Kommentar zu Lacans Vortrag „Über Struktur als Einmischen einer Andersheit“
Baltimore, 2008, von hier
Mitte des Jahres erschien im August-Verlag ein Vortrag von Lacan aus dem Jahre 1966 mit dem schönen Titel
„Über Struktur als Einmischen einer Andersheit als Voraussetzung eines Subjekts“.1
In diesem Text fasst Lacan vor allem Seminar 12 von 1964/65 zusammen, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse. Dieses Seminar ist nicht übersetzt, es gibt auch keine offizielle französische Ausgabe. Die Übersetzung des Vortrags ermöglicht dem deutschsprachigen Leser einen Zugang zum Theoriestand von etwa 1965.
Der von Dominik Finkelde herausgegebene Band enthält neben der von ihm erstellten Übersetzung und der englischen Originalfassung einen umfangreichen Kommentar. Dieser Kommentar, der ebenfalls von Finkelde verfasst wurde, zielt darauf ab, die philosophischen Hintergründe des Textes auszuleuchten.2 Das hat mich dazu animiert, eine Erläuterung anderen Typs zu versuchen, einen Kommentar in der Art eines Close Reading, wie die Literaturwissenschaftler sagen: eng am Text, Satz für Satz, notfalls Wort für Wort, und das immer im Hinblick auf Freud.
Herzlichen Dank an Gerhard Herrgott für die Hilfe bei der Frege-Lektüre und für das Feintuning des Artikels!
Zitierweise
Die Übersetzung der Zitate ist meine Überarbeitung von Finkeldes (meist guter) Übersetzung.
Drei Punkte vor einem Zitat weisen darauf hin, dass es an das vorangegangene Zitat lückenlos anschließt.
In den Fußnoten verweist das Stichwort „Struktur“ auf die im August-Verlag erschienene Ausgabe.
Rahmen
Am 21. Oktober 1966 hielt Lacan in Baltimore (USA) den Vortrag Of structure as an inmixing of an otherness prerequisite to any subject whatever („Über Struktur als ein Einmischen einer Andersheit als Voraussetzung für welches Subjekt auch immer“). Er hielt seinen Vortrag in schwer verständlichem Englisch, sagen die einen3, abwechselnd auf Englisch und Französisch und bisweilen in einer Mischung aus beiden, sagen die anderen.4 Die englische Übersetzung war von Anthony Wilden.5
Den Rahmen bildete ein von René Girard und Eugenio Donato veranstaltetes Symposium über Strukturalismus mit dem Titel „The languages of criticism and the sciences of man“, das vom 18. bis zum 21. Oktober 1966 am Center for the Humanities der Johns Hopkins University in Baltimore stattfand. Zu den Teilnehmern gehörten Roland Barthes, Jacques Derrida, Lucien Goldmann, George Poulet, Tzvetan Todorov, Jean-Pierre Vernant u.a; mit dieser Konferenz wurde der Strukturalismus in die USA eingeführt.
Die Beiträge dern Koferenz wurden veröffentlicht in: Richard Macksey, Eugenio Donato (Hg.): The languages of criticism and the sciences of man. The structuralist controversy. The Johns Hopkins University Press, Baltimore und London 1970. Man findet hier Lacans Beitrag sowie die daran anschließende Diskussion auf den Seiten 186 bis 195. Bei Lacans Text handelt es sich, wie die Herausgeber schreiben, um eine „überarbeitete Transkription und Paraphrase“ des Vortrags und der Diskussion.6 Wer Überarbeitung und Paraphrase vorgenommen hat, wird uns nicht verraten. Die Transkription enthält einen groben Fehler, der Lacan hätte auffallen müssen („cross cut“ statt „cross cap“), deshalb nehme ich an, dass Lacan sie nicht oder nur oberflächlich durchgesehen hat. Der veröffentlichte Text ist also der Effekt eines kaum entflechtbaren Zusammenwirkens zwischen Lacan, seinem Übersetzer Anthony Wilden und seinen Herausgebern Richard Macksey und Eugenio Donato.
Exposition
Sprachstruktur
Thema des Symposiums ist die Struktur, und Lacan weist zu Beginn seines Vortrags darauf hin, dass er diesen Begriff seit langem verwendet. Das lässt sich präzisieren: Ab 1951 traf er sich regelmäßig mit dem Ethnologen Claude Lévi-Strauss, dem Linguisten Émile Benveniste und dem Mathematiker Georges Guilbaud, um über Fragen der Struktur zu diskutieren.7
Das Unbewusste hat eine Struktur, sagt Lacan weiter; die Struktur, über die er sprechen wird, ist die des Unbewussten.
Lacan fährt fort: Wenn man sagt „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache“, so sei dies dasselbe, wie zu sagen, „Das Unbewusste ist strukturiert“. Eine Struktur ist für ihn immer die Struktur einer Sprache.
Aber was heißt „Sprache“? Damit sei nicht eine vereinfachte Sprache gemeint, erläutert Lacan, auch nicht eine Spezialsprache, so wie man von der Sprache der Mythen oder der Mathematik oder der Kinematographie spricht. Mit „Sprache“ sei die konkrete Sprache gemeint, beispielsweise das Englische oder das Französische. Lacans berühmtes Diktum „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache“ meint also: „Das Unbewusste ist strukturiert wie das Englische oder das Französische oder wie sonst eine konkrete Sprache.“
Lacan erläutert diesen Hinweis, indem er eine weitere seiner Sentenzen ins Spiel bringt: „Es gibt keine Metasprache.“8Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache, wie das Englische oder das Französische, und das heißt: mit „Struktur“ ist hier keine Metasprache gemeint, keine formale Sprache, mit der die Umgangssprache beschrieben werden könnte.
Mit der These über die Metasprache spielt Lacan auf den theoretischen Zusammenhang an, der den Hintergrund seines Vortrags bilden wird. Gottlob Frege hatte versucht, die Arithmetik durch die Mengenlehre axiomatisch zu begründen (Grundgesetze der Arithmetik, Bd. 1: 1893, Bd. 2: 1903). Bertrand Russell hatte entdeckt, dass dieses Projekt zu einer Paradoxie führt, zur sogenannten Russellschen Antinomie (The principles of mathematics, 1903). Zur Vermeidung der Antinomie wurde die Unterscheidung von Metasprache und Objektsprache eingeführt, 1934 von Rudolf Carnap und 1935 von Alfred Tarski .9
Im Baltimore-Vortrag begründet Lacan seine These, es gebe keine Metasprache, wie folgt: Die Termini einer formalen Sprache müssen letztlich mithilfe der Alltagssprache eingeführt werden. Eine formale Sprache ist gegenüber der Umgangssprache deshalb nicht in der Position einer letzten Metasprache. Andere Autoren formulieren das so: Die Umgangssprache ist die letzte Metasprache; für die Mathematik ist die Umgangssprache eine notwendige aber unkontrollierbare Voraussetzung. Lacan würde hinzufügen, dass es dabei nicht um Sprache, sondern um Sprechen geht – die Termini müssen sprechend eingeführt werden. Seine Formel für dieses Merkmal der Sprachstruktur ist S(Ⱥ), Signifikant eines Mangels im Anderen – der Sprache fehlt ein Signifikant, mit dem sie Wahrheit oder zumindest logische Konsistenz garantieren könnte. Husserl zufolge hat die Wissenschaft ihre Grundlage in der „Lebenswelt“10 Für Lacan hat sie ihre Grundlage in den konkreten gesprochenen Sprachen, also etwa im Französischen oder Deutschen. Um es in meinen Worten zu sagen: Es gibt keinen archimedischen Punkt, von dem aus man über die Sprache sprechen könnte; wenn man über die Sprache spricht, ist man auf eine Weise in die Sprache verwickelt, die sich nicht beherrschen lässt.
Das Material des Unbewussten, fährt Lacan fort, sei von sprachlicher Natur: es bestehe vorzugsweise aus Wörtern. Diese Wörter funktionierten nicht primär unter dem Aspekt der Bedeutung, des Signifikats. Im Vordergrund stehe vielmehr die Seite des Signifikanten: Eine entscheidende Rolle spiele die Ähnlichkeit von Lauten sowie die Möglichkeit, Wörter zu zerteilen, wodurch jede Komponente eine neue Bedeutung erhalte.
Subjekt
Der Satz „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache“ meint aber nicht nur – so präzisiert Lacan –, dass das Unbewusste aus Signifikanten besteht. Vielmehr gehe es dabei um den sensibelsten Punkt in der Natur der Sprache: um die Frage nach dem Subjekt. Damit hat er das Thema des Vortrags in Umrissen bestimmt: Es geht um das Unbewusste und darin um das Verhältnis von Struktur und Subjekt. Der Strukturbegriff tritt nicht an die Stelle des Subjektbegriffs; wenn es um die Struktur geht, ist vielmehr die entscheidende Frage die nach dem Subjekt. Darin unterscheidet sich die Psychoanalyse von den Naturwissenschaften und von der Linguistik, die das Subjekt ausschließen; wenn es in der Psychoanalyse um die Struktur geht, dann um die Beziehung zwischen Struktur und Subjekt.
Was also ist das Subjekt? Das Subjekt ist nicht einfach der Sprecher und auch nicht das Personalpronomen, sagt Lacan.
Die Frage, die uns von der Natur des Unbewussten gestellt werde, beziehe sich darauf, „dass da immer etwas denkt“11, und zwar mit Worten denkt. Das Unbewusste bestehe aus Gedanken, wie Freud gezeigt habe12, und die Frage sei, was es ist, das da denkt. Die Aufgabe besteht für Lacan darin, den Status dieses Subjekts zu bestimmen.13
Von Freud, so fährt Lacan fort, wissen wir darüber eins: Das, was das die unbewussten Gedanken denkt, ist vom Bewusstsein ausgesperrt. Der Begriff der Aussperrung oder Absperrung (engl. bar, frz. barre) habe viele Anwendungsmöglichkeiten, die wichtigste sei, dass es eine Barriere gibt, die übersprungen oder durchschritten werden muss; dies sei entscheidend. Lacan spielt hier auf seinen Begriff sujet barré an (ausgesperrtes Subjekt, d.h. Subjekt, das von einem konstituierenden Teil von sich ausgesperrt ist) sowie auf die Symbolisierung dieses Subjekts mit einem durchgestrichenen S (S barré), also mit dem Symbol $.
Ist die Instanz, die die unbewussten Gedanken denkt, das Subjekt? Lacan äußert sich nicht dazu, aber von anderen Texten her ist klar, dass er die Frage mit Nein beantworten würde. Das Unbewusste ist für ihn eine Signifikantenverbindung – ein „Wissen“ – ohne Subjekt, die Verdrängung impliziert nicht das Subjekt.14 Die unbewussten Gedanken beziehen sich auf das Subjekt, aber nicht in der Weise, dass das Subjekt der Agent ist, der diese Gedanken denkt. Worin also besteht die Verbindung zwischen den unbewussten Gedanken und dem Subjekt? Das bleibt zunächst offen.
Worin besteht die Sperre? Lacan erläutert sie in seinem Vortrag mit einem Grundbegriff von Herbarts Psychologie, mit dem Konzept der Aufmerksamkeit. Das unbewusste Denken ist ein Denken mit Gedanken bzw. Worten, die sich der Aufmerksamkeit entziehen. Anders gesagt: Am Subjekt der Psychoanalyse scheitert eine bestimmte Form der Intentionalität: die Aufmerksamkeit. (In dem Aufsatz Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten formuliert Freud das so: „Das Vergessen von Eindrücken, Szenen, Erlebnissen reduziert sich zumeist auf eine ‚Absperrung‘ derselben. Wenn der Patient von diesem ‚Vergessenen‘ spricht, versäumt er selten, hinzuzufügen: das habe ich eigentlich immer gewußt, nur nicht daran gedacht.“15 Das sujet barré ist das „abgeperrte Subjekt“.)
Das sei etwas anderes als zu sagen, dass da etwas im Untergeschoss denkt, fährt Lacan fort; wenn man so spricht, unterstelle man, dass der Mensch auf natürliche Weise denkt. Offenbar grenzt Lacan sich hier vom Begriff der „Tiefenpsychologie“ ab. Er deutet an – so nehme ich an –, dass die Topologie, auf die er sich später in diesem Vortrag beziehen wird, es ermöglicht, mit der Vorstellung von der Psychoanalyse als einer „Tiefenpsychologie“ zu brechen16, also nichts mit einer „psychischen Tiefendimension“ zu tun hat, wie Freud sie bei der Einführung des „topischen Gesichtspunkts“ ins Spiel gebracht hatte.17 Das unbewusste Denken erfolgt insofern nicht auf natürliche Weise, als es nicht den Charakter eines Instinkts hat, heißt es weiter, es ist kein primitives Wissen. Unter „Wissen“ versteht Lacan hier ein Wissen, das eine Anpassung an die Umwelt ermöglicht und in diesem Sinne eine Erkenntnis darstellt; er verwendet den Wissensbegriff hier anders als in den späten Seminaren, in denen „Wissen“ vor allem für das Unbewusste steht.
Die Aufgabe besteht für Lacan darin, den Status dieses anderen Subjekts zu bestimmen, und diese Aufgabe kann dadurch gelöst werden, sagt er, dass man von der Sprache ausgeht.
Lacan beendet diesen Teil der Einleitung seines Vortrags – die Einführung des Subjektbegriffs – mit einer Allegorie des Unbewussten.
„Als ich diesen kleinen Vortrag für Sie vorbereitete, war es früh am Morgen. Ich konnte Baltimore durch das Fenster sehen, und es war ein sehr interessanter Augenblick, denn es war noch nicht ganz Tag, ein Neonzeichen zeigte mir jede Minute das Vergehen der Zeit an und natürlich gab es starken Autoverkehr, und ich sagte zu mir, dass exakt alles, was ich sehen konnte, einige Bäume in der Entfernung ausgenommen, das Resultat von Gedanken war, von aktiv denkenden Gedanken, wobei die von den Subjekten erfüllte Funktion nicht ganz offenkundig war. Auf jeden Fall war das sogenannte Dasein, verstanden als eine Definition des Subjekts, in diesem eher intermittierenden oder schwindenden Beobachter anwesend. Das beste Bild, um das Unbewusste zu resümieren, ist Baltimore am frühen Morgen.“18
Ich deute das Bild so: Baltimore, durch ein Fenster erblickt, entspricht dem Anderen. Das Neonlicht und die Autos sind Signifikanten: in ihnen sind Gedanken „vergegenständlicht“, wie Hegel sagen würde. Die Funktion der Subjekte (mit Heidegger: des Daseins) war nicht offenkundig: das Subjekt ist versperrt, barré. Das unbewusste Subjekt zeigt sich intermittierend im Blinken des Neonlichts (in der Wiederholung von Signifikanten, d.h. in dem mit dem Symptom verbundenen Wiederholungszwang). Und es verschwindet, wie die vorbeifahrenden Autos, es entzieht sich (es kann sich nicht als Subjekt der unbewussten Äußerungen benennen; vgl. hierzu in diesem Blog: Das Verschwinden des Subjekts: Fading, Aphanisis).
Verlorenes Objekt
Nach der Sprachstruktur und dem Subjekt führt Lacan einleitend einen dritten Begriff ein, den des verlorenen Objekts. Das unbewusste Subjekt sei als das aufzufinden, was durch das verlorene Objekt gestützt wird (der Ausdruck „verlorenes Objekt“ ist von Freud19). Das verlorene Objekt, so heißt es weiter, sei oftmals ein abstoßendes Ding20, es sei häufig „etwas Gemachtes“21, wie alle Psychoanalytiker sehr gut wüssten und auch viele, die sich einer Psychoanalyse unterzogen haben – Lacan spielt hier auf das Analobjekt an, auf den Kot.
Psychologen sei dieses Objekt unzugänglich; man kann ergänzen: und zwar deshalb, weil für sie die Objektbeziehung in der erkennenden Anpassung des Subjekts an die Umwelt besteht und das „verlorene Objekt“ sich dieser Ordnung entzieht.
Damit ist der Einleitungsteil des Vortrags abgeschlossen. Es geht um die Struktur des Unbewussten und dabei speziell um die Frage nach dem Ort des Subjekts in der Struktur der Sprache, nämlich des Subjekts, das in Beziehung zum Denken der unbewussten Gedanken steht. Dieses Subjekt wird von Lacan dadurch charakterisiert, dass es versperrt ist, dass es intermittierend und schwindend ist und dass es sich auf ein „verlorenes Objekt“ bezieht, beispielsweise auf das anale Objekt.
Zahlen und Flächen
Einheit als Totalität
Lacan kommt zum Hauptteil seines Vortrags, nimmt einen neuen Anlauf und fragt ein weiteres Mal: Was ist eine Struktur?
Als das entscheidende Kennzeichen einer Struktur gilt die Einheit. Für den Organismus ist das einleuchtend, sagt Lacan, schwieriger sei es, wenn man sich auf Mentales bezieht, dennoch werde auch der Geist häufig als Einheit begriffen; die phänomenologische Bewegung gründe die Einheit auf die Intentionalität. Und selbst manche Psychoanalytiker sprächen von der „Gesamtpersönlichkeit“ – vermutlich bezieht Lacan sich hier auf Franz Alexander.22
Für Lacan, so sagt er über sich selbst, ist die Vorstellung von der vereinheitlichenden Einheit der menschlichen Existenz eine skandalöse Lüge. Das Leben bilde keine Einheit, es treibe vor sich hin, niemand verstehe etwas von dem, was sich mit ihm ereignet – eben dies sei das Prinzip der Psychoanalyse.
Kann man als Psychoanalytiker gleichwohl mit dem Begriff der Struktur arbeiten? Durchaus, sagt Lacan, man müsse die Frage der Einheit jedoch auf andere Weise angehen, ausgehend vom Unbewussten und das heiße: von der Sprache. Das Unbewusste teile uns etwas in Worten Artikuliertes mit. Lacan fragt: Worin besteht das Prinzip dieser vom Unbewussten mitgeteilten Worte?
Zählbare Einheit
Wenn man von der Sprache ausgeht, habe man es mit einer anderen Art von Einheit zu tun, fährt Lacan fort: mit der zählbaren Einheit. Mit „zählbaren Einheiten“ sind die ganzen oder natürlichen Zahlen gemeint, also Eins, Zwei, Drei usw. (Zu den natürlichen Zahlen werden die Zahlen Eins, Zwei, Drei usw. gerechnet, oft auch die Null. Zu den ganzen Zahlen gehören auch die negativen ganzen Zahlen. Lacan bezieht sich im Folgenden auf die natürlichen Zahlen einschließlich der Null, also auf 0, 1, 2, 3 usw.)
Mit „Einheit“ meint Lacan – so sagt er – nicht die Zahl Eins im Unterschied zu den Zahlen Zwei, Drei usw.
„Die wirkliche Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass jede ganze Zahl in sich selbst eine Einheit ist.“23
Die Zahl Zwei ist eine Einheit – eine Zahl –, die Zahl Drei ebenso. Worin besteht die Einheit einer natürlichen Zahl?24
Die Frage nach der Zahl ist eine andere als die nach dem Zählen, heißt es dann. Das Zählen sei einfach, dafür brauche man eine bestimmte Anzahl von Mengen und Eins-zu-Eins-Korrespondenzen. Vermutlich bezieht sich Lacan hier auf die mengentheoretische Definition der Zahl, die sich auf Eins-zu-Eins-Zuordnungen bezieht.25 Das Zählen lasse sich nicht allein aus empirischen Daten ableiten (nicht aus dem Ansammeln und Hinzufügen von Gegenständen); Lacan verweist für die Kritik an der empiristischen Zahlentheorie zustimmend auf Freges Die Grundlagen der Arithmetik (1884), eine Arbeit, die für ihn in diesem Vortrag der Hauptbezugstext bleiben wird.
Jede Zahl sei in sich selbst eine Einheit (es gibt eine Eins, eine Zwei, eine Drei usw.). Wie funktioniert diese Einheit?
Lacan kündigt an, dass er sich auf die Zahl Zwei beschränken werde. Worin besteht beispielsweise die Einheit der Zahl Zwei?
Gewissermaßen als Kontrastprogramm wechselt er von der Ebene der Zahlen auf die der sozialen Beziehungen. Auf dieser Ebene kann man sich, was die Zwei angeht, fragen, worin die Einheit eines heterosexuellen Paars besteht, die Einheit eines Mannes und einer Frau. Wenn man so fragt, beziehe man sich auf einen anderen Begriff der Einheit, auf die vereinheitlichende Einheit.
Die vereinheitlichende Einheit des Paares sei von anderer Art als die Einheit der Zahl Zwei. Die Einheit des Paars sei instabil, zur Zahl Zwei hingegen gehöre wesentlich, dass ihre Einheit stabil ist. Die Paarbeziehung gehe nicht über in die Dreierbeziehung, die Zahl Zwei hingegen habe einen Nachfolger, die Drei – zwar könne aus dem Paar durch ein Kind eine Dreiheit werden, aber das liege auf einer anderen Ebene. Zur Einheit der Zahl Zwei gehört, das möchte ich festhalten, dass sie einen Nachfolger hat.
Worin also besteht die Einheit einer natürlichen Zahl?
Eins mehr
Mathematiker, sagt Lacan, beziehen sich auf die Genese der natürlichen Zahlen mit der folgenden Formel:
n + 1
Der Buchstabe n steht hier für eine beliebige natürliche Zahl. Zur 1 kommt 1 hinzu, dadurch entsteht die 2; zur 2 kommt 1 hinzu, daraus ergibt sich die 3 usw.
Der Schlüssel zur Genese der natürlichen Zahlen, fährt Lacan fort, ist demnach das „eins mehr“, die Operation „+ 1“, die Funktion des Nachfolgers. Die Einheit einer natürlichen Zahl beruht auf diesem „plus Eins“. Ich möchte es so sagen: Eine Zahl ist sie selbst plus Eins (Hegel würde sagen: ihre Einheit ist dialektisch, sie besteht in diesem immanenten über sich Hinausgehen). Wie also funktioniert die Nachfolgerbeziehung?
Hiernach ist die Argumentation so gedrängt, dass ich ausführlich zitiere.
„Es ist notwendig, dass diese Zwei die erste ganze Zahl konstituiert, die, bevor die Zwei erscheint, als Zahl noch nicht geboren ist. Sie haben dies dadurch möglich gemacht, dass es hier die Zwei gibt, um der ersten Eins die Existenz zu gewähren: setzen Sie Zwei an die Stelle von Eins, und folglich sehen Sie Drei an der Stelle der Zwei erscheinen.“26
In Lacans Deutung funktioniert die Nachfolger-Relation – also die Beziehung (n + 1) – folgendermaßen: Die erste ganze Zahl, nämlich die Eins, wird durch die Zwei konstituiert. Bevor es nicht die Zwei gibt, gibt es auch keine Eins; die Zwei gewährt der Eins die Existenz. Die Eins wird rückwirkend durch die Zwei erzeugt, insofern ist die Eins zugleich die Zwei.
Das lässt sich auf die Beziehung zwischen der Zwei und der Drei übertragen: man setzt an die Stelle der Eins die Zwei, daraufhin erscheint an derjenigen Stelle, an der früher die Zwei war, die Drei, und dann gilt entsprechend: Die Drei gewährt der Zwei ihre Existenz. Die Zwei gewinnt ihre Einheit rückwirkend, als Effekt dessen, dass sie einen Nachfolger hat, die Drei. Verallgemeinert gesprochen: das „plus Eins“ ermöglicht das n.
In der an den Vortrag anschließenden Diskussion erläutert Lacan, warum er sich auf das Verhältnis von Eins und Zwei bezogen hatte: weil die Frage nach der Zwei für die Psychoanalyse naheliegt. Für Frege sei nicht das Verhältnis von Eins und Zwei grundlegend, sondern das von Null und Eins. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Eins und Zwei steht also für den Bezug der Null zur Eins, wie er von Frege entwickelt wird.
Die Zwei habe er, Lacan, deshalb als psychoanalytische Referenz verwendet, weil die Zwei ein wichtiges Schema für Freuds Begriff des Eros sei – für Freud sei Eros diejenige Kraft, die das Getrennte vereinigt. Für allzu viele Psychoanalytiker sei der Eros als vereinigende Zwei die Grundlage dafür, die genitale Reife als Grundlage der perfekten Ehe zu preisen.27
Die unausgesprochene These, um die es Lacan im Vortrag geht, lautet demnach: Die Null wird durch die Eins konstituiert.28 Die Eins, so könnte man es zuspitzen, ist zugleich die Null, und die Null ist zugleich die Eins.
Markierung
Lacan fährt so fort:
… „Wir haben hier etwas, was ich als Markierung [mark] bezeichnen kann. Sie haben bereits etwas, das markiert ist, oder etwas, das nicht markiert ist. Durch die erste Markierung kommt es dazu, dass wir den Status des Dings haben.“29
Markierung
Den Ausdruck „Markierung“ hatte Lacan als theoretischen Begriff erstmals im Seminar über die Identifizierung verwendet (Seminar 9 von 1961/62). Eine Markierung besteht darin, dass ein Zeichen direkt auf einem Gegenstand angebracht wird. Lacan übernimmt den Terminus von John Stuart Mill, A system of logic (1843). Mill vergleicht das Funktionieren eines Eigennamens mit den Kreidemarkierungen, die in der Erzählung Ali Baba und die 40 Räuber von der Sklavin Morgiana an den Türen einer Stadt angebracht werden.30 Mill referierend, sagt Lacan in Seminar 9:
„Wenn etwas ein Eigenname ist, dann insofern, als es nicht die Bedeutung des Objekts ist, den er mit sich führt, sondern etwas, was von der Ordnung einer Markierung ist, die gewissermaßen auf dem Objekt angebracht wird, auf es aufgetragen wird“31 (vgl. hierzu in diesem Blog den Artikel Jacques Lacan über den Eigennamen (I): Seminar 9).
Die Markierung besteht nicht darin, dass eine Beziehung zu einer Bedeutung hergestellt wird. Vielmehr wird auf einem Gegenstand ein Kennzeichen angebracht, mit der Folge, dass der Gegenstand modifiziert wird – eine Tür mit Kreidezeichen ist etwas anderes als eine Tür ohne.32 Die Markierung benötigt eine Unterlage, auf der sie angebracht wird; die Bedingung dafür, dass von einer Markierung gesprochen werden kann, ist die Einschreibung in eine Unterlage und damit die Modifizierung einer Fläche. Der Eigenname versieht – in Lacans Deutung (die an Mill anschließt) – nicht etwas Gegebenes mit einer Bedeutung, er funktioniert vielmehr wie eine Markierung: er wird gewissermaßen auf dem Benannten angebracht und verändert es dadurch – er modifiziert die Erregungsabläufe des Körpers.
Um empirische Bezugspunkte zu haben, kann man bei „Markierung“ für den Anfang an Strichlisten denken oder an Brandzeichen oder an Tätowierungen oder an Eigennamen, insofern für sie gilt, dass sie ähnlich wie Tätowierungen in die Körper eingeschrieben werden. Das Einritzen einer Narbe verändert an dieser Stelle die Sensibilität der Haut, die Beschneidung modifiziert die Erregbarkeit der Eichel.
„Wir haben hier etwas, was ich als Markierung bezeichne“, heißt es an der zitierten Stelle. Inwiefern haben wir die Markierung? In den Sätzen zuvor ging es um die Konstituierung der natürlichen Zahlen durch den Nachfolger. Lacan verbindet also das „plus Eins“ mit der Markierung, offenbar begreift er die Operation (+ 1) als das Anbringen einer Markierung. Das wird anschaulich, wenn man sich statt der arabischen Eins eine römische Eins vorstellt, also einen trait unaire, einen Einzelstrich: (+ I). Man sieht dann beim plus Eins das Anbringen einer Markierung gewissermaßen vor sich, etwa das Hinzufügen einer Kerbe auf einem Zählstock.
Markiert / nicht markiert
Die Markierung funktioniert so, dass nicht alles markiert ist, heißt es weiter: einiges ist markiert, anderes nicht. Man denkt spontan an ein simples Beispiel, etwa, einige Rinder tragen ein Brandzeichen, andere nicht; das ist jedoch nicht gemeint. In der anschließenden Diskussion wird Lacan nach dem Unterschied zwischen dem Markierten und dem Unmarkierten gefragt und ob das Markierte das System des Bewusstseins sei und das Unmarkierte das unbewusste System. Lacan antwortet so:
„Bei der Frage der Verdrängung ist es absolut notwendig zu wissen, dass Freud die Möglichkeit der Verdrängung auf etwas gründete, was im Deutschen ‚Urverdrängung‘ heißt.“33
Ausführlicher formuliert: Wenn Sie so fragen, stützen Sie sich auf den Gegensatz zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten. Damit unterstellen Sie, dass das Unbewusste – das Verdrängte – ein homogenes System ist. Tatsächlich aber ist das Unbewusste, wie Freud gezeigt hat, zweistöckig aufgebaut. Es besteht aus dem Urverdrängten und dem Verdrängten. Das Urverdrängte ist Freud zufolge das, was die Verdrängung in Gang hält und, anders als das übrige Verdrängte, auf keine Weise erinnert werden kann.34
Die Unterscheidung zwischen dem Markierten und dem Unmarkierten hat demnach mit der Urverdrängung zu tun. Worin besteht diese Beziehung?
Erste Markierung
Vom Begriff der Markierung wechselt Lacan zu dem der „ersten Markierung“, man könnte auch sagen: zur Urmarkierung. Diese Urmarkierung ist, in Freuds Begrifflichkeit, die primäre Identifizierung.
Im Identifizierungsseminar heißt es:
„Bezogen auf die erste Tatsache, die Verbindung des Subjekts mit diesem unären Zug, werde ich heute – da ich denke, dass der Weg hinreichend artikuliert ist – den Endpunkt setzen, indem ich Sie daran erinnere, dass diese Tatsache, die in unserer Erfahrung so wichtig ist und die von Freud herausgestellt wurde, in Bezug auf das, was er als Narzissmus der kleinen Differenzen bezeichnet, dass dies dasselbe ist wie das, was ich die Funktion des unären Zugs nenne, denn das ist nichts anderes als die Tatsache, dass ausgehend von einer kleinen Differenz – und ‚kleine Differenz‘ zu sagen, bedeutet nichts anderes als diese absolute Differenz, über die ich zu Ihnen spreche, diese Differenz, die von jedem möglichen Vergleich abgelöst ist –, dass ausgehend von dieser kleinen Differenz, insofern sie dieselbe Sache ist wie das große I, das Ichideal, dass sich ausgehend davon, ob das Subjekt als Träger dieses einzigen Zugs konstituiert ist oder nicht, die gesamte narzisstische Strebung akkommodieren kann.“35
Der unäre Zug ist die „kleine Differenz“, die Differenz schlechtin, und ausgehend von dieser absoluten Differenz konstituiert sich das Ichideal.
Beim unäre Zug geht es um diejenige Identifizierung, die Freud als „primäre Identifizierung“ bezeichnet, so erläutert Lacan den Begriff in Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse. Er bezieht sich hier auf die „primäre Identifizierung, die Identifizierung des unären Zugs, die Identifizierung des I, von wo aus sich für das Subjekt irgendwo alles ordnet“, als dem Punkt dessen, „was errichtet wird als Intersubjektivität“36.
In der schriftlichen Zusammenfassung von Seminar 12 wiederholt Lacan die Zuordnung des unären Zugs zur primären Identifizierung. Es gebe einen „Terminus“, heißt es dort, „den wir in einem anderen Zusammenhang den unären Zug genannt haben, die Markierung einer primären Identifizierung, die als Ideal funktionieren wird“37
In Seminar 15 spricht er von
„diesem berühmten großen I des unären Zugs, demjenigen, von dem man ausgeht, um zu sehen, wie sich in der Entwicklung tatsächlich dieser Mechanismus der Einwirkung des Signifikanten, wie er sich in der Entwicklung herstellt, nämlich die primäre Identifizierung“38.
Lacans Bezugnahme auf Freud ist, was den „einzigen/einzelnen/unären Zug“ angeht, also verwickelt:
Wenn Freud von der Identifizierung mit dem „einzigen Zug“ spricht, bezieht er sich damit auf die ödipale Identifizierung mit dem verlorenen Liebesobjekt. Freud unterscheidet diese Form der Identifizierung von zwei anderen Identifizierungsarten, von der primären Identifizierung und von der hysterischen Identifizierung.39 Lacan nimmt eine andere Zuordnung vor, er entlehnt von Freud den Ausdruck „einziger Zug“, deutet ihn um in den „einzelnen Zug“ bzw. „unären Zug“ und setzt die Identifizierung mit dem unären Zug mit der primären Identifizierung gleich.
Damit lässt sich Lacans Hinweis auf die Urverdrängung verarbeiten: Die primäre Markierung als primäre Identifizierung mit dem Vater steht in einer engen Beziehung zur Urverdrängung, dazu, dass die Mutter zum verlorenen Objekt wird und dass der Signifikant, der sich hierauf bezieht, urverdrängt wird.
Es scheint um folgenden Zusammenhang zu gehen:
– Das „plus Eins“ ist „+ I“, ist das Anbringen einer Markierung, das Einschreiben eines unären Zugs.
– Die erste Markierung entspricht der primären Identifizierung mit dem Vater.
– Die primäre Identifizierung mit dem Vater steht in Verbindung mit der Urverdrängung des Signifikanten, der sich auf die Mutter als verlorenes Objekt bezieht.
Ding
Durch die erste Markierung, sagt Lacan im Baltimore-Vortrag, kommt es dazu, dass wir den Status des Dings haben.
Der Begriff „Ding“ geht auf Freuds Entwurf einer Psychologie zurück: das Ding ist (in Lacans Freud-Deutung) das, worum die Vorstellungen kreisen, ohne es erreichen zu können. Freud schreibt im Entwurf:
„Und so sondert sich der Komplex des Nebenmenschen in 2 Bestandteile, von denen der eine durch konstantes Gefüge imponiert, als Ding beisammen bleibt, während der andere durch Erinnerungsarbeit verstanden, d. h. auf eine Nachricht vom eigenen Körper zurückgeführt werden kann.“40
An späterer Stelle heißt es im Entwurf:
„Zu Beginn der Urteilsleistung, wenn die Wahrnehmungen wegen ihrer möglichen Beziehung zum Wunschobjekt interessieren und ihre Komplexe (wie bereits geschildert) in einen unassimilierbaren Teil (das Ding) und einen dem Ich aus eigener Erfahrung bekannten (Eigenschaft, Tätigkeit) zerlegen, was man Verstehen heißt, ergeben sich für die Sprachäußerung zwei Verknüpfungen.“41
Das Ding ist also für Freud das, was an die Erinnerungsarbeit nicht assimiliert werden kann.
Lacan hatte den Begriff „Ding“ im Ethik-Seminar eingeführt (Seminar 7 von 1959/60). Das „Ding“ ist das Objekt, auf das sich das Streben des Subjekts letztlich richtet, es ist das Objekt des Genießens, unabhängig vom Gesetz (und damit ist es nicht das Objekt des Begehrens, denn das Begehren bezieht sich bereits auf das Gesetz42). Das Ding gehört zur Ordnung des Realen, d.h. es kann nicht symbolisiert und nicht imaginiert werden.43 Zugänglich ist das Ding vor allem als Angstobjekt.44
In klassischer psychoanalytischer Terminologie ist das Ding der Inzest mit der Mutter.
Durch die erste Markierung haben wir den Status des Dings
In Seminar 12 heißt es:
„Die Benennung – das Etikett, um das es geht – geht von der Markierung aus, geht von der Spur aus, geht von etwas aus, was in die ‚Dinge‘ eintritt und, indem es sie modifiziert, den Ausgangspunkt dafür bildet, dass sie den Status von Dingen haben.“45
Ausgangspunkt sind bei der ersten Markierung nicht Dinge, sondern gewissermaßen Proto-Dinge. Die erste Markierung sorgt dafür, dass etwas, was noch kein Ding war, den Status eines Dings erhält. Das Unmarkierte, von dem Lacan in Baltimore gesprochen hatte, ist offenbar das Ding, bevor es ein wahrhaftes Ding war, d.h. bevor es unerreichbar wurde.
Durch die erste Markierung kommt es dazu, dass wir den Status des Dings haben. Auf die Freudsche Begrifflichkeit reduziert, heißt das: Durch die primäre Identifizierung mit dem idealisierten Vater wird die Mutter in gewissem Sinne unzugänglich.
Null und Eins
Im Baltimore-Vortrag heißt es weiter:
… „Auf genau diese Art und Weise erklärt Frege die Genese der Zahl. Die Klasse, die dadurch charakterisiert ist, dass sie keine Elemente hat, ist die erste Klasse; man hat die Eins an der Stelle der Null, und danach ist leicht zu verstehen, wie die Stelle der Eins zur zweiten Stelle wird, die Platz macht für Zwei, Drei usw.“29
Lacan kommt auf Frege zurück und behauptet, in den Grundlagen der Arithmetik würden die natürlichen Zahlen auf eben die Weise erklärt, wie Lacan es zuvor skizziert hatte, dass also die Null rückwirkend durch die Eins konstituiert wird. Er referiert Frege so: Die Klasse, die keine Elemente hat, ist die erste Klasse und damit hat man die Eins an der Stelle der Null. Offenbar geht es hier um die Beziehung zwischen der Null (keine Elemente) und der Eins (erste Klasse).
Frege arbeitet mit drei Konzepten: „Begriff“, „Gegenstand“ und „Anzahl“ – unter die Begriffe fallen die Gegenstände, und den Begriffen werden Anzahlen zugewiesen, d.h. Kardinalzahlen. Lacan verwendet, wenn er sich auf Frege bezieht, die durch die Mengenlehre geprägte und bis heute übliche Terminologie: statt von „Begriffen“ spricht er von „Klassen“, statt von „Gegenständen“ von „Elementen“.
Frege beginnt damit, dass er die Anzahl Null konstruiert. Ausgangspunkt ist hierbei der Begriff „das, was mit sich selbst ungleich ist“. Unter diesen Begriff fällt kein Gegenstand (im Rahmen der Logik enthält „mit sich selbst ungleich“ einen Widerspruch und Widersprüche werden nicht zugelassen). Dem Begriff „mit sich selbst ungleich“ wird die Anzahl Null zugewiesen.46 Lacan drückt das so aus: Es geht hier um diejenige Klasse, die dadurch charakterisiert ist, dass sie keine Elemente hat.
Die Anzahl Eins wird von Frege auf folgende Weise generiert: Der Begriff ist hier „das, was gleich Null ist“. Unter diesen Begriff fällt als Gegenstand – die Null und nur die Null. Dem Begriff „das, was gleich Null ist“ wird als Anzahl die Eins zugeordnet.47
Danach ist leicht zu verstehen, wie die übrigen Zahlen erzeugt werden, sagt Lacan.Da sich die Generierung der übrigen Zahlen auf das Konzept des Nachfolgers stützt, und diese diese Struktur, Lacan zufolge, nach der Explikation der Beziehung von Null und Eins leicht zu verstehen ist, dürfen wir vermuten, dass der Nachfolger letztlich auf der Beziehung zwischen Null und Eins beruht.
Mit dieser andeutenden Deutung der Nachfolgerbeziehung bezieht Lacan sich möglicherweise auf einen Vortrag über Frege, den Jacques-Alain Miller in Lacans Seminar 12 gehalten hatte. Miller hatte darin die die Nachfolgerbeziehung so rekonstruiert: Angenommen, der Begriff ist „Reihe der natürlichen Zahlen, die mit 3 aufhört“. Diesem Begriff wird die Anzahl 4 zugeordnet, und zwar deshalb, weil zu den Gegenständen, die unter diesen Begriff fallen, nicht nur die 1, die 2 und die 3 gehören, sondern auch die 0. Die Nachfolgerbeziehung ist in diesem Fall die Beziehung zwischen der 3, die im Begriff erscheint und der 4, die sich dadurch ergibt, dass zu den Gegenständen auch die 0 gehört.48
Lacan behauptet an der zuletzt zitierten Stelle, dass Frege die Zahlen „auf genau diese Weise“ ableitet wie Lacan. Nun hatte Lacan mit dem Begriff der Markierung operiert, den Frege nicht verwendet. Frege verbindet den Begriff „gleich Null“ mit der Zahl Eins. Darin sieht Lacan eine Entsprechung zu seinem eigenen Begriff der Markierung. Der Vollzug der Markierung korrespondiert für ihn, so scheint es, dem Akt, durch welchen dem Begriff „gleich Null“ die Zahl Eins zugewiesen wird. Lacans implizite These lautet, wie oben dargestellt, dass die Null rückwirkend durch die Eins konstituiert wird. Offenbar deutet Lacan den Zusammenhang zwischen dem Begriff „gleich Null“ und der Anzahl Eins als eine rückwirkende Konstituierung der Null durch die Eins.
Vielleicht können wir uns das so vorstellen: Auf einer Fläche wird eine Markierung angebracht, ein „unärer Zug“, ein Einzelstrich. Das Anbringen der Markierung entspricht dem ersten „plus Eins“. Durch die Markierung, durch die Operation (+ I), entsteht, gewissermaßen unterhalb der Markierung und im selben Zuge, die Leerstelle, die Null: , d.h. dieselbe Fläche ohne die Markierung. Zuvor hatte sie keinerlei Bestimmtheit, nach der Markierung ist sie der Platz, auf dem die Marke eingetragen wird, aber ohne Marke.
Wiederholung
Lacan fährt so fort:
… „Die Frage der Zwei ist für uns die Frage des Subjekts, und hier treffen wir auf ein Faktum der psychoanalytischen Erfahrung, insofern die Zwei nicht die Eins vervollständigt, um Zwei zu ergeben, vielmehr muss sie die Eins wiederholen, um der Eins die Existenz zu gestatten. Diese erste Wiederholung ist die einzige, die notwendig ist, um die Genese der Zahl zu erklären, und nur eine Wiederholung ist notwendig, um den Status des Subjekts zu konstituieren. Das unbewusste Subjekt ist etwas, was danach strebt, sich zu wiederholen, aber nur eine solche Wiederholung ist notwendig, um es zu konstituieren.“29
Lacan bezieht die Zahlenlogik jetzt ausdrücklich auf das Feld der Psychoanalyse. Mit dem Verhältnis von Eins und Zwei gibt es hier eine doppelte Erfahrung, sagt er. Dass die Zwei die Eins wiederholt und ihr so rückwirkend die Existenz ermöglicht, sei psychoanalytisch erfahrbar. Erfahrbar sei auch, dass es keineswegs so ist, dass die Zwei die Eins vervollständigt, um Zwei zu ergeben.
Die zurückgewiesene Konzeption der Zwei – die Vervollständigungskonzeption – bezieht sich wieder auf das Paar. Die Zwei beruht nicht auf einer Ordnung der Komplettierung, wie in Freuds (und Platons) Konzeption des Eros. Zwei Jahre später wird Lacan es so formulieren: Es gibt kein sexuelles Verhältnis.49
Vielmehr wird die Zwei durch die Eins rückwirkend erzeugt. Lacan formuliert hierzu drei Thesen:
– Die rückwirkende Erzeugung der Zwei durch die Eins wird durch eine Erfahrungstatsache bestätigt, nämlich durch die Wiederholung.
– Eine einzige Wiederholung genügt, um den Wiederholungszwang – das beständige Sich-Wiederholen – in Gang zu setzen.
– Wesentlich für das Subjekt ist die Wiederholung.
Die erste Wiederholung besteht logischerweise aus zwei Phasen, dem Anfangsmoment und dem ersten Wiederholen. Das erste Wiederholen hat also, Lacan zufolge, die folgenden Effekte: es erzeugt den Anfangsmoment, es setzt die weitere Wiederholung in Gang und es konstituiert das Subjekt.
Damit spielt er auf zwei Theoreme von Freud an, auf das Konzept der Nachträglichkeit und auf den Begriff der zweifachen Niederschrift.
Nachträglichkeit
Das unbewusste Subjekt äußert sich, Freud zufolge, in Symptomen; charakteristisch für Symptome ist der Wiederholungszwang.50 Dem Wiederholungszwang liegt ein Trauma zugrunde, und das Trauma beruht auf einer einzelnen Wiederholung. Diese einzelne Wiederholung ist in Freuds Terminologie die Beziehung der Nachträglichkeit.51
Bereits im Entwurf einer Psychologie (1895) hatte er das Trauma so erklärt: Es gibt ein erstes Ereignis, das keine sexuelle Erregung erweckt und nicht in einen Bedeutungszusammenhang eingeordnet werden kann; es gibt ein zweites Ereignis, durch das die Erinnerung an das erste Ereignis nachträglich seine Bedeutung erhält; dies hat zur Folge, dass die Erinnerung an das erste Ereignis geweckt und mit traumatisierender Erregung verbunden wird. Die zweite Szene verleiht der ersten ihren pathogenen Wert, die erste Szene wird nachträglich zum Trauma. Freud schreibt: „Dieser Fall ist nun typisch für die Verdrängung bei der Hysterie. Überall findet sich, daß eine Erinnerung verdrängt wird, die nur nachträglich zum Trauma geworden ist.“52 In der Analyse des sogenannten Wolfsmannes greift Freud auf das Konzept der Nachträglichkeit zurück. Im Alter von anderthalb Jahren erlebt das Kind eine erste Szene: Es beobachtet den Koitus der Eltern, ohne dass dies größere Folgen hätte (die „Urszene“); im Alter von vier Jahren bringt ein Traum die frühere Koitusbeobachtung zur nachträglichen Wirksamkeit und ruft ein Trauma hervor.53
Auf die Bedeutung der Nachträglichkeit hatte Lacan bereits im sogenannten Rom-Vortrag von 1953 verwiesen54, in Seminar 1 hatte er sich erneut darauf bezogen.55
In Lacans Frege-Deutung wiederholt die Zwei die Proto-Eins und erzeugt so rückwirkend die Eins. Damit will er letztlich sagen, die Eins wiederholt die Proto-Null und erzeugt so rückwirkend die Null. Entsprechend beruht der Wiederholungszwang darauf, dass ein unschädliches Ereignis (die Proto-Null) durch ein ähnliches Ereignis wiederholt wird (die Eins) und hierdurch die Erinnerung an das erste Ereignis nachträglich zu einem Trauma wird (zur Null).
Auf diesem Trauma beruht der Wiederholungszwang – eine einzige Wiederholung genügt, um die Wiederholung der Wiederholung in Gang zu setzen.
Durch die erste Wiederholung wird das Subjekt konstituiert; das Subjekt entspricht der Null.
Im Seminar über die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse heißt es:
„Zur Veranschaulichung dessen, was in der Zahl bereits impliziert ist, von der Präsenz des Anderen her, sollte es, meingott! ausreichen, dass ich Ihnen sage, daß die Zahlenfolge nur darstellbar ist, wenn man, mehr oder weniger kaschiert, die Null einführt. Nun, die Null ist die Präsenz des Subjekts, das auf dieser Ebene die Summe bildet. Aus der Dialektik von Subjekt und Anderem können wir die Null nicht herausziehen. Die scheinbare Neutralität dieses Feldes verdeckt die Präsenz des Begehrens als solchem.„56
Die Null symbolisiert das Subjekt – als Begehren, als Seismangel.
Zweifache Niederschrift
Die Nachträglichkeit des Traumas wird von Freud im Jahre 1896 in einem Brief an Wilhelm Fließ in eine Theorie der mehrfachen „Niederschrift“ von Erinnerungsspuren integriert: die Erinnerungsspuren erfahren eine „Umschrift“; das Gedächtnis ist „in verschiedenen Arten von Zeichen“ niedergelegt. Es gibt mindestens drei solcher „Niederschriften“: die erste Niederschrift ist das Wahrnehmungszeichen, die zweite Niederschrift ist das das Unbewusstsein, und die dritte Niederschrift das Bewusstsein.57
In der Traumdeutung (1900) weist Freud diese (von ihm nie veröffentlichte) Hypothese zurück:
„Wenn wir also sagen, ein unbewusster Gedanke strebe nach Übersetzung ins Vorbewußte, um dann zum Bewußtsein durchzudringen, so meinen wir nicht, dass ein zweiter, an seiner Stelle gelegener Gedanke gebildet werden soll, eine Umschrift gleichsam, neben welcher das Original fortbesteht; und auch vom Durchdringen zum Bewußtsein wollen wir jede Idee einer Ortsveränderung sorgfältig ablösen.“58 Das Bewusstwerden unbewusster Gedanken beruht nicht auf Umschrift und nicht auf Ortswechsel, sondern auf einer Verlegung der Energiebesetzung.
In Das Unbewusste (1915) greift Freud das Problem wieder auf:
„Wenn ein psychischer Akt (beschränken wir uns hier auf einen solchen von der Natur einer Vorstellung) die Umsetzung aus dem System Ubw in das System Bw (oder Vbw) erfährt, sollen wir annehmen, daß mit dieser Umsetzung eine neuerliche Fixierung, gleichsam eine zweite Niederschrift der betreffenden Vorstellung verbunden ist, die also auch in einer neuen psychischen Lokalität enthalten sein kann, und neben welcher die ursprüngliche unbewußte Niederschrift fortbesteht? Oder sollen wir eher glauben, daß die Umsetzung in einer Zustandsänderung besteht, welche sich an dem nämlichen Material und an derselben Lokalität vollzieht?“59 In diesem Aufsatz erklärt Freud, er halte beides für möglich.
Was geschieht mit einer unbewussten Vorstellung, wenn sie bewusst wird? Erste Möglichkeit: die Vorstellung wird ein zweites Mal niedergeschrieben, an einem anderen Ort des psychischen Apparats, d.h. im Bewusstsein oder im Vorbewussten (dies ist die Idee von 1896). Zweite Möglichkeit: die Vorstellung bleibt, wo sie ist, nur ihr Zustand wird verändert; dies ist die Version der Traumdeutung, die Zustandsveränderung besteht darin, dass eine Energiebesetzung verlegt oder entzogen wird.
Die „zweite Niederschrift“ ist mit „double inscription“ ins Französische übersetzt worden; durch Rückübersetzung wurde hieraus der Begriff der „doppelten Einschreibung“.
Das Problem der „zweiten Niederschrift“ war 1960 von Jean Laplanche und Serge Leclaire in einem Vortrag zu lösen versucht worden.60
In Die Wissenschaft und die Wahrheit (1965) hatte Lacan diesen Lösungsversuch kritisiert.61 In den Seminaren 12 und 13 entwickelt er seine alternative Auffassung von der zweiten Niederschrift; im Baltimore-Vortrag fasst er sie zusammen.
Lacans These zur zweifachen Niederschrift lautet: Die zweite Niederschrift erzeugt rückwirkend die erste.
Markierung als Bedingung der Wiederholung
Was ist notwendig, fragt Lacan anschließend, damit das Zweite das Erste wiederholen kann?
Die Antwort könnte lauten, sagt er, für die Wiederholung sei es nötig, dass das Erste und das Zweite dasselbe sind; bei der Zwei würde es sich dann gewissermaßen um Zwillinge handeln, bei der Drei um Drillinge usw. Und tatsächlich habe man, als er, Lacan, zur Schule ging, Kindern beigebracht, dass sie auf keinen Fall Mikrofone mit Wörterbüchern addieren dürfen (Äpfel mit Birnen, hieß das, als ich in die Schule ging). Der Witz der Addition bestehe aber gerade darin, so betont Lacan, dass wir durchaus Mikrofone mit Wörterbüchern addieren können. In der Sprache der Mengenlehre könnte man Lacans Argument so ausdrücken: den Elementen einer Menge wird keinerlei Homogenitätsanforderung auferlegt. Dazu stelle ich mir die folgende Szene vor: Der Vater sagt zum Kind: Du darfst fünf Sachen mitnehmen. Das Kind packt zwei Mikrofone, ein Wörterbuch, einen Apfel und eine Birne in den Koffer.
Lacan fährt so fort:
„Die Gleichheit liegt nicht in den Dingen, sondern in der Markierung, die es ermöglicht, Dinge ohne Berücksichtigung ihrer Differenzen zu addieren.“62
Demnach ist es zwar richtig, dass die Bedingung für die Addierbarkeit von Dingen ihre Gleichheit ist, dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Gleichheit, die in den Dingen selbst liegt. Die Gleichheit, die dafür sorgt, dass Addition möglich ist, beruht vielmehr auf der Markierung, d.h. auf der Operation, durch die etwas als je eins gezählt wird. Die Markierung tilgt die qualitativen Unterschiede zwischen den Dingen.
Der Begriff der Markierung findet sich nicht bei Frage. Indirekt sagt Lacan hier: Frege setzt stillschweigend voraus, dass etwas darauf reduziert werden kann, Eines zu sein, das zu einem Begriff gehört und dessen Extension ausmacht, dessen Umfang. Man müsse aber fragen, wie diese Reduktion auf je Eines möglich ist, und Lacans Antwort auf diese Frage lautet: durch die Markierung. Die Markierung verwandelt das unbestimmte Etwas in je Eines. Finkelde bezeichnet in seinem Kommentar diese Operation als die „Auf-Eins-Zählung“.63
Lacan spricht also auf zwei Weisen von Dingen. Einige Sätze zuvor ging es um das Ding als etwas, was durch die Markierung unzugänglich ist. Jetzt geht es um Dinge unter dem Aspekt, dass sie durch die Markierung addiert werden können. Die Markierung führt gewissermaßen zu einer Spaltung des Dings, sie hat zur Folge, dass sich das unzugängliche Ding in seiner qualitativen Besonderheit vom Ding als etwas Addierbarem scheidet, mit Kant und Hegel: das Ding an sich vom Ding für uns Rechnende.
… „Die Markierung bewirkt, dass die Differenz ausgelöscht wird, und das ist der Schlüssel zu dem, was dem Subjekt geschieht, dem unbewussten Subjekt in der Wiederholung; da Sie wissen, dass dieses Subjekt etwas eigentümlich Signifikantes wiederholt, ist das Subjekt hier beispielsweise in diesem obskuren Ding, das wir in manchen Fällen Trauma nennen oder exquisite Lust [pleasure].“62
Die Markierung führt zu einer Auslöschung der Unterschiede, damit konstituiert sich einerseits das Ding im Sinne von „das unzugängliche Ding“, andererseits das abzählbare Ding.
Eine frühe Fassung dieses Gedankens findet sich im sogenannten Rom-Vortrag von 1953/56, wo es heißt „Das Symbol manifestiert sich als Mord am Ding“ (vgl. diesen Blogartikel).
Die Auslöschung der Unterschiede durch die Markierung hat eine Entsprechung im Feld der Psychoanalyse, sie ist der Schlüssel zu dem, was dem unbewussten Subjekt geschieht, dem Subjekt, das in Beziehung zum Denken der unbewussten Gedanken steht. Dieses Subjekt ist durch die Wiederholung charakterisiert, in Freuds Terminologie: durch den Wiederholungszwang.
Das, was wiederholt wird, ist etwas, was auf bestimmte Weise signifikant ist – der Wiederholungszwang beruht auf verdrängten Vorstellungen, würde Freud sagen, mit Lacan: auf verdrängten Signifikanten. Im Seminar über die Identifizierung (Seminar 9 von 1961/62) heißt es hierzu:
„Wenn Sie von der repetitiven Inzidenz bei der Symptombildung sprechen, dann insofern, als das, was sich wiederholt, nicht einfach nur da ist, um die natürliche Funktion des Zeichens zu erfüllen, welche darin besteht, eine Sache zu repräsentieren, die Sache, die hier aktualisiert würde, sondern um als solchen den abwesenden Signifikanten zu präsentifizieren, zu dem diese Aktion geworden ist. Ich sage, insofern das, was verdrängt ist, ein Signifikant ist, präsentiert sich an seiner Stelle dieser Zyklus des realen Verhaltens.“64
Die Wiederholung beruht demnach auf der Beziehung zwischen zwei Signifikanten. Der eine Signifikant ist manifest, er besteht in einem bestimmten Verhalten, in einem Verhalten, das sich wiederholt. Der andere Signifikant ist verdrängt, er bildet den Sinn des Symptoms. Der Sinn des Symptoms ist ein verdrängter Signifikant.
Im Falle der Wiederholung ist das Subjekt in dem, was manchmal als Trauma bezeichnet wird, manchmal als „exquisite Lust“. Bei der Wiederholung beht es also nicht nur um Signifikanten, es kommt auch die Lust ins Spiel.
Dass es in der Wiederholung um das Trauma geht, entspricht Freuds Auffassung in Jenseits des Lustprinzips (1920); dass die Wiederholung auf eine exquisite Lust abzielt, erinnert an den Begriff des Befriedigungserlebnisses in Freuds Entwurf einer Psychologie (1895).
Das Trauma oder die exquisite Lust ist ein „obskures Ding“: Das Trauma oder die exquisite Lust sind das Ding, insofern es unzugänglich ist.
Es folgt die schwierigste Passage des Vortrags.
… „Was geschieht hier? Wenn das ‚Ding‘ in dieser symbolischen Struktur existiert, wenn dieser unäre Zug entscheidend ist, dann ist hier der Zug [trait] der Gleichheit. Damit das gesuchte ‚Ding‘ hier in Ihnen ist, ist es notwendig, dass der erste Zug [trait] ausgelöscht wird, denn der Zug selbst ist eine Modifizierung. Er ist das Wegnehmen jeder Differenz, und in diesem Fall, ohne den Zug, ist das erste ‚Ding‘ schlicht verloren. Der Schlüssel zu diesem Insistieren in der Wiederholung besteht darin, dass Wiederholung als Wiederholung symbolischer Gleichheit ihrem Wesen nach unmöglich ist. Das Subjekt ist auf jeden Fall der Effekt der Wiederholung, insofern sie das ‚Schwinden‘ [‚fading‘] – die Auslöschung – der ersten Fundierung des Subjekts notwendig macht, weshalb das Subjekt, seinem Status nach, immer als ein gespaltenes Wesen [divided essence] vorgestellt wird.“65
Die Argumentation ist an dieser Stelle so gedrängt, dass ich sie portionsweise wiederhole und kommentiere.
(1) Was geschieht hier?
Meint: Wie funktioniert die Wiederholung?
(2) Das „Ding“ existiert in dieser symbolischen Struktur, der unäre Zug ist entscheidend.
Die erste Markierung, so hatte es zuvor geheißen, hat zur Folge, dass etwas den Status eines (unzugänglichen) Dings annimmt. Statt von der ersten Markierung spricht Lacan jetzt vom „einzelnen Zug“, vom „unären Zug“. Dafür, dass etwas zum (unzugänglichen) Ding wird, ist entscheidend, dass eine Markierung durch den unären Zug vollzogen worden ist und dass sich auf diese Weise eine symbolische Struktur auf es bezieht.
„Unärer Zug“ und „Markierung“
Die Gleichsetzung von „Markierung“ und „unärem Zug“ findet sich bereits in Seminar 9 über die Identifizierung:
„Was bleibt, ist etwas von der Ordnung dieses unären Zugs, insofern er als distinktiv funktioniert und hierbei die Rolle der Markierung spielen kann.“66
In diesem Seminar hatte Lacan den Begriff – wenn auch nicht den Terminus – des trait unaire den Mathematikern zugeschrieben, auf die Frege sich beruft:
„Sie werden auch keine Mühe haben – Sie werden es finden, wenn Sie Frege lesen, auch wenn Frege, mangels einer hinreichenden Theorie des Signifikanten, diesen Weg nicht beschreitet –, Sie werden keine Mühe haben, im Text von Frege zu finden, dass die besten Analytiker der Funktion der Einheit, insbesondere Jevons und Schröder, den Akzent genau auf die Funktion des einzigen Zugs / des Einzelstrichs gesetzt haben, auf dieselbe Weise wie ich.“67
Die ursprüngliche Markierung ist die primäre Identifizierung mit dem idealisierten Vater. Die Behauptung ‚Für die Existenz des Dings ist der unäre Zug entscheidend‘ meint also, ins Psychoanalytische übersetzt: Durch die primäre Identifizierung, durch die Identifizierung mit dem idealisierten und geliebten Vater, entsteht das „Ding“, wird das Begehren nach dem Genießen der Mutter zu dem, was urverdrängt ist.
(3) Der unäre Zug ist der Zug der Gleichheit, er tilgt jede Differenz und ist so eine Modifizierung.
In Seminar 9 wird das Verhältnis von unärem Zug, Auslöschung der Differenz und Ding so dargestellt:
„Das Erscheinen der Dimension des Anderen und das Auftauchen des Subjekts – ich kann nicht oft genug daran erinnern, um Ihnen die Bedeutung dessen zu vermitteln, worum es geht –, dessen Paradoxie, so denke ich, für Sie hinreichend artikuliert sein muss, insofern nämlich als das Begehren – verstehen Sie es im natürlichsten Sinne – sich nur in derjenigen Spannung konstituieren muss und kann, die durch diese Beziehung zum Anderen geschaffen ist, und die ihren Ursprung in Folgendem hat: in der Ankunft des unären Zugs, insofern er, zunächst und um damit anzufangen, vom Ding alles auslöscht, dieses etwas, alles außer diesem Eins, das es gewesen ist, für immer unersetzbar.“68
Durch den unären Zug wird von einem Ding (hier noch im weiten Sinne des Wortes) alles ausgelöscht, wodurch es sich von anderen Dingen unterscheidet; es wird auf je Eines reduziert. Durch den unären Zug wird es mit anderen Dingen gleichgesetzt. Diese Operation lässt das Ding nicht unberührt, der unäre Zug wird in das Ding eingeschrieben und durch diese Einschreibung wird es modifiziert. Das Ding spaltet sich gewissermaßen in das addierbare Ding (je Eines) und das qualitativ sich unterscheidende Ding, das ausgelöscht ist, für immer unersetzbar.
Die Modifikation besteht in dieser Umwandlung des Dings, in seiner Reduktion darauf, je eines zu sein.
Das lässt sich auf Freges Zahlentheorie beziehen, hier geht es um das Verhältnis von Begriff, Gegenstand und Selbstidentität sowie um die Beziehung zwischen Null und Eins. Der Begriff ist etwa „Erdmonde“, dann fällt darunter als Gegenstand der uns bekannte Mond – möchte man meinen. Frege zufolge kann aber nur das, was mit sich selbst identisch ist, unter einen Begriff fallen. Miller deutet das in seinem Frege-Vortrag so, dass das, was bei Frege unter den Begriff „Mond“ fällt, nicht der Gegenstand Mond als solcher ist, sondern der Mond nur insofern, als er einer ist, der Mond als zählbare Einheit. Damit wird der Mond, laut Miller, auf seinem Beitrag zum Begriffsumfang reduziert, zur Extension; seine qualitative Verschiedenheit wird getilgt. Die Selbstidentität wiederum – so ergänzt Lacan Frege – wird durch eine Markierung hergestellt, durch den unären Zug.
Die primäre Identifizierung hat zur Folge, dass sich das Subjekt als Eines auffasst, nicht als Einheit im Sinne einer Ganzheit, sondern als je Eines, als zählbare Einheit, als Einer oder Eine neben anderen. Lacans entscheidende These zur Identifizierung lautet demnach: Bei der Identifizierung geht es nicht einfach darum, dass ein Merkmal einer Bezugsperson übernommen wird. Die Identifizierung hat ihre Grundlage vielmehr darin, dass das Subjekt sich als je Eines auffasst, als zählbar.
(4) Damit das gesuchte „Ding“ in Ihnen ist, ist es notwendig, dass der erste Zug ausgelöscht wird, denn der Zug ist eine Modifizierung; wenn der erste Zug ausgelöscht ist, ist das erste Ding aber schlicht verloren.
Zu beachten ist, dass Lacan hier nicht vom unären Zug spricht, sondern vom „ersten Zug“ (first trait), so wie er sich zuvor auf die „erste Markierung“ bezogen hatte. Es geht um die primäre Identifizierung.
Der erste Zug muss ausgelöscht werden. Was damit gemeint ist, sagt Lacan, wie bereits erwähnt, in der Diskussion nach dem Vortrag: Das Auslöschen des ersten Zuges ist die Urverdrängung.
Der erste Zug muss deshalb ausgelöscht werden, weil es sich bei ihm um eine Modifizierung handelt, um eine Modifizierung des Dings. Mir ist nicht klar, was mit diesem Satz gemeint ist.
Das Tilgen des ersten Zuges (die Urverdrängung) hat zur Folge, dass das gesuchte Ding (das unzugängliche Ding) „in Ihnen“ ist, dass es in einem ist, dass es für das Subjekt zum verlorenen Objekt wird. Das Subjekt, so hatte es zu Beginn des Vortrags geheißen, definiert sich durch den Bezug auf ein verlorenes Objekt.
Lacan rekonstruiert die Beziehung zum verlorenen Objekt also in zwei Schritten. Der erste unäre Zug hat zur Folge, dass etwas den Status eines „Dings“ in dem Sinne erhält, dass seine qualitative Unterschiedenheit unzugänglich wird. Im zweiten Schritt wird dieser erste unäre Zug ausgelöscht, er wird urverdrängt, und hierdurch wird das das unzugängliche Ding subjektiviert, es wird zum verlorenen Objekt.
(5) Der Schlüssel zum Insistieren in der Wiederholung besteht darin, dass die Wiederholung als Wiederholung symbolischer Gleichheit ihrem Wesen nach aber unmöglich ist.
Lacan wechselt jetzt von der ersten Wiederholung (der Einschreibung des ersten „unären Zugs“, der primären Identifizierung) zur Wiederholung schlechthin, zum Insistieren in der Wiederholung, also dazu, dass etwas beständig aufs Neue wiederholt wird; in Freudscher Terminologie geht es jetzt um den Wiederholungszwang. Das unbewusste Subjekt – das Subjekt, das die unbewussten Gedanken denkt – ist dasjenige Subjekt, das in der Wiederholung insistiert.
Das Insistieren der Wiederholung beruht darauf, dass symbolische Gleichheit angezielt wird, die Wiederholung symbolischer Gleichheit aber unmöglich ist. Immer wieder versucht das Subjekt, symbolische Gleichheit herzustellen, und immer wieder misslingt ihm dies.
Symbolische Gleichheit von was?
Über die Unmöglichkeit der identischen Wiederholung spricht Lacan bereits in Seminar 2, unter Bezug auf Kierkegaards Schrift Die Wiederholung (1843). Lacan sagt dort:
„Insoweit das, was sich ihm [dem Subjekt] präsentiert, nur partiell mit dem koinzidiert, was ihm bereits Befriedigung verschafft hat, macht sich das Subjekt auf die Suche und wiederholt seine Suche so lange, bis es dieses Objekt wiederfindet. Das Objekt wird angetroffen und strukturiert sich auf dem Wege einer Wiederholung – das Objekt wiederfinden, das Objekt wiederholen. Bloß ist es nie das gleiche Objekt, das das Subjekt antrifft. Anders gesagt, es hört nicht auf, Ersatzobjekte zu erzeugen.“69
Die Wiederholung zielt darauf ab, ein Befriedigungserlebnis herzustellen, das genau dasselbe ist wie ein früheres Befriedigungserlebnis.
In der zuletzt zitierten Stelle aus dem Baltimore-Vortrag bezeichnet Lacan die angestrebte Identität des Befriedigungserlebnisses als „symbolische Gleichheit“, damit ist wohl gemeint: Die Wiederholung eines bestimmten Befriedigungserlebnisses ist nur dann möglich, wenn dieses Befriedigungserlebnis auf irgendeine Weise identifiziert wird. Dazu muss es einen symbolischen Zugang zu eben diesem Erlebnis gibt. Die Identifizierung dieses speziellen Befriedigungserlebnisses erfolgt durch den unären Zug; anders als vermittels dieser Markierung kann es nicht wiederholt werden. Das, was den Zugang zum angestrebten Ziel ermöglicht – zu einem sehr speziellen Befriedigungserlebnis –, versperrt ihn aber zugleich. Durch die Markierung wird die Besonderheit dieses Erlebnisses ausgelöscht, was aber gesucht wird, ist ein bestimmtes Befriedigungserlebnis in seiner Besonderheit, d.h. in seiner Differenz. Es ist diese strukturelle Unmöglichkeit, wodurch die Wiederholung in Gang gehalten wird.
(6) Das Subjekt ist ein Effekt der Wiederholung
Die Leitfrage nach dem Verhältnis von Struktur und Subjekt wird umformuliert, sie wird jetzt übersetzt in die Frage nach dem Verhältnis von Wiederholung und Subjekt.
Zu Beginn des Vortrags hieß es, das Subjekt sei das, was die unbewussten Gedanken denkt; das Subjekt wurde hier als Instanz einer Aktivität beschrieben. Das war ein erster Zugang. Jetzt heißt es, das Subjekt sei eine Wirkung. Vielleicht kann man das so synthetisieren: Bevor es als eine Aktivität aufgefasst werden kann, muss es zunächst als Passivität begriffen werden.
Die Passivität wird auf die Wiederholung zurückgeführt. Wer vom Wiederholungszwang nicht reden will, sollte auch vom Subjekt schweigen. Das Subjekt ist aber nicht diejenige Instanz, die sich im Wiederholungszwang betätigt, nicht der Akteur der Wiederholung. Das Subjekt ist eine Größe, die durch die Wiederholung hervorgebracht wird.
(7) Das Subjekt ist insofern ein Wiederholungseffekt, als die Wiederholung das Auslöschen der ersten Fundierung des Subjekts notwendig macht, das „Schwinden“ (fading) des Subjekts.
Die Wiederholung ist notwendig damit verbunden, dass die erste Fundierung des Subjekts ausgelöscht wird.
Die erste Fundierung des Subjekts ist die primäre Identifizierung, durch sie findet das Subjekt seine anfängliche Stütze im Symbolischen.
Die Auslöschung dieser ersten Fundierung – der primären Identifizierung – ist, in Freuds Terminologie, die Urverdrängung.
Die Urverdrängung ist das, was die Verdrängung in Gang hält und auf keine Weise erinnert werden kann.
In Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung, wird die Verdrängung als „Fading“ oder „Aphanisis“ des Subjekts bezeichnet – als Verschwinden des Subjekts. Das Verschwinden des Subjekts besteht darin, dass es sich in den Äußerungen des Unbewussten – in der Wiederkehr des Verdrängten, z.B. in Wiederholungszwängen – nicht wiedererkennt, dass es sich darin nicht benennen kann, wie Lacan sagt, es kann sie sich nicht zuschreiben; es hat den Eindruck, dass sie ihm von außen zustoßen oder sogar, dass sie sich einfach nur ereignen, ohne dass es damit irgendetwas zu tun hat (vgl. diesen Blogartikel).
Worin besteht der Zusammenhang zwischen der Urverdrängung und der Wiederholung? Die Wiederholung versucht, die erste Fundierung des Subjekts zu reproduzieren, die erste Einschreibung einer Markierung und das damit verbundene Befriedigungserlebnis. Diese erste Fundierung ist jedoch unzugänglich, urverdrängt. Das ist es, wodurch die Wiederholung in Gang gehalten wird: sie zielt darauf ab, etwas zu reproduzieren, was sich nicht reproduzieren lässt.
(8) Aus diesem Grunde wird das Subjekt, seinem Status nach, immer als gespaltenes Wesen vorgestellt.
Das Subjekt wird in der Psychoanalyse immer als gespalten vorgestellt – Lacan konstatiert das hier als Tatsache. Bei Freud sind dies die Spaltungen zwischen dem Vorbewussten und dem Unbewussten, zwischen den Ichtrieben und den Sexualtrieben, zwischen dem Ich und dem Es, zwischen den Lebenstrieben und den Todestrieben. An der Dualität als Dualität hält Freud fest: Als er die Opposition von Ichtrieben und Sexualtrieben aufgibt, konstruiert er einen neuen Gegensatz, den von Lebens- und Todestrieben (Jenseits des Lustprinzips, 1920).
Die Frage, die Lacan zu beantworten versucht, lautet: Warum? Warum wird das Subjekt als gespalten vorgestellt?
In Freuds Begrifflichkeit ist die Spaltung anfangs die zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten. In Lacans Konzeption geht es um die Spaltung zwischen der Identifizierung und der Wiederholung. Auf der primären Identifizierung bauen die anderen Identifizierungen auf und damit das Ichideal. Dies ist die eine Seite der Spaltung: gewissermaßen der Ich-Apparat. Die andere Seite der Spaltung ist die Wiederholung. Sie ist die grundlegende Form, in der sich das Unbewusste äußert (sofern es nicht erinnert wird). Die Wiederholung versucht vergeblich, das ursprüngliche Befriedigungserlebnis zu wiederholen, das mit der ersten Einschreibung einer Markierung verbunden war, mit der ersten Einschreibung eines „unären Zugs“, also mit der urverdrängten Grundlage des Ich-Apparats. Der unäre Zug ist sowohl die Grundlage der Identifizierung und des Ichideals als auch die Basis der Wiederholung (vgl. diesen und diesen Blogartikel).
Wie lässt sich das auf Frege beziehen? Vielleicht so: Die Null entspricht der urverdrängten primären Identifizierung, die beständig hinzugefügte Eins der Wiederholung.
Nach dieser hochverdichteten Passage kommt Lacan im Baltimore-Vortrag auf seinen Begriff des „Zugs“ (trait) zurück, also auf das Element, das er Freges Argumentation hinzugefügt hatte.
…“Der Zug [trait] ist, ich beharre darauf, identisch, aber er sichert die Differenz nur von Identität – nicht durch die Wirkung von Gleichheit oder Differenz, sondern durch die Differenz der Identität. Das ist leicht zu verstehen: Wie wir im Französischen sagen, je vous numérotte, ich gebe jedem von Ihnen eine Zahl, und das stellt sicher, dass sie sich numerisch unterscheiden, aber nichts darüber hinaus.“70
Der Zug – z.B. der Strich in einer Strichliste – ist identisch, dies nach dem von Leibniz formulierten Kriterium der Identität, auf das Frege sich stützt: „Eadem sunt, quorum unum potest substitui alteri salva veritate“: „Identisch sind diejenigen, bei denen es möglich ist, sie durcheinander zu ersetzen und die Wahrheit dabei erhalten bleibt.“71 Die „Züge“ sind insofern identisch, als man sie füreinander einsetzen kann und die Wahrheit hierbei gerettet wird. Wenn ich zwei Striche hintereinander schreibe, zuerst I und dann I, repräsentieren sie die Zahl Zwei. Wenn ich die beiden Striche miteinander vertausche, repräsentieren sie nach wie vor die Zwei; die Wahrheit des Satzes „Dies ist eine Zwei“ bleibt erhalten. Insofern sind die Striche – die „Züge“ – identisch. Wenn ich arabische Ziffern verwende, ist das anders. Wenn ich zwei Zahlen nacheinander notiere, z.B. 1 und 2, bilden sie zusammen eine 12, als Wahrheit kann ich festhalten: „eine Eins und eine Zwei repräsentieren zusammen die Zahl Zwölf“. Wenn ich sie durcheinander ersetze, erhalte ich eine andere Zahl, Einundzwanzig, die Wahrheit bleibt nicht erhalten. 1 und 2 sind nicht identisch.
Der Zug oder Strich sichert Differenz – ein Strich ist etwas anderes als zwei Striche oder drei Striche. Dies ist allerdings eine Differenz spezieller Art, eine Differenz auf der Basis der Identität. Wenn ich zwei Menschen vor mir habe und jeden durch eine Zahl benenne: Eins, Zwei, dann unterscheiden sie sich als „Eins“ und als „Zwei“, nicht aber darüber hinaus; jeder wird darauf reduziert, ein Einzelner zu sein. Alle anderen Merkmale sind im Rahmen dieser Operation irrelevant.
Schnitt
Das Subjekt ist also die Wirkung einer Markierung durch einen „Zug“, der zugleich einer ist und zwei, und Lacan fragt als nächstes, wie dies der Anschauung zugänglich gemacht werden kann, derart, dass man gewissermaßen sieht, dass der trait – der Zug, der Strich, die Linie – zugleich Eins und Zwei ist.
Lacans Antwort auf die selbstgestellte Frage sieht man während seines Vortrags in Gestalt von Zeichnungen an der Wand. Im Kongressband findet man eine Zeichnung eines Möbiusbandes, auf der, parallel zum Rand, eine geschlossene Linie eingezeichnet ist.72 Man erfährt nicht, ob diese Zeichnung von Lacan ist oder von den Herausgebern.
Mit der Verwendung des Möbiusbandes wird klar, dass Lacan sich zur Rekonstruktion des Verhältnisses von Struktur und Subjekt auf eine weitere Grundlagendisziplin der Mathematik stützt, nicht nur auf die mathematische Logik, sondern auch auf die Topologie, eine Disziplin, die sich mit denjenigen Eigenschaften von Flächen befasst, die bei Verformung der Flächen erhalten bleiben. Eine der von der Topologie untersuchten Flächen ist das Möbiusband. Lacan verwendet das Möbiusband, um die Struktur des Subjekts darzustellen. Es hat nur eine Seite – der Gegensatz von Vorderseite und Rückseite existiert nur lokal – und demonstriert damit die Eigenschaft des Verdrängten, wiederzukehren.
In dem Aufsatz Das Unbewusste stellt Freud die Frage nach der einfachen oder doppelten Niederschrift im Abschnitt über den „topischen Gesichtspunkt“. Er betont dort, dass der topische Gesichtspunkt nichts mit Anatomie zu tun hat, dass es nur um „Veranschaulichungen“ gehe.73 Offenkundig knüpft Lacan hieran an; aus dem „topischen Gesichtspunkt“ wird die Bezugnahme auf die Topologie. Die Einschreibung, die zugleich eine und zwei ist, soll der Anschauung durch Rückgriff auf die Topologie nahegebracht werden.
Da ein Möbiusband nur einen einzigen Rand hat (die Ränder, die sich an einer bestimmten Stelle gegenüberliegen, gehen nahtlos ineinander über) entspricht die gestrichelte Linie dem Rand eines Möbiusbandes. Im Vortrag bezeichnet Lacan diese Linie als „inverted eight“, wörtlich, als „umgedrehte Acht“. Das ist die Übersetzung des französischen Ausdrucks huit intérieur, den Lacan in Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, eingeführt hatte; in den deutschen Lacanausgaben findet man hierfür „Innenacht“; Finkelde übersetzt mit „invertierte Acht“.
Die Innenacht, sagt Lacan, kann als eine oder als zwei Linien aufgefasst werden. Sie ist insofern eine einzige Linie, als sie aus einem einzigen geschlossenen Strich besteht; sie ist zwei Linien, insofern dieser Strich gewissermaßen zwei Kreise dreht.
Die Innenacht ist also eine Linie, die an eine Acht erinnert, deren kleinere Schlaufe in die größere geklappt ist. Diese Linie existiert jedoch nicht freischwebend im Raum, sie ist zu verstehen als Linie auf einer Fläche.
Hält man sich an die Zeichnung, die im Kongressband veröffentlicht wurde, ist die Linie auf dem Möbiusband keine Innenacht, sondern eine Linie auf der Mitte des Möbiusbandes, parallel zu den Rändern. Auf einem Möbiusband kann aber auch eine Innenacht eingetragen werden. Wenn man das Möbiusband parallel zu den Rändern zerschneidet, erhält man ein einzelnes zweiseitiges Band. Wenn man einen Schnitt in Form einer Innenacht vornimmt, erhält man ein Möbiusband und ein gewöhnliches Band mit zwei Seiten.74
Das Diagramm des Möbiusbandes mit der eingezeichneten Linie kann aufgefasst werden, so heißt es im Baltimore-Vortrag,
„als Grundlage für eine Art wesentliche Einschreibung (inscription) am Ursprung, in dem Knoten, der das Subjekt konstituiert“75
Das englische Wort inscription kann man auch mit „Niederschrift“ übersetzen; Lacan spielt hier auf Freuds Begriff der mehrfachen „Niederschrift“ an. Das Subjekt wird konstituiert durch eine Ur-Einschreibung, eine ursprüngliche Niederschrift. Das von Freud mit diesem Begriff aufgeworfene Problem lautet (wie bereits dargestellt): Was geschieht mit einer unbewussten Vorstellung, wenn sie bewusst wird – handelt es sich um dieselbe Niederschrift oder um zwei verschiedene? Lacan gibt die Antwort, wenn ich ihn an dieser Stelle recht verstehe: beides zugleich. Die ursprüngliche Niederschrift ist zugleich eine und zwei, und dieser Doppelcharakter kann der Anschauung durch die Innenacht nahegebracht werden. Lacan nennt die ursprüngliche Niederschrift, die zugleich ein und zwei ist – die also nicht mit sich selbst identisch ist – den „einzigen Zug“ (trait unaire).
Die ursprüngliche Einschreibung oder Niederschrift bildet den „Knoten“, der das Subjekt konstituiert – Lacan verwendet den Terminus „Knoten“ hier als Metapher, noch nicht, wie ab Seminar 19, als theoretischen Begriff im Sinne der mathematischen Knotentheorie.76
Wenn das Subjekt, so heißt es im Baltimore-Vortrag weiter, durch eine Einschreibung konstituiert wird, durch eine Niederschrift, dann benötigt man, um das Verhältnis von Struktur und Subjekt zu erfassen, nicht nur den Zug bzw. die Markierung, sondern auch eine Fläche, in welche dieser Zug eingeschrieben ist; in der Zeichnung ist diese Fläche ein Möbiusband.
Welche Fläche ist für die Markierung am besten geeignet, fragt Lacan weiter, um das Subjekt darzustellen? Ein Anwärter, der sich gewissermaßen aufdrängt, sie die Kugel bzw., wie Mathematiker sagen, die Sphäre (in der Topologie – die sich nur für solche Strukturen interessiert, die bei Verformung erhalten bleiben – ist eine Sphäre von einem Würfel oder Quader oder Polyeder nicht zu unterscheiden). Lacan erklärt die Sphäre für ungeeignet: Sie ist ein altes Symbol für Ganzheit, das Subjekt soll aber gerade in seiner Spaltung dargestellt werden.
Für die Zwecke der psychoanalytischen Theoriebildung, so heißt es weiter, sind andere Flächen der Topologie besser geeignet, um den „Schnitt“ in Form einer Innenacht zu empfangen: der Torus, die Kreuzhaube, die Klein’sche Flasche. Der Ausdruck „Schnitt“ – ein Grundbegriff der Topologie – ist hier ein Synonym für die Markierung bzw. für den unären Zug; Lacan versteht darunter bisweilen das Auftragen einer Linie auf eine Fläche, bisweilen das Zerschneiden einer Fläche.
Lacan gibt in seinem Vortrag nur knappe Hinweise zur Topologie; er spielt auf Zusammenhänge an, die er in den Seminaren 9, 12 und 13 breit entwickelt hatte und auf die er in Seminar 14 zurückkommen wird. Hier einige Ergänzungen zum Vortrag:
Ein Torus ist eine Art Reifen oder Donut; im Rahmen der Topologie muss man sich dieses Gebilde als eine Fläche vorstellen, die beliebig verformbar ist, ohne zu zerreißen.
Unter einer Kreuzhaube verstehen Mathematiker das folgende Gebilde:
Lacan meint mit „Kreuzhaube“ meist eine Kreuzhaube, die gewissermaßen auf eine Halbkugel aufgesetzt ist:
Auch für diese Form der geschlossenen Kreuzhaube gilt, dass sie nicht orientierbar ist, das also Innenseite und Außenseite nur lokal unterschieden werden können, nicht aber durch eine Kante getrennt sind. Lacan verwendet die Kreuzhaube, um das Verhältnis zwischen dem Subjekt ($) und dem Objekt a im Phantasma ($ ◊ a) zu erläutern: wenn man eine Kreuzhaube-auf-einer-Sphäre mit einem Schnitt in Form einer Innenacht zerschneidet, erhält man zwei Flächen: ein Möbusband, und damit das Subjekt, und eine Scheibe, die dem Objekt a entspricht.
(In der 1970 veröffentlichen Version des Vortrags steht an dieser Stelle „cross cut“ Kreuzschnitt, statt „cross cap“, Kreuzhaube. Das ist ein offensichtlicher Transkriptionsfehler – in den Seminaren spricht Lacan immer von „cross cap“, nie von „cross cut“. Finkelde hat den Fehler in seiner Ausgabe nicht korrigiert; in der englischen Version des Vortrags belässt er es bei „cross cut“, und er übersetzt diesen Ausdruck mit „Querschnittsfläche“.)
Eine Klein’sche Flasche ist eine Art Möbiusband ohne Rand: von der Vorderseite gelangt man zur Rückseite, ohne eine Kante zu überqueren.77
Wenn man die Innenacht als Schnitt auf unterschiedlichen Flächen anbringt, lässt sich damit, so behauptet Lacan in Baltimore, die Struktur „mentaler Krankheiten“ erklären. Das neurotische Subjekt, sagt er, entspricht einem Schnitt auf einem Torus.
In Seminar 9 hatte er das neurotische Subjekt dadurch definiert, dass es versucht, das Objekt seines Begehrens in Ansprüche zu verwandeln, in Forderungen, und er hatte diese Beziehung durch Kreise und Spiralen auf einem Torus dargestellt.
In der folgenden Zeichnung stehen die Kreise (D), die gewissermaßen dem Schlauchumfang folgen, für die Ansprüche, für symbolisch artikulierte Fordernungen (D für demande).78
Ein Kreis, der den gesamten Torus umspannt, repräsentiert das Begehren (d für désir); die zentrale Leere des Torus steht für das Objekt des Begehrens.79
Die Kreise des Anspruchs (D1, D2 usw.) können als Spirale dargestellt werden, wie in der folgenden Abbildung.80 Diese Spirale ist beides zugleich, sowohl die Linie der Ansprüche wie auch die des Begehrens, sie ist zugleich Vieles und Eines.
Die Spirale lässt sich auf zwei Windungen zusammenziehen, wodurch man das folgende Bild erhält81; der kleine Kreis entspricht einem Anspruch (D), der große dem Begehren (d).
Auf diese Weise ist man bei einer Gestalt der Innenacht angelangt, bei dem Schnitt auf dem Torus, der zugleich Eins und Zwei ist.
Die Neurose wird von Lacan durch das Verhältnis zweier Tori dargestellt, die sich am Punkt der zentralen Leere durchdringen:
Das Diagramm soll zeigen, dass der Neurotiker versucht, sein Begehren an den Anspruch des Anderen anzupassen.
Wie gelangt die Innenacht auf den Torus? In Seminar 13 von 1965/66, Das Objekt der Psychoanalyse, beschreibt Lacan das folgende Verfahren: Ein Möbiusband wird einmal der Länge nach zerschnitten, beispielsweise entlang der gestrichelten Linie in der Zeichnung weiter oben. Hierdurch erhält man ein Band mit zwei Windungen. Es ist kein Möbiusband mehr (es ist orientierbar), es repräsentiert das Möbiusband gewissermaßen als Schnitt. Dieses Band kann man auf einem Torus anbringen.82
„Eine andere Art der mentalen Krankheit“, heißt es im Baltimore-Vortrag weiter, „entspricht dem Schnitt auf einer Kreuzhaube.“ Welche andere Krankheit ist gemeint? Vermutlich die Psychose.
In der ersten Sitzung von Seminar 14, einen Monat nach dem Vortrag, zeigt Lacan auf zwei Diagramme, die Kreuzhauben darstellen, die mit Halbkugeln verklebt sind. Die eine hat einen Schnitt in Form eines Kreises, die andere einen Schnitt in Form einer Innenacht. Dazu macht Lacan eine Bemerkung, die zwar schwer verständlich ist (der Satz ist grammatisch unvollständig), die aber dennoch einen Hinweis gibt:
„Bei der hier angezeigten Struktur ist notwendig und hinreichend, dass man sich klarmacht, worum es bei diesem Schnitt geht, um mitzubekommen, dass er die Eigenschaft hat, dadurch, dass er sich einfach verdoppelt, wieder auf sich zurückzukommen, anders gesagt, dass es dasselbe ist, einen einzelnen Schnitt zu machen oder zwei davon zu machen, dass man die Kluft bedenkt, die darin besteht, dass es hier gibt, zwischen meinen beiden Umdrehungen, die nur eine ausmachen, als Äquivalent des ersten Schnitts, der tatsächlich: wenn ich ihn aufspreize, ist es diese Kluft, die realisiert wird [damit ist vermutlich die links abgebildete Zeichnung gemeint, RN], aber wenn ich in das Gewebe, in dem es darum geht, diesen Schnitt auszuführen, einen doppelten Schnitt mache [wie in der rechts wiedergegebenen Zeichnung, RN], dann löse ich daraus das heraus, dann restituiere ich davon das, was bei dem ersten Schnitt verloren gegangen ist, nämlich eine Fläche, deren Vorderseite mit der Rückseite in Kontinuität steht. Ich stelle das ursprüngliche Nicht-Getrenntsein von Realität und Begehren wieder her.“83
Der Kreisschnitt öffnet die Kreuzhaube, ohne dass sie in zwei Teile zerfällt. Der Innenachtschnitt trennt ein Stück aus der Kreuzhaube heraus, dies ist das Zentralstück in der Zeichnung. Der Rest der Kreuzhaube ist ein Möbiusband. (Das Möbiusband entspricht dem ausgestrichenen Subjekt, das Zentralstück dem Objekt a, und die Innenacht dem Schnitt; zusammen ergibt dies die Struktur des Phantasmas: $ ◊ a)
Für den Baltimore-Vortrag ist der letzte Satz des Zitats entscheidend. Auf der Kreuzhaube erzeugt der Schnitt in Form einer Innenacht eine Fläche, bei welcher Vorderseite und Rückseite in Kontinuität stehen; diese Fläche repräsentiert die ursprüngliche Nicht-Getrenntheit von Realität und Begehren. Also ist die mentale Krankheit, die durch den Schnitt auf der Kreuzhaube dargestellt werden soll, vermutlich die Psychose, insofern sie mit dem „halluzinatorischen Besetzen der Befriedigungserinnerung“ einhergeht, wie Freud in der Traumdeutung sagt.84
Die Linie auf dem Möbiusband wird in der referierten Passage mit dem englischen Wort inscription bezeichnet, sie ist eine „Niederschrift“, eine „Einschreibung“. Es geht hier also um eine Art Schrift. Auf die Schrift verweist bereits der Ausdruck trait, „Zug“, dessen französische Entsprechung, ebenfalls trait, auch mit „Strich“ oder „Linie“ übersetzt werden kann. Damit deutet sich an, wie Lacan den Begriff des Buchstabens verwenden wird. Er hatte diesen Terminus 1957 in Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten verwendet und dort gesagt, ein Buchstabe sei ein materialisierter Signifikant. Einige Jahre nach dem Baltimore-Vortrag, in Lituraterre von 1971, wird Lacan den Buchstaben definitiv vom Signifikanten unterscheiden: der Buchstabe gehört zum Realen, der Signifikant zum Symbolischen (vgl. diesen Blogartikel). Der Buchstabe, so kann man in der Sprache des Baltimore-Vortrags sagen, ist die wesentliche ursprüngliche Niederschrift, durch die das Subjekt konstituiert wird.
Nach dem Vortrag fragt ein Zuhörer, ob Mathematik und Topologie nicht ein Mythos seien oder bestenfalls eine Analogie für die Erklärung des Lebens des Geistes.
Lacan antwortet so:
„Eine Analogie zu was? ‚S‘ bezeichnet etwas, was genau als dieses S geschrieben werden kann. Und ich habe gesagt, dass das ‚S‘, mit dem das Subjekt bezeichnet wird, Instrument ist, Material, um einen Verlust zu symbolisieren. Einen Verlust, den Sie als Subjekt erfahren (und ich selbst ebenso). Mit anderen Worten, diese Lücke zwischen einer Sache, die markierte Bedeutungen hat, und dieser anderen Sache, die meine aktuelle Rede ist, die ich an die Stelle zu bringen versuche, an der Sie sind, Sie nicht als anderes Subjekt, sondern als Leute, die in der Lage sind, mich zu verstehen. Wo ist das Analogon? Entweder existiert dieser Verlust oder er existiert nicht. Falls er existiert, ist es nur möglich, ihn durch ein System von Symbolen zu bezeichnen. Auf jeden Fall existiert der Verlust nicht, bevor diese Symbolisierung seinen Platz anzeigt. Es ist keine Analogie. Diese Art Torus ist wirklich in einem Teil der Realitäten. Dieser Torus existiert wirklich, und er ist genau die Struktur des Neurotikers. Er ist kein Analogon; er ist nicht einmal eine Abstraktion, denn eine Abstraktion ist eine Art von Verminderung der Realität, und ich denke, er ist Realität selbst.“85
An dieser Bemerkung ist mir vieles unverständlich. Was meint, dass mit „S“ etwas bezeichnet wird, was als S geschrieben wird? Was ist das für eine Lücke zwischen einer Sache, die markierte Bedeutungen hat, und der aktuellen Rede, die sich an einen anderen wendet, der versteht? Vor allem aber: was ist mit „Realität“ oder „Wirklichkeit“ gemeint? Das Reale? Und was versteht Lacan hier unter „existieren“? Wie gut ist Lacans Englisch in dieser improvisierten Antwort und welche Qualität hat die Transkription?
Licht auf das Problem werfen verschiedene Bemerkungen über das Verhältnis von Struktur, Modell und Metapher, die Lacan in Seminar 13 gemacht hatte, etwa ein halbes Jahr vor dem Baltimore-Vortrag:
„Jemand hat mich kürzlich gefragt, ob – ich meine, das war jemand, der nicht zu unserem Fach gehört, der ein renommierter Mathematiker ist, dessen Freund zu sein ich seit einiger Zeit die Ehre habe und den einige hier kennen, zumindest durch die Verbindung, die ich begonnen habe, zwischen ihnen und ihm herzustellen –, dieser jemand also, der das Erscheinen des ersten Heftes des Epistemologischen Zirkels keineswegs unbeachtet gelassen hat, hat mir einige Fragen zu bestimmten Texten von Herrn Milner und von Herrn Miller gestellt, und er war über das, worum es ging, in gewisser Weise beunruhigt, nämlich ob es um mathematische Modelle oder sogar um mathematische Metaphern ginge. Ich habe geglaubt, ihm antworten zu können, dass die Dinge in meinem Denken weiter gingen und dass die Strukturen, um die es sich handelt, zu Recht als solche angesehen werden können, die zur Ordnung eines hypokeimenon gehören, einer Stütze, ja einer Substanz dessen, wodurch unser Feld konstituiert wird.
Der Terminus der Denkform, der hier als immer als Zugang dient, ist ungeeignet.
Vergessen Sie jedoch nicht, dass derjenige, der die Frage der Revision der topologischen Formen als Grundlage der Geometrie in herausragender Weise eingeführt hat, Henri Poincaré, um seinen Namen zu nennen, und seine Veröffentlichungen, die, wie Sie wissen, mit dem Resümee der Mathematischen Gesellschaft von Palermo beginnen –. Begreifen Sie doch, dass es sich hier um etwas handelte, was beim Mathematiker selbst eine Art Übung notwendig macht, wobei die Übung darin besteht, dass er die ihm vertrauten intuitiven Rahmen selbst zerbricht und dass er zugab, dass diese Bezüge zur Quelle für eine Art Konversion des intuitiven Betätigung des Geistes wurden, für eine Konversion, die er nicht nur für grundlegend, sondern für notwendig hielt, um diese Revision herbeizuführen.“86
Die topologischen Strukturen sind mehr als Modelle und Metaphern. Inwiefern? Insofern als sie eine bestimmte Übung notwendig machen und als diese Übung einen Bruch mit intuitiven Rahmenvorstellungen herbeiführt. Die topologischen Strukturen sind für Lacan Werkzeuge zu einer Konversion der intuitiven geistigen Betätigung, und dies ist es, worin sie über Modelle und Metaphern hinausgehen. Mit welcher intuitiven Rahmenvorstellung soll gebrochen werden? Ich vermute: mit der spontanen Orientierung an der Gestalt und das heißt letztlich am Körperbild, am Imaginären. In Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, liest man hierzu:
„Bei allem, was die Topologie angeht, muss man sich immer ganz streng vor dem hüten, wodurch sie die Funktion der Gestalt* bekommt.“87
In Seminar 13 heißt es außerdem:
„Es geht für uns darum, unsere Topologie zu verorten, uns zu verorten, uns Analytiker, als solche, die darin handeln. Kürzlich hat mir jemand bei einem geschlossenen Treffen in einer ganz kleinen Gruppe eine Frage dazu gestellt, dazu, dass ich über diese Topologie gesagt habe, dass sie keine Metapher ist. Was hat es damit auf sich? Was bedeutet es, uns als Subjekte in einem Bezug zu verorten, der nicht metaphorisch ist? Ich habe nicht geantwortet; derjenige, der mir die Frage gestellt hatte, war im letzten geschlossenen Seminar nicht anwesend, und die elliptische Antwort, die ich hätte geben können – dass wir mit dem Genießen konfrontiert sind –, wäre eine Antwort gewesen, die nicht hinreichend kommentiert gewesen wäre. In dem verortet zu sein, was nicht mehr die Metapher des Subjekts ist, das heißt, die Grundlagen seiner Position nicht mehr in irgendeinem Bedeutungseffekt zu suchen, sondern in dem, was sich aus der Kombinatorik selbst ergibt.“88
Wenn man die Topologie als Metapher begreift (bzw. als Analogie), unterstellt man, dass die Grundlage der Subjektivität die Bedeutung ist oder besser ein Bedeutungseffekt. Ich, Lacan, führe die Topologie nun aber genau deshalb in die Psychoanalyse ein, um zu zeigen, dass die Grundlage des Subjekts nicht im Bedeutungseffekt zu suchen ist, sondern in einer Relation zwischen der Signifikantenkombinatorik und der Lust (jouissance). Die in Baltimore gegebene Antwort würde dann darauf hinweisen, dass das Verhältnis zwischen Signifikantenkombinatorik und Lust sich auf einen Verlust bezieht.
In einer späteren Sitzung von Seminar 13 kommt er darauf zurück:
Erhellend ist auch die folgende Bemerkung, die man in Seminar 16 von 1968/69 findet, D’un Autre à l’autre, gut zwei Jahre nach dem Baltimore-Vortrag:
„Die Struktur ist in dem Sinne zu nehmen, dass sie das Realste ist oder das Reale selbst ist.
Das ist zumindest das, was ich, was mich angeht, behaupte und was ich bei anderen Gelegenheiten hervorgehoben habe. Bereits zu der Zeit, als ich einige dieser Schemata, durch die die Topologie illustriert wird, an die Tafel gezeichnet und sogar manipuliert habe, habe ich hervorgehoben, dass es sich dabei um keine Metapher handelt. Entweder – Oder. Entweder hat das, wovon wir sprechen, keine Art von Existenz, oder, wenn das Subjekt eine hat, ich meine so, wie wir es artikulieren, dann ist sie genau so beschaffen wie diese Dinge, die ich an die Tafel geschrieben habe, vorausgesetzt, dass sie wissen, dass dieses kleine Bild – das alles ist, was man, um es zu repräsentieren, auf ein Blatt Papier bringen kann – nur dazu da ist, um Ihnen bestimmte Verbindungen bildlich darzustellen, die nicht imaginiert werden können, die aber sehr wohl perfekt geschrieben werden können.“90
Das sind fünf Thesen: (1) Die Struktur ist keine Metapher, vielmehr ist die Struktur ist das Reale. (2) Die Strukturen, um die es Lacan geht (nämlich die Strukturen des Subjekts), sind die Strukturen der Topologie. (3) Die Struktur kann geschrieben werden. (4) Die Struktur kann nicht imaginiert werden. (5) Wir können der Einbindung in das imaginäre Register nicht entkommen, wir sind gezwungen, das, was nicht imaginiert werden kann, uns gleichwohl bildhaft vorzustellen. Hierzu dienen Zeichnungen oder auch Papiermodelle topologischer Objekte.
Sokal und Bricmont zitieren in ihrem Buch Eleganter Unsinn Lacans Diskussionsbemerkung in Baltimore und kritisieren seine These, dass der Torus genau der Struktur des Neurotikers entspreche. Ihr Einwand lautet: Lacan bringt hierfür im Baltimore-Vortrag kein Argument. Das ist richtig, Begründungsversuche findet man nicht hier, sondern in den Seminaren 9, 12 und 13. Die Autoren referieren außerdem Lacans Zurückweisung der Behauptung, beim Schnitt auf einem Torus handele es sich um eine Analogie. Sie machen sich nicht die Mühe, sein Argument zu rekonstruieren. Sie stellen sich auch nicht die Frage, was Lacan hier unter „wirklich“ versteht – sie stützen sich auf eine naive Ontologie, die sie offenbar für selbstverständlich halten.91
Sprache
Zahlen und Sprache
Warum bezieht Lacan sich in seinem Vortrag auf die natürlichen Zahlen? Diesen Weg habe er gewählt, so sagt er, weil es sich dabei um einen Vermittlungspunkt zwischen Sprache und „Realität“ handele. Später im Vortrag wird er noch einmal von der „Realität“ sprechen, und dort wird klar, dass er damit diejenige Dimension meint, die er sonst als „das Reale“ bezeichnet (ich komme darauf zurück); im Englischen ist die substantivierte Verwendung von „real“, also „the real“, nicht üblich, Wilden übersetzt „le réel“ mit „the reality“. Also will Lacan an dieser Stelle vermutlich sagen, er habe die Zahlen deshalb ins Spiel gebracht, weil sie zwischen der Sprache und dem Realen vermitteln. Bezieht er sich damit auf die mathematische Fundierung der Physik und darauf, dass die moderne verwissenschaftlichte Technologie die Zahlen gewissermaßen ins Reale eingeschrieben hat? Das bleibt hier offen.
Die Beziehung zwischen Zahlen und Sprache erläutert Lacan anschließend so:
„Sprache wird durch die gleiche Art von unären Zügen / einzelnen Merkmalen (unitary traits) gebildet, die ich verwendet habe, um die Eins und das Eins mehr zu erklären. Aber in der Sprache ist dieser Zug / dieses Merkmal nicht mit dem unären Zug identisch, da wir in der Sprache ein Bündel differenzieller Merkmale (differential traits) haben. Mit anderen Worten, wir können sagen, dass Sprache durch eine Menge von Signifikanten gebildet wird – beispielsweise b, p, t usw. –, eine Menge, die endlich ist. Jeder Signifikant ist in der Lage, hinsichtlich des Subjekts denselben Prozess zu stützen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Prozess der ganzen Zahlen nur ein Sonderfall dieser Beziehung zwischen Signifikanten ist.“92
In welchem Verhältnis stehen Zahlen und Sprache? Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf unitary traits beruhen, auf „einzelnen Zügen“, auf „unären Merkmalen“.
Grundlage der Zahlen ist die Markierung bzw. der „unäre Zug“; das war eine von Lacans Thesen bei der Darstellung von Freges Zahlentheorie.
Auch die Sprache beruht auf traits, auf „Zügen“ oder „Merkmalen“. Die traits der Sprache unterscheiden sich jedoch von den traits der Zahlen. In der Sprache hat man es mit Bündeln von differenziellen Merkmalen zu tun, sagt Lacan. Er spielt hier auf Saussures Lehre von der Differenzialität des Zeichens an – ein Signifikant hat keine Substanz, er ist nichts als die Differenz zu allen anderen Signifikanten.93 Die Rede von den differential traits und das Beispiel b, t, p verweisen aber vor allem auf das Konzept des Phonems als einem Bündel von distinktiven Merkmalen, wie es von Roman Jakobson und Mitarbeitern entwickelt worden ist.94 Die Phoneme b und t unterscheiden sich voneinander durch die Lautbildungsorte bilabial versus alveolar95, die Phoneme b und p unterscheiden sich als stimmhaft versus stimmlos. Jakobson zufolge bilden diese unterscheidenden Merkmale binäre Oppositionen, sei es als polare Ausprägungen (etwa kompakt/diffus), sei es als Gegensatz von Anwesenheit und Abwesenheit (etwa stimmhaft/stimmlos); die Merkmale werden von Jakobson deshalb als Plus-Minus-Oppositionen dargestellt (etwa Stimme: +/-), und damit ist man im Umkreis von Freges Null und Eins. Der Aufsatz, in dem Jakobson, Cherry und Halle diese Binarismus-These aufgestellt haben, spielt bereits im Titel auf die Nähe zur Logik an: „Zur logischen Beschreibung von Sprachen unter phonemischem Aspekt“.96 Der englische Terminus für das distinktive Merkmal ist distinctive feature (Jakobsons Schriften zu diesem Thema sind zuerst auf Englisch erschienen), man kann aber auch differential trait sagen, so wie Lacan in seinem Vortrag. Im Französischen spricht man vom trait binaire, vom „binären Zug/Merkmal“.
Die Unterscheidung zwischen der Identität und der Differenzialität des „Zugs“ oder „Merkmals“, zwischen dem trait unaire und dem trait binaire, läuft an dieser Stelle darauf hinaus, so nehme ich an, dass beim Vertauschen von Einzelstrichen „die Wahrheit erhalten bleibt“, während der Austausch von differenziellen Merkmalen die Bedeutung verändert und damit den Wahrheitsbezug.
Jeder Signifikant, so fährt Lacan fort, ist in der Lage, hinsichtlich des Subjekts denselben Prozess zu unterstützen. Ich nehme an, dass er meint: Jeder Signifikant ist in der Lage, für einen anderen Signifikanten, das Subjekt zu repräsentieren (vgl. diesen Blogartikel).
Es sei sehr wahrscheinlich, so heißt es weiter, dass der Prozess der ganzen Zahlen nur ein Spezialfall für die Beziehung zwischen Signifikanten ist. Ich vermute, dass es um Folgendes geht: Die Phoneme sind Bündel von distinktiven Merkmalen, die als Plus-Minus-Oppositionen rekonstruiert werden können; die ganzen Zahlen gehen auf die Null, die Eins und die Nachfolgerbeziehung zurück – also sind Phoneme und Zahlen ähnlich gebaut. Von daher liegt die Hypothese nahe, dass die eine Struktur der anderen zugrunde liegt. Ist die Struktur der Zahlen die Grundlage für die der Sprache oder umgekehrt? Lacan vermutet, dass die Sprachstruktur fundierenden Charakter hat. Das wird hier von ihm nicht weiter ausgeführt, es ist aber klar, dass er diese These für den Aufbau seiner Argumentation dringend benötigt. Das Unbewusste, so hieß es zu Beginn des Vortrags, ist strukturiert wie eine Sprache; unter Sprache soll nicht eine Spezialsprache verstanden werden, etwas die Sprache der Mathematik, sondern die Sprache im üblichen Sinne, etwa das Französische. Im nächsten Schritt hatte Lacan die Struktur nicht anhand der Sprache erläutert, sondern durch die natürlichen Zahlen. Die Argumentation ist nur dann konsistent, wenn die Struktur der Zahlen ein Sonderfall der allgemeinen Sprachstruktur ist.
Mangel im Anderen
Die Ansammlung der Signifikanten, so fährt Lacan fort, bildet das, was er als den „Anderen“ bezeichnet. Das ist eine von ihm wiederholt vorgebrachten Definition des „Anderen mit großem A“: der Andere ist der Ort des Signifikantenschatzes, er fungiert dadurch als Ort, dass er die Signifikanten versammelt, mit der Folge, dass sie eine synchrone Struktur bilden.97
Für Signifikanten gelte, dass sie mit sich selbst meist nicht identisch seien,
„und zwar genau deshalb, weil wir eine Sammlung von Signifikanten haben und in dieser Sammlung sich ein Signifikant selbst bezeichnen kann oder nicht.“92
Ich habe diese Stelle nicht verstanden. Ist gemeint: „Ein Signifikant ist dann mit sich selbst identisch, wenn er sich selbst bezeichnet, was allerdings selten vorkommt“? Welcher Signifikant bezeichnet sich selbst? Bezeichnet der Signifikant „Wort“ sich selbst, weil er ein Wort ist?
Lacan geht zu eine speziellen Form der Selbstbezüglichkeit über, zu derjenigen, die als Russellsche Antinomie berühmt geworden ist; ich habe sie zu Beginn bereits erwähnt. Wenn man die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, zu bestimmen versucht, gerät man in eine Paradoxie – diese Menge enthält sich selbst und sie enthält nicht sich selbst. (Lacan referiert hier übrigens falsch und spricht von der „Menge aller Elemente“, statt von der „Menge aller Mengen“.)
Diese Anspielung auf die Logik der Mathematik dient Lacan als Sprungbrett für eine These über die Sprache. Sie lautet: In einem Diskursuniversum gibt es nichts, was alles enthält, ein Diskursuniversum bildet keine Totalität. Er belässt es bei dieser knappen Andeutung.
Der Ausdruck „Diskursuniversum“ ist ein Begriff der Logik; er meint das, worüber überhaupt gesprochen werden kann. Es ist nicht möglich, über alles zu sprechen, und das nicht nur aus kontingenten Gründen (akuter Zeitmangel, Fehlen von bestimmtem Wissen usw.), sondern aufgrund der Struktur der Sprache. Ein Beleg hierfür ist, Lacan zufolge, die Russellsche Antinomie; der Versuch, der Mathematik (durch Logik oder Mengenlehre) ein Fundament zu unterlegen und auf diese Weise ihre verschiedenen Zweige zu vereinheitlichen, stößt auf eine Grenze des Sagbaren – ob die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, sich selbst enthält, darf nicht gefragt werden. Dieser Versuch stößt auf etwas logisch Unmögliches, und damit auf das Reale. Das Reale ist das Unmögliche, diese These entwickelt Lacan ab Seminar 9. Anders gesagt: Es gibt im Symbolischen einen Zugang zum Realen (zu dem, was sich nicht symbolisieren lässt), und zwar durch die Logik, das heißt nicht auf dem Weg über das Sprechen, sondern vermittels der Schrift – die formale Logik basiert auf der Manipulation von Buchstaben.
In anderen Texten verwendet Lacan als Begriff für die Begrenztheit des synchronen Signifikantensystems meist den Ausdruck „ausgestrichener Anderer“, „Signifikant des ausgestrichenen Anderen“ oder „Signifikant eines Mangels im Anderen“; das Symbol hierfür ist Ⱥ bzw. S(Ⱥ). Damit ist anfangs gemeint (ab Seminar 6): Versucht man, in der Sprache eine Wahrheit zu begründen, kommt es zur Verweisung von Signifikant auf Signifikant, ohne dass es dabei einen Halt gibt; es gibt keinen Signifikanten, der die Wahrheit garantieren könnte (vgl. diesen Blogartikel). Ab Seminar 12 verschiebt sich bei Lacan die Bedeutung des Konzepts „Mangel im Anderen“; der Mangel im Anderen besteht nun vor allem darin, dass im Unbewussten die Geschlechtsdifferenz nicht repräsentiert ist. Mit dem Begriff des „Mangels im Anderen“ elaboriert Lacan die von Freud immer wieder vorgebrachte These, dass das Unbewusste defizitären Charakter hat, dass bestimmte Vorstellungen in ihm nicht enthalten sind.
Die Verbindung zwischen der Russellschen Antinomie und Lacans Theorem vom „Mangel im Anderen“ besteht darin, dass in beiden die Selbstbezüglichkeit zum Problem wird. Ein Signifikant, der das Gesetz garantieren oder autorisieren würde, wäre ein Signifikant, der sich auf das Signifikantensystem als Ganzes bezöge, der also eine Form der Selbstbezüglichkeit des Symbolischen wäre.98
Subjekt als Verlust
Lacan fährt so fort: Es gibt kein Diskursuniversum, und darin findet man diejenige Kluft wieder, durch die das Subjekt konstituiert wird. Das Subjekt ist im Signifikantensystem eine Leerstelle, es gibt keinen Signifikanten des Subjekts (vgl. diesen Blogartikel). Lacan spricht auch Verschwinden des Subjekts, von seinem Fading, seiner Aphanisis; das Verschwinden besteht darin, dass es keinen Signifikanten des unbewussten Subjekts gibt, das Unbewusste zeichnet sich dadurch aus, dass das Subjekt sich in seinen Manifestationen nicht als Subjekt benennen kann (vgl. diesen Blogartikel). Die Korrespondenz zwischen dem Mangel im Anderen und dem Verschwinden des Subjekts, ist eines der Hauptthemen der Seminare ab Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung; im Baltimore-Vortrag wird diese Entsprechung, ohne Argument, nur behauptet.
Danach heißt es:
„Das Subjekt ist die Einführung eines Verlusts in das Reale [reality], jedoch kann nichts dies einführen, da das Reale seinem Status nach so voll wie möglich ist. Der Begriff des Verlusts ist eine Wirkung, die durch die Instanz des Zugs/Strichs hervorgerufen wird, der das ist, wodurch – durch Intervention eines Buchstabens ihrer Wahl, beispielsweise a1, a2, a3 – Plätze zugewiesen werden; die Plätze sind Räume für einen Mangel. Wenn das Subjekt den Platz des Mangels einnimmt, wird in das Wort ein Verlust eingeführt, und dies ist die Definition des Subjekts. Um ihn (es?) einzuschreiben, ist es aber notwendig, es in einem Zirkel zu definieren, was ich die Andersheit der Sphäre der Sprache nenne. Alles was Sprache ist, ist dieser Andersheit entlehnt, und deshalb ist das Subjekt immer ein schwindendes Ding (fading thing), das unter der Kette der Signifikanten läuft.“99
Finkelde übersetzt hier reality mit „Realität“. Lacan unterscheidet le réel und la réalité, „das Reale“ und „die Realität“, Wilden übersetzt immer mit reality, so dass man sich bei jeder Verwendung fragen muss, ob „das Reale“ oder „die Realität“ gemeint ist. An dieser Stelle geht es eindeutig um das Reale; ich habe die Übersetzung deshalb geändert.
In Seminar 4 hatte Lacan die Beziehung zwischen dem Verlust und dem Signifikanten so beschrieben:
„Alles, was real ist, ist immer und obligatorisch an seinem Platz, selbst wenn man es aus seiner Bahn wirft. Das Reale hat die Eigenschaft, daß es seinen Platz an der Sohle seiner Schuhe mitführt. Sie können das Reale so sehr umstülpen, wie sie nur möchten; dennoch werden auch nach einer Atombombenexplosion unsere Körper immer noch an ihrem Platz sein, als kleine Fetzen zwar, aber an ihrem Platz. Die Abwesenheit von etwas im Realen ist rein symbolisch. Aus diesem Grunde legen wir per Gesetz fest, daß es da sein sollte, daß ein Objekt an seinem Platz fehlt. An nichts läßt sich das besser zeigen als an folgendem – denken Sie daran, was geschieht, wenn Sie in einer Bibliothek ein Buch anfordern. Man sagt Ihnen, daß es nicht an seinem Platz ist, an seinem Platz fehlt; es kann direkt daneben stehen, nichtsdestoweniger fehlt es im Prinzip an seinem Platz, es ist vom Prinzip her unsichtbar. Das heißt, dass der Bibliothekar vollständig in einer symbolischen Welt lebt. Wenn wir von Privation sprechen, geht es um ein symbolisches Objekt und um nichts anderes.“100
Damit ist klar, dass im Baltimore-Vortrag an der zuletzt zitierten Stelle mit reality „das Reale“ gemeint, eines der drei Register, in denen Lacan das Feld der Psychoanalyse aufspannt. Das Subjekt ist die Einführung eines Verlusts in das Reale. Die Markierung, die Einschreibung des unären Zugs (die Eins) führt zu einem Verlust im Realen, zu einem „Seinsmangel“, wie Lacan auch sagt (zur Null), und das Subjekt ist der im Realen durch die Markierung hervorgerufene Verlust.
Diese Bestimmung ist, Lacan zufolge, allerdings unvollständig. Im Realen fehlt nichts. Damit das Subjekt ein Verlust sein kann, muss das Symbolische intervenieren, als eine Anordnung von Plätzen, an denen etwas anwesend oder abwesend sein kann. Es muss einen Signifikanten des Verlusts geben.
Durch den Zug bzw. Strich werden Plätze zugewiesen, und diese Plätze sind Orte, an denen etwas anwesend oder abwesend sein kann. Zur Verdeutlichung kann man sich ein Brett vorstellen, auf dem, wie auf einem Schachbrett, Linien (traits) eingezeichnet sind; sie definieren Plätze, die leer oder besetzt sein können. Diese Plätze können mit Symbolen bezeichnet werden, etwa – wie im Schach – mit a1, a2, a3 usw. Wenn man fordert, dass ein Platz besetzt sein soll (beispielsweise dass zu Beginn des Spiels auf a1 ein weißer Turm stehen soll) und wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, kann man sagen, dass an einem Platz etwas fehlt.
Lacan spielt hier auf die Vorstellung von der Abwesenheit des Penis bei der Mutter an, eine Vorstellung, die, Freud zufolge, für den Kastrationskomplex entscheidend ist. Von Lacan wird dieser Typ des Fehlens als „Privation“ bezeichnet; die aus Seminar 4 zitierte Passage über das Fehlen eines Buches in einer Bibliothek diente ihm dazu, den Begriff der Privation zu erläutern. Der Phallus ist für Lacan der Signifikant für das Fehlen-an-einem-Platz. (Vgl. hierzu in diesem Blog den Artikel Der Phallus.)
Die Vorstellung des An-einem-Platz-Fehlens, der Phallus, ist derjenige Signifikant, durch den das Subjekt sich als Verlust erfassen kann.
Inwiefern ist bei der Vorstellung des Fehlens-an-einem-Platz der „Zug“ oder „Strich“ im Spiel, wie Lacan an der zitierten Stelle sagt? Ist gemeint, dass der „Zug“ in der Weise beteiligt ist, wie beim „kleinen Hans“, wenn er in der Zeichnung von der Giraffe den Penis des Tieres (den „Wiwimacher“, wie er sagt) durch einen senkrechten Strich darstellt?101 Immerhin hatte Lacan hierzu in Seminar 4 angemerkt:
„Diese Zeichnung war bereits auf dem Weg zum Symbol, denn während der Rest völlig klar ist und sich alle Glieder richtig an ihrem Platz befinden, ist der der Giraffe hinzugefügte Wiwimacher wahrlich graphisch, es ist ein Strich (trait), und außerdem noch, damit wir es nicht übersehen können, vom Körper der Giraffe getrennt.“102
Das Subjekt nimmt den Platz des Mangels ein. Es artikuliert sich einer Reihe von Forderungen, von Ansprüchen, und das Subjekt ist das, was in diesen Ansprüchen gerade nicht artikuliert werden kann, was unter ihnen verschwindet und unter ihnen davonläuft. Lacan nennt dies die „Metonymie des Begehrens“: Das Begehren artikuliert sich in Ansprüchen (in symbolisch artikulierten Forderungen), in diesen wird das, was begehrt wird, systematisch verfehlt, und auf diese Weise kommt es zu einer „Metonymie“, zu einer Verschiebung von Anspruch zu Anspruch zu Anspruch. Das Begehren besteht in dieser beständigen Verschiebung (dies ist Lacans Rekonstruktion von Freuds Begriff der Libido).
Das Subjekt muss durch den Bezug auf die Sprache definiert werden. Für das Subjekt hat die Sprache den Status der Andersheit, sie ist das, was das Subjekt nicht ist, was dem Subjekt fremd ist. Diese Definition ist in gewissem Sinne zirkulär, ich verstehe das so: Sie definiert das Subjekt von der Sprache aus, um zu sagen, dass das Subjekt das ist, was in der Sprache fehlt.
In der Diskussion nach dem Vortrag fragt einer der Zuhörer nach dem Verhältnis zwischen dem, was Lacan über das „Nichts“ gesagt habe – über nothingness – und dem, was Husserl und Sartre darüber gesagt haben. (33)
Lacan antwortet, er habe keineswegs über das Nichts gesprochen und er könne darüber auch kaum etwas sagen; dann fährt er fort:
„Das Entgleiten und die Schwierigkeit des Erfassens, das Nie-hier – es ist hier, wenn ich dort suche, es ist dort, wenn ich hier bin – ist nicht Nichts.“103
In seinem nächsten Seminar, Die Logik des Phantasmas (Seminar 14 von 1966/67), werde er sich bemühen,
„die unterschiedlichen Arten des Mangels, des Verlustes, der Leere zu definieren, die von ganz unterschiedlicher Natur sind“103.
Das Fehlen des Subjekts besteht darin, dass es sich auf der Ebene der Signifikanten nicht erfassen kann. Es ist nicht da, wo es sich sucht, und da wo es ist, sucht es sich nicht.
Signifikant
Lacan gibt nun eine vorläufige Zusammenfassung des Vortrags. Ausgangspunkt ist hierbei die Unterscheidung zwischen dem Zeichen und dem Signifikanten.
… „Denn die Definition des Signifikanten ist, dass er ein Subjekt nicht für ein anderes Subjekt repräsentiert, sondern für einen anderen Signifikanten. Das ist die einzig mögliche Definition des Signifikanten in seinem Unterschied zum Zeichen. Das Zeichen ist etwas, was etwas für jemanden repräsentiert, aber der Signifikant ist etwas, was ein Subjekt für einen anderen Signifikanten repräsentiert. Das hat zur Folge, dass das Subjekt verschwindet, genau wie im Fall der zwei unären Züge, während unter dem zweiten Signifikanten das erscheint, was Sinn oder Bedeutung genannt wird; und dann erscheint die Folge der anderen Signifikanten und anderer Bedeutungen.“104
Ein Signifikant ist, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert, diese Bestimmung hatte Lacan erstmals 1962 im Identifizierungsseminar vorgetragen.105
Die Definition hat nicht die Aufgabe, den Signifikanten absolut zu bestimmen; sie hat relativen Charakter, sie dient dazu, den Signifikanten vom Zeichen abzugrenzen. Das Zeichen wird von Lacan so definiert: „Ein Zeichen repräsentiert etwas für jemanden.“ Das entspricht ungefähr der Zeichendefinition von Charles Sanders Peirce. Peirce bestimmt das Zeichen als triadische Beziehung zwischen einem Repräsentamen, einem Objekt und einem Interpretanten. Mit Lacan: Ein Zeichen (ein Repräsentamen) repräsentiert etwas (ein Objekt) für jemanden (für einen Interpreten, bei dem sie einen Interpretanten hervorruft, eine Deutung).106 In dieser Definition des Zeichens gibt es allerdings nicht den Jemanden, an seine Stelle tritt der Interpretant, d.h. ein anderes Zeichen.
Ein Zeichen ist beispielsweise die Spur eines nackten Fußes, wie Robinson sie zu seinem Entsetzen im Sand entdeckt. Die Fußspur (das Zeichen) repräsentiert etwas (den unbekannten Passanten) für jemanden (für Robinson).107 Ein Zeichen repräsentiert etwas für jemanden: für ein verstehendes Bewusstsein, in Sartres Terminologie: für ein Für-Sich. Robinson versteht die Spur, er weiß, was sie bedeutet: dass hier ein Mensch vorüberging (diese Deutung ist der Interpretant im Sinne von Peirce).
Ein Signifikant funktioniert anders als ein Zeichen. Ein Signifikant repräsentiert nicht „für jemanden“, er definiert sich nicht durch den Bezug auf ein verstehendes Bewusstsein. Ein grundlegendes Merkmal des Signifikanten besteht darin, dass er nicht verstanden wird.
Ein Signifikant repräsentiert das Subjekt (nicht für ein Subjekt sondern) für einen anderen Signifikanten. Im Identifizierungsseminar veranschaulicht Lacan diese Relation durch ein Siegel auf einem Brief, der nicht geöffnet wird. Das Siegel (der Signifikant) repräsentiert den Sender (das Subjekt) für den Brief, für den Brieftext (für andere Signifikanten). 108
„Ein Signifikant ist, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert“, damit ist, in erster Annäherung, gemeint: das Subjekt kann nur von Signifikantenbeziehungen aus bestimmt werden.
Das Subjekt wird von einem Signifikanten repräsentiert: der Signifikant sorgt dafür, dass das Subjekt als Sinn erscheint. Das entspricht der primären Identifizierung als Kern des Ichideals.
Das Subjekt wird durch die Signifikantenbeziehung jedoch nicht nur repräsentiert, es erscheint nicht nur als Sinn. Eben dadurch, dass ein Signifikant das Subjekt repräsentiert und es als Sinn erscheinen lässt, verschwindet das Subjekt. In Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, wird die Dialektik von Auftauchen und Verschwinden des Subjekts auf eine ursprüngliche Verkoppelung von zwei Signifikanten bezogen. Durch den einen Signifikanten taucht das Subjekt als Sinn auf, durch den anderen Signifikanten verschwindet es. In Seminar 3 wird die Sinnerzeugungsfunktion des Signifikanten als „Stepppunkt“ bzw. „Polsterstich“ bezeichnet, im Seminar 11 spricht Lacan vom „unären Signifikanten“ 109, in späteren Seminaren heißt ein Signifikant, der diese Funktion wahrnimmt, Herrensignifikant und wird durch S1 symbolisiert (vgl. diesen Blogartikel).
Derjenige Signifikant, durch den das Subjekt verschwindet, wird in Seminar 11 als „binärer Signifikant“ bezeichnet oder auch als „Vorstellungsrepräsentanz“; dieser binäre Signifikant bildet den zentralen Punkt der Urverdrängung, heißt es dort.109 Das Urverdrängte ist, Freud zufolge, auf keine Weise erinnerbar, es ist gewissermaßen ein auf ewig verlorener Signifikant, und insofern verschwindet hier das Subjekt: der urverdrängte Signifikant ist ihm unzugänglich. Das Urverdrängte ist, wie Freud schreibt, der Anziehungspunkt der Verdrängung, es hält die Verdrängung in Gang. Das Unbewusste, das sich auf der Urverdrängung aufbaut, wird in späteren Seminaren als „Wissen“ bezeichnet und mit S2 symbolisiert (ab Seminar 17).
Die ursprüngliche Spaltung des Subjekts ist die zwischen einem verdrängenden Signifikanten und einem verdrängten Signifikanten: zwischen Sinn und Fading, zwischen unärem und binärem Signifikanten, zwischen primärer Identifizierung und Urverdrängtem; im Aufsatz Über einer Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht (1958) ist dies die Spaltung zwischen dem Namen-des-Vaters und dem Phallus.
Das Subjekt verschwindet, so heißt es im Baltimore-Vortrag, „genau wie im Fall der beiden unären Züge“. Damit wird die Signifikantendefinition sowie die Opposition von Sinn und Fading auf die Fregesche Zahlentheorie bezogen. In Seminar 12 hatte Lacan den Vergleich detaillierter ausgeführt. Dort heißt es:
„Es soll mir hier genügen, darauf hinzuweisen, in Verbindung mit der Figur des Kreises, dass man dazu gelangt, und gerade dann, wenn man sich von der mathematischen Forschung leiten lässt, dass man zu einem Schema gelangt, das strikt homolog mit dem ist, das ich hier vorbringe, wenn ich Ihnen den Signifikanten als das angebe, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert. Die mathematische Theorie, die zugleich die Lösung – das ist das, was ich in Frage stelle – wie auch das Widerlager, vielleicht ist es zutreffender, dieses Versuchs darstellt, nämlich des Versuchs, die Funktion der ganzen Zahl in der mathematischen Sprache zu reduzieren, zu lösen, diese mathematische Theorie führt zu der folgenden Formel, die auf genau dieselbe Weise schematisiert wird, wie ich es Ihnen zeige: nämlich wie das Subjekt sich in gewisser Weise von Signifikant zu Signifikant fortbewegt, wobei jeder einen Signifikanten für den ihm folgenden repräsentiert, das heißt, unter der Eins die Null, um die es geht, für die Folge der Einsen, die folgen: 1, n+1. Anders gesagt, die Entdeckung, die durch die neueste logisch-mathematische Forschung bedingt ist, die Entdeckung, dass es notwendig ist, dass die Null, das Fehlen, der letzte Grund für die Funktion der ganzen Zahl ist, dass die Eins ursprünglich die Null repräsentiert und dass die Entstehung der Dyade sich für uns stark von der Platonischen Genese unterscheidet, insofern als die Dyade bereits in der Eins ist, insofern die Eins das ist, was für eine andere Eins die Null repräsentieren wird. Eine einzigartige Sache, dies, was bewirkt und was bei jeder Zahl n die Notwendigkeit von n+1 mit sich führt, genau von dieser Null her, die sich hier hinzufügt, eine außergewöhnliche Sache.“110
Der erste einzelne Zug bzw. die erste Eins repräsentiert die Null für den zweiten unären Zug, für die zweite Eins. Das entspricht der Definition des Signifikanten. So wie ein Signifikant das Subjekt für einen anderen Signifikanten repräsentiert, repräsentiert die erste Eins die Null für die zweite Eins. Die erste Eins kann man der primären Identifizierung zuordnen und die zweite Eins dem urverdrängten Signifikanten; dem verschwindenden Subjekt entspricht die Null.
Nach der ersten Signifikantenkoppelung „erscheint die Folge der anderen Signifikanten und anderer Bedeutungen“, heißt es im Baltimore-Vortrag: nachdem die erste Signifikantenverknüpfung hergestellt ist, die Urverdrängung durch Idealbildung, kommt der normale Verdrängungsprozess in Gang, das Unbewusste baut sich auf und es entsteht eine Serie von Identifizierungen. Die Folge der weiteren Signifikanten hat bei Frege ihre Entsprechung in der Fortsetzung der Zahlenreihe.
Begehren
Der Begriff des verschwindenden Subjekts dient im Baltimore-Vortrag anschließend dazu, den Begriff des Begehrens einzuführen.
Das Subjekt unterliegt dem Schwinden (also, wie oben erläutert, der Urverdrängung – keiner der Signifikanten des Unbewussten repräsentiert das Subjekt). Es sehnt sich danach, sich selbst wiederzufinden – das Begehren ist ein Bestreben, sich selbst wiederzufinden. (Lacan setzt hier voraus, dass dem Subjekt das Sich-selbst-Wiederfinden auf der Ebene der Signifikanten nicht möglich ist – die Signifikanten bilden, wie der Vortragstitel anzeigt, eine Andersheit.)
Um sich selbst wiederzufinden, bezieht sich das Subjekt auf das „wunderbare Ding“ (28), auf das verlorene Objekt, auf das Objekt a, wie es durch das Phantasma definiert wird. (Im Objekt a verkörpert sich für das Subjekt das, was ihm durch den Eintritt in die Sprache – durch das Einmischen der Andersheit – unwiederbringlich verloren gegangen ist). Für die Einbildungskraft ist das Objekt a, sagt Lacan, ein schreckliches Ding (damit ist vielleicht gemeint, dass es im imaginären Register als Angstobjekt erscheint). Psychoanalytikern sei es wohlbekannt (man darf ergänzen: unter dem Namen des Partialobjekts). Auf das Objekt a gründe sich die gesamte Existenz der Psychoanalyse (Lacan spielt hier auf den Titel seines gerade beendeten Seminars 13 von 1965/66 an, Das Objekt der Psychoanalyse; das Feld der Psychoanalyse ist durch die Spaltung des Subjekts strukturiert, und das Objekt a hat die Funktion, die Subjektspaltung zu maskieren111).
Das Begehren bezieht sich auf das Objekt a im Rahmen eines Phantasmas, heißt es weiter; das Phantasma hat die Grundstruktur, dass sich in ihm das ausgestrichene Subjekt, $, auf das Objekt a bezieht, $◊a.112 (Das Phantasma ist eine Szene der „Wunscherfüllung“, wie Freud sagt, der Vereinigung des Subjekts mit dem, was ihm fehlt, mit dem verlorenen Objekt; der Bezug auf diese Szene treibt es von Anspruch zu Anspruch und hält so das Begehren aufrecht. Im „Graphen des Begehrens“ wird die Stützungsfunktion des Phantasmas für das Begehren durch die Pfeillinie dargestellt, die von d (désir) zu ($◊a) führt.113)
Das Begehren ist nichts anderes als die „Metonymie jedweder Bedeutung“ (28). (In Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten hatte Lacan geschrieben, die Metonymie sei die „Übertragung (virement) der Bedeutung“.114) Die Bedeutung wird von Signifikant zu Signifikant übertragen, verschoben, diese Bewegung ist das Begehren; sie wird durch den Bezug auf das Phantasma in Gang gehalten. Die Fixierung auf die utopische Wiedervereinigungsszene unterminiert die Fixierung auf eine bestimmte Bedeutung.
Genießen
Lacan schließt mit einem Nachtrag. Er habe nicht über das Imaginäre und das Symbolische gesprochen, obwohl es wesentlich sei, wenn man verstehen wolle, wie die symbolische Ordnung in die gelebte Erfahrung eingehen kann (um es auf den Vortragstitel zu beziehen: wie sich die Andersheit „einmischen“ kann). Ist gemeint, dass er den Begriff des Symbolischen nicht verwendet hat?
Er gibt hierzu nur einen Hinweis.
Die unbekannteste und zugleich gewisseste Tatsache über das mythische, unergründliche Subjekt, über die empfindsame Phase des Lebewesens, sei die, dass das Subjekt in der Lage ist, zwischen Geburt und Tod das ganze Spektrum von Schmerz und Lust abzudecken. Dieses Subjekt, sagt Lacan, heiße auf Französisch sujet de la jouissance, „Subjekt des Genießens“.
Jouissance, so erläutert er, habe nichts zu tun mit to enjoy, wie in Enjoy Coca Cola; im Englischen gebe es keine genaue Entsprechung. Wenn das Subjekt als Lebewesen aber überhaupt denkbar sei, dann vor allem als Subjekt der jouissance, des „Genießens“. Allerdings erzeuge das Lustprinzip – die Unlustvermeidung – sehr bald eine Barriere für das Genießen; der Organismus scheine bestrebt zu sein, allzu viel Genießen zu vermeiden (wenn das Genießen zunimmt, beginnen wir Schmerz zu empfinden und uns von diesem Genießen zurückzuziehen).
Falls das Lustprinzip uneingeschränkt herrschen würde – so fährt Lacan fort –, würden wir an diesem Punkte innehalten. Es gebe jedoch eine eigenartige Organisation, die uns zwinge, die Barriere des Lustprinzips zu durchbrechen oder auch vielleicht dazu, dass wir nur davon träumen, sie einzureißen. (Diese Organisation ist, so nehme ich an, im ersten Fall der Trieb, im zweiten Fall das Begehren.)
Es folgt der letzte Satz des Vortrags; in ihm skizziert Lacan den Gesamtzusammenhang seiner Theorie der Psychoanalyse.
„All das, was durch die subjektive Konstruktion ausgearbeitet wird, nach dem Maße des Signifikanten in seinem Verhältnis zum Anderen und was seine Wurzel in der Sprache hat, ist nur dazu da, um es dem ganzen Spektrum des Begehrens zu ermöglichen, dass wir uns dieser Art von untersagtem jouissance nähern, dass wir sie erproben, diese jouissance, die den einzig wertvollen Sinn darstellt, der unserem Leben gegeben ist.“115
Thema des Vortrags war die Struktur des Subjekts, und zwar ausgehend vom Signifikanten im Verhältnis zum Anderen, primäre Identifizierung und Urverdrängung. Diese Struktur beruht letztlich auf der Sprache.
Auf der Grundlage unterschiedlicher Arten von Phantasmen entwickeln die Subjekte ein Spektrum des Begehrens: hysterisches Begehren, zwangsneurotisches Begehren, perverses Begehren.
Das Begehren hat die Funktion, dass wir uns dem verbotenen Genießen annähern.
Dieses untersagte (und aufgrund des Lustprinzips nur schwer zugängliche) Genießen ist der einzig wertvolle Sinn, der unserem Leben gegeben ist. Der „Sinn“, an dem ich mich als Subjekt orientiere, ist letztlich kein sprachlich verfasster Sinn, kein signifikantengestütztes Signifikat, sondern ein Genießen: eine Erregung, die mir allzuschnell unerträglich wird. Diesen Zusammenhang deutet der „Graph des Begehrens“ an. Das Unbewusste verfügt nicht über einen letzten Signifikanten, der als Sinngarantie fungieren könnte (dies wird angezeigt durch den Knotenpunkt S(Ⱥ) oben links, der für das Fehlen eines solchen Signifikanten steht). Der letzte Bezugspunkt ist das Genießen; es hat seinen Ort am Anfang der oberen von links nach rechts verlaufenden Pfeillinie. Das vom Phantasma ($◊a) gestützte Begehren (d) dient der Annäherung an das Genießen.
Der Titel
Der Originaltitel des Vortrags ist: Of structure as an inmixing of an otherness prerequisite to any subject whatever, „Über Struktur als Einmischen einer Andersheit als Voraussetzung für welches Subjekt auch immer“. Finkelde übersetzt mit „Über Struktur als ein Einmischen einer Andersheit als Voraussetzung eines Subjekts“, er tilgt den Verweis auf „any subject whatever“.
Die Andersheit (otherness) ist die der Sprache.
Die Sprache in ihrer Andersheit „mischt sich ein“. Diese Einmischung heißt im Vortrag inscription – „Niederschrift“, „Einschreibung“ – oder auch „Markierung“, „unärer Zug“, „Schnitt“.
Die Sprache mischt sich ein in was? In das Reale, topolisch: die Niederschrift erfolgt auf eine Fläche, der Schnitt ist Schnitt in eine Oberfläche.
Durch die Einmischung der Sprache in das Reale entsteht die Struktur. In Seminar 12 heißt es: „Die Sprache tritt in das Reale ein und erzeugt hier die Struktur.“116
Die Struktur, auf die der Titel des Vortrags sich bezieht, ist also nicht die Struktur der Sprache in sich selbst, sondern die Struktur der Einmischung der Sprache in das Reale. Der Begriff der Struktur wird auf das Verhältnis zwischen zwei Registern bezogen, auf die Beziehung zwischen dem Symbolischen und dem Realen.
Die Erzeugung der Struktur – durch Einmischung der Sprache in das Reale – ist eine Vorbedingung. Wofür? Für das Subjekt. Das Verhältnis von Struktur und Subjekt ist für Lacan keine Alternative, die Frage „Struktur oder Subjekt?“ stellt sich für ihn nicht. Die Struktur ist die Bedingung des Subjekts. Das Subjekt, so heißt es beispielsweise in Seminar 16, Von einem Anderen zum anderen, ist der erste und hauptsächliche Effekt der Einwirkung des Symbolischen auf das Reale.117
Das Subjekt ist der Mangel: der durch die Einmischung der Sprache in das Reale erzeugte Mangel.
Der Titel des Baltimore-Vortrags formuliert es anders. Die Erzeugung der Struktur ist eine Vorbedingung nicht für „das Subjekt“, auch nicht für „ein Subjekt“ (wie Finkelde den Titel übersetzt), sondern, wörtlich, „für irgendein Subjekt, welches auch immer“. Warum diese barocke Wendung? Sie gibt einen Hinweis auf die Beschaffenheit (wenn man so sagen kann) des Subjekts, auf den Charakter seiner Subjektivität.
Im Vortrag bezieht Lacan sich darauf, dass die Einmischung der Sprache in das Reale zur primären Identifizierung führt (zur Eins), das diese unvermeidlich mit einem Verlust verbunden ist, einem Mangel, mit einer Urverdrängung (mit einer Null), dass die Beziehung zwischen der Identifzierung und dem Mangel eine Serie von Signifikanten nach sich zieht (eine unendliche Zahl von Nachfolgern) und dass der Mangel durch das verlorene Objekt repräsentiert wird, durch das Objekt a.
Vielleicht soll die Rede von „irgendeinem Subjekt, welchem auch immer“ darauf hinweisen, dass das Subjekt das ist, was in der Sprache nicht bestimmt werden kann. In der Ordnung der Signifikanten ist es unbestimmt und unbestimmbar – auf dieser Ebene ist es die beständige Verschiebung der Bedeutung, die Metonymie des Begehrens.
Literatur
Lacan, „Über Struktur“
Über Struktur als Einmischen einer Andersheit als Voraussetzung eines Subjekts [Vortrag mit Diskussion]. Übersetzt von Dominik Finkelde. In: J. Lacan: Struktur. Andersheit. Subjektkonstitution. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Dominik Finkelde. August Verlag, Berlin (Imprint im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln) 2015, deutsch: Vortrag: S. 11-30, Diskussion: S. 31-42; englisch: Vortrag: S. 45-59, Diskussion: S. 61-70
Of structure as an inmixing of an otherness prerequisite to any subject whatever. In: Richard Macksey, Eugenio Donato (Hg.): The languages of criticism and the sciences of man. The structuralist controversy. The Johns Hopkins University Press, Baltimore und London 1970, S. 186-195
Of structure as an inmixing of an otherness prerequisite to any subject whatever. In: Pas-tout Lacan. Website www.ecole-lacanienne.net, S. 970-979.– Übersetzung ins Französische, ohne Titel: Pas-tout Lacan, a.a.O., S. 980-989 (der Übersetzer wird nicht genannt)
Lacan, Aufsätze
Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. Übersetzt von Norbert Haas. In: J. Lacan.: Schriften II. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten und Freiburg i.Br., 1975, S. 15-55
Die Bedeutung des Phallus. Übersetzt von Chantal Creusot, Norbert Haas und Samuel M. Weber. In: Schriften II, a.a.O., S. 119-132
Die Wissenschaft und die Wahrheit. Übersetzt von Hans-Jörg Rheinberger. In: Schriften II, a.a.O., S. 231-257
Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. Übersetzt von Klaus Laermann. In: J. Lacan: Schriften I. Hg. v. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 71-169
Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Compte rendu du séminaire 1964-1965. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 199-202
Radiophonie. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 5-54
Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freudschen Unbewussten. Übersetzt von Chantal Creusot und Norbert Haas. In: Schriften II, a.a.O., S. 165-204
Lacan, Seminare
Seminar 1: Freuds technische Schriften. Das Seminar, Buch I (1953/54). Übersetzt von Werner Hamacher. Übersetzt von Werner Hamacher nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Walter-Verlag, Olten 1978
Seminar 4: Die Objektbeziehung. Das Seminar, Buch IV (1956/57). Übersetzt von Hans-Dieter Gondek nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Turia und Kant, Wien 2003
Seminar 7: Die Ethik der Psychoanalyse. Das Seminar, Buch VII (1959-1960). Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1996
Seminar 9: L’identification. Séminaire 9, 1961/62. Version Staferla, www.staferla.free.fr/S9
Seminar 10: Die Angst. Das Seminar, Buch X (1962-1963). Übersetzt von Hans-Dieter Gondek nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Turia und Kant, Wien 2010
Seminar 11: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Das Seminar, Buch XI (1964). Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain erstellen Version. Walter Verlag, Olten 1964
Seminar 12: Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Séminaire 12, 1964/65. Version Staferla, www.staferla.free.fr/S12
Seminar 13: L’objet de la psychanalyse. Séminaire 13, 1965/66. Version Staferla, www.staferla.free.fr/S13
Seminar 14: La logique du phantasme. Séminaire 14, 1966/67. Version Staferla, www.staferla.free.fr/S14
Seminar 16: D’un Autre à l’autre. Le séminaire, livre XVI. 1968-1969. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2006
Vorträge in Lacans Seminaren 12 und 13 über Freges „Grundlagen der Arithmetik“
(Sämtliche Vorträge findet man in der Staferla-Version der Seminare)
Duroux, Yves: Le nombre et le manque, in: Seminar 12, Sitzung vom 27. Januar 1965
Miller, Jacques-Alain: Éléments de la logique du signifiant, in: Seminar 12, Sitzung vom 24. Februar 1965
Leclaire, Serge: [Kommentar zum Vortrag von Miller], in: Seminar 12, Sitzung vom 26. Mai 1965
Miller, Jacques-Alain: [Antwort auf Serge Leclaire], in: Seminar 12, Sitzung vom 2. Juni 1965
Green, André: [Zu Millers „Éléments de la logique du signifiant“], in: Seminar 13, Sitzung vom 22. Dezember 1965
Andere Autoren
Alexander, Franz: Psychoanalyse der Gesamtpersönlichkeit. Neun Vorlesungen über die Anwendung von Freuds Ichtheorie auf die Neurosenlehre. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig 1927
Badiou, Alain: Marque et manque: à propos du Zéro. In: Cahiers pour l’Analyse, 1969, S. 150-173 [Kritik an Millers Aufsatz über „Suture“], im Internet hier
Caws, Peter: The unconscious is structured like a city. Freud, Lacan, and the project of the human sciences. In: Janus Head (2000), im Internet hier.
Charraud, Nathalie: Mathématiques avec Lacan. In: Alliage, Nummer 35-36, 1998, S. 237-249 [zur Kritik von Sokal und Bricmont], im Internet hier
Cherry, E. C.; Halle, M.; Jakobson, R.: Toward the logical description of languages in their phonemic aspect. In: Language, 29. Jg. (1953), S. 34-46
Finkelde, Dominik: Kommentar: Lacan, Freges Zahlengenese und die Nullstelle des Unbewussten. In: J. Lacan: Struktur. Andersheit. Subjektkonstitution. August-Verlag, Berlin 2015, S. 73-132
Frege, Gottlob: Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch-mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. Reclam jun., Stuttgart 1987, im Internet hier
Freud, Sigmund: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (1909). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 9-123
---: Aus der Geschichte einer infantilen Neurose (1918). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 125-232
---: Briefe an Wilhelm Fließ. Hg v. Jeffrey Moussaieff Masson. S. Fischer, Frankfurt am Main 1986
---: Das Ich und das Es (1923). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 273-330
---: Das Unbewusste (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 119-173
---: Die Traumdeutung (1900). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 2. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000
---: Die Verdrängung (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 103-118
---: Entwurf einer Psychologie (1895). In: Ders.: Aus den Anfängen der Psychoanalyse 1887-1902. Briefe an Wilhelm Fließ. S. Fischer, Frankfurt am Main 1962, S. 299-384
---: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 213-272
---: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 61-134
---: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 447-608
---: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916-17). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 34-445
Jakobson, Roman; Halle, Morris: Fundamentals of language. Mouton, Den Haag 1956; dt: Grundlagen der Sprache. Akademie-Verlag Berlin 1960.
Laplanche, Jean; Pontalis, Jean-Bertrand: Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972
Laplanche, Jean; Leclaire, Serge: L’inconscient, une étude psychanalytique. Der Vortrag wurde in zwei Fassungen veröffentlicht, eine erste Version in Les Temps modernes, 17. Jg. (1961), Nr. 183, S. 81-99, eine zweite, längere Fassung in: Henri Ey (Hg.): L’Inconscient. VIe Colloque de Bonneval. Desclée, De Brouwer, Paris 1966, S. 95-130
Mill, John Stuart: A system of logic, ratiocinative and inductive, being a connected view of the principles of evidence, and the methods of scientific investigation (1843). Dt.: System der deduktiven und induktiven Logik. Eine Darlegung der Principien wissenschaftlicher Forschung, insbesondere der Naturforschung. Übersetzt von J. Schiel. Vieweg, Braunschweig 1868, im Internet hier
Miller, Jacques-Alain: La suture (Éléments der de la logique du signifiant). In: Cahiers pour l’Analyse, Bd 1, Februar 1966 [überarbeitete Fassung des Vortrags vom 24. Februar 1965 in Lacans Seminar], im Internet hier
Peirce, Charles S.: Phänomen und Logik der Zeichen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993
Roudinesco, Elisabeth: La bataille de cent ans. Histoire de la psychanalyse en France. 2. Le Seuil, Paris 1986
---: Jacques Lacan. Bericht über ein Leben, Geschichte eines Denksystems. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996
Saussure, Ferdinand de: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hg. von Charles Bally u. Albert Sechehaye, übersetzt von Herman Lommel. 2. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1967
Sokal, Alan; Bricmont, Jean: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaft mißbrauchen. Beck, München 1999 (zuerst USA 1998), darin Kap. 2, „Jacques Lacan“, S. 36-55
Verwandte Beiträge
- Unärer Zug (I): primäre Identifizierung
- Unärer Zug (II): der Grund der Wiederholung
- Das Verschwinden des Subjekts: Fading, Aphanisis
- Das Subjekt als Fehlen eines Signifikanten
- Das Subjekt im Schiebepuzzle
- „Ein Signifikant ist, was für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert.“
Anmerkungen
- Jacques Lacan: Über Struktur als Einmischen einer Andersheit als Voraussetzung eines Subjekts [Vortrag mit Diskussion]. In: Ders: Struktur. Andersheit. Subjektkonstitution. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Dominik Finkelde. August Verlag, Berlin (Imprint im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln) 2015, deutsch: Vortrag: S. 11-30, Diskussion: S. 31-42; englisch: Vortrag: S. 45-59, Diskussion: S. 61-70.
Im Internet findet man die englische Version des Vortrags hier. - Vgl. Dominik Finkelde: Kommentar: Lacan, Freges Zahlengenese und die Nullstelle des Unbewussten. In: J. Lacan: Struktur. Andersheit. Subjektkonstitution. A.a.O., S. 73-132.
- Diese Information findet man bei Peter Caws, der dabei war: P. Caws: The unconscious is structured like a city. Freud, Lacan, and the project of the human sciences. In: Janus Head (2000), im Internet hier.
- Vgl. Elisabeth Roudinesco: La bataille de cent ans. Histoire de la psychanalyse en France. 2. Le Seuil, Paris 1986, S. 412-414.
- In der an den Vortrag anschließenden Diskussion bezeichnet sich Wilden als den „unglücklichen Übersetzer“ (Struktur, S. 33).
- A.a.O., S. 186.
- Vgl. Elisabeth Roudinesco: Jacques Lacan. Bericht über ein Leben, Geschichte eines Denksystems. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996, S. 535.
- Das Diktum „Es gibt keine Metasprache“ findet man zuerst in Seminar 5 von 1957/58, in der Sitzung vom 27. November 1957; vgl. Version Miller/Gondek, S. 86.
- Vgl. R. Carnap: Logische Syntax der Sprache. Springer, Wien 1934, Teil IV A.– A. Tarski: Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen (1935). In: Karel Berka und Lothar Kreiser (Hg.): Logik-Texte. Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. Akademie-Verlag, Berlin 1983, S. 445–546). Das Konzept der Metapsrache stützt sich auf Bertrand Russells Idee einer unendlichen Hierarchie von Sprachebenen.
- Vgl. Edmund Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie (1936). Meiner, Hamburg 2012.
- Struktur, S. 16.
- Von „unbewussten Gedanken“ spricht Freud beispielsweise in den Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916-17). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 34-445, hier: 138.
- Ähnlich sagt Lacan in Seminar 11: „Völlig analog dazu [nämlich zu Descartes] ist Freud, wo er zweifelt – und es sind ja seine Träume und er zweifelt zunächst – sich gewiß, daß ein Denken ist, das unbewußt ist, und das hießt, das dieses Denken sich als ein abwesendes darstellt. An eben diesen Platz ruft Freud, sowie er mit andern zu tun hat, das ich denke, in dem sich dann das Subjekt enthüllt. Alles in allem ist Freud sicher, daß dieses Denken, wenn man so sagen kann, ganz ohne sein ich bin da ist – wenn nur, und da ist der Sprung, einer an seiner Stelle denkt.“ (Seminar 11, Sitzung vom 29. Januar 1964; Version Miller/Haas, S. 42.
- Vgl. etwa Seminar 15, Sitzung vom 17. Januar 1968.
- S. Freud: Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten (1914). In: Ders.: Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet. Bd. 10, Werke aus den Jahren 1913-1917. Imago, London 1949, S. 125-136, hier: S. 127 f.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 14. März 1962.
- Vgl. S. Freud: Das Unbewusste (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 119-173, hier: S. 133.
- Struktur, S. 18, „Dasein“ im Original deutsch.
- Vgl. S. Freud: Das Ich und das Es (1923). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 273-330, hier: S. 296. Vgl. auch: Ders.: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 447-608, S. 502.
- Mit „abstoßend“ übersetze ich den englischen Ausdruck „abject“; Finkelde übersetzt mit „kläglich“. In Seminar 10 wird das Objekt des Zwangsneurotikers als „abject“ bezeichnet, Gondek übersetzt mit „niederträchtig“ (Vgl. Seminar 10, Version Gondek, S. 403).
- Struktur, S. 18.
- Vgl. Franz Alexander: Psychoanalyse der Gesamtpersönlichkeit. Neun Vorlesungen über die Anwendung von Freuds Ichtheorie auf die Neurosenlehre. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig 1927.
- Struktur, S. 21.
- Für Sokal und Bricmont ist diese Frage unverständlich, was mir unverständlich ist. Vgl. Sokal/Bricmont, a.a.O., S. 46.
- Vielleicht spielt Lacan auch auf Freges Konzept der Zahlengleichheit an: Um die Zahlen logisch begründen zu können, benötigt man eine erste Operation, durch welche man die Zahlen auf eine rein logische Relation beziehen kann. Diese Operation ist die Herstellung einer Beziehung der Gleichheit; sie ermöglicht es, Gegenstände vollständig 1:1 einander zuzuordnen. Vgl. Gottlob Frege, Grundlagen der Arithmetik, § 62-67, sowie den Vortrag von Yves Duroux über Freges Grundlagen der Arithmetik, „Le nombre et le manque“, in Seminar 12, Sitzung vom 27. Januar 1965.
- Struktur, S. 21 f.
- Vgl. Struktur, S. 36.
- Lacan orientiert sich hier möglicherweise an der Frege-Deutung, die Yves Duroux in Lacans Seminar vorgetragen hatte, a.a.O. Duroux zufolge hat Frege den Begriff des Nachfolgers und der Eins simultan bestimmt, so, dass sie sich wechselseitig voraussetzen: „die Definition, die er für den Nachfolger gibt, ist nur von dem Moment an denkbar, wo er die Eins ausgehend von dieser Nachfolgerdefinition bestimmt hat.“
- Struktur, S. 22.
- J. S. Mill, A system of logic, Buch I, Kapitel 2, § 5.
- Seminar 9, Sitzung vom 20. Dezember 1961, meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Vgl. Seminar 12, Sitzung vom 2. Dezember 1964.
- Struktur, S. 37, „Urverdrängung“ im Original deutsch.
- Vgl. etwa S. Freud: Die Verdrängung (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 103-118, hier: S. 109.
- Seminar 9, Sitzung vom 28. Februar 1962; meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Seminar 12, Sitzung vom 6. Januar 1965; meine Übersetzung nach Version Staferla.
- J. Lacan: Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Compte rendu du séminaire 1964-1965. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 199-202, hier: S. 200.
- Seminar 15 von 1967/68, Der psychoanalytische Akt, Sitzung vom 6. Dezember 1967; Version Staferla 25.10.2015, S. 31, meine Übersetzung.
- Vgl. Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 61-134, hier: S. 98-100.
- S. Freud: Entwurf einer Psychologie (1895). In: Ders.: Aus den Anfängen der Psychoanalyse 1887-1902. Briefe an Wilhelm Fließ. S. Fischer, Frankfurt am Main 1962, S. 299-384, hier: S. 338, Hervorhebungen im Original.
- Entwurf einer Psychologie, a.a.O., S. 365, Einfügungen in Klammern und Hervorhebungen im Original.
- Vgl. Seminar 10, Sitzung vom 23. Januar 1963; Version Miller/Gondek, S. 158.
- Charakteristisch für das Ding ist, „daß wir uns unmöglich von ihm vorstellend ein Bild machen können“ (Seminar 7, Sitzung vom 27. Januar 1960; Version Miller/Haas, S. 155.
- Vgl. Seminar 10, Sitzung vom 26. Juni 1963; Version Miller/Gondek, S. 393.
- Seminar 12, Sitzung vom 7. April 1965; meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Vgl. Die Grundlagen der Arithmetik, § 74.
- Vgl. Die Grundlagen der Arithmetik, § 77.
- Vgl. Jacques-Alain Miller: Éléments de la logique du signifiant. Vortrag über Freges Grundlagen der Arithmetik in Lacans Seminar 12, Sitzung vom 24. Februar 1965, Version Staferla im Internet hier.
- Lacan verwendet diese Formel zuerst in Seminar 16 von 1968/69, Von einem Anderen zum anderen, Sitzung vom 22. März 1969; Version Miller S. 226. – Im Druck erscheint sie erstmals 1970 in Radiophonie; vgl. J. Lacan: Radiophonie. In: Ders.: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 5-54, hier: 17; sie wird dort von Hans-Joachim Metzger übersetzt mit „Es gibt kein Geschlechtsverhältnis“.
- Zum Wiederholungszwang vgl. S. Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 213-272, vor allem Abschnitt III, S. 228-233.
- Vgl. den Artikel „Nachträglichkeit“. In: Jean Laplanche, Jean-Bertrand Pontalis: Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, S. 313-317.
- Vgl. Entwurf einer Psychologie, a.a.O., S. 356.
- Vgl. S. Freud: Aus der Geschichte einer infantilen Neurose (1918). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 125-232, hier: S. 156-165.
- Vgl. J. Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. In: Ders.: Schriften I. Hg. v. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 71-169, hier: S. 95.
- Seminar 1, Sitzung vom 19. Mai 1954, Version Miller/Hamacher, S. 244.
- Seminar 11, Sitzung vom 3. Juni 1964, meine Übersetzung nach Version Miller; Version Miller/Haas, S. 238.
- Vgl. S. Freud: Brief an Wilhelm Fließ vom 6. Dezember 1896. In: Ders.: Briefe an Wilhelm Fließ. Hg v. Jeffrey Moussaieff Masson. S. Fischer, Frankfurt am Main 1986, S. 217-226.
- Die Traumdeutung (1900). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 2. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 578.
- S. Freud: Das Unbewusste (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 118-173, hier: S. 132 f.
- L’inconscient, une étude psychanalytique. Der Vortrag wurde in zwei Fassungen veröffentlicht, eine erste Version in Les Temps modernes, 17. Jg. (1961), Nr. 183, S. 81-99, eine zweite, längere Fassung in: Henri Ey (Hg.): L’Inconscient. VIe Colloque de Bonneval. Desclée, De Brouwer, Paris 1966, S. 95-130.
- Vgl. Schriften II, S. 243. Rheinberger übersetzt hier double inscription mit „doppelte Inschrift“.
- Struktur, S. 23.
- Vgl. Struktur, S. 124.
- Seminar 9, Sitzung vom 13. Dezember 1961; meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Struktur, S. 23 f.
- 20. Dezember 1961, meine Übersetzung nach Version Staferla.
- Seminar 9, Sitzung vom 28. Februar 1962; meine Übersetzung nach Version Staferla. Lacan bezieht sich auf Freges Die Grundlagen der Arithmetik, § 35.
- Seminar 9, Sitzung vom 28. März 1962; meine Übersetzung nach Version Staferla
- Seminar 2, Sitzung vom 26. Januar 1955; Version Miller/Metzger, S. 132.
- Struktur, S. 24.
- Vgl. Die Grundlagen der Arithmetik, § 65; Miller arbeitet in seinem Frege-Vortrag heraus, dass Leibnizens Identitätsprinzip für Freges Zahlentheorie entscheidende Bedeutung hat.
- Abbildung aus: J. Lacan: Of structure as an inmixing of an otherness prerequisite to any subject whatever. In: Pas-tout Lacan. Website www.ecole-lacanienne.net, S. 970-979, hier: 974.
- Vgl. S. Freud, Das Unbewusste, Studienausgabe Bd. 3, a.a.O., S. 133 f.
- Vgl. Bernard Vandermersch: Artikel „Coupure“: In: Roland Chemama, Bernard Vandermersch (Hg.): Dictionnaire de la psychanalyse. Larousse, Paris 2009, S. 121-126.
- Struktur, S. 25.
- Die metaphorische Verwendung des Ausdrucks „Knoten“ findet man auch zu Beginn des Aufsatzes Die Bedeutung des Phallus (1958): der unbewusste Kastrationskomplex hat die Funktion eines „Knotens“ für die Strukturierung der Symptome und für die Regulierung der Entwicklung (Schriften II, S. 119).
- Die Klein’sche Flasche behandelt Lacan vor allem in Seminar 12, Sitzungen vom 9. und 16. Dezember 1964 und vom 6. Januar 1965.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 14. März 1962; Zeichnung aus Version Staferla.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 28. März 1965, Zeichnungen aus Version Staferla.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 7. März 1962, Zeichnung aus Version Staferla.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 26. März 1962, Zeichnung aus Version Staferla, leicht geändert.
- Vgl. Seminar 13, Sitzung vom 15. Dezember 1965.
- Seminar 14, Sitzung vom 16. November 1966; meine Übersetzung nach Version Staferla.
- S. Freud: Die Traumdeutung (1900). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 2. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 568.
- Struktur, S. 32.
- Seminar 13, Sitzung vom 30. März 1966, meine Übersetzung nach Version Staferla
-
Sitzung vom 22. April 1964, meine Übersetzung; vgl. Lacan: Seminar XI (1964): Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Norbert Haas. Olten 1978, S. 154, dort falsch übersetzt.
- Seminar 13, Sitzung vom 4. Mai 1966, Version Staferla 16.8.2013, S. 196, meine Übersetzung.
- Seminar 13, Sitzung vom 25. Mai 1966, meine Übersetzung nach Version Staferla, S. 3 von Version J.L.; vollständige Übersetzung dieser Sitzung hier.
- Seminar 16 von 1968/69, D’un Autre à l’autre, Sitzung vom 20. November 1968; Version Miller, S. 30.
- Vgl. Alan Sokal, Jean Bricmont: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaft mißbrauchen. Beck, München 1999, S. 38.
- Struktur, S. 26.
- Vgl. Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hg. von Charles Bally u. Albert Sechehaye, übersetzt von Herman Lommel. 2. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1967, Teil 2, Kapitel IV, § 4 „Das Zeichen als Ganzes betrachtet“.
- Roman Jakobson, Morris Halle: Fundamentals of language. Mouton, Den Haag 1956; dt: Grundlagen der Sprache. Akademie-Verlag Berlin 1960.
- “Bilabial“ meint, dass der Laut durch Zusammenfügen von Ober- und Unterlippe gebildet wird; „alveolar“ heißt, er wird dadurch erzeugt, dass die Zunge an die Alveolen gelegt wird, an das Zahnfach.
- E. C. Cherry, M. Halle, R. Jakobson: Toward the logical description of languages in their phonemic aspect. In: Language, 29. Jg. (1953), S. 34-46.
- Der Andere „ist der Ort des Signifikantenschatzes“ („le lieu du trésor du signifiant“) heißt es in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens. Creusot und Haas übersetzen mit „A bildet den Hort des Signifikanten“ (A.a.O., S. 180); sie übersehen den Begriff, der an dieser Stelle entscheidend ist, den des Ortes – der Ort ist das, was versammelt.
- Vgl. Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 605.
- Struktur, S. 27, Übersetzung geändert.
- Seminar 4, Sitzung vom 28. November 1956; Version Miller/Gondek, S. 43.
- Vgl. S. Freud: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (1909). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 9-123, hier: S. 19.
- Seminar 4, Sitzung vom 27. März 1957; Version Miller/Haas, S. 313.
- Struktur, S. 34.
- Struktur, S. 27 f.
- Vgl. Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, Sitzung von 24. Januar 1962. In den Schriften findet man die Definition in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens, a.a.O., S. 195).
- Peirce: „Ein Zeichen oder Repräsentamen ist alles, was in einer solchen Beziehung zu einem Zweiten steht, das sein Objekt genannt wird, dass es fähig ist, ein Drittes, das sein Interpretant genannt wird, dahin gehend zu bestimmen, in derselben triadischen Relation zu jener Relation auf das Objekt zu stehen, in der es selber steht. Dies bedeutet, dass der Interpretant selbst ein Zeichen ist, das ein Zeichen desselben Objekts bestimmt und so fort ohne Ende.“ (Charles S. Peirce: Phänomen und Logik der Zeichen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2. Aufl. 1993, S. 64)
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 24. Januar 1962.
- Vgl. Seminar 9, Sitzung vom 27. Juni 1962.
- Vgl. Seminar 11, Sitzung vom 3. Juni 1964; Version Miller/Haas, S. 229.
- Seminar 12, Sitzung vom 20. Januar 1965; meine Übersetzung nach Version Staferla. In der Staferla-Ausgabe findet man in der ersten Formel nicht „n+1“ sondern „1n“, was keinen Sinn ergibt.
- Vgl. Seminar 13, Sitzung vom 1. Dezember 1965.
- In der deutschen Ausgabe des Baltimore-Vortrags wird an dieser Stelle „barred subject“ mit „gespaltenes Subjekt“ übersetzt. „Gespaltenes Subjekt“ wäre „divided subject“.
- Zeichnung aus: Lacan, Subversion des Subjekts, a.a.O., S. 193.
- J. Lacan: Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: Schriften II, S. 36. Virement meint die Überweisung im Bankverkehr oder die Übertragung von Haushaltsmitteln, virement de bord ist das Wenden beim Segeln. Haas übersetzt virement mit „Umstellung“.
- Struktur, S. 30.
- Seminar 12, Sitzung vom 16. Dezember 1964 ; Version Staferla 15.5.2010, S. 81, meine Übersetzung.
- Vgl. Seminar 16, Sitzung vom 26. März 1969; Version Miller, S. 252.