Phallisches Genießen (II):
Seminare 19 und 20
Vito Acconci, Seedbed, Performance von 1972
Was versteht Lacan unter jouissance phallique, unter „phallischem Genießen“ bzw. „phallischer Lust“, wie man auch übersetzen kann?
Lacan gebraucht den Terminus erstmals in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse (1969/70), dort allerdings am Rande; ich habe darüber in einem früheren Artikel berichtet. In Seminar 18 wird der Begriff nicht verwendet. In diesem Beitrag stelle ich die Verwendung von jouissance phallique in den beiden folgenden Seminaren dar: In Seminar 19 von 1971/72 … oder schlimmer, findet man den Terminus zweimal, in Seminar 20 von 1972/73, Encore, wird er erstmals häufiger gebraucht.
Am ausführlichsten äußert Lacan sich zum phallischen Genießen in drei hierauf folgenden Texten: in Seminar 21 von 1973/74, Les non-dupes errent, in dem Vortrag Die Dritte (1974) und schließlich in Seminar 22 von 1974/75, RSI.
Hinweise zum Begriff jouissance – Lust, Genießen – findet man in diesem Blogartikel.
Im Folgenden zitiere ich sämtliche Passagen, in den Lacan in den Seminaren 19 und 20 wörtlich von jouissance phallique spricht und erläutere sie. Dies ist der harte Kern von Formulierungen, bei denen interpretationsfrei klar ist, dass das Genießen, um das es geht, tatsächlich das phallische ist und nicht eine andere Art der Lust. Ich ergänze das um eine Stelle, an der Lacan zwar einfach nur von jouissance spricht – ohne den Zusatz phallique –, an der durch den Kontext jedoch klar ist, dass die jouissance phallique gemeint ist.
Die Übersetzung der Lacan-Zitate im Folgenden ist von mir. Dabei folge ich den Staferla-Versionen der Seminare 19 und 20. In den Fußnoten gebe ich für Seminar 19 die Seiten von Jacques-Alain Millers Edition an1, für Seminar 20 die Seiten der deutschen Übersetzung von Millers Ausgabe dieses Seminars2. Bei Seminar 20 verweisen Zahlen in runden Klammern im Haupttext ebenfalls auf diese Übersetzung.
Ich zitiere und kommentiere die Passagen in der Reihenfolge ihres Auftretens. Ein Sternchen nach einem Wort zeigt an, dass es im Original deutsch ist. Die Fettschreibung von „phallisches Genießen“ ist von mir.
Seminar 19, „… oder schlimmer“
Im Seminar … oder schlimmer (1971/72) spricht Lacan zweimal vom phallischen Genießen, vor allem aber äußert er sich hier über die „phallische Funktion“, und es ist offenkundig, dass die beiden Konzepte in einem engen Zusammenhang stehen. Der Begriff der phallischen Funktion ist mir jedoch nicht klar und ich kann ihn an dieser Stelle nicht aufarbeiten; die Frage nach dem Zusammenhang zwischen phallischem Genießen und phallischer Funktion muss ich deshalb vorläufig – obwohl sie entscheidend ist – ausklammern. Wenn einem klar ist, was unter „phallischer Funktion“ zu verstehen ist, wird man vermutlich viele Passagen, in denen Lacan über den Zusammenhang von fonction phallique und, einfach nur, jouissance spricht, als Erläuterungen der jouissance phallique rekonstruieren können.
Kein sexuelles Genießen
Die erste Passage zum phallischen Genießen lautet:
„Es gibt nur eine einzige Bedeutung*, nämlich den Phallus.
Gehen wir von dieser Hypothese aus, das wird uns in weitem Maße das Gesamt der Funktion des Sprechens erklären. Denn nicht immer wird sie dazu verwendet, um Fakten zu denotieren, das ist alles, was sie tun kann, man denotiert nicht Dinge, man denotiert Fakten, aber das geschieht ganz zufällig, von Zeit zu Zeit. Die meiste Zeit bildet sie einen Ersatz dafür, dass die phallische Funktion eben das ist, was dazu führt, dass es beim Menschen zwischen den Geschlechtern nur die Beziehungen gibt, die Sie kennen – schlechte. Während es überall anders so zu sein scheint, zumindest für uns, dass es wie am Schnürchen läuft.
Das ist nun der Grund dafür, dass Sie in meinem kleinen Quadripoden,
dass Sie in meinem kleinen Quadripoden auf der Ebene der Wahrheit zwei Dinge sehen, zwei Vektoren, die auseinanderlaufen.
Womit ausgedrückt wird, dass das Genießen, das ganz am Ende der rechten Verzweigung steht, sicherlich ein phallisches Genießen ist, das man aber nicht als sexuelles Genießen bezeichnen kann.
Und dass es nötig ist, damit irgendeines dieser merkwürdigen Tiere fortbesteht – derjenigen, die Beute des Sprechens sind –, dass es diesen Pol da gibt, der mit dem Pol des Genießens als Hindernis für das sexuelle Verhältnis korreliert, also diesen Pol, den ich mit ‚Schein‘ (semblant) bezeichne. Das ist auch für einen Partner klar, denn wenn wir wagen, wie es beständig geschieht, sie nach ihrem Geschlecht zu etikettieren, dann ist offenkundig, dass in dieser Rolle der Mann wie die Frau beide Schein machen. Aber schließlich sind es Geschichten, die sie sich liefern. Das Wichtige jedoch ist dies – zumindest wenn es um die Funktion des Sprechens geht –, dass die Pole so definiert sind: der des Scheins und der des Genießens.
Wenn es beim Menschen das gäbe, was wir uns ganz grundlos einbilden, nämlich ein durch die sexuelle Polarität spezifiziertes Genießen, dann wüsste man das.“3
Es gibt nur eine Bedeutung, nämlich den Phallus – damit spielt Lacan auf seinen Aufsatz Die Bedeutung des Phallus an.4
Vom „Phallus“ geht er zur „phallischen Funktion“ über; wir erfahren, dass sie es ist, die dafür sorgt, dass es mit den Beziehungen zwischen den Geschlechtern beim Menschen nicht gut bestellt ist.
Danach spricht er über das viergliedrige Schema, dessen erste Fassung er im Seminar Die Kehrseite der Psychoanalyse vorgestellt hatte (Seminar 17 von 1969/70). Jetzt wird es teilweise mit neuen Zuordnungen verwendet. Der Platz oben links ist der des Scheins, das kennt man bereits aus Seminar 18 (Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, 1971). Der Platz oben rechts ist jetzt nicht mehr der der des Anderen oder der Produktion, sondern der des Genießens.
Erläutert werden nicht nur zwei Plätze sondern auch einige Pfeilverbindungen.5 Vom Platz unten links, vom Platz der Wahrheit, gehen zwei Pfeile aus, der eine führt zum Schein, der andere zum Genießen. Anders gesagt: Die verborgene Wahrheit – ich nehme an: die Wahrheit, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt – manifestiert sich auf zwei Ebenen, auf der des Scheins und auf der der Lust. Unter dem Schein versteht Lacan in diesem Kontext die Inszenierung als „Männlich“ und „Weiblich“ in der Beziehung zum Partner – in Seminar 18 hatte er das erläutert6 –, die Ebene der Geschlechtsrollen, wie Soziologen sagen würden.
Der Platz oben rechts ist der des Genießens, der Lust. Dieses Genießen ist ein phallisches Genießen. Man kann es jedoch nicht als sexuelles Genießen bezeichnen. Damit kommt Lacan auf eine Bemerkung in einer früheren Sitzung dieses Seminars zurück. Dort hatte er erklärt, man könne das „sexuelle Genießen“ provisorisch mit der „phallischen Funktion“ gleichsetzen.7 Diese vorläufige Zuordnung wird jetzt zurückgenommen. In Seminar 18 hatte Lacan definiert, was er unter Sexualität versteht: die Beziehungen von Mann und Frau.8 Das phallische Genießen ist insofern kein sexuelles Genießen, als sich in ihm der Mann (unbewusst) nicht auf die Frau als Frau bezieht und die Frau (unbewusst) nicht auf den Mann als Mann. Anders gesagt: Das phallische Genießen ist das sexuelle Genießen, jedoch nur im Sinne der Umgangssprache. Wenn man den Terminus „sexuell“ für die Mann-Frau-Beziehung verwendet, ist das phallische Genießen kein sexuelles Genießen.
Phallisches Genießen versus weibliches Genießen
Die zweite Stelle in Seminar 19 lautet:
„Genau auf der Ebene, auf der das sexuelle Verhältnis eine Chance hätte, nicht etwa realisiert zu werden, sondern einfach erhofft zu werden, jenseits der Abschaffung durch den Abstand der phallischen Funktion, genau hier finden wir als Anwesenheit, möchte ich zu sagen wagen, nicht mehr nur das eine der beiden Geschlechter. Das ist offensichtlich genau das, dem wir uns von der Erfahrung her nähern müssen, so wie Sie daran gewöhnt sind, sie sich äußern zu sehen, nämlich in der Form, die von der Frau dadurch hervorgerufen wird, dass das Universale für sie nicht aus der phallischen Funktion auftauchen kann, an der sie, wie Sie wissen, nur teilhat – das ist die allzu alltägliche Erfahrung, sodass die Struktur hierdurch nicht verschleiert wird –, an der sie nur in der Weise teilhat, entweder dass sie sie dem Mann entreißen will, oder, mein Gott, dass sie ihm den Dienst daran aufnötigen will, im Falle … oder schlimmer, so muss man schon sagen, dass sie ihn ihm gibt. Aber hierdurch wird sie gerade nicht universalisiert, und sei es nur von daher – was die Wurzel des „nicht-alle“ ist –, dass sie ein anderes als das phallische Genießen verbirgt, das als speziell weiblich bezeichnete Genießen, das in keiner Weise davon abhängt.“9
Mann und Frau beziehen sich auf unterschiedliche Weise auf die phallische Funktion (was immer das sein mag), der Mann unter dem Gesichtspunkt des Universalen, des Quantors „alle“, die Frau unter dem Aspekt des „nicht-alle“, des Nicht-Universalen.
Die Wurzel des „nicht-alle“ ist das weibliche Genießen. Das weibliche Genießen ist ein anderes Genießen als das phallische Genießen; es ist auch in keiner Weise vom phallischen Genießen abhängig.
Mit der Gegenüberstellung zum weiblichen Genießen ist klar, dass Lacan sich mit dem Begriff des phallischen Genießens in dem Themenfeld bewegt, das Freud mit der These eröffnet hatte, die Libido sei exquisit männlich. In den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905) heißt es:
„Mit Rücksicht auf die autoerotischen und masturbatorischen Sexualäußerungen könnte man den Satz aufstellen, die Sexualität der kleinen Mädchen habe durchaus männlichen Charakter. Ja, wüßte man den Begriffen ‚männlich und weiblich‘ einen bestimmteren Inhalt zu geben, so ließe sich auch die Behauptung vertreten, die Libido sei regelmäßig und gesetzmäßig männlicher Natur, ob sie nun beim Manne oder beim Weibe vorkomme und abgesehen von ihrem Objekt, mag dies der Mann oder das Weib sein.“10
Freud betont, dass er mit der Formulierung, die Libido sei „männlicher Natur“, nicht zufrieden ist; die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ sind ihm, in psychoanalytischer Perspektive, zu unklar. Es ist, als würde Lacan auf diese Problemstellung reagieren, indem er sagt: „Wir sollten nicht sagen, ‚die Libido ist männlicher Natur‘, sondern ‚die Libido ist phallischer Natur‘.“ Und als ob er hinzufügen würde: „Statt von ‚Libido‘ sollten wir besser von jouissance sprechen, von Lust, von Genießen.“ Auf diese Weise verwandelt sich die Aussage „Die Libido ist männlicher Natur“ in die Behauptung „Die jouissance, die sogenannte sexuelle Lust, ist phallischer Natur“. Und drittens könnte er sagen: Die Lust keineswegs ausschließlich phallisch, es gibt ein davon unabhängiges weibliches Genießen. An die Stelle der Opposition männlich/weiblich tritt so die Opposition phallisch/weiblich. Das ist ein doppelter Gegensatz zu Freud: Es gibt keine männliche Lust; es gibt aber durchaus eine weibliche Lust. Und es gibt zwei Weisen, sich auf die phallische Lust zu beziehen: die männliche („alle“) und die weibliche („nicht-alle“).
(Falls Freud Lacan fragen würde, was man denn unter dem phallischen Charakter des Genießens zu verstehen habe, würde Lacan ihm wohl antworten: „Damit meine ich, dass die Lust durch die phallische Funktion geprägt ist.“)
Seminar 20, „Encore“
In den Seminaren 17 und 19 hatte die Verwendung des Ausdrucks jouissance phallique sporadischen Charakter; in Seminar 20 von 1972/73, Encore, beginnt Lacan, diesem Terminus größere Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Frau ist nicht-alle gegenüber dem phallischen Genießen
In der ersten Sitzung des Encore-Seminars heißt es:
„Gewiss, das, was auf den Körpern in diesen rätselhaften Formen erscheint, nämlich den sexuellen Merkmalen, die nur sekundär sind, macht das sexuell differenzierte Wesen aus (l’être sexué). Sicherlich. Aber das Wesen/Sein ist die Lust (jouissance) des Körper als solchem, das heißt als a-sexuiertem, denn das, was man sexuelle Lust nennt, ist gekennzeichnet, ist beherrscht durch die Unmöglichkeit, als solches – nirgendwo im Aussagbaren – dieses einzige Ein herzustellen, das uns interessiert, das Ein der Beziehung sexuelles Verhältnis.
Das ist das, was der analytische Diskurs aufzeigt, insofern einem dieser geschlechtlich differenzierten Wesen, dem Mann, insofern er mit dem phallisch genannten Organ ausgestattet ist – ich habe ‚genannt‘ gesagt – das körperliche Geschlecht, das Geschlecht der Frau – ich habe ‚der Frau‘ gesagt, es gibt sie gerade nicht, es gibt nicht Die Frau, die Frau ist ‚nicht alle‘ –, insofern das Geschlecht der Frau ihm nichts sagt, außer durch Vermittlung der Lust des Körpers.
Was der analytische Diskurs aufzeigt, ist dies – gestatten Sie mir, es in dieser Form zu sagen –, dass der Phallus der Gewissenseinwurf ist, der von einem der beiden geschlechtlich differenzierten Wesen erhoben wird, gegen den Dienst, der dem anderen zu erweisen ist.
Und man spreche mir nicht von den sekundären Geschlechtsmerkmalen der Frau, denn bis auf weiteres sind es diejenigen der Mutter, die bei ihr den Vorrang haben. Nichts kennzeichnet die Frau als geschlechtlich differenziertes Wesen außer eben das Geschlecht.“11
Lacan spricht über die biologische geschlechtliche Differenzierung. Wie erscheint sie zunächst, woran hält man sich in erster Linie, wenn man sich als biologischer Mann und biologische Frau wahrnimmt? An die sekundären Geschlechtsmerkmale, an Bart, Brust, Stimmlage usw. (Lacan bezeichnet diese Merkmale als „rätselhaft“ – welche Rätsel geben sie einem auf? Spielt er darauf an, dass die weibliche Brust in der Regel bekleidet ist und dass damit die Frage aufgeworfen wird, was dahinter ist?)
Wie aber stellt sich die Zweigeschlechtlichkeit dar, wenn man auf die Ebene der sexuellen Lust übergeht, der sexuellen jouissance? Hier gibt es keinen komplementären Bezug auf das biologische Gegengeschlecht und insofern keine Einheit des sexuellen Verhältnisses. Die Herstellung dieser Einheit ist eine Unmöglichkeit, etwas Reales – das Reale ist das Unmögliche, lautet Lacans Formel. Damit ist die Lust aber eine Lust des Körpers „als solchem“, des „asexuierten“ Körpers, des Körpers außerhalb des Bezugs auf den Körper des anderen Geschlechts.
Der Mann ist mit dem „phallisch genannten Organ“ ausgestattet, also mit dem Penis; Lacan betont, dass dieses Organ als phallisch bezeichnet wird, er weist darauf hin, dass bei diesem Organ das Sprechen ins Spiel kommt, genauer: die Benennung. Die Frage ist, wie sich der Mann zum körperliche Geschlecht der Frau verhält, zu ihrem sexe, zu ihrem Geschlechtsorgan. Auch hier hebt er hervor, dass eine symbolische Größe interveniert, die er „nicht-alle“ nennt, es gibt nicht „Die Frau“, eine These, das er in den beiden vorangehenden Seminaren 18 und 19 entwickelt hatte. Dem Mann sagt das Geschlechtsorgan der Frau nichts, wohl im Sinne von: es ruft nicht sein Begehren hervor und versetzt ihn nicht in Erregung. Das Geschlechtsorgan der Frau sagt ihm nur etwas durch die jouissance des Körpers, durch die Lust des Körpers, ich nehme an, dass sein eigener Körper „als solcher“ gemeint ist: das Geschlechtsorgan der Frau sagt ihm nur dann etwas, wenn seine eigene körperliche Lust ins Spiel kommt, nämlich durch Penetration.
Der Phallus des Mannes – das phallische genannte Organ – ist der „Gewissenseinwurf“ gegen den Dienst, der dem anderen Geschlecht zu erweisen ist. Warum bringt Lacan hier das Gewissen ins Spiel? Weil der Penis Gegenstand von Verboten ist und damit das Über-Ich ins Spiel kommt? Wie auch immer, die Hauptbedeutung scheint zu sein, dass der Penis häufig Schwierigkeiten macht, wenn es darum geht, einer Frau sexuelle Lust zu verschaffen. Geschichten über „sexuelle Probleme“ gehören vermutlich zum Alltag des Psychoanalytikers.
Aber versetzen einen Mann nicht die sekundären Geschlechtsmerkmale der Frau in Erregung, ihre Brüste? Sicherlich, aber das sind ihre Merkmale als Mutter, nicht als Frau. Das, wodurch sich eine Frau als geschlechtlich differenziertes Wesen auszeichnet, sind schlicht und einfach ihre Genitalien.
Anschließend heißt es:
„Dass alles sich um das phallische Genießen dreht, ist genau das, was die analytische Erfahrung bezeugt, und zwar insofern bezeugt, als die Frau sich von einer Position her definiert, von der ich aufgezeigt habe, dass sie gegenüber dem phallischen Genießen nicht-alles ist.“12
Alles dreht sich um das phallische Genießen, das ist für Lacan eine empirische Tatsache. Dabei hat das Wort „alles“ ein spezielles Gewicht, im Hintergrund steht die Unterscheidung zwischen den Quantoren „alle“ und „nicht-alle“, die Lacan in Seminar 19 und in L’étourdit ausgearbeitet hatte. Nur von der durch das „alle“ charakterisierten Position aus dreht sich alles um das phallische Genießen.
Nicht nur der Mann, auch die Frau bezieht sich auf die phallische Lust, sie jedoch von einer anderen Position aus als der Mann. Der Mann bezieht sich auf die phallische Lust von der Position des Quantors „alle“ aus, die Frau bezieht sich auf das phallische phallische Lust ausgehend vom Quantor „nicht-alle“. Das heißt, die phallische Lust ist für sie nicht alles, es gibt auf ihrer Seite eine zusätzliche jouissance.
Phallisches Genießen ist das Genießen des körperlichen Organs
Die zweite Passage zum phallischen Genießen schließt direkt daran an:
„Ich gehe noch ein bisschen weiter – das phallische Genießen ist das Hindernis, durch das es dem Mann nicht gelingt, möchte ich sagen, den Körper der Frau zu genießen, und zwar genau deshalb, weil das, was er genießt, dieses Genießen ist, das des Organs.“
Das phallische Genießen ist demnach das Genießen des Organs, die an den Penis gebundene Lust. Bei „Organ“ muss man mithören, dass Lacan immer wieder darauf hinweist, dass Organ im Griechischen das Werkzeug ist und dass ein Werkzeug ein Signifikant ist. Das Genießen des Organs ist das Genießen des benannten Organs.
Eben deshalb gelingt es dem Mann nicht, den Körper der Frau zu genießen.
Lacan fährt damit fort, dass er sich zur Illustration seiner These auf die berühmte Paradoxie von Achilles und der Schildkröte bezieht: Achilles, der Spitzenkämpfer, kann die für ihre Langsamkeit berühmte Kreatur nicht einholen, da sie, wenn er die Stelle erreicht hat, an der sie war, immer schon etwas weiter ist.
„Nur, damit soll etwas gesagt werden über das Genießen, insofern es sexuell ist. Auf der einen Seite ist das Genießen durch das Loch gekennzeichnet, das ihm keinen andren Weg lässt als den des phallischen Genießens. Lässt sich auf der anderen Seite etwas erreichen, was uns sagen würde, wie das, was bis hierher nur Spalte ist, Kluft im Genießen, realisiert werden würde?“13
Das phallische Genießen ist das Genießen, insofern es sexuell ist – offenbar wechselt Lacan hier wieder zur umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes „sexuell“.
Bruno/Guillen zufolge ist das phallische Genießen im Sinne von Lacan keineswegs das Genießen des körperlichen Organs; das „Organ“, mit dem der Mensch genießt, sei vielmehr die Sprache als Organ.14 Als Deutung dieser Passage lässt sich das nicht halten. Wenige Sätze zuvor hatte Lacan über das „phallisch genannte Organ“ gesprochen, mit dem der Mann (der Mensch?) ausgestattet ist, und er präzisiert, dass damit das „körperliche Geschlecht“ gemeint ist.15 Damit ist zwar die Sprache im Spiel; der benannte Körper reduziert sich jedoch nicht auf die Sprache.
Aufgrund des phallischen Genießens gelingt es dem Mann nicht, den Körper der Frau zu genießen – so wenig wie Achilles die Schildkröte einholen kann. Im phallischen Genießen ist das Genießen des Körpers der Frau ein „Loch“, eine „Spalte“, eine „Kluft“ (wie es in Anspielung auf das weibliche Geschlechtsorgan heißt), anders gesagt, das Genießen des Körpers der Frau ist unerreichbar. Was der Mann genießt, ist vielmehr das Organ, er genießt seinen eigenen Penis – seinen benannten Penis.
Da Lacan seit den frühen Seminaren unablässig betont, dass man „Penis“ und „Phallus“ nicht verwechseln darf, ist nicht zu erwarten, dass „phallisches Genießen“ umstandslos mit „genitale Lustbefriedigung“ gleichzusetzen ist; auf irgendeine Weise muss der Signifikant ins Spiegel gebracht werden, durch welchen der Penis zum Phallus wird.
Lacans Äußerungen erinnern an eine Bemerkung von Ferenczi über Sexualverkehr und Onanie, worin es heißt:
„Es gibt Männer, die mit ihren Frauen, trotz der Abnahme der Libido, häufig sexuell verkehren, dabei aber in der Phantasie die Person der Frau durch eine andere ersetzen, die also gleichsam in vaginam onanieren. Wenn solche Männer zeitweise mit einer anderen, sie voll befriedigenden Person verkehren, so bemerken sie einen sehr großen Unterschied zwischen ihrem Befinden nach dem durch Phantasie unterstützten und nach dem an sich zufriedenstellenden Koitus.“16
Es ist, als ob Lacan hierauf Folgendes antworten würde: ‚Verehrter Herr Ferenczi, Ihrer Opposition von phantasiegestütztem onanistischem und nicht-phantasiegestütztem nicht-onanistischem Sexualverkehr kann ich nicht zustimmen. Die Organlust ist eine phallische Lust, das heißt, sie ist durch den Kastrationskomplex strukturiert, der Ihnen ja aus Freuds Analyse des kleinen Hans bekannt ist. Dieser Komplex bestimmt auch das Seelenleben des Erwachsenen, und das hat zur Folge, dass die phallische Lust immer auf einer Phantasievorstellung beruht, welche die Funktion hat, die Kastrationsgefahr abzuwehren. In dieser Phantasie wird die Kastration durch etwas symbolisiert, dessen Entdeckung Ihnen allerdings noch bevorsteht: durch das Partialobjekt, wie die Kollegen Abraham und Klein es nennen werden, etwa durch Brust oder Kot; ich bezeichne diese Gebilde als Objekte a. Mit anderen Worten: Der Mann ersetzt seine Sexualpartnerin immer durch ein anderes Objekt, allerdings letztlich nicht durch eine andere Person – das ist nur die bewusste oder besser: die bildhafte Ebene –, sondern durch ein Objekt a. Insofern, lieber Herr Ferenczi, ist jeder Beischlaf ein Onanieren in vaginam, auch wenn Sie natürlich damit recht haben, dass die Empfindungen während der Onanie und die während des sexuellem Verkehrs sich deutlich voneinander unterscheiden können und gewiss auch das Befinden danach. Falls die Ersetzung der Person, wie Sie sagen, durch das Objekt a nicht stattfindet, kommt es gar nicht erst zum Koitus.‘
Wie hat man sich die Beziehung zwischen dem phallischen Genießen und der Organlust vorzustellen? Ist gemeint: Die „phallische Funktion“ (was immer das sein mag) sorgt dafür, dass die sexuelle Lustbefriedigung des Mannes in den Grenzen seines Organs eingesperrt bleibt?
Lacan deutet an der zitierten Stelle einen anderen Zusammenhang an: Das sexuelle Genießen ist durch ein Loch gekennzeichnet – für den Mann durch die Unmöglichkeit, den Körper der Frau zu genießen –, und dieses Loch lässt dem Genießen keinen anderen Weg als den des phallischen Genießens.
Das phallische Genießen wird damit auf eine weitere Art des Genießens bezogen, nicht mehr nur auf das weibliche Genießen, sofern es nicht-phallisch ist (also das Genießen auf der Seite der Frau), sondern außerdem auf das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts, Genitivus objectivus (also das Genießen des Mannes durch die Beziehung zur Frau als Sexualpartnerin). Diese dritte Art des Genießens ist nur eine theoretische Größe, sie ist nicht realisierbar, sie ist ein „Loch“.
Mit dem letzten Satz der zitierten Passage wirft Lacan die Frage auf, ob das Loch im Genießen überwindbar ist – ob es unter bestimmten Umständen möglich ist, dass ein Mann den Körper einer Frau genießt.
Die sexuelle Lust nimmt demnach drei Formen an: das phallische Genießen, das man sowohl auf der Seite des Mannes als auch auf der Seite der Frau findet; ein Genießen auf der Seite der Frau, das nicht phallisch ist; und schließlich das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts (Genitivus objectivus), das allerdings unmöglich ist.
Phallisches Genießen versus Genießen des Anderen
Zwei Sitzungen später liest man:
„Und es kommt sogar vor, dass sich etwas herstellt, was über das, was ich eben beschrieben habe, hinausgeht, und das von der ganzen Signifikanten-Mehrdeutigkeit gekennzeichnet ist, nämlich dass das ‚Genießen des Körpers‘ ein Genitiv ist, der also, je nachdem ob Sie ihn objektiv oder subjektiv auffassen, diese sadesche Note hat, auf die ich eben einen kleinen Akzent gesetzt habe, oder im Gegenteil diese ekstatische, suggestive Note, die besagt, dass es letztlich der Andere ist, der genießt.
Natürlich gibt es hier nur eine Ebene, die gut lokalisiert ist, die elementarste in dem, worum es beim Genießen geht, beim Genießen in dem Sinn, in dem ich das letzte Mal vorgebracht habe, sie sei kein Zeichen der Liebe.
Das ist auszuführen, und natürlich führt uns das von da, von der Ebene des phallischen Genießens, zu dem, was ich eigentlich das Genießen des Anderen nenne, insofern es hier nur symbolisiert ist, das ist noch etwas ganz anderes, nämlich dieses Nicht-alle, das ich noch artikulieren muss.“17
Die Wendung das „Genießen des Anderen“ ist (im Französischen wie im Deutschen) doppeldeutig. Fasst man den Genitiv als objektiven Genitiv auf, ist es der Andere, der genossen wird, begreift man ihn subjektiv, ist es der Andere, der genießt. Die erste Bedeutung hat eine sadistische Tönung; beim Genitivus sujectivus hingegen kommt eine „ekstatische“ Note ins Spiel, es geht dann um Ekstase im Sinn des Aus-sich-Heraustretens.
Der Hinweis auf den Sadismus gibt der These über das phallische Genießen als Hindernis eine neue Bedeutung: Die These lautet jetzt möglicherweise: Das phallische Genießen verhindert die sadistische Beziehung zum Körper der Frau. Damit könnte gemeint sein: Die Einwirkung der „phallischen Funktion“ (was immer das sein mag) in das sexuelle Genießen des Mannes – in die mit dem Penis-Organon verbundene Lustbefriedigung – verhindert die Vergewaltigung. Man könnte das in eine Erklärung der Vergewaltigung umformulieren: Falls es doch zur Vergewaltigung kommt, beruht dies auf dem Ausfallen der „phallischen Funktion“. Soll das angedeutet werden?
Lacan bezieht sich dann auf einen Satz, den er in einer früheren Sitzung vorgebracht hatte: „Das Genießen des Anderen, des Körpers des Anderen, der ihn – auch er mit einem großem A –, des Körpers des Anderen, der ihn symbolisiert, ist nicht das Zeichen der Liebe.“18 Der Satz soll demnach auf die Weise gelesen werden, dass hierbei die Mehrdeutigkeit von subjektivem und objektivem Genitiv zum Tragen kommt.
Das führt vom phallischen Genießen, fährt Lacan fort, zum Genießen des Anderen. Welcher Genitiv ist gemeint? Lacan bezieht das Genießen des Anderen auf das nicht-alle; also geht es um den Genitivus subjectivus, um das weibliche Genießen.
Kastration
In der Folgesitzung heißt es:
„Auf einer anderen Seite jedoch, auf der Seite des x – nämlich dessen, was der Mann wäre, wenn das sexuelle Verhältnis auf eine Weise geschrieben werden könnte, die haltbar wäre, haltbar in einem Diskurs –, werden Sie sehen, dass der Mann nur ein Signifikant ist, weil er da, wo er als Signifikant ins Spiel eintritt, nur quoad castrationem eintritt, das heißt insofern er ein Verhältnis – irgendein Verhältnis – zum phallischen Genießen hat.“19
Wenn der Mann als Signifikant ins Spiel eintritt, tut er dies nur quoad castrationem, nur insofern, als die Kastration hierin verwickelt ist. Was immer damit gemeint sein mag, die Minimalbedeutung ist sicherlich, dass die Kastration – also Lacans Reformulierung von Freuds Begriff des Kastrationskomplexes – an das Funktionieren der Signifikanten gebunden ist, an die Einwirkung der Sprache.
Die Kastration wird hier durch das phallische Genießen erläutert: Das Eintreten des Mannes ins Spiel unter dem Aspekt der Kastration heißt nichts anderes, als dass er in einem Verhältnis zum phallischen Genießen steht.
Das phallische Genießen ist demnach eine Form der Lustbefriedigung, bei der die Kastration ins Spiel kommt. Möglicherweise kann man es so zuspitzen: Das phallische Genießen ist die genitale Lustbefriedigung, insofern sie durch den Kastrationskomplex geprägt ist. Dann wäre das sexuelle Genießen (im Sinne der Umgangssprache), also das Genießen des körperlichen Organs (also des benannten Penis-Organons) dann ein phallisches Genießen, wenn dieses Genießen durch den Bezug auf die Kastration strukturiert ist. Also vielleicht so: Lust des benannten Genitalorgans + Kastration = phallisches Genießen – ?
Was hat man sich unter einem Penisgenießen vorzustellen hat, das nicht durch die Kastration strukturiert ist? Wäre das die Lustbefriedigung durch eine passage à l’acte in Form einer Vergewaltigung?
Die andere Befriedigung, das Genießen, das es braucht, und das Genießen, das es nicht braucht
Die Sitzung vom 13. Februar 1973 beginnt so:
„Alle Bedürfnisse des sprechenden Wesens (être parlant) sind durch die Tatsache kontaminiert, dass sie in eine anderen Befriedigung – unterstreichen Sie diese drei Wörter – verwickelt sind, wobei sie verfehlt werden können, ich meine besagte Bedürfnisse.
Wie kann das geschehen? Dieser erste Satz, den ich, mein Gott, als ich heute früh aufwachte, so zu Papier brachte, damit Sie ihn aufschreiben, dieser erste Satz geht mit der Opposition einher zwischen den Bedürfnissen –, wenn es so ist, dass sich dieser Terminus, auf den man, wie Sie wissen, für gewöhnlich zurückgreift, denn so leicht fassen ließe, denn schließlich lässt er sich nur darin fassen, dass er dem fehlt, was ich eben als diese andere Befriedigung vorgebracht habe.
Die andere Befriedigung – das sollten Sie immerhin verstehen – ist eben das, was sich auf der Ebene des Unbewussten befriedigt, und zwar insofern, als dort etwas gesagt wird und nicht gesagt wird, wenn es stimmt, dass es strukturiert ist wie eine Sprache.
Hier nehme ich das wieder auf, das heißt in einem gewissen Abstand zu dem, worauf ich mich seit einiger Zeit beziehe, nämlich das Genießen (jouissance), von dem diese andere Befriedigung abhängt, diejenige, die sich auf die Sprache stützt.“20
Beim Menschen als einem sprechenden Wesen sind die Bedürfnisse in eine „andere Befriedigung“ verwickelt.
Lacan deutet an, dass der Begriff des Bedürfnisses keineswegs so einfach zu bestimmen ist, wie es erscheinen mag. Dennoch stützt er sich darauf, wie bereits 1958 bei der Einführung der Trias von Bedürfnis, Anspruch und Begehren in Seminar 5, Die Bildungen des Unbewussten, sowie in den Aufsätzen Die Bedeutung des Phallus und Die Lenkung der Kur. In psychoanalytischer Perspektive lässt sich das Bedürfnis allerdings nur als etwas fassen, heißt es weiter, was der „anderen Befriedigung“ fehlt. Was ist die „andere Befriedigung“?
Die „andere Befriedigung“ wird auf der Ebene des Unbewussten erreicht, insofern das Unbewusste spricht und schweigt (in Träumen, Symptomen, Fehlhandlungen u.a.) – was voraussetzt, dass das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert ist. Die Bedürfnisbefriedigung geht einher mit der Befriedigung durch das Sprechen und Schweigen des Unbewussten.
Die Bedürfnisbefriedigung ist demnach nicht nur an das Sprechen gebunden – an bestimmte Forderungen, Ansprüche (demandes) –, es gibt auch eine mit dem Sprechen verbundene Befriedigung, sofern dieses Sprechen unbewusst ist.
Zwischen den Bedürfnissen und der Befriedigung durch das unbewusste Sprechen gibt es ein Spannungsverhältnis. Die Befriedigung durch das unbewusste Sprechen ist so beschaffen, dass die Bedürfnisse verfehlt werden können (ich denke hierbei an den Fall der Magersucht).
Die „andere Befriedigung“ – die durch das Sprechen des Unbewussten – steht in einer Beziehung zur jouissance, zur Lust, zum Genießen. Welche jouissance ist gemeint? Die „andere Befriedigung“ antwortet auf das phallische Genießen, wird Lacan zu Beginn der nächsten Sitzung sagen.21 Man wird das zusammenbringen dürfen: Die Befriedigung durch das unbewusste Sprechen antwortet auf die phallische jouissance. Die Beziehung zwischen der „anderen Befriedigung“ und dem phallischen Genießen ist eine Beziehung der Abhängigkeit, in der Richtung, dass die „andere Befriedigung“ vom phallischen Genießen abhängt.
Für das phallische Genießen ist festzuhalten: Es steht in engem Zusammenhang mit der „anderen Befriedigung“ durch das Sprechen des Unbewussten; diese Art der Sprechbefriedigung ist vom phallischen Genießen „abhängig“. Und die „andere Befriedigung“ steht in einem spannungsreichen Zusammenhang mit der Befriedigung der Bedürfnisse.
Demnach sind folgende Lustarten zu unterscheiden:
– das „phallische Genießen“: das durch den Kastrationskomplex strukturierte Genießen des (benannten) Penis-Organs,
– das „weibliche Genießen“: das „Genießen des Anderen“ im Sinne des Genitivus subjectivus,
– das „Genießen des Anderen“ im Sinne des Genitivus objectivus; das unmögliche Genießen des Körpers des anderen Geschlechts,
– die „andere Befriedigung“ im Sinne der Befriedigung durch das Sprechen, durch das Sprechen des Unbewussten,
– die Bedürfnisse und damit die Bedürfnisbefriedigung.
Eine der Beziehungen zwischen den letzten beiden Lustarten ist klar: Die Bedürfnisbefriedigung ist durch das Sprechen vermittelt, durch demandes, durch Forderungen, Ansprüche (vgl. Seminar 5); das Sprechen ist Grundlage des „Sprechens des Unbewussten“; die Bedürfnisbefriedigung und das mit dem Sprechen des Unbewussten verbundene Genießen können miteinander in Konflikt geraten.
Kurz danach heißt es:
„Sie werden sehen, dass Aristoteles nicht verständlicher ist als das, was ich Ihnen erzähle, und dass er es eher noch weniger ist, da er mehr Dinge aufrührt, und Dinge, die uns ferner sind. Es ist jedoch klar, dass die andere Befriedigung, von der ich eben gesprochen habe, nun ja, genau diejenige ist, die sich von daher ausmachen lässt, dass sie woraus auftaucht? — nun ja, meine lieben Freunde, unmöglich, dem zu entkommen, wenn Sie der Sache auf den Grund gehen —, aus den Universalien: aus dem Guten, dem Wahren, dem Schönen.“22
Die „andere Befriedigung“ – die Befriedigung durch das Sprechen – taucht bei Aristoteles aus den Universalien auf: aus dem Guten, dem Wahren und dem Schönen. Mit dem Guten, Wahren und Schönen sind wir in Ordnung der Sublimierung, wie Lacan an anderer Stelle in diesem Seminar erläutert.23 Die Sublimierung besteht Freud zufolge darin, dass der Sexualtrieb auf ein nicht-sexuelles Ziel gelenkt wird. Also ist die „andere Befriedigung“ vermutlich die desexualisierte Lustbefriedigung.
Im Seminar Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse hatte Lacan gesagt:
„(…) immer wieder kommt Freud in diesem Aufsatz [Triebe und Triebschicksale] auf die Behauptung zurück, daß die Sublimierung auch Triebbefriedigung sei, wenn auch zielgehemmt* – da sie ja nicht am Ziel ankommt. Die Sublimierung ist darum aber nicht weniger Triebbefriedigung, und dies ohne Verdrängung.
Mit anderen Worten – im Augenblick grad vögle ich nicht, ich spreche vor Ihnen, und! ich kann kann genau die gleiche Befriedigung empfinden, als würde ich vögeln.“24
Für „Triebbefriedigung“ kann man hier jouissance einsetzen. Die mit der Sublimierung verbundene jouissance ist die mit dem Sprechen einhergehende jouissance. Die jouissance beim Sexualverkehr (die phallische jouissance?) ist dieselbe wie die beim Sprechen. Was meint hier „dieselbe“? Wenn man Freud folgt, sind die beiden Lustarten insofern dieselben, die mit der Sublimierung verbundene Befriedigung tatsächlich eine Befriedigung ist.
Vielleicht will Lacan mit seinen Bemerkungen über die Sprechbefriedigung andeuten, dass die jouissance zwei Formen annimmt, nicht-sublimiert und sublimiert. Wie verhältnis sich das zum phallischen Genießen? Will er sagen, dass das phallische Genießen zwei Formen annimmt: nicht-sublimiert und sublimiert? Ist die „andere Befriedigung“ das sublimierte phallische Genießen?
Etwas später heißt es im Encore-Seminar:
„Aber weil Aristoteles dann viel davon herausgebracht hat, und weil uns das, nachdem es lange abgeschrieben worden ist, gedruckt überliefert wurde, deshalb wird angenommen, dass es etwas gibt, das in all dem etwas festhält. Und das ist von dem Moment an, in dem wir uns die Frage stellen, die einzige — wo befriedigte sie das, Sachen wie diese?
Nicht so wichtig, wie das damals verwendet wurde, man weiß, dass es weitergegeben wurde, dass es Bände von Aristoteles gab. Das lenkt uns jedoch ab, und zwar genau darin: ‚Von woher befriedigte sie das?‘ lässt sich nur so übersetzen: ‚Wo wäre ein bestimmtes Genießen verfehlt werden?‘ Anders gesagt, in einem Text wie diesem, warum mühte er sich da so ab?
Sie haben richtig verstanden – Verfehlen, Fehlen, etwas, das nicht geht, etwas, das in dem, was offensichtlich angezielt wird, entgleitet, und dann beginnt das sofort so, am Anfang – das Gute und das Glück. Du bi, du bien, du benêt [Vom Bi, vom Guten, vom Dummkopf]!“25
Die Beschäftigung mit den Texten von Aristoteles ging mit einer Befriedigung einher, und in dieser Befriedigung ist ein bestimmtes Genießen verfehlt worden. Welches Genießen ist verfehlt worden? Will er sagen, dass im sublimierten phallischen Genießen, genauso wie im phallischen Genießen, ein Genießen verfehlt wird, nämlich das Genießen des Anderen, Genitivus objectivus?
Später heißt es, nach einem Hinweis auf Bemerkungen, die Lacan in einem früheren Seminar über den Utilitarismus gemacht hatte:
„Das hat die Zuhörer, die ich damals hatte, kalt gelassen, weil, der Utilitarismus, davon hatten sie nie sprechen hören, derart, dass sie keinen Irrtum begehen konnten und nicht annehmen konnten, das sei der Rückgriff auf das Nützliche.
Ich habe ihnen [damals] erklärt, was das war, der Utilitarismus auf der Ebene von Bentham, nämlich keineswegs das, was man annimmt, und dass man dafür die Theorie lesen muss, die Theory of fictions, und dass der Utilitarismus nichts anders besagt als dies, dass man die alten Wörter – darum geht es –, diejenigen die bereits dienen, nun ja, dass man denken muss, wozu sie dienen, mehr nicht.
Und sich nicht über das Ergebnis zu wundern, wenn man sich ihrer bedient, man bedient, wozu sie dienen: dazu, dass es Genießen gibt, qu’il faut, das es braucht, falls Sie mir bis hierher folgen, abgesehen davon, dass aufgrund von etwas, was ich allerdings nicht immer ganz von Neuem in Erinnerung rufen kann, nämlich dessen, dass ich den Akzent auf die Äquivokation zwischen faillir, ‚verfehlen‘, und falloir, ‚müssen‘, gesetzt habe, das führt uns dazu, dass es das Genießen gibt, das es braucht, um es zu übersetzen, dazu, dass es hier Genießen gibt, das es nicht braucht.
Ja, ich lehre da etwas Positives, wie man sagt, bis auf dies, dass es durch eine Negation ausgedrückt wird.
Und warum sollte das nicht ebenso positiv sein wie etwas anderes?
Das Notwendige (le nécessaire) – was ich Ihnen auf diese Weise zu akzentuieren vorschlage – ist das, was nicht aufhört (ne cesse), womit? – nun genau damit, geschrieben zu werden.
Das ist eine sehr gute Weise, mindestens vier Modalkategorien zu unterscheiden. Ich erkläre Ihnen das ein andermal, aber diesmal gebe ich Ihnen ein Stückchen mehr davon.
Was nicht aufhört, nicht geschrieben zu werden, ist eine Modalkategorie, die nicht gerade die ist, von der sie erwartet hätten, dass sie sich dem Notwendigen entgegensetzt, was vielmehr das Zufällige gewesen wäre.
Aber stellen Sie sich vor, dass das Notwendige mit dem Unmöglichen verbunden ist, und dieses ‚nicht aufhört, nicht geschrieben zu werden‘ ist dessen Artikulation. Aber lassen wir das.
Das Notwendige, insofern es nicht aufhört, geschrieben zu werden, ist dies, dass das, was sich herstellt, das Genießen ist, das es nicht bräuchte.
Das ist die Entsprechung dazu, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, und das ist das Substantielle der phallischen Funktion.
Ich komme jetzt wieder auf den Text zurück. Das ist ‚das Genießen, das es nicht bräuchte‘ – was ich geglaubt habe, als konditional bezeichnen zu können.
Was uns die Protasis durch ihre Verwendung nahelegt, nämlich die Apodosis, das ist ‚wenn es das nicht gäbe, wäre es besser‘ – Konditional im zweiten Teil.
Die materiale Implikation, diejenige, bei der die Stoiker gesehen haben, dass es vielleicht das was, was es in der Logik an Solidestem gab.
Das Genießen also, wie wollen wir ausdrücken, was es hierbei nicht bräuchte, wenn nicht so: Wenn es ein anderes als das phallische Genießen gäbe – dies einfach, damit Sie den Faden nicht verlieren, das ist schrecklich, aber wenn ich so zu Ihnen spreche, wie ich heut früh meine Notizen gemacht habe, dann verlieren Sie den Faden –, wenn es ein anderes gäbe, dann bräuchte es nicht, dass es eben dies sei. […]
Ja, wenn es ein anderes gäbe, dann bräuchte es nicht, dass es eben dies sei. Hören Sie das! Was bezeichnet das ‚eben dies ‘? Bezeichnet es das, was in dem Satz das ‚andere‘ ist? Oder das, wovon wir ausgegangen sind, um dieses andere als anderes zu bezeichnen?
Denn schließlich, wenn ich das sage, was sich auf der Ebene der materialen Implikation hält – da der erste Teil insgesamt etwas Falsches bezeichnet, ‚wenn es ein anderes gäbe‘, es gibt kein anderes als das phallische Genießen, außer demjenigen Genießen, über das die Frau kein Wort sagt, vielleicht weil sie es nicht kennt, dasjenige, durch das sie jedenfalls nicht-alle gemacht wird. Es ist also falsch, nicht wahr, dass es ein anderes gäbe. Was aber nicht verhindert, dass die Folge wahr ist, nämlich, ‚es bräuchte nicht, dass es eben dies sei‘.“26
Zwei Arten des Genießens werden unterschieden: das Genießen, „das es braucht“, und das Genießen, „das es nicht braucht“.
Das Genießen, das es braucht – damit ist das phallische Genießen gemeint, wie Lacan zu Beginn der nächsten Sitzung klarstellen wird.27
Im Genießen, das es braucht – im phallischen Genießen –, wird etwas verfehlt; der Doppelsinn von il faut besteht darin, dass das phallische Genießen zugleich das notwendige und das verfehlende Genießen ist. Das, was verfehlt wird, ist offenbar das Genießen, „das es nicht braucht“. Was ist das Genießen, „das es nicht braucht“? Lacan hatte mehrfach betont, dass im phallischen Genießen das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts verfehlt wird (Genitivus objectivus); „es gibt kein sexuelles Verhältnis“ meint nicht zuletzt: es ist unmöglich, den Körper des anderen Geschlechts (Genitivus objectivus) zu genießen. Also ist das Genießen, „das es nicht braucht“, vermutlich das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts (Genitivus objectivus).
Das Genießen, das es braucht (das phallische Genießen), übersetzt das Genießen, das es nicht braucht (das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts, Genitivus objectivus). Damit könnte gemeint sein: Das phallische Genießen bildet einen Ersatz für das unmögliche Genießen des Körpers des anderen Geschlechts. Im Genießen des Körpers des anderen Geschlechts würde das sexuelle Verhältnis realisiert; das phallische Genießen ist ein Ersatz für das unmögliche sexuelle Verhältnis.
Anschließend wird die Wendung il faut als Modalkategorien aufgefasst. Il faut - also „es braucht“, „es soll“, „es muss“, „es ist nötigt“ – entspricht der Kategorie der Notwendigkeit. Dieser Terminus wird dann etymologisch gedeutet; nécessaire kommt vom Lateinischen ne-cedere, „nicht aufhören“; le nécessaire, das Notwendige, ist ce qui ne cesse pas, das, was nicht aufhört – was nicht aufhört, geschrieben zu werden. Das Notwendige ist das, was beharrlich geschrieben wird, ohne dass man es stoppen kann. Offenbar geht es hier um den Wiederholungszwang, der als eine Art Schreibzwang gedeutet wird.
Der Notwendigkeit wird die Unmöglichkeit gegenübergestellt. Sie ist das, was nicht aufhört, nicht geschrieben zu werden, also ein hartnäckig scheiternder Schreibversuch. Das unmöglich zu Schreibende ist das Reale – der Wiederholungszwang dreht sich um einen traumatischen Kern, der nicht symbolisiert werden kann, um die Unmöglichkeit des sexuellen Verhältnisses, womit hier wohl gemeint ist: um die Unmöglichkeit, den Körper des anderen Geschlechts (Genitivus objectivus) zu genießen.
Die beiden folgenden bereits zitierten Sätze sind schwer zu verstehen, ich zitiere sie noch einmal:
„Das Notwendige, insofern es nicht aufhört, geschrieben zu werden, ist dies, dass das, was sich herstellt, das Genießen ist, das es nicht bräuchte. Das ist die Entsprechung dazu, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, und das ist das Substantielle der phallischen Funktion.“
Ich verstehe die Passage so: Das Notwendige ist das, was nicht aufhört, geschrieben zu werden, das Notwendige ist also das, was sich im Wiederholungszwang beständig wiederholt. Das Notwendige ist das phallische Genießen. Das Notwendige, sagt Lacan dann, ist, dass sich dasjenige Genießen herstellt, das nicht braucht. Das Genießen, das es nicht braucht, ist das Genießen des Anderen (des Körpers des anderen Geschlechts, Genitivus objectivus). Die Notwendigkeit des phallischen Genießens beruht darauf, dass in ihm das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts (Genitivus objectivus) hartnäckig verfehlt wird.
Im nächsten Schritt nun integriert Lacan die beiden Formen des Genießens in eine materiale Implikation, also in eine Wenn-Dann-Verbindung von zwei Aussagen, die entweder wahr oder falsch sind, in der Sprache der Logiker: die die Wahrheitswerte „wahr“ oder „falsch“ haben. Die Wenn-Komponente bildet hier den Vordersatz, die Protasis, und die Dann-Komponente ist der Hintersatz, die Apodosis.
In der Logik interessiert an einer materialen Implikation das Verhältnis zwischen den Wahrheitswerten der beiden Einzelaussagen zum Wahrheitswert der aus den beiden Aussagen zusammengesetzten Gesamtaussage. Ein auffälliges Merkmal der Wenn-Dann-Verknüpfung besteht darin – wie die Stoiker entdeckt haben –, dass dann, wenn der Vordersatz falsch ist, die Gesamtaussage in jedem Fall wahr ist, und zwar unabhängig davon, ob der Hintersatz wahr oder falsch ist. Zur Verdeutlichung bringe ich hier die sogenannte Wahrheitstabelle für die Wenn-Dann-Verknüpfung. Der Buchstabe a symbolisiert hier die erste Teilaussage, also die Wenn-Komponente, den Vordersatz; b steht für die zweite Teilaussage, für den Dann-Bestandteil; der Pfeil entspricht der Verknüpfung „wenn – dann“; a → b meint die aus zwei Sätzen bestehende Gesamtaussage; die Buchstaben w und f stehen für „wahr“ und „falsch“.
Der Vordersatz lautet nun „Wenn es ein anderes als das phallisches Genießen gäbe“. a: „Es gibt ein anderes als das phallische Genießen“.
Der Hintersatz ist: „dann bräuchte es nicht, dass es eben dies sei“. Anders formuliert: „Es bräuchte nicht, dass es eben dies sei.“ Was ist mit „eben dies“ gemeint, fragt Lacan, das andere Genießen oder das phallische Genießen? Erste Möglichkeit: gemeint ist das andere Genießen. Die Gesamtaussage lautet dann: Wenn es ein anderes als das phallische Genießen gibt, dann ist das andere Genießen nicht notwendig.
Zweite Möglichkeit: gemeint ist das phallische Genießen. Die Gesamtaussage ist dann: Wenn es ein anderes als das phallische Genießen gibt, dann ist das phallische Genießen nicht notwendig.
Nun geht es noch um die Wahrheitswerte der Teilaussagen. Lacan weist dem Vordersatz den Wahrheitswert „falsch“ zu und dem Hintersatz den Wahrheitswert „wahr“. Man kann also sagen: Die folgende Aussageverknüpfung ist wahr: „Wenn es ein anderes als das phallische Genießen gibt (was falsch ist), dann bräuchte es nicht, dass es eben dies sei (was wahr ist). “ Für die Wahrheit der Gesamtaussage ist die Zuweisung des Wahrheitswerts „wahr“ zur zweiten Teilaussage irrelevant – unabhängig davon, ob die Dann-Komponente wahr oder falsch ist, die zweiteilige Gesamtaussage ist in jedem Fall wahr.
Anschließend erfährt man jedoch, dass es durchaus ein anderes Genießen als das phallische Genießen gibt, dasjenige nämlich, über das die Frau kein Wort sagt, also das Genießen, auf das Lacan bereits in der ersten Sitzung verwiesen hatte und das er seit den Richtungweisenden Themenvorschlägen für einen Kongress über die weibliche Sexualität (1958) als jouissance féminine bezeichnet, als „weibliches Genießen. 28 Müsste man dann nicht sagen, dass der erste Teilsatz wahr ist? Lacan zieht diese Konsequenz nicht. Eine Pointe besteht offenbar darin, dass der Satz „Es gibt kein anderes als das phallische Genießen“ wahr ist, obwohl es durchaus ein anderes Genießen gibt. Was könnte das heißen?
Ich nehme an, dass Folgendes gemeint ist: Da die Frau über dieses andere Genießen nichts sagt und da Wahrheit ans Sprechen gebunden ist, liegt das andere Genießen außerhalb des Bereichs, in dem die Wahrheitswerte „wahr“ oder „falsch“ zugewiesen werden können, gewissermaßen außerhalb der Wahrheitsfunktion. Und dieses Jenseits-von-wahr-oder-falsch soll vielleicht dadurch angedeutet werden, dass die Aussage über das andere Genießen die Position der Dann-Aussage einnimmt, also derjenigen Aussage, in Bezug auf die bei einer materialen Implikation irrelevant ist, ob sie wahr oder falsch ist.
Der Unterschied zwischen dem Genießen, „das es braucht“ – dem phallischen Genießen –, und dem weiblichen Genießen wäre demnach ein Unterschied, der sich auf Wahrheit bezieht. Das andere Genießen, das weibliche Genießen, liegt außerhalb dessen, was zur Sprache kommen kann; in Bezug auf diesen Typ des Genießens gibt es keine Wahrheitseffekte. Das phallische Genießen hingegen ist mit dem Symbolischen verbunden, mit dem Signifikanten, mit der Kastration, es ist also wahrheitsfunktional, könnte man sagen – das phallische Genießen ist mit einem Sprechen verknüpft, das wahr oder falsch sein kann. Anders gesagt: Das phallische Genießen ist der Psychoanalyse zugänglich, die ja eine Sprechpraxis ist, wobei dieses Sprechen in Gestalt der Deutung Sinn- und Wahrheitseffekte hat. Das weibliche Genießen liegt außerhalb des Wirkungsbereichs der Psychoanalyse, es kann durch Deutung nicht modifiziert werden.
Sprechbefriedigung und phallisches Genießen
Die nächste Sitzung beginnt so:
„Ich kann Ihnen ja gestehen, dass ich gehofft habe, die sogenannten Schulferien würden Ihre Reihen lichten. Schon seit langem würde ich –, hätte ich mir gewünscht, so zu Ihnen zu sprechen, dass ich dabei unter Ihnen ein wenig umherwandere; das würde, so scheint mir, einige Dinge erleichtern.
Aber da mir diese Befriedigung nun mal verwehrt ist, komme ich auf das zurück, wovon ich das letzte Mal ausgegangen bin, das, was ich ‚eine andere Befriedigung‘ genannt habe, die Befriedigung des Sprechens.
Eine andere Befriedigung, diejenige – ich wiederhole es, das ist der Anfang von dem, was ich das letzte Mal gesagt habe –, diejenige, die auf das Genießen antwortet (répond à), das es just brauchte, just, damit sich – zwischen dem, was ich abkürzen möchte, indem ich sie ‚der Mann und die Frau‘ nenne – das ereignet, was das phallische Genießen ist.
Beachten Sie hier die Modifikation, die durch das Wort ‚just‘ eingeführt wird.“29
In der vorangegangenen Sitzung hatte Lacan von einer „anderen Befriedigung“ gesprochen (vgl. 60). Dies ist die Befriedigung am „Blablabla“, wie es dort hieß (vgl. 62), die Befriedigung durch das Sprechen, wie er jetzt sagt.
Die Sprechbefriedigung steht in einem Verhältnis zum phallischen Genießen. Die Beziehung ist die des Antwortens: die Sprechbeziehung antwortet auf das phallische Genießen.
Bruno und Guillen setzen die „andere Befriedigung“, von der Lacan hier spricht, mit dem phallischen Genießen gleich.30 Lacan sagt etwas anderes: Die andere Befriedigung antwortet auf (répond à) das phallische Genießen. In der vorangegangenen Sitzung des Encore-Seminars hieß es, dass die andere Befriedigung von einem Genießen „abhängt“ (dépend) (57). Ich nehme an, wie bereits zur vorangegangenen Sitzung erläutert, dass die „andere Befriedigung“ in Freuds Terminologie die sublimierte Sexualbefriedigung ist, mit Lacan: die sublimierte Form des phallischen Genießens.
Das Genießen, auf das die Sprechbefriedigung antwortet, ist eines, dass es „just brauchte“ – wofür? Dafür, dass sich zwischen Mann und Frau etwas ereignet. Was ereignet? Ich nehme an, dass gemeint ist, dass sie miteinander ins Bett gehen. Das phallische Genießen ist vielleicht in einem dreifachen Sinn das notwendige Genießen: Es ist notwendig dafür, dass sie miteinander Sex haben, es ist notwendig für die Reproduktion der Gattung, und es ist in dem Sinne notwendig, nicht-aufhörend, dass es sich wiederholt.
Lacan schließt Erläuterungen zu dem „just“ (justement) an und verweist auf die „rechte Mitte“, also auf ein Thema der Aristotelischern Ethik, die in diesem Seminar auch sonst eine wichtige Rolle spielt. Das „just“, so sagt er, verweist auf die Kehrseite, auf das Verfehlte, ich ergänze: auf das verfehlte Genießen des Körpers des anderen Geschlechts.
Der Begriff des phallischen Genießens wird also von drei anderen Befriedigungs- oder Lustarten unterschieden:
– von der mit dem Sprechen verbundenen „anderen Befriedigung“, vermutlich von der sublimierten Triebbefriedigung ,
– vom Genießen des Körpers des anderen Geschlechts, Genitivus objectivus (das systematisch verfehlt wird) und
– vom weiblichen Genießen.
Auf der Grundlage der hier zitierten Textstücke lässt sich nicht entscheiden, ob Lacan zwei Formen des phallischen Genießens unterscheidet, nicht-sublimiert und sublimiert, oder ob er das sublimierte Genießen dem phallischen Genießen entgegensetzt.
Masturbation als Form des phallischen Genießens
Zwei Sitzungen danach spricht Lacan über das mit der Masturbation verbundene Genießen; er verwendet hier zwar nicht den Ausdruck „phallisches Genießen“, aber sicherlich ist diese Art des Genießens gemeint. Miller ersetzt denn auch in seiner Ausgabe an dieser Stelle jouissance durch jouissance phallique.
„Die Frau hat einerseits ein Verhältnis, ein Verhältnis zu diesem S(Ⱥ), und bereits darin verdoppelt sie sich, ist sie nicht-alle, denn anderseits kann sie dieses Verhältnis zu diesem groß Φ haben, das wir in der analytischen Theorie von diesem Phallus her bezeichnen, wie ich ihn präzisiere, dass er der Signifikant ist, der Signifikant, der kein Signifikat hat.
Eben derjenige, der gestützt wird, der beim Mann gestützt wird durch dieses Genießen, durch dieses Genießen, über das ich Ihnen sagen möchte, um es aufzuzeigen, über das ich heute vorbringen möchte: Das, wodurch es am besten symbolisiert wird, was ist das letztlich, wenn nicht das, was die Wichtigkeit der Masturbation in unserer Praxis hinreichend herausstreicht, was ist das in den günstigen Fällen anderes, wenn ich so sagen kann, wenn nicht dies: das Genießen des Idioten? Leichte Bewegung!“31
Lacan spricht über die Beziehung zwischen dem Phallus-Signifikanten und dem [phallischen] Genießen. Die Beziehung ist ein Stützungsverhältnis, der Phallus-Signifikant, der von Lacan mit dem Buchstaben Φ bezeichnet wird, wird durch das [phallische] Genießen gestützt.
Das [phallische] Genießen, heißt es weiter, ist in den günstigsten Fällen Genießen des Idioten, hier im Sinne des griechischen Wortes idiotes, für einen Menschen, der sich aus dem sozialen Leben zurückzieht. Anders gesagt: das [phallische] Genießen ist nicht das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts (Genitivus objectivus).
Der „idiotische“, bei sich bleibende Charakter des [phallischen] Genießens wird von der Wichtigkeit der Masturbation bezeugt. Eine Form des phallischen Genießens ist demnach die genitale Selbstbefriedigung. „Leichte Bewegung“: Lacan betont ironisch, dass er sich heir tatsächlich auf die Selbstbefriedigung bezeiht.
(Warum ist das phallische Genießen „in den günstigen Fällen“ das Genießen des Idioten?)
Zusammenfassung
Ich versuche, die Thesen, die Lacan in den Seminaren 19 und 20 über das phallische Genießen vorträgt, ein bisschen zu ordnen.
Sexualität
Das phallische Genießen ist eine Form des sexuellen Genießens.32 Das phallische Genießen ist demnach die genitale Lust – beim Menschen, also bei dem Wesen, das spricht.
Das phallische Genießen ist nicht das sexuelle Genießen.33 Insofern nämlich nicht, als im phallischen Genießen nicht die Beziehung zwischen Mann und Frau hergestellt wird, und Lacan unter „Sexualität“ die Beziehungen zwischen Mann und Frau versteht. Die genitale Lust bezieht sich beim Menschen nicht auf den Partner des anderen Geschlechts qua Partner des anderen Geschlechts.
Damit sich zwischen Mann und Frau etwas ereignet, braucht es das phallische Genießen.34 Damit sich was ereignet? Damit sie einander begehren? Damit sie miteinander Sex haben?
Penisorgan
Beim phallische Genießen genießt der Mann das Organ.35 Das phallische Genießen ist also (vor allem?) die an den Penis gebundene Lust (und vermutlich auch die die Klitoris-gestützte Lust). Bei „Organ“ ist mitzuhören, dass Lacan immer wieder betont, dass das griechische Wort organon „Werkzeug“ bedeutet und dass ein Werkzeug ein Signifikant ist. Der Penis ist sprachlich strukturiert, er ist „benannt“.
Das phallische Genießen ist in den günstigsten Fällen das Genießen des Idioten [des Privatmenschen], wie durch die Wichtigkeit der Masturbation bezeugt wird.36 Eine der Formen, in denen das phallische Genießen realisiert wird, ist demnach die Masturbation.
Kastration
Das Eintreten des Mannes ins Spiel unter dem Aspekt der Kastration heißt, dass er in einem Verhältnis zum phallischen Genießen steht.37 Das phallische Genießen ist mit der Kastration verbunden. Kann man sagen: Penisgenießen + Kastration = phallisches Genießen?
Das einzige
Es gibt kein anderes Genießen als das phallische Genießen.38 Abgesehen vom weiblichen Genießen, dazu später.
Alle und nicht-alle
Sowohl der Mann wie die Frau beziehen sich auf das phallische Genießen, jedoch von unterschiedlichen Positionen aus. Der Mann bezieht sich auf das phallische Genießen unter dem Aspekt des Quantors „alle“; die Frau bezieht sich auf das phallische Genießen von der Position des Quantors „nicht-alle“ aus.39
Schein
Korrelat des phallischen Genießens ist der „Schein“40, also die Inszenierung als männlich oder weiblich, das Spielen der Männerrolle und der Frauenrolle.
Vom phallischen Genießen ist eine „andere Befriedigung“ abhängig, die Befriedigung durch das Sprechen des Unbewussten.
Es gibt eine „andere Befriedigung“, die Befriedigung durch das Sprechen und Schweigen des Unbewussten41, die Befriedigung durch das Sprechen42 Diese „andere Befriedigung“ ist vom phallischen Genießen abhängig43, sie antwortet auf das phallische Genießen44.
Die „andere Befriedigung“ ist auch diejenige Befriedigung, die mit dem Lesen der Schriften von Aristoteles verbunden ist. Die „andere Befriedigung“ bezieht sich darauf, dass ein bestimmtes Genießen verfehlt wird, weshalb aus der „anderen Befriedigung“ die Universalien auftauchen, das Gute, das Wahre und das Schöne.45 Bei den Universalien geht es um die Sublimierung46 Ich nehme deshalb an, dass die „andere Befriedigung“ die sublimierte Form der sexuellen Befriedigung ist, mit Lacan: die sublimierte Form des phallischen Genießens. Es bleibt offen, ob Lacan die mit der Sublimierung verbundene jouissance ebenfalls als phallisches Genießen bezeichnet.
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Das phallische Genießen und die „andere Befriedigung“ werden von zwei weiteren Formen des Genießens abgegrenzt: vom unmöglichen Genießen des Körpers des anderen Geschlechts und vom weiblichen Genießen.
Beziehung zum unmöglichen Genießen des Körpers des anderen Geschlechts
Das phallische Genießen verhindert, dass der Mann den Körper der Frau genießt. Verhindert wird das Genießen des Anderen, Genitivus objectivus: das Genießen des Anderen als Objekt, was eine sadistische Tönung hat.47 Ist möglicherweise gemeint: Das phallische Genießen verhindert die Vergewaltigung – ?
Das phallische Genießen bezieht sich auf ein „Loch“, auf eine Spalte, eine Kluft im Genießen.48 Das Loch, nehme ich an, ist die Unmöglichkeit, den Körper eines Partners des anderen Geschlechts zu genießen, also das Genießen des Anderen, Genitivus objectivus.
Das Genießen ist durch das „Loch“ gekennzeichnet, das ihm keinen anderen Weg lässt als den des phallischen Genießen.49 Das phallische Genießenist ein Ersatz für das unmögliche Genießen des Anderen, Genitivus objectivus.
Das phallische Genießen verweist auf die Kehrseite, auf das Verfehlte50, ich nehme an: auf das verfehlte Genießen des Körpers des anderen Geschlechts.
Beim phallischen Genießen genießt der Mann nicht den Körper der Frau sondern sein eigenes Organ51 – das Genießen des Körpers (gen. obj.) der Frau ist für ihn unerreichbar.
Das phallische Genießen ist ein Genießen, „das es braucht“, es ist „notwendig“, es hört nicht auf „geschrieben zu werden“ (es wiederholt sich unaufhörlich). Und es wiederholt sich deshalb, weil es ein Genießen gibt, „das es nicht braucht“, das verfehlt wird, das zu „schreiben“ unmöglich ist (ich nehme an: das Genießen des Körpers des anderen Geschlechts, Genitivus objectivus).52 Ich verstehe den Zusammenhang so: Das phallische Genießen wird in einer Art Wiederholungszwangs realisiert, der darauf beruht, dass es ein unmögliches Genießen gibt, das immer wieder angezielt und beständig verfehlt wird, nämlich das Genießen des Körpers (Genitivus objectivus) des anderen Geschlechts.
Im phallischen Genießen manifestiert sich die Wahrheit.53 Damit könnte gemeint sein: Mit dem phallischen Genießen sind wir in der Ordnung der Wahrheit und des Sinns - und nicht des Realen –, das phallische Genießen ist der Deutung zugänglich.
Beziehung zum weibliches Genießen
Die Frau ist gegenüber dem phallischen Genießen „nicht-alle“.54 D.h. sie hat einen Zugang zu einem anderen Genießen, über das phallische Genießen hinaus.
Das phallische Genießen ist Gegenbegriff zum weiblichen Genießen. Das weibliche Genießen ist nicht nur anders als das phallische Genießen, sondern auch unabhängig davon. Das phallische Genießen ist (auf dem Weg über die „phallische Funktion“) mit dem Quantor „alle“ verbunden, mit der Universalisierung; das weibliche Genießen ist durch den Quantor „nicht-alle“ charakterisiert, es ist jenseits der Universalisierung. 55 Auch die Frau bezieht sich auf das phallischen Genießen, jedoch von einer anderen Position aus als der Mann.
Die Frau ist gegenüber dem phallischen Genießen „nicht-alle“ (oder „nicht-alles“).56
Das [weibliche] Genießen ist das, worüber die Frau kein Wort sagt.57
Das phallische Genießen bezieht sich auf Wahrheit58, ich ergänze: im Gegensatz zum weiblichen Genießen, das außerhalb des Bereichs liegt, in dem das Sprechen wahr oder falsch sein kann. Ich vermute, dass gemeint ist: Das weibliche Genießen kann durch Deutung nicht modifiziert werden.
Die Beziehung zwischen dem phallischen Genießen und dem weiblichen Genießen ist so, dass sich alles um das phallische Genießen dreht59 – insofern, denke ich, als es verbalisierbar ist und die Psychoanalyse eine Sprechpraxis ist. Außerdem muss man das „alles“ betonen – die Art, wie sich das Sprechen auf das phallische Genießen bezieht, gehört zur Ordnung des „alle“.
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- Lacan über Mehrlust und Mehrwert (Übersetzung von Seminar 16, Sitzung vom 13. November 1968, mit Paraphrase)
Anmerkungen
- J. Lacan: Le séminaire. Livre XIX. … ou pire. 1972–72. Texte établi par Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2011.
- J. Lacan: Das Seminar. Buch XX (1972–1973). Encore. Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger. Quadriga, Weinheim u.a. 1986.
- Sitzung vom 3. Februar 1972; vgl. Version Miller S. 70.
- In: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204.– Der Text beruht auf einem Vortrag von 1958 und wurde 1966 veröffentlicht.
- Ich verwende das Diagramm aus Version Staferla. Das Schema in Millers Version dieses Seminars (S. 67) weicht davon ab, passt aber zu Lacans Erläuterungen der Pfeile noch weniger als die Staferla-Version. In Millers Fassung ist die Ecke oben links Endpunkt von drei Pfeilen; im transkribierten Text heißt es an dieser Stelle jedoch, dass an keiner Ecke drei Pfeile zusammenlaufen.
- Vgl. Seminar 18, Sitzung vom 20. Januar 1971; Version Miller S. 32.
- Vgl. Sitzung vom 12. Januar 1972; Version Miller S. 46.
- Vgl. Seminar 18, Sitzung vom 20. Januar 1971; Version Miller S. 31.
- Seminar 19, Sitzung vom 3. März 1972; vgl. Version Miller S. 103 f.
- S. Freud: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–146, hier: S. 123.
- Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 11 f.
- Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 12.
- Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 12 f.
- Vgl. Pierre Bruno, Fabienne Guillen: Phallus et fonction phallique. Érès, Toulouse 2012, S. 64 f.
- Vgl. Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 11.
- Sándor Ferenczi: Beitrag zur Diskussion über Onanie (1912). In: Ders.: Schriften zuur Psychoanalyse. Band I. Hg. v. Michael Balint. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1982, S. 125–130.
- Seminar 20, Sitzung vom 19. Dezember 1972; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 28.
- Sitzung vom 21. November 1972; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 9.
- Seminar 20, Sitzung vom 9. Januar 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 47.
- Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 57.
- Vgl. Seminar 20, 20. Februar 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 59.
- In einer späteren Sitzung heißt es über die Objekte a: Durch sie „stellt sich die Öffnung her, durch die uns die Welt dann zu ihrem Partner macht.
Das ist der sprechende Körper, insofern es ihm nur durch ein Missverständnis in Bezug auf seine Lust (jouissance) gelingen kann, sich fortzupflanzen. Und das heißt, dass er sich nur durch ein Verfehlen dessen, was er sagen will, fortpflanzt – denn das, was er sagen will, son sens, wie das Französische es gut sagt, sein Sinn / seine Richtung, das ist seine effektive Lust – und das heißt, indem er sie verfehlt, indem er also vögelt, denn das ist letztendlich genau das, was er nicht tun will. Der Beweis dafür ist, dass er, wenn man ihn allein lässt, die ganze Zeit in allen Richtungen sublimiert, er sieht die Schönheit, das Gute – ohne das Wahre mitzuzählen, was hierbei, wie ich Ihnen eben gesagt habe, das ist, was dem, worum es sich handelt, noch am nächsten ist. Es ist jedoch wahr, dass der Partner des anderen Geschlechts der Andere bleibt. Dadurch, dass er sie [die Lust] verfehlt, gelingt es ihm, noch weiter fortgepflanzt zu werden – noch: encore / en-corps –, ohne über das, was ihn fortpflanzt, etwas zu wissen. Insbesondere – das ist bei Freud vollkommen spürbar, sicherlich ist das nur ein Gestammel, aber wir können es nicht besser machen –, insbesondere weiß er nicht, ob das, was ihn fortpflanzt, das Leben ist oder der Tod.“ (Seminar 20, Sitzung vom 15. Mai 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 130) - Seminar 11, Sitzung vom 6. Mai 1964, Version Miller/Haas, S. 174.
- Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 60.
Der letzte Satz spielt auf einen Reklamespruch an, auf einen Slogan für einen Aperitif der Marke Dubonnet: „Dubo, Dubon, Dubonnet!“ - Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 66.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 20. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 239–253, hier: S. 242.
- Seminar 20, Sitzung vom 20. Februar 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- A.a.O., S. 64.
- Seminar 20, Sitzung vom 13. März 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 88.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12 f.
- Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 3. Februar 1972; Version Miller S. 70.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 20. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12 f.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. März 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 88.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 9. Januar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 47.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 66.
- Vgl. Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12.
- Seminar 19, Sitzung vom 3. Februar 1972; vgl. Version Miller, S. 70.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 57.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 20. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 57.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 20. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 60.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 15. Mai 1973; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 130.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 19. Dezember 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 28.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 66.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12 f.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 20. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 71.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12 f.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12.
- Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 3. Februar 1972; Version Miller S. 70.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12.
- Vgl. Seminar 19, Sitzung vom 3. März 1972; Version Miller S. 103 f.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 66.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 13. Februar 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 66.
- Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972; Version Miller/Haas u.a. S. 12.