Verspleißen in einen Kleeblattknoten verwandeln kann; das könnte hier gemeint.]
{66} Das geht nicht von allein [es genügt nicht, sich auf einen einzelnen Knoten (im Sinne der Topologie) zu stützen, auf einen einzelnen Schnur-Ring ob mit oder ohne Selbstverschingung]. Vielmehr muss man den einzelnen Knoten von einer chaîne ableiten, von einem link, wie man im Englischen sagt [von einer Verkettung, einer Verschlingung, einem Link, wie es im Deutschen heißt].
Der einzelne Knoten [der einzelne Schnur-Ring] liefert die Stütze unserer Konsistenz. [Ein Knoten lässt sich durch drei Merkmale charakterisieren, heißt es in Seminar 22, RSI: Konsistenz (Zusammenhalt, keine offenen Enden), Ex-sistenz (Gegeneinanderstoßen, keine wechselseitige Durchdringung), Loch. Lacan ordnet die Konsistenz dem Imaginären zu, die Ex-sistenz dem Realen und das Loch dem Symbolischen.]
Das Reale liegt außerhalb des Sinns
Eine der ersten Wahrheiten bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem Denken bzw. dem Erkennen und dem Geschlechtsakt.
Als „Denken“ oder „Erkennen“ bezeichnet Lacan alles, was einen Sinn ergibt. [In der Darstellung des borromäischen Knotens mit den vier Überschneidungsbereichen entspricht dem Denken demnach der Überschneidungsbereich „Sinn“. Im psychoanalytischen Zusammenhang ist mit „Sinn“ der Sinn der Symptome als Ziel der Deutung gemeint.]
[Die erste Wahrheit lautet:] Das Denken oder Erkennen, also das Sinn-Machen, wird angezogen vom Geschlechtsakt.
[Begründung:] Schon das Wort „Akt“ impliziert die Polarität aktiv – passiv, womit man sich bereits in Richtung eines falschen Sinns, einer Fehldeutung bewegt [wie bereits Freud gesagt hatte]. [Freud sagt: Die im Unbewussten fehlende Vorstellung von der Geschlechtsdifferenz wird im Unbewussten durch den Gegensatz aktiv/passiv ersetzt, dieser Gegensatz greift jedoch nicht, Frauen sind auch aktiv, Männer auch passiv. Mit dem Wort „Akt“ verfehlt das Denken demnach die Geschlechtsdifferenz.]
Die Aktiv-passiv-Beziehung ist das, was man „Erkenntnis“ nennt [vielleicht im Sinn von: Wenn man von „Erkenntnis“ spricht, orientiert man sich letztlich an der Aktiv-passiv-Opposition]. Der Begriff der Erkenntnis ist allerdings mehrdeutig. Das Aktive ist das erstens das, was wir erkennen [das entspricht etwa der empiristischen Position, das Subjekt erfährt Eindrücke]. Außerdem stellen wir uns vor, dass wir selbst, wenn wir uns zu erkennen bemühen, aktiv sind [das entspricht dem Idealismus]. Also zeigt die Erkenntnis sich von Anfang an als trügerisch [die Erkenntnistheorie ist in den Widerstreit von Empirismus und Idealismus verwickelt].
Deshalb muss alles wieder von Anfang an [bei den ersten Wahrheiten] aufgenommen werden [statt sich auf das Denken und das Erkennen zu stützen]. Dabei muss man ausgehen von der Opazität, der Undurchsichtigkeit des Sexuellen. Dessen Opazität besteht darin, dass wir zunächst nicht wahrnehmen, dass Geschlechtliches keineswegs irgendein Verhältnis begründet.
Für das Denken [also für das Sinn-Machen] gilt: Verantwortung gibt es nur als geschlechtliche; alle Welt hat dieses Gefühl, dieses sentiment. [Das könnte heißen: Ethische Fragen beziehen sich letztlich auf die Nicht-Existenz des sexuellen Verhältnisses.] Verantwortung ist [von daher] die Nicht-Antwort, die danebenliegende Antwort. [Die In-Existenz des sexuellen Verhältnisses nötigt dazu, den Begriff der Verantwortung neu zu fassen.]
Das Können liegt jenseits des sexuellen Verhältnisses. [Es gibt kein Know-how, das dafür sorgen könnte, dass es ein sexuelles Verhältnis gibt, eine Beziehung zum anderen Geschlecht als anderem Geschlecht auf der Ebene der jouissance. In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte Lacan es so formuliert: es gibt keine Initiation (9. Dezember 1975). Auch der Psychoanalytiker verfügt nicht über ein solches Können.]
Das Können fügt den Kunstgriff hinzu, das Artefakt. [Vielleicht ist gemeint: Das Können antwortet auf die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses mit dem Artefakt; die Betonung des Könnens in Sachen Kunst ist eine Antwort auf die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses, auf das Unmögliche.]
Der Kunstgriff wird willkürlich Gott zugeschrieben. Das findet man auch bei Joyce, Joyce beharrt deshalb darauf, da dies eine Sache ist, die ihm irgendwo das Denken gekitzelt hat. [Das Denken – die Sinnproduktion – wurde durch diese Vorstellung gekitzelt, also mit jouissance verbunden. Lacan bezieht sich auf die Gottesanrufung im letzten Satz von Ein Porträt des Künstlers als junger Mann: „Urvater, uralter Artifex …“.]
Nicht Gott hat das das Universum geschaffen, sondern der Künstler. Das erste Modell des Künstlers ist der Töpfer [hier vielleicht mit einer Anspielung auf den Topf als gelochte Sphäre und damit auf das Imaginäre – das Universum ist eine Ganzheit, die sich auf die Topologie des Topfes stützt]. Das Universum wird jedoch Gott zugeschrieben. [Ich nehme an, dass Lacan andeuten will, dass der Kunstgriff – der die Schöpfung hervorbringt – deshalb einem allmächtigen Gott zugeschrieben wird, weil man sich so darüber hinwegtäuschen kann, dass das Können erstens letztlich nicht beurteilt werden kann und zweitens eine unübersteigbare Grenze hat, dass es in Bezug auf das Sexuelle kein Können gibt.]
Das „Universum“ kann nur eins bedeuten, nämlich dass es Ein/Eins/„Un“ gibt (Yad’l’un). [In der Rede vom „Universum“ gibt es ein Element, das haltbar ist, das „Un“. Es gibt „Un“, es gibt Ein, es gibt den Signifikanten, die Sprache, das Symbolische.] Yad’l’un, S’gibt Ein, |{67} aber man weiß nicht wo. [Der Signifikant wirft die Frage der Topologie auf, um die es in dieser Sitzung geht.]
Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass das Ein [der Signifkant, die Sprache, das Symbolische] das Universum bildet [keine Totalität, keine vereinheitlichte Ganzheit]. [Die Formeln des Sexuierung besagen: Neben dem „Alle“, dem Quantor für die Allgemeinaussage, gibt es das nicht alle. Vgl. hierzu L’étourdit, wo es heißt, das nicht-alle liege außerhalb des „Universums“91.]
Lacan spricht dann über den realen Anderen des Anderen, d.h. über den unmöglichen Anderen [der „Andere des Anderen“ ist unmöglich, also real]. Diese Vorstellung eines realen/unmöglichen Anderen des Anderen ist die Vorstellung, die wir vom Kunstgriff haben, insofern er ein Tun ist, das uns entgeht. [Das heißt, wenn ich es recht verstehe, das wir mit der Wertschätzung des Kunstgriffs bzw. der Kunst auf den „realen Anderen“ antworten, auf die Unmöglichkeit des sexuellen Verhältnisses.] Beim Kunstgriff [bei der Kunst] handelt es sich um ein Tun [Lacan ist bei der Aktiv-passiv-Polarität und bei der Frage, wie sie neu gefasst werden muss]; beim Kunstgriff [bei der Kunst qua Technik] handelt es sich um ein Tun, das uns entgeht, das sich uns entzieht, in dem Sinne, das es über die Jouissance, die wir davon haben können, weit hinausgeht, über die winzige Jouissance, die wir beim Witz empfinden. [Vielleicht: Die Jouissance, die der Künstler bei seinem Tun empfindet, ist eine Jouissance von der Art der Jouissance, wie wir bei einem Witz empfinden, geht jedoch weit darüber hinaus. Das erinnert an eine Szene, die Ellmannn in seiner Joyce-Biographie erzählt. Ein Besucher fragt ihn, ob Finnegans Wake eine Mischung von Literatur und Musik sei, und Joyce antwort, es sei reine Musik. Der Besucher wendet ein, es gebe doch Bedeutungsebenen, die man untersuchen müsse. Joyce darauf: „Nein, nein, es soll Sie zum Lachen bringen!„92]
All das [nämlich die Rede vom realen Anderen] impliziert einen Begriff des Realen, das wir vom Symbolischen und vom Imaginären unterscheiden. Das Problem besteht darin, dass das Reale hierbei Sinn macht, während das Reale sich doch von daher begründet, dass es keinen Sinn hat, dass es den Sinn ausschließt, es lagert sich ab als das, was vom Sinn ausgeschlossen wird. [Das Reale ist das, was sich der Sinngebung absolut widersetzt (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Das Reale: früh, konstant, einfach). Unter „Sinn“ versteht Lacan im Zusammenhang der Psychoanalyse wie Freud den Sinn der Symptome, der durch das Zusammenspiel von „freier Assoziation“ und Deutung auf der Grundlage der Übertragung rekonstruiert (oder konstruiert) wird. Das Reale ist in diesem Kontext das, was der Deutung unzugänglich ist. Der Zugang zum Realen erfolgt, wie es oben hieß, jedoch auf der Ebene des Sinns, d.h. von der Deutung aus stößt man auf das, was sich durch die Deutung nicht erschüttern lässt.93]
Lacan sagt über sich, dass er es so erzählt, wie er es denkt und dass er es seinen Hörern sagt, damit sie es wissen. [Womit vielleicht gesagt werden soll: Lacan erzählt vom Realen, wie er es denkt, in der Perspektive des Wissens vom Realen, und das widerspricht dem Realen als dem, was nicht gedacht, nicht erzählt, nicht gewusst werden kann.]
[Wenn man einen anschaulichen Zugang zum Realen erhalten will, muss man eine Artikulationsmöglichkeit finden, die möglichst stark von Sinn entkleidet ist, also von der Überlagerung des Imaginären des Symbolischen, eine Darstellung, die aber immer noch vorstellbar ist.]
Konsistenz des Imaginären und Konsistenz des Knotens
Die am meisten von Sinn entkleidete Gestalt, die sich gleichwohl imaginieren lässt [die immer noch etwas Imaginäres hat, etwas Bildhaftes und auf das Körperbild Bezogenes], ist die Konsistenz.
Nichts zwingt uns, die Konsistenz zu imaginieren. [Das könnte heißen, wir können versuchen, den Begriff der Konsistenz vom Imaginären als Körperbild bzw. als Sack, als Sphäre, abzulösen.]
[Was also hat es mit der Konsistenz auf sich?] Es gibt ein Buch über Joyce, das den Ausdruck „Konsistenz“ im Titel führt: Robert Martin Adams, Surface and symbol. The consistency of James Joyce’s Ulysses (1962). In diesem Buch gibt es eine Ahnung vom Unterschied zwischen dem Imaginären [das im Titel als surface erscheint] und dem Symbolischen, was sich darin zeigt, dass ein Kapitel mit „Surface or symbol?“ überschrieben ist, „Fläche oder Symbol?“ [wo die Beziehung also durch ein Oder statt durch ein Und charakterisiert wird].
Was meint hier „Konsistenz“? Das, was zusammenhält. Deswegen wird sie [im Titel des Buchs von Adams] durch eine Fläche symbolisiert [durch eine surface]. Wir können uns die Konsistenz nur als etwas vorstellen, was zusammenhält, als Sack oder eines Lappen. Selbst den Körper spüren wir als einen Hautsack, der eine Ansammlung von Organen zusammenhält [die Konsistenz wird gespürt]. [Lacan spielt hier vielleicht auf den Begriff des „zerstückelten Körpers“ an, den er 1938 vorgestellt hatte, als Kehrseite des Spiegelstadiums.]
Die Konsistenz ist fadenscheinig. [Die Konsistenz wird jetzt auf den Zusammenhalt eines Fadens (bzw. einer Schnur) reduziert; das Verbindungsstück zwischen der Konsistenz und dem Faden bzw. Schnur ist der „Sack“, der „Lappen“. Die Konsistenz soll nicht vom Körperbild her begriffen werden, sondern ausgehend vom Knoten; dies ermöglicht einen Zugang zum Realen.]
Die Fähigkeit zur imaginativen Abstraktion ist so gering, dass sie aus dem Faden, als Überbleibsel der Konsistenz, dass sie aus dieser Schnur den Knoten ausschließt. [Es soll ein Übergang in drei Schritten hergestellt werden: imaginäre Form der Konsistenz als Hautsack – Konsistenz der Schnur – Schnur-Ring als Knoten; der Übergang zur dritten Position fällt schwer.]
|{68} Das ist vielleicht das einzige, was Lacan beisteuern kann und wofür er sich als verantwortlich ansieht: bei einer Schnur ist der Knoten alles, was ex-sistiert. [Lacan nimmt das Thema „Können und Verantwortung“ wieder auf: Das, was Lacan beisteuern kann, sein Savoir-faire, ist etwas, wofür er sich als verantwortlich begreift. Lacans Können bezieht sich auf den Knoten.]
Deshalb musste er (sagt Lacan über sich) für diesen Knoten einen Zugang über die Verkettung (chaîne) herstellen.
Die Konsistenz des Knotens [dass er keine losen Enden hat] kann zwei Formen annehmen, entweder als unendliche Gerade oder als Schnur-Ring, d.h. als Schnur, die mit sich selbst durch einen Spleiß verbunden ist. [Der „Ring“ eines borromäischen Knotens hat zwei Existenzweisen. Er kann aus einen Schnur-Ring bestehen oder aus einer unendlichen Geraden. In der projektiven Geometrie berühren sich die „Enden“ einer unendlichen Geraden im Unendlichen; dadurch bildet die Gerade gewissermaßen einen Kreis.]
Der Knoten ist nicht mit der Konsistenz gleichzusetzen. man muss Konsistenz und Knoten unterscheiden. Das wesentliche Merkmal des Knotens ist, dass er ex-sistiert [dass er anderen Knoten äußerlich ist]. Das, was konsistent ist, ist die Schnur.
Ein Knoten kann gemacht werden (ça peut se faire). Deshalb hat Lacan das Vorgehen gewählt, Elemente aneinanderzufügen [um den Knoten ausgehend von einer Verkettung herzustellen, wie am Schluss dieser Sitzung den Kleeblattknoten ausgehend von einer borromäischen Verkettung]. [Damit wird zugleich das Thema des Machens (faire) ins Spiel gebracht.]
Er fand das am didaktischsten, in Anbetracht der Mentalität, der dem Sprechwesen eigenen Senti-Mentalität, es spürt die Bürde der Mentalität, insofern es lügt (ment). [Die Herstellung eines Knotens ausgehend von der Verkettung hat didaktische Gründe. Dieses Vorgehen orientiert sich an der „Mentalität“, an der Bindung ans Imaginäre, der Narzissmus. Diese Mentalität ist eine Senti-Mentalität, eine gespürte, gefühlte Mentalität, d.h. sie ist mit Jouissance verbunden. Diese Mentalität sorgt dafür, dass das Sprechwesen „lügt“, anders gesagt: die Bindung an einen Raum, der letztlich auf dem Körperbild beruht, versperrt den Zugang zur Wahrheit. „Lügen“ meint wohl: dass das Reale (dass es kein sexuelles Verhältnis gibt) auf irgendeiner Ebene erfahren wird und zugleich abgewehrt wird.]
[? Inwiefern antwortet die Verkettung als Ausgangspunkt auf die „Mentalität“, auf die Bindung ans Imaginäre?]
Das ist ein Fakt. [Das Thema ist jetzt: Was ist eine Tatsache, ein Fakt? Das lateinische Wort factum kommt von facere, „machen“, das factum ist, wörtlich, das Gemachte. Lacan spielt auf das „Machen“ des Knotens an.] Was ist ein Fakt? Er [der Sprechende] macht es ja selbst; ein Faktum gibt es nur aufgrund des Fakts, dass das Sprechwesen es sagt [hier interveniert der Begriff des Sagens im Unterschied vom Gesagten, den Lacan in Seminar 19 und in L’étourdit entwickelt hatte, das Sagen ist das, wodurch eine Tatsache konstituiert wird]. In der (An-)Erkenntnis werden falsche Tatsachen etabliert. Warum? Aufgrund der Mentalität, der Eigenliebe, aufgrund dessen, dass es seinen Körper liebt [aufgrund also des Narzissmus, des Imaginären].
Fakten gibt es nur, insofern sie durch ein Sprechwesen als solche anerkannt werden. [Das grundlegende Faktum, das Faktum hinter dem Faktum, ist, dass gesprochen wird und dass eine Tatsache durch das Sagen konstituiert wird.] Ein Fakt gibt es nur durch das Artefakt, den Kunstgriff [durch eine bestimmte Form der Rede, des Diskurses].
Anbetung des Körpers und seine Auflösung
Es ist ein Fakt, dass das Sprechwesen lügt, d.h. dass es in der (An-)Erkenntnis von Tatsachen falsche Tatschen etabliert. Dies liegt daran, dass es Mentalität gibt, d.h. Eigenliebe [den Narzissmus, das Imaginäre]. Das ist das Prinzip der Imagination: es betet seinen Körper an.
Es betet den Körper an, weil es glaubt, dass es ihn hat, in Wirklichkeit hat es ihn nicht. [? Inwiefern hat das Sprechwesen nicht den Körper? ] [In Joyce das Symptom (II) wird Lacan das Gegenteil sagen: Das Subjekt ist nicht der Kröper, es hat ihn.94] Sein Körper ist jedoch seine einzige Konsistenz, allerdings eine mentale [diese Konsistenz existiert nur im Kopf]. Sein [nicht mentaler sondern physiologischer] Körper jedoch macht sich in jedem Moment davon [er steuert auf den Tod zu], es grenzt an ein Wunder, dass er während der Zeit der Zersetzung eine Zeitlang bestehen bleibt. Das ist ein unerbittlich, da ist nichts zu machen, da der Körper nicht resorptiv ist. [? Was meint hier „resorptiv“?] Das ist ein unerbittliches Faktum, ein Faktum, da es gesagt wird. |{69} Auch für Tiere gilt: der Körper verflüchtigt sich [eine Zeitlang] nicht, er ist [eine Zeitlang] konsistent. Dies [die unerbittliche Zersetzung] ist der Mentalität antipathisch, da sie daran glaubt, einen Körper zum Anbeten zu haben [der Narzissmus kann die eigene Sterblichkeit nicht akzeptieren].
Das ist die Wurzel des Imaginären. [Die Anbetung des Bildes des eigenen Körpers ist die Wurzel des Imaginären.]
[Auch dies gehört wohl zu den „ersten Wahrheiten“: das Verhältnis von Sterblichkeit und Narzissmus.]
„Je le panse, je le fais panse, donc je l’essuie“. [Anspielung auf eine Sentenz von Alphonse Allais, im Original lautet sie: „Une réflexion de mon palefrenier : je panse, donc j’essuie.“ („Ein Gedanke meines Stellburschen: ich striegle, also wisch ich.“) In der Fassung von Allais ist der Satz lautgleich mit Descartes’ „Je pense donc je suis“, „Ich denke, also bin ich“.]. Ich striegle ihn [den Körper], ich mach ihn zu Pansen [vielleicht im Sinne von: ich füll ihn ab], ich wisch ihn.
Was dabei lügt, ist das Sexuelle [die sexuelle Anbetung], indem es sich zu viel davon erzählt [indem es Sinn durch Erzählen generiert]. Dies beruht auf einem Mangel an imaginärer Abstraktion, die sich auf die Konsistenz reduziert [das Problem besteht darin, dass die Konsistenz vom Körperbild her begriffen wird statt, abstrahierend, von der Schnur und vom Knoten her aufgefasst zu werden]. Denn das Konkrete, das einzige, was wir erkennen, ist immer die sexuelle Anbetung, d.h. der Missgriff (la méprise), anders gesagt: die Verachtung (le mépris). [Sexuelle Anbetung – Freud spricht von der Überschätzung des Liebesobjekts. Die Anbetung ist eine Täuschung, ein Missgriff, und sie ist ambivalent, sie ist die andere Seite der Verachtung.] Was man anbetet, dem wird unterstellt, keinerlei Mentalität zu haben [? keinerlei Imaginäres?], so ist das bei Gott.
Das ist nur wahr für den als solchen aufgefassten Körper, für den angebeteten Körper, weil dies das einzige Verhältnis ist, dass das Sprechwesen zu seinem Körper hat. Wenn es einen anderen Körper anbetet, ist das verdächtig, denn das beinhaltet dieselbe wahrhafte Verachtung, denn es dabei geht es [tatsächlich] um Wahrheit. [Es geht um die Wahrheit meint, wie die folgenden Sätze zeigen: es geht um das Verhältnis zum Realen, dazu also, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, keine durch Instinkte oder durch das Unbewusste hervorgerufenen Polung der Jouissance auf die Jouissance des Gegengeschlechts. Die imaginäre sexuelle Beziehung zum anderen – zugleich Anbetung und Verachtung – ist Lüge, durch die verschleiert wird, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt.]
[Damit kommt Lacan auf das Thema der Wahrheit zurück, das er bereits zu Beginn der Sitzung angesprochen hatte, als er sagte, er wolle einige erste Wahrheiten formulieren. Der Kern ist offenbar „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“.]
Was ist Wahrheit? wie mal jemand sagte. [Pilatus sagte das zu Jesus und brachte damit das Problem auf, über die Wahrheit das Wahre zu sagen.] Was heißt es, das Wahre über das Wahre zu sagen? [Lacan wird nicht müde, zu erklären, dass man nicht das Wahre über das Wahre sagen kann, das man also die Frage des Pilatus nicht beantworten kann. Jetzt schlägt er jedoch die entgegengesetzte Richtung ein:]
Das Wahre über das Wahre zu sagen, heißt, der Spur des Realen zu folgen. [Das Wahre über das Wahre zu sagen, ist unmöglich. Das Reale ist das Unmögliche. Also ist man, wenn man das Wahre über das Wahre sagt, auf der Spur des Realen. Gemeint ist aber sicherlich auch: Man muss der Spur des Realen folgen; es gibt eine Spur des Realen, und man muss ihr folgen, der Zugang zum Realen ist über den Knoten möglich.]
Das Reale „konsistiert“ und ex-sistiert nur im Knoten. [Der Knoten liefert Zugänge zum Realen: als Konsistenz des Knotens (imaginärer Aspekt, aufs Äußerste reduziert) und als Ex-sistenz des Knotens (realer Aspekt). Unter „Knoten“ versteht Lacan hier den einzelnen Fadenring, ob mit oder ohne Selbstverschlingung, das geht aus dem Vorhergehenden klar hervor.]
{70} Halten wir uns ans Prinzip. [Mit dem „Prinzip“ sind wir wieder bei den ersten Wahrheiten.] Das Prinzip muss man gefunden haben [möglicherweise will Lacan damit andeuten, dass er mit „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ das Prinzip gefunden hat]. Lacan sagt, er sei durch das sexuelle Verhältnis zum Prinzip geführt worden, durch die Hysterie [durch die Hysterie kam Lacan zum Prinzip „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“]. Die Hysterie ist die letzte (husteron) wahrnehmbare Realität dessen, worum es beim sexuellen Verhältnis geht, da hat Freud sein Abc gelernt. [Die Hysterie dreht sich um die Frage, was heißt es, ein Mann oder eine Frau zu sein.]
Das hat Freud nicht daran gehindert, die Frage zu stellen, „Was will das Weib?“, WwdW. Dabei beging er einen Irrtum, er dachte, es gäbe das Weib. [„Das Weib“ oder „Die Frau“ oder „Alle Frauen“: damit ist die Sexualpartnerin des anderen Geschlechts gemeint, insofern der Mann von ihr dadurch angezogen und erregt wird, dass sie eine Frau im biologischen Sinne ist, ein Weibchen. Die Anziehung durch das Gegengeschlecht – durch Die Frau – ist beim Menschen jedoch inexistent.] Jedoch gibt es nur ein Weib, WweW [von Lacan in einem Wort gesprochen, vef, für „Was will ein Weib?“] [Es gibt für den Mann nur bestimmte Frauen, diejenigen, auf die sein Unbewusstes anspringt.] [?? Worauf spielt Lacan mit den Abkürzungen „WwdW“ und „WweW“ an? Sollen sie, als Buchstaben, einen Weg zum Realen bahnen?]
Lacan spricht nun über das Rätsel.
Früher [nämlich in Seminar 6] hatte Lacan ein Symbol für das Rätsel vorgestellt: Ee. [Groß E meint „das Ausgesagtes“ (énoncé), klein e meint „das Aussagen“ (énonciation). Ee soll heißen „Eine Äußerung (e), deren Aussage (E) unbekannt ist und gesucht wird.] Ein Rätsel ist eine Äußerung, deren Aussage man nicht findet.
Im Ulysses trägt Stephen Dedalus seinen Schülern ein Rätsel vor [im zweiten Kapitel, in der sogenannten Nestor-Episode].
Stephen ist der von Joyce imaginierte Joyce [Stephen ist das Ich (moi) von Joyce]. Diesen imaginierten Joyce betet Joyce nicht an. Wenn er von Stephen spricht, wird er höhnisch [er spricht über ihn von der Position des Über-Ichs aus, würde Freud sagen]. |{71} Ähnlich spricht Lacan über sich – sagt Lacan –, wenn er über das spricht, was er seinen Hörern vorschwatzt.
Knoten und Schrift
Ein Rätsel ist eine Kunst, und zwar die Kunst zwischen den Zeilen zu sprechen. Dabei muss man sich die Zeilen des Geschriebenen als Schnur vorzustellen, die durch eine zweite Schnur verbunden ist [die zweite Schnur stellt das „Zwischen“ der Beziehung Zwischen-den-Zeilen her]. [Das erinnert an die Struktur des Graphen des Begehrens wie er in Seminaren 5 und 6 entwickelt wurde: die von links nach rechts führenden beiden Pfeillinien sind durch eine dritte Pfeillinie miteinander verbunden. Die obere Pfeillinie ist die des Aussagens, die untere Pfeillinie die des Ausgesagen. Möglicherweise werden hier die Pfeillinien in Schnüre umgedeutet. Immerhin begreift Lacan den Graphen des Begehrens ja als Netz (im Sinne der Mathematik).]
Lacan sagt, er interessiere sich für die Schrift, weil er der Auffassung sei, dass man historisch durch kleine Stücke Schrift zum Realen gekommen ist, d.h. dazu, dass man aufgehört hat, zu imaginieren, also dazu, dass die Schrift der kleinen mathematischen Buchstaben das Reale stützt. [Zum Realen ist man durch kleine Stücke Schrift gekommen: durch die Buchstaben der physikalischen Formeln ist man dazu gelangt, die imaginäre Beziehung in Frage zu stellen.]
Aber wie kommt das zustande? Lacan vermutet, so sagt er, dass die Schrift etwas damit, wie der Knoten geschrieben wird, zu tun hat [also damit, wie ein Knoten gezeichnet wird].
In der üblichen Schreibweise eines Knotens sieht man ein S, und ein S hat viele Beziehungen zur Instanz des Buchstabens, wie Lacan ihn stützt; auch „Stephen“ [Dedalus] fängt mit einem S an. [Gemeint ist vermutlich die Zeichnung eines Kleeblattknotens wie in der obenstehenden Abbildung; das S ist hier blau gefärbt. Bei dieser Abbildung muss man sich vorstellen, dass die beiden Enden miteinander verbunden sind, andernfalls hat man es nicht mit einem Knoten im Sinne der Knotentheorie zu tun.]
William Hogarth [The Analysis of Beauty, 1753] sieht in der S-förmig geschwungenen Linie diejenige Linie, die der Schönheit zugrunde liegt [sie wird „Schönheitslinie“ genannt]. |{72} Lacan hält das für Spinnerei. Das gehe aber immerhin in eine Richtung, sagt er, durch welche die Schönheit mit etwas anderem verbunden wird als mit dem Obszönen, nämlich mit dem Realen. [Die Schönheit – ein Aspekt des Imaginären – dient normalerweise der Abwehr des Obszönen. In der Schönheitslinie wird die Schönheit statt auf das Obszöne auf die Schrift bezogen, damit wird ein Schritt in Richtung auf das Reale getan.]
Joyce
Joyce glaubt an den Vater, den er verleugnet
Stephen [Dedalus] ist also Joyce, insofern er sein eigenes Rätsel entziffert. [Damit greift Lacan den Begriff des Rätsels auf: Stephen, der seinen Schülern ein Rätsel stellt, versucht, sein eigenes Rätsel zu lösen.]
Bei dieser Entzifferung kommt er, Joyce, nicht weit, und zwar deshalb nicht, weil Joyce an all seine Symptome glaubt. [Die in früheren Sitzungen genannten Symptome von Joyce (der vierte Ring der borromäischen Verkettung) sind Thomas von Aquin (sinthom-asdaquin), Irland (sinthome-rule), Nora.]
[Die Beziehung von Joyce zu seinen Symptomen ist eine Beziehung des Glaubens. Im vorangegangenen Seminar, RSI (1974/75), hatte Lacan gesagt, ein Symptom sei etwas, woran man glaubt, nämlich dann, wenn man annimmt, dass es etwas sagen kann, dass man es nur entziffern muss; vgl in Lacan entziffern den Artikel Eine Frau ist ein Symptom des Mannes. Joyce würde demnach insofern an seine Symptome glauben, als er annimmt, dass sie in der Lage sind, etwas zu sagen.]
Er glaubt an das „ungeschaffene Gewissen/Bewusstsein seines Volkes“, mit dem das Porträt des Künstlers als junger Mann endet [das bezieht sich auf Irland, also auf das sinthome-rule]. Das führt nicht weit. Und das endet mit „Urvater, uralter Artifex, steht hinter mir, jetzt und immerdar“ [dem letzten Satz von Ein Porträt des Künstlers]. Das ist ein Gebet, und Stephen richtet es an seinen Vater. Dieser Vater ist ein unwürdiger Vater, ein Vater, der ausfällt. Im Ulysses wird Stephen diesen Vater in verschiedenen Gestalten suchen. Er wird ihn nicht finden, und zwar deshalb nicht, weil es da einen Vater gibt, der sich einen Sohn sucht, nämlich Bloom. [? Was für ein Zusammenhang wird mit „weil“ behauptet? Inwiefern findet Stephen den Vater eben deshalb nicht, weil es im Ulysses einen Vater gibt, der sich einen Sohn sucht, nämlich Bloom?] Aber Stephen antwortet Bloom mit einem: „Ohne mich, nach dem Vater, den ich gehabt habe, habe ich genug. Keinen Vater mehr!“ [Hier kommt die eine Seite von Joyces ambivalenter Beziehung zum Vater zum Tragen: die Zurückweisung.] Außerdem ist dieser Bloom nicht gerade verführerisch.
Aber es ist einzigartig, dass es im Ulysses eine Anziehungskraft zwischen den Gedanken von Stephen und denen von Bloom gibt. |{73} Das zeigt sich etwa daran, dass Bloom [in seinen inneren Monologen] ein Wissen über Shakespeare zeigt, das nicht sein eigenes Wissen ist, sondern das von Stephen: man findet in Blooms inneren Monologen bestimmte Spekulationen von Stephen über Shakespeares Beziehungen zu einem Kräuterhändler; Adams hat das in Surface and Symbol ausgeführt. Diese Identität geht so weit, dass Joyce im Ulysses „Blephen“ und „Stoom“ auftreten lässt [in Kapitel 17, der sogenannten Ithaka-Episode], was zeigt, dass Stephen und Bloom nicht nur aus demselben Signifikanten gemacht sind, sondern aus demselben Stoff [? Was meint: „Stephen und Bloom sind aus derselben Stoff gemacht“?]
Ulysses bezeugt, wie sehr Joyce in seinem Vater verwurzelt bleibt, wobei er diesen Vater zugleich verleugnet. Und eben das ist sein Symptom. [Das Symptom von Joyce besteht also letztlich darin, dass er an seinen Vater gebunden ist, den er zugleich verleugnet.
[Man darf vermuten, dass Lacan andeuten will, dass diese Struktur auch dem SinThom-madaquin und dem SintHome-Rule zugrunde liegt, also der frühen Bindung an Thomas von Aquin und der Ablösung dieser Bindung durch die Orientierung an der Home Rule (vgl. Sitzung vom 18. November 1975, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 13 f.). Im Falle des SintHome-Rule (bzw. des SaintHome-Rule) könnte damit auch dies gemeint sein: Die Home-Rule-Bewegung ist eine Bewegung für irische Selbstverwaltung im Rahmen des Vereinigten Königsreichs (im Gegensatz zu den Bestrebungen, eine irische Republik zu schaffen), die Home Rule bleibt im Vereinigten Königreich verwurzelt, das zugleich verleugnet wird.]
Nichtexistenz des sexuellen Verhältnisses in den „Verbannten“
Lacan erinnert daran, dass er über Joyce gesagt hatte, er sei das Symptom [so steht es im Titel von Lacans Joyce-Vortrag: Joyce das Symptom]. Joyces gesamtes Werk ist dafür ein umfassendes Zeugnis. [?? Joyce hat nicht Symptome, er ist das Symptom – was meint das?]
[Joyces Theaterstück] Exiles ist eine Annäherung an das, was bei Joyce das zentrale Symptom ist. Dieses Symptom ist aus dem Fehlen des sexuellen Verhältnisses gemacht. Die Gestalt, die dieser Mangel annimmt, ist alles andere als beliebig, sie verbindet ihn mit Nora. Für das Nichtverhältnis gibt es keinen besseren Ausdruck als Exiles, was nicht nur „die Exilierten“, sondern auch „die Exile“ bedeutet. Das sexuelle Nichtverhältnis nimmt bei Joyce die Form an, dass es keinerlei Grund dafür gibt, dass er eine-Frau-unter anderen für seine Frau hält, sie könnte ebensogut ein Verhältnis mit irgendeinem anderen Mann haben. [Ellmann berichtet, dass Joyce, der sehr eifersüchtig war, beständig versuchte, andere Männer für Nora zu interessieren.95] In Exiles denkt Joyce sich einen zweiten Mann aus, und diesem eröffnet er die Möglichkeit, die eine Frau zu wählen, die in diesem Fall Nora ist [die Lebensgefährtin von Joyce].
Im Porträt ruft Joyce den artificer an, der sein Vater wäre, während er doch selbst der artificer ist, derjenige, der weiß, was er zu tun hat. [Ein artificer ist einer, der weiß, was er zu tun hat, der über ein Savoir-faire verfügt, bei dem sich das Wissen auf das Tun bezieht]. Er glaubt jedoch, es gebe ein ungeschaffenes Bewusstsein/Gewissen irgendeines Volkes, was eine große Illusion ist.
Joyce glaubt auch, es gebe ein „book of himself“; eine kümmerliche Idee. Warum sagt er nicht, dass er ein Knoten ist?
Lacan kritisiert das Buch von Mark Shechner, Joyce in Nighttown. A psychoanalytic inquuiry into „Ulysses“, 1974. Shechner stellt sich vor, weil er viele Bücher über Psychoanalyse gelesen hat, sei er Psychoanalytiker – eine Illusion, die besonders unter Psychoanalytikern verbreitet ist, wie Lacan sagt. Shechner [psycho-]analysiert den Ulysses, und zwar erschöpfend, Freud hingegen hat über Literatur immer nur begrenzte Artikel geschrieben, er hat im eigentlichen Sinne keinen Roman [psycho-]analysiert, mit Ausnahme von Dostojewski [Die Brüder Karamasow].
Das führt [ich nehme an: bei Shechner] zu der Idee, dass die Einbildungskraft des Romanautors, die im Ulysses herrscht, in den Papierkorb zu werfen sei. Lacan erklärt, dies sei nicht Lacans sentiment, es entspreche nicht seinem Gefühl. [Das sentiment beruht für Lacan auf dem Imaginären.] [Ich nehme an, dass gemeint ist: Die Erfindungen des Romanautors können nicht auf sein Unbewusstes reduziert werden.]
Das Fuchs-Rätsel: erste Wahrheiten der Psychoanalyse
Um |{75} im Ulysses einige erste Wahrheiten aufzusammeln, liest Lacan das Rätsel vor, das Joyce, in der Erscheinungsform von Stephen Dedalus, seinen Schülern vorträgt – ein Rätsel ist, wie gesagt, ein Aussagen, bei dem das Ausgesagte fehlt.
„Es krähte der Hahn
Zum Himmel hinan:
Der Glocken Klagen
Hat elf geschlagen.
s’ist Zeit, dies arme Seelchen
in den Himmel zu tragen.
[Das Gedicht ist ein traditionelles Scherzrätsel, wie Adams gezeigt hat.]
Die Lösung lautet [in Lacans Worten]: Der Fuchs, wie er seine Großmutter unter einem Busch begräbt.
Das Aussagen ist inkohärent [Rätsel und Antwort passen nicht zusammen]; das Aussagen besteht aus Versen, ist also ein Gedicht, eine Schöpfung; der Fuchs ist ein elendes Ding.
Lacan verwendet das Rätsel und seine Lösung als Allegorie für die Psychoanalyse.
--- Die Psychoanalyse ist die Antwort auf ein Rätsel. [Das Rätsel ist die Frage des Subjekts „Was bin ich?“, „Was ist mit mir los?“]
--- Die Antwort ist idiotisch, wie das Beispiel zeigt. [Das Beispiel zeigt, dass die Antwort auf das Rätsel selbst ein Rätsel ist.]
Eine Psychoanalyse macht zwei Spleiße: Sinn und phallische Jouissance
Weil die Antwort auf das Rätsel idiotisch ist, muss man in der Psychoanalyse die Schnur festhalten, die Schnur, die zum Knoten des sexuellen Nichtverhältnisses führt; |{76} andernfalls gerät man in Gefahr, inkohärentes Zug zu sagen. [Die Schnur ist, wie das Folgende zeigt, die Schnur des Kleeblattknotens. Möglicherweise soll hier gesagt werden, dass die drei Ösen des Kleeblattknotens (die im Folgenden benannt werden) sich insgesamt auf das sexuelle Nichtverhältnis beziehen.
[Lacan skizziert nun eine Operation, durch die aus einer borromäischen Verschlingung von drei trivialen Knoten ein Kleeblattknoten wird.]
Der Sinn ist [im Diagramm der borromäischen Ringe] das Feld, in dem sich das Imaginäre und das Symbolische überschneiden.
Ausgangspunkt ist [für Analytiker], dass es keinen Anderen des Anderen gibt, zumindest keine Jouissance des Anderen des Anderen [Ausgangspunkt ist das Feld JȺ im Diagramm der borromäischen Ringe].
Von daher müssen wir [Analytiker] in der borromäischen Verkettung irgendwo die Naht zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären setzen. [Zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären gibt es zwei Überkreuzungspunkte, an einem dieser Punkt müssen die beiden Ringe aufgeschnitten und auf andere Weise miteinander verbunden werden.]
Hier [in der Mitte des Diagramms der borromäischen Ringe] ist das [Objekt] a. die Ursache des Begehrens [d.h. nicht das Objekt des Begehrens, sondern die Bedingung des Begehrens, die Bedingung dafür, dass ich Objekte begehren kann].
[Noch einmal:] Der Analytiker muss einen „Knoten“ [eine Verbindung] herstellen zwischen dem Imaginären und dem unbewussten Wissen [als einem Bereich des Symbolischen]. [„Unbewusstes Wissen“ ist seit Seminar 12 Lacans Name für das Unbewusste (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Wissen, S2: das Unbewusste ).]
Er tut dies dadurch, dass er irgendwo [an einer der Überkreuzungsstellen der beiden Ringe] einen Spleiß macht [dass er die Schnüre an dieser Stelle auftrennt und sie durch einen Spleiß auf bestimmte Weise neu verbindet]. Durch den Spleiß wird ein Knoten hergestellt. [Wenn man an drei verschiedenen Stellen einen solchen Spleiß macht, ergibt sich ein Kleeblattknoten; Lacan beschreibt hier den ersten Schritt der Umwandlung des borromäischen Knotens in einen Kleeblattknoten.]
All das geschieht, um einen Sinn zu erhalten, und das ist das Ziel der Antwort des Analytikers auf die Darlegung durch den Analysanten, im gesamten Verlauf seines Symptoms. [Die erste Spleißung entspricht also der Deutung; die Deutung stellt eine Verbindung her, einen „Spleiß“, zwischen dem Imaginären und dem Unbewussten und erzeugt so den Sinn der Symptome.]
Wenn man diesen Spleiß herstellt, produziert man zugleich einen weiteren Spleiß, nämlich zwischen dem Symptom und dem Realen. [Im Diagramm ist das Symptom der Schatten, den das Symbolische in das Reale wirft. Der zweite Spleiß hat seinen Platz an einer der beiden Überkreuzungsstellen des Symbolischen und des Realen, dort, wo in der Zeichnung das Symptom seinen größten Schatten wirft.] Das heißt, der Analytiker bringt dem Analysanten bei, einen Spleiß herzustellen, eine Verbindung zwischen dem Symptom und dem Realen. Dieser Spleiß bezieht sich auf den Parasiten der Jouissance [d.h. auf die phallische Jouissance, Feld JΦ]. Das ist das, was für das Vorgehen des Analytikers charakteristisch ist. [Die phallische Jouissance ist die durch den Kastrationskomplex strukturierte Jouissance.]
Diese parasitäre Jouissance zu ermöglichen [die phallische Jouissance zu ermöglichen] ist dasselbe wie das, was Lacan j’oui sens schreibt, es ist dasselbe, wie einen Sinn zu hören. [„Es ist dasselbe“ meint: In dem Maße, in dem der Sinn erzeugt wird, stellt sich die phallische Jouissance ein. Eben dies wird durch das Diagramm des Kleeblattknotens dargestellt, in dem die phallische Jouissance und der Sinn durch eine einzige Schnur verbunden sind und sich die Waage halten, wie Lacan in der Sitzung vom 16. Dezember gesagt hatte.96 Das französische Verb entendre meint sowohl „hören“ im akustischen Sinne als auch „verstehen“ qua Sinnverstehen; j’ouïs sens meint: „ich verstehe den Sinn“. Dadurch, dass ich den Sinn verstehe (die anspielende Deutung des Analytikers), wird eine bestimmte Jouissance ermöglicht: phallische Jouissance.
Die beiden Spleiße des Sinns und der phallischen Jouissance werden durch die Antwort des Analytikers erzeugt, also durch Fragen, Deutungen und Interpunktionen („Skandierungen“, wie Lacan zu sagen pflegt). Man muss sich hier daran erinnern, dass der Analytiker den Sinn nur in Form einer Mehrdeutigkeit sagen kann. „Denn letztlich haben wir als Waffe gegen das Symptom nur dies: die Äquivokation.“ (Sitzung vom 18. November 1975) Die Deutung, durch welche im Bereich des Sinns ein Spleiß erzeugt wird, ist ein mehrdeutiges Halbsagen der Wahrheit: „Die Wahrheit lässt sich nur halbsagen.“]
[In den Vorlesungen Das Wissen des Psychoanalytikers hatte Lacan den Zusammenhang zwischen dem Sinn und der Jouissance so formuliert:
„Es gibt keine Deutung, die nicht das Band zwischen dem, was sich in dem, was sie vernehmen, an Sprechen manifestiert, und der Jouissance betrifft. Es mag sein, dass Sie das unschuldig tun, ohne dass Sie es je bemerkt haben, dass es keine Deutung gibt, die je etwas anderes sagen wollte, doch letzten Endes ist eine analytische Deutung stets genau das. Ob der Gewinn primär ist oder sekundär, der Gewinn ist Jouissance.“97
[? Ist das Schema so zu verstehen, dass durch die Sinndeutung der Anteil der phallischen Jouissance verstärkt wird und der Anteil des Objekts a, der Mehrlust, vermindert wird?]
{77} In der Analyse geht es also um Vernähung und Spleißung [um die Herstellung neuer Verbindungen zwischen Realem, Symbolischem und Imaginärem, wodurch sich die borromäische Verkettung in einen Kleeblattknoten verwandelt].
[Offenbar geht es bei Lacans Deutung des Kleeblattknotens darum, dass diese vier Größen aufs engste zusammenhängen: die Unerreichbarkeit der Jouissance des anderen Geschlechts (JȺ), die Deutung (Sinn), die phallische Jouissance(und das Objekt a. Ich nehme an, dass man sich den Zusammenhang so vorstellen kann:
– Das Symptom wird letztlich durch das Phantasma bestimmt, also durch das Objekt a.
– Letzte Ursache des Symptoms ist, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt (JȺ), das Phantasma ist eine phantasmatische Antwort auf die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses.
– Die Psychoanalyse interventiert in das Symptom durch die Deutung (Sinn).
– Die Sinndeutung stellt eine Beziehung zur phallischen Jouissance her und ermöglicht phallische jouissance (JΦ).]
Jedoch müssen die Instanzen [des Realen, des Symbolischen und des Imaginären] als realiter getrennt aufgefasst werden, Reales, Symbolisches und Imaginäres vermischen sich nicht. [? Was meint dann aber „Spleißen“? Ist „Spleißen“ nur eine Metapher dafür, um zu sagen, dass es Deutung und phallische jouissance geht?]
Einen Sinn zu finden [eine anspielende Deutung vorzunehmen, also zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen einen Spleiß herzustellen] impliziert, dass man weiß, welches der Knoten ist [?? was meint das?], und dass man ihn dank eines Kunstgriffs gut einrenkt. [Statt vom Verspleißen spricht Lacan jetzt vom „Einrenken“ des Knotens.] [? Was bedeutet „wissen, welches der Knoten ist“? Was bedeutet „den Knoten durch einen Kunstgriff einrenken“?]
[Lacan kommt jetzt indirekt auf die Eingangsbemerkung über das Können und die Verantwortung zurück. Der Psychoanalytiker ist nicht dafür verantwortlich, ein sexuelles Verhältnis herzustellen, das liegt nicht im Bereich seiner Möglichkeiten. Seine Kunstfertigkeit (und damit seine Verantwortung) besteht darin, den Knoten zu verspleißen bzw. einzurenken, d.h. dem Patienten durch Deutung eine phallische Jouissance zu ermöglichen.]
Ist es möglicherweise ein Missbrauch, aus einer borromäischen Knotenverkettung (chaînœud borroméenne) einen Knoten zu bilden? [Ist es topologisch haltbar, eine borromäische Verkettung in einen Kleeblattknoten zu verwandeln?] Lacan betont, dass er die Frage offen lässt. [In der Sitzung vom 9. März 1976 wird Lacan bekräftigen, dass der Kleeblattknoten aus der borromäischen Verkettung hervorgeht.]
Das nächste Mal, so kündigt Lacan an, wird Jacques Aubert in Lacans Seminar einen Vortrag halten, vielleicht über Bloom. Bloom ist, da er Jude ist, in keiner schlechteren Position als andere, um etwas von Analyse zu begreifen. Aubert wird vielleicht darüber sprechen, wie die Suspendierung zwischen den Geschlechtern von Bloom verspürt wird, nämlich so, dass Bloom sich fragt, ob er Vater oder Mutter ist. Der Text |{78} von Joyce besagt, dass er [Bloom] seiner Frau gegenüber die Gefühle einer Mutter hat: er glaubt, sie in seinem Bauch zu tragen, und das ist die schlimmste Verirrung in dem, was man gegenüber jemandem empfindet, den man liebt. Aber warum nicht? Man muss die Liebe ja erklären, und sie mit einer Art Wahnsinn zu erklären, ist das Erste, das in Reichweite ist. [Aubert wird in seinem Vortrag nicht über das angekündigte Thema sprechen, also nicht über Blooms Gefühle, eine Mutter zu sein, und in seinen Anmerkungen wird er schreiben, dass er die Stelle nicht wiedergefunden hat.]
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LACAN-LEXIKON
Das Lexikon ist nicht alphabetisch geordnet, sondern nach der Reihenfolge des Auftretens der Begriffe und Thesen in Lacans Vortrag.
Die Zahlen in Klammern nach den Überschriften und nach den Lacan-Zitaten zu Beginn der Einträge beziehen sich auf die Seiten von Max Kleiners Übersetzung von Seminar 23; oben in der Übersetzung sind sie im deutschen Text nach jedem Satz angegeben.
Am Ende jedes Lexikoneintrags steht ein Pfeil nach unten mit der Spitze nach links (); wenn man ihn anklickt, kommt man zur entsprechenden Stelle der Übersetzung zurück.
Dass es keinen Anderen des Anderen gibt, heißt, dass es etwas gibt, das wir nicht sexuell genießen können (50)
Zu: „Was bemerkenswert ist, da es keinen Anderen des Anderen gibt, um das letzte Urteil zu fällen, zumindest wird das von mir so ausgesagt. Das heißt, dass es etwas gibt, das wir nicht genießen können, nennen wir es das Genießen Gottes, mit dem darin eingeschlossenen Sinn des sexuellen Genießens.“ (50)
„Es gibt keinen Anderen des Anderen“ meint: es gibt keinen Signfiikanten, der die Wahrheit garantieren könnte. Im Grafen des Begehrens ist das Symbol hierfür S(Ⱥ), signifiant de l’Autre barré, „Signifikant des ausgestrichenen Anderen“. Lacan führt dieses Theorem in Seminar 6 ein (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Signifikant eines Mangels im Anderen, S(Ⱥ)).
Es gibt etwas, das wir nicht genießen können, nämlich das andere Geschlecht qua anderes Geschlecht. Dieses Theorem entwickelt Lacan etwa ab Seminar 12, vor allem in den Seminaren 18 und 19 mit den Formeln der Sexuierung. Im geplätteten borromäischen Knoten ist das Symbol hierfür JȺ, jouissance de l’Autre barré, „Jouissance des ausgestrichenen Anderen“ (vgl. in Lacan entziffern den Beitrag Die Jouissance des versperrten Anderen).
An der zitierten Stelle nähert Lacan die beiden Theoreme einander an: dass es keinen Anderen des Anderen gibt, heißt, dass wir das andere Geschlecht nicht als anderes Geschlecht genießen können. Der fehlende Signifikant ist derjenige des anderen Geschlecht, derjenige Signifikant, der es ermöglichen würde, Partner des anderen Geschlechts als anderes Geschlecht zu genießen.
Warum bringt Lacan hier das „Genießen Gottes“ ins Spiel?
Gemeint ist möglicherweise: Wenn wir uns auf den Anderen als Den Mann oder Die Frau beziehen, also auf ihn oder sie als Körper des anderen Geschlechts, machen wir ihn oder sie zu einem Wesen, an das wir glauben, zu einem oder einer Heiligen. Das heißt aber: wir können ihn nicht genießen. Das wäre dann Lacans Version des Madonna-Hure-Komplexes.
Denken (51)
Zu: „Es ist klar, dass schon der Ansatz dessen, was man das Denken nennt, alles, was Sinn macht, sobald es seine Nasenspitze zeigt, eine Bezugnahme mit sich bringt, eine Gravitation, die sich auf den Geschlechtsakt bezieht, wie wenig evident dieser Akt auch sein mag.“ (51)
Der Begriff Denken verweist bei Lacan meist auf die Einbindung des Symbolischen in das Imaginäre. Im Vortrag in Genf über das Symptom (4. Oktober 1975) sagt er:
„Es ist nicht exzessiver, nur auf das zu hoffen, was er macht, er denkt.98 Von Zeit zu Zeit denkt er. Manchmal denkt er. Das ist absolut nicht zwingend. Den Ausdruck ‚denken‘ verbinde ich nicht mit der Konnotation, dass das etwas Wertvolles ist. Ich möchte sogar sagen, wenn ich etwas vorgebracht habe, dann ist das eben von der Art, den Psychoanalytiker in dem zu versichern, was man seinen Automatismus nennen kann. Ich glaube, dass das Denken letztlich ein Festkleben ist. Und die Psychoanalytiker wissen das besser als sonst jemand. Das ist ein Festkleben an etwas, was ich durch das spezifiziert habe, was ich das Imaginäre nenne, und eine ganze philosophische Tradition hat das sehr gut mitbekommen. Wenn der Mensch – das zu sagen, scheint eine Banalität zu sein –, wenn er nicht das hätte, was man einen Körper nennt, ich werde nicht sagen, dass er dann nicht denken würde, denn das ist eine Selbstverständlichkeit, sondern: dann wäre er nicht vom Bild des Körpers grundlegend gefesselt.“99
Denken heißt, dass die symbolischen Aktivitäten vom Bild des Körpers gefesselt sind. Dies insofern, als sie darauf abziehen, eine Ganzheit herzustellen und damit einen Sinn.
Das Kitzeln des Denkens (51 f.)
Zu: „Hingegen liegt das, was ich das Können genannt habe, jenseits davon und fügt den Kunstgriff hinzu, den wir völlig willkürlich Gott zuschreiben, wie bei Joyce, der darauf beharrt, weil das eine Sache ist, die ihm irgendwo das gekitzelt hat, was man das Denken nennt.“ (51 f.)
Das Denken wird hier mit dem Kitzel zusammengebracht, also mit einer schwachen Form des Genießens.
Im Diagramm der borromäischen Ringe entspricht das Denken dem Feld des Sinns. Auch das Feld des Sinns ist demnach mit einer Form des Genießens verbunden, allerdings mit einer schwachen Form des Genießens, mit dem „Kitzel“.
In der Sitzung vom 10. Februar 1976 heißt es:
„Bei Freud – das ist offenkundig, auf diese Art hat er sich sogar orientiert – bereitet das Wahre Lust (plaisir), und eben dies unterscheidet es vom Realen – bei Freud zumindest –, nämlich dass das Reale nicht zwangsläufig Lust verschafft.“ (84)
Diese Auffassung wird von Lacan in derselben Sitzung nicht nur referiert, sondern übernommen:
„Bei einer bestimmten Anzahl von kleinen Fäden finde ich mich zurecht, sicherlich; seine Geschichten mit Nora, davon mache ich mir eine bestimmte Vorstellung, ausgehend von meiner Praxis, ich meine, ausgehend von den Vertraulichkeiten, die ich erhalte, da ich mit Leuten zu tun habe, die ich dazu abrichte, dass sie Lust (plaisir) daran haben, das Wahre zu sagen.“ (87)
Das Sagen des Wahren – das sich im Feld des Sinns ereignet – ist mit Lust (plaisir) verbunden, mit einem Genießen, das unter der Herrschaft des Lustprinzips steht.
Yad’l’un (52)
Zu: „’S-gibt-Ein, man weiß aber nicht wo.“ (52)
Staferla transkribiert hier „yad’l’un“, also mit zwei Apostrophen; in Millers Version von Seminar 23 findet man „yad’lun“, also nur mit einem Apostroph, und zwar nach dem d. In Millers Version von Seminar 19 (wo der Ausdruck eingeführt wird) steht ebenso „yad’lun“. In der Staferla-Version von Seminr 19 liest man meist, wie bei Miller, „yad’lun“, einmal aber auch „yadl’un“[/note]Seminar 19, Version Staferla, Sitzung vom 4. Mai 1972, Version Staferla vom 9.5.2013, S. 106.[/note], also ebenfalls mit nur einem Apostroph, jedoch nach dem l.
„Yad’l’un“ ist gebildet aus „Il y a de l’Un“, „es gibt Ein“, wörtlich „Es gibt von Ein“. Das „Il“ (Es) wird elidiert, „de l“ wird zu „d’l“ zusammengezogen.
Die Formel wird von Lacan zuerst in Seminar 19 von 1911/72, … oder schlimmer, vorgebracht.100 Lacan erwähnt dort, dass er die Formel an die Tafel schreibt; damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Transkription „Yad’lun“ korrekt ist.
In der deutschen Ausgabe von Seminar 20 wird der Ausdruck treffend mit „’S gibt Ein“ übersetzt.101
Mit „Ein“ ist gemeint, dass etwas je eins ist, etwas zählbar einzelnes. Mit „Ein“ ist nicht die Totalität oder Ganzheit gemeint und auch nicht die Zahl Eins.
„Yad’l’un“ meint: Das, was es gibt, ist dies, dass etwas „je eines“ ist. Anders gesagt: Es gibt zählbar Einzelnes. Das, was für Lacan je eins ist, ist der Signifikant. „Yad’l’un“ bezieht sich auf den Signifikanten unter einem bestimmten Aspekt, unter dem, dass er je einer ist, im Unterschied dazu, dass er sich mit anderen Signifikanten verknüpft. Wenn die Welt für uns aus Dingen besteht, die zählbar einzelne sind, ist dies für Lacan ein Signifikanteneffekt.
In Seminar 19 heißt es:
„Ich spreche natürlich immer vom Signifikanten, wenn ich vom Yad’lun spreche, vom ’S gibt Ein. Um dieses dl’un auszuweiten, dieses vom Ein, im Maße seines Imperiums – da er sicherlich der Herrensignifikant ist – muss man sich ihm dort nähern, wo man ihn seinen Talenten überlassen hat, um ihn an den Fuß der Mauer zu stellen.“ 102
Yad’lun bezieht sich auf den Herrensignifikanten.
Lacan bezieht sich mit der Formel ausdrücklich auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Sein (also dem, was „es gibt“) und dem Einen in Platons Dialog Parmenides.103 Bereits in Seminar 2 hatte er eine psychoanalytische Lektüre der Dialektik des selben und des anderen im Parmenides vorgeschlagen104; in Seminar 6 sprach er erstmals über das Verhältnis zwischen dem Sein und dem Einen im Parmenides105.
Peter Widmer bezieht die Formel auf die narzisstische Beziehung106; das ist nicht haltbar.
Il y a / Ya
„Il y a“ meint „Es gibt“.
Heidegger schreibt im Humanismus-Brief:
„In ‚S. u. Z.‘ [Sein und Zeit] (S. 212) ist mit Absicht und Vorsicht gesagt: il y a l’Être: ‚es gibt‘ das Sein. Das il y a übersetzt das ‚es gibt‘ ungenau. Denn das ‚es‘, was hier ‚gibt‘, ist das Sein selbst. Das ‚gibt‘ nennt jedoch das gebende, seine Wahrheit gewährende Wesen des Seins. Das Sichgeben ins Offene mit diesem selbst ist das Sein selber.“107
Das Sichgeben ist das Sein. Das Modell Tat – Täter wird damit zurückgewiesen, man hat nicht im ersten Zug ein Es anzusetzen, welches dann gibt. „Ya“ steht für das Sein, insofern es sich gibt und dieses Sich-Geben das Sein ist.
Die Nähe des Seins, heißt es bei Heidegger im selben Aufsatz, „west als die Sprache selbst“; die Sprache ist „das vom Sein ereignete und aus ihm durchfügte Haus des Seins“108. Die Zeichenfolge „d’lun“ bezieht sich auf die Sprache. Man kann Yad’lun in erster Annäherung übersetzen mit „Das Sein west als die Sprache“.
de / d
Das „de“ (in „de l’Un“, verkürzt zu „d“) verweist auf den Hintergrund, aus dem das Un auftaucht.109 Dieser Hintergrund ist das Sein. Das „de“ oder „d“ verweist also auf die Beziehung zwischen dem Sein (ya) und der Sprache (lun).
Un
Un kann sowohl mit „ein“ als auch mit „Eins“ übersetzt werden; gemeint ist „ein“, je eines, nicht die Zahl Eins.
Un bezieht sich nicht auf das Umfassende und damit auch nicht auf die Dyade.110 Un steht also nicht für die Totalität, nicht für die Einheit im Sinne der Ganzheit.
Un meint „Signifikant“, insofern nämlich gilt, dass jeder Signifikant auf „Ein“ reduziert werden kann, im Sinne von: ein unbestimmter Signifikant.111
Der Ausdruck ist auf die Folge der ganzen Zahlen zu beziehen; diese ist nichts anderes als dieses Un112; die Zahl reduziert sich letztlich auf das „Ein“.113 Gemeint ist die Funktion des Nachfolgers, auf der die die natürlichen Zahlen beruhen (vgl. Lacans Baltimore-Vortrag). Man kann Un also auch mit „Eins“ übersetzen, wenn man dabei nicht an die Zahl Eins denkt, sondern an die Nachfolger-Beziehung: „und eins dazu“.
Lacan sagt ausdrücklich, dass das Un eine weitere Bedeutung hat, es meint auch die leere Menge.114 Das bezieht sich auf Frege, bei dem die Eins die Anzahl ist, die er der leeren Menge zuweist.
Lacan bezieht das Yad’lun auf das Unäre des einzigen Zugs, von Lacan in Seminar 9 mit „trait unaire“ übersetzt.115
„Ist für Ihre Ohren nicht spürbar, dass ich hier vom Einen wie von einem Realen sprechen – und zwar von einem Realen, das auch nichts zu tun haben kann mit irgendeiner Realität?“116
Das Ein ist der Signifikant in einer bestimmten Funktion, insofern er nämlich den Zugang zum Realen herstellt, in den Naturwissenschaften im Gefolge von Galilei (die Realität hingegen stützt sich auf das Phantasma).117
Lacan sagt, die Formel Yad’lun unterscheide sich von der „Differenz“, die es „vom Geschriebenen zum Wort gibt“118. (Ist Yad’lun Lacans Antwort auf Derridas différance?)
Spleiß (52)
Zu: „Elemente, die dann in einer bestimmten Form der Schnur zusammenhalten, konsistieren, das heißt: entweder insofern als das eine Gerade ist, die wir als unendlich annehmen müssen, damit der Knoten sich nicht auflöst, oder als das, was ich Schnur-Ring genannt habe, anders gesagt, eine Schnur, die mit sich selbst verknüpft ist, oder genauer gesagt, der durch einen Spleiß mit sich verbunden ist, derart, dass der Knoten im eigentlichen Sinn nicht dessen Konsistenz bildet, weil man Konsistenz und Knoten durchaus unterscheiden muss.“ (53)
„Spleiß“ (engl. splice, frz. épissure) ist ein Begriff der mathematischen Knotentheorie (vgl. etwa hier).
Ein Takler versteht unter einem Spleiß eine Verbindung zwischen zwei Seil-Enden. Ein Seil besteht aus Kardeelen; an der zu verbindenden Stelle werden die Seilenden in die einzelnen Kardeele aufgedröselt und die Kardeele werden miteinander verflochten, derart, dass eine dauerhafte Verbindung entsteht; anders gesagt: die Kardeele werden verspleißt. Das lässt sich auch auf Schnüre beziehen: eine Schnur besteht aus Fasern, an der zu verbindenden Stelle werden die Schnur-Enden aufgefasert, die Fasern werden miteinander verwunden, also verspleißt.
Der Begriff Spleiß erscheint bei Lacan zuerst in Seminar 22 in der Sitzung vom 21. Januar 1975. In der hier kommentierten Sitzung vom 13. Januar 1976 wird der Terminus „Spleiß“ von ihm zum ersten Mal für eine Operation verwendet, durch die zwei aufgeschnittene Ringe miteinander verbunden werden.
Schnitt
Einen Spleiß kann man nur herstellen, wenn man Schnur-Enden hat. Geht man vom Schnur-Ring aus (vom Knoten im Sinne der Topologie), muss man an der zu verspleißenden Stelle zunächst einen Schnitt machen; will man zwei Schnur-Ringe verbinden, müssen zwei Schnitte erzeugt werden. „Einen Spleiß machen“ ist in der Sitzung vom 13. Januar 1976 demnach Lacans Kurzbeschreibung für „an zwei Schnur-Ringen je einen Schnitt vornehmen und einen Spleiß herstellen“.
Es ist auffällig, dass Lacan den Schnitt nicht erwähnt. Ab Seminar 6 ist der Schnitt für ihn ein wichtiges Thema: das Subjekt ist im Symbolischen durch den Schnitt repräsentiert. In Seminar 9 verarbeitet er den Schnittbegriff der mathematischen Topologie.
Naht und Spleiß
In der Sitzung vom 13. Januar 1976 stellt Lacan eine Verbindung her zwischen der Naht und dem Spleiß; er setzt sie mehr oder weniger miteinander gleich. Das Herstellen einer Naht ist das Gegenstück zur Operation des Schnitts: zwei Ränder werden miteinander verbunden (oder ein Rand mit sich selbst), so dass sich eine geschlossene Oberfläche ergibt.119
Kleeblattknoten
Lacan stellt zwei Beziehungen zwischen dem Spleiß und dem Kleeblattknoten her (auch Kleeblattschlinge oder Dreierknoten genannt):
(a) Wenn man in eine Schnur einen Knoten im Sinne der Umgangssprache macht und die beiden Enden durch einen Spleiß verbindet, entsteht die einfachste Form eines Knotens im mathematischen Sinne: der Kleeblattknoten.120
(b) Wenn man in einem borromäischen Knoten aus drei Ringen an drei Stellen auf bestimmte Weise einen Spleiß anbringt (nachdem man zunächst sechs Schnitte gemacht hat), verwandelt er sich in einen Kleeblattknoten; umgekehrt kann man einen Kleeblattknoten in einen borromäischen Knoten aus drei Ringen umwandeln. In der Sitzung vom 9. Dezember 1975 hatte Lacan erläutert, wie man Kleeblattknoten in einen borromäischen Dreierknoten verwandelt, und er nennt das Problem, an dessen Lösung er arbeitet: lassen sich vier Kleeblattknoten in einen borromäischen Knoten aus vier Ringen verwandeln?
Wie hat man sich den Spleiß auf der Ebene des borromäischen Knotens vorzustellen? Erster Schritt: zwei Ringe werden aufgeschnitten. Zweiter Schritt: zwei Schnur-Enden unterschiedlicher Farbe werden durch einen Spleiß verbunden. Hierbei entsteht ein Abfall: eine offene Schnur (siehe Abbildung rechts).
Wenn man auf diese Weise vorgeht und einen dritten Spleiß desselben Typs hinzufügt, diesmal an einer der beiden Überkreuzungsstellen des Realen und des Imaginären, erhält man einen Kleeblattknoten.
Demnach ist zu erwarten, dass Lacan in den nächsten Sitzungen einen dritten Spleiß einführen wird – andernfalls ergibt sich kein Kleeblattknoten.
Die nebenstehend reproduzierte Zeichnung aus der Kleiner-Übersetzung des Seminars (S. 61) ist eine Umwandlung einer Zeichnung aus Porges Lacan-Einführung.121 Sie ist so zu lesen:
– Die grau schattierte Fläche ist die des Sinns, die nach unten zeigende weiße Fläche ist die des phallischen Genießens JΦ.
– Der Ausdruck „Spleißung“ bezieht sich auf einen Punkt auf der Umrisslinie, nicht etwa auf eine Fläche
– Die beiden offenen Enden (mit R und I bezeichnet) sind in Gedanken zu schließen, andernfalls hat man es nicht mit einem Knoten zu tun.
Die Kleeblattschlinge dient Lacan in Seminar 23 unter anderem zur Illustration der Psychose. Die paranoische Psychose besteht darin, dass das Imaginäre, das Symbolische und das Reale ein und dieselbe Konsistenz bilden, d. h. einen Kleeblattknoten (Sitzung vom 16. Dezember 1975, Übersetzung Max Kleiner S. 45). Das dürfte in der hier kommentierten Sitzung vom 13. Januar 1976 nicht gemeint sein.
Am Kleeblattknoten interessiert Lacan in der Sitzung vom 13. Januar 1976 vermutlich, dass man ihn plätten kann und dass man die Flächen, die sich dann ergeben, mit den Begriffen „Sinn“, „Objekt a“ und „phallisches Genießen“ bezeichnen kann.122 Man muss sich vorstellen, dass die beiden Enden der Brezel miteinander verbunden sind – nur wenn sie erspleißt sind, hat man es mit einem Knoten im Sinne der mathematischen Topologie zu tun.
Das entscheidende Ergebnis der Umwandlung des borromäischen Knotens in einen Kleeblattknoten besteht für Lacan vermutlich darin, dass in der Plättung die Fläche „Genießen des durchgestrichenen Anderen“, JȺ, verschwindet. Es könnte also gemeint sein: Der Analytiker zielt darauf ab, den borromäischen Knoten durch Verspleißen in einen Kleeblattknoten zu verwandeln, insofern nämlich, als durch (andeutende) Deutung die Fläche des Genießen des durchgestrichenen Anderen reduziert oder zum Verschwinden gebracht wird, die neurotische Beziehung auf das Genießen des Anderen, die Verweigerung der Kastration.
Umwandlung einer Knotenart in eine andere
Die psychoanalytische Kur führt zu einer Veränderung der psychischen Struktur. Lacan sucht für diese Veränderung nach einer Entsprechung im Bereich der Knoten. Er findet sie in dem Vorgang dass eine Knotenart in eine andere Knotenart überführt wird, ein borromäische Verkettung in einen Kleeblattknoten.
Jouissance / j’ouïs sens (62)
Zu: „Diese jouissance [phallique], dieses Genießen möglich zu machen, ist dasselbe wie das, was ich j’ouïs sens schreiben werde, ‚ich höre Sinn‘, es ist dasselbe wie einen Sinn zu hören.“ (62)
Die Ermöglichung des phallischen Genießens geht einher mit dem Auftauchen des Sinns; im Diagramm des offenen Kleeblattknotens wird dies dadurch dargestellt, dass beide einander die Waage halten. Der Sinn ist selbst mit einem Genießen verbunden, dem Genießen des Sinnverstehens.123
Das Wortspiel jouissance/j’ouïs sens macht Lacan hier zum ersten Mal.
Ein Wortspiel in einem früheren Text geht jedoch bereits in diese Richtung. In Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudˈschen Unbewussten heißt es:
„La loi en effet commanderait-elle : Jouis, que le sujet ne pourrait y répondre que par un: J’ouïs, où la jouissance ne serait plus que sous-entendue.“124
In der Übersetzung von Hans-Dieter Gondek:
„Denn würde das Gesetz befehlen: Genieße [Jouis], könnte das Subjekt darauf nur antworten mit einem: Ich höre [J’ouïs], worin das Genießen nur mehr implizit enthalten [sous-entendue] wäre.“125
Angedeutet wird der Gegensatz zwischen Genießen und Sinn und die Funktion des Sinns, letztlich dem Genießen zu dienen.
In Seminar 14 wird dieses Wortspiel wiederholt: Wenn der Herr sagt „Jouis!“, Genieße!, kann der andere nur antworten: „J’ouïs“, ich höre.126 Auch hier geht es um das Spannungsverhältnis von Genießen (Lustbefriedigung) und Sinnverstehen.
In Seminar 22 heißt es:
„Ils prouvent que le sens va aussi loin dans l’équivoque qu’on peut le désirer pour mes thèses, c’est-à-dire pour le discours analytique. À savoir qu’à partir du sens : se jouit, s’ouï-je (s, apostrophe, oui, je), j’ouisse moi-même, s’ouis-je à m’« assauter » de mots.„127
Max Kleiner, der einer anderen Transkription folgt, übersetzt so:
„Im Gegenteil, sie sind mir wertvoll, weil sie beweisen, daß der Sinn im Äquivok so weit geht, wie man es für meine Thesen wünschen kann, das heißt für den analytischen Diskurs. Sie beweisen, daß vom Sinn aus sich genießt, siehste nich, sich ständig gießt [se jouit, s’ouit-je, s’oui-jouisse].“128
Vom Sinn aus wird genossen, hörte (s)ich (s’ouï-je) – damit wird das Verhältnis zwischen Sinn und Genießen ins Spiel gebracht werden, hier offenbar nicht in Form einer Behauptung, sondern als Problem: wie kann auf dem Weg über die die Entzifferung des Sinns – eine unverzichtbare Dimension der Analyse – das Genießen erreicht werden, in Freuds Terminologie: die Triebbefriedigung?
In Joyce das Symptom II, einem nach dem Symptom-Seminar verfassten Aufsatz, spricht Lacan vom Genießen, das dem Symptom eigen ist. „Undurchsichtiges Genießen, von daher, dass es den Sinn ausschließt.“129
ZUSAMMENSTELLUNG ZU SYMPTOM/SINTHOM
Im Folgenden werden alle Stellen aufgeführt, an denen Lacan die Ausdrücke „Symptom“ oder „Sinthom“ verwendet. Die Zahlen in runden Klammern sind Seitenzahlen, sie verweisen auf die Übersetzung von Max Kleiner.
Verwendung von „Sinthom“ und „Symptom“
In der Sitzung vom 13. Januar 1976 verwendet Lacan ausschließlich den Ausdruck den „Symptom“, er spricht nicht vom „Sinthom“. In Millers Version stößt man einmal auf „sinthome“ (S. 73), aber das liegt daran, dass Miller hier „symptôme“ gegen „sinthome“ ausgetauscht hat – Lacan sagt an dieser Stelle „symptôme“, das ist in der Tonaufnahme deutlich zu hören.
Der Spleiß
„All das, um einen Sinn zu erhalten, was das Ziel der Antwort des Analytikers auf die Darlegung durch den Analysanten / den Analysierenden ist, im gesamten Verlauf seines Symptoms. Wenn wir diesen Spleiß herstellen, machen wir zugleich einen weiteren, diesen hier [B], genau zwischen dem, was Symptom [Miller ändert zu „symbolique“, „symptôme“ ist deutlich hörbar] ist, und dem Realen. Das heißt, dass wir ihm von irgendeiner Seite her beibringen, zu spleißen – episser mit zwei s –, einen Spleiß zu bilden zwischen seinem Symptom [Miller ändert zu „sinthome“] und dem Realen, Parasit des Genießens, das ist das, was für unser Vorgehen kennzeichnend ist. (62)
Das Ziel der Antwort des Analytikers auf die Darlegungen des Patienten besteht darin, einen Sinn zu erhalten – „im gesamten Verlauf seines Symptom“, wohl im Sinne von „einen Sinn, der sich auf den gesamten Verlauf des Symptoms bezieht“. Dieser Sinn beruht auf dem Spleiß zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen. Hierbei wird ein zweiter Spleiß hergestellt, „zwischen seinem Symptom und dem Realen, Parasit des Genießens“. Der „Parasit des Genießens“ ist das phallische Genießen. Ist der zweite Spleiß das phallische Genießen? Wird durch Sinndeutung phallisches Genießen ermöglicht?
Über Joyce
„Er [Joyce] geht nicht weit, weil er an all seine Symptome glaubt.“ (58)
Im vorangegangenen Seminar, RSI, hatte Lacan gesagt: Ein Patient, der in einer Psychoanalyse seine Symptome präsentiert, glaubt an seine Symptome, insofern nämlich, als er unterstellt, dass das Symptom in der Lage ist, etwas zu sagen, und dass man es nur entziffern muss (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Eine Frau ist ein Symptom des Mannes“). Joyce glaubt demnach insofern an seine Symptome, als er glaubt, dass sie etwas sagen können.
„Ulysses ist das Zeugnis dessen, womit Joyce in seinem Vater verwurzelt bleibt, den er zugleich verleugnet; und genau das ist sein Symptom. Ich habe gesagt, er sei das Symptom. Sein gesamtes Werk ist dafür ein ausführliches Zeugnis. Exiles, das ist wirklich die Annäherung an etwas, das für ihn letztlich das Symptom ist, das zentrale Symptom, bei dem es natürlich um das Symptom geht, das aus dem Fehlen gemacht ist, das dem sexuellen Verhältnis eigen ist.“
Mit dem Satz „Ich habe gesagt, er sei das Symptom“, bezieht Lacan sich auf den Titel seines Vortrags Joyce das Symptom.
Das Symptom beruht auf dem Fehlen des sexuellen Verhältnisses, also darauf, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt. Das Symptom selbst besteht darin, dass Joyce in seinem Vater verwurzelt bleibt, den er zugleich verleugnet. Joyces Theaterstück Exiles ist die Annäherung an dieses zentrale Symptom.
OFFENE FRAGEN
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Max Kleiner. Sie sind oben in der Übersetzung nach jedem Satz angegeben.
Hauptfragen
Was wir Geist nennen, ist dieses winzige Genießen (52). Wie ist das mit dem „Geist“ verbundene Genießen dem borromäischen Knoten zuzuordnen: ist hier das phallische Genießen gemeint oder geht es um ein mit dem Sinn verbundenes Genießen? Bezieht sich „Sinn“ auf eine vierte Art des Genießens (neben phallischem Genießen, Genießen des ausgestrichenen Anderen und Mehrlust)?
Das Wahre über das Wahre zu sagen, heißt, der Spur des Realen zu folgen, des Realen, das nur im Knoten konsistiert und ex-sistiert (54). Wie ordnet Lacan die Konsistenz und die Ex-sistenz des Rings des Realen der Psychoanalyse zu? (Das Loch des Rings des Realen ist die Inexistenz des sexuellen Verhältnisses.)
Lacan hat über Joyce gesagt, er sei das Symptom; Joyces gesamtes Werk ist dafür ein umfassendes Zeugnis (59). Joyce hat nicht Symptome, er ist das Symptom – was meint das?
Wenn in einer Analyse ein Spleiß zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen hergestellt wird, d.h. wenn der Sinn des Symptoms gedeutet wird, wird damit zugleich ein Spleiß erzeugt „zwischen seinem Symptom und dem Realen, Parasit des Genießens“ (62). Ist der Spleiß zwischen dem Symptom und dem Realen das phallische Genießen? Wird durch Sinndeutung phallisches Genießen ermöglicht?
In der Analyse geht es um Vernähung und Spleißung, jedoch müssen die Instanzen des Realen, des Symbolischen und des Imaginären als realiter getrennt aufgefasst werden – Reales, Symbolisches und Imaginäres vermischen sich nicht (62). Wie können die Ringe einer Verkettung durch Spleißung zu einem Kleeblattknoten verbunden werden und weiterhin getrennt sein?
Weitere Fragen
Lacan fragt, ob das Bild, das man sich von Gott macht, impliziert, dass er das, was er begangen hat, genießt (50). Was meint diese Frage?
Beim zweiten Diagramm [also Abbildung B] sieht man, dass man zwei Ringe auseinanderziehen kann, so dass sich eine Darstellung mit zwei Außenringen und einem vermittelnden Ring ergibt [C]; Ringe von der Art des mittleren Rings [D] kann man kreisförmig vereinigen (51). Was meint, dass man diese Ringe „kreisförmig vereinigen“ kann?
Was man „Erkenntnis“ nennt, ist mehrdeutig. Erkenntnis wird auf eine Aktivität bezogen, und Aktive ist das erstens das, was wir erkennen, und außerdem stellen wir uns vor, dass wir selbst, wenn wir uns zu erkennen bemühen, aktiv sind (41). Inwiefern ist das Aktive das, was wir erkennen? Ist die Ursache-Wirkungs-Beziehung gemeint?
Es ist ein Fakt, dass das Sprechwesen lügt, d.h. dass es in der (An-)Erkenntnis von Tatsachen falsche Tatscahen etabliert, das liegt daran, dass es Mentalität gibt, d.h. Eigenliebe; das ist das Prinzip der Imagination: es betet seinen Körper an, es betet den Körper an, weil es glaubt, dass es ihn hat, in Wirklichkeit hat es ihn nicht (54). Inwiefern hat das Sprechwesen nicht den Körper? Insofern, als er eine Projektion ist?
Was man anbetet, dem wird unterstellt, keinerlei Mentalität zu haben (54). Inwiefern?
Freud hat die Frage gestellt, „Was will das Weib?“, WwdW. Dabei beging er einen Irrtum, er dachte, es gäbe Das Weib, Jedoch gibt es nur ein Weib, WweW (56). Warum verwendet Lacan die Abkürzungen „WwdW“ und „WweW“? Sollen sie, als Buchstaben, einen Weg zum Realen bahnen?
Im Ulysses wird Stephen den Vater in verschiedenen Gestalten suchen; er wird ihn nicht finden, und zwar deshalb nicht, weil es da einen Vater gibt, der sich einen Sohn sucht, nämlich Bloom (58). Was für ein Zusammenhang wird mit „weil“ behauptet? Inwiefern findet Stephen den Vater eben deshalb nicht, weil es im Ulysses einen Vater gibt, der sich einen Sohn sucht, nämlich Bloom.
Die Identität von Stephen Dedalus und Bloom geht so weit, dass Joyce im Ulysses „Blephen“ und „Stoom“ auftreten lässt, was zeigt, dass Stephen und Bloom nicht nur aus denselben Signifikanten gemacht sind, sondern aus derselben Materie (59). Was meint: „Stephen und Bloom sind aus derselben Materie gemacht“?
Das führt zu der Idee, dass die Einbildungskraft des Romanautors, die im Ulysses herrscht, in den Papierkorb zu werfen sei (60). Wessen Idee ist das, Shechners?
Das Rätsel vom Fuchs, der seine Großmutter unter einem holly bush beerdigt, soll illustrieren, worum es bei der Frage „Was will ein Weib?“ geht (vgl. Version Staferla, S. 33). Inwiefern illustriert dieses Rätsel das, worum es bei der Frage „Was will ein Weib?“ geht?
Einen Sinn zu finden impliziert, dass man weiß, welches der Knoten ist, und dass man ihn dank eines Kunstgriffs gut einrenkt (62). Was meint ‚wissen welches der Knoten ist‘?
LITERATURVERZEICHNIS
Das Verzeichnis beschränkt sich auf die in diesem Beitrag zitierte oder erwähnte Literatur.
Die Übersetzungen von Zitaten sind von Rolf Nemitz, falls nicht anders vermerkt.
Lacan, Sinthom-Seminar
Version ALI
Herausgegeben von der Association Freudienne Internationale, 2001 umbenannt in Association Lacanienne Internationale.
Als PDF auf der Internetseite der ELP, hier. S. 212–380.
Version Miller 2005
Jacques Lacan: Le séminaire, livre XXIII. Le sinthome. 1975–1976. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2005
Version Miller/Mitelman/Dielmann
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017
Version Miller/Price
Jacques Lacan: The Sinthome. The seminar of Jacques Lacan, Book XXIII. Edited by Jacques-Alain Miller, translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2016
Version NN
Lacan: Le sinthome. Wort-für-Wort-Transkription eines anonymen Herausgebers, ohne Ort, ohne Jahr. Schreibmaschine, durch Fotokopien verbreitet. Auf diese Version bezieht sich Max Kleiners Übersetzung, linke Spalte.
Version NN/Kleiner und Version Miller 1976-77/Kleiner
Le sinthom. 1975 - 1976. Seminar XXIII von Jacques Lacan. Übersetzt von Max Kleiner. Herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007
Der Text enthält zwei Übersetzungen, das Layout ist dreispaltig. Erste Spalte: Übersetzung der Transkription eines anonymen Herausgebers (=Version NN/Kleiner), zweite Spalte: Übersetzung der Version Miller 1976/77, dritte Spalte: Anmerkungen des Übersetzers. Zu bestellen beim Lacan-Archiv Bregenz; für 20 Euro erhält man eine PDF-Datei.
Version Staferla
Jacques Lacan: Le sinthome. 1975 — 76. Wort-für-Wort-Transkription, herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr, ohne Ort. Diese Transkription wird von Zeit zu Zeit überarbeitet, es gibt also mehrere Varianten der Staferla-Version. Für diesen Kommentar wurde die Variante vom 28.6.2013 verwendet; man findet sie hier.
Version Staferla/Nemitz
Jacques Lacan: Das Sinthom. Seminar 23 von 1975/76. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, 2019, hier
Version Stenotypie ELP
Jacques Lacan: Le sinthome. Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier
Weitere Texte von Lacan
Conférence à Genève sur le symptôme (4. Oktober 1975). In: La Cause du désir, Nr. 95 (2017/1), S. 9–13, hier.
Das Spiegelstadium als Gestalter der Funktion des Ichs (1949). In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 109–117
De l’impulsion au complexe (1938). In: J. Lacan: Pas-tout Lacan, auf der Internetseite der École lacanienne de psychanalyse, www.ecole-lacanienne.net, hier.
Die Aggressivität in der Psychoanalyse (1948). In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 118–145
Die Familie (1938). Übersetzt von Friedrich A. Kittler In: J. Lacan: Schriften III. Hg. v. Norbert Haas. Walter Verlag, Olten u.a. 1980, S. 39–100
Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung (1945). In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 231–251
Joyce das Symptom (I). (a) Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 11. September 2013, hier, (b) Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 181–191
Joyce das Symptom (II). Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 20. Mai 2019, hier
Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Compte rendu du séminaire 1964-1965 (1966). In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 199-202
Subversion du sujet et dialectique du désir dans l’inconscient freudien. In: Ders.: Écrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 793-827.– J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368
Varianten der klassischen Kur. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 382–429
Seminare
Seminar 2 = Das Seminar, Buch II (1954–1955). Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Walter-Verlag, Olten u.a. 1980
Seminar 6 = Le séminaire, livre VI. Le désir et son interprétation. 1958–1959. Texterstellung Jacques-Alain Miller. La Martinière, Paris 2013
Seminar 11 = Das Seminar, Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Walter, Olten u.a. 1978
Seminar 12 = Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. 1964–65. Herausgegeben von der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Versionen ELP, Gaogoa und Michel Roussan. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 19 = Le séminare, livre XIX. … ou pire. 1971–1971. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2011
Seminar 20 = Das Seminar, Buch XX (1972–1973). Encore. Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger, nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1986
Seminar 21 = Les non-dupes errent. 1973–74. Hg. v. der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage einer Tonaufnahme sowie der Transkriptionen auf den Websites Lutecium und Gaogoa. Ohne Ort, ohne Jahr
Andere Autoren
Adams, Robert Martin: Surface and symbol. The consistency of James Joyce’s Ulysses. Oxford University Press, New York 1962
Aubert, Jacques: Anmerkungen. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 214–225
Bibel. Einheitsübersetzung. Im Internet: Universität Innsbruck, www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/
Ellmann, Richard: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Feuerbach, Ludwig: Das Geheimnis des Opfers oder Der Mensch ist, was er isst (1862). In: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. 10. Hg. v. Wilhelm Bolin und Friedrich Jodl. Frommann Verlag, Stuttgart, Bad Canstatt 1960, S. 41–67
Février, James G.: Histoire de l’écriture. Payot, Paris 1948, gänzlich überarbeitete Auflage Payot 1959
Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur (1930). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 19–-270
---: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–134
---: Einige Charaktertypen aus der psychoanalytischen Arbeit (1916). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 10. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 229–255
---: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 447–608
Frignet, Henry: Nœud. In: Roland Chemama, Bernard Vandermersch (Hg.): Dictionnaire de la psychanalyse. Larousse, Paris 2009, S. 384–388
Gelb, Ignace Jay: A study of writing. The foundations of grammatology. Routledge & Kegan Paul, London 1952; dt. Übersetzung, vom Verfasser überarbeitete und erweiterte Ausgabe: Von der Keilschrift zum Alphabet. Grundlagen einer Schriftwissenschaft. Kohlhammer, Stuttgart 1958, Neuauflage 2002; frz. Übersetzung: Pour une théorie de l’écriture. Vollständig überarbeitete Ausgabe. Flammarion, Paris 1973
Heidegger, Martin: Über den Humanismus (1949). Klostermann, Frankfurt am Main 1981
Hoffmann, E.T.A.: Der goldne Topf. Ein Mährchen aus der neuen Zeit. In: ders.: Phantasiestücke in Callot’s Manier. Zweiter Theil. Vieweg, Braunschweig, Bamberg 1819, S. 79–228
Hogarth, William: The analysis of beauty. Reaves, Leicester-Fields 1753 (Reprint von 1909 hier)
Ibsen, Henrik: Rosmersholm. Schauspiel in vier Akten (1886). In: Ders.: Dramen in einem Band. Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 2006, S. 683–768
Jakobson, Roman: Verschieber, Verbkategorien und das russische Verb (1957). In: Ders.: Form und Sinn. Sprachwissenschaftliche Betrachtungen. Fink, München 1974, S. 35–74, im Internet hier
Jones, Ernest: Sigmund Freud. Leben und Werk. Band 2. dtv, München 1984
Joyce, James: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968.– Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. In: Ders.: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übertragen von Klaus Reichert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–533
---: Chamber music. Elkin Mathews, London 1907
---: Exiles. A play in three acts. Cape, London 1952.– Verbannte. Ein Stück in drei Akten. Übersetzt von Klaus Reichert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991
---: Ulysses. Penguin Books, London 2000 (Serie „Modern Classics“).– Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Joyce, Patrick Weston: English as we speak it in Ireland. Wolfhound Press, Dublin 1910
Milton, John: Lycidas (Gedicht, 1638). Im Internet hier.
Patt, Walter: Metaphysik bei Thomas von Aquin: eine Einführung. Turnshare, London 2004
Platon: Timaios. Griechisch/deutsch. Übersetzt von Hans G. Zekl. Meiner, Hamburg 1992
Plessner, Helmuth, Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie. De Gruyter, Berlin 1928
Porge, Erik: Jacques Lacan, un psychanalyste. Parcours d’un enseignement. Érès, Ramonville Saint-Agne 2000
Shechner, Mark: Joyce in Nighttown. A psychoanalytic inquiry into „Ulysses“. University of California Press, Berkeley, Los Angeles 1974
von Graevenitz, Gerhart: Locke, Schlange, Schrift. Poetologische Ornamente der Lyrik (Zesen, Klopstock, Goethe, Handke). In: Susi K. Frank (Hg.): Zeichen zwischen Klartext und Arabeske. Rodopi, Amsterdam 1994, S. 241–262
Widmer, Peter: Subversion des Begehrens. Eine Einführung in Jacques Lacans Werk. Turia und Kant, Wien 2012
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Anmerkungen
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Vgl. auch Lacans Bemerkung zum Können bzw. Savoir-faire in in einer früheren Sitzung von Seminar 23, Das Sinthom:
„Ist es eine Unmöglichkeit, dass die Wahrheit zu einem Produkt des Könnens wird, des Savoir-faire? Nein.“
(Sitzung vom 18. November 1975, Übersetzung Max Kleiner; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 12)
-
Vgl. Lacans Bemerkung zum artifice in einer früheren Sitzung dieses Seminars:
„In diesem Sinne kündige ich an, was in diesem Jahr meine Befragung über die Kunst sein wird: inwiefern kann der Kunstgriff / das Artefakt (artifice) ausdrücklich das anzielen, was sich zunächst als Symptom präsentiert? Inwiefern kann die Kunst, das Handwerk, das vereiteln, wenn man so sagen kann, was sich vom Symptom aufzwingt, nämlich was? was ich in meinen zwei Tetraedern dargestellt habe: die Wahrheit.“
(Sitzung vom 18. November 1975, Übersetzung Max Kleiner; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 23)
Das französische Wort art, „Kunst“, geht auf das lateinische Wort ars, „Technik“, zurück; man denke an den Begriff „Technik der Psychoanalyse“ (im Titel von Lacans Seminar 2).
-
Le Jugement Dernier („das Letzte Urteil“) ist das Jüngste Gericht der christlichen Apokalypse.
-
In Seminar 20, Encore, gibt es ein Kapitel, das Miller mit „Gott und die Jouissance
derFrau“ überschrieben hat (Sitzung vom 20. Februar 1973). Eine Nebenbedeutung ist vielleicht: Es gibt etwas, woran wir Männer keine Jouissance haben können, nämlich die Jouissance einer Frau als Partnerin im Sexualakt. - Staferla notiert „ex-siste“, was an dieser Stelle nicht gemeint sein dürfte.
-
Erste Wahrheiten sind die Ausgangsbehauptungen einer Begründungskette, ihre Prinzipien oder Axiome. Da sie am Anfang stehen, können sie nicht bewiesen werden; ihre Wahrheit muss deshalb, nach traditioneller Auffassung, durch Evidenz gesichert sein.
Der Ausdruck ist mehrdeutig: umgangssprachlich meint premières vérités auch „Banalitäten“.
Bei Thomas von Aquin ist die erste Wahrheit (prima veritas): Gott ist durch die Schöpfung Grund der Erkennbarkeit von Seiendem (vgl. Walter Patt: Metaphysik bei Thomas von Aquin: eine Einführung. Turnshare, London 2004, S. 145 Fn. 57). Lacans „erste Wahrheiten“ behaupten gewissermaßen das Gegenteil.
-
Miller ändert „que celui-ci“ (dass dieser hier) zu „que le second“ (dass der zweite).
- Man kann beliebig viele Elemente vom Typ D kreisförmig zu einer borromäischen Verkettung zusammenschließen; vgl. die Zeichnung in Seminar 20, Sitzung vom 15. Mai 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 135.
-
Der Knoten ermöglicht es, eine Auffassung von Konsistenz zu entwickeln (Konsistenz der Schnur), die sich von der gewöhnlichen Auffassung der Konsistenz unterscheidet (Konsistenz des Sacks); das ist eine der Hauptfunktionen des Knotens. Am Ende dieser Sitzung wird das von Lacan ausführlicher erläutert.
-
Freud zufolge wird die Opposition männlich/weiblich im Unbewussten durch die Opposition aktiv/passiv dargestellt. Diese Darstellung ist, wie Freud sagt, falsch, beide Geschlechter sind sowohl aktiv als auch passiv. Vgl. S. Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 123 f. Fn. 1 (Zusatz von 1915).– Ders.: Das Unbehagen in der Kultur (1930). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 235 f. Fn. 2.– Ders.: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 545–548.
Tun und Erleiden (Aktivität und Passivität) sind Kategorien von Aristoteles und damit Grundbegriffe der Metaphysik; insofern geht es hier um „erste Wahrheiten“.
-
Mit dem Begriff der Erkenntnis wird implizit der Begriff der Wahrheit ins Spiel gebracht, auf den Lacan sich bereits mit der Rede von den „ersten Wahrheiten“ bezog.
Unter einer Erkenntnis wird traditionell die Übereinstimmung (Adäquation) eines Urteils mit dem Gegenstand begriffen. Diese Konzeption wird von Lacan bereits 1955 problematisiert, in Varianten der klassischen Kur – Wahrheit beruht nicht auf Erkenntnis, sondern auf Anerkennung, bereits hier spricht er von einer „ersten Wahrheit“:
„Das Sprechen scheint also umso wahrer ein Sprechen zu sein, je weniger seine Wahrheit auf das gegründet ist, was man die Adäquation an die Sache nennt: Das wahre Sprechen steht so paradoxerweise im Gegensatz zum wahren Diskurs, wobei sich seine Wahrheit durch dieses unterscheidet, dass ersteres die Anerkennung ihres jeweilen Seins (êtres) durch die Subjekte in dem konstituiert, dass sie hier wechselseitig in ihrem Sein betroffen [inter-essés] sind, während letzterer durch die Erkenntnis des Realen konstituiert wird, insofern es durch das Subjekt in den Objekten gemeint ist.“
(In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 382–429, hier: S. 416)
Zum Unterschied zwischen Erkennen und Anerkennen vgl in Lacan entziffernden Artikel Kampf um „Anerkennung“.
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Lacan kommt auf den Anfangssatz zurück: „Verantwortlich ist man nur im Maße seines Savoir-faire, seines Könnens.“
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Der Kunstgriff wird Gott zugeschrieben, etwa von Joyce in seiner Gottesanrufung im letzten Satz von Ein Porträt des Künstlers als junger Mann: „Urvater, uralter Artifex“.
Indirekt spielt Lacan hier vielleicht auf den Begriff der Liebeskunst an. Wenn es kein sexuelles Verhältnis gibt, gibt es auch keine Liebeskunst.
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„Töpfer“ hier vielleicht mit einer Anspielung auf den Topf als einer gelochten Sphäre und damit auf das Imaginäre.
Die Vorstellung von Gott als Töpfer findet sich in zahlreichen Schöpfungsmythen.
Im Griechischen heißt der als Handwerker vorgestellte Gott, der den Kosmos erzeugt, Demiurg („Handwerker“); der klassische Text hierzu ist Platons Timaios.
Der jüdische Schöpfungsmythos kombiniert zwei Erzählungen zweier unterschiedlicher Autoren mit zwei unterschiedlichen Schöpfungskonzeptionen. Den Anfang bildet die Erzählung, in der es darum geht, dass Gott die Welt durch sein Wort erzeugt. Es folgt eine zweite Schöpfungsgeschichte, in der es heißt, dass Gott den Menschen aus Lehm gestaltet, wie ein Töpfer. „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.“ (Genesis, 2. Kapitel, Vers 8) Wie ein Töpfer erzeugt Gott dann Eva aus einer Rippe des Menschen (Genesis, 2. Kapitel, Verse 21 und 22).
In den Büchern Jesaja und Jeremia wird Gott mit einem Töpfer verglichen (Jesaja, Kapitel 45, Vers 9, Kapitel 64,8; Jeremia, Kapitel 18 Verse 1–6).
Im Neuen Testament vergleicht Paulus Gott mit einem Töpfer (Römer 9, Vers 21).
Vgl. auch den Spruch „Der erste Töpfer: Gott der Schöpfer“.
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Vgl. die Erläuterung der Formel Yad’l’un in diesem Artikel im „Kleinen Lacan-Lexikon“.
-
Esprit, „Geist“, hier mit einer Anspielung auf das mot d’esprit, auf den Witz im Sinne einer kurzen Geschichte, die zum Lachen anreizt. Deshalb habe ich esprit hier mit „Witz“ übersetzt, Witz im Sinne von „Witz haben“, „gewitzt sein“. Freud zufolge ist der Witz eine Technik zum Lustgewinn, also zur Erzeugung von jouissance (Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 1905).
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Wohl im Sinn von: Wenn man das Imaginäre so weit wie möglich von Sinn entleert, bleibt die Konsistenz übrig.
Lacan charakterisiert die Ringe der borromäischen Verschlingung aber auch die Verschlingung insgesamt durch drei Merkmale: Konsistenz (Zusammenhalt), Ex-sistenz (einander äußerlich sein) und Loch. Die Konsistenz entspricht dem Imaginären, die Ex-sistenz dem Realen und das Loch dem Symbolischen. (Seminar 22 von 1974/75, RSI).
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Robert Martin Adams: Surface and symbol. The consistency of James Joyce’s Ulysses. Oxford University Press, New York 1962.
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Lacan spielt hier vielleicht auf den Begriff des zerstückelten Körpers (corps morcelé) an, ein Konzept, das er bereits früh entwickelt hatte, gewissermaßen als Kehrseite des Spiegelstadiums. Vgl. J.L.: Die Familie (1938). In: Ders.: Schriften III. Hg. v. N. Haas. Walter-Verlag, Olten 1980, S. 39–100, darin: S. 79, 90; J. L.: De l’impulsion au complexe (1938). In: Ders.: Pas-tout Lacan, S. 168; J.L.: Die Aggressivität in der Psychoanalyse (1948). In Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text, a.a.O., S. 118–145, hier S. 122; J.L.: Das Spiegelstadium als Gestalter der Funktion des Ichs (1949). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text, a.a.O., S. 109–117, hier: S. 114.
-
Die folgenden Sätze zeigen, dass hier mit Knoten der „Fadenring“ in zwei Formen gemeint ist: als unendlicher „Faden“, dessen Enden sich berühren, oder der einfache Fadenring ohne Selbstverschlingung, der „trivale Knoten“.
-
Der Knoten ist der Schnur äußerlich (ex-sistent), insofern in einem borromäischen Knoten die drei Ringe aneinanderstoßen (sich nicht durchdringen).
-
In einer borromäischen Verkettung kann ein einzelner Knoten zwei Formen annehmen, die einer unendlichen Geraden, deren Enden sich gewissermaßen im Unendlichen berühren, und die eines Schnur-Rings, d.h. einer Schnur, deren Enden durch einen Spleiß verbunden sind. Zum Spleiß vgl. in diesem Artikel die Erläuterung im „Kleinen Lacan-Lexikon“.
-
Die Elemente eines borromäischen Knotens sind die Schnüre, nicht offene, sondern zusammenhaltende Schnüre, Schnüre, die Ringe bilden.
Der borromäische Knoten ist dem Schnur-Rng äußerlich, er besteht aus drei Schnur-Ringen, die gegeneinander stoßen und sich nicht durchdringen.
-
Fait, „Tatsache“, „Faktum“, „Fakt“, vom lateinischen facere, „machen“. Ein fait ist, wörtlich, etwas Gemachtes.
-
Offenbar ist die Definition der Tatsache (fait) eine weitere „erste Wahrheit“.
Zum Begriff des Faktums heißt es in einer früheren Sitzung dieses Seminars:
„Insofern das Symbol auf das Imaginäre einen draufsetzt, hat es [das Symbol] den Index 2 [S2], das heißt, indem es anzeigt, dass es Paar ist, führt es die Teilung in das Subjekt ein, welches dies auch sei, durch das, was sich darin de facto aussagt, wobei das Faktum geknüpft bleibt an das Rätsel des Aussagens, welches nur in sich geschlossenes Fakt ist, das Fakt des Fakts, wie man schreibt, der Gipfel an Tatsache [le faîte du fait] oder das Fakt des ‚tut‘, wie man das sagt, faktisch gleich, äquivok und äquivalent, und damit Grenzen des Gesagten.“
(Sitzung vom 18 November 1975, Übersetzung Max Kleiner; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 18 f.)
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Eigenliebe ist ein Begriff der Philosophie des 18. Jahrhunderts, man findet ihn etwa bei Rousseau. Lacan gilt der Begriff hier als Vorläufer von Freuds Konzeption des Narzissmus.
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Lacan spielt hier möglicherweise auf eine These von Helmuth Plessner an, wonach der Mensch ein Doppelwesen ist: er ist ein Leib und er hat einen Körper (H. Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, 1928).
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In Joyce das Symptom (II) wird Lacan etwas anderes sagen: „LOM, Basis-LOM, der Mensch, der n Kör pah hat un das nur Ayn. Muss man so sagen: er hattein … und nicht: er issein … (Körper/fekt). Ihn charakterisiert das Haben, nicht das Sein.“
(J. Lacan: Joyce le symptôme. In: Ders.: Autres écrits. Seuil, Paris 2000, S. 565–570, hier: S. 565, meine Übersetzung von hier: Joyce das Symptom (II). In: Lacan entziffern)
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Da dieser Verbrauch nicht resorptiv ist – wohl im Sinne von „da der Verbrauch nicht ausgeglichen wird, nicht kompensiert wird“.
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Anspielung auf eine Sentenz von Alphonse Allais : „Une réflexion de mon palefrenier : je panse, donc j’essuie.“ („Ein Gedanke meines Stellburschen: ich striegle, also wisch ich.“) Den Hinweis auf Alphonse Allais als Quelle gibt Christian Fierens: Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018, S. 165.
Je panse, donc j’essuie ist lautgleich mit Descartes’ Je pense donc je suis, „ich denke, also bin ich“. Ein Wortspiel mit pense/panse hatte Lacan bereits in der Sitzung vom 9. Dezember 1975 vorgebracht.
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Pilatus sagt das zu Jesus; Johannes 18, Vers 38.
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Darauf, dass einer von Lacans Schülern über ihn gesagt hatte „Warum sagt er nicht das Wahre über das Wahre?“ kommt Lacan immer wieder zurück (zuerst in Seminar 7 (1959/60), Die Ethik der Psychoanalyse, Sitzung vom 23. März 1960, vgl. Version Miller/Haas S. 222).
Gemeint ist Jean-Bertrand Pontalis, vgl. den Hinweis in Seminar 21, Sitzung vom 15. Januar 1974.
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Anspielung auf Lacans Aufsatz Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung (1945). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text, a.a.O., S. 231–251. Ein Thema ist hier die Beziehung zwischen Hast und Wahrheit.
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Mit dem „Prinzip“ ist Lacan wieder bei den ersten Wahrheiten.
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„Hysterie“ kommt von griechischen Wort hustera, Gebärmutter, das wiederum zurückgeht auf husteros, „das Spätere“, „das Nachfolgende“, „das Untere“.
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Anspielung auf eine von Jones überlieferte Bemerkung Freuds gegenüber Marie Bonaparte:
„Die große Frage, die nie beantwortet worden ist und die ich trotz dreißig Jahre langem Forschen in der weiblichen Seele nicht habe beantworten können, ist die: ‚Was will das Weib?‘“
(Ernest Jones: Sigmund Freud. Leben und Werk. Band. 2. dtv, München 1984, S. 493)
Mit „das Weib“ bzw. „Die Frau“ übersetzt Lacan sicherlich auch Freuds Terminus „Weiblichkeit“. Vgl. S. Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933), darin Vorlesung 33, „Die Weiblichkeit“.
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Lacan bezieht sich auf Seminar 6, Das Begehren und seine Deutung, 1958/59, Sitzung vom 14. Januar 1959 (Version Miller S. 165–167), sowie auf Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, Sitzung vom 17. Dezember 1969 (Version Miller S. 39 f.), wo er auf die Bemerkungen zum Rätsel in Seminar 6 zurückkommt.
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Diese Notation findet man nur in Seminar 6. Über Ee heißt es dort: „Wir werden sagen, das ist die allgemeine Formel des Rätsels.“ (Seminar 6, Sitzung vom 14. Januar 1959, Version Miller S. 166; Miller transkribiert mit „E(e)“.)
In Seminar 6 erfährt man: Der Index klein e steht für énonciation (das Aussagen, die Äußerung, der Äußerungsvorgang). Ee soll demnach heißen: Gesucht ist das Ausgesagte (E) eines Aussagens (e). Lacans Beispiel ist ein Traum, der erzählt wird (énonciation) und dessen Sinn (énoncé) gesucht wird.
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Die Unterscheidung zwischen dem Aussagen (énonciation) und dem Ausgesagten (énoncé) übernimmt Lacan von Roman Jakobson aus dessen Aufsatz Verschieber, Verbkategorien und das russische Verb (1957). In: Ders.: Form und Sinn. Sprachwissenschaftliche Betrachtungen. Fink, München 1974, S. 35–74; im Internet hier. Lacan führt die Unterscheidung ein in Seminar 6, Sitzung vom 3. Dezember 1958.
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Der Ausdruck énigme geht zurück auf das lateinische Wort aenigma und dies wiederum auf das griechische Wort ainigma, „das, was zu verstehen gegeben wird“.
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Lacan bezieht sich auf: J. Joyce: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Press, New York 1964.– Über die Schwierigkeit, sich Andersons Ausgabe von The Portrait zu beschaffen, sprach Lacan bereits in der Sitzung vom 18. November 1975.
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Stephen Dedalus trägt das Rätsel seinen Schülern im zweiten Kapitel vor, in der sogenannten Nestor-Episode. Er unterrichtet nicht im Trinity College, sondern in einer Privatschule in Dalkey in der Nähe von Dublin (vgl. Auberts Hinweis in: Jacques Aubert: Anmerkungen. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung Jacques Alain Miller, Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 214–225, hier: S. 218.
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Ich habe nicht herausfinden können, was die „lignes“ einer „corde“ sind, die „Linien“ eines Seils, eines Stricks, einer Schnur.
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Miller transkribiert falsch „Guelb“ und die offizielle Übersetzung folgt ihm; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 71.
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Die Schrift, nämlich deren Verwendung durch Galilei, hat den Zugang des Symbolischen zum Realen ermöglicht.
Lacan bezieht sich auf:
– James G. Février: Histoire de l’écriture. Payot, Paris 1948, gänzlich überarbeitete Auflage Payot 1959.
– Ignace Jay Gelb: A study of writing. The foundations of grammatology. Routledge & Kegan Paul, London 1952; dt. Übersetzung, vom Verfasser überarbeitete und erweiterte Ausgabe: Von der Keilschrift zum Alphabet. Grundlagen einer Schriftwissenschaft. Kohlhammer, Stuttgart 1958, Neuauflage 2002; frz. Übersetzung: Pour une théorie de l’écriture. Vollständig überarbeitete Ausgabe. Flammarion, Paris 1973.Auf die Bücher von Gelb und Février bezieht Lacan sich bereits in Seminar 9, Die Identifizierung, in der Sitzung vom 13. November 1962 (vgl. die Übersetzung in Lacan entziffern hier).
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Mein Diagramm eines Kleeblattknotens (Ausschnitt) , RN. Man muss sich vorstellen, dass die beiden Enden miteinander verbunden ist, andernfalls handelt es sich nicht um einen Knoten im Sinne der Knotentheorie.
Miller zeigt hier ein durchgestrichenes S, also $, aber das ist wohl kaum die übliche Weise, einen Knoten zu zeichnen.
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Ich nehme an, dass Lacan auf die einfachste Form des Knotens zeigt, einen aufgeschnittenen Kleeblattknoten wie in der nebenstehenden Abbildung; zur Verdeutlichung habe ich eine der beiden S-förmigen Linien gefärbt.
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Lacan bezieht sich auf die „line of beauty and grace“, die „Schönheitslinie“, von William Hogarth. Vgl. William Hogarth: The analysis of beauty. Reaves, Leicester-Fields 1753; die Titelseite des Werks zeigt die Schönheitsline, eingeschrieben in ein Dreieck oder eine Pyramide.
Aubert verweist darauf, dass Joyce sich in Ein Porträt des Künstlers als junger Mann auf die Schönheitslinie bezieht. „Diesem Mythos gegenüber, den noch kein einziges Hirn je in einer Schönheitslinie gezeichnet hatte …“ (Ein Porträt des Künstlers, a.a.O., S. 451, Übersetzung geändert; vgl. Aubert, Anmerkungen, a.a.O., S. 219.) Auf diese Linie (und ihre Ähnlichkeit mit dem Buchstaben S, Lacans Symbol für das Subjekt) hatte Lacan bereits in Seminar 13 von 1965/66 verwiesen, Das Objekt der Psychoanalyse, Sitzung vom 4. Mai 1966.
Hogarths Schönheitslinie geht auf Dürers „Schlangenlinie“ zurück, auf die Hogarth ausdrücklich verweist. Im Manierismus wird Dürers Linie zur „figura serpentinata“. In E.T.A. Hoffmanns Der goldne Topf hat die Schönheitslinie ihren Auftritt als Schlange Serpentina. (Vgl. hierzu etwa: Gerhart von Graevenitz: Locke, Schlange, Schrift. Poetologische Ornamente der Lyrik (Zesen, Klopstock, Goethe, Handke). In: Susi K. Frank (Hg.): Zeichen zwischen Klartext und Arabeske. Rodopi, Amsterdam 1994, S. 241–262.)
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Eine Beziehung zwischen dem Schönen und dem Obszönen der Genitalien stellt Karl Abraham in seinem Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido (1924) her. Demnach ist bei jedem Menschen aufgrund des Kastrationskomplexes das eigene Genitale stärker als irgendein anderer Körperteil mit narzisstischer Liebe besetzt, entsprechend darf am Objekt alles andere früher geliebt werden als das Genitale; auf der phallischen Organisationsstufe der Libido ist der letzte Schritt – die libidinöse Besetzung des Genitales des Objekts – noch nicht getan. (Vgl. K. Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido auf Grund der Psychoanalyse seelischer Störungen. In: Ders.: Gesammelte Schriften in zwei Bänden. Zweiter Band. Hg. v. J. Cremerius. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1982, S. 32–202, hier: S. 97)
Lacan bezieht sich hierauf in Seminar 8 von 1960/61, Die Übertragung, in der Sitzung vom 21. Juni 1961 (Version Miller/Gondek S. 459–466).
In Joyce das Symptom (II) kommt Lacan auf die Beziehung zwischen dem Schönen und dem Obszönen zurück (J.L.: Autres écrits. Seuil, Paris 2000, S. 565).
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Etwa zwei Wörter unverständlich, ich höre etwas wie «s’y lise», RN
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Lacan bezieht sich auf: J. Joyce: Chamber music. Elkin Mathews, London 1907. Auf diesen Gedichtband hatte er bereits in dem Vortrag Joyce das Symptom (I) hingewieseen. Vgl.: Joyce das Symptom (I). (a) Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern, Beitrag vom 11. September 2013, hier, (b) Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. In: Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 181–191, hier: S. 188.
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J. Joyce: Porträt des Künstlers als junger Mann. In: Ders.: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übertragen von Klaus Reichert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 533: „das ungeschaffne Gewissen meines Volkes“. Im Original: „the uncreated conscience of my race“.
Der Scholastiker Francisco Suárez (1548–1617) begreift Gott als ens increatum (ungeschaffenes Seiendes), alles Übrige als ens creatum (geschaffenes Seiendes).
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Lacan zitiert den letzten Satz des Porträts. Reichert übersetzt ihn so: „Urvater, uralter Artifex, steh hinter mir, jetzt und immerdar.“ (Ein Porträt des Künstlers als junger Mann, a.a.O., S. 533)
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Auf den Vater von James Joyce hatte Lacan sich in diesem Seminar bereits früher bezogen:
„In Dublin geboren zu sein mit einem versoffenen und mehr oder weniger faulen Vater, das heißt einem fanatischen Anhänger zweier Familien“
(Sitzung vom 18. November, Übersetzung von Max Kleiner; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 14).
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Aubert gibt hierzu als Beleg an: Ulysses, Oxford World’s Classics, S. 648 f.
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Lacan bezieht den Namen „Adams“ auf Adam, den Urvater des jüdischen Schöpfungsmythos, der bereits in der ersten Sitzung von Seminar 23 als Benennender erscheint.
Adams Name klingt jüdischer als der von Bloom: Das ist natürlich eine Anspielung auf den Namen Adam, vielleicht aber auch darauf, dass Adams in seinem Buch zu zeigen versucht, dass Blooms Judentum ein bloßes Etikett ist: Bloom habe keine jüdischen Merkmale, vor allem nicht den trockenen, sich selbst auf den Arm nehmenden Humor, den Adams für spezifisch jüdisch hält (vgl. Surface and symbol, a.a.O., S. 103–106). (Genau diesen Humor findet man übrigens bei Adams.)
Adams Kommentar zu Blooms Shakespeare-Kenntnissen gibt es hier: Surface and symbol, a.a.O., S. 95–99.
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Vgl. Adams, a.a.O., S. 95-99.
Im Ulysses gibt es den folgenden inneren Monolog von Stephen:
„Do and do. Things done. In a rosery of Fetter Lane of Gerard, herbalist, he walks, greyedauburn. An azured harebell like her veins. Lids of Juno’s eyes, violets. He walks, one life is all. One body. Do. But do. Afar, in a reek of lust and squalor, hands are laid on whiteness.” (Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 259)
In Wollschlägers Übersetzung:
“Tun und tun. Etwas Getanes. In einem Rosengarten der Fetter Lane, dem von Gerard, dem Botaniker, geht er, ergraut-nußbraun. Eine Hyazinthe, blau wie ihre Adern. Lider von der Juno Augen, Veilchen. Er geht. Ein Leben ist alles. Ein Leib. Tun. Nur tun. Fern, im Dunst von Lust und Schmutz, wird Hand an Weißheit gelegt.“ (A.a.O., S. 283)
Etwa hundert Seiten später stößt man auf einen inneren Monolog von Bloom, der sich damit überschneidet:
“In Gerard’s rosery of Fetter lane he walks, greyedauburn. One life is all. One body. Do. But do.“ (Penguin Modern Classics, S. 362)
„In Gerards Rosengarten, Fetter Lane, geht er, ergraut-nußbraun. Ein Leben ist alles. Ein Leib. Tun. Nur was tun.“ (A.a.O., S. 388)
Weitere Hinweise zu diesem Thema gibt Aubert, Anmerkungen, a.a.O., S. 219 f.
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Miller transkribiert falsch mit “Stumm” und die offizielle Übersetzung folgt ihm darin, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 73.
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„Blephen“ und „Stoom“ findet man in: Ulysses, Episode 17, “Ithaka”; Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 798; Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 863.
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Lacan bezieht sich auf den Titel seines Vortrags Joyce das Symptom.
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Lacan bezieht sich auf Joyces Theaterstück Exiles. Joyce begann die Arbeit daran 1913 (vgl. Richard Ellmann: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 552), veröffentlicht wurde es 1918. Der deutsche Titel ist Verbannte.
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In Exiles geht es um die Beziehung eines verheirateten Paars, Richard und Bertha Rowan, zu einem Dritten, Robert Hand. Robert bemüht sich um Bertha, und Richard stellt es Bertha frei, sich auf das Werben von Robert einzulassen.
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Am Porträt schrieb Joyce von 1907 bis 1915 (vgl. Ellmann, a.a.O., S. 551), von 1914 bis 1915 erschien der Roman in Fortsetzungen, 1916 als Buch. Erste Notizen zu den Verbannten stammen aus dem Jahr 1913.
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Aubert vermutet, das Lacan hier etwas verwechselt: nicht Stephen glaubt an ein book of himself sondern Mallarmé nimmt an, Hamlet lese im book of himself, und im Ulysses wird Stephen hierüber von einem Bibliothekar unterrichtet (vgl. Aubert, Anmerkungen, a.a.O., S. 220):
Mr. Best, der Konservator der National Library, sagt zu Stephen über Mallarmés Hamlet-Interpretation:
„He [Mallarmé] says – il [Hamlet] se promène, lisant au livre de lui-même – – , don’t you know, reading the book of himself.”
(Episode 9, Scylla und Charybdis; Penguin Modern Classics, S. 239) Deutsche Übersetzung: „Er [Mallarmé] sagt: il [Hamlet] se promène, lisant au livre de lui-même, verstehn Sie, liest im Buch seiner selbst.“ (Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 263)
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Die ironische Beschwerde darüber, dass Joyce nicht beim Knoten angelangt sei, findet sich bereits in Lacans Vortrag Joyce das Symptom (I).
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Man hört /ʃɛʃɛʁ/, also „Checher“ mit ausgesprochenem r oder „Chechère“.
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Die Lautfolge /ʃɛʃɛʁ/ ist in der Tonaufnahme gut zu hören, was „Checher“ oder „Chechère“ ergibt. Miller ändert in „séché“ (trocken) und die offizielle Übersetzung folgt ihm, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 74.
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Lacan bezieht sich auf Mark Shechner: Joyce in Nighttown. A psychoanalytic inquiry into „Ulysses“. University of California Press, Berkeley, Los Angeles 1974.
Er ist nicht „Checher“, offenbar eine Anspielung auf „cher“: er ist nicht lieb.
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Vgl. S. Freud: Dostojewski und die Vatertötung (1928). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 10. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 267–286. Freud untersucht hier Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow.
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Henrik Ibsen: Rosmersholm, Drama in vier Akten, 1886.
Freud äußert sich hierzu in: S. Freud: Einige Charaktertypen aus der psychoanalytischen Arbeit (1916). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 10. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 229–255, zu Rosmersholm S. 244–251. -
Lacan weist hier, so nehme ich an, eine Methode der psychoanalytischen Interpretation von Literatur zurück, die den Text als Effekt des Unbewussten auffasst und die Erfindungskraft des Autors eliminiert.
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Lacan kommt auf das zu Beginn dieser Sitzung verkündete Programm zurück, erste Wahrheiten darzulegen.
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Lacan ruft in Erinnerung, dass er früher in dieser Sitzung das Rätsel definiert hatte als ein Aussagen, zu dem das Ausgesagte gesucht wird.
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Ulysses, Episode 2, Nestor; Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 32; Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 38. Wollschläger übersetzt:
„Es krähte der Hahn
Zum Himmel hinan:
Der Glocken Klagen
Hat elf geschlagen.
s’ist Zeit, dies arme Seelchen in den Himmel zu tragen.“ -
Donner sa langue au chat, wörtlich: „seine Sprache/Zunge der Katze geben“, das Wort der Katze überlassen, sprachlos sein.
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Das Rätsel vom Fuchs, der seine Großmutter beerdigt
Bei Joyce lautet die Lösung: „The fox burying his grandmother under a hollybush.“ (Ulysses, Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 33) Wollschläger übersetzt: „Der Fuchs, wie er seine Großmutter unter einem Holderbusch beerdigt.“ (Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 39) Die Übersetzung ist falsch, ein hollybush ist kein Holderbusch (oder Holunderbusch), sondern ein Stechpalmenbusch, ein Ilex, und das hat im Rätsel seine Bedeutung.
Lacan elidiert „holly“ und verkürzt damit „hollybush“ zu „bush“.
Später im Ulysses trägt Stephen eine andere Version des Rätsels vor:
“The fox crew, the cock flew,
The bells in heaven
Were striking eleven.
’Tis time for her poor soul
To get out of heaven.”(Episode 15, Circe, Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 665)
Wörtlich übersetzt:
“Der Fuchs krähte, der Hahn flog,
Die Glocken im Himmel
Schlugen elf.
’s ist Zeit für ihre arme Seele
Aus dem Himmel zu kommen.“Wollschläger übersetzt so:
“Es krähte der Fuchs
Den Hähnen ein Jux:
Der Glocken Klagen
Hat elf geschlagen
’s ist Zeit, dies arme Seelchen
Aus dem Himmel zu tragen.“(Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 716)
Das Gedicht ist ein traditionelles, mündlich tradiertes Scherzrätsel; Frage und Antwort sind aufgezeichnet in: Patrick Weston Joyce: English as we Speak it in Ireland. Wolfhound Press, Dublin 1910, S. 187. Die Antwort wird von Stephen verändert; in der traditionellen Fassung ist es nicht die Großmutter, sondern die Mutter, die beerdigt wird. (Vgl. Adams, Surface and symbol, a.a.O., S. 117–119.)
Das Rätsel enthält zahlreiche Bezüge auf die christliche Religion, die im katholischen Irland sicherlich ohne weiteres verstanden wurden:
– Das Krähen des Hahns erinnert daran, dass Jesus zu Petrus sagte: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ (Matthäus 26, Vers 34); „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ (Markus 14, Vers 19).
– Die Vorstellung vom Läuten der Himmelsglocken ist offenbar eine populäre christliche Vorstellung. Lars von Trier inszeniert sie in Breaking the Waves (1996): als Bess, die weibliche Hauptfigur, auf See bestattet wird, erklingen die Glocken des Himmels.
– Die Rede von der „elften Stunde“ erinnert an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20, Verse 2–12). In neutestamentlicher Zeitrechnung hat der Arbeitstag zwölf Stunden; die elfte Stunde ist der letzte Zeitpunkt, an dem man etwa dafür tun kann, ins Himmelreich zu kommen.
– „Arme Seelen“ sind nach römisch-katholischer Lehre Seelen im Fegefeuer.
– „In den Himmel zu gehen“: aus dem Fegefeuer werden die Seelen in den Himmel entlassen. Die Lebenden haben die Aufgabe, die Dauer des Aufenthalts im Fegefeuer durch Gebete zu verkürzen.
– Stechpalme (holly), botanischer Name: Ilex. Der Ilex heißt „Palme“, weil in der römisch-katholischen Liturgie in Mitteleuropa am Palmsonntag Ilex-Zweige als Palmensymbole geweiht werden. Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche. Das Ritual erinnert an den Einzug von Jesus in Jerusalem, bei dem das Volk Jesus mit Palmwedeln begrüßte (Johannes 12,Vers 13). Für die Liturgie standen echte Palmen meist nicht zur Verfügung; als immergrüne Pflanze eignet sich der Ilex als Symbol für die Überwindung des Todes.Die einzige Änderung, die Stephen Dedalus an dem überlieferten Rätsel vornimmt, besteht darin, dass er aus der Mutter, die beerdigt wird, eine Großmutter macht. Das Wort „Mutter“ geht ihm zu nahe (vgl. Adams, a.a.O., S. 118 f.). Seine Mutter hatte ihn auf dem Totenbett gebeten, niederzuknien und für sie zu beten; er hatte sich geweigert (vgl. Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 4; Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 10) und wird deswegen von Schuldgefühlen geplagt.
Kurz bevor Stephen der Klasse das Rätsel stellte, hatte einer der Schüler Verse aus Miltons Lycidas vorgelesen
„ – Weint denn nicht mehr, ihr Hirten, weint nicht mehr,
Denn Lycidas, um den ihr trauert, starb
Euch nicht, wiewohl ihn tiefe Wasser decken …“(Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 38; Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 30.)
Kurz nachdem er in der Klasse das Rätsel vorgetragen hat, denkt Stephen wieder einmal an seine Mutter; im inneren Monolog verwendet er Formulierungen des Rätsels:
„Ein armes Seelchen, in den Himmel getragen: und auf einer Heide kratzte unter blinkenden Sternen ein Fuchs, rotdampfenden Raubgeruch im Pelz, mit gnadenlos klaren Augen in der Erde, lauschte, kratzte die Erde auf, lauschte, kratzte und kratzte.“ (Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 40; Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 33)
Sich selbst identifiziert Stephen mit dem Fuchs. Als Bloom in der Circe-Episode gelyncht werden soll, ruft die Menge über ihn: „Er ist so schlimm, wie Parnell war. Mr. Fox!“ (Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 659, Penguin Modern Classics, a.a.O., S. 612); „Fox“ war einer der Tarnnamen von Parnell, dem irischen Nationalhelden und Vertreter der Home Rule (vgl. Adams, Surface and symbol, a.a.O. , S. 118 Fn.).
Jacques Aubert hält in der nächsten Sitzung des Seminars, am 20. Januar 1976, einen Vortrag über Ulysses; er arbeitet darin u.a. Bezüge zwischen den Signifikanten „bush“, „holy“ und „fox“ heraus.
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Auf den beiden Tonaufnahme auf der Internetseite von Patrick Valas ist „l’incohérence“ gut zu hören (Version Ducan & Valas 0:54:03), Lutecium-Aufnahme (schlechtere Tonqualität) 1:10:42; auch das Typoskript auf der Seite der ELP hat „l’incohérence“ (S. 12). Miller ändert ins Gegenteil, zu „la cohérence“, und die offizielle Übersetzung folgt ihm (vgl. Miller/Mitelman/Dielmann S. 75).
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Dass der Fuchs ein elendes Ding ist, erinnert an Lacans Bemerkung, Joyce sei ein „pauvre hère“, ein armer Tropf; Sitzung vom 18. November 1975, Übersetzung Max Kleiner; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 15.
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Im geplätteten borromäischen Knoten wird das Feld des Sinns durch die Überschneidung zwischen dem Ring des Symbolischen und des Imaginären gebildet (vgl. in Lacan entziffern den Beitrag Sinn im Knoten).
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Lacan hatte die Termini suturer (nähen, vernähen, zusammennähen, zunähen) und suture (Naht, Nahtstelle, Vernähung) zuerst ad hoc in Seminar 11 verwendet (vgl. Seminar 11, Version Miller/Haas S. 29, 124, 125). In Seminar 12 wird der Ausdruck „Naht“ von ihm erstmals systematisch verwendet, dabei bezieht er sich auf Objekte der mathematischen Topologie, Möbiusband, Torus und Klein’sche Flasche (vgl. Seminar 12, Sitzungen vom 16. Dezember 1964 und vom 6. Januar 1965). In der Zusammenfassung von Seminar 12 wird er schreiben:
„Von daher sieht man, dass das Sein des Subjekts die Vernähung eines Mangels ist.“
(J. Lacan: Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Compte rendu du séminaire 1964–1965 (1966). In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 199–202, hier: S. 200)
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Lacan setzt hier Überlegungen zur Umwandlung einer borromäischen Dreier-Verkettung in einen Kleeblattknoten fort, die er in der vorangegangenen Sitzung vorgetragen hatte (16. Dezember 1975).
In der Zeichnung wird dieser Spleiß durch den kleinen Kreis an der Überkreuzungsstelle zwischen dem Ring des Symbolischen und dem des Imaginären angezeigt. Zum Spleiß vgl. die Erläuterung im „Kleinen Lacan-Lexikon“ weiter unten. Das linke Diagramm ist aus Version Staferla, das rechte mit der auf Distanz gebrachten Schnur ist eine von mir veränderte Version dieses Diagramms, RN.
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Lacan sagt deutlich hörbar „symptôme“. Miller ändert das zu „symbolique“; die offizielle Übersetzung folgt ihm, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 76.
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In der Zeichnung wird dieser zweite Spleiß durch den kleinen Ring an einer der beiden Überkreuzungsstellen des Realen und des Symbolischen angezeigt.
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Lacan sagt „symptôme“, auf der Tonaufnahme ist das gut hörbar. In Millers Version findet man hier „sinthome“ (S. 73), die offizielle Übersetzung folgt ihm, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 76.
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Als „Parasit der Jouissance“ bezeichnet Lacan die phallische Jouissance (zuerst in Seminar 21, Sitzung vom 12. Februar 1974). Gemeint ist also: Der Spleiß zwischen dem Realen und dem Symptom steht in enger Beziehung zur phallischen Jouissance.
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Jouissance und j’ouïs sens sind homophon.
Eine Verbindung zwischen Sinn bzw. Denken und Jouissance hatte Lacan bereits früher in dieser Sitzung hergestellt, als er über Joyce sagte:
„der darauf beharrt, weil das eine Sache ist, die ihm irgendwo das gekitzelt hat, was man das Denken nennt“.
Max Kleiner (der sich auf eine andere Transkription des Seminars bezieht), übersetzt die Stelle so:
„(…) weil sie beweisen, daß der Sinn im Äquivok so weit geht, wie man es für meine Thesen wünschen kann, das heißt für den analytischen Diskurs. Sie beweisen, daß vom Sinn aus sich genießt, siehste nich, sich ständig gießt (se jouit, s’ouit-je, s’oui-jouisse).“
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Die These, dass der Kleeblattknoten aus der borromäischen Verkettung hervorgeht, wird von Lacan in der Sitzung vom 9. März 1976 bekräftigt; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 116.
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In Ulysses sagt das ein gewisser J. J. in einem Gespräch, in dem es darum geht, was es bedeutet, dass Bloom Jude ist.
„Yes, says J. J., and every male that’s born they think it may be their Messiah. And every jew is in a tall state of excitement, I believe, till he knows if he’s a father or a mother.” (Episode 12, “Der Zyklop“, Penguin Modern Classic, a.a.O., S. 438)
„Ja, sagt J.J., und bei jedem männlichen Wesen, das geboren wird, denken sie, es könnte vielleicht ihr Messias sein. Und jeder Jude ist werweißwie aufgeregt, glaube ich, bis er weiß, ob er nun Vater geworden ist oder Mutter.“ (Wollschläger-Übersetzung, a.a.O., S. 469)
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Jacques Aubert schreibt hierzu, er könne den Text nicht wiederfinden, der in diese Richtung geht. Vgl. Aubert, Anmerkungen, a.a.O., S. 220 f.
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J. Lacan: L’étourdit (1972). In: Ders.: Autres écrits. Seuil, Paris 2000, S. 449–495., hier: S. 466.
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Richard Ellmann: James Joyce. Zweiter Band. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 1052.
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Vgl. Seminar 18, Sitzung vom 20. Januar 1971, Übersetzung und Erläuterung in Lacan entziffern hier.
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Autres écrits. Seuil, Paris 2000, S. 565–570, hier: S. 565.
- J. Lacan: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013, Vorlesung vom 2. Dezember 1971, S. 26, Übersetzung geändert.
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Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dieser Übersetzung den Sinn getroffen habe: „Il n’est pas plus excessif d’espérer qu’à ce qu’il fait, il pense.“
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J. Lacan: Conférence à Genève sur le symptôme (4. Oktober 1975). In: La Cause du désir, Nr. 95 (2017/1), S. 9–13, hier; meine Übersetzung.
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In der Sitzung vom 15. März 1972, vgl. Version Miller S. 127.
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Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972, Version Miller/Haas u.a. S. 10.
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Seminar 19 von 1971/72, … ou pire, Sitzung vom 19. April 1972, Version Miller S. 152, meine Übersetzung.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 15. März 19172, Version Miller S. 128–131.
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Vgl. Seminar 2, Sitzung vom 25. Mai 1955, Version Miller/Metzger S. 300 f.
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Vgl. Sitzung vom 11. Februar 1959, Version Miller S. 259.
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Vgl. Peter Widmer: Subversion des Begehrens. Eine Einführung in Jacques Lacans Werk. Turia und Kant, Wien 2012, S. 83 f.
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M. Heidegger: Über den Humanismus (1949). Klostermann, Frankfurt am Main 1981, S. 25, Einfügung in runden Klammern von Heidegger.
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Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 22. Oktober 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 128 f.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 15. März 1972, Version Miller S. 129.
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Vgl. Seminar 21, Sitzung vom 11. Juni 1974, Version Staferla S. 267.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 15. März 1972, Version Miller S. 132.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 19. April 1972, Version Miller S. 142.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 15. März 1972, Version Miller S. 134.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 15. März 1972, Version Miller S. 126.
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Seminar 19, Sitzung vom 19. April 1972, Version Miller S. 140, meine Übersetzung.
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Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 19. April 1972, Version Miller S. 140 f.
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Seminar 19, Sitzung vom 19. April 1972, Version Miller S. 138, meine Übersetzung.
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Vgl. Henry Frignet: Nœud. In: Roland Chemama, Bernard Vandermersch (Hg.): Dictionnaire de la psychanalyse. Larousse, Paris 2009, S. 384–388, hier: S. 386.
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Vgl. Seminar 23, Version Staferla, Sitzung vom 13. Januar 1976; nicht in der Übersetzung von Max Kleiner.
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Vgl. Erik Porge: Jacques Lacan, un psychanalyste. Parcours d’un enseignement. Érès, Ramonville Saint-Agne 2000, S. 245.
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Vgl. die Abbildung in Seminar 23, Sitzung vom 13. Januar 1976, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 77.
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Vgl. Seminar 21 von 1973/74, Les non-dupes errent, Sitzung vom 13. November 1973.
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Subversion du sujet et dialectique du désir dans l’inconscient freudien. in: J.L: Ecrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 793–827, hier: 821.
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J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: S. 360, Einfügungen in eckigen Klammern von Gondek.
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Seminar 22, Kleiner-Übersetzung, S. 60, Einfügung in eckigen Klammern von Max Kleiner.
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J. Lacan: Joyce le Symptôme [II]. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 565–570, hier: S. 570, meine Übersetzung in Lacan entziffern hier.