Jacques Lacan
Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse, Sitzung vom 11. Mai 1966
Vorlesungen über Velázquez’ Bild Las meninas. Teil II
Übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Rolf Nemitz
Diego Velázquez, Las meninas („Die Hoffräulein“), 1656
Öl auf Leinwand, 318 x 276 cm, Museo del Prado, Madrid
Erste deutsche Übersetzung der Vorlesungen von Lacan über das Bild Las meninas von Diego Velázquez. Teil II von fünf Teilen.
Überblick über die Übersetzung
Teil I:
– Vorbemerkung zur gesamten Übersetzung
– Ankündigung der Las-meninas-Vorlesungen (27. April 1966, Auszug)
– Die Vorstellungsrepräsentanz und die Spaltung zwischen dem sehenden und dem blickenden Subjekt (4. Mai 1966)
– Literaturverzeichnis
Teil II: dieser Beitrag
– Der Blick als Objekt a und das Fenster (11. Mai 1966)
Teil III:
– Noch einmal, für Foucault (18. Mai 1966)
Teil IV:
– Das blinde Sehen des Anderen (25. Mai 1966)
– Weitere Bemerkungen zu Las meninas in den Seminaren XIII: Das Objekt der Psychoanalyse, XV: Der psychoanalytische Akt, und XXII: RSI
Teil V: NACHTRÄGE
– Objekt a zwischen Ⱥ und $ (Seminar XIII, 1. Juni 1966, Auszüge)
– Das Geheimnis der narzisstischen Fesselung: der Blick (Seminar XIII, 15. Juni 1966, Auszug)
– Der Blick und die Übertragung (Seminar XV, 20. und 27. März 1968, Auszug)
– Der Punkt im Unendlichen (Seminar XXII, 18. Februar 1975, Auszug)
– Die Verortung des Blicks im Intervall (Seminar XXII, 13. Mai 1975, Auszug)
Zur Notation
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift – {1} usw. – verweisen auf die Seitenzahlen von Version J.L.; in der Roussan-Edition findet man diese Seitenangaben am Rand.
– Text [in eckigen Klammern] ist nicht von Lacan.
– Wörter mit Sternchen*: im Original deutsch.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
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11. Mai 1966: Der Blick als Objekt a und das Fenster
Offene Vorlesung
Deutsch
{1} Was das Wissen (savoir) angeht, ist es schwierig, nicht die Existenz des Wissenden (savant) zu berücksichtigen – „Wissender“ hier nur verstanden als Träger der Wissenhypothese im Allgemeinen, ohne zwangsläufig die Konnotation des Wissenschaftlers mit hineinzubringen. Ob der Wissende nun etwas weiß oder nichts weiß, in beiden Fällen weiß er, dass er ein Wissender ist.
Diese Bemerkung soll Sie nur auf das Problem hinweisen, das seit langem vorbereitet ist, ich möchte sogar sagen, das sich nicht erst abzeichnet, seit ich unterrichte, sondern seit ich meine ersten Bemerkungen über das vorgebracht habe, was die Analyse uns an Grundlegendem in Erinnerung ruft und was sich um die Funktion des Narzissmus oder des Spiegelstadiums dreht.
Sagen wir, um schnell voranzukommen, da wir mit Verspätung begonnen haben, dass der Status des Subjekts im weitesten Sinne – in noch nicht geklärter Bedeutung, nicht in der Bedeutung, deren Struktur ich gerade für Sie zu umreißen versuche –, also das, was man allgemein das Subjekt nennt, dass dies im gerade erwähnten Fall einfach bedeutet: Es gibt Wissen, also gibt es einen Wissenden.
{2} Um gleich zur Sache zu kommen, sagen wir, dass der Lehrer (professeur) – da der Lehrer ja viel mit Wissen zu tun hat –, dass er, um das Wissen zu übermitteln, eine bestimmte Quantität an Wissen mit sich herumtragen muss, das er seiner Erfahrung oder einer anderswo produzierten Wissensanhäufung entnommen hat und das in diesem oder jenem Bereich, etwa in der Philosophie, etwa als Tradition bezeichnet wird.
Es ist klar, dass wir nicht vernachlässigen dürfen, dass die Aufrechterhaltung des Sonderstatus eines Wissenden – ich habe auf den Status des Lehrers verwiesen, es gibt jedoch noch weitere, den des Arztes beispielsweise –, dass die Aufrechterhaltung seines Status dazu führt, dass für ihn das, was ihm als der allgemeine Status seines Wissens erscheint, mit einer bestimmten Beugung versehen ist, mit einer bestimmten Ausrichtung. Es ist ausgeschlossen, dass der Inhalt dieses Wissens, der Fortschritt dieses Wissens, die Stoßrichtung der Wissenserweiterung, dass all dies nicht beeinflusst ist durch den notwendigen Schutz seines Status als eines wissenden Subjekts.
Das scheint mir ziemlich offensichtlich zu sein, wenn man bedenkt, dass wir dessen Materialisierung vor uns haben, spürbar in den sozialen Weihungen dieses Status, die dazu führen, dass ein bestimmter Herr nicht ausschließlich in dem Maße als Wissender angesehen wird, in dem er weiß und weiterhin als Wissender fungiert; |{3} Leistungsgesichtspunkte stehen hier weit hinter solchen zurück, bei denen es darum geht, demjenigen, der eine Wissensposition erlangt hat, einen dauerhaften Status zu sichern. Das ist nicht ungerechtfertigt und kommt im Großen und Ganzen allen entgegen, damit kommen alle ziemlich gut zurecht. Jeder an seinem Platz, der wissenschaftlich Wissende an bestimmten Orten, und man wird nicht so genau hinschauen, ob seine „Wissendheit“ sich von einem bestimmten Moment an wiederholt und einrostet oder sogar zum bloßen Schein wird, zum Wissensgehabe.
Aber wie bei vielen sozialen Kristallisierungen dürfen wir nicht einfach bei dem stehen bleiben, was bloße soziale Forderungen sind, bei dem, was man gewöhnlich als Gruppenfunktionen bezeichnet, nicht einfach dabei, wie eine bestimmte Gruppe aus Gründen, die letztlich immer auf einen bestimmten historischen Ursprung zurückgehen, einen mehr oder weniger privilegierten Status einnimmt.
Es gibt hier etwas Strukturelles, das – wie das Strukturelle uns oft zu bemerken zwingt – über die einfache wechselseitge Nützlichkeit weit hinausreicht.
Man kann sich fragen, ob es unter dem Gesichtspunkt der Leistung nicht von Vorteil wäre, den Status des Wissenden weniger stabil zu gestalten. Aber man muss wohl annehmen, dass es in den Trugbildern des Subjekts – und nicht in der Struktur des Subjekts selbst – etwas gibt, das zu diesen stabilen Strukturen führt und sie notwendig macht.
{4} Wenn die Psychoanalyse uns zwingt, den Status des Subjekts neu zu befragen, dann wohl deshalb, weil sie dieses Problem – das Problem, was ein Subjekt ist – von einem anderen Ausgangspunkt her angeht. Wenn ich über lange Jahre hinweg zeigen konnte, dass die Einführung der Erfahrung der Analyse in ein Feld, das sich nur von daher ausmachen lässt, dass es mit einer bestimmten Infragestellung des Wissens im Namen der Wahrheit einhergeht, wenn die Skandierung dieses Feldes an einem radikaleren Punkt gesucht wird, an einem Punkt, der dieser Begegnung vorausliegt, der Begegnung mit einer Wahrheit, die sich als etwas setzt und als etwas anbietet, das dem Wissen fremd ist, so wird dies, wie wir gesagt haben, zuerst unter dem Aspekt des Anspruchs eingeführt, der sich zunächst – in einer Perspektive, die sich dann reduziert –, der sich zunächst als etwas anbietet, was ursprünglicher ist, archaischer, und was es nötig macht, zu fragen, in welcher Struktur dieser Anspruch mit etwas zusammengeht, womit er nicht übereinstimmt und was sich Begehren nennt.
So sind wir auf diesem Weg in gewisser Weise dazu gelangt, den Status des Subjekts neu in Frage zu stellen, bezogen auf diese strukturelle Spaltung, und in Betracht zu ziehen, dass uns das Subjekt keineswegs ein Drehpunkt zu sein scheint, eine Art Achse, um die sich die Expansionen und die Rückzüge des Wissens drehen würden, unabhängig von den Rhythmen, dem Pulsieren, das wir dem, was sich dreht, zusprechen. |{5} Wir können das Drama, das sich abspielt und worauf sich das Wesen des Subjekts gründet, wie es uns in der psychoanalytischen Erfahrung gegeben ist, wir können dieses Drama nur in Betracht ziehen, wenn wir ins Innere der Funktion des Wissens den Aspekt des Begehrens einführen, und das ist uns nicht möglich, wenn wir vom Status der Person ausgehen, der letztlich die philosophische Sicht dominiert hat, die dadurch bestimmt war, dass sich der Menschen zu dem, was man die Welt nennt, in Gestalt eines bestimmten Wissens verhält.
Das Subjekt erscheint uns als grundlegend gespalten, in dem Sinne, dass wir sehen, wenn wir dieses Subjekt am radikalsten Punkt befragen, nämlich ob es etwas weiß oder nicht weiß – das ist der kartesische Zweifel –, dass wir dann sehen, und das ist in der Erfahrung des Cogito das Wesentliche, wie das Sein des Subjekts in dem Moment, in dem es befragt wird, gewissermaßen flüchtet, wie es in Gestalt von zwei Bereichen des Seins auseinandergeht, die nur in illusorischer Form in dem Wesen (être) zusammenfallen, das von daher, sich in dieser Befragung als Sein zu manifestieren, seine Gewissheit gefunden hat. Ich denke, und indem ich denke, bin ich, aber ich bin das, was denkt, und „ich bin“ zu denken, ist nicht dasselbe wie: das zu sein, was denkt. Ein unbeachteter Punkt, der jedoch sein ganzes Gewicht und seinen ganzen Wert dadurch erhält, dass er sich in der analytischen Erfahrung damit überschneidet, dass dasjenige, was das ist, was denkt, auf eine Weise denkt, auf die derjenige, der „ich bin“ denkt, nicht gefasst ist.
{6} Das ist das Subjekt, mit dessen Repräsentation derjenige beauftragt ist, der die analytische Erfahrung anleitet, derjenige, der Psychoanalytiker heißt und der sieht, wie sich für ihn das Problem, worum es bei der Frage des Wissenden geht, neu stellt.
Das Verhältnis des Psychoanalytikers zur Frage seines Status nimmt hier mit gesteigerter Schärfe die Frage wieder auf, die seit jeher gestellt wird, die Frage nach dem Status desjenigen, der das Wissen besitzt. Und das Problem der Psychoanalytikerausbildung ist wirklich kein anderes als dies, es durch eine spezielle Erfahrung zu ermöglichen, dass Subjekte zur Welt kommen, wenn ich so sagen darf, für welche die Subjektspaltung nicht nur etwas ist, das sie wissen, sondern etwas, worin sie denken.
Es geht darum, dass einige zur Welt kommen, die das, was sie in der analytischen Erfahrung erleben, aufdecken können, ausgehend von der aufrechterhaltenen Position, dass sie niemals verkennen können, dass sie als Analytiker im Moment des Wissens in einer gespaltenen Position sind. Nichts ist schwieriger, als die Position aufrechtzuerhalten, das zu sein, was sicherlich von jedem, wenn er den Titel des Analytikers verdient, in einem bestimmten Moment als Erfahrung erlebt worden ist.
Und da sind wir. {7} Von dem Moment an, in dem der Status desjenigen eingeführt wird, dem in analytischer Perspektive zu wissen unterstellt wird, wird das gesamten Prestige der spiegelhaften Verkennung wiedergeboren, was den Status des Subjekts nur wieder vereinheitlichen kann, den anderen Teil also nur wieder fallen lassen kann, tilgen kann, denjenigen, bei dem die Wirkung dieser einzigartigen Erfahrung darin bestehen sollte – die trennende Wirkung im Verhältnis zu Gesamt der Herde –, dass einige es nicht nur wissen, sondern in dem Moment, in dem sie irgendeine Erfahrung von der Art ihrer eigenen angehen, mit dem konform gehen oder zumindest ahnen, worum es bei dieser gespaltenen Struktur geht.
Der Sinn meines Unterrichts besteht in nichts anderem als darin, an diese Anforderung zu erinnern (während die Mittel, darin einzuführen, sicherlich anderswo liegen), dass aber durch eine Struktur (ich wiederhole es), die über ihre soziale Bedingtheit weit hinausgeht, etwas (bei welcher Erfahrung auch immer) allein schon durch ein Funktionieren, bei dem jeder sich mit einem benennbaren Status identifiziert, in diesem Falle mit dem, der Wissende zu sein --; mit einem Status, der dazu neigt, das Wesentliche der schize wieder in eine Ordnung zu bringen, der schize, durch die sich jedoch allein ein Zugang zur Erfahrung eröffnen kann, der auf der Höhe dieser Erfahrung ist. Der Analytiker ist dazu aufgerufen, als gespaltenes Subjekt auf den Anspruch desjenigen zu antworten, der mit ihm eine Subjekterfahrung eingeht.
*
{8} Deshalb war es nicht bloßes Raffinement, nebensächliche Ausschmückung, Ausmalen eines besonderen Bereichs unserer Erfahrung – das gewissermaßen veranschaulichen würde, was man dem, was wir beispielsweise vom Schautrieb wissen können, an Information hinzuzufügen sollte –, was mich beim letzten Mal dazu gebracht hat, vor Ihnen Funktionen des Begriffs der Perspektive zu entwickeln. Vielmehr geht es dabei darum, Ihnen zu veranschaulichen, durch welchen Apparat das, worum es geht, unterstützt werden kann, sodass die Subjektivität des Analytikers sich zurechtfindet und, indem sie sich zurechtfindet, niemals vergisst – selbst in dem Moment nicht, wenn ich so sagen darf, in dem, unter dem Einfluss irgendeines Schemas, der zweite Fluchtpunkt seines Denkens dazu tendiert, vergessen, getilgt, zumindest außer Acht gelassen zu werden –, sich daran erinnert sieht, dass er danach suchen muss, wo dieser andere Fluchtpunkt am Werk ist, in eben dem Moment, an eben dem Ort, wo er dazu neigt, eine Wahrheit zu formulieren, die, falls er nicht achtgibt, allein schon durch ihren Ausdruck in die alten Einheitsschemata des Erkenntnissubjekts zurückfällt und ihn etwa dazu verleitet, eine Idee der Totalität in den Vordergrund zu stellen, was jedoch genau das ist, wovor er sich bei der Synthese seiner Erfahrung am meisten hüten muss.
{9} Als ich das letzte Mal versuchte, Ihnen auf abgekürzte Weise zu vergegenwärtigen, was das, was die Erfahrung der Perspektive lehrt, uns bringen kann, hatte ich den Eindruck – auch wenn ich diese Wege sicherlich so gangbar gewählt habe, wie ich konnte –, dass es mir nicht immer gelungen ist, Ihre Aufmerksamkeit, wenn auch nicht ganz darauf zu konzentrieren, so doch zumindest, sie zu belohnen, möglicherweise mangels eines Schemas. Allerdings war es eben das, was ich, um Missverständnisse zu vermeiden, zurückweisen wollte, zurückdrängen wollte. Heute jedoch will ich es tun, will ich es zusammenfassen und sagen, was für uns in dieser Erfahrung der Perspektive ganz streng das veranschaulichen kann, worum es geht, nämlich das Verhältnis der Subjektspaltung zu dem, wodurch sich in der analytischen Erfahrung die im eigentlichen Sinne visuelle Beziehung zur Welt auszeichnet, nämlich durch ein bestimmtes Objekt a. Dieses Objekt a, das ich bisher auf annähernde Weise, die im Übrigen nicht wieder aufgegriffen werden muss, als Funktion des Blicks (regard) vom Feld des Sehens (vision) unterschieden habe, wie kann sich dieses Objekt in der Erfahrung organisieren, in der strukturellen Erfahrung, insofern sie in der Geometrie einen bestimmten Typ des Denkens etabliert und insofern sie im gesamten Funktionieren der Kunst, vor |{10} allem in der Malerei, spürbar gemacht wird?
Das letzte Mal habe ich mündlich eine Konstruktion vorgenommen, die man in dieser Form leicht in einer Arbeit zur Perspektive wiederfinden kann. Dabei geht es nicht um diese hier – das hat man mir eben gebracht –, das ist beispielsweise die Arbeit oder vielmehr die Artikelsammlung von Erwin Panofsky über die Perspektive. Davon gibt es eine Ausgabe auf Deutsch, die übrigens --, wo die Artikel, wie ich sehe, anders angeordnet sind als in dieser italienischen Ausgabe.
Ich habe daran erinnert, dass es im sogenannten Projektionsverhältnis, das sich zwischen der Ebene herstellt, die man als Bild (tableau) bezeichnen kann, und der Ebene, die wir heute der Einfachheit halber den Boden der Perspektive (sol perspectif) nennen wollen, dass sich in diesem Verhältnis grundlegende lineare Entsprechungen herstellen, die Elemente enthalten, die im strengen Sinne nicht intuitionierbar sind, die aber gleichwohl grundlegende Elemente dessen sind, was man den projektiven Raum oder das projektive Ausgedehnte nennen kann. Eine kohärente Geometrie, die in der Beweisführung eine vollkommene Strenge einführt und die mit der metrischen Geometrie nichts gemeinsam hat, stellt sich unter der Bedingung her, dass man akzeptiert, dass das, was in dem geschieht, was ich heute als Boden der Perspektive bezeichnet habe – um damit einen Term zu ersetzen, der, wie mir klar wurde, schwerer zu merken ist, denjenigen, den ich beim letzten Mal |{11} verwendet habe –, dass also die Entsprechung zwischen den Linien, die auf den Boden der Perspektive gezeichnet sind, zu denjenigen Linien, die sich auf das Bild eintragen lassen, dass diese Entsprechung impliziert, dass eine Linie, die auf dem Boden der Perspektive im Unendlichen liegt, auf dem Bild in die Horizontlinie übersetzt wird.
Ich möchte es auf folgende Weise schematisieren [Abb. 1]: Nehmen Sie an, dass dies hier [Q] der Boden der Perspektive ist; das Bild [P] gebe ich Ihnen von der Seite. Hier füge ich etwas ein, wovon ich noch nicht gesprochen habe, den Augpunkt [S] des Subjekts. Beim letzten Mal habe ich das, worum es sich handelt, hinreichend dargelegt, sodass Sie den Sinn der Zeichnung, die ich jetzt anfertige, verstehen werden. Ich habe Ihnen gesagt: Unabhängig von irgendetwas, worauf Sie sich in der Erfahrung beziehen müssen – insbesondere vom Horizont, wie er auf unserer Kugel in ihrer Rundheit effektiv gegeben ist –, unterstellt eine unendliche Ebene, dass es von diesem Augpunkt her in I eine Ebene gibt, die parallel zum Boden der Perspektive verläuft, und dass Sie auf dem Bild die Horizontlinie [h] als diejenige Linie festlegen, worin diese parallele Ebene die Bildebene schneidet.
Die Erfahrung mit Bildern und Malerei lehrt uns, dass jeder Punkt der Horizontlinie so ist, dass die Linien, die darin zusammenlaufen, bestimmten parallelen Linien auf dem Boden der Perspektive entsprechen.|{12} Wir können also jeden beliebigen Punkt dieser Horizontlinie als Zentrum der Perspektive wählen. In jedem Bild, das den Gesetzen der Perspektive unterliegt, wird das tatsächlich so gemacht. Dieser Punkt ist genau genommen das, was im Bild nicht nur, wie Sie sehen, dem Boden entspricht, der perspektivisch darzustellen ist, sondern zugleich der Position des Punktes S, und der als solcher in der Figur das Auge repräsentiert. Vom Auge des Betrachters hängt es ab, dass sich in einer Bildebene der Horizont herstellt.
Hierzu – so habe ich Ihnen beim letzten Mal gesagt – fügen alle, die die Perspektive untersucht haben, etwas hinzu, das sie das andere Auge nennen, nämlich welchen Einfluss die Distanz [δ] des Punktes S gegenüber der Bildebene auf die Perspektive hat. Und außerdem, dass diese Distanz, wenn man sie bei einem Bild verwendet, willkürlich ist, abhängig von der Entscheidung desjenigen, der das Bild herstellt. Ich meine, dass darüber innerhalb des Bildes entschieden wird.
Heißt das, dass unter dem Gesichtspunkt der Struktur des Subjekts – insofern das Subjekt das Subjekt des Blicks ist, das Subjekt einer gesehenen Welt, also das, was uns interessieren wird –, heißt das, dass wir diesen Teil des Subjekts vernachlässigen können, dass er uns nur in der Funktion eines Kunstgriffs erscheint, wohingegen die Horizontlinie strukturell ist, dass ich deshalb, |{13} weil die Wahl der Distanz meiner freien Entscheidung als desjenigen, der blickt, überlassen ist, dass ich deshalb sagen kann, dass es hier nur den Kunstgriff des Künstlers gibt, dass es mit der Distanz, in der ich mich im Geiste vor diese oder jene Ebene stelle, die ich in der Tiefe des Bildes wähle, dass es damit so ist, dass sie in gewisser Weise irrelevant und sekundär ist und keineswegs strukturell?
Ich sage, das ist strukturell, und das hat bislang nie jemand ausreichend bemerkt.
Dieser zweite Punkt wird in der Perspektive durch die Bemerkung definiert, dass es, welches auch immer der Abstand [δ] des provisorischen Subjekts sein mag – des Subjekts S, das eben das ist, was wir in der Schwebe lassen müssen und wobei wir sehen müssen, wie es wieder in das Bild (tableau) kommt –, dass es, wie groß auch immer der Abstand des Subjekts vom Bild sein mag, etwas gibt, das einfach das ist, was zwischen ihm und dem Bild ist, das, wodurch es vom Bild getrennt ist, und dass dies nicht einfach etwas ist, das vom metrischen Wert dieses Abstands erfasst wird, dass sich vielmehr dieser Abstand-an-sich irgendwo in die Struktur einschreibt und dass dies der Punkt ist, an dem wir nicht etwa das andere Auge finden müssen, wie die Verfasser von Arbeiten zur Perspektive sagen, sondern das andere Subjekt.
Und das lässt sich so demonstrieren, wie ich es das letzte Mal getan habe, was für einige nicht verständlich war, und was sich auf die Bemerkung gründet, dass erstens, wenn wir durch den Punkt S eine Ebene [S] gehen lassen [Abb. 2] – diesmal nicht mehr parallel |{14} zur perspektivischen Ebene [Q], sondern parallel zum Bild [P] –, dass sich daraus zweierlei ergibt.
Zunächst, dass dies uns dazu bringt, dass wir bemerken, dass es eine Schnittlinie [λ] des Bildes mit der Ebene des Bodens der Perspektive gibt – deren Name übrigens bekannt ist, die dem Buch von Panofsky zufolge als Grundlinie bezeichnet wird, ich habe sie das letzte Mal nicht so genannt –, nämlich diese Linie dort [λ].
Die Ebene [S], die parallel zum Bild durch den Punkt S geht, schneidet die Ebene des Bodens der Perspektive in einer Linie [b], die parallel zur ersten [zur Grundlinie λ] verläuft.
Aus der Repräsentation dieser beiden Linien auf dem Bild – auf dem, was ich beim letzten Mal die Abbildungsebene genannt habe –, leitet sich dann das her, was wir als zweiten Subjektpunkt bezeichnen möchten.
Tatsächlich haben wir in der Dreierbeziehung Subjektpunkt [S] – Bildebene [P] – Boden der Perspektive [Q] gesehen, dass der unendlich fernen Linie auf dem Boden der Perspektive [q∞] – hier, denke ich, habe ich beim letzten Mal hinreichend angezeigt, was diese unendlich ferne Linie bedeutet –, dass der Fernlinie des Bodens der Perspektive auf der Bildebene die Horizontlinie entspricht. In derselben Dreiergruppe können Sie, wenn Sie näher hinschauen, feststellen, dass die hier definierte Linie, nennen wir sie Linie b, diejenige, die parallel zur Grundlinie [λ] verläuft |{15}, dass sie im Verhältnis zur Fernlinie der Bildebene [Abb. 3, p∞] dieselbe Funktion hat wie der Horizont in der Bildebene im Verhältnis zur Fernlinie auf dem Boden der Perspektive [q∞]. Sie [Linie b] wird in dieser Abbildung also durch diese unendliche Linie [gemeint ist: durch diese unendlich ferne Linie] repräsentiert, natürlich auf dem Bild [durch p∞]. Und andererseits, da die Grundlinie [λ] bereits im Bild ist, kann der andere Subjektpunkt [Sˈ] – während der erste so definiert war: ein beliebige Punkt auf der Horizontlinie –, kann der andere Subjektpunkt [Sˈ] so geschrieben werden: der Punkt, an dem sich die Fernlinie der Bildebene [p∞] mit der Grundlinie [λ] schneidet.
Sie sehen hier [Abb. 3], dass ich – auf eine Weise, die nur figürlich ist, die unzureichend ist – die unendlich ferne Linie durch einen Kreis dargestellt habe, da sie für die Anschauung insgesamt die Linie ist, die auf einer beliebigen Ebene immer auf allen Seiten im Unendlichen liegt. Intuitiv stellen wir sie durch einen Kreis dar, sie ist jedoch kein Kreis. Das wird bewiesen durch die ganze Art und Weise, wie sie behandelt wird, sowie durch die Entsprechungen Linie für Linie, Punkt für Punkt, die das Wesentliche der projektiven Geometrie ausmachen.
Der scheinbar zweifache Schnittpunkt, den sie mit der Grundlinie hat, ist reiner Schein, da sie eine Linie ist, die wie alle anderen Linien als Gerade aufzufassen ist, und da zwei Geraden nur einen |{16} einzigen Schnittpunkt haben können [Abb. 4].
Ich kann Ihnen nicht die Tür zur projektiven Geometrie aufstoßen, vor allem denjenigen nicht, die noch keine Übung darin haben. Es ist jedoch für jeden sehr einfach, sich darauf zu beziehen und zu sehen, dass es in dem, was ich hier vorbringe, nichts zurückzunehmen gibt, dass sich dies nämlich daraus ergibt, dass wir in jeder Struktur einer projektiven Welt oder einer perspektivischen Welt zwei Subjektpunkte haben, wovon der eine [O] irgendein Punkt auf der Horizontlinie auf der Abbildungsebene ist und der andere [Sˈ] am Schnittpunkt zweier Linien liegt, zwischen einer parallel zur ersten [zur Horizontlinie] verlaufenden Linie, die Grundlinie heißt [λ] – die eine Beziehung der Abbildungsebene zum Boden der Perspektive ausdrückt – und der unendlich fernen Linie auf der Abbildungsebene [p∞].
Das verdient es, durch den Weg aufgezeigt zu werden, den das gegangen ist und auf dem wir es feststellen konnten. Aber wenn es einmal festgestellt worden ist – auf diesem Weg, von dem Sie später sehen werden, dass er für uns eine wichtige Spur bildet, jedes Mal, wenn wir diesen anderen Subjektpunkt ausfindig machen müssen –, dann denke ich, um Ihnen das jetzt zu sagen, dass wir, wenn wir auf der Abbildungsebene die Horizontlinie eintragen, die parallel zur Grundlinie verläuft, dass wir daraus schließen müssen, dass die Horizontlinie die unendliche Linie [gemeint ist: die Linie im Unendlichen] an exakt demselben Punkt schneidet, an dem sie von der Grundlinie geschnitten wird, da dies eine Linie ist, die zur ersten parallel verläuft [Abb.4].
Von woher Sie dann sehen, wie sich die Beziehung zwischen diesen beiden Punkten stark vereinfacht – der eine ist ein beliebiger Punkt auf der Horizontlinie, der andere ist der unendlich ferne Punkt [der Horizontlinie], wobei der unendlich ferne Punkt nicht ein beliebiger Punkt ist, sondern ein einziger Punkt, auch wenn es dort so aussieht, als wären es zwei.
*
Das ist etwas, das für uns – wenn es darum geht, im Phantasma das Verhältnis des Subjekts zur Geltung zu bringen, insbesondere das Verhältnis des Subjekts zum Objekt a –, das ist etwas, das für uns den Wert einer Stütze haben wird und was es verdient, dass Sie die nötige Zeit damit verbracht haben, nicht mehr als mit den Beweisführungen von Descartes. Ein einmal erfasster Beweis ist bewiesen, man muss sich allerdings noch an seine Strenge halten und an die Vorgehensweisen. Das ist das, was uns dienlich sein soll, was uns jedes Mal als Referenz dienen soll, wenn wir mit dem skopischen Phantasma umgehen müssen.
Dieses gespaltene Subjekt wird von dem üblichen Gestell getragen, vom Objekt a – das in diesem Schema wo zu suchen ist? Es ist an einem Punkt zu suchen, an dem es natürlich stürzt und verschwindet, andernfalls wäre es nicht das Objekt a.
Das Objekt a wird hier durch dieses Etwas repräsentiert, das genau in der Abbildung, die ich Ihnen hier, so hoffe ich, mit dem Erfolg gezeigt habe, dass etwas davon für Sie spürbar wird --; das Objekt a ist das, was diesen Punkt S |{18} stützt, das, was ich hier durch den Verlauf dieser parallelen Ebene [S] dargestellt habe.
Was hier elidiert ist, was es hier jedoch immer gibt, ist das, was ich in das strukturelle Verhältnis des Subjekts zur Welt in bereits mehr als einer Form eingeführt habe, nämlich das Fenster [Abb. 5]. In der skopischen Beziehung des Subjekts am Punkt S, von dem die gesamte Konstruktion ausgeht, erscheint spezifiziert, individualisiert in dieser Wand – wenn ich mich so ausdrücken darf –, die von dieser parallelen Ebene dargestellt wird, insofern sie dann den zweiten Punkt des Subjekts determiniert --; in dieser Wand muss es eine Öffnung geben, eine Spalte, eine Sicht, einen Blick. Das ist eben das, was von der Ausgangsposition der Konstruktion aus nicht gesehen werden konnte.
Bereits im letzten Jahr haben wir gesehen, wie die Funktion des Fensters uns Dienste geleistet hat, als Fläche dessen, was zuallererst als Funktion des Signifikanten geschrieben werden kann.
Nennen wir sie [die Funktion des Fensters] mit dem Namen, der ihr zukommt, sie ist ja in dieser geschlossenen Struktur – in derjenigen, die es uns erlauben würde, die verschiedenen Ebenen, die wir gerade gezeichnet und wiedergegeben haben, miteinander zu verknüpfen, in der Struktur der projektiven Ebene in ihrer rein topologischen Form, nämlich in der Hülle der cross-cap –, sie ist in dieser Struktur das Gelochte, das es genau ermöglicht, dass sich hier das Eindringen vollzieht, von dem dann die Herstellung der Subjektspaltung abhängt, also streng gesagt das, was wir das Objekt a nennen.
Insofern in der Beziehung des Blicks zur gesehenen Welt das Fenster immer das ist, was elidiert ist, können wir uns die Funktion des Objekts a vorstellen: das Fenster, das heißt auch: die Spalte der Lider, das heißt auch: der Eingang der Pupille, das heißt auch: das, wodurch das ursprünglichste Objekt all dessen gebildet wird, worum es beim Sehen (vision) geht, die Camera obscura (la chambre noire).
*
Nun, das ist das, was ich Ihnen heute veranschaulichen möchte, was ich Ihnen durch ein Werk veranschaulichen möchte, von dem ich Ihnen gesagt habe, dass es in den Vordergrund gerückt worden ist in einer neueren Arbeit eines Forschers, dessen Art der Forschung von derjenigen, die ich hier im Namen der psychoanalytische Erfahrung betreibe, sicherlich nicht weit entfernt ist, auch wenn sie weder dieselbe Grundlage hat noch dieselbe Inspiration – ich meine Michel Foucault und das Gemälde von Velázquez mit dem Titel Las meninas.
Dieses Gemälde werde ich jetzt – schließen Sie das Fenster –, werde ich jetzt vor Sie projizieren lassen, damit wir darin auf spürbare Weise sehen, was durch eine Lektüre von etwas ermöglicht wird, das in keiner Weise dazu gemacht ist, um auf die Struktur dieses Gemäldes selbst zu antworten, bei dem Sie aber sehen werden, was es uns ermöglicht.
Was ist los?
Es handelt sich hier um ein Dia, das mir vom Louvre geliehen wurde, das ich nicht vorher ausprobieren konnte und das hier wirklich nur ganz schwache Anhaltspunkte liefert, das uns jedoch – für diejenigen, die eine Fotografie des Gemäldes gesehen haben, das Las meninas heißt, oder die sich einfach ein wenig daran erinnern – ein wenig als Referenz dienen wird.
Sie haben nicht ein kleines Stäbchen, etwas, damit ich die Sachen zeigen kann? Das ist nicht viel, aber immerhin besser als nichts. Voilà, also, vielleicht könnten Sie --; sehen Sie trotzdem ein bisschen, naja, das Minimum? Wenn man ganz dahinten ist, sieht man da was?
Fräulein X: Genauso wie vorn. Herr Milner hat’s versucht.
Lacan: Beachten Sie, dass das gar nicht so ungünstig ist, nicht wahr.
Hier haben Sie die Figur des Malers.
Sie werden es sofort austauschen, damit man wenigstens sieht, dass er eben da ist. Also stellen Sie es scharf!
Fräulein X: Das ist alles, mehr kann ich nicht tun.
Lacan: Gut. Nehmen Sie wieder das erste.
Der Maler steht inmitten dessen, was er malt. Und was er malt, sehen Sie auf diesem Gemälde in einer Weise angeordnet, auf die wir noch zurückkommen werden. Hier, dieser Strich, den Sie sehen, ist die Grenze, der äußere Rand – es fällt Licht darauf, deshalb tritt das hervor – von etwas, das von dort bis zu einem Punkt führt, |{21} der genau hier ist. Sie sehen fast die gesamte Höhe des Gemäldes, das uns – hier sehen Sie eine Strebe der Staffelei – ein von hinten gesehenes Gemälde darstellt. Er ist auf dieser Leinwand, er arbeitet an diesem Bild, und das Bild ist umgedreht. Was haben Sie zu sagen? Das ist die wesentliche Ebene, von der wir ausgehen müssen und welcher Michel Foucault, den ich Sie alle zu lesen gebeten habe, in seinem wirklich bemerkenswerten Text meines Erachtens ausgewichen ist. Das ist tatsächlich der Punkt, um den man den gesamten Wert, die gesamte Funktion dieses Gemäldes sich drehen lassen muss.
Ich möchte sagen, dass dieses [umgedrehte] Gemälde tatsächlich eine Art verdeckte Karte ist und dass es ausgeschlossen ist, nicht zu berücksichtigen, dass es wie eine verdeckte Karte funktioniert, dass es den Wert seines Seins durch das Modul und das Modell der anderen Karten erhält. Diese verdeckte Karte ist hier wirklich dazu da, um Sie dazu zu bringen, Ihre eigenen Karten aufzudecken. Es hat ja tatsächlich – ausgeschlossen, das nicht zu erwähnen – eine Diskussion, eine Debatte darüber gegeben, was es sein mag, das der Maler – hier, Velázquez steht da in einem gewissen Abstand zum Bild, zu diesem Bild – gerade malt.
Denn die Art und Weise, wie Sie auf diese Frage antworten – wie Sie Ihre Karten aufdecken –, ist für die Wirkung dieses Bildes absolut entscheidend. Darin ist die Dimension enthalten, dass dieses Gemälde fesselt; |{22} seit es existiert, ist es die Basis, die Grundlage von Diskussionen aller Art. Der fesselnde Charakter dieses Gemäldes steht in ganz enger Beziehung zu dem, was ich die Subversion nenne, die Subversion des Subjekts, auf der ich heute im gesamten ersten Teil meines Vortrags insistiert habe; und eben dadurch, dass das Gemälde sich darauf stützt, bekommt es seinen Wert. Die Beziehung zum Kunstwerk ist ja immer von dieser Subversion geprägt.
Mit dem Term der Sublimierung scheinen wir etwas akzeptiert zu haben, das letztlich nichts anderes ist.
Denn wenn wir den Triebmechanismus hinreichend erkundet haben, sodass wir sehen, dass das, was hier geschieht, ein Hin und Zurück ist, weg vom Subjekt und zurück zum Subjekt – vorausgesetzt, wir erfassen, dass das Zurück mit dem Hin nicht identisch ist – und dass das Subjekt, entsprechend der Struktur des Möbiusbandes, hier genau auf sich selbst zurückkommt, nachdem es die halbe Umdrehung vollzogen hat, die dazu führt, dass das Subjekt, nachdem es von seinem Ort ausgegangen ist, dorthin zurückkehrt, um sich mit seiner Rückseite zu vernähen, anders ausgedrückt, dass es zwei Triebumdrehungen vollziehen muss, damit etwas erreicht wird, das es uns ermöglicht, zu erfassen, worum es bei der Subjektspaltung denn nun wirklich geht [Abb. 8].
Das ist ja das, was dieses Gemälde uns zeigen wird, dessen vereinnahmende Kraft daran hängt, dass es nicht einfach das ist, worauf wir uns immer beschränken, eben deshalb, weil wir immer nur eine Runde |{23} drehen.
Und dass vielleicht für den Typ des Künstlers, mit dem wir es zu tun haben, also für diejenigen, die uns konsultieren, das Kunstwerk zur internen Verwendung bestimmt ist, es dient ihm dazu, seine eigene Schleife zu vollziehen. Aber wenn es um einen Meister wie diesen hier geht, ist klar, dass das, was von jedem Verständnis bei diesem Werk bleibt, zumindest dies ist, dass derjenige, der es betrachtet, in die Schleife eingeschlossen ist. Es gibt einfach keinen Betrachter, der nur ganz schnell daran vorbeisaust und dem Museumsritual seine Ehre erweist, keinen Besucher, der von der Besonderheit dieser Komposition nicht erfasst wäre, über die alle übereinstimmend sagen, dass vor dem Gemälde etwas geschieht, das es zu etwas ganz Besonderem macht, nämlich – man drückt sich aus wie man kann – dass wir in seinem Raum erfasst sind. Und man zerbricht sich den Kopf, um herauszufinden, durch welche Raffinessen der Konstruktion und der perspektivischen Konstruktion sich das herstellen kann. Von da aus geht man weiter, man spekuliert, was es mit der Funktion der einzelnen Figuren und Gruppen auf sich hat – und man sieht nicht, dass es dabei um ein und dieselbe Frage geht.
Im Allgemeinen bewegt man sich auf diesem Weg, der tatsächlich die Frage ist, welche beim Kern des Problems bleiben wird und welche auch die ist, auf die ich hoffe, am Ende die Antwort geben zu können: Was tut der Maler? Was malt er?
{24} Dies impliziert – und das am häufigsten, da es sich um Kunstkritik handelt – die Form, in der die Frage gestellt wird: „Was hat er tun wollen, was wollte er damit?“, da letztlich natürlich niemand die Frage „Was tut er?“ wirklich ernst nimmt. Das Gemälde ist da, es ist fertig, und wir fragen uns nicht, was er gerade malt, wir fragen uns: Was hat er tun wollen, was wollte er damit? Oder genauer: Welche Vorstellung will er uns von dem geben, was er gerade malt? Ein Punkt, an dem sich offenkundig ein Verhältnis zeigt, das für uns gut erkennbar ist: Was wir begehren und zu wissen begehren, ist im strengen Sinne etwas, das zur Ordnung dessen gehört, was man Begehren des Anderen nennt, denn wir sagen: Was hat er tun wollen, was wollte er damit? Und das heißt sicherlich, die falsche Position einzunehmen, denn wir sind nicht in der Position, es zu analysieren, ich möchte nicht sagen das Gemälde, sondern ein gemaltes Bild. Es ist sicher, dass er das, was er tun wollte – er, der Maler –, dass er es getan hat, weil es ja da ist, vor unseren Augen, und dass sich die Frage deshalb in gewisser Weise selbst aufhebt, da sie den Punkt verfehlt, an dem sie gestellt wird, da wir sie ja in Bezug auf das stellen, was er bereits getan hat.
Mit anderen Worten, bei der Wiederkehr der Schleife, von der ich eben gesprochen habe – und damit führt uns dieses Bild bereits in die Dialektik des Subjekts ein –, gibt es faktisch bereits eine Runde und wir müssen nur die zweite vollziehen, dafür darf man allerdings die erste nicht verfehlen.
Die Anwesenheit des Bildes [im Bild], das die gesamte Höhe einnimmt und das uns wegen eben dieser Höhe dazu veranlasst, darin das Gemälde selbst zu erkennen, das uns auf diese Weise dargestellt wird. Ich halte das gleichsam am Rande unseres Voranschreitens fest, das einen anderen Weg nimmt als die Diskussion, an der diejenigen beteiligt sind, die die These aufgestellt haben (die ich mir gestatte, für nichtig zu erachten), dass es dabei um ein anderes Bild geht (Sie werden es später sehen, wir werden das eingehender diskutieren), nämlich um das Porträt des Königs und der Königin, das Sie auf dieser sicherlich völlig unzureichenden Abbildung, die ich Ihnen mitgebracht habe, natürlich nicht sehen können, hier im Hintergrund, und das, wie Sie insgesamt, hoffe ich, wissen, in einem Rahmen präsent ist, über dessen Bedeutung wir später noch diskutieren müssen, worin jedoch einige den Beleg dafür sehen, dass es anzeigt, dass der König und die Königin hier vor dem Bild stehen und dass sie es sind, die der Maler malt. Das lässt sich meines Erachtens widerlegen. Im Augenblick möchte ich nur anmerken, dass dies der Hintergrund dafür ist, dass ich Ihnen sage, dass die Größe der Leinwand bereits ein Argument ist, das sich dafür anbringen lässt, dass dem nicht so ist und dass die abgebildete Leinwand eben das Gemälde ist |{26}, eben das Gemälde repräsentiert, das wir vor uns haben, wobei diese Leinwand auf einem Holzgestell aufruht, von dem wir dort und hier das Gerüst sehen, und dass wir, anders ausgedrückt, in diesem Bild [im Bild] die Repräsentation dieses Gemäldes qua Realität haben.
Ich kann hier ja diese kleine Tür aufstoßen, die dahin führt, dass wir hier ein weiteres Mal die Übereinstimmung mit meiner Formel finden, die hier aus dem pikturalen Gegenstand eine Vorstellungsrepräsentanz* macht. Damit sage ich keineswegs, das Bild [auf der für uns unsichtbaren Vorderseite des Bildes im Bild] wäre Vorstellung/Darstellung (représentation) und das Gestell, die Stütze, wäre davon die Repräsentanz. Wenn es hier so funktioniert, dass es uns wahrnehmen lässt, was es hier an Wahrheit gibt, dann insofern, als es uns etwas in das Gemälde einfügt, das hier merkwürdigerweise zum ersten Mal gemacht wird, denn in einem Gemälde hatte es zwar bereits solche Dinge wie Spiegel gegeben, damals sogar häufig, aber das Gemälde im Gemälde, das ist nicht das Theater im Theater, überhaupt nicht.
Das wurde hier offenbar zum ersten Mal gemacht und ist seither kaum wieder gemacht worden, außer an einem Punkt, an dem ich es für sie ausfindig gemacht habe, nämlich bei Magritte.
Repräsentation/Vorstellung, das ist ja in der Tat diese Abbildung der Realität des Gemäldes, sie ist jedoch da, um uns klar zu zeigen, dass auf der Ebene von Realität und Repräsentation |{27} das, was in das Gemälde eingetragen ist, und das Gemälde sich gegenseitig sättigen.
Denn was ist die Wirkung dieses Bildes im Bild? Vorstellungsrepräsentanz*. Das ist eben dies, dass all die Figuren, die Sie sehen, genau insofern, als sie keineswegs Repräsentationen/Vorstellungen sind, sondern als sie eine Vorstellung geben (ils sont en représentation), dass all diese Figuren, welchen Status auch immer sie haben mögen, so wie sie in Realität effektiv da sind, wenn auch seit langem tot, dass sie jedoch immer noch da sind, dass sie Personen sind, die sich darauf stützen, eine Vorstellung zu geben, und das mit voller Überzeugung, was eben heißt, dass keine von ihnen von dem, was sie vorstellt, irgendeine Vorstellung hat. Und das ist die Wirkung von diesem Etwas, das, in den Raum des Gemäldes eingeführt, sie miteinander verknüpft, das sie kristallisiert, in der Position, Personen zu sein, die eine Vorstellung geben, Personen des Hofes.
Von daher erhält die Tatsache, dass Velázquez der Maler sich mitten unter sie stellt, ihre ganze Bedeutung. Aber natürlich geht das über den einfache Anflug von sozialem Relativismus, wenn man so sagen kann, weit hinaus; die Struktur des Bildes ermöglicht es, weit darüber hinauszugehen. Um darüber hinauszugehen, hätte man allerdings von einer |{28} Frage ausgehen müssen --, nicht von einer Frage, sondern von einer ganz anderen Bewegung als der Bewegung dieser Frage, von der ich Ihnen gesagt habe, dass sie sich allein schon durch die Gegenwart des Werkes selbst annulliert, man hätte von dem ausgehen müssen, was das Werk, wie wir es da sehen, aufdrängt, nämlich dass derselbe Kindermund, der uns von der zentralen Figur nahegebracht wird, von der kleinen Infantin, der zweiten Tochter des Königspaares, von Felipe IV. und Doña Mariana von Österreich, von der kleinen Doña Margarita, die, so kann ich sagen, von Velázquez fünfzig Mal gemalt worden it, dass wir uns von dieser Figur führen lassen, die uns gewissermaßen vorangeht in diesen Raum, der das Fragezeichen ist, für uns und für all diejenigen, die dieses Bild gesehen haben, die über dieses Bild gesprochen haben, die über dieses Bild geschrieben haben. Das Fragezeichen, das er uns vorlegt, das sind, ausgestoßen von ihrem Mund, die Schreie, möchte ich sagen, und von denen man ausgehen sollte, um das vollziehen zu können, was ich die zweite Runde dieses Bildes nennen möchte, und das ist etwas, scheint mir, das in der Analyse des Werkes, von der ich vorhin gesprochen habe, versäumt wird – „Lass sehen!“, nämlich das, was hinter der Leinwand ist, wie wir sie von der Rückseite aus sehen. Es ist ein „Lass sehen!“, das er ruft und das wir auszusprechen mehr oder weniger bereit sind.
Nun, allein schon von diesem „lass sehen“ her kann das auftauchen, was sich von daher tatsächlich aufdrängt, nämlich das, was wir sehen, |{29} also diese Figuren, so wie ich sie habe charakterisieren können, als Personen, die wesentlich eine Vorstellung geben.
Wir sehen aber nicht nur das. Wir sehen die Struktur des Bildes, seinen perspektivischen Aufbau. An dieser Stelle kann ich natürlich nur bedauern, dass wir hier keine Stütze haben, die hinreichend wäre, um Ihnen diese Merkmale in ihrer Strenge zu demonstrieren. Hier, die Figur, die Sie sehen, wie sie vor einem hellen Hintergrund von einer Tür eingerahmt wird, das ist ganz genau der Punkt, in dem die Linien der Perspektive zusammenlaufen. An einem Punkt, der, je nach den Linien, die man zieht, ungefähr zwischen dem Gesicht dieser Figur – denn es stellen sich leichte Schwankungen der Überschneidung her – und ihrem Ellbogen liegt, befindet sich der Fluchtpunkt. Und es ist kein Zufall, dass durch den Fluchtpunkt eben diese Figur hinausgeht und dass diese Figur hinausgeht. Diese Person ist nicht irgendjemand, sie heißt ebenfalls Velázquez, Nieto statt Diego Rodríguez. Dieser Nieto ist derjenige, dessen Stimme einiges Gewicht hatte bei der Entscheidung, durch die Velázquez die Position eines aposentador des Königs erhielt, das heißt so etwas wie ein Kammerherr oder Großmarschall. Kurz, das ist eine Art Figur, die ihn verdoppelt, und sie wird uns hier dadurch gekennzeichnet, dass sie das, was wir nicht sehen und wozu wir sagen „lass sehen!“, dass sie das von dort aus, wo sie ist, nicht nur sieht, sondern dass sie, wenn ich so sagen darf, zu viel davon gesehen hat – |{30} sie geht. Gibt es ein besseres Mittel, um diese Pointe zu bezeichnen, im Hinblick auf das, was sich bezogen auf das Subjekt der Funktion des Auges entfaltet, ein besseres Mittel als das, was durch ein gewissermaßen definitives „gesehen“ ausgedrückt wird?
Von daher ist die Anwesenheit von Velázquez selbst, in der Position, in der Sie ihn vorhin gesehen haben --; und da das zweite Foto nicht besser war als das erste, haben Sie etwas nicht sehen können, das Sie auf besseren Reproduktionen sehen könnten und was von tausend Autoren, die darüber gesprochen haben, bezeugt wird, nämlich dass diese Figur, die, wie hervorgehoben wird, in Richtung auf uns Betrachter blickt – weiß Gott, wie sehr man über diese Blickrichtung hat spekulieren können –, dass diese Figur den Blick so wenig nach außen gerichtet hat wie das überhaupt möglich ist. Das ist keineswegs eine Analyse, die nur ich vorbringe, viele Autoren – die große Mehrheit – haben das bemerkt. Das gewissermaßen träumerische, abwesende Aussehen, auf einen disegno interno [inneren Entwurf] gerichtet, wie sich die Gongoristen ausdrücken, ich meine die gesamte Theorie des barocken, manieristischen, konzeptistischen oder was auch immer Stils, wofür Góngora das Beispiel und die Blüte ist – disegno interno, das, worauf sich der manieristische Diskurs bezieht und was eben das ist, was ich so nenne, dass es in diesem Diskurs keine Metapher gibt, dass die Metapher als reale Komponente darin eingeht; diese Anwesenheit von Velázquez in |{31} seinem Gemälde, bei der sein Gesicht gewissermaßen das Zeichen und die Stütze dafür trägt, dass er zugleich als sie komponierend und als ihr Element da ist, das ist hier der dargestellte strukturelle Punkt, durch den uns bezeichnet wird, was es damit auf sich haben kann, wie es dazu kommen kann, dass derjenige, der das Gemälde als blickendes Subjekt stützt, auf dem Gemälde selbst erscheint. Nun ja, das ist etwas wirklich Verblüffendes, dessen Wert meines Erachtens nur von dem her bestimmt werden kann, worin ich Sie mit dieser topologischen Struktur eingeführt habe.
Abb. 13: 1: Infanta Margarita; 2: Isabel de Velasco; 3: María Agustina Sarmiento de Sotomayor; 4: Mari Bárbola; 5: Nicolas Pertusato; 6: Marcela de Ulloa; 7: Guardadamas; 8: José Nieto; 9: Diego Velázquez; 10: Philipp IV. von Spanien; 11: Maria Anna von Österreich1
Zwei Merkmale sind hervorzuheben. [Erstens:] Das, was dieser Blick anblickt und worüber jeder Ihnen sagt, „das sind wir, wir die Betrachter“. Warum sollen wir das so sehr annehmen? Sicherlich ruft er uns zu etwas auf, denn wir antworten so, wie ich Ihnen gesagt habe. Was aber dieser Blick impliziert, wie auch die Anwesenheit des umgedrehten Bildes im Bild, wie auch dieser Raum, der allen, die das Bild betrachten, als etwas irgendwie Einzigartiges und Einmaliges auffällt, ist dies, dass sich das Bild bis in die Dimensionen dessen hinein erstreckt, was ich das Fenster genannt habe, und dass er es als solches bezeichnet.
Die Tatsache, dass in einer Ecke des Gemäldes durch das Gemälde selbst – das gewissermaßen in sich umgedreht ist, um hier dargestellt zu werden – der Raum vor dem Bild erzeugt wird, in welchem wir als diejenigen bezeichnet werden, die ihn bewohnen, die |{32} Vergegenwärtigung des Fensters im Blick desjenigen, der sich nicht zufällig und nicht in beliebiger Weise an den Platz gestellt hat, den er, Velázquez, einnimmt, das ist hier der Punkt der Vereinnahmung und die spezifische Aktion, die dieses Bild an uns vollzieht.
[Zweitens:] Hierzu gibt es im Gemälde eine Überschneidung. Ich kann nur ein weiteres Mal bedauern, dass ich Sie auf Bilder verweisen muss, die übrigens im allgemeinen, so muss ich sagen, in vielen Bänden immer ziemlich schlecht sind, entweder zu dunkel oder zu hell; dieses Gemälde ist nicht leicht zu reproduzieren. Es ist jedoch klar, dass der Abstand des Malers vom Gemälde – in dem Gemälde, in dem es dargestellt wird – hinreichend betont ist, um uns zu zeigen, dass es für ihn nicht in Reichweite ist und dass darin eine Absicht liegt. Nämlich dass dieser Teil der Gruppe – was man hier Las meninas genannt hat, Die Hoffräulein –, nämlich Doña Margarita mit Doña María Agustina de Sarmiento, die vor ihr kniet, sich vor dem Maler befinden, während die anderen, auch wenn es so aussieht, als seien sie auf einer vergleichbaren Ebene, also davor, vielmehr dahinter sind, und dass die Frage, was es zwischen dem Maler und dem Bild an Raum gibt, hier nicht nur das ist, was uns präsentiert wird, sondern auch das, was uns durch die Spur vergegenwärtigt wird, auf die wir nur hinweisen müssen, damit sie erkennen, dass hier eine Linie der Durchquerung etwas markiert, das nicht einfach Aufteilung des Lichts ist, Gliederung des Gemäldes, sondern wirklich Spur des Durchgangs der phantasmatischen Präsenz des Malers, insofern er blickt.
Wenn ich Ihnen sage, das Blicksubjekt geht zur Ebene der Überschneidung der Grundlinie mit dem Boden der Perspektive und zu einem Punkt im Unendlichen, so ist es auch dieser Punkt, aus dem Velázquez – in der gespenstischen Form, die dieses Selbstporträt gegenüber allen anderen auszeichnet –, aus dem Velázquez eines der Merkmale gemacht hat, das sich vom Stil des Malers sicherlich unterscheidet. Er selbst würde Ihnen sagen: „Glauben Sie etwa, ich würde ein Selbstporträt mit diesem Tropfen da, mit diesem Öl da, mit diesem Pinsel da malen?“ Sie müssen sich nur auf das Porträt von Innozenz X. beziehen, das in der Pamphilij-Galerie hängt, um zu sehen, dass der Stil keineswegs derselbe ist [Abb. 14].
Dieses Phantom des blickenden Subjekts, das das durch diese Spur wiedergekehrt ist, die hier noch spürbar ist und von der ich sagen kann, dass sie in allen Figuren mitschwingt --. Denn in diesem Bild, bei dem es zu einem Klischee geworden ist, zu einem Gemeinplatz – und ich habe gehört, wie das von Mündern geäußert wurde, die, muss ich sagen, nicht nur diejenigen waren, die am meisten autorisiert waren, sondern die auch in der Hierarchie der Schöpfer am höchsten standen –, |{34} dieses Bild, von dem man uns sagt, es sei das Bild der sich kreuzenden Blicke, eine Art Inter-Vision, so als seien alle Figuren durch eine Beziehung zu allen anderen charakterisiert – wenn Sie genauer hinschauen, werden Sie sehen, dass außer dem Blick der Menina Maria Agustina de Sarmiento, die Doña Margarita anzuschaut, kein anderer Blick irgendetwas fixiert. All diese Blicke verlieren sich in einem unsichtbaren Punkt. Als würde jemand sagen: „ein Engel ist vorbeigegangen“, nämlich der Maler. Die andere Menina, mit Namen Isabel de Velasco, ist dort gewissermaßen wie verboten, die Arme gewissermaßen wie von der Spur dieses Durchgangs weggestreckt. Die Idiotin hier, die Missgeburt Mari Bárbola, die Zwergin, schaut anderswo hin und keineswegs, wie gesagt wird, zu uns hinüber. Was den kleinen Zwerg angeht, so ist er hier damit beschäftigt, genau das zu tun, genau die Rolle zu spielen, die er als Imitation eines kleinen Jungen spielen soll – er spielt den Rabauken, er gibt dem Hund einen Tritt in den Hintern, als wollte er ihm sagen: „Du schnarchst wohl! Hast du nicht die Maus geschnuppert, die gerade vorbeilief?“ Blick, würde man uns sagen, wenn man daran noch festhalten wollte, aber beachten Sie, dass es in einem Bild, das ein Bild des Spiels der Blicke sein soll, dass es hier jedenfalls – auch wenn wir |{35} den Blick von einer der Meninas ausnehmen müssen – keine zwei Blicke gibt, die sich kreuzen, einvernehmliche Blicke, Blicke der Einsicht, Blicke der Suche. Doña Margarita, das kleine Mädchen, blickt das Hoffräulein, von dem sie angeblickt wird, nicht an. Sämtliche Blicke sind anderswo, und natürlich ist der Blick im Hintergrund, desjenigen der geht, nicht mehr als ein Blick, der sagen will: „Ich verlasse dich“, weit davon entfernt, sich auf irgendjemanden zu richten.
Was kann dann das, was man ins Zentrum der Theorie dieses Bildes stellt, bedeuten, wenn man behauptet, das, was hier im Vordergrund ist, an unserem Platz – und Gott weiß, wie sehr der Betrachter sich an einer solchen Stütze erfreuen kann, an einer solchen Hypothese –, das seien der König und die Königin, die in dem Spiegel reflektiert werden, der hier für Sie zu sehen sein sollte und der im Hintergrund ist – ? Wogegen ich einwenden möchte: Der Maler, wo auch immer er sich in diesem Bild zeigt, wo möchte er, dass wir ihn hinstellen?
Eine der Hypothesen, und eine, die unter denen, die vorgebracht wurden, besonders verführerisch war, ist die, dass der Maler, weil dort steht und weil er das hier gemalt hat, dass er all dies in einem Spiegel gesehen haben muss, in einem Spiegel, der an unserem Platz steht – womit wir in einen Spiegel verwandelt werden. Die Sache ist nicht ohne Reiz, und sicherlich appelliert sie an |{36} all das, was ich Ihnen als Bezogensein des Subjekts auf den anderen aufzeige, nur dass ich Ihnen, wenn Sie wollen, anhand einer solchen Erfahrung den strengen Unterschied zwischen einem Spiegel und dem Fenster zeigen werde, zwei Terme, die strukturell in keinerlei Beziehung zueinander stehen. Aber halten wir uns an das Bild. Der Maler soll sich so gemalt haben, dass er dabei die gesamte Szene der Leute um sich herum in einem Spiegel sah. Ich sehe nur einen Einwand, nämlich dass in den historischen Quellen nichts darauf hinweist – und Gott weiß, dass dies Nachrichten sind, die die Geschichte sich zu überliefern bemüht –, dass nichts darauf hinweist, dass Velázquez Linkshänder war. Aber so sollte er uns ja erscheinen, wenn wir die Tatsache ernst nehmen, dass er sich in einem angeblich mit Hilfe eines Spiegels angefertigen Gemälde so wie hier darstellt, nämlich mit der rechten Hand den Pinsel haltend.
Diese Begründung könnte Ihnen als dürftig erscheinen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass diese Theorie, falls sie richtig wäre, mit der Anwesenheit des Königs und der Königin an dieser Stelle gänzlich unvereinbar wäre. Entweder ist hier der Spiegel oder hier sind der König und die Königin. Falls es der König und die Königin sind, kann es nicht der Maler sein. Falls der Maler woanders ist, falls der König und die Königin hier sind, kann derjenige, der hier ist, nicht der Maler sein, während ich annehme, dass |{37} er tatsächlich hier war.
Sie verstehen nicht, Herr Castoriadis?
Cornelius Castoriadis: Nein!
Lacan: Unter der Hypothese, dass der König und die Königin, die hinten im Spiegel reflektiert werden, hier waren, um sich vom Maler malen zu lassen, und da ich soeben die Hypothese ausgeschlossen habe, dass der Maler anders als durch die Kunst seines Pinsels da war, musste der Maler dort sein.
Und außerdem beruht die Forderung, dass der Maler dort sein müsse und nicht auf der anderen Seite eines Spiegels, der wir selbst wären, beruht diese Forderung darauf, dass man annimmt, dass König und Königin im Spiegel sind.
Mit anderen Worten, aus diesem Trio, nämlich ein angenommener Spiegel, König und Königin und der Maler, können wir nicht zwei beliebige Figuren an dieselbe Stelle setzen. Damit das geht, sind wir immer gezwungen, zwei zugleich hinzusetzen, und sie können nicht beide zugleich da sein. Wenn der König und die Königin hier sind, sodass sie im Hintergrund im Spiegel reflektiert werden, naja, dann ist es unmöglich, dass sie als im Spiegel vorhanden dargestellt sind, allein schon aus Gründen des Maßstabs, der Größe, in der sie im Spiegel zu sehen sind und worin sie ungefähr denselben Maßstab haben wie die Figur, die neben ihnen hinausgeht, wo sie doch bei dem Abstand, in dem wir uns befinden, |{38} genau halb so groß sein müssten. Aber das ist nur ein zusätzliches Argument. Wenn, entsprechend dieser Hypothese, der König und die Königin dort sind, dann ist der Maler hier, und wir sind mit der Position konfrontiert, die von den Anekdotenschreibern vorgebracht wird, von Madame de Motteville beispielsweise, nämlich dass der König und die Königin hier wären, dass sie darüber hinaus stünden und dass sie dabei wären, sich --, dabei wären zu posieren und die Reihe all dieser Personen vor sich hätten, wovon Sie sehen können, was die natürliche Funktion wäre, falls Velázquez währenddessen wirklich dabei wäre, etwas ganz anderes als sie zu malen und obendrein etwas, das er nicht sieht, da er all diese Personen in einer Position um sich herum sieht.
Ich behaupte, im Gegensatz zu dieser offenkundigen Unmöglichkeit, dass das Wesentliche, das von diesem Gemälde angezeigt wird, die Funktion des Fensters ist. Dass die Tatsache, dass die Spur gewissermaßen durch das gekennzeichnet ist, wodurch der Maler dahin zurückkehren kann, hier wirklich das ist, was uns zeigt, inwiefern da der leere Platz ist.
Dass symmetrisch zu diesem leeren Platz diejenigen erscheinen, wenn ich so sagen darf, bei denen nicht der Blick, sondern die Unterstellung, dass sie alles sehen --; dass sie in diesem Spiegel genau so sind, wie sie |{39} hinter einem Gitter oder einer Einwegscheibe sein könnten, und schließlich würde uns im Grenzfall nichts daran hindern, anzunehmen, dass es sich um etwas Ähnliches handeln könnte, nämlich um das, was man, in Verbindung mit einem großen Raum, Verbindungszimmer nennt, einen dieser Orte, die der heimlichen Beobachtung dienen –, dass sie tatsächlich da sind; dass die Tatsache, dass sie alles sehen, das ist, wodurch die Welt, in der man eine Vorstellung gibt, gestützt wird.
Dass es hier etwas gibt, das uns in gewisser Weise die Parallele zum „Ich denke also bin ich“ von Descartes liefert: „Ich male, also bin ich“, sagt Velázquez, „und ich bin hier derjenige, der Sie mit dem, was ich gemalt habe, zurücklässt, damit Sie sich auf ewig Fragen dazu stellen. Und ich bin auch an diesem Ort, von dem aus ich an den Platz zurückkehren kann, den ich Ihnen überlasse, der wirklich derjenige ist, an dem sich die Wirkung einstellt, die darin besteht, dass es einen Sturz und eine Verwirrung gibt, von etwas, das den Kern des Subjekts ausmacht. Gerade die Vielzahl der Deutungen, ihre Verlegenheit, wie man sagen kann, ihre Unbeholfenheit genügen hier, um das zu unterstreichen.
Am anderen Punkt jedoch, was haben wir da? Diese Gegenwart des Königspaares, das exakt die gleiche Rolle spielt wie der Gott von Descartes, nämlich dass in allem, was wir sehen, nichts täuscht, unter der einen Bedingung, dass darin der allgegenwärtige Gott selbst getäuscht wird. Und das ist hier die Gegenwart dieser Wesen, die Sie in dieser so eigenartig verschwommenen Atmosphäre |{40} des Spiegels sehen. Wenn dieser Spiegel hier in gewisser Weise das Äquivalent von etwas ist, das auf der Ebene des Subjekts A, das hier ist, verschwinden wird, wie als Gegenstück zu diesem klein a des Fensters in der ersten Ebene, verdient es das nicht, dass wir uns dabei noch ein wenig aufhalten?
Ein Maler, ungefähr dreißig Jahre später, der Luca Giordano hieß, genau gesagt ein Manierist in der Malerei, der in der Geschichte den Beiname Fa Presto behalten hat, da er ein bisschen schnell malte, im Übrigen außergewöhnlich brillant, hat, nachdem er dieses Bild lange betrachtet hatte – die Geschichte seiner Benennungen habe ich Ihnen nicht erzählt –, hat einen Ausspruch getan, einen dieser Aussprüche, mein Gott, wie man sie von jemandem erwarten kann, der zugleich Manierist und hochintelligent war: „Das ist die Theologie der Malerei“, hat er gesagt. Und natürlich beruht es genau auf dieser theologischen Ebene – auf welcher der Gott von Descartes der Träger einer ganzen Welt ist, die im Begriff ist, sich durch Vermittlung des subjektivischen Phantoms zu verwandeln –, kommt es genau durch die Vermittlung des Königspaares, das uns flimmernd in diesem Rahmen im Hintergrund erscheint, kommt es von daher, dass dieser Term seinen Sinn erhält.
Ich möchte Sie jedoch nicht verlassen, ohne Ihnen, was mich angeht, zu sagen, wodurch ich auf den Gedanken komme, dass ein Maler wie Velázquez |{41} etwas Visionäres haben kann. Denn wer würde bei ihm von Realismus sprechen? Wer würde beispielsweise wagen, über die Hilanderas zu sagen, das sei ein Gemälde des Volkes in seiner Ungeschliffenheit? Sicherlich ist es das, was einfach den Flash verewigen will, den er eines Tages gehabt haben soll, als er beim Verlassen der königlichen Tapisserie-Manufaktur sieht, wie die Arbeiterinnen im Vordergrund den Rahmen für etwas bilden, das sich im Hintergrund zuträgt.
Ich bitte Sie einfach, sich auf dieses Gemälde [Las meninas] anhand von etwas zu beziehen, das besser ist als das, was ich Ihnen hier gezeigt habe, sodass Sie sehen, wie weit es von jeglichem Realismus entfernt sein kann – und im Übrigen gibt es keinen realistischen Maler, einen visionären aber sicherlich –, und genauer zu betrachten, was sich im Hintergrund dieser Szene abspielt, in diesem Spiegel, in dem uns flackernd diese Figuren erscheinen, gewiss von dem unterschieden, was ich vorhin als gespenstisch bezeichnet habe, aber wirklich leuchend. Mir kam der Gedanke, dass der Maler, in polarem Gegensatz zu dem Fenster, in das er uns einrahmt, und wie in einen Spiegel, für uns etwas auftauchen lässt, das für uns sicherlich keinen beliebigen Platz einnimmt, bezogen auf das, was sich für uns in den Beziehungen des Subjekts zum Objekt a ereignet: den Fernsehschirm.
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Französisch/deutsch mit Anmerkungen
Offene Vorlesung
{1} Pour ce qui est du savoir, il est difficile de ne pas tenir compte de l’existence du savant – savant ici pris seulement comme le support de l’hypothèse du savoir en général – sans mettre forcément la connotation de scientifique.
Was das Wissen (savoir) angeht, ist es schwierig, nicht die Existenz des Wissenden (savant) zu berücksichtigen – „Wissender“ hier nur verstanden als Träger der Wissenhypothese im Allgemeinen, ohne zwangsläufig die Konnotation des Wissenschaftlers mit hineinzubringen.
Le savant sait quelque chose ou bien il ne sait rien : dans les deux cas, il sait qu’il est un savant.
Ob der Wissende nun etwas weiß oder nichts weiß, in beiden Fällen weiß er, dass er ein Wissender ist.
Cette remarque est seulement faite pour vous pointer ce problème, préparé depuis longtemps, et je dirai même présentifié depuis, non pas seulement que j’enseigne, depuis que j’ai poussé mes premières remarques sur ce que nous rappelle de fondamental l’analyse et qui est centré autour de la fonction du narcissisme ou du stade du miroir.
Diese Bemerkung soll Sie nur auf das Problem hinweisen, das seit langem vorbereitet ist, ich möchte sogar sagen, das sich nicht erst abzeichnet, seit ich unterrichte, sondern seit ich meine ersten Bemerkungen über das vorgebracht habe, was die Analyse uns an Grundlegendem in Erinnerung ruft und was sich um die Funktion des Narzissmus oder des Spiegelstadiums dreht.2
Disons, pour aller vite, puisque nous avons commencé en retard, que le statut du sujet au sens le plus large.…
au sens non encore débroussaillé, non pas au sens où je suis en train d’essayer d’en serrer pour vous la structure
…ce qu’on appelle le sujet en général veut simplement dire, dans le cas que je viens de dire : il y a du savoir, donc il y a un savant.
Sagen wir, um schnell voranzukommen, da wir mit Verspätung begonnen haben, dass der Status des Subjekts im weitesten Sinne – in noch nicht geklärter Bedeutung, nicht in der Bedeutung, deren Struktur ich gerade für Sie zu umreißen versuche –, also das, was man allgemein das Subjekt nennt, dass dies im gerade erwähnten Fall einfach bedeutet: Es gibt Wissen, also gibt es einen Wissenden.
{2} Le fait de savoir qu’on est un savant ne peut pas ne pas s’intriquer profondément dans la structure de ce savoir.
Es ist ausgeschlossen, dass die Tatsache, dass man weiß, dass man ein Wissender ist, in die Struktur dieses Wissens nicht tief eingreift.
Pour y aller carrément, disons que le professeur… puisque le professeur a beaucoup affaire avec le savoir - pour transmettre le savoir, il lui faut charrier une certaine quantité de savoir –, qu’il a été prendre soit dans son expérience, soit dans une accumulation de savoir faite ailleurs et qui s’appelle par exemple – dans tel ou tel domaine, la philosophie par exemple – la tradition.
Um gleich zur Sache zu kommen, sagen wir, dass der Lehrer (professeur) – da der Lehrer ja viel mit Wissen zu tun hat –, dass er, um das Wissen zu übermitteln, eine bestimmte Quantität an Wissen mit sich herumtragen muss, das er seiner Erfahrung oder einer anderswo produzierten Wissensanhäufung entnommen hat und das in diesem oder jenem Bereich, etwa in der Philosophie, etwa als Tradition bezeichnet wird.3
Il est clair que nous ne saurions négliger que la préservation du statut particulier de ce savant…
j’ai évoqué le professeur mais il y en a bien d’autres statuts, celui du médecin par exemple
… que la préservation de son statut est de nature à infléchir, à incliner ce qui, pour lui, lui paraîtra le statut général de son savoir.
Es ist klar, dass wir nicht vernachlässigen dürfen, dass die Aufrechterhaltung des Sonderstatus eines Wissenden – ich habe auf den Status des Lehrers verwiesen, es gibt jedoch noch weitere, den des Arztes beispielsweise –, dass die Aufrechterhaltung seines Status dazu führt, dass für ihn das, was ihm als der allgemeine Status seines Wissens erscheint, mit einer bestimmten Beugung versehen ist, mit einer bestimmten Ausrichtung.
Le contenu de ce savoir, le progrès de ce savoir, la pointe de son extension ne sauraient ne pas être influencés par la protection nécessaire de son statut de sujet savant.
Es ist ausgeschlossen, dass der Inhalt dieses Wissens, der Fortschritt dieses Wissens, die Stoßrichtung der Wissenserweiterung, dass all dies nicht beeinflusst ist durch den notwendigen Schutz seines Status als eines wissenden Subjekts.
Ceci me semble assez évident si l’on songe que nous en avons devant nous la matérialisation tangible par les consécrations sociales de ce statut qui font qu’un Monsieur n’est pas considéré comme savant uniquement dans la mesure où il sait et où il continue de fonctionner comme savant : |{3} les considérations de rendement viennent là de loin, derrière celles du maintien d’un statut permanent à celui qui a accédé à une fonction savante.
Das scheint mir ziemlich offensichtlich zu sein, wenn man bedenkt, dass wir dessen Materialisierung vor uns haben, spürbar in den sozialen Weihungen dieses Status, die dazu führen, dass ein bestimmter Herr nicht ausschließlich in dem Maße als Wissender angesehen wird, in dem er weiß und weiterhin als Wissender fungiert; Leistungsgesichtspunkte stehen hier weit hinter solchen zurück, bei denen es darum geht, demjenigen, der eine Wissensposition erlangt hat, einen dauerhaften Status zu sichern.
Ceci n’est pas injustifié et dans l’ensemble arrange tout le monde ; tout le monde s’en accommode fort bien.
Das ist nicht ungerechtfertigt und kommt im Großen und Ganzen allen entgegen, damit kommen alle ziemlich gut zurecht.
Chacun à sa place : le savant « savante » dans des endroits désignés et on ne va pas regarder de si près si son « savantement », à partir d’un certain moment, se répète, se rouille ou même devient pur semblant de savanterie.
Jeder an seinem Platz, der wissenschaftlich Wissende an bestimmten Orten, und man wird nicht so genau hinschauen, ob seine „Wissendheit“ sich von einem bestimmten Moment an wiederholt und einrostet oder sogar zum bloßen Schein wird, zum Wissensgehabe.
Mais comme beaucoup de cristallisations sociales, nous ne devons pas nous arrêter simplement à ce qu’est la pure exigence sociale, ce qu’on appelle habituellement les fonctions de groupe et comment un certain groupe prend un statut plus ou moins privilégié pour des raisons qui sont en fin de compte toujours à faire remonter à quelque origine historique.
Aber wie bei vielen sozialen Kristallisierungen dürfen wir nicht einfach bei dem stehen bleiben, was bloße soziale Forderungen sind, bei dem, was man gewöhnlich als Gruppenfunktionen bezeichnet, nicht einfach dabei, wie eine bestimmte Gruppe aus Gründen, die letztlich immer auf einen bestimmten historischen Ursprung zurückgehen, einen mehr oder weniger privilegierten Status einnimmt.
Il y a bien là quelque chose de structural et qui, comme le structural nous force souvent de le remarquer, dépasse de beaucoup la simple interrelation d’utilité.
Es gibt hier etwas Strukturelles, das – wie das Strukturelle uns oft zu bemerken zwingt – über die einfache wechselseitge Nützlichkeit weit hinausreicht.4
On peut considérer que, du point de vue du rendement, il y aurait avantage à faire le statut du savant moins stable.
Man kann sich fragen, ob es unter dem Gesichtspunkt der Leistung nicht von Vorteil wäre, den Status des Wissenden weniger stabil zu gestalten.
Mais il faut croire justement qu’il y, a dans les mirages du sujet et non dans la structure du sujet lui-même, quelque chose qui aboutit à ces structures stables, qui les nécessite.
Aber man muss wohl annehmen, dass es in den Trugbildern des Subjekts – und nicht in der Struktur des Subjekts selbst – etwas gibt, das zu diesen stabilen Strukturen führt und sie notwendig macht.
{4} Si la psychanalyse nous force à remettre en question le statut du sujet, c’est sans doute parce qu’elle aborde ce problème, problème de ce qu’est un sujet, d’un autre départ.
Wenn die Psychoanalyse uns zwingt, den Status des Subjekts neu zu befragen, dann wohl deshalb, weil sie dieses Problem – das Problem, was ein Subjekt ist – von einem anderen Ausgangspunkt her angeht.
Si pendant de longues années j’ai pu montrer que l’introduction de cette expérience de l’analyse dans un champ…
qui ne saurait se repérer que de conjoindre une certaine mise en question du savoir au nom de la vérité
…si la scansion de ce champ va se chercher en un point plus radical… en un point antérieur à cette rencontre, à cette rencontre d’une vérité qui se pose et se propose comme étrangère au savoir
…nous l’avons dit, ceci s’introduit du premier biais de demande, qui d’abord dans une perspective qui se réduit ensuite, se propose comme plus primitif, comme plus archaïque et qui nécessite d’interroger comment s’ordonnent, dans leur structure, cette demande avec quelque chose dont elle discorde et qui s’appelle le désir.
Wenn ich über lange Jahre hinweg zeigen konnte, dass die Einführung der Erfahrung der Analyse in ein Feld, das sich nur von daher ausmachen lässt, dass es mit einer bestimmten Infragestellung des Wissens im Namen der Wahrheit einhergeht, wenn die Skandierung dieses Feldes an einem radikaleren Punkt gesucht wird, an einem Punkt, der dieser Begegnung vorausliegt, der Begegnung mit einer Wahrheit, die sich als etwas setzt und als etwas anbietet, das dem Wissen fremd ist, so wird dies, wie wir gesagt haben, zuerst unter dem Aspekt des Anspruchs eingeführt, der sich zunächst – in einer Perspektive, die sich dann reduziert –, der sich zunächst als etwas anbietet, was ursprünglicher ist, archaischer, und was es nötig macht, zu fragen, in welcher Struktur dieser Anspruch mit etwas zusammengeht, womit er nicht übereinstimmt und was sich Begehren nennt.5
C’est ainsi que, par ce biais en quelque sorte, dans ce clivage structural, nous sommes arrivés à remettre en question ce statut du sujet à considérer que, loin que le sujet nous paraisse un point-pivot, une sorte d’axe autour de quoi tourneraient – quels que soient les rythmes, la pulsation que nous accordions à ce qui tourne – autour de quoi tourneraient les expansions et les retraits du savoir.
So sind wir auf diesem Weg in gewisser Weise dazu gelangt, den Status des Subjekts neu in Frage zu stellen, bezogen auf diese strukturelle Spaltung, und in Betracht zu ziehen, dass uns das Subjekt keineswegs ein Drehpunkt zu sein scheint, eine Art Achse, um die sich die Expansionen und die Rückzüge des Wissens drehen würden, unabhängig von den Rhythmen, dem Pulsieren, das wir dem, was sich dreht, zusprechen.
{5} Nous ne pouvons considérer le drame qui se joue…
qui fonde l’essence du sujet tel que nous le donne l’expérience psychanalytique, en introduisant le biais du désir au cœur même de la fonction du savoir
…nous ne pouvons le faire sur le fondement de statut de la personne qui, en fin de compte, est ce qui a dominé jusque là, la vue philosophique qui a été prise du rapport de l’homme à ce qu’on appelle le monde sous la forme d’un certain savoir.
Wir können das Drama, das sich abspielt und worauf sich das Wesen des Subjekts gründet, wie es uns in der psychoanalytischen Erfahrung gegeben ist, wir können dieses Drama nur in Betracht ziehen, wenn wir ins Innere der Funktion des Wissens den Aspekt des Begehrens einführen, und das ist uns nicht möglich, wenn wir vom Status der Person ausgehen, der letztlich die philosophische Sicht dominiert hat, die dadurch bestimmt war, dass sich der Menschen zu dem, was man die Welt nennt, in Gestalt eines bestimmten Wissens verhält.
Le sujet nous apparaît fondamentalement divisé en ce sens qu’à interroger ce sujet au point le plus radical, à savoir s’il sait ou non quelque chose – c’est là le doute cartésien –, nous voyons – ce qui est l’essentiel dans cette expérience du cogito – l’être de ce sujet, au moment qu’il est interrogé, fuir en quelque sorte, diverger sous la forme de deux rayons d’être qui ne coïncident que sous une forme illusoire à l’être qui trouva sa certitude de se manifester comme être au sein de cette interrogation.
Das Subjekt erscheint uns als grundlegend gespalten, in dem Sinne, dass wir sehen, wenn wir dieses Subjekt am radikalsten Punkt befragen, nämlich ob es etwas weiß oder nicht weiß – das ist der kartesische Zweifel –, dass wir dann sehen, und das ist in der Erfahrung des Cogito das Wesentliche, wie das Sein des Subjekts in dem Moment, in dem es befragt wird, gewissermaßen flüchtet, wie es in Gestalt von zwei Bereichen des Seins auseinandergeht, die nur in illusorischer Form in dem Wesen (être) zusammenfallen, das von daher, sich in dieser Befragung als Sein zu manifestieren, seine Gewissheit gefunden hat.6
Je pense, pensant je suis, mais je suis ce qui pense, et penser « je suis » n’est pas la même chose que d’être ce qui pense.
Ich denke, und indem ich denke, bin ich, aber ich bin das, was denkt, und „ich bin“ zu denken, ist nicht dasselbe wie: das zu sein, was denkt.
Point non remarqué mais qui prend tout son poids, toute sa valeur de se recouper, dans l’expérience analytique, de ceci que celui qui est ce qui pense, pense d’une façon dont n’est pas averti celui qui pense « je suis ».
Ein unbeachteter Punkt, der jedoch sein ganzes Gewicht und seinen ganzen Wert dadurch erhält, dass er sich in der analytischen Erfahrung damit überschneidet, dass dasjenige, was das ist, was denkt, auf eine Weise denkt, auf die derjenige, der „ich bin“ denkt, nicht gefasst ist.7
{6} C’est là le sujet qu’est chargé de représenter celui qui, dirigeant l’expérience analytique, s’appelant le psychanalyste, voit se reposer pour lui ce qu’il en est de la question du savant.
Das ist das Subjekt, mit dessen Repräsentation derjenige beauftragt ist, der die analytische Erfahrung anleitet, derjenige, der Psychoanalytiker heißt und der sieht, wie sich für ihn das Problem, worum es bei der Frage des Wissenden geht, neu stellt.
Le rapport du psychanalyste à la question de son statut reprend ici, sous une forme d’une acuité décuplée, celle qui est posée depuis toujours concernant le statut de celui qui détient le savoir.
Das Verhältnis des Psychoanalytikers zur Frage seines Status nimmt hier mit gesteigerter Schärfe die Frage wieder auf, die seit jeher gestellt wird, die Frage nach dem Status desjenigen, der das Wissen besitzt.
Et le problème de la formation du psychanalyste n’est vraiment rien d’autre que, par une expérience privilégiée, de permettre que vienne au monde, si je puis dire, des sujets pour qui cette division du sujet ne soit pas seulement quelque chose qu’ils savent, mais quelque chose en quoi ils pensent.
Und das Problem der Psychoanalytikerausbildung ist wirklich kein anderes als dies, es durch eine spezielle Erfahrung zu ermöglichen, dass Subjekte zur Welt kommen, wenn ich so sagen darf, für welche die Subjektspaltung nicht nur etwas ist, das sie wissen, sondern etwas, worin sie denken.8
Il s’agit que viennent au monde quelques-uns qui sauraient découvrir ce qu’ils expérimentent dans l’expérience analytique à partir de cette position maintenue que jamais ils ne soient en état de méconnaître qu’au moment de savoir, comme analystes, ils sont dans une position divisée.
Es geht darum, dass einige zur Welt kommen, die das, was sie in der analytischen Erfahrung erleben, aufdecken können, ausgehend von der aufrechterhaltenen Position, dass sie niemals verkennen können, dass sie als Analytiker im Moment des Wissens in einer gespaltenen Position sind.
Rien n’est plus difficile que de maintenir dans une position d’être ce qui, assurément, pour chacun s’il mérite le titre d’analyste, a été, à quelque moment, dans l’expérience, éprouvé.
Nichts ist schwieriger, als die Position aufrechtzuerhalten, das zu sein, was sicherlich von jedem, wenn er den Titel des Analytikers verdient, in einem bestimmten Moment als Erfahrung erlebt worden ist.
Et voilà.
Und da sind wir.
{7} À partir du moment où le statut est instauré, de celui qui est supposé savoir dans la perspective analytique, tous les prestiges de la méconnaissance spéculaire renaissent, qui ne peuvent que réunifier ce statut du sujet, à savoir laisser tomber, élider l’autre partie qui est celle dont pourtant ça devrait être l’effet de cette expérience unique, ce devrait être l’effet séparatif par rapport à l’ensemble du troupeau que certains non seulement le sachent mais soient – soient, au moment d’aborder toute expérience de l’ordre de la leur –, soient conformes ou au moins pressentent ce qu’il en est de cette structure divisée.
Von dem Moment an, in dem der Status desjenigen eingeführt wird, dem in analytischer Perspektive zu wissen unterstellt wird, wird das gesamten Prestige der spiegelhaften Verkennung wiedergeboren, was den Status des Subjekts nur wieder vereinheitlichen kann, den anderen Teil also nur wieder fallen lassen kann, tilgen kann, denjenigen, bei dem die Wirkung dieser einzigartigen Erfahrung darin bestehen sollte – die trennende Wirkung im Verhältnis zu Gesamt der Herde –, dass einige es nicht nur wissen, sondern in dem Moment, in dem sie irgendeine Erfahrung von der Art ihrer eigenen angehen, mit dem konform gehen oder zumindest ahnen, worum es bei dieser gespaltenen Struktur geht.9
Ce n’est pas autre chose que le sens de mon enseignement de rappeler cette exigence quand, assurément c’est ailleurs que sont les moyens d’y introduire mais que – de par une structure, je le répète : qui de beaucoup dépasse son conditionnement social – quelque chose – quelle que soit l’expérience –, du seul fait du fonctionnement où chacun s’identifie à un certain statut nommable – dans l’occasion celui d’être le savant –, qui tend à faire rentrer dans l’ordre l’essentiel de la schize par laquelle seule pourtant peut s’ouvrir un accès à l’expérience qui soit au niveau propre de cette expérience.
Der Sinn meines Unterrichts besteht in nichts anderem als darin, an diese Anforderung zu erinnern (während die Mittel, darin einzuführen, sicherlich anderswo liegen), dass aber durch eine Struktur (ich wiederhole es), die über ihre soziale Bedingtheit weit hinausgeht, etwas (bei welcher Erfahrung auch immer) allein schon durch ein Funktionieren, bei dem jeder sich mit einem benennbaren Status identifiziert, in diesem Falle mit dem, der Wissende zu sein --; mit einem Status, der dazu neigt, das Wesentliche der schize wieder in eine Ordnung zu bringen, der schize, durch die sich jedoch allein ein Zugang zur Erfahrung eröffnen kann, der auf der Höhe dieser Erfahrung ist.10
C’est en tant que sujet divisé que l’analyste est appelé à répondre à la demande de celui qui entre avec lui dans une expérience de sujet.
Der Analytiker ist dazu aufgerufen, als gespaltenes Subjekt auf den Anspruch desjenigen zu antworten, der mit ihm eine Subjekterfahrung eingeht.11
{8} C’est pourquoi ce n’est pas pur raffinement…
ornement de détail, peinture d’un secteur particulier de notre expérience qui illustrerait en quelque sorte ce qu’il convient d’ajouter d’information à ce que nous pouvons connaître, par exemple de la pulsion scopique
…que, la dernière fois, j’ai été amené à développer devant vous des fonctions de la notion de la perspective.
Deshalb war es nicht bloßes Raffinement, nebensächliche Ausschmückung, Ausmalen eines besonderen Bereichs unserer Erfahrung – das gewissermaßen veranschaulichen würde, was man dem, was wir beispielsweise vom Schautrieb wissen können, an Information hinzuzufügen sollte –, was mich beim letzten Mal dazu gebracht hat, vor Ihnen Funktionen des Begriffs der Perspektive zu entwickeln.
C’est dans la mesure, au contraire, où il s’agit pour vous d’illustrer ce qui peut soutenir de son appareil ce autour de quoi il s’agit que la subjectivité de l’analyste se repère, et, se repérant, n’oublie jamais…
même au moment où le second point de fuite, si je puis dire, de sa pensée, tend à être oublié, élidé, laissé de côté, du moins dans la force de quelque schème
…se voit rappelé à lui-même qu’il doit chercher où fonctionne cet autre point de fuite ; au moment même, à l’endroit même où il tend à formuler quelque vérité qui, de par son expression même, s’il n’y prend garde, se trouvera retomber dans les vieux schèmes unitaires du sujet de la connaissance et l’incitera, par exemple, à mettre au premier plan telle idée de totalité qui est à proprement parler ce dont il doit le plus se méfier dans la synthèse de son expérience.
Vielmehr geht es dabei darum, Ihnen zu veranschaulichen, durch welchen Apparat das, worum es geht, unterstützt werden kann, sodass die Subjektivität des Analytikers sich zurechtfindet und, indem sie sich zurechtfindet, niemals vergisst – selbst in dem Moment nicht, wenn ich so sagen darf, in dem, unter dem Einfluss irgendeines Schemas, der zweite Fluchtpunkt seines Denkens dazu tendiert, vergessen, getilgt, zumindest außer Acht gelassen zu werden –, sich daran erinnert sieht, dass er danach suchen muss, wo dieser andere Fluchtpunkt am Werk ist, in eben dem Moment, an eben dem Ort, wo er dazu neigt, eine Wahrheit zu formulieren, die, falls er nicht achtgibt, allein schon durch ihren Ausdruck in die alten Einheitsschemata des Erkenntnissubjekts zurückfällt und ihn etwa dazu verleitet, eine Idee der Totalität in den Vordergrund zu stellen, was jedoch genau das ist, wovor er sich bei der Synthese seiner Erfahrung am meisten hüten muss.
{9} La dernière fois, essayant pour vous, par des voies abrégées, de présentifier ce que peut nous apporter, ce que nous enseigne l’expérience de la perspective – encore que ces voies je les ai choisies aussi praticables que je l’ai pu, assurément –, j’ai eu le sentiment de n’avoir pas toujours réussi à concentrer, sinon toute l’attention, du moins à avoir toujours réussi à la récompenser, faute peut-être de quelque schéma.
Als ich das letzte Mal versuchte, Ihnen auf abgekürzte Weise zu vergegenwärtigen, was das, was die Erfahrung der Perspektive lehrt, uns bringen kann, hatte ich den Eindruck – auch wenn ich diese Wege sicherlich so gangbar gewählt habe, wie ich konnte –, dass es mir nicht immer gelungen ist, Ihre Aufmerksamkeit, wenn auch nicht ganz darauf zu konzentrieren, so doch zumindest, sie zu belohnen, möglicherweise mangels eines Schemas.
Et pourtant c’était bien ce que j’entendais repousser, reculer pour éviter quelque malentendu.
Allerdings war es eben das, was ich, um Missverständnisse zu vermeiden, zurückweisen wollte, zurückdrängen wollte.12
Je vais pourtant aujourd’hui le faire, le résumer et dire ce qui, dans cette expérience de la perspective, pour nous, à proprement parler peut illustrer ce dont il s’agit, à savoir le rapport de la division du sujet à ce qui spécifie, dans l’expérience analytique, la relation proprement visuelle au monde, à savoir un certain objet a.
Heute jedoch will ich es tun, will ich es zusammenfassen und sagen, was für uns in dieser Erfahrung der Perspektive ganz streng das veranschaulichen kann, worum es geht, nämlich das Verhältnis der Subjektspaltung zu dem, wodurch sich in der analytischen Erfahrung die im eigentlichen Sinne visuelle Beziehung zur Welt auszeichnet, nämlich durch ein bestimmtes Objekt a.13
Cet objet a que jusqu’ici et d’une façon approchée, et qui n’a d’ailleurs pas à être reprise, j’ai distingué du champ de la vision comme étant la fonction du regard, comment ceci peut-il s’organiser dans l’expérience – l’expérience structurale –, pour autant qu’elle instaure un certain type de pensée dans la géométrie ; pour autant qu’elle est rendue sensible dans tout le fonctionnement de l’art et spé-|{10} cialement dans la peinture.
Dieses Objekt a, das ich bisher auf annähernde Weise, die im Übrigen nicht wieder aufgegriffen werden muss, als Funktion des Blicks (regard) vom Feld des Sehens (vision) unterschieden habe, wie kann sich dieses Objekt in der Erfahrung organisieren, in der strukturellen Erfahrung, insofern sie in der Geometrie einen bestimmten Typ des Denkens etabliert und insofern sie im gesamten Funktionieren der Kunst, vor allem in der Malerei, spürbar gemacht wird?14
J’ai fait la dernière fois, verbalement, une construction qu’il est facile de retrouver telle quelle dans un ouvrage de perspective.
Das letzte Mal habe ich mündlich eine Konstruktion vorgenommen, die man in dieser Form leicht in einer Arbeit zur Perspektive wiederfinden kann.
Ce n’est pas de celui-là qu’il s’agit – on me l’a apporté à l’instant –, c’est l’ouvrage par exemple, ou plutôt le recueil des articles, d’Erwin Panofsky sur la perspective.
Dabei geht es nicht um diese hier – das hat man mir eben gebracht –, das ist beispielsweise die Arbeit oder vielmehr die Artikelsammlung von Erwin Panofsky über die Perspektive.
Il y en a une édition en allemand qui est d’ailleurs… où les articles, je le vois, se groupent différemment de cette édition italienne.
Davon gibt es eine Ausgabe auf Deutsch, die übrigens --, wo die Artikel, wie ich sehe, anders angeordnet sind als in dieser italienischen Ausgabe.15
.
J’ai rappelé que, dans le rapport dit projectif, qui s’établit du plan de ce qu’on peut appeler le tableau au plan de ce que, pour être simple aujourd’hui, nous appellerons le sol perspectif, il y a des correspondances linéaires fondamentales qui s’établissent et qui impliquent des éléments à proprement parler non intuitivables et qui sont pourtant des éléments fondamentaux de ce qu’on peut appeler l’espace, ou l’étendue projectifs.
Ich habe daran erinnert, dass es im sogenannten Projektionsverhältnis, das sich zwischen der Ebene herstellt, die man als Bild (tableau) bezeichnen kann, und der Ebene, die wir heute der Einfachheit halber den Boden der Perspektive (sol perspectif) nennen wollen, dass sich in diesem Verhältnis grundlegende lineare Entsprechungen herstellen, die Elemente enthalten, die im strengen Sinne nicht intuitionierbar sind, die aber gleichwohl grundlegende Elemente dessen sind, was man den projektiven Raum oder das projektive Ausgedehnte nennen kann.16
Une géométrie cohérente, instaurant une parfaite rigueur démonstrative qui n’a rien de commun avec la géométrie métrique, s’établit, à condition d’admettre que ce qui se passe dans ce que j’ai appelé aujourd’hui le sol perspectif…
pour remplacer un terme, je me suis rendu compte, plus difficile à maintenir dans l’esprit que celui-là que j’avais employé |{11} la dernière fois
… : la correspondance des lignes tracées donc sur le sol perspectif avec les lignes traçables sur le tableau, implique qu’une ligne à l’infini sur le sol perspectif se traduise par la ligne d’horizon sur le tableau.
Eine kohärente Geometrie, die in der Beweisführung eine vollkommene Strenge einführt und die mit der metrischen Geometrie nichts gemeinsam hat, stellt sich unter der Bedingung her, dass man akzeptiert, dass das, was in dem geschieht, was ich heute als Boden der Perspektive bezeichnet habe – um damit einen Term zu ersetzen, der, wie mir klar wurde, schwerer zu merken ist, denjenigen, den ich beim letzten Mal verwendet habe –, dass also die Entsprechung zwischen den Linien, die auf den Boden der Perspektive gezeichnet sind, zu denjenigen Linien, die sich auf das Bild eintragen lassen, dass diese Entsprechung impliziert, dass eine Linie, die auf dem Boden der Perspektive im Unendlichen liegt, auf dem Bild in die Horizontlinie übersetzt wird.17
Ceci est le premier pas de toute construction perspective.
Das ist bei jeder Perspektivekonstruktion der erste Schritt.18
Je vais le schématiser de la façon suivante [Abb. 1] : supposez que ce soit ici [Q] le sol perspectif – je vous laisse de profil le tableau [P].
Ich möchte es auf folgende Weise schematisieren [Abb. 1]: Nehmen Sie an, dass dies hier [Q] der Boden der Perspektive ist; das Bild [P] gebe ich Ihnen von der Seite.
Je mets ici ce dont je n’ai pas encore parlé : le point œil [S] du sujet.
Hier füge ich etwas ein, wovon ich noch nicht gesprochen habe, den Augpunkt [S] des Subjekts.19
J’ai suffisamment indiqué, la dernière fois, ce dont il s’agissait pour que vous compreniez maintenant le sens du tracé que je vais faire.
Beim letzten Mal habe ich das, worum es sich handelt, hinreichend dargelegt, sodass Sie den Sinn der Zeichnung, die ich jetzt anfertige, verstehen werden.
Je vous ai dit : indépendamment de quoi que ce soit à quoi vous ayez à vous référer dans l’expérience…
et nommément pas l’horizon tel qu’il est effectivement expérimenté sur notre boule en tant qu’elle est ronde
…un plan infini suppose que, de ce point d’œil, il soit en I, posant un plan parallèle au sol perspectif ; que vous déterminiez la ligne d’horizon [h] sur le tableau selon la ligne où ce plan parallèle coupe le plan du tableau.
Ich habe Ihnen gesagt: Unabhängig von irgendetwas, worauf Sie sich in der Erfahrung beziehen müssen – insbesondere vom Horizont, wie er auf unserer Kugel in ihrer Rundheit effektiv gegeben ist –, unterstellt eine unendliche Ebene, dass es von diesem Augpunkt her in I eine Ebene gibt, die parallel zum Boden der Perspektive verläuft, und dass Sie auf dem Bild die Horizontlinie [h] als diejenige Linie festlegen, worin diese parallele Ebene die Bildebene schneidet.20
L’expérience du tableau et de la peinture nous dit que n’importe quel point de cette ligne d’horizon est tel que les lignes qui y concourent correspondent à des lignes parallèles, quelles qu’elles soient, sur le sol perspectif.
Die Erfahrung mit Bildern und Malerei lehrt uns, dass jeder Punkt der Horizontlinie so ist, dass die Linien, die darin zusammenlaufen, bestimmten parallelen Linien auf dem Boden der Perspektive entsprechen.
{12} Nous pouvons donc choisir n’importe quel point de cette ligne d’horizon comme centre de la perspective.
Wir können also jeden beliebigen Punkt dieser Horizontlinie als Zentrum der Perspektive wählen.21
C’est ce qui se fait en effet dans tout tableau soumis aux lois de la perspective.
In jedem Bild, das den Gesetzen der Perspektive unterliegt, wird das tatsächlich so gemacht.
Ce point est proprement ce qui, dans le tableau, ne répond pas seulement, vous le voyez, au sol à mettre en perspective mais à la position du point S, et comme tel dans la figure, représente l’œil.
Dieser Punkt ist genau genommen das, was im Bild nicht nur, wie Sie sehen, dem Boden entspricht, der perspektivisch darzustellen ist, sondern zugleich der Position des Punktes S, und der als solcher in der Figur das Auge repräsentiert.
C’est en fonction de l’œil de celui qui regarde que l’horizon s’établit dans un plan-tableau.
Vom Auge des Betrachters hängt es ab, dass sich in einer Bildebene der Horizont herstellt.
À ceci, vous ai-je dit la dernière fois, tous ceux qui ont étudié la perspective, ajoutent ce qu’ils appellent l’autre œil, à savoir l’incidence dans la perspective de la distance [δ] de ce point S au plan du tableau.
Hierzu – so habe ich Ihnen beim letzten Mal gesagt – fügen alle, die die Perspektive untersucht haben, etwas hinzu, das sie das andere Auge nennen, nämlich welchen Einfluss die Distanz [δ] des Punktes S gegenüber der Bildebene auf die Perspektive hat.22
Or, aussi bien en fait que dans l’usage qu’on en fait dans n’importe quel tableau, cette distance est arbitraire, au choix de celui qui fait le tableau.
Und außerdem, dass diese Distanz, wenn man sie bei einem Bild verwendet, willkürlich ist, abhängig von der Entscheidung desjenigen, der das Bild herstellt.
Je veux dire qu’elle est au choix à l’intérieur du tableau-même.
Ich meine, dass darüber innerhalb des Bildes entschieden wird.
Est-ce à dire que du point de vue de la structure du sujet…
en tant que le sujet est le sujet du regard, est le sujet d’un monde vu ; c’est ce qui va nous intéresser
…est-ce à dire que nous pouvons négliger cette partie du sujet, qu’elle ne nous apparaisse qu’en une fonction d’artifice…
qu’alors que la ligne d’horizon est structurale, le fait que |{13} le choix de la distance librement est laissé à mon choix, de moi qui regarde, je puisse dire qu’il n’y a là qu’artifice de l’artiste ; que c’est à la distance où je me mets mentalement de tel ou tel plan que je choisis dans la profondeur du tableau
…que ceci soit donc en quelque sorte caduc et secondaire et non pas structural ?
Heißt das, dass unter dem Gesichtspunkt der Struktur des Subjekts – insofern das Subjekt das Subjekt des Blicks ist, das Subjekt einer gesehenen Welt, also das, was uns interessieren wird –, heißt das, dass wir diesen Teil des Subjekts vernachlässigen können, dass er uns nur in der Funktion eines Kunstgriffs erscheint, wohingegen die Horizontlinie strukturell ist, dass ich deshalb, weil die Wahl der Distanz meiner freien Entscheidung als desjenigen, der blickt, überlassen ist, dass ich deshalb sagen kann, dass es hier nur den Kunstgriff des Künstlers gibt, dass es mit der Distanz, in der ich mich im Geiste vor diese oder jene Ebene stelle, die ich in der Tiefe des Bildes wähle, dass es damit so ist, dass sie in gewisser Weise irrelevant und sekundär ist und keineswegs strukturell?23
Je dis : c’est structural, et jamais personne jusqu’ici ne l’a suffisamment remarqué.
Ich sage, das ist strukturell, und das hat bislang nie jemand ausreichend bemerkt.24
Ce second, point dans la perspective, se définit de la remarque que quelle que soit la distance du sujet provisoire…
du sujet S qui est justement ce que nous avons à mettre en suspens et voir comment il rentre dans le tableau
…que quelle que soit la distance de ce sujet au tableau, il y a quelque chose qui est simplement l’entre lui et le tableau, ce qui le sépare du tableau, et que ceci n’est pas simplement quelque chose qui se notera de la valeur métrique de cette distance [δ] ; que cette distance, en elle-même s’inscrit quelque part dans la structure, et que c’est là que nous devons trouver, non pas l’autre œil, comme disent les auteurs de « perspective » – entre guillemets –, mais l’autre sujet.
Dieser zweite Punkt wird in der Perspektive durch die Bemerkung definiert, dass es, welches auch immer der Abstand [δ] des provisorischen Subjekts sein mag – des Subjekts S, das eben das ist, was wir in der Schwebe lassen müssen und wobei wir sehen müssen, wie es wieder in das Bild (tableau) kommt –, dass es, wie groß auch immer der Abstand des Subjekts vom Bild sein mag, etwas gibt, das einfach das ist, was zwischen ihm und dem Bild ist, das, wodurch es vom Bild getrennt ist, und dass dies nicht einfach etwas ist, das vom metrischen Wert dieses Abstands erfasst wird, dass sich vielmehr dieser Abstand-an-sich irgendwo in die Struktur einschreibt und dass dies der Punkt ist, an dem wir nicht etwa das andere Auge finden müssen, wie die Verfasser von Arbeiten zur Perspektive sagen, sondern das andere Subjekt.25
Et ceci se démontre de la façon dont je l’ai fait la dernière fois, et qui pour certains n’a pas été comprise, et qui se fonde sur la remarque que, premièrement, si nous faisons passer par le point S, un plan [S], paral-|{14} lèle [Abb. 2] non plus cette fois au plan perspectif [Q] mais au tableau [P], il en résulte deux choses :
Und das lässt sich so demonstrieren, wie ich es das letzte Mal getan habe, was für einige nicht verständlich war, und was sich auf die Bemerkung gründet, dass erstens, wenn wir durch den Punkt S eine Ebene [S] gehen lassen [Abb. 2] – diesmal nicht mehr parallel zur perspektivischen Ebene [Q], sondern parallel zum Bild [P] –, dass sich daraus zweierlei ergibt.26
D’abord que ceci nous incite à remarquer qu’il existe une ligne [λ] d’intersection du tableau avec le plan sol perspectif – et dont le nom est connu, qui s’appelle, si j’en crois le livre de Panofsky, qui s’appelle la ligne fondamentale, je ne l’ai pas appelée ainsi la dernière fois –, et c’est cette ligne-là.
Zunächst, dass dies uns dazu bringt, dass wir bemerken, dass es eine Schnittlinie [λ] des Bildes mit der Ebene des Bodens der Perspektive gibt – deren Name übrigens bekannt ist, die dem Buch von Panofsky zufolge als Grundlinie bezeichnet wird, ich habe sie das letzte Mal nicht so genannt –, nämlich diese Linie dort [λ].27
Le plan [S] parallèle au tableau qui passe par le point S coupe le plan du sol perspectif en une ligne [b] parallèle à la première.
Die Ebene [S], die parallel zum Bild durch den Punkt S geht, schneidet die Ebene des Bodens der Perspektive in einer Linie [b], die parallel zur ersten [zur Grundlinie λ] verläuft.28
De la représentation de ces deux lignes sur le tableau – ce que j’appelais la dernière fois le plan-figure – va se déduire ce que nous appellerons le second point sujet.
Aus der Repräsentation dieser beiden Linien auf dem Bild – auf dem, was ich beim letzten Mal die Abbildungsebene genannt habe –, leitet sich dann das her, was wir als zweiten Subjektpunkt bezeichnen möchten.29
En effet, dans la relation triple : S point-sujet / plan-tableau / sol perspectif, nous avons vu qu’à la ligne infinie sur le sol perspectif [q∞]…
là je pense avoir assez indiqué la dernière fois ce que cette ligne infinie veut dire
…à la ligne infinie du sol perspectif correspond la ligne horizon sur le plan-tableau.
Tatsächlich haben wir in der Dreierbeziehung Subjektpunkt [S] – Bildebene [P] – Boden der Perspektive [Q] gesehen, dass der unendlich fernen Linie auf dem Boden der Perspektive [q∞] – hier, denke ich, habe ich beim letzten Mal hinreichend angezeigt, was diese unendlich ferne Linie bedeutet –, dass der Fernlinie des Bodens der Perspektive auf der Bildebene die Horizontlinie entspricht.
Dans le même groupe de trois vous pouvez, si vous y regardez de près, vous apercevoir que la ligne ici définie – appelons-la ligne b, celle de la parallèle à la ligne fondamentale – |{15} a la même fonction par rapport à la ligne infinie du plan du tableau [fig.3, p∞] que l’horizon dans le plan-tableau a par rapport à la ligne infinie dans le sol perspectif.
In derselben Dreiergruppe können Sie bei näherem Hinschauen erkennen, dass die hier definierte Linie, nennen wir sie Linie b, diejenige, die parallel zur Grundlinie [λ] verläuft, dass sie im Verhältnis zur Fernlinie der Bildebene [Abb. 3, p∞] dieselbe Funktion hat wie der Horizont in der Bildebene im Verhältnis zur Fernlinie auf dem Boden der Perspektive [q∞].
Elle est donc représentée dans la figure par cette ligne infinie, bien sûr dans le tableau.
Sie [Linie b] wird in dieser Abbildung also durch diese unendliche Linie [gemeint ist: durch diese unendlich ferne Linie] repräsentiert, natürlich auf dem Bild [durch p∞].30
Et d’autre part, comme la ligne fondamentale est déjà dans le tableau, l’autre point-sujet, alors que le premier se définissait ainsi : n’importe quel point dans la ligne d’horizon –, l’autre point-sujet [Sˈ] peut s’écrire ainsi : le point d’intersection de la ligne infinie du plan tableau avec la ligne fondamentale.
Und andererseits, da die Grundlinie [λ] bereits im Bild ist, kann der andere Subjektpunkt [Sˈ] – während der erste so definiert war: ein beliebige Punkt auf der Horizontlinie –, kann der andere Subjektpunkt [Sˈ] so geschrieben werden: der Punkt, an dem sich die Fernlinie der Bildebene [p∞] mit der Grundlinie [λ] schneidet.31
Vous voyez là [Abb. 3] que j’ai représenté, d’une façon qui n’est que figurée, qui est insuffisante, la ligne infinie par un cercle puisqu’en somme, pour l’intuition, elle est cette ligne qui est toujours, de tous les côtés à l’infini sur un plan quelconque.
Sie sehen hier [Abb. 3], dass ich – auf eine Weise, die nur figürlich ist, die unzureichend ist – die unendlich ferne Linie durch einen Kreis dargestellt habe, da sie für die Anschauung insgesamt die Linie ist, die auf einer beliebigen Ebene immer auf allen Seiten im Unendlichen liegt.
Intuitivement, nous la représentons par un cercle mais elle n’est pas un cercle.
Intuitiv stellen wir sie durch einen Kreis dar, sie ist jedoch kein Kreis.
Le prouvent tout son maniement et les correspondances ligne par ligne, point par point qui constituent l’essentiel de cette géométrie projective.
Das wird bewiesen durch die ganze Art und Weise, wie sie behandelt wird, sowie durch die Entsprechungen Linie für Linie, Punkt für Punkt, die das Wesentliche der projektiven Geometrie ausmachen.
L’apparent double point de rencontre qu’elle a avec la ligne fondamentale n’est qu’une pure apparence puisqu’elle est une ligne, une ligne à considérer comme ligne droite comme toutes les autres lignes, et que deux lignes droites ne sauraient avoir qu’un |{16} seul point d’intersection [Abb.4].
Der scheinbar zweifache Schnittpunkt, den sie mit der Grundlinie hat, ist reiner Schein, da sie eine Linie ist, die wie alle anderen Linien als Gerade aufzufassen ist, und da zwei Geraden nur einen einzigen Schnittpunkt haben können [Abb. 4].32
Ce ne sont pas là choses que je vous demande d’admettre au nom d’une construction qui serait mienne.
Das sind hier keineswegs Dinge, die ich Sie im Namen einer Konstruktion zu akzeptieren bitte, welche die meine wäre.
Je ne peux pas, pour vous, pousser la porte de la géométrie projective, et nommément pas pour ceux qui n’en ont pas encore la pratique, mais il est très simple pour quiconque de s’y reporter et voir qu’il n’y a rien à reprendre dans ce que j’avance ici, à savoir qu’il en résulte que nous avons deux point-sujet dans toute structure d’un monde projectif, ou d’un monde perspectif ; deux point-sujet : l’un [O] qui est un point quelconque sur la ligne d’horizon, dans le plan de la figure, l’autre qui est à l’intersection d’une autre ligne, parallèle à la première, qui s’appelle la ligne fondamentale [λ] – qui exprime un rapport du plan figure au sol projectif – avec la ligne à l’infini dans le plan-figure [p∞].
Ich kann Ihnen nicht die Tür zur projektiven Geometrie aufstoßen, vor allem denjenigen nicht, die noch keine Übung darin haben. Es ist jedoch für jeden sehr einfach, sich darauf zu beziehen und zu sehen, dass es in dem, was ich hier vorbringe, nichts zurückzunehmen gibt, dass sich dies nämlich daraus ergibt, dass wir in jeder Struktur einer projektiven Welt oder einer perspektivischen Welt zwei Subjektpunkte haben, wovon der eine [O] irgendein Punkt auf der Horizontlinie auf der Abbildungsebene ist und der andere [Sˈ] am Schnittpunkt zweier Linien liegt, zwischen einer parallel zur ersten [zur Horizontlinie] verlaufenden Linie, die Grundlinie heißt [λ] – die eine Beziehung der Abbildungsebene zum Boden der Perspektive ausdrückt – und der unendlich fernen Linie auf der Abbildungsebene [p∞].
Ceci mérite d’être pointé par le chemin où c’est venu, où nous avons pu l’établir.
Das verdient es, durch den Weg aufgezeigt zu werden, den das gegangen ist und auf dem wir es feststellen konnten.
Mais une fois établi par cette voie…
dont vous verrez par la suite qu’elle n’est pas sans, pour nous, constituer une trace importante chaque fois que nous aurons à repérer cet autre point-sujet
…je pense pour vous dire maintenant que si, dans le plan-figure, nous traçons la ligne d’horizon qui est parallèle à cette ligne fondamentale, nous devons en déduire que la ligne d’horizon coupe cette ligne |{17} infinie exactement au même point où la coupe la ligne fondamentale, puisque c’est une ligne parallèle à la première [Abb. 4].
Aber wenn es einmal festgestellt worden ist – auf diesem Weg, von dem Sie später sehen werden, dass er für uns eine wichtige Spur bildet, jedes Mal, wenn wir diesen anderen Subjektpunkt ausfindig machen müssen –, dann denke ich, um Ihnen das jetzt zu sagen, dass wir, wenn wir auf der Abbildungsebene die Horizontlinie eintragen, die parallel zur Grundlinie verläuft, dass wir daraus schließen müssen, dass die Horizontlinie die unendliche Linie [gemeint ist: die Linie im Unendlichen] an exakt demselben Punkt schneidet, an dem sie von der Grundlinie geschnitten wird, da dies eine Linie ist, die zur ersten parallel verläuft [Abb.4].33
D’où vous verrez se simplifier beaucoup le rapport de ces deux point, l’un est un point quelconque sur la ligne d’horizon, l’autre est le point à l’infini en ceci que le point à l’infini n’est pas un point quelconque ; qu’il est un point unique malgré que là, il ait l’air d’être deux.
Von woher Sie dann sehen, wie sich die Beziehung zwischen diesen beiden Punkten stark vereinfacht – der eine ist ein beliebiger Punkt auf der Horizontlinie, der andere ist der unendlich ferne Punkt [der Horizontlinie], wobei der unendlich ferne Punkt nicht ein beliebiger Punkt ist, sondern ein einziger Punkt, auch wenn es dort so aussieht, als wären es zwei.34
C’est ceci qui sera pour nous…
quand il s’agira de mettre en valeur la relation du sujet dans le fantasme et nommément la relation du sujet à l’objet a
…ceci aura pour nous valeur d’appui et mérite que vous ayez passé le temps nécessaire – pas plus, pas plus que dans les démonstrations de Descartes.
Das ist etwas, das für uns – wenn es darum geht, im Phantasma das Verhältnis des Subjekts zur Geltung zu bringen, insbesondere das Verhältnis des Subjekts zum Objekt a –, das ist etwas, das für uns den Wert einer Stütze haben wird und was es verdient, dass Sie die nötige Zeit damit verbracht haben, nicht mehr als mit den Beweisführungen von Descartes.35
Une démonstration une fois saisie est démontrée, encore faut-il en tenir la rigueur et les procès.
Ein einmal erfasster Beweis ist bewiesen, man muss sich allerdings noch an seine Strenge halten und an die Vorgehensweisen.36
Ceci est ce qui doit nous servir, nous servir de référence chaque fois que nous avons à opérer, quant au fantasme scopique.
Das ist das, was uns dienlich sein soll, was uns jedes Mal als Referenz dienen soll, wenn wir mit dem skopischen Phantasma umgehen müssen.37
Ce sujet divisé est soutenu par une monture commune, l’objet a, qui, dans ce schéma est à chercher où ?
Dieses gespaltene Subjekt wird von dem üblichen Gestell getragen, vom Objekt a – das in diesem Schema wo zu suchen ist?38
Il est à chercher en un point où, bien entendu, il tombe et s’évanouit, sans ça, ce ne serait pas l’objet a.
Es ist an einem Punkt zu suchen, an dem es natürlich stürzt und verschwindet, andernfalls wäre es nicht das Objekt a.39
L’objet a est ici représenté par ce quelque chose qui, justement, dans la figure…
qu’ici, j’espère vous en avoir montré, avec ce succès de vous en rendre quelque chose sensible
…l’objet a c’est ce qui supporte |{18} ce point S, ce que j’ai ici figuré par la menée de ce plan parallèle [S].
Das Objekt a wird hier durch dieses Etwas repräsentiert, das genau in der Abbildung, die ich Ihnen hier, so hoffe ich, mit dem Erfolg gezeigt habe, dass etwas davon für Sie spürbar wird --; das Objekt a ist das, was diesen Punkt S stützt, das, was ich hier durch den Verlauf dieser parallelen Ebene [S] dargestellt habe.40
Ce qui y est élidé, et ce qui pourtant y est toujours, c’est ce que, sous plus d’une forme, j’ai déjà introduit dans le rapport structural du sujet au monde : c’est la fenêtre.
Was hier elidiert ist, was es hier jedoch immer gibt, ist das, was ich in das strukturelle Verhältnis des Subjekts zur Welt in bereits mehr als einer Form eingeführt habe, nämlich das Fenster [Abb. 5].41
Dans le rapport scopique de ce sujet au point S d’où part toute la construction apparaît spécifié, individualisé dans ce mur…
si je puis m’exprimer ainsi, que représente ce plan parallèle en tant qu’il va déterminer le second point du sujet
…dans ce mur, il faut qu’il y ait une ouverture, une fente, une vue, un regard.
In der skopischen Beziehung des Subjekts am Punkt S, von dem die gesamte Konstruktion ausgeht, erscheint spezifiziert, individualisiert in dieser Wand – wenn ich mich so ausdrücken darf –, die von dieser parallelen Ebene dargestellt wird, insofern sie dann den zweiten Punkt des Subjekts determiniert --; in dieser Wand muss es eine Öffnung geben, eine Spalte, eine Sicht, einen Blick.42
C’est cela, précisément, qui ne saurait être vu de la position initiale de la construction.
Das ist eben das, was von der Ausgangsposition der Konstruktion aus nicht gesehen werden konnte.43
Nous avons déjà vu cette fonction de la fenêtre, l’année dernière, nous rendre des services en tant que surface de ce qui peut s’écrire de plus premier comme fonction de signifiant :
Bereits im letzten Jahr haben wir gesehen, wie die Funktion des Fensters uns Dienste geleistet hat, als Fläche dessen, was zuallererst als Funktion des Signifikanten geschrieben werden kann.44
Appelons-là du nom qu’elle mérite, elle est précisément dans cette structure fermée…
qui est celle qui nous permettrait de nouer les uns avec les autres tous ces différents plans que nous venons de tracer et reproduire
…la structure du plan projectif sous sa forme purement topologique, à savoir sous l’enveloppe du cross-cap,
elle est ce quelque chose de troué dans cette structure qui permet précisément que s’y introduise l’irruption d’où va dépendre, d’où va dépendre la production de la division du sujet, |{19} c’est-à-dire à proprement parler, ce que nous appelons l’objet a.
Nennen wir sie [die Funktion des Fensters] mit dem Namen, der ihr zukommt, sie ist ja in dieser geschlossenen Struktur – in derjenigen, die es uns erlauben würde, die verschiedenen Ebenen, die wir gerade gezeichnet und wiedergegeben haben, miteinander zu verknüpfen, in der Struktur der projektiven Ebene in ihrer rein topologischen Form, nämlich in der Hülle der cross-cap –, sie ist in dieser Struktur das Gelochte, das es genau ermöglicht, dass sich hier das Eindringen vollzieht, von dem dann die Herstellung der Subjektspaltung abhängt, also streng gesagt das, was wir das Objekt a nennen.45
C’est en tant que la fenêtre, dans le rapport du regard au monde vu, est toujours ce qui est élidé que nous pouvons nous représenter la fonction de l’objet a : la fenêtre, c’est à dire aussi bien la fente des paupières, c’est à dire aussi bien l’entrée de la pupille, c’est à dire aussi bien ce qui constitue cet objet le plus primitif de tout ce qui est de la vision, la chambre noire.
Insofern in der Beziehung des Blicks zur gesehenen Welt das Fenster immer das ist, was elidiert ist, können wir uns die Funktion des Objekts a vorstellen: das Fenster, das heißt auch: die Lidspalte, das heißt auch: der Pupilleneingang, das heißt auch: das, wodurch das ursprünglichste Objekt all dessen gebildet wird, worum es beim Sehen (vision) geht, die Camera obscura (la chambre noire).46
.
Or c’est ceci que j’entends aujourd’hui vous illustrer, vous illustrer par une œuvre dont je vous ai dit qu’elle avait été mise au premier plan dans telle production récente d’un investigateur dont le type de recherches n’est certainement pas très éloigné de celui dont ici, au nom de l’expérience psychanalytique, je prends la charge, encore que n’ayant pas la même base ni la même inspiration ; j’ai nommé Michel Foucault, et ce tableau de Velázquez qui s’appelle Les Ménines.
Nun, das ist das, was ich Ihnen heute veranschaulichen möchte, was ich Ihnen durch ein Werk veranschaulichen möchte, von dem ich Ihnen gesagt habe, dass es in den Vordergrund gerückt worden ist in einer neueren Arbeit eines Forschers, dessen Art der Forschung von derjenigen, die ich hier im Namen der psychoanalytische Erfahrung betreibe, sicherlich nicht weit entfernt ist, auch wenn sie weder dieselbe Grundlage hat noch dieselbe Inspiration – ich meine Michel Foucault und das Gemälde von Velázquez mit dem Titel Las meninas.47
Ce tableau, je vais le faire maintenant…
fermez la fenêtre
…maintenant projeter devant vous pour que nous y voyons d’une façon sensible ce que permet une lecture de quelque chose, qui n’est nullement en quelque sorte fait pour répondre à la structure de ce tableau même, mais dont vous allez voir ce qu’il nous permet…
Dieses Gemälde werde ich jetzt – schließen Sie das Fenster –, werde ich jetzt vor Sie projizieren lassen, damit wir darin auf spürbare Weise sehen, was durch eine Lektüre von etwas ermöglicht wird, das in keiner Weise dazu gemacht ist, um auf die Struktur dieses Gemäldes selbst zu antworten, bei dem Sie aber sehen werden, was es uns ermöglicht.
Qu’est-ce qui se passe ?
Was ist los?
Il s’agit là d’une diapositive qui m’a été prêtée par le Louvre, |{20} que je n’ai pas pu expérimenter avant et qui, vraiment, ne donnera là que le plus faible support mais qui, pour ceux qui ont vu, soit quelque photographie de ce tableau dit des Ménines, soit simplement qui s’en souviennent un peu, nous servira un peu de repère…
Es handelt sich hier um ein Dia, das mir vom Louvre geliehen wurde, das ich nicht vorher ausprobieren konnte und das hier wirklich nur ganz schwache Anhaltspunkte liefert, das uns jedoch – für diejenigen, die eine Fotografie des Gemäldes gesehen haben, das Las meninas heißt, oder die sich einfach ein wenig daran erinnern – ein wenig als Referenz dienen wird.
Vous n’avez pas un petit bâtonnet, quelque chose pour que je puisse montrer les choses ?
Sie haben nicht ein kleines Stäbchen, etwas, damit ich die Sachen zeigen kann?
Ce n’est pas beaucoup, mais enfin c’est mieux que rien.
Das ist nicht viel, aber immerhin besser als nichts.
Voilà.… alors …peut-être pourriez-vous… vous voyez quand même un peu, enfin, le minimum ?
Voilà, also, vielleicht könnten Sie --; sehen Sie trotzdem ein bisschen, naja, das Minimum?
Est-ce que, quand on est là-bas dans le fond, on voit quelque chose ?
Wenn man ganz dahinten ist, sieht man da was?
Mlle X : Aussi bien que devant. Monsieur Milner a essayé.
Fräulein X: Genauso wie vorn. Herr Milner hat’s versucht.
Lacan : Remarquez que ce n’est pas tellement défavorable, n’est ce pas.…
Lacan: Beachten Sie, dass das gar nicht so ungünstig ist, nicht wahr.
Ici, vous avez la figure du peintre.
Hier haben Sie die Figur des Malers.
Vous allez la substituer tout de suite pour que, tout de même, on voit qu’il est bien là…
Sie werden es sofort austauschen, damit man wenigstens sieht, dass er eben da ist.48
Alors, mettez au point.
Also stellen Sie es scharf!
Mademoiselle X : C’est tout, je ne peux pas davantage.
Fräulein X: Das ist alles, mehr kann ich nicht tun.
Lacan : Oui… Remettez la première.
Lacan: Gut. Nehmen Sie wieder das erste.
Le peintre est au milieu de ce qu’il peint.
Der Maler steht inmitten dessen, was er malt.
.
Et ce qu’il peint vous le voyez réparti sur cette toile, d’une façon sur laquelle nous allons revenir.
Und was er malt, sehen Sie auf diesem Gemälde in einer Weise angeordnet, auf die wir noch zurückkommen werden.49
Ici, ce trait que vous voyez est la limite, le bord externe, touché de lumière – c’est pour ça qu’il émerge – de quelque chose qui va de là, très exactement jusqu’à un point |{21} qui se trouve ici.
Hier, dieser Strich, den Sie sehen, ist die Grenze, der äußere Rand – es fällt Licht darauf, deshalb tritt das hervor – von etwas, das von dort bis zu einem Punkt führt, der genau hier ist.50
Vous voyez presque toute la hauteur du tableau, et qui nous représente, vous voyez ici un montant de chevalet, un tableau vu à l’envers.
Sie sehen fast die gesamte Höhe des Gemäldes, das uns – hier sehen Sie eine Strebe der Staffelei – ein von hinten gesehenes Gemälde darstellt.
Il est sur cette toile, il œuvre ce tableau et ce tableau est retourné.
Er ist auf dieser Leinwand, er arbeitet an diesem Bild, und das Bild ist umgedreht.
Vous avez quoi à dire ?
Was haben Sie zu sagen?
Ceci est le plan essentiel d’où nous devons partir, et qu’à mon avis Michel Foucault, que je vous ai tous prié de lire, dans son très remarquable texte, a éludé.
Das ist die wesentliche Ebene, von der wir ausgehen müssen, und welcher Michel Foucault, den ich Sie alle zu lesen gebeten habe, in seinem wirklich bemerkenswerten Text meines Erachtens ausgewichen ist.51
C’est en effet le point autour de quoi il importe de faire tourner toute la valeur, toute la fonction de ce tableau.
Das ist tatsächlich der Punkt, um den man den gesamten Wert, die gesamte Funktion dieses Gemäldes sich drehen lassen muss.
Je dirais que ce tableau est effectivement une sorte de carte retournée, et dont nous ne pouvons pas ne pas tenir compte qu’il est comme une carte retournée, qu’il prend sa valeur d’être du module et du modèle des autres cartes.
Ich möchte sagen, dass dieses [umgedrehte] Gemälde tatsächlich eine Art verdeckte Karte ist und dass es ausgeschlossen ist, nicht zu berücksichtigen, dass es wie eine verdeckte Karte funktioniert, dass es den Wert seines Seins durch das Modul und das Modell der anderen Karten erhält.52
Cette carte retournée, elle est là vraiment faite pour vous faire abattre les vôtres.
Diese verdeckte Karte ist hier wirklich dazu da, um Sie dazu zu bringen, Ihre eigenen Karten aufzudecken.
Car en effet, il y a eu – je ne pourrais pas ne pas en faire mention – discussion, débat, sur ce qu’il en est de ce que le peintre, ici Velázquez est là à une certaine distance du tableau, de ce tableau, en train de peindre.
Es hat ja tatsächlich – ausgeschlossen, das nicht zu erwähnen – eine Diskussion, eine Debatte darüber gegeben, was es sein mag, das der Maler – hier, Velázquez steht da in einem gewissen Abstand zum Bild, zu diesem Bild – gerade malt.
La façon dont vous répondrez à cette question, dont vous abattrez vos cartes, est en effet absolument essentielle à l’effet de ce tableau.
Denn die Art und Weise, wie Sie auf diese Frage antworten – wie Sie Ihre Karten aufdecken –, ist für die Wirkung dieses Bildes absolut entscheidend.
Ceci implique cette dimension : que ce tableau subjugue ; |{22} depuis qu’il existe, il est la base, le fondement de toutes sortes de débats.
Darin ist die Dimension enthalten, dass dieses Gemälde fesselt; seit es existiert, ist es die Basis, die Grundlage von Diskussionen aller Art.53
Cette subjugation a le plus grand rapport avec ce que j’appelle cette subversion, justement, du sujet, sur lequel j’ai insisté dans toute la première partie de mon discours aujourd’hui, et c’est précisément de s’y appuyer qu’il prend sa valeur.
Der fesselnde Charakter dieses Gemäldes steht in ganz enger Beziehung zu dem, was ich die Subversion nenne, die Subversion des Subjekts, auf der ich heute im gesamten ersten Teil meines Vortrags insistiert habe; und eben dadurch, dass das Gemälde sich darauf stützt, bekommt es seinen Wert.54
En fait, le rapport à l’œuvre d’art est toujours marqué de cette subversion.
Die Beziehung zum Kunstwerk ist ja immer von dieser Subversion geprägt.
Nous semblons avoir admis, avec le terme de sublimation, quelque chose qui, en somme, n’est rien d’autre.
Mit dem Term der Sublimierung scheinen wir etwas akzeptiert zu haben, das letztlich nichts anderes ist.55
Car si nous avons suffisamment approfondi le mécanisme de la pulsion pour voir que ce qui s’y passe : c’est un aller et retour du sujet au sujet, à condition de saisir que ce retour n’est pas identique à l’aller et que, précisément, le sujet, conformément à la structure de la bande de Mœbius, s’y boucle à lui-même après avoir accompli ce demi-tour qui fait que, parti de son endroit, il revient à se coudre à son envers ; en d’autres termes, qu’il faut faire deux tours pulsionnels pour que quelque chose soit accompli qui nous permette de saisir ce qu’il en est authentiquement de la division du sujet.
Denn wenn wir den Triebmechanismus hinreichend erkundet haben, sodass wir sehen, dass das, was hier geschieht, ein Hin und Zurück ist, weg vom Subjekt und zurück zum Subjekt – vorausgesetzt, wir erfassen, dass das Zurück mit dem Hin nicht identisch ist – und dass das Subjekt, entsprechend der Struktur des Möbiusbandes, hier genau auf sich selbst zurückkommt, nachdem es die halbe Umdrehung vollzogen hat, die dazu führt, dass das Subjekt, nachdem es von seinem Ort ausgegangen ist, dorthin zurückkehrt, um sich mit seiner Rückseite zu vernähen, anders ausgedrückt, dass es zwei Triebumdrehungen vollziehen muss, damit etwas erreicht wird, das es uns ermöglicht, zu erfassen, worum es bei der Subjektspaltung denn nun wirklich geht [Abb. 8].56
C’est bien ce que va nous montrer ce tableau dont la valeur de capture tient au fait qu’il n’est pas simplement ce à quoi nous nous limitons toujours, précisément parce que nous ne faisons qu’un |{23} tour.
Das ist ja das, was dieses Gemälde uns zeigen wird, dessen vereinnahmende Kraft daran hängt, dass es nicht einfach das ist, worauf wir uns immer beschränken, eben deshalb, weil wir immer nur eine Runde drehen.57
Et que, peut-être, en effet, pour la sorte d’artiste à qui nous avons affaire, c’est-à-dire ceux qui nous consultent, l’œuvre d’art est à usage interne : elle lui sert à faire sa propre boucle.
Und dass vielleicht für den Typ des Künstlers, mit dem wir es zu tun haben, also für diejenigen, die uns konsultieren, das Kunstwerk zur internen Verwendung bestimmt ist, es dient ihm dazu, seine eigene Schleife zu vollziehen.58
Mais quand il s’agit d’un maître tel que celui présent, il est clair que, au moins ce qui reste de toute appréhension avec cette œuvre est que celui qui la regarde y est bouclé.
Aber wenn es um einen Meister wie diesen hier geht, ist klar, dass das, was von jedem Verständnis bei diesem Werk bleibt, zumindest dies ist, dass derjenige, der es betrachtet, in die Schleife eingeschlossen ist.59
Il n’y a pas de spectateur, simplement qui ne fasse autre chose que de passer devant à toute vitesse et rendre ses devoirs au rite du musée, qui ne soit saisi par la particularité de cette composition dont tous s’accordent à dire que quelque chose se passe, en avant du tableau, qui en fait quelque chose de tout à fait spécifique, à savoir – on s’exprime comme on peut – que nous sommes pris dans son espace.
Es gibt einfach keinen Betrachter, der nur ganz schnell daran vorbeisaust und dem Museumsritual seine Ehre erweist, keinen Besucher, der von der Besonderheit dieser Komposition nicht erfasst wäre, über die alle übereinstimmend sagen, dass vor dem Gemälde etwas geschieht, das es zu etwas ganz Besonderem macht, nämlich – man drückt sich aus wie man kann – dass wir in seinem Raum erfasst sind.60
Et on se casse la tête à chercher par quelle astuce de construction, et de construction perspective, ceci peut se produire.
Und man zerbricht sich den Kopf, um herauszufinden, durch welche Raffinessen der Konstruktion und der perspektivischen Konstruktion sich das herstellen kann.61
À partir de là on va plus loin, on spécule, sur ce qu’il en est de la fonction de chacun des personnages et des groupes, et l’on ne voit pas que tout ceci fait une seule et même question.
Von da aus geht man weiter, man spekuliert, was es mit der Funktion der einzelnen Figuren und Gruppen auf sich hat – und man sieht nicht, dass es dabei um ein und dieselbe Frage geht.62
On procède généralement par cette voie qui est en effet la question qui va rester au cœur du problème et qui est celle à laquelle, à la fin, j’espère pouvoir donner la réponse.
Im Allgemeinen bewegt man sich auf diesem Weg, der tatsächlich die Frage ist, welche beim Kern des Problems bleiben wird und welche auch die ist, auf die ich hoffe, am Ende die Antwort geben zu können:
Qu’est-ce que le peintre fait ?
Was tut der Maler?
Qu’est-ce qu’il peint ?
Was malt er?63
{24} Ce qui implique – et c’est le plus souvent puisqu’il s’agit de critique d’art – la forme sous laquelle se pose la question : Qu’a-t-il voulu faire ? puisqu’en somme, bien sûr, personne ne prend à proprement parler au sérieux la question : Que fait-il ?
Dies impliziert – und das am häufigsten, da es sich um Kunstkritik handelt – die Form, in der die Frage gestellt wird: „Was hat er tun wollen, was wollte er damit?“, da letztlich natürlich niemand die Frage „Was tut er?“ wirklich ernst nimmt.
Le tableau est là, il est fini et nous ne nous demandons pas ce qu’il peint actuellement, nous nous demandons : Qu’est-ce qu’il a voulu faire ?
Das Bild ist da, es ist fertig, und wir fragen uns nicht, was er gerade malt, wir fragen uns: Was hat er tun wollen, was wollte er damit?
Ou plus exactement : Quelle idée veut-il nous donner de ce qu’il est en train de peindre ?
Oder genauer: Welche Vorstellung will er uns von dem geben, was er gerade malt?
Point où déjà se voit marqué évidemment un rapport qui, pour nous, est bien reconnaissable :
Ein Punkt, an dem sich offenkundig ein Verhältnis zeigt, das für uns gut erkennbar ist:
Ce que nous désirons et désirons savoir, c’est à très proprement parler quelque chose qui est de l’ordre de ce qu’on appelle désir de l’Autre, puisque nous disons : Qu’est-ce qu’il a voulu faire ?
Was wir begehren und zu wissen begehren, ist genau genommen etwas, das zur Ordnung dessen gehört, was man Begehren des Anderen nennt, denn wir sagen: Was hat er tun wollen, was wollte er damit?
C’est certainement la position erronée à prendre car nous ne sommes pas en position d’analyser, je ne dirai pas la peinture, mais un tableau.
Und das heißt sicherlich, die falsche Position einzunehmen, denn wir sind nicht in der Position, es zu analysieren, ich möchte nicht sagen das Gemälde, sondern ein gemaltes Bild.
Il est certain que ce qu’il a voulu faire, le peintre, il l’a fait puisque c’est là, devant nos yeux et que par conséquent cette question, en quelque sorte s’annule elle-même d’être en deçà du point où elle se pose, puisque nous la posons au nom de ce qu’il a déjà fait.
Es ist sicher, dass er das, was er tun wollte – er, der Maler –, dass er es getan hat, weil es ja da ist, vor unseren Augen, und dass sich die Frage deshalb in gewisser Weise selbst aufhebt, da sie den Punkt verfehlt, an dem sie gestellt wird, da wir sie ja in Bezug auf das stellen, was er bereits getan hat.64
En d’autres termes, dans le retour de boucle dont je parlais tout à l’heure…
et c’est en ceci déjà que ce tableau nous |{25} introduit à la dialectique du sujet
…il y a déjà un tour de fait et nous n’avons qu’à faire l’autre, seulement pour ça, il ne faut pas manquer le premier.
Mit anderen Worten, bei der Wiederkehr der Schleife, von der ich eben gesprochen habe – und damit führt uns dieses Bild bereits in die Dialektik des Subjekts ein –, gibt es faktisch bereits eine Runde und wir müssen nur die zweite vollziehen, dafür darf man allerdings die erste nicht verfehlen.65
La présence du tableau qui occupe toute cette hauteur et qui, du fait même de cette hauteur, nous incite à y reconnaître le tableau lui-même, qui nous est présenté par la voie.
Die Anwesenheit des Bildes [im Bild], das die gesamte Höhe einnimmt und das uns wegen eben dieser Höhe dazu veranlasst, darin das Gemälde selbst zu erkennen, das uns auf diese Weise dargestellt wird.66
.
Je le note, en quelque sorte en marge de notre progrès – qui passe par une autre voie que cette discussion pour ceux qui ont avancé cette thèse que je me permets de considérer comme futile…
que c’est d’un autre tableau qu’il s’agit – vous le verrez tout à l’heure, nous le discuterons de plus près –, à savoir le portrait du roi et de la reine que…
vous ne pouvez pas le voir bien sûr, sur cette figure, bien sûr tout à fait insuffisante que je vous ai apportée
…ici dans le fond et comme vous le savez, j’espère dans l’ensemble, est présent dans un cadre dont nous aurons à discuter tout à l’heure de ce qu’il signifie mais dont certains prennent le témoignage comme indiquant que le roi et la reine sont ici en avant du tableau et que c’est eux que le peintre peint.
Ich halte das gleichsam am Rande unseres Voranschreitens fest, das einen anderen Weg nimmt als die Diskussion, an der diejenigen beteiligt sind, die die These aufgestellt haben (die ich mir gestatte, für nichtig zu erachten), dass es dabei um ein anderes Bild geht (Sie werden es später sehen, wir werden das eingehender diskutieren), nämlich um das Porträt des Königs und der Königin, das Sie auf dieser sicherlich völlig unzureichenden Abbildung, die ich Ihnen mitgebracht habe, natürlich nicht sehen können, hier im Hintergrund, und das, wie Sie insgesamt, hoffe ich, wissen, in einem Rahmen präsent ist, über dessen Bedeutung wir später noch diskutieren müssen, worin jedoch einige den Beleg dafür sehen, dass es anzeigt, dass der König und die Königin hier vor dem Bild stehen und dass sie es sind, die der Maler malt.67
.
Ceci est à mon avis réfutable.
Das lässt sich meines Erachtens widerlegen.
Je ne veux pour l’instant que remarquer que c’est sur ce fond, que je vous dis que la taille de la toile est déjà un argument qu’on peut apporter pour qu’il n’en soit pas ainsi et que cette toile représentée soit exactement… |{26} représente le tableau que nous avons là, en tant qu’il est une toile supportée sur une monture de bois dont nous voyons là, ici, l’armature et qu’en d’autres termes, nous avons dans ce tableau la représentation de ce tableau comme réalité.
Im Augenblick möchte ich nur anmerken, dass dies der Hintergrund dafür ist, dass ich Ihnen sage, dass die Größe der Leinwand bereits ein Argument ist, das sich dafür anbringen lässt, dass dem nicht so ist und dass die abgebildete Leinwand eben das Gemälde ist, eben das Gemälde repräsentiert, das wir vor uns haben, wobei diese Leinwand auf einem Holzgestell aufruht, von dem wir dort und hier das Gerüst sehen, und dass wir, anders ausgedrückt, in diesem Bild [im Bild] die Repräsentation dieses Gemäldes qua Realität haben.68
Je peux bien là pousser cette petite porte, qui fait qu’une fois de plus nous y trouvons le recoupement de ma formule qui fait là, de l’objet pictural, un Vorstellungsrepräsentanz.
Ich kann hier ja diese kleine Tür aufstoßen, die dahin führt, dass wir hier ein weiteres Mal die Übereinstimmung mit meiner Formel finden, die hier aus dem pikturalen Gegenstand eine Vorstellungsrepräsentanz* macht.69
Non pas du tout que je dise que le tableau est représentation dont la monture, le support, serait le représentant.
Damit sage ich keineswegs, das Bild [auf der für uns unsichtbaren Vorderseite des Bildes im Bild] wäre Vorstellung/Darstellung (représentation) und das Gestell, die Stütze, wäre davon die Repräsentanz.
S’il fonctionne ici pour nous faire apercevoir ce qu’il y a là de vérité, c’est en ceci qu’à nous mettre dans le tableau ce qui, chose curieuse, est là fait pour la première fois – car il y a déjà eu des choses telles que les miroirs dans le tableau, même de nombreux à cette époque, mais le tableau dans le tableau, ce qui n’est pas la scène dans la scène, pas du tout.
Wenn es hier so funktioniert, dass es uns wahrnehmen lässt, was es hier an Wahrheit gibt, dann insofern, als es uns etwas in das Gemälde einfügt, das hier merkwürdigerweise zum ersten Mal gemacht wird, denn in einem Gemälde hatte es zwar bereits solche Dinge wie Spiegel gegeben, damals sogar häufig, aber das Gemälde im Gemälde, das ist nicht das Theater im Theater, überhaupt nicht.70
C’est quelque chose qui a été fait là, semble-t-il, pour la première fois et guère refait depuis, sauf au niveau du point où je vous l’ai repéré, à savoir dans Magritte.
Das wurde hier offenbar zum ersten Mal gemacht und ist seither kaum wieder gemacht worden, außer an einem Punkt, an dem ich es für sie ausfindig gemacht habe, nämlich bei Magritte.71
Représentation, c’est bien en effet ce qu’est cette figure de la réalité du tableau, mais elle est là pour bien nous montrer que, au niveau de réalité et de représentation, |{27} ce qui est là tracé dans le tableau et le tableau mutuellement se saturent.
Repräsentation/Vorstellung, das ist ja in der Tat diese Abbildung der Realität des Gemäldes, sie ist jedoch da, um uns klar zu zeigen, dass auf der Ebene von Realität und Repräsentation das, was in das Gemälde eingetragen ist, und das Gemälde sich gegenseitig sättigen.72
Et que c’est là en quoi il nous est pointé que justement ce qui constitue le tableau dans son essence n’est pas représentation, car quel est l’effet de ce tableau dans le tableau ? Vorstellungsrepräsentanz.
Und dass uns damit gezeigt wird, dass das, was das Wesen des Gemälde ausmacht, gerade nicht Repräsentation/Vorstellung ist. Denn was ist die Wirkung dieses Bildes im Bild? Vorstellungsrepräsentanz*.73
C’est très précisément que tout ces personnages, que vous voyez…
justement en tant qu’ils ne sont pas du tout des représentations mais qu’ils sont en représentation
…que tous ces personnages…
quels qu’ils soient, dans leurs statuts, tels qu’ils sont là effectivement dans la réalité, quoique morts depuis longtemps, mais qu’ils y sont toujours
…sont des personnages qui se soutiennent en représentation et avec une conviction entière, ce qui veut dire précisément que, de ce qu’ils représentent, aucun d’entre eux ne se représente rien.
Das ist eben dies, dass all die Figuren, die Sie sehen, genau insofern, als sie keineswegs Repräsentationen/Vorstellungen sind, sondern als sie eine Vorstellung geben (ils sont en représentation), dass all diese Figuren, welchen Status auch immer sie haben mögen, so wie sie in Realität effektiv da sind, wenn auch seit langem tot, dass sie jedoch immer noch da sind, dass sie Personen sind, die sich darauf stützen, eine Vorstellung zu geben, und das mit voller Überzeugung, was eben heißt, dass keine von ihnen von dem, was sie vorstellt, irgendeine Vorstellung hat.74
Et c’est cela l’effet de ce quelque chose qui, introduit dans l’espace du tableau, les noue, les cristallise, dans cette position d’être des personnages en représentation, des personnages de cour.
Und das ist die Wirkung von diesem Etwas, das, in den Raum des Gemäldes eingeführt, sie miteinander verknüpft, das sie kristallisiert, in der Position, Personen zu sein, die eine Vorstellung geben, Personen des Hofes.75
À partir de là, que Velázquez le peintre aille se mettre au milieu d’eux, prend tout son sens.
Von daher erhält die Tatsache, dass Velázquez der Maler sich mitten unter sie stellt, ihre ganze Bedeutung.76
Mais bien entendu, il va beaucoup plus loin que cette simple touche, si l’en peut dire, de relativisme social ; la structure du tableau permet d’aller bien au-delà.
Aber natürlich geht das über den einfache Anflug von sozialem Relativismus, wenn man so sagen kann, weit hinaus; die Struktur des Bildes ermöglicht es, weit darüber hinauszugehen.
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À la vérité, pour aller au-delà, il aurait fallu partir |{28} d’une question… non pas d’une question, mais d’un tout autre mouvement que ce mouvement de la question dont je vous ai dit qu’elle s’annulait du seul fait de la présence de l’œuvre elle-même, mais partir de ce qu’impose l’œuvre telle que nous la voyons là, à savoir que la même bouche d’enfance qui nous est suggérée par le personnage central, par cette petite infante…
qui est la seconde fille du couple royal : Felipe IV et Doña Mariana d’Autriche
…la petite doña Margarita, je peux dire cinquante fois peinte par Velázquez, que nous nous laissions guider par ce personnage qui vient en quelque sorte à notre devant dans cet espace qui est pour nous le point d’interrogation – et pour tous ceux qui ont vu ce tableau, qui ont parlé de ce tableau, qui ont écrit de ce tableau.
Um darüber hinauszugehen, hätte man allerdings von einer Frage ausgehen müssen --, nicht von einer Frage, sondern von einer ganz anderen Bewegung als der Bewegung dieser Frage, von der ich Ihnen gesagt habe, dass sie sich allein schon durch die Gegenwart des Werkes selbst annulliert, man hätte von dem ausgehen müssen, was das Werk, wie wir es da sehen, aufdrängt, nämlich dass derselbe Kindermund, der uns von der zentralen Figur nahegebracht wird, von der kleinen Infantin, der zweiten Tochter des Königspaares, von Felipe IV. und Doña Mariana von Österreich, von der kleinen Doña Margarita, die, so kann ich sagen, von Velázquez fünfzig Mal gemalt worden ist, dass wir uns von dieser Figur führen lassen, die uns gewissermaßen vorangeht in diesen Raum, der das Fragezeichen ist, für uns und für all diejenigen, die dieses Bild gesehen haben, die über dieses Bild gesprochen haben, die über dieses Bild geschrieben haben.
Le point d’interrogation qu’il nous pose ce sont, poussés par sa bouche, les cris dirais-je, dont il convient de partir pour pouvoir faire ce que j’appellerai le second tour de ce tableau…
et c’est celui, me semble-t-il qui est manqué dans l’analyse de l’œuvre dont je parlais tout à l’heure
…« Fais voir ! » ce qu’il y a derrière la toile telle que nous la voyons à l’envers.
Das Fragezeichen, das er uns vorlegt, das sind, ausgestoßen von ihrem Mund, die Schreie, möchte ich sagen, und von denen man ausgehen sollte, um das vollziehen zu können, was ich die zweite Runde dieses Bildes nennen möchte, und das ist etwas, scheint mir, das in der Analyse des Werkes, von der ich vorhin gesprochen habe, versäumt wird – „Lass sehen!“, nämlich das, was hinter der Leinwand ist, wie wir sie von der Rückseite aus sehen.77
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C’est un « fais voir » qu’il appelle et que nous sommes plus ou moins prêts à prononcer.
Es ist ein „Lass sehen!“, das er ruft und das wir auszusprechen mehr oder weniger bereit sind.78
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Or, de ce seul « fais voir » peut surgir ce qui, en effet, à partir de là s’impose c’est-à-dire ce que nous voyons, |{29} à savoir ces personnages tels que j’ai pu les qualifier pour être essentiellement des personnages en représentation.
Nun, allein schon von diesem „lass sehen“ her kann das auftauchen, was sich von daher tatsächlich aufdrängt, nämlich das, was wir sehen, also diese Figuren, so wie ich sie habe charakterisieren können, als Personen, die wesentlich eine Vorstellung geben.79
Mais nous ne voyons pas que cela.
Wir sehen aber nicht nur das.
Nous voyons la structure du tableau, son montage perspectif.
Wir sehen die Struktur des Bildes, seinen perspektivischen Aufbau.
C’est ici qu’assurément je peux regretter que nous n’ayons pas ici un support qui soit suffisant pour vous démontrer ces traits dans leur rigueur.
An dieser Stelle kann ich natürlich nur bedauern, dass wir hier keine Stütze haben, die hinreichend wäre, um Ihnen diese Merkmale in ihrer Strenge zu demonstrieren.80
Ici, le personnage que vous voyez s’encadrer dans une porte au fond de lumière, est le point très précis où concourent les lignes de la perspective.
Hier, die Figur, die Sie sehen, wie sie vor einem hellen Hintergrund von einer Tür eingerahmt wird, das ist ganz genau der Punkt, in dem die Linien der Perspektive zusammenlaufen.
C’est en un point à peu près situé, selon les lignes qu’on trace entre la figure de ce personnage – car il y a de légères fluctuations du recoupement qui se produisent – et son coude, que se situe le point de fuite.
An einem Punkt, der, je nach den Linien, die man zieht, ungefähr zwischen dem Gesicht dieser Figur – denn es stellen sich leichte Schwankungen der Überschneidung her – und ihrem Ellbogen liegt, befindet sich der Fluchtpunkt.
Et ce n’est pas hasard si par ce point de fuite, c’est précisément ce personnage et un personnage qui sort.
Und es ist kein Zufall, dass durch den Fluchtpunkt eben diese Figur hinausgeht und dass diese Figur hinausgeht.81
Ce personnage n’est pas n’importe lequel : il s’appelle aussi Velázquez : Nieto au lieu de s’appeler Diego Rodríguez.
Diese Person ist nicht irgendjemand, sie heißt ebenfalls Velázquez, Nieto statt Diego Rodríguez.
Ce Nieto est celui qui a eu quelques voix au vote qui a fait accéder Velázquez à la position d’aposentador du roi, c’est-à-dire quelque chose comme chambellan ou grand maréchal.
Dieser Nieto ist derjenige, dessen Stimme einiges Gewicht hatte bei der Entscheidung, durch die Velázquez die Position eines aposentador des Königs erhielt, das heißt so etwas wie ein Kammerherr oder Großmarschall.
C’est une sorte, en somme, de personnage qui le redouble, et ce personnage ici se désigne à nous de ce fait…
parce que ce que nous ne voyons pas, et nous disons « fais voir »
…:.non seulement, lui, le voit, de là où il est, mais qu’il l’a, si je puis dire, trop vu : |{30} il s’en va.
Kurz, das ist eine Art Figur, die ihn verdoppelt, und sie wird uns hier dadurch gekennzeichnet, dass sie das, was wir nicht sehen und wozu wir sagen „lass sehen!“, dass sie das von dort aus, wo sie ist, nicht nur sieht, sondern dass sie, wenn ich so sagen darf, zu viel davon gesehen hat – sie geht.82
Est-ce qu’il y a meilleur moyen de désigner cette pointe, quant à ce qui s’épanouit quant au sujet de la fonction de l’œil, que ceci qui s’exprime par un « vu » en quelque sorte, définitif ?
Gibt es ein besseres Mittel, um diese Pointe zu bezeichnen, im Hinblick auf das, was sich bezogen auf das Subjekt der Funktion des Auges entfaltet, ein besseres Mittel als das, was durch ein gewissermaßen definitives „gesehen“ ausgedrückt wird?83
Dès lors, la présence de Velázquez lui-même dans cette position où vous l’avez vu tout à l’heure – et la seconde photo n’étant pas meilleure que la première, vous n’avez pas pu voir ce que vous pourrez voir sur de meilleures reproductions et ce dont témoigneront mille auteurs qui en ont parlé, à savoir que ce personnage qui regarde – on le souligne – vers nous spectateurs – dieu sait si on a pu spéculer sur cette orientation du regard –, ce personnage a précisément le regard le moins tourné vers l’extérieur qui soit.
Von daher ist die Anwesenheit von Velázquez selbst, in der Position, in der Sie ihn vorhin gesehen haben --; und da das zweite Foto nicht besser war als das erste, haben Sie etwas nicht sehen können, das Sie auf besseren Reproduktionen sehen könnten und was von tausend Autoren, die darüber gesprochen haben, bezeugt wird, nämlich dass diese Figur, die, wie hervorgehoben wird, in Richtung auf uns Betrachter blickt – weiß Gott, wie sehr man über diese Blickrichtung hat spekulieren können –, dass diese Figur den Blick so wenig nach außen gerichtet hat wie das überhaupt möglich ist.84
Ceci n’est pas une analyse qui me soit personnelle, maints auteurs, la grande majorité, l’ont remarqué.
Das ist keineswegs eine Analyse, die nur ich vorbringe, viele Autoren – die große Mehrheit – haben das bemerkt.
L’aspect, en quelque sorte rêveur, absent, tourné vers quelque disegno interno[172], comme s’expriment les gongoristes…
je veux dire toute la théorie du style baroque, maniériste, conceptiste, tout ce que vous voudrez, et dont Gongora est l’exemple, est la fleur ; disegno interno, ce quelque chose à quoi se réfère le discours maniériste et qui est proprement ce que j’appelle que, dans ce discours, il n’y a pas de métaphore ; que la métaphore y entre comme une composante réelle
…cette présence de Velázquez dans |{31} sa toile, sa figure portant en quelque sorte le signe et le support qu’il y est, là, à la fois comme la composant et comme élément d’elle, c’est là le point structural, représenté, par où il nous est désigné, ce qu’il peut en être, par quelle voie peut se faire qu’apparaisse dans la toile même, celui qui la supporte en tant que sujet regardant.
Das gewissermaßen träumerische, abwesende Aussehen, auf einen disegno interno [inneren Entwurf] gerichtet, wie sich die Gongoristen ausdrücken, ich meine die gesamte Theorie des barocken, manieristischen, konzeptistischen oder was auch immer Stils, wofür Góngora das Beispiel und die Blüte ist – disegno interno, das, worauf sich der manieristische Diskurs bezieht und was eben das ist, was ich so nenne, dass es in diesem Diskurs keine Metapher gibt, dass die Metapher als reale Komponente darin eingeht; diese Anwesenheit von Velázquez in seinem Gemälde, bei der sein Gesicht gewissermaßen das Zeichen und die Stütze dafür trägt, dass er zugleich als sie komponierend und als ihr Element da ist, das ist hier der dargestellte strukturelle Punkt, durch den uns bezeichnet wird, was es damit auf sich haben kann, wie es dazu kommen kann, dass derjenige, der das Gemälde als blickendes Subjekt stützt, auf dem Gemälde selbst erscheint.85
Abb. 13: 1: Infanta Margarita; 2: Isabel de Velasco; 3: María Agustina Sarmiento de Sotomayor; 4: Mari Bárbola; 5: Nicolas Pertusato; 6: Marcela de Ulloa; 7: Guardadamas; 8: José Nieto; 9: Diego Velázquez; 10: Philipp IV. von Spanien; 11: Maria Anna von Österreich1
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Eh bien, il est quelque chose de tout à fait frappant et dont la valeur ne peut, à mon avis, être repérée que de ce que je vous ai introduit dans cette structure topologique.
Naja, das ist etwas ganz Auffälliges, dessen Wert meines Erachtens nur von dem her bestimmt werden kann, worin ich Sie mit dieser topologischen Struktur eingeführt habe.86
Deux traits sont à mettre en valeur.
Zwei Merkmale sind hervorzuheben.
Ce que ce regard regarde et dont chacun vous dit : « c’est nous, nous les spectateurs ».
[Erstens:] Das, was dieser Blick anblickt und worüber jeder Ihnen sagt, „das sind wir, wir die Betdiesrachter“.87
Pourquoi nous en croire tant ?
Warum sollen wir das so sehr annehmen?
Sans doute il nous appelle à quelque chose, puisque nous répondons ainsi que je vous l’ai dit.
Sicherlich ruft er uns zu etwas auf, denn wir antworten so, wie ich Ihnen gesagt habe.88
Mais ce que ce regard implique, comme aussi bien la présence du tableau retourné dans le tableau, comme aussi bien cet espace qui frappe tous ceux qui regardent le tableau comme étant en quelque sorte unique et singulier, c’est que ce tableau s’étend jusqu’aux dimensions de ce que j’ai appelé la fenêtre et la désigne comme telle.
Was aber dieser Blick impliziert, wie auch die Anwesenheit des umgedrehten Bildes im Bild, wie auch dieser Raum, der allen, die das Bild betrachten, als etwas irgendwie Einzigartiges und Einmaliges auffällt, ist dies, dass sich das Bild bis in die Dimensionen dessen hinein erstreckt, was ich das Fenster genannt habe, und dass er es als solches bezeichnet.89
Ce fait que, dans un coin du tableau, par le tableau lui-même, en quelque sorte retourné sur lui-même pour y être représenté, soit créé cet espace en avant du tableau où nous sommes proprement désignés comme l’habitant comme tel, cette |{32} présentification de la fenêtre dans le regard de celui qui ne s’est pas mis par hasard ni n’importe comment à la place qu’il occupe, Velázquez, c’est là le point de capture et l’action qu’exerce sur nous, spécifique, ce tableau.
Die Tatsache, dass in einer Ecke des Gemäldes durch das Gemälde selbst – das gewissermaßen in sich umgedreht ist, um hier dargestellt zu werden – der Raum vor dem Bild erzeugt wird, in welchem wir als diejenigen bezeichnet werden, die ihn bewohnen, die Vergegenwärtigung des Fensters im Blick desjenigen, der sich nicht zufällig und nicht in beliebiger Weise an den Platz gestellt hat, den er, Velázquez, einnimmt, das ist hier der Punkt der Vereinnahmung und die spezifische Aktion, die dieses Bild an uns vollzieht.90
À cela, il y a un recoupement dans le tableau.
[Zweitens:] Hierzu gibt es im Gemälde eine Überschneidung.
Je ne peux que regretter une fois de plus de devoir vous renvoyer à des images, en général, d’ailleurs je dois dire, dans de nombreux volumes, toujours assez mauvaises : ou trop sombres ou trop claires
… ce tableau n’est pas facile à reproduire.
Ich kann nur ein weiteres Mal bedauern, dass ich Sie auf Bilder verweisen muss, die übrigens im allgemeinen, so muss ich sagen, in vielen Bänden immer ziemlich schlecht sind, entweder zu dunkel oder zu hell; dieses Gemälde ist nicht leicht zu reproduzieren.
Mais il est clair que la distance du peintre au tableau, dans le tableau où il est représenté, est très suffisamment accentuée pour nous montrer qu’il n’est justement pas à portée de l’atteindre et que là, il y a une intention.
Es ist jedoch klar, dass der Abstand des Malers vom Gemälde – in dem Gemälde, in dem es dargestellt wird – hinreichend betont ist, um uns zu zeigen, dass es für ihn nicht in Reichweite ist und dass darin eine Absicht liegt.91
À savoir que cette partie du groupe, ce qu’on a appelé ici Las meninas, Les Ménines, à savoir doña Margarita avec doña María Agustina de Sarmiento qui est à genoux devant elle sont en avant du peintre alors que les autres, encore qu’ayant l’air d’être sur un plan analogue, devant, sont plutôt en arrière, et que cette question de ce qu’il y a, de cet espace entre le peintre et le tableau, est non seulement là ce qui nous est présenté mais qui se présentifie à nous par cette trace qu’il suffit de désigner pour reconnaître qu’ici, une ligne de traversée marque quelque chose qui n’est pas simplement division lumineuse, |{33} groupement de la toile, mais véritablement sillage du passage de cette présence fantasmatique du peintre en tant qu’il regarde.
Nämlich dass dieser Teil der Gruppe – was man hier Las meninas genannt hat, Die Hoffräulein –, nämlich Doña Margarita mit Doña María Agustina de Sarmiento, die vor ihr kniet, sich vor dem Maler befinden, während die anderen, auch wenn es so aussieht, als seien sie auf einer vergleichbaren Ebene, also davor, vielmehr dahinter sind, und dass die Frage, was es zwischen dem Maler und dem Bild an Raum gibt, hier nicht nur das ist, was uns präsentiert wird, sondern auch das, was uns durch die Spur vergegenwärtigt wird, auf die wir nur hinweisen müssen, damit sie erkennen, dass hier eine Linie der Durchquerung etwas markiert, das nicht einfach Aufteilung des Lichts ist, Gliederung des Gemäldes, sondern wirklich Spur des Durchgangs der phantasmatischen Präsenz des Malers, insofern er blickt.92
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Si je vous dis que c’est quelque part au niveau de la recoupée de la ligne fondamentale avec le sol perspectif et en un point à l’infini que va le sujet regard, c’est bien également de ce point que Velázquez a fait, sous cette forme fantomale qui spécifie, cet auto-portrait parmi tous les autres, un des traits qui se distingue assurément du style du peintre.
Wenn ich Ihnen sage, das Blicksubjekt geht zur Ebene der Überschneidung der Grundlinie mit dem Boden der Perspektive und zu einem Punkt im Unendlichen, so ist es auch dieser Punkt, aus dem Velázquez – in der gespenstischen Form, die dieses Selbstporträt gegenüber allen anderen auszeichnet –, aus dem Velázquez eines der Merkmale gemacht hat, das sich vom Stil des Malers sicherlich unterscheidet.93
Il vous dirait lui-même : « Croyez-vous qu’un autoportrait, c’est de cette goutte là, de cette huile-là, de ce pinceau-là, que je le peindrais ? ».
Er selbst würde Ihnen sagen: „Glauben Sie etwa, ich würde ein Selbstporträt mit diesem Tropfen da, mit diesem Öl da, mit diesem Pinsel da malen?“94
Vous n’avez qu’à vous reporter au portrait d’Innocent X qui est à la Galerie Pamphilj, pour voir que le style n’est pas tout à fait le même.
Sie müssen sich nur auf das Porträt von Innozenz X. beziehen, das in der Pamphilij-Galerie hängt, um zu sehen, dass der Stil keineswegs derselbe ist [Abb. 14].
Ce fantôme du sujet regardant et rentré par cette trace qui est encore là sensible et dont je puis dire que tous les personnages portent la vibration …
Dieses Phantom des blickenden Subjekts, das das durch diese Spur wiedergekehrt ist, die hier noch spürbar ist und von der ich sagen kann, dass sie in allen Figuren mitschwingt --.95
Car dans ce tableau – où c’est devenu un cliché, un lieu commun…
et je l’ai entendu articuler des bouches je dois dire les plus non seulement autorisées mais les plus élevées dans la hiérarchie des créateurs …
|{34} ce tableau dont on nous dit que c’est le tableau des regards qui se croisent et d’une sorte d’intervision…
comme si tous les personnages se caractérisaient de quelque relation avec chacun des autres
…si vous regardez les choses de près, vous verrez qu’à part le regard de la menina Maria Agostina de Sarmiento qui regarde doña Margarita, aucun autre regard ne fixe rien.
Denn in diesem Bild, bei dem es zu einem Klischee geworden ist, zu einem Gemeinplatz – und ich habe gehört, wie das von Mündern geäußert wurde, die, muss ich sagen, nicht nur diejenigen waren, die am meisten autorisiert waren, sondern die auch in der Hierarchie der Schöpfer am höchsten standen –, dieses Bild, von dem man uns sagt, es sei das Bild der sich kreuzenden Blicke, eine Art Inter-Vision, so als seien alle Figuren durch eine Beziehung zu allen anderen charakterisiert – wenn Sie genauer hinschauen, werden Sie sehen, dass außer dem Blick der Menina Maria Agustina de Sarmiento, die Doña Margarita anzuschaut, kein anderer Blick irgendetwas fixiert.
Tous ces regards sont perdus sur quelque point invisible.
All diese Blicke verlieren sich in einem unsichtbaren Punkt.96
Comme qui dirait : « un ange a passé » précisément le peintre.
Als würde jemand sagen: „ein Engel ist vorbeigegangen“, nämlich der Maler.97
L’autre ménine qui s’appelle Isabel de Velasco est là, en quelque sorte comme interdite, les bras comme en quelque sorte écartés de la trace de ce passage.
Die andere Menina, mit Namen Isabel de Velasco, ist dort gewissermaßen wie verboten, die Arme gewissermaßen wie von der Spur dieses Durchgangs weggestreckt.98
L’idiote, là, le monstre Mari Bárbola, la naine, regarde ailleurs et non pas du tout, comme on le dit, de notre côté.
Die Idiotin hier, die Missgeburt Mari Bárbola, die Zwergin, schaut anderswo hin und keineswegs, wie gesagt wird, zu uns hinüber.
Quant au petit nain, il s’occupe ici à faire très précisément, à jouer très précisément le rôle qu’il est fait pour jouer en tant qu’imitation de petit garçon, il fait « l’affreux jojo » : Il donne un coup de pied sur le derrière du chien comme pour en quelque sorte lui dire :« Tu roupilles, alors !
Was den kleinen Zwerg angeht, so ist er hier damit beschäftigt, genau das zu tun, genau die Rolle zu spielen, die er als Imitation eines kleinen Jungen spielen soll – er spielt den Rabauken, er gibt dem Hund einen Tritt in den Hintern, als wollte er ihm sagen: „Du schnarchst wohl!
T’as pas reniflé la souris qui vient de passer ? ».
Hast du nicht die Maus geschnuppert, die gerade vorbeilief?“99
Regard, nous dirait-on, si on voulait encore le soutenir, mais observez que dans un tableau qui serait un tableau du jeu des regards, il n’y a pas en tout cas, même si nous devons |{35} retenir ce regard de l’une des ménines, deux regards qui s’accrochent, de regards complices, de regards d’intelligence, de regards de quête.
Blick, würde man uns sagen, wenn man daran noch festhalten wollte, aber beachten Sie, dass es in einem Bild, das ein Bild des Spiels der Blicke sein soll, dass es hier jedenfalls – auch wenn wir den Blick von einer der Meninas ausnehmen müssen – keine zwei Blicke gibt, die sich kreuzen, einvernehmliche Blicke, Blicke der Einsicht, Blicke der Suche.
Doña Margarita, la petite fille, ne regarde pas la suivante qui la regarde.
Doña Margarita, das kleine Mädchen, blickt das Hoffräulein, von dem sie angeblickt wird, nicht an.
Tous les regards sont ailleurs et bien entendu, le regard, au fond, de celui qui s’en va, n’est plus qu’un regard qui veut dire : « Je te quitte », loin qu’il soit pointé sur quiconque.
Sämtliche Blicke sind anderswo, und natürlich ist der Blick im Hintergrund, desjenigen der geht, nicht mehr als ein Blick, der sagen will: „Ich verlasse dich“, weit davon entfernt, sich auf irgendjemanden zu richten.100
Dès lors que peut vouloir dire ce qu’on amène au centre de la théorie de ce tableau quand on prétend que ce qui est là au premier plan, à notre place – et dieu sait si le spectateur peut se délecter d’un tel support, d’une telle hypothèse –, ce sont le roi et la reine qui sont reflétés dans ce miroir qui devrait vous apparaître ici et qui est dans le fond ?
Was kann dann das, was man ins Zentrum der Theorie dieses Bildes stellt, bedeuten, wenn man behauptet, das, was hier im Vordergrund ist, an unserem Platz – und Gott weiß, wie sehr der Betrachter sich an einer solchen Stütze erfreuen kann, an einer solchen Hypothese –, das seien der König und die Königin, die in dem Spiegel reflektiert werden, der hier für Sie zu sehen sein sollte und der im Hintergrund ist – ?101
À ceci j’objecterai : le peintre, où qu’il se montre dans ce tableau, où entend-il que nous le mettions ?
Wogegen ich einwenden möchte: Der Maler, wo auch immer er sich in diesem Bild zeigt, wo möchte er, dass wir ihn hinstellen?
Une des hypothèses, et une de celles qui ont le plus séduit parmi celles qui ont été avancées, c’est que, puisque le peintre est là et que c’est ceci qu’il a peint, c’est qu’il a dû, tout cela, le voir dans un miroir, un miroir qui est à notre place – et nous voici transformés en miroir.
Eine der Hypothesen, und eine, die unter denen, die vorgebracht wurden, besonders verführerisch war, ist die, dass der Maler, weil dort steht und weil er das hier gemalt hat, dass er all dies in einem Spiegel gesehen haben muss, in einem Spiegel, der an unserem Platz steht – womit wir in einen Spiegel verwandelt werden.102
La chose n’est pas sans séduction, ni même sans comporter un certain appel à l’endroit |{36} de tout ce que je vous évoque comme relativité du sujet à l’Autre, à ceci près que, quand vous voudrez, c’est autour d’une telle expérience que je vous pointerai la différence stricte qu’il y a entre un miroir et la fenêtre : deux termes précisément qui, structuralement, n’ont aucun rapport.
Die Sache ist nicht ohne Reiz, und sicherlich appelliert sie an all das, was ich Ihnen als Bezogensein des Subjekts auf den anderen aufzeige, nur dass ich Ihnen, wenn Sie wollen, anhand einer solchen Erfahrung den strengen Unterschied zwischen einem Spiegel und dem Fenster zeigen werde, zwei Terme, die strukturell in keinerlei Beziehung zueinander stehen.103
Mais tenons-nous en au tableau.
Aber halten wir uns an das Bild.
Le peintre se serait peint, ayant vu toute la scène des gens autour de lui dans un miroir.
Der Maler soll sich so gemalt haben, dass er dabei die gesamte Szene der Leute um sich herum in einem Spiegel sah.
Je n’y vois qu’une objection : c’est que rien ne nous indique, des témoignages de l’histoire – et dieu sait si ce sont là des nouvelles que l’histoire se charge de transmettre –, rien ne nous indique que Velázquez fût gaucher.
Ich sehe nur einen Einwand, nämlich dass in den historischen Quellen nichts darauf hinweist – und Gott weiß, dass dies Nachrichten sind, die die Geschichte sich zu überliefern bemüht –, dass nichts darauf hinweist, dass Velázquez Linkshänder war.
Or c’est bien ainsi que nous devrions le voir apparaître si nous prenons au sérieux le fait que, dans une peinture faite soi-disant à l’aide d’un miroir, il se représente tel qu’il était bien en effet, à savoir tenant son pinceau de la main droite.
Aber so sollte er uns ja erscheinen, wenn wir die Tatsache ernst nehmen, dass er sich in einem angeblich mit Hilfe eines Spiegels angefertigen Gemälde so wie hier darstellt, nämlich mit der rechten Hand den Pinsel haltend.
Ceci pourrait vous paraître mince raison.
Diese Begründung könnte Ihnen als dürftig erscheinen.
Il n’en reste pas moins que s’il en était ainsi, cette théorie serait tout à fait incompatible avec la présence, ici, du roi et de la reine.
Es bleibt jedoch festzuhalten, dass diese Theorie, falls sie richtig wäre, mit der Anwesenheit des Königs und der Königin an dieser Stelle gänzlich unvereinbar wäre.
Ou c’est le miroir qui est ici, ou c’est le roi et la reine.
Entweder ist hier der Spiegel oder hier sind der König und die Königin.
Si c’est le roi et la reine, ça ne peut pas être le peintre.
Falls es der König und die Königin sind, kann es nicht der Maler sein.104
Si le peintre est ailleurs, si le roi et la reine sont là, ça ne peut pas être le peintre qui est là, comme moi je |{37} suppose qu’il y était effectivement.
Falls der Maler woanders ist, falls der König und die Königin hier sind, kann derjenige, der hier ist, nicht der Maler sein, während ich annehme, dass er tatsächlich hier war.[/note]
dass er tatsächlich hier war: Ich vermute, dass mit „hier“ der Platz vor dem Bild gemeint ist, der Platz des Betrachters. Das blickende Subjekt (der gemalte Maler) hat den Blick als Objekt a umkreist, und der Blick als Objekt a ist das Fenster, d.h. der in ein Sehloch umdefinierte Augpunkt.[/note]
Vous ne comprenez pas Monsieur Castoriadis ?
Sie verstehen nicht, Herr Castoriadis?
Cornelius Castoriadis : Non !
Cornelius Castoriadis: Nein!
Lacan : Dans l’hypothèse que le roi et la reine, reflétés là-bas dans le miroir, étaient ici pour se faire peindre par le peintre, comme je viens d’éliminer l’hypothèse que le peintre fût là autrement que par l’art de son pinceau, il fallait bien que le peintre fût là.
Lacan: Unter der Hypothese, dass der König und die Königin, die hinten im Spiegel reflektiert werden, hier waren, um sich vom Maler malen zu lassen, und da ich soeben die Hypothese ausgeschlossen habe, dass der Maler anders als durch die Kunst seines Pinsels da war, musste der Maler dort sein.105
Et d’ailleurs, l’exigence que le peintre fût là et non pas de l’autre côté d’un miroir que nous serions nous-même, est dans le fait de supposer que roi et reine sont dans le miroir.
Und außerdem beruht die Forderung, dass der Maler dort sein müsse und nicht auf der anderen Seite eines Spiegels, der wir selbst wären, beruht diese Forderung darauf, dass man annimmt, dass König und Königin im Spiegel sind.
En d’autres termes, à la même place nous ne pouvons pas mettre deux quelconques des personnages de ce trio qui sont : un miroir supposé, le roi et la reine, ou le peintre.
Mit anderen Worten, aus diesem Trio, nämlich ein angenommener Spiegel, König und Königin und der Maler, können wir nicht zwei beliebige Figuren an dieselbe Stelle setzen.
Nous sommes toujours forcés, pour que ça tienne, d’en mettre deux à la fois et ils ne peuvent pas être deux à la fois.
Damit das geht, sind wir immer gezwungen, zwei zugleich hinzusetzen, und sie können nicht beide zugleich da sein.
Si le roi et la reine sont là pour être reflétés, dans le fond, dans le miroir…
or il est impossible qu’ils soient représentés comme étant là dans le miroir, ne serait-ce qu‟en raison de l’échelle, de la taille où on les voit dans le miroir, où ils ont à peu près la même échelle que le personnage qui est en train de sortir à côté d’eux, alors qu’étant donnée la distance où nous sommes, ils devraient être exac-|{38} tement deux fois plus petits.
Wenn der König und die Königin hier sind, sodass sie im Hintergrund im Spiegel reflektiert werden, naja, dann ist es unmöglich, dass sie als im Spiegel vorhanden dargestellt sind, allein schon aus Gründen des Maßstabs, der Größe, in der sie im Spiegel zu sehen sind und worin sie ungefähr denselben Maßstab haben wie die Figur, die neben ihnen hinausgeht, wo sie doch bei dem Abstand, in dem wir uns befinden, genau halb so groß sein müssten.
Mais ceci n’est encore qu’un argument de plus …
Aber das ist nur ein zusätzliches Argument.
Si le roi et la reine sont là dans cette hypothèse, alors, le peintre est ici et nous nous trouvons devant la position avancée par les anecdotiers, par Madame de Motteville par exemple, à savoir que le roi et la reine étaient ici – et ils seraient debout , encore plus ! – en train de se faire… de poser et auraient devant eux la rangée de tous ces personnages, dont vous pouvez voir quelle serait la fonction naturelle, si vraiment pendant ce temps-là Velázquez était en train de peindre toute autre chose qu’eux et par dessus le marché, quelque chose qu’il ne voit pas puisqu’il voit tous ces personnages dans une position qui l’entoure.
Wenn, entsprechend dieser Hypothese, der König und die Königin dort sind, dann ist der Maler hier, und wir sind mit der Position konfrontiert, die von den Anekdotenschreibern vorgebracht wird, von Madame de Motteville beispielsweise, nämlich dass der König und die Königin hier wären, dass sie darüber hinaus stünden und dass sie dabei wären, sich --, dabei wären zu posieren und die Reihe all dieser Personen vor sich hätten, wovon Sie sehen können, was die natürliche Funktion wäre, falls Velázquez währenddessen wirklich dabei wäre, etwas ganz anderes als sie zu malen und obendrein etwas, das er nicht sieht, da er all diese Personen in einer Position um sich herum sieht.106
J’avance, à l’opposé de cette impossibilité manifeste, que ce qui est l’essentiel de ce qui est indiqué par ce tableau, c’est cette fonction de la fenêtre.
Ich behaupte, im Gegensatz zu dieser offenkundigen Unmöglichkeit, dass das Wesentliche, das von diesem Bild angezeigt wird, die Funktion des Fensters ist.
Que le fait que la trace soit en quelque sorte marquée de ce par quoi le peintre peut y revenir, est vraiment là ce qui nous montre en quoi c’est là, la place vide.
Dass die Tatsache, dass die Spur gewissermaßen durch das gekennzeichnet ist, wodurch der Maler dahin zurückkehren kann, hier wirklich das ist, was uns zeigt, inwiefern da der leere Platz ist.107
Que ce soit en symétrie à cette place vide qu’apparaissent ceux, si je puis dire, dont, non pas le regard mais la supposition qu’ils voient tout, qu’ils sont dans ce miroir exactement comme ils pourraient |{39} être derrière un grillage ou une vitre sans tain… et après tout rien, à la limite, ne nous empêcherait de supposer qu’il ne s’agisse de quelque chose de semblable, à savoir de ce qu’on appelle connecté, en connexion avec une grande pièce, un de ces endroits du type endroit pour épier
…qu’ils soient là en effet ; que le fait qu’ils voient tout, soit ce qui soutient ce monde d’être en représentation.
Dass symmetrisch zu diesem leeren Platz diejenigen erscheinen, wenn ich so sagen darf, bei denen nicht der Blick, sondern die Unterstellung, dass sie alles sehen --; dass sie in diesem Spiegel genau so sind, wie sie hinter einem Gitter oder einer Einwegscheibe sein könnten, und schließlich würde uns im Grenzfall nichts daran hindern, anzunehmen, dass es sich um etwas Ähnliches handeln könnte, nämlich um das, was man, in Verbindung mit einem großen Raum, Verbindungszimmer nennt, einen dieser Orte, die der heimlichen Beobachtung dienen –, dass sie tatsächlich da sind; dass die Tatsache, dass sie alles sehen, das ist, wodurch die Welt, in der man eine Vorstellung gibt, gestützt wird.108
Qu’il y ait là quelque chose qui nous donne en quelque sorte le parallèle au « Je pense : donc je suis » de Descartes : « je peins : donc je suis » dit Velázquez, et je suis là qui vous laisse avec ce que j’ai fait, pour votre éternelle interrogation.
Dass es hier etwas gibt, das uns in gewisser Weise die Parallele zum „Ich denke also bin ich“ von Descartes liefert: „Ich male, also bin ich“, sagt Velázquez, „und ich bin hier derjenige, der Sie mit dem, was ich gemalt habe, zurücklässt, damit Sie sich auf ewig Fragen dazu stellen.109
Et je suis aussi dans cet endroit d’où je peux revenir, à la place que je vous laisse qui est vraiment celle où se réalise cet effet de ce qu’il y ait chute et désarroi de quelque chose qui est au cœur du sujet.
Und ich bin auch an diesem Ort, von dem aus ich an den Platz zurückkehren kann, den ich Ihnen überlasse, der wirklich derjenige ist, an dem sich die Wirkung einstellt, die darin besteht, dass es einen Sturz und eine Verwirrung gibt, von etwas, das den Kern des Subjekts ausmacht.110
La multiplicité même des interprétations, leur, on peut dire, leur embarras, leur maladresse, est, là, suffisamment faite pour le souligner.
Gerade die Vielzahl der Deutungen, ihre Verlegenheit, wie man sagen kann, ihre Unbeholfenheit genügen hier, um das zu unterstreichen.
Mais à l’autre point qu’avons-nous ?
Am anderen Punkt jedoch, was haben wir da?
Cette présence du couple royal jouant exactement le même rôle que le dieu de Descartes, à savoir que, dans tout ce que nous voyons, rien ne trompe, à cette seule condition que le dieu omniprésent, lui, y soit trompé.
Diese Gegenwart des Königspaares, das exakt die gleiche Rolle spielt wie der Gott von Descartes, nämlich dass in allem, was wir sehen, nichts täuscht, unter der einen Bedingung, dass darin der allgegenwärtige Gott selbst getäuscht wird.111
Et c’est là, la présence de ces êtres que vous voyez dans cette atmosphère brouillée |{40} si singulière du miroir.
Und das ist hier die Gegenwart dieser Wesen, die Sie in dieser so eigenartig verschwommenen Atmosphäre des Spiegels sehen.
Si ce miroir est là, en quelque sorte, l’équivalent de quelque chose qui va s’évanouir au niveau du sujet A qui est là, comme en pendant de ce petit a de la fenêtre au premier plan, est-ce que ceci ne mérite pas que nous nous y arrêtions un peu plus ?
Wenn dieser Spiegel hier in gewisser Weise das Äquivalent von etwas ist, das auf der Ebene des Subjekts A, das hier ist, verschwinden wird, wie als Gegenstück zu diesem klein a des Fensters in der ersten Ebene, verdient es das nicht, dass wir uns dabei noch ein wenig aufhalten?112
Un peintre, une trentaine d’années plus tard qui s’appelait Luca Giordano, précisément un maniériste en peinture et qui a gardé dans l’histoire l’étiquette de Fa Presto parce qu’il allait un peu vite, extraordinairement brillant d’ailleurs, ayant longuement contemplé cette image, dont je ne vous ai pas fait l’histoire quant à la dénomination, a proféré une parole, une de ces paroles, mon dieu comme on peut les attendre de quelqu’un qui était à la fois maniériste et fort intelligent : « C’est la théologie de la peinture ! » a-t-il dit.
Ein Maler, ungefähr dreißig Jahre später, der Luca Giordano hieß, genau gesagt ein Manierist in der Malerei, der in der Geschichte den Beiname Fa Presto behalten hat, da er ein bisschen schnell malte, im Übrigen außergewöhnlich brillant, hat, nachdem er dieses Bild lange betrachtet hatte – die Geschichte seiner Benennungen habe ich Ihnen nicht erzählt –, hat einen Ausspruch getan, einen dieser Aussprüche, mein Gott, wie man sie von jemandem erwarten kann, der zugleich Manierist und hochintelligent war: „Das ist die Theologie der Malerei“, hat er gesagt.113
Et bien sûr, c’est bien à ce niveau théologique où le dieu de Descartes est le support de tout un monde en train de se transformer par l’intermédiaire du fantôme subjectival, c’est bien par cet intermédiaire du couple royal qui nous apparaît scintillant dans ce cadre au fond que ce terme prend son sens.
Und natürlich beruht es genau auf dieser theologischen Ebene – auf welcher der Gott von Descartes der Träger einer ganzen Welt ist, die im Begriff ist, sich durch Vermittlung des subjektivischen Phantoms zu verwandeln –, kommt es genau durch die Vermittlung des Königspaares, das uns flimmernd in diesem Rahmen im Hintergrund erscheint, kommt es von daher, dass dieser Term seinen Sinn erhält.114
Mais je ne vous quitterai pas sans vous dire, quant à moi, ce que me suggère le fait qu’un peintre comme Velázquez, |{41} ce qu’il peut avoir de visionnaire.
Ich möchte Sie jedoch nicht verlassen, ohne Ihnen, was mich angeht, zu sagen, wodurch ich auf den Gedanken komme, dass ein Maler wie Velázquez etwas Visionäres haben kann.
Car qui parlera à son propos de réalisme ?
Denn wer würde bei ihm von Realismus sprechen?
Qui par exemple, à propos des Hilanderas, osera dire que c’est là la peinture d’une rudesse populaire ?
Wer würde beispielsweise wagen, über die Hilanderas zu sagen, das sei ein Gemälde des Volkes in seiner Ungeschliffenheit?
Velázquez, Las hilanderas (Die Spinnerinnen), zw. 1644 und 1658
Elle l’est sans doute, qui veut simplement éterniser le flash qu’il aurait eu un jour en quittant la manufacture de tapisseries royales et en voyant les ouvrières au premier plan faire cadre à ce qui se produit au fond.
Sicherlich ist es das, was einfach den Flash verewigen will, den er eines Tages gehabt haben soll, als er beim Verlassen der königlichen Tapisserie-Manufaktur sieht, wie die Arbeiterinnen im Vordergrund den Rahmen für etwas bilden, das sich im Hintergrund zuträgt.115
Je vous prie simplement de vous reporter à cette peinture, sur quelque chose qui vaille plus que ce que je vous ai montré là pour voir combien peut être distante de tout réalisme…
et d’ailleurs, il n’y a pas de peintre réaliste, mais visionnaire, assurément
…et à mieux regarder ce qui se passe au fond de cette scène, dans ce miroir où ces personnages nous apparaissent clignotant et eux assurément distincts de ce que j’ai appelé tout à l’heure fantomal mais vraiment brillants.
Ich bitte Sie einfach, sich auf dieses Gemälde [Las meninas] anhand von etwas zu beziehen, das besser ist als das, was ich Ihnen hier gezeigt habe, sodass zu sehen, wie weit es von jeglichem Realismus entfernt sein kann – und im Übrigen gibt es keinen realistischen Maler, einen visionären aber sicherlich –, und genauer zu betrachten, was sich im Hintergrund dieser Szene abspielt, in diesem Spiegel, in dem uns flackernd diese Figuren erscheinen, gewiss von dem unterschieden, was ich vorhin als gespenstisch bezeichnet habe, aber wirklich leuchtend.
Il m’est venu ceci qu’en opposition, polairement, à cette fenêtre où le peintre nous encadre, et comme en miroir, il nous fait surgir… ce qui pour nous sans doute, ne vient pas à n’importe quelle place, quant à ce qui se passe pour nous des rapports du sujet à l’objet a …l’écran de télévision.
Mir kam der Gedanke, dass der Maler, in polarem Gegensatz zu dem Fenster, in das er uns einrahmt, und wie in einen Spiegel, für uns etwas auftauchen lässt, das für uns sicherlich keinen beliebigen Platz einnimmt, bezogen auf das, was sich für uns in den Beziehungen des Subjekts zum Objekt a ereignet: den Fernsehschirm.116
Einige Jahre nach den Las-meninas-Vorlesungen, in Television von 1973, wird Lacan die Gleichsetzung von Fernsehen und Blick ausdrücklich vornehmen. Vgl. J. Lacan: Television. In: Ders.: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin u.a. 1988, S. 61.[/note]
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Paraphrase
In schwarzer Schrift: Paraphrase.
In (runden Klammern): die Seitenzahlen von Version J.L.
[In eckigen Klammern und grüner Schrift]: meine Ergänzungen.
Der Status des Wissenden und das gespaltene Subjekt
Wenn man sich auf das Wissen bezieht, ist es schwierig, nicht die Existenz eines wissenden Subjekts zu berücksichtigen, eines Wissenden. „Wissender“ meint hier nicht einen Wissenschaftler, sondern einfach jemanden, der ein Wissen hat. Und „Subjekt“ bezieht sich auf ein Subjekt ganz allgemein, unabhängig von Lacans Definition dieses Begriffs (wie Lacan ausdrücklich hervorhebt). [Anders gesagt:] Es gibt ein Wissen, also wird unterstellt: es gibt einen Wissenden. [Das Subjekt im allgemeinen Sinne ist hier das dem Wissen unterstellte Subjekt.] (1)
Was immer der Wissende wissen mag, auf jeden Fall weiß er, dass er ein Wissender ist. Damit kommt sein Narzissmus ins Spiel bzw. das Spiegelstadium. (1)
Dass man weiß, dass man ein Wissender ist, greift wiederum in die Struktur des Wissens ein. (2)
Ein Lehrer (professeur) muss, um das Wissen zu übermitteln, eine bestimmte Menge an Wissen mit sich herumtragen, aus seiner eigenen Erfahrung oder aus der Tradition. Da es ihm darum geht, seinen Status aufrechtzuerhalten, erscheint ihm sein Wissen in einer bestimmten Ausrichtung, sein Wissen ist dadurch bestimmt, dass es ihm darum geht, seinen Status als wissendes Subjekt aufrechtzuerhalten. Das hat zur Folge, dass jemand nicht nur insofern, als er etwas weiß, als Wissender gilt; Leistungsgesichtspunkte stehen hinter dem Aspekt der Statussicherung zurück. Das funktioniert ganz gut, die meisten kommen damit zurecht. Das gilt auch für wissenschaftlich Wissende – sobald sie einmal den Status des Wissenden erreicht haben, wird man nicht mehr so genau hinschauen, ob ihr Wissen einrostet oder gar nur noch vorgetäuscht ist. Es geht hier also darum, dass eine Gruppe einen historisch gewonnenen Status hat, der ihr nützlich ist und den sie zu sichern sucht. (3)
Es gibt jedoch etwas, das darüber hinausgeht. Bei den Trugbildern des Subjekts gibt es etwas Strukturelles [nämlich die Spaltung von Wissen und (unbewusster) Wahrheit, wie es anschließend heißen wird, sowie die narzisstische Verkennung dieser Spaltung], und dieses Strukturelle sorgt dafür, dass diese stabilen Strukturen notwendig sind. (3)
Die Psychoanalyse zwingt uns, den Status des Subjekts in Frage zu stellen, und dies deshalb, weil sie das Problem, was ein Subjekt ist, von einem anderen Ausgangspunkt aus angeht: dem der Infragestellung des Wissens im Namen der Wahrheit [des Bezugs auf das unbewusste Begehren]. Die Strukturierung dieses Feldes wird an einem radikalen Punkt gesucht, dem der Begegnung mit einer Wahrheit, die sich als etwas darbietet, das dem Wissen fremd ist und ihm noch vorausliegt. (4)
Das wird zuerst in der Perspektive des Anspruchs eingeführt, der sich als etwas darstellt, das ursprünglicher ist. Hierdurch wird es nötig, danach zu fragen, in welcher strukturellen Beziehung der Anspruch zu etwas steht, das nicht Anspruch ist, sondern Begehren. Und auf dem Weg über diese strukturelle Spaltung [von Anspruch und Begehren] ist Lacan dazu gelangt, den Status des Subjekts in Frage zu stellen. (4)
Für uns ist das Subjekt [im Sinne der Person] also keineswegs die Achse, um die sich die Entwicklung des Wissens dreht. Wir können das Drama, auf das sich das Wesen des Subjekts gründet, wie es uns in der psychoanalytischen Erfahrung gegeben ist, nur dann berücksichtigen, wenn wir ins Innere der Funktion des Wissens den Aspekt des Begehrens einführen. (4)
Das Begehren können wir jedoch nur berücksichtigen, wenn wir nicht vom Status der Person ausgehen. Die philosophische Sicht wurde bislang aber vom Status der Person dominiert, nämlich vom Verhältnis des Menschen zur sogenannten Welt vermittels eines bestimmten Wissens. (4–5)
Das Subjekt erscheint uns als grundlegend gespalten. Wenn wir es daraufhin befragen, ob es etwas weiß oder nicht weiß – das ist der kartesische Zweifel –, dann sehen wir, dass das Wesentliche darin besteht, dass das Sein des Subjekts in dem Moment, in dem es befragt wird, sich entzieht und in zwei Seinsbereiche auseinanderfällt. Nur auf illusorische Weise treffen sie mit dem Sein/Wesen zusammen, das [wie bei Descartes] die Gewissheit gefunden hat, sich in dieser Befragung als Sein zu manifestieren – ich denke, und indem ich denke, bin ich; ich bin, was denkt [mein Sein besteht darin, zu denken]. Aber „ich bin“ zu denken, ist nicht dasselbe wie: das zu sein, was denkt [Denken und Sein fallen auseinander]. (5)
In der Psychoanalyse erhält dieser Unterschied sein ganzes Gewicht. Das, was denkt [das Sein des unbewusst Denkenden] denkt auf eine Weise, die für denjenigen, der „ich bin“ denkt, überraschend ist. [Das Merkmal des Unbewussten ist, dass es überrascht, sagt Lacan mit Freud und Reik.– „Ich bin“ denken, diese Formulierung steht für das bewusste Denken des Ichs; dasjenige sein, was denkt, bezieht sich auf das unbewusste Denken.] (5)
Der Psychoanalytiker hat den Auftrag, das Subjekt zu repräsentieren, welches dasjenige ist, was denkt [das die unbewussten Gedanken hat]. Von hier aus stellt sich neu die Frage, worum es beim Wissenden geht [und damit die Frage, was es mit dem Psychoanalytiker als Wissendem auf sich hat]. (6)
Die Psychoanalytikerausbildung zielt darauf ab, dafür zu sorgen, dass für den Psychoanalytiker die Subjektspaltung nicht nur etwas ist, das er weiß, sondern etwas, worin er denkt, was nur dann möglich ist, wenn er nicht verkennt, dass er als Analytiker im Moment des Wissens in einer gespaltenen Position ist. (6)
In dem Moment, in dem der Status desjenigen eingeführt wird, dem unterstellt wird, in analytischer Perspektive zu wissen, kommt es zu einem Wiederaufblühen der spiegelhaften Verkennung [und zur Verteidigung des Status des Wissenden]. Damit wird der Status des Subjekts wieder vereinheitlich, die andere Seite der Spaltung wird eliminiert. (7)
Die Besonderheit des Psychoanalytikers muss darin besteht, dass er die Subjektspaltung nicht nur weiß, sondern dass er mit dieser gespaltenen Struktur konform geht oder zumindest eine Ahnung davon hat. (7)
In seinem Unterricht erinnert Lacan an diese Anforderung; die Mittel, darin einzuführen, liegen jedoch woanders [nämlich in einer gründlichen Analyse des zukünftigen Analytikers]. (7)
[Noch einmal:] Der Analytiker identifiziert sich mit einem benennbaren Status, mit dem Status, der Wissende zu sein. Dieser Status hat die Tendenz, das Wesentliche der schize [der Spaltung] „wieder in Ordnung zu bringen“ [die Spaltung zu verkennen], wo doch allein durch sie ein Zugang zur Erfahrung des Unbewussten möglich ist. (7)
Der Analytiker hat also die Aufgabe, auf den Anspruch desjenigen, der mit ihm eine Subjekt-Erfahrung eingeht [der bei ihm in Analyse ist], als gespaltenes Subjekt zu antworten. [Was heißt: als gespaltenes Subjekt auf den Anspruch antworten?] (7)
Der Punkt des blickenden Subjekts (Zusammenfassung der vorangegangenen Sitzung)
Deshalb war das, was er, Lacan, in der letzten Sitzung zu den Funktionen der Perspektive vorgetragen hatte, nicht eine bloße Ausschmückung zur Frage des Schautriebs. Dieser theoretische Apparat soll vielmehr die Subjektivität des Analytikers unterstützen, sodass er niemals den zweiten Fluchtpunkt vergisst [also den Distanzpunkt im Unendlichen, das blickende Subjekt]. Er muss danach suchen, wo dieser zweite Fluchtpunkt wirksam ist. Und er sollte das in dem Moment tun, in dem er dazu neigt, eine Wahrheit zu formulieren, die bereits durch ihren Ausdruck in die Einheitsschemata des Erkenntnissubjekts zurückfällt [wo er also als Wissender auftritt] und die ihn dazu verführt, die Idee der Totalität in den Vordergrund zu rücken – eine Idee, der man bei der Synthese seiner Erfahrung am meisten misstrauen muss. (8)
Beim letzten Mal hatte er, Lacan, das Gefühl, dass es ihm nicht ganz gelungen war, das zu vermitteln, was die Erfahrung der Perspektive uns lehrt, vielleicht mangels eines Schemas. Um Missverständnisse zu vermeiden, hatte er die Darstellung durch ein Schema zurückdrängen wollen. (9)
Heute will er darauf zurückkommen und erläutern, wie die Perspektive das veranschaulichen kann, worum es geht: das Verhältnis der Subjektspaltung zum Objekt a, zu dem Objekt a, durch das sich die visuelle Beziehung zur Welt auszeichnet. (9)
Dieses Objekt a hatte er [in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse] auf annähernde Weise als Blick (regard) bezeichnet und vom Feld des Sehens (vision) unterschieden. [Manchmal verwendet Lacan, so wie hier, die Opposition von „Blick“ und „Sehen“, manchmal die von „Blick“ und „Auge“.] (9)
Die Frage ist, wie sich der Blick als Objekt a in der Geometrie zeigt, insofern sie [als Konstruktion der Perspektive] in der Malerei wirksam ist. (9–10)
Das letzte Mal hatte er, Lacan, verbal eine Konstruktion der Perspektive vorgenommen, die man leicht nachlesen kann. (10)
In der vorangegangenen Sitzung hatte Lacan daran erinnert, dass man bei der Konstruktion einer Perspektive von zwei Ebenen ausgeht und zwischen ihnen ein sogenanntes Projektionsverhältnis herstellt [gemeint ist speziell die Zentralprojektion]. Die eine Ebene nennt er heute „Bild“ (tableau), die andere „Boden der Perspektive“ (sol perspectif). [Beim letzten Mal hatte er diese Ebenen als plan-figure und plan-support bezeichnet, „Abbildungsebene“ und „Trägerebene“.] (10)
Zwischen diesen Ebenen gibt es Entsprechungen, und was sich entspricht, sind bestimmte Linien [genauer gesagt: Geraden]. Die einander entsprechenden Elemente sind nicht intuitionierbar [sie haben keinen anschaulichen Charakter, insofern sie teilweise im Unendlichen liegen]. Sie sind aber grundlegend für den projektiven Raum, für das projektive „Ausgedehnte“ [also für einen Raum mit Fernpunkten und Ferngeraden]. (10)
Die projektive Geometrie [wird 1639 von Desargues mit der Erfindung der Ferngeraden begründet und 1822 von Poncelet mit dem Traité des propriétés projectives des figures ausgeführt]. Sie ist eine kohärente Geometrie mit strenger Beweisführung. Mit der metrischen Geometrie [also der euklidischen Geometrie, der „Schulgeometrie“] hat sie nichts gemeinsam. [Lacan hatte die Beweistechnik der projektiven Geometrie in der vorangegangenen Sitzung erläutert, siehe dort unter „Dualitätsprinzip“.] (10)
Das wichtigste Entsprechungsverhältnis ist das zwischen der Geraden im Unendlichen des Bodens der Perspektive [zwischen der Ferngeraden der Grundebene] und dem Horizont des Bildes [der im Endlichen liegenden Horizontlinie der Bildebene]. Die Fernlinie des Boden der Perspektive wird „übersetzt“ in den Horizont des Bildes [bzw. der Bildebene]. (10–11)
Im Schema ist Q der Boden der Perspektive, P ist das Bild [die Bildebene] und S ist der Augpunkt des Subjekts [des Subjekts im Sinne des Betrachters, nicht im Sinne von Lacans Subjektbegriff, darauf hatte Lacan in der vorigen Sitzung ausdrücklich hingewiesen]. Ausgehend vom Augpunkt S wird parallel zum Boden der Perspektive P eine Ebene I gezogen. Diese schneidet das Bild [die Bildebene Q]. Der Schnitt der beiden Ebenen ergibt die Horizontlinie [im Schema Linie h]. Da wir uns am Horizont der Erde orientieren, stellen wir uns spontan vor, dass die Horizontlinie rund um den Betrachter verläuft; bereits beim letzten Mal hatte Lacan jedoch, wie er in Erinnerung bringt, darauf hingewiesen, dass diese Horizontlinie – die auf der Bildebene – nicht kreisförmig verläuft [sondern eine unendliche Gerade ist, das gilt axiomatisch (nicht zu verwechseln mit einer Geraden im Unendlichen)]. (11)
Bei einer perspektivischen Projektion hat die Horizontlinie auf der Bildebene ihre Entsprechung in der Ferngeraden auf dem Boden der Perspektive, also in derjenigen Geraden, auf der – auf dem Boden der Perspektive – alle Parallelen sich schneiden. (11)
Jeder beliebige Punkt der Horizontlinie kann als Zentrum der Perspektive gewählt werden [als Hauptfluchtpunkt]. So wird das in Bildern, die den Gesetzen der Perspektive unterworfen sind, tatsächlich gemacht. (12)
Ein beliebiger Punkt [auf der Horizontlinie] ist erstens die Entsprechung zum Boden der Perspektive [nämlich zu einem Punkt im Unendlichen des Bodens der Perspektive, in dem bestimmte Parallelen sich schneiden]. Er ist [außerdem] die Entsprechung zum Augpunkt – in der Bildebene hängt der Horizont [nämlich seine Höhe] vom Auge des Betrachters ab. (12)
Außerdem wird von denjenigen, die die Perspektive einsetzen, „das andere Auge“ verwendet [man könnte auch mit „das zweite Auge“ übersetzen; ein bestimmter Punkt auf der Horizontlinie der Bildebene]. [In heutiger Terminologie ist dies der Distanzpunkt.] Dieser Punkt [genauer: seine Entfernung vom Hauptfluchtpunkt] steht in einem Entsprechungsverhältnis zur Distanz des Augpunkts von der Bildebene [diese Distanz heißt im Schema klein delta, δ]. (12)
Die Position dieses „anderen Auges“ [auf der Horizontlinie] kann frei festgelegt werden. (12)
Was ergibt sich daraus, dass [der Distanzpunkt auf der Bildebene und damit] die Distanz von der Bildebene willkürlich bestimmt werden kann? Kann man daraus schließen, dass dieser Punkt bei der Frage nach der Struktur des Subjekts vernachlässigt werden kann, d.h. unter dem Gesichtspunkt, dass das Subjekt das Subjekt des Blicks ist, das Subjekt einer gesehenen Welt? [Lacan fragt, ob sich die Position des Distanzpunktes strukturell statt willkürlich festlegen lässt.] Muss man annehmen, dass nur der Horizont strukturellen Charakter hat, während die Distanz ein technischer Kunstgriff ist? (12)
Keineswegs. Auch die Distanz [von der Bildebene und damit der Distanzpunkt auf der Bildebene, das „andere Auge“] hat strukturellen Charakter, das ist bislang nicht ausreichend bemerkt worden. [In diesem Punkt, der strukturellen Bestimmung des Distanzpunktes als Fernpunkt, beansprucht Lacan also Originalität.] (12–13)
[In der projektiven Geometrie wird die Distanz nicht gemessen, sie muss also auf andere Weise konstruiert werden.] Unabhängig davon, wie groß der Abstand des Subjekts [bzw. des Betrachters, bzw. des Augpunkts] von der Bildebene sein mag, zwischen ihm und der Bildebene gibt es auf jeden Fall immer einen Abstand überhaupt – das Subjekt ist von der Bildebene immer getrennt. [Diese These übernimmt Lacan, ohne es zu sagen, von Ruyers, auf den er in der vorigen Sitzung hingewiesen hatte.] Dieser Abstand wird [in der projektiven Geometrie] nicht durch einen metrischen Wert erfasst, er schreibt sich vielmehr in die Struktur ein. (13)
Hier [also was den Distanzpunkt angeht] finden wir [auf der Bildebene] nicht das „andere Auge“, sondern das andere Subjekt [nämlich den Punkt des blickenden Subjekt im Gegensatz zum Punkt des sehenden Subjekts]. (13)
[Gesucht ist also innerhalb der projektiven Geometrie eine Entsprechung zum Distanzpunkt der klassischen Perspektivekonzeption. Der Distanzpunkt wird normalerweise so konstruiert: Der Abstand von der Bildebene hat seine Entsprechung in einem Abstand innerhalb der Bildebene, nämlich im Abstand des Distanzpunktes vom Fluchtpunkt. Dieser Konstruktionsweg soll auf die projektive Geometrie übertragen werden, auf eine Geometrie, die nicht darauf beruht, dass Längen gemessen werden. Dabei soll der Distanzpunkt durch Bezug auf die Struktur definiert werden, nicht willkürlich.]
Das wird folgendermaßen demonstriert: Wir führen durch den Augpunkt S eine Ebene [S], die parallel zur Bildebene verläuft [die sogenannte Verschwindungsebene, ich nenne sie Betrachterebene]. Dann haben wir zwei Schnittlinien auf dem Boden der Perspektive. Die eine ist der Schnitt der Bildebene mit dem Boden der Perspektive; diese Linie wird als „Grundlinie“ bezeichnet, wie Lacan – er erwähnt es ausdrücklich – der Aufsatzsammlung von Panofsky über Perspektive entnommen hat [im Schema heißt diese Linie klein lambda, λ]. Die andere Schnittlinie ist die von Ebene S mit dem Boden der Perspektive [im Schema ist dies Linie b, man könnte sie Standlinie nennen]. Diese beiden Schnittlinien verlaufen parallel. [Der Abstand der Parallelen b und λ ist die Distanz des Augpunkts von der Bildebene.] (13–14)
Die Frage ist nun, wie sich diese beiden Linien [die auf dem Boden der Perspektive liegen] auf dem Bild darstellen [was ihre Entsprechung auf der Bildebene ist, wie also die Distanz von der Bildebene innerhalb der Bildebene repräsentiert wird]. Hieraus ergibt sich dann die Größe, die wir als zweiten Subjektpunkt bezeichnen möchten [dies ist also (nach der Zurückweisung des Parallelenaxioms) der Nachfolger des „anderen Auges“ bzw. des „Distanzpunktes“, nämlich der Punkt des blickenden Subjekts]. (14)
Folgendes wissen wir bereits aus der vorangegangenen Sitzung: Wenn wir das Verhältnis zwischen Boden der Perspektive, Bildebene und Subjekt [also Augpunkt] betrachten, dann sehen wir, wenn wir von der unendlich fernen Geraden auf dem Boden der Perspektive ausgehen, dass ihr auf der Bildebene die Horizontlinie entspricht [die Horizontlinie der Bildebene entsteht dadurch, dass die Ferngerade des Bodens der Perspektive auf die Bildebene projiziert wird]. (14)
Wenn wir die Ebenen wechseln und nicht mehr von der Ferngeraden des Bodens der Perspektive ausgehen, sondern von der Ferngeraden der Bildebene, sehen wir ein analoges Verhältnis. Wenn wir die umgekehrte Projektion vornehmen, hat die Ferngerade der Bildebene auf der Trägerebene ihre Entsprechung in der Schnittlinie zwischen der durch den Augpunkt führenden Ebene [Ebene S, Betrachterebene] und dem Boden der Perspektive [also Linie b, Standlinie]. [Diese Entsprechung sieht man, wenn man das Diagramm um 90° im Uhrzeigersinn dreht.] (14 f.)
Oder, um es in umgekehrter Richtung zu beschreiben: Die auf dem Boden der Perspektive liegende Gerade b wird auf der Bildebene durch die Ferngerade der Bildebene repräsentiert [durch p∞ – im Diagramm wird die Ferngerade durch einen Kreis repräsentiert] (vgl. Abb. 3). (15)
Die zweite Linie der Grundebene, zu der in der Bildebene eine Entsprechung gesucht wird, ist die Grundlinie [λ]. Die Grundlinie liegt jedoch bereits auf der Bildebene [da sie die Schnittlinie des Bodens der Perspektive und der Bildebene ist]. [Also können wir sie doppelt verwenden: als Linie auf dem Boden der Perspektive und als Linie auf der Bildebene.] (15)
Also kann der andere Subjektpunkt [auf der Bildebene] so notiert werden: der Punkt, an dem sich die Fernlinie der Bildebene [p∞] mit der Grundlinie [λ] schneidet. [Der Abstand von der Bildebene (der Abstand der Parallelen b und λ, Standlinie und Grundlinie) wird demnach auf folgende Weise in einen Abstand innerhalb der Bildebene übersetzt: Zu b und λ werden Entsprechungen innerhalb der Bildebene gesucht. Bei Projektion von b (Standlinie) auf die Bildebene erhält man die Fernlinie der Bildebene [p∞]; λ (die Grundlinie) ist bereits auf der Bildebene. Also geht es auf der Bildebene um das Verhältnis zwischen der Fernlinie und der Grundlinie. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Linien wird durch ihren Schnittpunkt ausgedrückt. Also entspicht dem Abstand des Betrachters von der Bildebene (dem Abstand zwischen Standlinie und Grundlinie) innerhalb der Bildebene der Schnittpunkt zwischen Fernlinie und Grundlinie.] (15)
Das lässt sich so darstellen wie in Abb. 4. Darin ist S der Augpunkt und O ist der Fluchtpunkt bzw. der erste Subjektpunkt. Linie λ ist die Grundlinie. Die Fernlinie der Bildebene wird durch den Kreis p∞ dargestellt [die Gerade also durch einen Kreis]. Dieser Kreis schneidet sich in der Abbildung nicht einmal, sondern zweimal mit der Grundlinie. aber das ist ein Schein, tatsächlich ist die Fernlinie kein Kreis, sondern eine Gerade und axiomatisch gilt in der projektiven Geometrie, dass sich zwei Geraden in einem und nur einem Punkt schneiden [also haben auch die Grundlinie und die Ferngerade nur einen Schnittpunkt]. (15–16)
In der Struktur einer projektiven oder perspektivischen Welt [einer perspektivischen Welt, die mithilfe der projektiven Geometrie konstruiert wird] gibt es also [auf der Bildebene] zwei Subjektpunkte. Der eine Punkt [der Fluchtpunkt, der Punkt des sehenden Subjekts] liegt irgendwo auf der Horizontlinie [im Endlichen], der zweite Punkt [der Distanzpunkt, der Punkt des blickenden Subjekts] ist der Schnittpunkt zwischen der Grundlinie [λ] und der Fernlinie der Bildebene [p∞]. (16)
Nachdem dies einmal gefunden ist, können wir den zweiten Subjektpunkt auch auf andere Weise bestimmen, nämlich, auf der Bildebene, als Schnittpunkt zwischen der Horizontlinie und der Fernlinie. Dieser Punkt muss derselbe Punkt sein wie der Schnittpunkt zwischen der Grundlinie und Fernlinie, denn Horizontlinie und Grundlinie sind Parallelen, und Parallelen schneiden sich im Unendlichen. [Standlinie und Grundlinie sind Parallelen, die sich in einem Punkt im Unendlichen schneiden. Grundlinie und Horizontlinie sind ebenfalls Parallelen, schneiden sich also ebenfalls in einem Punkt im Unendlichen. Der Punkt im Unendlichen ist für alle drei Parallelen derselbe, da sich in der projektiven Geometrie Geraden nur in genau einem Punkt schneiden, eben dem Punkt im Unendlichen. Durch diesen Schritt wird der Distanzpunkt auf der Horizontinie verortet und das ermöglicht den Anschluss an die Renaissance-Perspektive, wo der Distanzpunkt ja ebenfalls auf der Hoizrontinie verortet ist.] In der projektiven Geometrie ist der zweite Subjektpunkt [also der Distanzpunkt] nicht mehr [wie in den Renaissance-Konstruktionen] ein beliebiger Punkt auf der Horizontlinie, sondern [ein ganz bestimmter] einzelner Punkt auf dieser Linie, nämlich der Punkt im Unendlichen. (16-17)
[Das gespaltene Subjekt wird in der Perspektivekonstruktion der projektiven Geometrie demnach durch zwei Punkte auf der Bildebene repräsentiert: durch den Fluchtpunkt und durch den Distanzpunkt, beide liegen, wie in den Renaissance-Perspektiven, auf der Horizontgeraden. Der Distanzpunkt ist jetzt kein beliebiger Punkt mehr, sondern ein durch die Struktur definierter ganz bestimmter einzelner Punkt, der Fernpunkt, den es in der Renaissance-Perspektive nicht gibt. Außerdem liegt er jetzt im Unendlichen, er hat keinen anschaulichen Charakter mehr, und auch darauf kommt es Lacan an.]
Das Fenster als Objekt a
Das wird uns jetzt als Stütze dienen, um im skopischen Phantasma das Verhältnis des [gespaltenen] Subjekts zum [Blick als] Objekt a zu erfassen. [Lacan bezieht sich auf das in der vorangegangenen Sitzung formulierte Programm: Die Struktur des Phantasmas, $ ◊ a, mit dem Blick als Objekt a, soll mithilfe einer Perspektivekonstruktion dargestellt werden, die sich, statt auf die euklidische Geometrie, auf die projektive Geometrie stützt. Das ausgestrichene oder gespaltene Subjekt, $, ist bereits rekonstruiert worden, als Spaltung zwischen zwei Punkten auf der Horizontgeraden der Bildebene, zwischen dem Fluchtpunkt qua sehendem Subjekt und dem Distanzpunkt im Unendlichen qua blickendem Subjekt. Es fehlt noch eine Rekostruktion des Blicks als Objekt a.] (17)
[Der Ausdruck „skopisches Phantasma“ wird hier von Lacan zum ersten und einzigen Mal verwendet. Gemeint ist das ist auf den Schautrieb bezogene Phantasma.]
„Ein einmal erfasster Beweis ist bewiesen, man muss sich allerdings noch an seine Strenge halten und an die Vorgehensweisen.“ [? Was will Lacan hier damit sagen?] (17)
Das gespaltene Subjekt wird durch das „Gestell“ (monture) des Objekts a getragen [das Objekt a ist die Ursache der Subjektspaltung]. (17)
Wo also hat das Objekt a in diesem Diagramm (Abb. 5) seinen Platz? (17)
Das Objekt a ist im Schema an einem Ort zu suchen, an dem es stürzt und verschwindet – ohne das wäre es nicht das Objekt a. [Das Objekt a ist das verschwundene Objekt, ein Jouissance-Verlust, und dieses Merkmal muss im Schema eine Entsprechung finden.] (17)
Das Objekt a wird im Diagramm durch etwas repräsentiert, das den Punkt S stützt [das den Augpunkt stützt, einen Punkt außerhalb des Bodens der Perspektive und außerhalb der Bildebene], nämlich durch den Verlauf von Ebene S. [Ebene S, die Betrachterebene, führt durch den Augpunkt und verläuft parallel zur Bildebene. Die folgenden Sätze machen klar, dass das Objekt a nicht etwa mit Ebene S gleichzusetzen ist, sondern dass es auf Ebene S zu lokalisieren ist.] (17–18)
Allerdings ist im Diagramm [der durch den Punkt S führenden Ebene S] etwas ausgelassen, das Fenster. In dieser Ebene gibt es jedoch immer das Fenster. [Der Blick als Objekt a ist erstens in der Ebene verortet, die, parallel zur Bildebene, durch den Punkt S führt, und er ist, zweitens, in dieser Ebene das Fenster, also eine Öffnung, durch die man hindurchsehen kann, das Sehloch. Der Blick als Objekt a ist der unterdrückte Schautrieb, ein „verlorenes“ Objekt, ein Objekt, das fehlt. Das Fenster vereint diese beiden Merkmale: es bezieht sich auf das Sehen und es hat einen negativen Charakter, es ist ein Loch.] (18)
[Die Fensteröffnung „stürzt und verschwindet“: sie ist ein Loch, ein Fehlen; und sie wird beim Hindurchschauen nicht gesehen.]
[Lacan stellt hier indirekt den Anschluss als Freuds Bemerkungen über das Verhältnis von Schautrieb und Fenster her (in der Wolfsmann-Analyse und in der Analyse von E.T.A. Hofmanns Sandmann).]
[Mit dem Terminus „Fenster“ übernimmt Lacan zugleich einen Terminus der Renaissance-Perspektivetheorien; bei einer perspektivischen Darstellung hat man den Eindruck, sagt Alberti, durch ein „Fenster“ in einen Raum hineinzuschauen. Für Lacan liegt das Fenster auf der Betrachterebene.]
Das Fenster gehört zum strukturellen Verhältnis des Subjekts zur Welt. [Das strukturelle Verhältnis des Subjekts zur Welt ist, Lacan zufolge, durch die Sprache bestimmt. Offenbar soll die These angedeutet werden, dass einer der Spracheffekte und Sprachvoraussetzungen darin besteht, dass es eine Art Sichtöffnung gibt, ein Loch im skopischen Feld.] (18)
In das strukturelle Verhältnis des Subjekts zur Welt hatte Lacan, er erinnert daran, das Fenster bereits mehrmals eingeführt. (18)
Das Subjekt steht in einem skopischen Verhältnis zum Punkt S [zum Augpunkt], von dem die Konstruktion der Perspektive ausgeht. (18)
Im skopischen Verhältnis des Subjekts zum Punkt S erscheint etwas in der [zur Bildebene] parallelen Ebene [in der Ebene, die durch den Punkt S führt, also in Ebene S, die ich „Ebene des Betrachters“ nenne], erscheint etwas in der Wand, die den zweiten Punkt des Subjekts determiniert. [Ebene S (die Subjektebene, die Betrachterebene) determiniert den zweiten Subjektpunkt (das andere Auge, den Distanzpunkt, den Punkt des blickenden Subjekts im Unendlichen der Bildebene), und zwar insofern, als die Position des zweiten Subjektpunktes durch den Abstand der Ebene S von der Bildebene determiniert ist.] (18)
Dieses Etwas erscheint spezifiziert, individualisiert in dieser Wand. [Es erscheint etwas „spezifiziert“ und „individualisiert“ wohl insofern, als es speziell um den Blick als Objekt a geht.] (18)
In dieser Wand [also in Ebene S, in der Ebene des Betrachters] muss es eine Öffnung geben, einen Spalt, eine Sicht, einen Blick. [Hier fällt das Wort „Blick“. Im Diagramm der Perspektive wird der Blick als Objekt a durch das Fenster repräsentiert, d.h. durch eine Sichtöffnung in der Ebene des Betrachters (des Augpunkts). Intuitiv ist der Blick als Objekt a demnach als Sichtöffnung aufzufassen: als Spalt, als Fensteröffnung. Der Begriff des Spalts erinnert daran, dass die Triebquelle, die erogene Zone, die Form einer Spalte hat, das heißt eines Randes. Der Blick als Objekt a ist die von diesem Rand umschlossene Öffnung.] (18)
Dies [das Fenster] ist das, was von der anfänglichen Position der Konstruktion aus [also von Punkt S aus] nicht gesehen werden kann. [Das Fenster kann insofern nicht gesehen werden, als im Sehen das Sehloch nicht gesehen wird, Lacan kommt später darauf zurück.] (18)
Bereits im letzten Jahr [in Seminar 12, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse] haben wir uns auf die Funktion des Fensters bezogen. „als Fläche dessen, was zuallererst als Signifikantenfunktion geschrieben werden kann“. (18)
[In Seminar 12 hatte Lacan über einen Code gesprochen, mit dem eine Frau ihrem Liebhaber anzeigt, dass sie „um 5 Uhr allein“ ist. Der Code besteht aus fünf Blumentöpfen, die bei zurückgezogenem Vorhang in einem Fenster stehen; in der Staferla-Version von Seminar 12 findet man hierzu die folgende Zeichnung:
Fünf Uhr allein
Die Blumentöpfe artikulieren eine Botschaft, sie haben eine Signifikantenfunktion, und dies hat zur Bedingung, dass sie in einem Fenster erscheinen. Damit gibt es einen intuitiven Haltepunkt für die These, dass die Signifikanten im Fenster erscheinen und das Fenster zur Voraussetzung haben.]
Das Fenster ist auf die [Sphäre-mit-]Kreuzhaube zu beziehen, also auf die topologische Struktur der projektiven Ebene. (18)
Die Kreuzhaube ermöglicht es, die verschiedenen von Lacan bereits gezeichneten Ebenen [also die Bildebene und den projektiven Grund] miteinander zu nouer, zu verknoten, zu verbinden, zu verschlingen. (18)
In der Kreuzhaube ist das Fenster das Gelochte. [Eine Kreuzhaube hat zwei sogenannte singuläre Punkte, die Lacan auf einen reduziert; diesen singulären Punkt bezeichnet er häufig als „Zentralpunkt“. Ein singulärer Punkt ist einsofern ein Loch, als für diesen Punkt die Fläche nicht definiert ist. Als psychoanalytische Entsprechung zum Loch in der Kreuzhaube hatte er früher in diesem Seminar den Phallus bestimmt. Vgl. hierzu in Lacan entziffern den Artikel Das Loch in der Kreuzhaube].] (18)
Das Gelochte macht es möglich, dass sich das Hereinbrechen des Objekts a vollzieht, also des Objekts, von dem die Subjektspaltung abhängt. [Grundlage für die Objekte a ist der Phallus, d.h. die Kastration. Topologisch: das Objekt a wird durch einen Innenacht-Schnitt um den Zentralpunkt herum erzeugt.] (18–19)
[Das lässt sich so darstellen117:]
Zeichnung aus: Juan-David Nasio: Introduction à la topologie de Lacan. Payots et Rivages, Paris 2010, S. 89, von mir modifiziert, RN.
In der Beziehung des Blicks zur gesehenen Welt ist das Fenster immer das, was elidiert ist. [Im der Ordnung des Sehens sind das blickende Subjekt und der Blick unsichtbar, unzugänglich, sie werden ausgeblendet.] (19)
Von diesem Elidiertsein her können wir uns die Funktion des [Blicks als] Objekt a vorstellen: Das Fenster ist der Spalt zwischen den Lidern oder der Eingang der Pupille. (19) [Der Lidrand umgibt das Sehloch, die Pupille ist nichts anders als ein Loch; vom Lidloch und vom Pupillenloch aus kann man sich den Blick als Objekt vorstellen, als das nämlich, was im Sehen nicht gesehen werden kann.] (19)
Die Funktion des Objekts a als Fenster, das heißt auch: die Camera obscura (la chambre noire). [Genauer gesagt entspricht dem Objekt a als Fenster das Loch einer Camera obscura und damit auch das Loch einer Lochkamera.] (19)
*
Das verdeckte Bild
Lacan kündigt an, dass er dies am Bild Las meninas von Diego Velázquez veranschaulichen will, an einem Bild, das durch Foucaults neueste Arbeit [Die Ordnung der Dinge] in den Vordergrund gerückt sei. Foucaults Art der Forschung sei von derjenigen, die Lacan hier im Namen der psychoanalytischen Erfahrung betreibt, nicht weit entfernt, auch wenn sie weder dieselbe Grundlage habe noch dieselbe Inspiration. (19)
Lacan lässt ein Dia von Las meninas zeigen; es gibt ein technisches Problem, nur wenig ist zu erkennen. (19–20 )
Er beginnt mit der Beschreibung des Gemäldes: Im Bild steht der Maler [Diego Velázquez] inmitten dessen, was er malt. Was er malt, ist auf eine spezielle Weise aufgeteilt; Lacan kündigt an, dass er darauf zurückkommen wird. (20)
Der Maler arbeitet an einem Bild, und man sieht dieses Bild von hinten. Das Bild-im-Bild ist für uns, als Betrachter des Gemäldes, umgedreht. Wir sehen die Rückseite, das ist die wesentliche Ebene, von der wir ausgehen müssen, darum dreht sich die Funktion dieses Gemäldes. Foucault ist ihr ausgewichen. [Foucault erwähnt mehrfach, dass das Bild umgedreht ist.118] (20–21)
Das Bild-im-Bild fungiert wie eine verdeckte Karte [in einem Kartenspiel]. [Mit dem Kartenspiel sind wir in einer Signifikantenordnung, mit verdeckten Karten bei Signifikanten im Sinne der Psychoanalyse, bei symbolischen Elementen, bei denen wir uns nach der Bedeutung fragen.] Hierdurch wird es zu einem Modul und Modell der anderen Karten, insofern nämlich, als dieses Bild-im-Bild, diese verdeckte Karte, den Betrachter dazu drängt, die eigenen Karten aufzudecken. Es hat eine Diskussion darüber gegeben, was Velázquez dabei ist zu malen, und das Aufdecken der eigenen Karte besteht darin, wie man diese Frage beantwortet. Die Art, wie man die Frage beantwortet, ist für die Wirkung von Las meninas wesentlich. Dieses Gemälde schlägt einen in Bann, es ist Gegenstand aller möglichen Diskussionen, und das hat damit zu tun, dass es den Betrachter nötigt, die Frage zu beantworten, was auf dem Bild-im-Bild gemalt wird. (21–22)
Die zwei Runden des Schautriebs
Das Gemälde fesselt einen, und das hat mit der Subversion des Subjekts zu tun, von der er, Lacan, zu Beginn dieser Sitzung gesprochen hatte [also mit der Herstellung der Subjektspaltung durch das Objekt a und also der Verwandlung des Subjekts in ein begehrendes Subjekt]. Das Gemälde bekommt dadurch seinen Wert, dass es sich auf diese Subversion stützt. (22)
Das Verhältnis zum Kunstwerk ist immer durch diese Subversion gekennzeichnet; hierauf bezieht sich wohl letztlich der Begriff der Sublimierung. [Die Sublimierung ist durch das Verhältnis zur Leere bestimmt, zu einem Fehlen, heißt es seit dem Ethik-Seminar.] (22)
[Bezogen auf Las meninas geht um den Schautrieb.] Im Triebmechanismus gibt es ein Hin und Zurück, nämlich weg vom Subjekt [hin zum Objekt a und wieder zurück] zum Subjekt, wobei das Zurück mit dem Hin nicht identisch ist. [Vgl. hierzu in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 15. Mai 1964 über den Partialtrieb und seine Kreisbahn.] (22)
Diese Hin-und-Zurück-Bewegung entspricht der Struktur eines Möbiusbandes, d.h. das Subjekt vollzieht eine erste Drehung, die nur eine halbe Drehung ist, und landet damit auf der Rückseite des Ausgangspunkts. Dann vollzieht es eine zweite Drehung, mit der es wieder an den Ausgangspunkt gelangt. Das Subjekt muss also zwei Triebumdrehungen vollziehen, damit wir die Subjektspaltung erfassen können. [Das Möbiusband steht bei Lacan für das gespaltene Subjekt, $. Im Kontext des Schautriebs entspricht die erste Drehung, so vermute ich, dem sehenden Subjekt (das in der Konstruktion der Perspektive durch den Fluchtpunkt repräsentiert wird), die zweite Drehung ist die des blickenden Subjekts (das im Schema der Perspektive durch den Punkt im Unendlichen der Horizontlinie repräsentiert wird).] (22)
Abb. 8: Entwicklung der Innenacht
[Abb. 8 zeigt eine sogenannten Innenacht; die Innenacht ist ein Möbiusband, das auf eine Linie reduziert ist. Die äußere Linie, 1, stellt die erste Runde dar, die innere tropfenförmige Linie, 2, die zweite Runde. Die Zeichnung ist irreführend, die durch einen dicken Punkt markierte Stelle ist gerade kein Schnittpunkt, die Innenacht berührt sich nicht selbst.]
Wenn das Subjekt diese zwei Umdrehungen durchlaufen hat, „vernäht“ es sich mit seiner Rückseite [erzeugt es eine geschlossene Linie und konstituiert damit die Innenacht bzw. das Möbiusband]. (22)
Eben das wird uns von diesem Gemälde gezeigt. Fesselnd ist es eben deshalb, weil es sich nicht auf eine Drehung beschränkt, wie das für gewöhnlich geschieht. [Das Gemälde Las meninas ist deshalb fesselnd, weil es sich nicht auf das sehende Subjekt beschränkt, weg vom Subjekt, sondern außerdem das blickende Subjekt ins Spiel bringt, zurück zum Subjekt, und damit insgesamt die Spaltung im Schautrieb. Es ist also danach zu fragen, wo im Bild diese zweite Drehung vollzogen wird.] (22–23)
Den Künstlern, die uns [die Psychoanalytiker] aufsuchen, dient das Werk zur internen Verwendung, es dient ihnen dazu, die eigene Schleife zu vollziehen [ihre Bilder haben eine Funktion im Rahmen des Narzissmus]. Bei einem Meister wie Velázquez hingegen ist der Betrachter in die Schleife eingeschlossen – es gibt keinen Museumsbesucher, der von der Besonderheit dieser Komposition nicht erfasst wäre. Man sagt, vor dem Gemälde geschieht etwas, dies nämlich, dass wir, die Betrachter, vom Raum des Gemäldes erfasst sind, und man versucht herauszufinden, durch welche Perspektivekonstruktion und durch welche Tricks dieser Effekt zustande kommt. [Lacan deutet an, dass die zweite Drehung, „zurück zum Subjekt“, damit zu tun hat, dass wir, die Betrachter, vom Raum des Gemäldes erfasst sind.] (23)
Außerdem fragt man sich, welche Funktionen die Figuren und Gruppen haben. Man sieht nicht, dass es dabei um dieselbe Frage geht wie bei der Frage nach der Besonderheit der Komposition [nämlich um die Beziehung zum Blick]. (23)
Im Allgemeinen fragt man: Was tut der [im Bild gemalte] Maler? Was malt er gerade? [Das ist die durch das umgedrehte Bild aufgenötigte Frage.] Diese Frage bezieht sich tatsächlich auf den Kern des Problems und Lacan kündigt an, dass er versuchen wird, auf sie eine Antwort zu gaben. (23)
In der Kunstkritik fragt man allerdings häufig anders, nämlich „Was hat er tun wollen?“ So ist die Frage falsch gestellt; das Bild ist fertig, und da ist es Unsinn, sich zu fragen, was der Maler tun wollte. Warum wird die Frage „Was hat er tun wollen?“ dennoch gestellt? Weil wir etwas zu wissen begehren, das sich auf das Begehren des Anderen bezieht. Aber in diesem Falle ist das keine sinnvolle Frage, wir sind nicht in der Position, ein Bild zu psychoanalysieren – wir beziehen uns auf das, was der Maler bereits gemalt hat. (24)
Anders ausgedrückt: Bezogen auf die doppelte Umdrehung gilt, dass die erste Umdrehung bereits realisiert ist. Wir müssen nun noch die zweite Runde vollziehen. Dabei dürfen wir die erste Umdrehung jedoch nicht verpassen. [Die erste Umdrehung bezieht sich, wie später in dieser Sitzung klar werden wird, auf das Sehen, die zweite Umdrehung – das wird erst in der nächsten Sitzung erkennbar – auf das Blicken. Wir sollten uns also fragen, wo im Bild die Runde des Sehens vollzogen worden ist und wo die Runde des Blickens.] (24–25)
Das verdeckte Bild als Vorstellungsrepräsentanz
Im Gemälde gibt es das Bild-im-Bild. Es nimmt [nahezu] die gesamte Höhe des Gemäldes ein. Aufgrund dieser Höhe nimmt Lacan an, dass das Bild-im-Bild eben das Gemälde [Las meninas] darstellt [womit das Gemälde Las meninas gewissermaßen in sich selbst eingetragen ist; es gibt hier ein re-entry, wie Spencer Brown sagen würde]. Andere [darunter Foucault] nehmen an, dass auf dem Bild-im-Bild der König und die Königin gemalt werden, die außerdem im Hintergrund in einem Rahmen zu sehen sind [womit das Königspaar also erstens vor dem Bild steht, als Modell, zweitens im Hintergrund im Rahmen zu sehen ist und drittens, für uns unsichtbar, auf dem Bild-im-Bild gemalt wird]. Lacan hält diese Auffassung für falsch. Bereits die Größe des Bildes-im-Bild spreche dagegen. Er nimmt also an, dass das Bild-im-Bild eine Repräsentation des Gemäldes qua Realität ist [dass es eine Repräsentation des Gemäldes Las meninas ist, das der Betrachter im Prado vor sich hat]. (25–26)
[Für das Folgende muss man sich klar machen, dass das französische Wort représentation nicht nur „Repräsentation“ bedeutet, sondern auch „Vorstellung“, „Theatervorstellung“ und „Darstellung“.]
Das pikturale Objekt [das im Gemälde dargestellte Bild, das Bild-im-Bild] ist eine Vorstellungsrepräsentanz. (26)
Damit ist nicht gemeint, das Bild-im-Bild [genauer, seine für uns unsichtbare Vorderseite] sei die Vorstellung/Darstellung und die [für uns sichtbare] Staffelei sowie der Rahmen des Gemäldes seien die Repräsentanz dieser Darstellung. (26)
Mit „Vorstellungsrepräsentanz“ ist vielmehr gemeint, dass wir hier ein Bild im Bild haben. [Lacan deutet den Begriff „Vorstellungsrepräsentanz“ als „Repräsentant einer Vorstellung/Darstellung“ (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Die Vorstellungsrepräsentanz). Wenn man den Genitiv so auffasst, kann man das Gemälde Las meninas, das der Betrachter als Realität vor sich hat, als Vorstellung / Repräsentation / Darstellung auffassen, und das Bild-im-Bild als die Repräsentanz dieser Vorstellung / dieser Repräsentation / dieser Darstellung. Eine der Übersetzungen von „Repräsentant der Repräsentation“ ist also „Bild im Bild“.] Ein Bild-im-Bild, das hat man hier zum ersten Mal gemacht, und seither ist das kaum wieder gemacht worden [gemeint ist: Dies ist das erste Bild, in dem eben dieses Bild noch einmal in sich eingetragen ist]. Das Bild im Bild ist nicht das Theater im Theater. [Wenn ein Theaterstück eine Theaterszene enthält, ist diese Szene nicht noch einmal das Theaterstück – in der play scene in Hamlet wird nicht Hamlet gespielt.] (26)
Das Bild im Bild ist insbesondere von Magritte wieder gemalt worden. [Lacan bezieht sich, wie schon früher in diesem Seminar, auf Gemälde von Magritte, die Bilder in einer Fensteröffnung darstellen, wobei das Bild genau das zeigt, was vermutlich zu sehen wäre, wenn man ohne das Bild-im-Bild aus dem Fenster schauen würde.]
Die Abbildung der Realität des Bildes [durch das Bild-im-Bild in Las meninas] ist tatsächlich eine Repräsentation [das Bild-im-Bild repräsentiert das Gemälde Las meninas]. Das soll uns jedoch zeigen, dass es zwischen der Realität [dem heute im Prado hängenden Gemälde Las meninas] und der Repräsentation [dem Bild-im-Bild] eine Beziehung der wechselseitigen Sättigung gibt. [Die beiden Seiten des Repräsentationsverhältnisses werden in gewissem Sinne gleichgesetzt, der Abstand zwischen ihnen wird beseitigt, ähnlich wie in Magrittes Fensterbildern.]
Und damit zeigt das Bild-im-Bild von Las meninas, dass das Bild wesentlich gerade nicht durch die Repräsentation konstituiert ist [wohl im Sinne von: dass es beim gemalten Bild nicht primär um die Verdoppelung des Objekts geht]. (26–27)
Die Wirkung des Bildes-im-Bild ist [eine andere als die der Repräsentation], die Wirkung des Bildes-im-Bild ist Vorstellungsrepräsentanz. [Unter einer Vorstellungsrepräsentanz versteht Lacan einen Signifikanten, der für ein fehlendes, nicht-repräsentierbares Objekt eintritt.] Dieser Charakter der Vorstellungsrepräsentanz teilt sich dem gesamten Bild mit. [Das Gemälde zeigt demnach ein Ensemble von Vorstellungsrepräsentanzen.] (27)
[Mit dem Begriff „Vorstellungsrepräsentanz“ bezieht Freud sich auf den Trieb, die Vorstellungsrepräsentanz ist Vorstellungsrepräsentanz des Triebes; im aktuellen Kontext geht es um die Vorstellungsrepräsentanz des Schautriebs, genauer: des Blicks.]
Worin besteht die Vorstellungsrepräsentanz im Bild [abgesehen vom Bild-im-Bild]? Darin, dass die Personen mit voller Überzeugung als Personen des Hofes „in einer Vorstellung sind“ (sont en représentation), eine Vorstellung geben, dass sie jedoch von dem, was sie durch ihre Aufführung repräsentieren, keine Vorstellung haben. [Mit être en représentation verweist Lacan auf das Schauspiel, auf das Theater. Die Personen geben eine Vorstellung, sie geben etwas zu sehen, sie stellen sich als etwas anderes dar als sie sind. Sie haben jedoch keine Vorstellung von dem, was sie repräsentieren. Insofern sind sie Vorstellungsrepräsentanzen: Repräsentanten einer fehlenden Vorstellung.] (27)
Dass die Personen zu Vorstellungsrepräsentanzen werden, ist die Wirkung von dem Etwas, was in den Raum des Bildes eingeführt wird [nämlich die Wirkung des Bildes-im-Bild]. (27)
Die Infantin: „Lass sehen!“
Von daher erhält die Tatsache, dass Velázquez sich inmitten dieser Gruppe darstellt, ihre ganze Bedeutung; das geht über einfachen sozialen Relativismus hinaus. (27)
Bei der Analyse des Gemäldes sollte man nicht von der Frage ausgehen, die sich durch die Gegenwart des Werkes selbst annulliert [also nicht von der Frage, was der Maler tun wollte]. Man sollte sich von der zentralen Person des Bildes führen lassen, von der Infantin. Sie stellt sich in diesen Raum vor uns hin, und für alle die das Bild gesehen haben und die sich dazu geäußert haben, ist dieser Raum ein Fragezeichen. Das Fragezeichen, vor das dieses Bild uns stellt, das sind die Schreie, die aus dem Mund der Infantin ausgestoßen werden; von diesen Schreien sollte man ausgehen, um die zweite Runde [des Schautriebs] vollziehen zu können. In Foucaults Analyse des Bildes ist das versäumt worden. (27–28)
Die Infantin schreit: „Lass sehen!“, lass das sehen, was auf der verdeckten Seite des Bildes-im-Bild ist. [Damit sind wir bei der ersten Runde des Schautriebs, beim Sehen. Diese Seh-Forderung ermöglicht dem Übergang zur zweiten Runde, zum Blicken.] (28)
Wir sind mehr oder weniger bereit, dieses „Lass sehen!“ auszusprechen. [Wir sollten bei der Bildanalyse nicht fragen, was der Maler tun wollte, sondern was das Bild mit uns macht, wozu es uns anreizt. Das umgedrehte Bild-im-Bild drängt uns die Frage auf, was auf der Vorderseite gemalte wird, Foucault hatte diesen Punkt übergangen, also die Tatsache, dass die verdeckte Leinwand uns dazu bringt, dass wir sehen wollen, was dahinter ist. Die Infantin fungiert im Bild (in Lacans Deutung) als die Personifizierung unserer Frage.] (28)
[„Lass sehen!“ (fait voir!) ist eine demande, ein Anspruch, eine Forderung (zum Begehren kommen wir nur auf dem Weg über den Anspruch). Diese Forderung bezieht sich auf das Sehen. Wir sind hier beim sehenden Subjekt (also bei der ersten Umdrehung des Schautriebs), nicht beim blickenden Subjekt.]
[Die Forderung „Lass sehen!“ erinnert an die Geschichte der Maler Zeuxis und Parrhasios, an die Lacan in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe, erinnert hatte: Zeuxis gelingt es, Trauben so zu malen, dass sie selbst Vögel zu täuschen vermögen. Parrhasios jedoch trägt den Sieg davon, als er auf eine Mauer einen Vorhang so täuschend malt, dass Zeuxis zu ihm sagt: „Gut, und jetzt zeig uns, was du dahinter gemacht hat.“ Zeig uns, was dahinter ist - das ist ein Anspruch. Das umgekehrte Bild-im-Bild funktioniert wie ein Vorhang, wie ein Schleier, es erzeugt die Illusion, dass etwas dahinter ist und provoziert den Anspruch, das uns das, was dahinter zu sein scheint, gezeigt wird.]
Die übrigen Personen: geben eine Vorstellung
Von diesem „Lass sehen!“ her können die Personen als das auftauchen, was sie sind, nämlich Personen, die wesentlich eine Vorstellung geben [das heißt, die, indem sie etwas zeigen, etwas verbergen, wir sind in der Ordnung des Schirms]. (28–29)
[Einleitend hatte Lacan erklärt, dass die erste Runde (des Schautriebs) bereits vollzogen worden sei und dass es darum gehe, die zweite Runde zu drehen, dass man die erste jedoch nicht verpassen dürfe. Darauf folgten die Bemerkungen über das umgedrehte Bild-im-Bild als Vorstellungsrepräsentanz, über die dargestellten Personen als Vorstellungsrepräsentanzen und über die Infantin als Personifizierung der Forderung „Lass sehen!“. Die Vorstellungsrepräsentanz, die die Anspruch „Lass sehen!“ provoziert, gehört demnach zur ersten Runde des Schautriebs, zum Sehen im Unterschied zum Blicken.]
Nieto Velázquez: das sehende Subjekt als Abwehr
Aber wir sehen auch die perspektivische Montage des Bildes. [Damit kündigt Lacan an, dass er sich nun den drei Punkten der Perspektive zuwenden wird: dem Fluchtpunkt (dem sehenden Subjekt), dem Distanzpunkt (dem blickenden Subjekt) und dem „Fenster“ (dem Blick als Objekt a).] (29)
Die Person in der Tür im Hintergrund, die den Raum verlässt, ist an dem Platz, an dem die Linien der Perspektive dieses Bildes zusammenlaufen; der Fluchtpunkt liegt zwischen ihrem Gesicht und ihrem Ellbogen. [Diese Person ist am Fluchtpunkt, d.h. sie entspricht dem sehenden Subjekt.– Ob diese Person den Raum verlässt, wie Lacan annimmt, oder ihn gerade betritt, ist unter Kunsthistorikern umstritten.] (29)
Dass gerade diese Person am Fluchtpunkt verortet ist und dass sie hinausgeht, ist beides kein Zufall. [Der Fluchtpunkt ist tatsächlich ein Punkt der Flucht.] (29)
Diese Person heißt ebenfalls Velázquez, Nieto mit Vornamen. Nieto Velázquez war an der Entscheidung beteiligt, durch die Diego Velázquez, der Maler, das Amt eines aposentador des Königs erhielt, eines Großmarschalls. [Nieto Velázquez selbst hatte dieses Amt bereits inne.] Nieto Velázquez ist also eine Person, durch welche Diego Velázquez verdoppelt wird. [Solche Verdoppelungen sind Lacan zufolge charakteristisch für das imaginäre Ich (moi) – das imaginäre Ich existiert nur in der Verdoppelung, d.h. in der Beziehung zum imaginären anderen.] (29)
Diese Person wird dadurch charakterisiert, dass sie das, was wir nicht sehen können und in Bezug auf das wir „Lass sehen!“ fordern, dass sie das bereits gesehen hat und dass sie sogar zu viel davon gesehen hat: sie geht weg. [Damit wird Nieto Velázquez in einen Gegensatz zur Infantin gebracht. Anders als die Infantin erhebt Nieto Velázquez keinen Anspruch und vermeidet damit den Übergang vom Anspruch zum Begehren.] (29–30)
[Für Foucault ist Nieto Velázquez der in das Gemälde projizierte Betrachter, der die Szene anschaut.]
Damit wird die Funktion des „Auges“ [im Gegensatz zum Blick] bezeichnet, es ist durch ein „gesehen“ charakterisiert, das definitiv ist. [Lacan greift hier auf die in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe, entwickelten Gegensatz von „Auge“ und „Blick“ zurück, die er in der vorangegangenen Sitzung und zu Beginn dieser Sitzung durch die Opposition zwischen dem „sehenden Subjekt“ und dem „blickenden Subjekt“ ersetzt hatte. Das „Auge“ entspricht also dem sehenden Subjekt.– Das Ich (moi) hat die Funktion der Abwehr, im skopischen Feld fungiert es als die Instanz, die genug gesehen hat. Nieto Velázquez entspricht also dem Fluchtpunkt und damit dem sehenden Subjekt (dem Auge) in der Funktion der Abwehr. (30)
[Das sehende Subjekt wäre also zum einen der Anspruch, etwas sehen zu wollen – einen Vorhang beiseite zu schieben, einen Schleier abzureißen, ein verdecktes Bild umzudrehen. Damit eröffnet sich die Dynamik von Anspruch und Begehren. Und es wäre zweitens durch Abwehr gekennzeichnet: durch das Genug-gesehen-Haben, durch das Nicht-mehr-sehen-Wollen, durch das Davongehen. Dies wäre der Aspekt des Ichs (moi) im skopischen Feld.]
Diego Velázquez: das blickende Subjekt
Der Maler – der gemalte Diego Velázquez – hat eine bestimmte Position [in deutlichem Abstand zum Bild]. Er richtet den Blick auf uns, die Betrachter. Dabei ist sein Blick so wenig nach außen gerichtet wie nur möglich, das sagt die Mehrheit der Autoren, die sich zu diesem Bild geäußert haben; Velázquez hat [hierdurch] ein träumerisches, abwesendes Aussehen. (30)
Das Aussehen des gemalten Malers zeigt, so wird gesagt, dass er auf einen disegno interno gerichtet ist, auf einen inneren Entwurf [nämlich auf den Entwurf des Gemäldes Las meninas]. So wird angezeigt, dass er eine Doppelrolle hat: er ist Bestandteil eines Gemäldes, das er gleichzeitig komponiert. (30–31)
Mit disegno interno wird das im manieristischen Diskurs bezeichnet, womit er, Lacan, sagen wolle, dass es in diesem Diskurs keine Metapher gibt, dass die Metapher hier als realer Bestandteil hinzukommt. (30)
Das Gesicht von Velázquez ist das Zeichen dafür, dass er im Bild anwesend ist und es zugleich komponiert; das ist ein struktureller Punkt, durch den uns bezeichnet wird, wie es möglich ist, dass jemand, der auf dem Bild erscheint, sie als „blickendes Subjekt“ stützt. [Der gemalte Diego Velázquez entspricht demnach dem blickenden Subjekt, im Gegensatz zum gemalten Nieto Velázquez, dem sehenden Subjekt.] (30–31)
[In der Perspektivekonstruktion wird das blickende Subjekt durch einen Punkt im Unendlichen repräsentiert. Es muss also noch erklärt werden, wie das blickende Subjekt auf dem für uns sichtbaren Gemälde erscheinen kann, im Endlichen.]
Das ist etwas Verblüffendes, das nur von der topologischen Struktur her bestimmt werden kann, die er, Lacan, eingeführt hat. [Nämlich von der Beziehung zwischen dem Distanzpunkt im Unendlichen der Horizontlinie (dem Punkt des blickenden Subjekts), dem Fenster in Ebene S (und damit dem Blick als Objekt a) und den zwei Runden des Schautriebs.] (31)
Beziehung des Gemäldes zum Fenster
Über zwei Merkmale des gemalten Malers ist zu sprechen. Erstens über das, worauf sich sein Blick richtet. Alle sagen, dass wir es sind, die Betrachter, auf die sich sein Blick richtet. [Diese Auffassung vertritt u.a. Foucault.] Und daran ist richtig, dass sein Blick uns zu etwas aufruft, denn wir reagieren so, wie er, Lacan, es gesagt hat. [Indem wir nämlich den Anspruch erheben: „Lass sehen!“] (31)
Entscheidend am Blick des gemalten Malers [der sich nach außen und zugleich nach innen richtet] ist jedoch, dass er eines der Elemente ist, die dazu führen, dass sich das Gemälde bis in die Dimension des Fensters erstreckt [d.h. bis zum Platz des Betrachters und damit des Augpunkts]. [Damit bringt Lacan den Abstand zwischen der Bildebene und der Ebene des betrachtenden Subjekts ins Spiel.] Insgesamt wird der Bezug des Gemäldes auf das Fenster durch drei Faktoren hergestellt: zum einen durch den Blick des gemalten Velázquez [durch das blickende Subjekt], außerdem durch das von uns weggedrehte Bild-im-Bild [also durch die Vorstellungsrepräsentanz, durch den Signifikanten] und schließlich durch den gemalten Raum, der alle als einmalig verblüfft [insofern der gemalte Raum gewissermaßen auf den Raum vor dem Bild übergreift]. (31)
Auf einer Seite des [wirklichen] Bildes [nämlich auf der linken Bildseite] wird durch das Bild[-im-Bild] der Raum vor dem Bild erzeugt [im Schema der Perspektive ist der Raum vor dem Bild der Abstand zwischen der Bildebene und der Ebene des betrachtenden Subjekts]. Das Bild-im-Bild ist gewissermaßen in sich umgestülpt, wir werden [durch es] als diejenigen bezeichnet, die diesen Raum bewohnten [insofern als das Bild-im-Bild uns die Frage aufdrängt, was auf der abgewandten Vorderseite zu sehen ist; durch diese Frage werden wir zu Subjekten, entsprechend dem Punkt S, dem Augpunkt]. Und im Blick des gemalten Velázquez [des blickenden Subjekts] wird das Fenster vergegenwärtigt [und damit der Blick als Objekt a]. Es ist nicht zufällig, dass Velázquez [im Gemälde] an diesem Platz steht [in deutlichem Abstand zum Bild-im-Bild] und dass er diese [träumerische] Haltung einnimmt. Dies beides [das umgedrehte Bild und außerdem Blick und Position von Velázquez] ist das, was uns fesselt. (31–32)
[Der Blick als Objekt a wird also ins Spiel gebracht einerseits durch das blickende Subjekt (der gemalte Maler), andererseits durch den Signifikanten (das Bild im Bild), drittens durch den Raum. Die fesselnde Wirkung des Bildes beruht darauf, dass es durch das Zusammenwirken der genannten drei Faktoren die Ebene des Betrachters ins Spiel bringt, d.h. dass es den Betrachter in die Position des Blicks bringt.
Der Abstand des blickenden Subjekts und die Spur seiner Rückkehr
[Lacan spricht jetzt, nach dem Objekt des Blicks, über das zweite Merkmal des gemalten Velázquez.] Im Bild gibt es eine Überschneidung [der Gedanke bricht ab, wir erfahren nicht, was sich womit überschneidet]. (32)
Im Gemälde ist der Raum zwischen dem gemalten Malers und dem Bild-im-Bild deutlich betont, der Maler steht so weit vom Bild entfernt, dass er es nicht erreichen kann. Darin liegt eine Absicht. [Der Abstand des gemalten Malers vom Bild-im-Bild wiederholt innerhalb des Bildes den Abstand des Betrachters vom Bild, ähnlich wie im Schema der Perspektive die Distanz zwischen Augpunkt und Fluchtpunkt innerhalb des Bildes durch den Abstand von Fluchtpunkt und Distanzpunkt aufgenommen wird. Wenn der gemalte Maler dem blickenden Subjekt entspricht und das Bild-im-Bild dem Signifikanten, geht es hier also um den Abstand des blickenden Subjekts vom Signifikanten.– Den Abstand des gemalten Malers vom Bild-im-Bild hatte Foucault gleich in den ersten Sätzen seiner Las-meninas-Analyse hervorgehoben.] (32)
Der Abstand des Malers vom Bild wird dadurch betont, dass die übrigen Personen des Bildes in zwei Gruppen aufgeteilt sind, eine, die vor dem Maler steht, und eine, die hinter ihm platziert ist. Auf diese Weise wird uns der Abstand des Malers vom Bild-im-Bild nicht nur präsentiert (présenté), sondern durch diese Spur auch vergegenwärtigt (présentifié) [durch die Spur, die im Abstand zwischen den beiden Gruppen besteht]. Eine Querlinie [zwischen den beiden Gruppen] markiert, dass es sich hier [bei ihrem Abstand] gewissermaßen um das Kielwasser des Vorübergehens der phantasmatischen Gegenwart des Malers als blickendes Subjekts handelt. [Der Abstand des gemalten Malers vom Bild wird durch den Abstand zwischen den beiden Gruppen markiert. Dabei deutet Lacan den Abstand zwischen den Gruppen so, dass der Maler gewissermaßen zwischen den Personen hindurchgegangen ist und sie dadurch in zwei Gruppen aufgeteilt hat; das Gemälde Las meninas erfasst den Maler in einer Art Momentaufnahme am Ende dieses Durchgangs. Die Distanz zwischen den Gruppen ist das Kielwasser, dass der Maler durch seinen Durchgang erzeugt hat, sie ist die Spur seines Vorübergehens als blickendes Subjekt. Festzuhalten ist, dass der Maler hier als blickendes Subjekt bezeichnet wird und dass sein Durchgang als „phantasmatisch“ charakterisiert wird, also auf das Phantasma bezogen wird.] (32–33)
[Die Zeichnung unten zeigt eine Aufsicht der gemalten Szene. Den Abstand des Malers vom Bild habe ich mit einer blauen Line eingetragen, die Distanz zwischen den beiden Gruppen mit einer grünen.]
[Lacan fasst seine Rekonstruktion des Distanzpunktes in einer Formulierung zusammen, die einen Versprecher enthält:] Das „Blicksubjekt kommt irgendwo auf die Ebene der Überschneidung der Grundlinie mit dem Boden der Perspektive und an einem Punkt im Unendlichen“. [Es müsste heißen: Das blickende Subjekt ist an dem Punkt verortet, an dem sich die Grundlinie (d.h. die Überschneidung der Bildebene mit dem Boden der Perspektive) mit der unendlich fernen Linie der Bildebene schneidet, also an dem unendlich fernen Punkt der Grundlinie.] Dieser Punkt des Blicksubjekts ist der Punkt, aus dem Velázquez einen der Züge dieses Selbstporträts gemacht hat, indem er ihm eine gespenstische Form gegeben hat. [Velázquez, das blickende Subjekt, ist von einem Punkt im Unendlichen zurückgekehrt, und der Abstand zwischen den beiden Gruppen ist die Spur dieser Rückkehr aus dem Unendlichen. Die These, dass der Maler von einem Punkt im Unendlichen zurückkehrt, wird hier nur angedeutet, in der Folgesitzung wird sie ausdrücklich formuliert (Version J.L. Seite 40). Die gespenstische Form des Selbstporträts ist demnach eine Entsprechung dazu, dass der Distanzpunkt unendlich entfernt ist. Mit „gespenstisch“ spielt Lacan sicherlich auf das Phantasma an – das blickende Subjekt fungiert als Teil des Phantasmas.] (33)
[Der gemalte Maler zeichnet sich also durch folgende Merkmale aus: die Richtung des Blicks (damit der Bezug auf das Fenster), das träumerische Ausssehen, der Abstand vom Bild und die Verbindung mit dem Abstand zwischen den beiden Gruppen als Spur seiner Rückkkehr von einem Punkt im Unendlichen.]
Diese Art des Porträts unterscheidet sich deutlich vom [sonstigen Porträt-]Stil des Malers, etwa vom Porträt von Innozenz X. (33)
[Der gemalte] Velázquez würde Ihnen sagen: „Glauben Sie etwa, mit diesem Tropfen da, mit diesem Öl, mit diesem Pinsel würde ich ein Selbstporträt malen?“ [Das bezieht sich auf die klassischen Attribute des Malers, die in Las meninas Teil des Selbstporträts sind: die Palette mit Farben und der Pinsel (auf guten Reproduktionen sieht man auch den Malstock). Lacan deutet das Aussehen des Malers so, dass sein Blick die traditionellen Handwerksattribute in Frage stellt und damit als eine Art Immaterialisierung des Porträts. Das Selbstporträt von Velázquez ist also kein Selbstporträt, sondern das Gespenst des blickenden Subjekts.] (33)
Das Gespenst oder Phantom des blickenden Subjekts ist durch die Spur [von einem Punkt im Unendlichen] wiedergekehrt. [Der Abstand zwischen den beiden Gruppen ist die Spur des Durchgangs des Gespensts.] [Die Formulierung spielt auf das Gespenst als Wiedergänger an (als Wesen, das von den Toten zurückgekehrt ist), sie verweist außerdem auf die Hin-und-Zurück-Bewegung des Schautriebs.] (33)
[Damit ist klar, worin für Lacan in diesem Gemälde die zweite Runde des Schautriebs besteht: in der Rückkehr von Velázquz an den Platz neben dem Bild im Bild, ausgehend von einem Punkt im Unendlichen.]
Die Spur [des blickenden Subjekts] schwingt hier in allen Personen mit. Man behauptet über dieses Bild, es sei ein Bild der sich kreuzenden Blicke, eine Art Inter-Vision, so als ob alle in einer Beziehung zu allen anderen stünden. [Damit wären wir bei der Beziehung zum imaginären anderen.] Tatsächlich aber fixiert keiner der Blicke irgendetwas, mit Ausnahme der Hofdame, die auf die Infantin schaut; alle anderen Blicke verlieren sich in einem unsichtbaren Punkt. [Mit dem „unsichtbaren Punkt“ spielt Lacan wohl auf den unendlich fernen Punkt auf der Horizontlinie an.] In diesem Bild, in dem es ein Spiel der Blicke geben soll, gibt es keine zwei Blicke, die sich kreuzen, gibt es keine einvernehmlichen Blicke, keine einverständigen Blicke. Sämtliche Blicke sind anderswo. [„Anderswo“: sie richten sie auf einen unsichtbaren Punkt.] (33 –34)
Als würde jemand sagen, „Ein Engel ist vorübergegangen“, nämlich der Maler [als blickendes Subjekt]. [Dass die Blicke sich auf einen unsichtbaren Punkt richten, ist ein Effekt dessen, dass der Maler zwischen ihnen hindurchgegangen ist und sie geteilt hat. Nahezu alle Blicke beziehen sich auf die zweite Runde des Schautriebs.] (34)
Die andere Menina, Isabel de Velasco, „ist hier gewissermaßen wie verboten“, sie breitet die Arme wie von der Spur dieses Vorübergehens aus. Die Fehlgebildete, Mari Bárbola, schaut keineswegs zu uns hinüber, sondern „anderswo hin“. Der Kleinwüchsige, Nicolas Pertusato, tritt den Hund und scheint ihm zu sagen: „Du schnarchst wohl! Hast du nicht die Maus geschnuppert, die gerade vorbeilief?“ [Er scheint den Hund aufzufordern, seinen Blick auf etwas zu richten, das verschwunden ist. Offenbar soll selbst der Hund sich in ein begehrendes Subjekt verwandeln.] Die Infantin blickt nicht die Dienerin an, von der sie angeblickt wird. Der Blick des Mannes hinten in der Tür, also der von Nieto Velázquez, richtet sich auf nichts Bestimmtes, dieser Blick besagt nur: „Ich verlasse dich.“ (34–35)
Der Platz vor dem Bild: das Fenster
[Lacan geht nun der Frage nach, wen oder was wir am Platz des Betrachters annehmen müssen, also gewissermaßen vor dem Bild (dort, wo ihm zufolge der Platz des Fensters ist). Er greift damit eines der Hauptthemen von Foucaults Las-meninas-Analyse auf.]
Was bedeutet es, wenn man sagt, in der ersten Ebene [des Schemas der Perspektive, in Ebene S, in der Verschwindungsebene], also am Platz des Betrachters, stehe das Königspaar und es werde in dem Spiegel reflektiert, der im Hintergrund des Bildes zu erkennen ist? Und was bedeutet es, wenn man diese These ins Zentrum der Theorie dieses Bildes stellt? Klar ist, dass dies den Betrachter freut [da es seinen Narzissmus befriedigt – er steht am Platz des Königs]. [Die These, dass das Königspaar am Platz des Betrachters ist, wird auch von Foucault vertreten.] (35)
Lacan wendet hiergegen ein: Wo zeigt sich in diesem Bild der Maler, wo möchte er, dass wir ihn unterbringen? [Der gemalte Maler steht inmitten der in Las meninas dargestellten Gruppe, und damit stellt sich die Frage, wie das möglich ist.] Man hat eine andere These aufgestellt, [die zu erklären versucht, wie der Maler mitten in der Gruppe stehen kann, die er malt]. Diese These ist verführerisch, sie besagt, dass am Platz des Betrachters ein sehr großer Spiegel aufgestellt war und dass der Maler dieses Spiegelbild abgemalt hat, in welchem er sich also selbst inmitten dieser Gruppe auf die Weise erblickte, wie wir ihn heute im Gemälde Las meninas sehen. Diese These verwandelt uns [die Betrachter] in einen Spiegel, sie appelliert an all das, was Lacan über das Bezogensein des Subjekts auf den [imaginären] anderen in Erinnerung bringt.(35–36)
Hiervon ausgehend möchte Lacan, so sagt er, den strengen Unterschied zwischen dem Spiegel und dem Fenster zeigen. Das sind zwei Termini, die strukturell in keiner Beziehung zueinander stehen. (36)
Gegen die These, das Gemälde Las meninas sei ein abgemaltes Spiegelbild, führt Lacan an, dass der dargestellte Maler rechtshändig ist, dass er also in Wirklichkeit linkshändig gewesen sein müsse, dass dies in den historischen Quellen jedoch nicht erwähnt wird, obwohl solche Details gern überliefert werden. (36)
Wie auch immer, falls die These stimmt, dass am Platz des Betrachters ein großer Spiegel aufgestellt ist, ist sie unvereinbar mit der Auffassung, dass hier das Königspaar steht. Entweder gibt es hier das Königspaar oder einen Großspiegel, man muss sich entscheiden. (36)
[Dasselbe gilt für die Beziehung zwischen Königspaar und Maler.] Falls am Platz des Betrachters das Königspaar steht, um sich malen zu lassen, kann nicht der Maler am Platz des Betrachters sein. Am Platz des Betrachters war entweder ein Großspiegel oder das Königspaar oder der Maler, aber nur eine dieser drei Möglichkeiten, [Die Einzelheiten von Lacans Argumentation zu diesem Punkt kann ich sprachlich nicht entwirren, es gibt zu oft ein „hier“ und ein „dort“, also Verweise auf Positionen im projizierten Gemälde, die ich nicht klar zuordnen kann.] (36–37)
Wenn man annimmt, dass König und Königin „hier“ sind [„hier“: am Platz des Betrachters], dann können Sie nicht im Spiegel [im Hintergrund] erscheinen, dann werden sie im Spiegelbild zu groß dargestellt; im Spiegel müssten sie halb so groß sein. Aber das ist nur ein zusätzlicher Einwand. [Ich weiß nicht, ob dieser Größeneinwand technisch stimmt, jedenfalls wird er auch von einigen anderen Autoren vorgebracht.] (37–38)
Falls König und Königin dort sind [„dort“: vermutlich am Platz des Betrachters], ist der Maler „hier“ [neben dem Bild im Bild], wir hätten also die Situation, dass das Königspaar als Modell am Platz des Betrachters steht und all diese Personen vor sich sieht [all diejenigen, die wir Betrachter ebenfalls im Gemälde vor uns sehen]. (38)
Sie könnten sehen, was die natürliche Folge wäre, falls Velázquez etwas anderes malt als das Königspaar, er würde dann etwas malen, was er nicht sieht, da er diese Personen um sich herum sieht. [?] (38)
Im Gegensatz zu dieser offenkundigen Unmöglichkeit [etwas zu malen, was man nicht sieht] behauptet Lacan: Das Wesentliche, was von diesem Gemälde angezeigt wird, ist die Funktion des Fensters [und damit die Funktion des Blicks als Objekt a]. [Am Platz des Betrachters (in Ebene S, in der Verschwindungsebene) ist weder ein Spiegel anzunehmen noch das Königspaar noch der Maler, sondern das Fenster. Das Fenster wird vom Gemälde Las meninas „angezeigt“, anders gesagt, das Gemälde verweist auf das Fenster als etwas, das außerhalb des Bildes liegt, das gewissermaßen vor dem Bild lokalisiert ist. Auf diese Weise spannt das Gemälde gewissermaßen den Platz zwischen dem Gemälde und dem Fenster auf.] (38)
Aus: John F. Moffitt: Velázquez in the Alcazar Palace in 1656: The Meaning of the Mise-en-scène of Las meninas. In: Art history, 6. Jg. (1983), Nr. 3, S. 272–300, hier: S. 283 (Ausschnitt).
Die Beschriftungen habe ich geändert, farbliche Markierungen von mir
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Das Fenster wird auch durch die Spur angezeigt [durch den Abstand zwischen den beiden Personengruppen]. Diese Spur ist dadurch charakterisiert, dass der Maler hierher [zum Fenster, zum Blick als Objekt a] zurückkehren kann. [Die Spur – der Abstand zwischen den beiden Gruppen – zeigt (für Lacan) an, dass der Maler (bzw. sein Gespenst) von außerhalb des Bildes, gewissermaßen vom rechten Bildrand her, an den Platz neben dem Bild-im-Bild zurückgekehrt ist. Die Spur ist weiterhin sichtbar, und damit wird, Lacan zufolge, signalisiert, dass er zum Fenster bzw. zum Objekt a zurückkehren kann.] Diese Markierung der Spur zeigt uns, inwiefern der leere Platz [der Abstand?] eben dort ist [wo?]. (38)
Das Königspaar: der getäuschte allsehende Andere
Symmetrisch [als Gegenpol] zu diesem leeren Platz erscheinen diejenigen, bei denen es nicht um den Blick geht, sondern um die Unterstellung, dass sie alles sehen [erscheinen also König und Königin]. [Das Attribut „allsehend“ ist ein traditionelles Attribut des christlichen Gottes.] (38)
[Neben dem sehenden Subjekt und dem blickenden Subjekt gibt es im skopischen Feld demnach noch eine weitere Funktion des Sehens: den allsehenden Anderen. Für diese Größe gibt es keine Entsprechung im Schema der Perspektive; Lacan verlässt hier die Koordinaten der Topologie.]
König und Königin erscheinen für Lacan nicht in einem Spiegel, sondern wie hinter einem Gitter oder hinter einer Einwegscheibe, und im Grenzfall könnte man sogar annehmen, dass sie die im Vordergrund dargestellte Szene von einem sogenannten Verbindungszimmer aus heimlich beobachten. (39)
Die Welt, in der man eine Vorstellung gibt [wie die Personen des Vordergrunds es tun], stützt sich auf die Unterstellung, dass sie [die Herrscher] alles sehen. [Die Unterstellung, dass die Herrscher alles sehen, ist also paradoxerweise mit der Annahme verbunden, dass sie sich täuschen lassen.] (39)
Das liefert uns eine Parallele zum „ich denke, also bin ich“ von Descartes. Velázquez sagt: „Ich male, also bin ich.“ [Lacan deutet Descartes’ „Ich denke, also bin ich“ als Spaltung zwischen dem Ich, welches denkt, und dem Ich, welches ist. Also geht es wohl auch bei der Übertragung auf Velázquez um eine Spaltung, zwischen dem malenden Ich und dem seienden Ich.] (39)
[In welchem Sinne „ist“ Velázquez? Das wird mit den folgenden Bemerkungen angedeutet.] Velázquez sagt gewissermaßen: „Ich bin derjenige, der Sie dem überlässt, was ich gemalt habe, damit Sie sich in alle Ewigkeit Fragen dazu stellen können.“ [Das Sein von Velázquez besteht darin, dass er die Betrachter dazu bringt, sich Fragen zu stellen – zum Beispiel die Frage, was auf der verdeckten Leinwand zu sehen ist, „Lass sehen!“.] „Ich bin an dem Ort, von dem aus ich an den Platz zurückkehren kann, den ich Ihnen überlasse.“ [Das Sein von Velazquez (im Unterschied zu seinem Malen) wird topologisch bestimmt, als Beziehung zwischen dem Ort, an dem er jetzt ist (neben dem Bild-im-Bild) und dem Ort, an dem er war und an den er zurückkehren kann (der Platz des Fensters). Diesen Platz (des Fensters) überlässt er dem Betrachter – die Fesselung des Betrachters beruht darauf, dass der Betrachter durch das Gemälde an den Platz des Fensters gebracht wird, des Blicks als Objekt a.] Dieser Platz ist derjenige, „an dem es einen Sturz und eine Verwirrung gibt, von etwas, das den Kern des Subjekts ausmacht.“ [Der Platz des Fensters ist ein Platz, an dem sich Sturz und Verwirrung einstellt – durch die Konfrontation mit dem Objekt a. Der Kern des Subjekts ist das Begehren; das Begehren stützt sich auf die Beziehung zum Objekt a.] (39)
Am anderen Punkt haben wir die Gegenwart des Königspaares, und dieses Paar spielt exakt dieselbe Rolle wie der Gott von Descartes [in den Meditationen], nämlich dafür zu sorgen, dass in all dem, was wir sehen, nichts uns täuscht. [Das Königspaar hat wie der Gott von Descartes die Funktion, die Wahrheit zu garantieren, in diesem Falle die Wahrheit im Felde des Sehens, garantiert durch ihr Allsehen. Mit der Frage der Wahrheit kommt das Symbolische ins Spiel.] Die Bedingung hierfür ist allerdings, dass der allgegenwärtige Gott selbst getäuscht wird [dass man ihm eine Vorstellung gibt]. [Neben das Prädikat „allsehend“ wird jetzt das Prädikat „allgegenwärtig“ gestellt. Der allsehende und allgegenwärtige Gott wird getäuscht, damit sind wir in der Ordnung der Spaltung des Anderen und des Schirms: das, was sich ihm zeigt, verbirgt etwas.] Und auf diese Weise funktioniert die Gegenwart dieser Wesen in der eigenartig verschwommenen Atmosphäre des Spiegels. (39–40)
Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem allsehenden Anderen und dem Blick als Objekt a
„Wenn dieser Spiegel hier in gewisser Weise das Äquivalent von etwas ist, das auf der Ebene des Subjekts A, das hier ist, verschwinden wird, wie als Gegenstück zu diesem klein a des Fensters in der ersten Ebene, verdient es das nicht, dass wir uns noch ein wenig dabei aufhalten?“ [Der Spiegel mit dem Königspaar ist das Gegenstück zum Fenster als Objekt klein a; hier geht es wieder um den Gegensatz zwischen dem Sehen und dem Blick.] [Die Ebene des Subjekts A ist, so vermute ich, die durch den Augpunkt führende Ebene des Betrachters, Ebene S. Auf dieser Ebene verschwindet etwas, vielleicht: hier verschwindet das sehende Subjekt.]
Der Maler Luca Giordano, genannt Fa Presto [italienisch für „(er) macht schnell“], hat über Las meninas gesagt: „Das ist die Theologie der Malerei.“ Das beruht auf dieser theologischen Ebene [also auf dem Aspekt des Allsehens]. Zu dieser theologischen Ebene kommt es durch das Königspaar, das schimmernd im Rahmen im Bildhintergrund erscheint; es hat dieselbe Funktion wie der Gott von Descartes. (40)
Der Gott von Descartes ist die Stütze einer Welt, die dabei ist, sich durch das subjektivische Phantom zu verwandeln. [Das subjektivische Phantom ist vermutlich die idealistische Vorstellung, dass die ganze Welt vom Subjekt abhängt (in der vorangegangenen Sitzung hatte sich Lacan darauf bezogen).] (40)
Lacan spricht zum Schluss dieser Sitzung darüber, was Velázquez an Visionärem haben kann. Denn man könne hier nicht von Realismus sprechen, man würde beispielsweise nicht wagen zu behaupten, das Bild Die Spinnerinnen sei eine Darstellung des Volkes in seiner Ungeschliffenheit. (40)
Sicherlich, das ist etwas, das aufblitzte, als Velázquez die königliche Teppichmanufaktur verließ. Man sieht aber sofort, dass dieses Bild von jedem Realismus weit entfernt ist. Und außerdem gibt es keinen realistischen Maler, der nicht visionär wäre. (40)
Der Maler rahmt uns mit dem Fenster ein [damit könnte der Rand von Las meninas gemeint sein]. Im polaren Gegensatz hierzu erscheinen im Hintergrund [von Las meninas] wie in einem Spiegel bestimmte Personen [der Rahmen, in dem das Königspaar erscheint, steht im Gegensatz zum Rahmen von Las meninas]. Sie erscheinen darin flackernd; nicht gespenstisch, aber leuchend. Lacan kam hierzu der Gedanke, sagt er, dass der Maler im Hintergrund etwas auftauchen lässt, was in den Beziehungen des Subjekts zum Objekt a einen wichtigen Platz einnimmt: den Fernsehschirm. [Der Fernsehschirm ist etwas, das flackert und leuchtet (und abgetrennt ist), damit verkörpert er den Blick als Objekt a.] .
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Anmerkungen
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Abbildung und Bildlegende aus dem Wikipedia-Artikel „Las Menias“.
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Spiegelstadium: Die Theorie des Spiegelstadiums hatte Lacan zuerst 1936 auf dem 14. Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Marienbad vorgestellt. Der Text dieses Vortrags ist nicht erhalten. Die älteste Veröffentlichung ist: J. Lacan: Die Familie (1938). Übersetzt von Friedrich A. Kittler. In: Ders.: Schriften III. Hg. v. Norbert Haas. Walter, Olten 1980, S. 39–100, darin das Kapitel „Der Komplex des Eindringlings“, S. 54–62.
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professeur: Das französische Wort professeur meint, wie im Österreichischen das Wort „Professor“, nicht nur den Hochschullehrer, sondern auch den Gymnasiallehrer.
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etwas Strukturelles: Was ist das Strukturelle? Die Beziehung zwischen Wissen und Begehren, d.h. zwischen Wissen und (unbewusster, sich in Überraschungen zeigender) Wahrheit, sowie die narzisstische Verkennung dieser Spaltung, wie es anschließend heißen wird.
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Wissen und Wahrheit
Der Gegensatz von Wissen und Wahrheit war Thema von Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, und Thema der ersten Sitzung des laufenden Seminars Das Objekt der Psychoanalyse (1. Dezember 1965). Eine Transkription dieser ersten Sitzung wurde im Januar 1966 unter dem Titel Die Wissenschaft und die Wahrheit in den Cahiers pour l’analyse veröffentlicht und in den Écrits nachgedruckt. Vgl. J.L.: Die Wissenschaft und die Wahrheit. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 401–428.
Die Spaltung von Wissen und Wahrheit ist für Lacan eine Form der Subjektspaltung. Im Rahmen der Psychoanalyse entspricht das Wissen der Identifizierung und dem Ichideal, die Wahrheit dem Symptom und damit dem Begehren und dem Mangel, dem Objekt a.
Lacan:
„Die Schwierigkeit des Seins des Psychoanalytikers liegt in dem, was ihm als Sein des Subjekts begegnet, nämlich das Symptom.
Dass das Symptom ein Sein-von-Wahrheit ist, das ist das, worin jeder zustimmt, sofern man weiß, was Psychoanalyse bedeutet, was auch immer getan werden mag, um das zu verwirren.“
(J. Lacan : Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. Compte rendu du séminaire 1964–1965. In : Ders.: Autres écrits. Seuil, Paris 2001, S. 201, Übersetzung auf dieser Website hier.)
Anspruch und Begehren: Die Unterscheidung von Anspruch und Begehren hatte Lacan zuerst entwickelt in Seminar 5 von 1958/59, Die Bildungen des Unbewussten, ab der Sitzung vom 27. November 1958, über das gesamte Seminar hinweg.
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Cogito: Lacan bezieht sich hier auf Überlegungen zum „Ich denke, also bin ich“, die er vor allem in Seminar 9, Die Identifizierung, entwickelt hatte (Sitzungen vom 15. und 22. November 1961 und vom 10. Januar 1962), dann wieder in Seminar 12, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, Sitzung vom 9. Juni 1965.
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auf eine Weise denkt: Anspielung auf Freuds Konzept des unbewussten Denkens, etwa im Begriff des „Traumgedankens“ bzw. des „latenten Traumgedankens“.
Derjenige, der „ich bin“ denkt, diese Formulierung steht im Kontext der Psychoanalyse für das bewusste Denken und für das Ichs. Das sein, was denkt, bezieht sich auf das unbewusste Denken.
Überraschung
Das Unbewusste hat den Charakter des Überraschenden, sagt Lacan mit Freud und Reik. Zur Überraschung vgl. Seminar 4, Die Objektbeziehung (1956/57), Version Miller/Gondek, S. 320 f.; J.L.: Anmerkung zum Bericht von Daniel Lagache „Psychoanalyse und Struktur der Persönlichkeit“. In: J.L.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 146–191, hier: 173.
In Seminar 9 (Die Identifizierung, 1961/62) heißt es:
„Man muss sagen, dass es auch eine Erfahrungstatsache ist, deren Frische, wenn man so sagen kann, wir verloren haben (…), diese Frische, die dem entspricht, was ich die Schockwirkung, die Überraschungswirkung genannt habe, wie sie von Freud selbst definiert worden ist als kennzeichnend für dieses Auftauchen von Beziehungen des Unbewussten.“
(Version Staferla, 13. Dezember 1961, meine Übersetzung)
Für den Zusammenhang von Unbewusstem und Überraschung verweist Lacan, außer auf Freud, auf Theodor Reik, Listening with the third ear (1948). (dt.: Hören mit dem dritten Ohr. Klotz, Eschborn bei Frankfurt am Main, 3. Auflage 2007), vgl. Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964), Version Miller/Haas, S. 31. Zu ergänzen wäre: Th. Reik: Der überraschte Psychologe. Über Erraten und Verstehen unbewußter Vorgänge. A.W. Sijthoff’s Uitgeversmaatschappij, Leiden 1935.
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Subjektspaltung: Den Terminus division du sujet (Teilung des Subjekts, Spaltung des Subjekts) findet man in den Écrits zuerst in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten (geschrieben vermutlich 1962), vgl. Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 365. In den Seminaren erscheint der Ausdruck zuerst in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 3. Juni 1964, vgl. Version Miller/Haas S. 229.
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Status desjenigen, dem zu wissen unterstellt wird: Lacans Überlegungen zum Status des Analytikers münden in seinem Vorschlag vom 9. Oktober 1967 über den Psychoanalytiker der École.
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die Mittel, darin einzuführen: Gemeint ist sicherlich eine gründliche Psychoanalyse.
schize: Das altgriechische Wort schize bedeutet „Spaltung“.
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als gespaltenes Subjekt antworten
Damit bezieht Lacan sich wohl auf Erfahrungen, die Freud als Gegenübertragung bezeichnet (zuerst in: S. Freud: Die zukünftigen Chancen der psychoanalytischen Therapie (1910). In: Ders.: Studienausgabe. Schriften zur Behandlungstechnik. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 121–132, hier: S. 126).
Vgl. auch Freuds Bemerkung, er
„habe nicht ohne gute Gründe behauptet, daß jeder Mensch in seinem eigenen Unbewußten ein Instrument besitzt, mit dem er die Äußerungen des Unbewußten des anderen zu deuten vermag.“
(S. Freud: Die Disposition zur Zwangsneurose (1913). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 7. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 105–118, hier: S. 112)
Und:
„Die Erfahrung zeigte bald, daß der analysierende Arzt sich dabei am zweckmäßigsten verhalte, wenn er sich selbst bei gleichschwebender Aufmerksamkeit seiner eigenen unbewußten Geistestätigkeit überlasse, Nachdenken und Bildung bewußter Erwartungen möglichst vermeide, nichts von dem Gehörten sich besonders im Gedächtnis fixieren wolle, und solcher Art das Unbewußte des Patienten mit seinem eigenen Unbewußten auffange.“
(S. Freud: „Psychoanalyse“ und „Libidotheorie“ (1923, zwei Artikel aus der Encyclopædia Britannica). In: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 13. S. Fischer, Frankfurt am Main 5. Aufl. 1967, S. 211–233, hier: S. 215)
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Möglicherweise ist gemeint: Ein visuelles Schema befördert die Illusion der Totalität und droht damit, den Zugang zur Subjektspaltung zu versperren.
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visuelle Beziehung zur Welt: Anspielung auf die Formel für die Struktur des Phantasmas, $ ◊ a, ausgestrichenes Subjekt, Raute bzw. Schnitt, Objekt a, mit dem Blick als Objekt a.
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Unterscheidung von Blick und Sehen: Vgl. J. Lacan: Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzungen vom 19. Februar, 26. Februar, 4. März und 11. März 1964. An diese Unterscheidung hatte er im laufenden Seminar bereits in der Sitzung vom 27. April 1966 erinnert, siehe die Übersetzung hier. Zur Unterscheidung von Sehen und Blick vgl. auf dieser Website den Artikel Lacans Schema von Auge und Blick.
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Panofsky: Erwin Panofsky: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Hg. v. Hariolf Oberer und Egon Verheyen. Hessling, Berlin 1964. Hiervon gab es 1992 einen Reprint im Verlag Volker Spiess, Berlin.– Italienische Ausgabe: Erwin Panofsky: La prospettiva come „forma simbolica“ et altri scritti. Feltrinelli, Mailand 1961.– Eine französische Übersetzung wurde erst später veröffentlicht: La perspective comme forme symbolique, et autres essais. Übersetzt unter der Leitung von Guy Ballangé. Éditions de Minuit, Paris 1975.
Aus einer Bemerkung in der Sitzung vom 1. Juni 1966 ergibt sich, dass Lacan sich beim Thema der Perspektive auch auf zwei Texte von William Ivins stützt:
– William Mills Ivins: Art & geometry : a study in space intuitions. Harvard Press, Cambridge, Mass. 1946 (135 S.), Neuauflage: Dover Publ., New York 1964
– Ders.: On the rationalization of sight. With an examination of three renaissance texts on perspective. Mit einer Reproduktion der Ausgaben 1505 und 1509 von Viator, De artificiali perspectiva. Da Capo Press, New York 1973 (Reprint der ersten Auflage: The Metropolitan Museum of Art, New York 1938) -
Projektionsverhältnis: Gemeint ist eine bestimmte Art der Projektion, nämlich die Zentralprojektion, die dadurch gekennzeichnet ist, dass alle Projektionsgeraden durch einen einzigen Punkt führen.
Bild und Boden der Perspektive: In der vorangegangenen Sitzung hatte Lacan die beiden Ebenen als plan-figure („Abbildungsebene“), und plan-support („Trägerebene“), unterschieden. In dieser Sitzung spricht er stattdessen von plan du tableau oder plan-tableau („Bildebene“) und sol perspectif („Boden der Perspektive“).
projektiver Raum: Damit bezieht Lacan sich auf die projektive Geometrie, d.h. auf eine Geometrie mit Punkten im Unendlichen, in denen sich die Parallelen schneiden (Fernpunkten), sowie mit Ferngeraden und Fernebenen, d.h. Geraden und Ebenen, die ganz und gar, mit all ihren Punkten, im Unendlichen liegen. Die nicht intuitionierbaren Elemente sind Fernpunkte, Ferngeraden und Fernebenen. In der euklidischen Geometrie, auf die sich die Renaissance-Perspektive stützt, sind solche Elemente ausgeschlossen (durch das sogenannte Parallelenaxiom).
das Ausgedehnte: Der Ausdruck l’étendue wird in der französischen Philosophie des 19. und 20. Jh. meist für räumliche Gebilde wie Linien, Flächen und Körper verwendet (vgl. André Lalande: Vocabulaire technique et critique de la philosophie. Quadrige, PUF, Paris 4. Aufl. 1997 (1. Aufl. 1926), Artikel „Étendu“, S. 304).
das projektive Ausgedehnte: Linien, Flächen und Körper im Rahmen der projektiven Geometrie.
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Eine kohärente Geometrie: Lacan referiert hier den Grundgedanken der projektiven Geometrie – es gibt eine Gerade im Unendlichen und von hier aus lässt sich eine Geometrie der Zentralprojektion entwickeln, die sich von der euklidischen Geometrie unterscheidet. Die beiden Gründungswerke sind:
– Girard Desargues: Brouillon projet d’une atteinte aux evenemens des rencontre du cone avec un plan. Paris 1639.
– Jean-Victor Poncelet: Traité des propriétés projectives des figures. Paris 1822. -
bei jeder Perspektivekonstruktion: Diesen Schritt gibt es nicht in Perspektivekonstruktionen der Renaissance.
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Augpunkt: Den Augpunkt gibt es auch in der Renaissance-Perspektive.
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Horizontlinie: Dieses Konstruktionselement findet man ebenso bereits in der Renaissance-Perspektive.
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Zentrum der Perspektive: Auch das gehört zur Renaissance-Perspektive.
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das andere Auge: Man könnte l’autre œil auch mit „das zweite Auge“ übersetzen. Der heute übliche Terminus ist Distanzpunkt. Der Augpunkt (S), der außerhalb der Bildebene und des Bodens der Perspektive liegt, wird auf der Bildebene durch zwei Punkte auf der Horizontgeraden repräsentiert: den Fluchtpunkt und den Distanzpunkt.
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keineswegs strukturell: Lacan antwortet hier möglicherweise auf eine Bemerkung von Panofsky. Die Renaissanceperspektive stellt, Panofsky zufolge, ein künstlerisches Problem dar, da sie ihrer Natur nach eine zweischneidige Waffe sei: Sie bringt, sagt Panofsky,
„die künstlerische Erscheinung auf feste, ja mathematisch exakte Regeln, aber sie macht sie auf der andern Seite vom Menschen, ja vom Individuum abhängig, indem diese Regeln auf die psychophysischen Bedingungen des Seheindrucks Bezug nehmen, und indem die Art und Weise, in der sie sich auswirken, durch die frei wählbare Lage eines subjektiven ‚Blickpunktes‘ bestimmt wird. So läßt sich die Geschichte der Perspektive mit gleichem Recht als ein Triumph des distanziierenden und objektivierenden Wirklichkeitssinns, und als ein Triumph des distanzverneinenden menschlichen Machtstrebens, ebensowohl als Befestigung und Systematisierung der Außenwelt, wie als Erweiterung der Ichsphäre begreifen; sie mußte daher das künstlerische Denken immer wieder vor das Problem stellen, in welchem Sinne diese ambivalente Methode benutzt werden solle. (…) Man sieht, daß eine Entscheidung hier nur durch jene großen Gegensätze bestimmt werden kann, die man als Willkür und Norm, Individualismus und Kollektivismus, Irrationalität und Ratio oder wie sonst immer zu bezeichnen pflegt (…).“
(Die Perspektive als „symbolische Form“ (1927), in: ders, Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, a.a.O., S. 99–167, hier: S. 123 und 124 (im Internet hier).
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das ist strukturell: Lacan beginnt jetzt seine Rekonstruktion des Distanzpunktes im Rahmen der projektiven Geometrie. In der Renaissance-Perspektive, die auf der euklidischen Geometrie aufbaut, wird wird der Distanzpunkt metrisch konstruiert. In der projektiven Geometrie wird nicht gemessen, es gibt nur die strukturellen Beziehungen zwischen Punkten, Linien und Ebenen. Also stellt sich im Rahmen der projektiven Geometrie die Aufgabe, den Distanzpunkt anders zu bestimmen, strukturell.– Den strukturellen Charakter der Distanz hatte (außerhalb der projektiven Geometrie) Raymond Ruyer herausgestellt, auf den Lacan in der vorigen Sitzung verwiesen hatte.
das hat bisher niemand ausreichend bemerkt: Demnach ist die Bestimmung des Distanzpunkts als Fernpunkt Lacans Erfindung.
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Abstand-an-sich: Lacans Argument ist also: In der projektiven Geometrie gibt es zwischen zwei Geraden zwar keinen messbaren Abstand, es gibt jedoch den Abstand überhaupt.
das andere Subjekt: Der Punkt des anderen Subjekts (das andere Auge, der Distanzpunkt) ist der Punkt des blickenden Subjekts im Unterschied zum Fluchtpunkt als dem Punkt dem sehenden Subjekts.
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Ebene [S]: Diese Ebene könnte man als Betrachterebene bezeichnen.
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dem Buch von Panofsky zufolge: Das bezieht sich vermutlich auf: Erwin Panofsky: Das perspektivische Verfahren Leone Battista Albertis (1914/15). In: Ders.: Deutschsprachige Aufsätze II. Hg. von Karen Michels und Martin Warnke. Akademie-Verlag, Berlin 1998, S. 653–663. Panofsky verwendet hier zur Erläuterung der Perspektive immer wieder den Terminus „Grundlinie“, im Aufsatz über Perspektive als symbolische Form erscheint der Terminus nur einmal, und er bezieht sich dort auf das Dreieck, nicht auf die Perspektive.
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schneidet die Ebene des Bodens der Perspektive: Die Distanz von der Bildebene, die innerhalb der Bildebene repräsentiert werden soll, ist demnach im Rahmen der projektiven Geometrie die Distanz zweier Parallelen, also von zwei Geraden, die sich im Unendlichen schneiden, der Grundlinie und von Linie b. Das ist der erste Schritt von Lacans Rekonstruktion des Distanzpunktes im Rahmen der projektiven Geometrie. Linie b bezeichne ich im Folgenden als Standlinie; man kann dann sagen: Die Standlinie ist der Schnitt von Betrachterebene und Boden der Perspektive.
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zweiten Subjektpunkt: Der zweite Subjektpunkt ist der Distanzpunkt bzw. der Punkt des blickenden Subjekts. Er repräsentiert den Abstand von Grundlinie und Standlinie.
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diese unendliche Linie: Im Diagramm bezeichnet die kreisförmige Linie p∞ die unendlich ferne Linie der Bildebene. Diese Fernlinie ist im Rahmen der projektiven Geometrie eine Gerade; zum Zwecke der Veranschaulichung wird sie als Kreis dargestellt. Die Ferngerade des Bodens der Perspektive wird bei Projektion auf der Bildebene durch die Horizontlinie h repräsentiert. Analog wird die Ferngerade der Bildebene p∞ bei Projektion auf dem Boden der Perspektive durch eine bestimmte Gerade repräsentiert, nämlich durch die Standlinie b. Man sieht die Entsprechung, wenn man das Schema um 90° im Uhrzeigersinn dreht.
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der erste Subjektpunkt: Der erste Subjektpunkt ist die Projektion des Punktes S (des Augpunkts) auf die Horizontlinie der Bildebene.
Der zweite Subjektpunkt Sˈ ist ein Punkt auf der Bildebene, nämlich der Schnittpunkt der Grundlinie mit der unendlich fernen Geraden der Bildebene, also der Schnittpunkt von λ und p∞. (Der zweite Subjektpunkt entsteht also nicht durch die Begegnung im Unendlichen zwischen der Sichtebene und der Bildebene, wie Erik Porge in seinem Aufsatz zu Lacans Las-meninas-Interpretation schreibt. Vgl. E. Porge: L’analyste dans l’histoire et dans la structure du sujet comme Velázquez dans „Les Ménines“. In: Littoral, No. 26, 8. Jg., November 1988, S. 3–29, hier: S. 23.)
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da zwei Geraden nur einen einzigen Schnittpunkt haben können: In der projektiven Geometrie gilt axiomatisch: zwei Geraden haben immer genau einen Schnittpunkt.
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an exakt demselben Punkt schneidet: Der zweite Subjektpunkt (Distanzpunkt, Punkt des blickenden Subjekts) kann also auch als Schnittpunkt im Unendlichen von Grundlinie λ und Horizontlinie h aufgefasst werden. Zunächst wurde der zweite Subjektpunkt so bestimmt: als Schnittpunkt zwischen Grundlinie λ und Linie im Unendlichen p∞. Dieser Schnittpunkt ist der Fernpunkt der Grundlinie. Der Fernpunkt der Grundlinie ist derjenige Punkt, in dem die Grundlinie sich mit all ihren Parallelen schneidet. Eine dieser Parallelen ist die Horizontlinie h. Also ist der Schnittpunkt zwischen λ und p∞ identisch mit dem Schnittpunkt von λ und h.
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die Beziehung zwischen diesen beiden Punkten: Der Subjektpunkt (Augpunkt), der außerhalb von Bildebene und Boden der Perspektive liegt, wird auf der Bildebene durch zwei Subjektpunkte repräsentiert, durch den Fluchtpunkt (Punkt des sehenden Subjekts) und durch den Distanzpunkt (Punkt des blickenden Subjekts). Der Punkt des sehenden Subjekts ist ein beliebiger Punkt auf der Horiziontlinie, der Punkt des blickenden Subjekts bei Lacan der Fernpunkt der Horizontlinie.
Lacans Neufassung des Distanzpunkts als Fernpunkt
Die Genese dieser Idee lässt sich so skizzieren:
– Schema der Perspektive mit Augpunkt, Fluchtpunkt, Distanzpunkt: Renaissance-Perspektive. Grundlage: euklidische Geometrie.
– Erfindung von Fernpunkt und Fernlinie und damit der projektiven Ebene: Girard Desargues, 1639, möglicherweise von der Renaissance-Perspektive inspiriert, jedoch ohne ausdrücklichen Bezug auf die Perspektive. Damit wird die Grundlage der projektiven Geometrie gelegt.
– Ausarbeitung der projektiven Geometrie unter ausdrücklichem Rückgriff auf Desargues: Jean-Victor Poncelet, Traité des propriétés projectives des figures, 1822. Theorie der Zentralprojektion mithilfe der projektiven Ebene, d.h. von Fernpunkten und Ferngeraden.
– Deutung des Distanzpunktes als Fernpunkt: Lacans Idee 1966. -
Descartes: Auf Descartes hatte Lacan sich in früheren Sitzungen dieses Seminars immer wieder bezogen.
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man muss sich noch an seiner Strenge halten:
? Was will Lacan an dieser Stelle damit sagen? -
skopisches Phantasma: Das „skopische Phantasma“ ist das auf den Schautrieb bezogene Phantasma; Lacan verwendet diesen Ausdruck im gesamten Werk nur einmal, nämlich hier.
skopisch: Das Adjektiv scopique ist im Französischen nur in der Verbindung pulsion scopique üblich, der Übersetzung von Freuds „Schautrieb“. Lacan löst den Terminus aus dieser engen Verbindung und spricht in diesem Seminar auch von „champ scopique“, „interprétation scopique“, „monde scopique“, „objet scopique“, „rapport scopique“, „structure scopique“, „sujet scopique“, Um das nachbilden zu können, übersetze ich mit dem Neologismus „skopisch“. „Skopisch“ meint „auf das Betrachten, Beobachten, Schauen, Blicken bezogen“ (wie etwa in „mikro-skopisch“); der Ausdruck geht auf das altgriechische Verb skopein zurück, „betrachten“, „beobachten“, „besehen“, „hinblicken“, „spähen“, „umherschauen“.
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Das gespaltene Subjekt wird vom Objekt a getragen: Lacans Formel für diesen Zusammenhang ist $◊a, das gespaltene Subjekt ($) in Beziehung zu (◊) einem Objekt a (a). Dabei ist das Objekt a die Ursache für die Subjektspaltung. Im skopischen Phantasma ist das Objekt a, um das es geht, der Blick. Früher in diesem Seminar hatte Lacan das Objekt a als bâti bezeichnet, als „Konstrukt“ (Sitzung vom 30. März 1966, Version J.L. S. 25). Das Objekt a ist die „Ursache“ für die Spaltung des Subjekts, wie es in diesem Seminar früher geheißen hatte (vgl. etwa Sitzung vom 9. Februar 1966, Version J.L. Seite 13, und Sitzung vom 30. März 1966, Version J.L. Seite 25), es „determiniert“ die Spaltung des Subjekts (Sitzung vom 4. Mai 1966 – Version J.L. Seite 26), siehe hier.
? Warum verwendet Lacan für das Objekt a Konstruktionsmetaphern wie monture und bâti und praticable (das Praktikabel) (vgl. Sitzung vom 25. Mai 1966, Version J.L. S. 11)?
das in diesem Schema wo zu suchen ist: Nachdem das gespaltene Subjekt im Schema der Perspektive verortet worden ist (Punkt des sehenden Subjekts = Fluchtpunkt = Punkt im Endlichen der Horizontlinie; Punkt des blickenden Subjekts = Distanzpunkt = Fernpunkt der Horizontlinie), ist nun die Frage, wo im Schema der Perspektive das Objekt a seine Platz hat.
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stürzt und verschwindet: Das Objekt a ist Lacans Rekonstruktion von Freuds verlorenem Objekt; seine Existenzweise ist deshalb die des „Stürzens“, des Verschwindens. Die Fensteröffnung „stürzt und verschwindet“: sie ist ein Loch, ein Fehlen; und sie wird beim Hindurchschauen nicht gesehen. Beim Blick als Objekt a verschärft sich der Charakter des Verschwindens. In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, heißt es:
„Sowie das Subjekt sich diesem Blick akkomodieren will, wird der Blick jenes punktförmige Objekt, jener schwindende Seinspunkt, mit dem das Subjekt sein eigenes Schwinden verwechselt. Auch ist der Blick von allen übrigen Objekten, in denen das Subjekt die Abhängigkeit, in der es im Register des Begehrens ist, erkennen kann, dadurch unterschieden, daß er nicht zu fassen ist. Er wird daher mehr als jedes andere Objekt verkannt, und vielleicht ist auch dies [der] Grund, weshalb das Subjekt so gerne den ihm eigenen Zug des Schwindens und der Punktualität in der Illusion des Bewußtseins, sich sich sehen zu sehen, symbolisiert, in der der Blick elidiert wird.“
(Sitzung vom 26. Februar 1964, Version Miller/Haas S. 89 f.)
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Objekt a: Die erste Antwort auf die Frage, wo im Schema das Objekt a zu verorten ist, lautet demnach: Das Objekt a wird durch Ebene S repräsentiert, also durch die Ebene, die, parallel zur Bildebene, durch den Augpunkt S verläuft, sagen wir, durch die Betrachterebene. Allerdings ist die Zuordnung des Blicks als Objekt a zur Betrachterebene nur eine erste Annäherung; aus den anschließenden Erläuterungen geht hervor, dass das Objekt a auf dieser Ebene liegt, jedoch nicht mit ihr gleichzusetzen ist.
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Fenster
In der Ebene des Betrachters liegt das „Fenster“. Das Objekt a als Blick wird nicht durch die gesamte Betrachterebene repräsentiert, sondern durch das Fenster in dieser Ebene, d.h. durch eine Öffnung in dieser Ebene. Das knüpft daran an, dass im Französischen mit regard („Blick“) auch eine Eingstiegsöffnung bezeichnet wird, ein Einstiegsschacht. Damit wird der in dieser Ebene liegende Augpunkt in ein Loch umgedeutet.
Bei der Einführung des Blicks als Objekt a in Seminar 10, Die Angst, hatte Lacan herausgestellt, wo Freud sich auf das Fenster bezieht:
– Im Traum des „Wolfsmanns“ wird das Phantasma (die Wölfe auf dem Baum) von einem Fenster eingerahmt, das sich plötzlich öffnet. (Vgl. Seminar 10, Sitzung vom 12. Dezember 1962, Version Miller/Gondek S. 89; Sitzung vom 16. Januar 1963, Version Miller/Gondek S. 138.)
– In Hoffmanns Erzählung Der Sandmann (von Freud in Das Unheimliche analysiert) erblickt der Held die Puppe (iˈ(a)) durch ein Fenster; in dieser Geschichte geht es um das Auge. (Vgl. Seminar 10, Sitzung vom 5. Dezember 1962, Version Miller/Gondek S. 67.)Außerdem hatte er dort auf einen bestimmten Bildtyp von Magritte hingewiesen, bei dem ein Gemälde in einem Fenster verortet wird (vgl. Seminar 10, Sitzung vom 19. Dezember 1962, Version Miller/Gondek S. 97 f.; der Name „Magritte“ wird an dieser Stelle in Seminar 10 von Lacan nicht genannt).
Melancholiker, so heißt es im Angstseminar weiterhin, begehen oft an einem Fenster Selbstmord oder dadurch, dass sie durch ein Fenster springen (vgl. Seminar 10, Sitzung vom 3. Juli 1963, Version Miller/Gondek S. 423).
„Fenster“ ist zugleich ein Begriff der Renaissance-Theorien über Perspektive. Panofsky schreibt hierzu:
„wir wollen da, und nur da, von einer in vollem Sinne ‚perspektivischen‘ Raumanschauung reden, wo nicht nur einzelne Objekte, wie Häuser oder Möbelstücke, in einer ‚Verkürzung‘ dargestellt sind, sondern wo sich das ganze Bild – um den Ausdruck eines andern Renaissancetheoretikers zu zitieren – gleichsam in ein ‚Fenster‘ verwandelt hat, durch das wir in den Raum hindurchzublicken glauben sollen – wo also die materielle Mal- oder Relieffläche, auf die die Formen einzelner Figuren oder Dinge zeichnerisch aufgetragen oder plastisch aufgeheftet erscheinen, als solche negiert ist und zu einer bloßen ‚Bildebene‘ umgedeutet wird, auf die sich ein durch sie hindurch erblickter und alle Einzeldinge in sich befassender Gesamtraum projiziert“ (Die Perspektive als „symbolische Form“, a.a.O., S. 99).
(Der „andere Renaissancetheoretiker“ ist Leon Battista Alberti.)
Das Fenster, durch das wir hindurchzublicken glauben, ist für Lacan also das Sehloch in der Betrachterebene; der Raum, in den wir hineinzuschauen glauben, entspricht der Abbildungsebene.
An dieser Stelle wird nicht das gesamte Phantasma mit dem Fenster gleichgesetzt, sondern nur das Objekt a (das Fenster, der Blick). In der Sitzung vom 25. Mai 1966 wird dann das Phantasma insgesamt in der Ebene des Betrachters verortet, also in Ebene S (S. 9 von Version J.L.).
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in dieser Wand muss es eine Öffnung geben
Topologisch geht Lacans Konstruktion vom Punkt S aus, dem außerhalb des perspektivischen Bodens und der Bildebene liegenden Augpunkt. Durch den Augpunkt führt eine Ebene, die parallel zur Bildebene verläuft, Ebene S, die Betrachterebene. Der Abstand der Betrachterebene zur Bildebene bestimmt den Distanzpunkt. In der Betrachterebene gibt es eine Öffnung; durch den vorhergehenden Satz ist klar, dass dies das Fenster ist. Damit es in dieser Ebene eine Öffnung geben kann, wird sie als Fläche gedeutet, als „Wand“. Die Öffnung wird hier auch als „Spalte“, als „Sicht“ und schließlich als „Blick“ bezeichnet. Demnach repräsentiert nicht die gesamte Betrachterebene den Blick, sondern die Öffnung in dieser Ebene, das Fenster, der in ein Loch umgedeutete Augpunkt.
Der Begriff der Spalte bzw. des Spalts spielt darauf an, dass die Quelle der Triebe – die erogene Zone, wie Freud sagt – in Lacans Deutung immer eine Körperöffnung ist, ein Körperspalt; im Falle des Schautriebs ist dies die Lidspalte.
Freud zufolge „entspricht bei der Schau- und Exhibitionslust das Auge einer erogenen Zone“ (Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–145, hier: S. 77 f.).
In Lacans Formel für den Trieb ($ ◊ D) repräsentiert die Raute – der „Schnitt“ – den Rand der Körperöffnung, ihre Grenze (vgl. J.L.: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewusten. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 325–368, hier: S. 355 f.)
Rahmen
In der Zeichnung (Abb. 5) gibt es zum Fenster auf der Bildebene eine korrespondierende Entität, die als cadre bezeichnet wird, als Rahmen. In der Filmtechnik ist cadre der Begriff für den Bildausschnitt; also meint cadre hier vermutlich nicht den Rand oder die Kante oder den Rahmen des Bildes qua Linie, sondern die Bildfläche, allerdings nicht die Bildfläche in ihrem Inhalt, sondern die Bildfläche unter dem Aspekt, dass sie einen ausgewählten Ausschnitt aus einer größeren Ebene darstellt, das Bild als Ebenenfragment, das den größten Teil der Ebene von sich ausschließt.
Die Zeichnung behauptet also vermutlich: Dem Fenster in Ebene S entspricht in der Bildebene der Rahmen im Sinne des Bildausschnitts, also die Tatsache, dass beispielsweise das Bild Las meninas ein Ausschnitt aus der (unendlich ausgedehnten) Bildebene ist.
Ob Lacan auf eben diese Zeichnung verweist, ist allerdings nicht klar. Auffällig ist, dass er im gesprochenen Text den Ausdruck cadre nicht verwendet und dass er sich zum Entsprechungsverhältnis von Fenster und cadre, wie es von der Zeichnung dargestellt wird, in der aktuellen Sitzung nicht äußert. Erläuterungen zum Verhältnis von Fenster und Rahmen auf der Betrachterebene und auf der Bildebene wird er im laufenden Seminar 13 in späteren Sitzungen geben, in den Sitzungen vom 18. Mai 1966 (Version J.L. S. 47) und vom 25. Mai 1966 (Version J.L. S. 6 f.).
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was nicht gesehen werden konnte: Damit könnte gemeint sein: In der Konstruktion der Perspektive erscheint der Betrachter zunächst als Punkt, als Augpunkt, jetzt wird er als Loch aufgefasst, und das konnte nicht gesehen werden.
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Fenster
Das Fenster ist demnach auf die Funktion des Signifikanten zu beziehen, es ist so etwas wie die Bedingung für das Funktionieren der Signifikantenbeziehungen.
Michel Roussan verweist in seiner Edition zu diesem Satz auf Lacans Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, darin auf das Schema zu „um 5 Uhr allein“, bestehend aus fünf Blumentöpfen in einem Fenster mit zurückgezogenem Vorhang (Sitzungen vom 7. April 1965 und vom 5. Mai 1965).
Ein zweiter Bezug in Seminar 12 ist, Roussan zufolge, die Sitzung vom 23. Juni 1965; in einem Kommentar zu Die Verzückung der Lol V. Stein von Marguerite Duras verweist Lacan dort auf die Funktion des Fensters (vgl. auch Lacans Hommage an Marguerite Duras, über die Verzückung der Lol V. Stein, Übersetzung hier).
Lacan steht vor der Aufgabe, das Fenster – die Sichtöffnung – in zwei Bezügen zu verorten. Es soll sich einerseits auf die projektive Geometrie beziehen und andererseits auf die Signifikanten und damit auf das strukturelle Verhältnis des Subjekts zur Welt. Die paradoxe Idee ist hier, dass die Fensteröffnung – ein Loch – eine Fläche ist und dass in diese Fläche die Signifikanten geschrieben werden können. Das „Fenster“ ist grundlegend ist für die Funktion des Signifikanten. Was man vielleicht so übersetzen kann: Die Sprache erzeugt zwangsläufig ein Loch – einen Jouissance-Mangel – ; auf der Ebene des Schautriebs ist dies der Blick als Objekt a; das Funktionieren der Sprache beruht auf der Unterdrückung des Schautriebs.
Im Angst-Seminar hatte Lacan hervorgehoben, dass zum Phantasma des Wolfsmanns gehört, dass die auf einem Baum hockenden Wölfe durch ein Fenster gesehen werden. Demnach wäre in diesem Phantasma der Blick der Wölfe nur ein Abglanz des Fensters als Blick.
Das „Fenster“ – die Sichtöffnung als Loch in der Ebene des Betrachters – ist ein intuitives Konzept. Wie lässt es sich topologisch rekonstruieren? Indem man den Übergang von der projektiven Ebene zur Kreuzhaube vollzieht, den Lacan bereits in der vorangegangenen Sitzung angesprochen hatte.
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projektive Ebene in ihrer rein topologischen Form: Wie in der vorangehenden Sitzung stellt Lacan auch hier den Übergang von der projektiven Ebene zur Kreuzhaube her, und damit von der projektiven Geometrie zur Topologie. In der mathematischen Topologie gilt die projektive Ebene (die Ebene mit Ferngerade) als äquivalent mit einer Kreuzhaube, genauer gesagt: als äquivalent mit einer Sphäre-mit-Kreuzhaube – eine projektive Ebene lässt sich durch stetige Verformung in eine Sphäre-mit-Kreuzhaube verwandeln. (Vgl. auf dieser Website den Artikel Die Kreuzhaube und die Struktur des Phantasmas.)
das Gelochte: Wenn man von der projektiven Ebene zur Sphäre-mit-Kreuzhaube übergeht, stellt sich die Frage, welche Entsprechung darin das Fenster hat, und Lacans Antwortet lautet: In der Sphäre-mit-Kreuzhaube entspricht dem Fenster „das Gelochte“. Für Lacan gilt also, dass die Sphäre-mit-Kreuzhaube ein Art Loch hat. Das Loch in der Sphäre-mit-Kreuzhaube ist der sogenannte Zentralpunkt; der Zentralpunkt entspricht, Lacan zuflge, dem Phallus. In mathematischer Terminologie ist Lacans Zentralpunkt ein singulärer Punkt, d.h. ein nicht definierbarer Punkt, eine Definitionslücke. (Vgl. hierzu auf dieser Website den Artikel Das Loch in der Kreuzhaube.)
das es ermöglicht, dass sich das Eindringen vollzieht: Das Loch in der Kreuzhaube (der Phallus, die Kastration) ermöglicht das Hereinbrechen des Objekts a – die Objekte a sind Symbole für die Kastration. Lacan:
„Ein Objekt a ist ein etwas, von dem als Organ das Subjekt sich getrennt hat zu seiner Konstituierung. Dieses Objekt gilt als Symbol des Mangels, das heißt des Phallus, und zwar nicht des Phallus an sich, sondern des Phallus, insofern er einen Mangel / ein Fehlen darstellt.“
(J.L. Das Seminar, Buch XI (1964): Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten 1978, Sitzung vom 4. März 1965, S. 110.)
von dem dann die Herstellung der Subjektspaltung abhängt: Vom Hereinbrechen des Objekts a hängt wiederum die Subjektspaltung ab; d.h. das Objekt a fungiert als Ursache der Subjektspaltung. Topologisch wird das von Lacan so dargestellt: Wenn die Sphäre-mit-Kreuzhaube durch einen Schnitt in Form einer Innenacht zerteilt wird, der den Zentralpunkt umkreist, zerfällt sie in ein Möbiusband und eine Scheibe; das Möbiusband entspricht dem gespaltenen Subjekt und die Scheibe dem Objekt a. Damit hat die zerteilte Kreuzhaube die Struktur des Phantasmas $ ◊ a (wobei der Innenacht-Schnitt der Raute entspricht).
die cross-cap ermöglicht es, die verschiedenen Ebenen miteinander zu verknüpfen: Wie ist der Ausdruck „die verschiedenen Ebenen“ hier aufzufassen? Ich vermute: im Sinne von „die verschiedenen Komponenten“, nicht etwa Ebenen im Sinne der projektiven Geometrie (eine Kreuzhaube ist eine Fläche, aber sie besteht nicht aus Ebenen im engeren Sinne).
Loch und Objekt a in der Kreuzhaube
In Seminar 9, Die Identifizierung, wird das Loch in der Kreuzhaube als Phallus gedeutet; an der Stelle dieses Lochs, heißt es dort, kann das Objekt a eingeführt werden (Sitzung vom 23. Mai 1962). Die Zerlegung der Kreuzhaube durch Innenacht-Schnitt um den Zentralpunkt herum war von Lacan in der Sitzung vom 9. Februar 1966 des laufenden Seminars eingeführt worden.
Die folgende Zeichnung stellt diese Zusammenhänge dar, sie ist eine von mir überarbeitete Fassung eines Diagramms aus Juan-David Nasio: Introduction à la topologie de Lacan. Payots et Rivages, Paris 2010, S. 189:
Die an dieser Stelle von Lacan vorausgesetzte Argumentation zum Blick als Objekt a lässt sich so skizzieren:
(a) In der Renaissance-Perspektive gibt es, außerhalb von Bodenebene und Abbildungsebene, den Augpunkt als Punkt, von dem die Sehstrahlen ausgehen, die von den beiden Ebenen geschnitten werden.
(b) Um eine Entsprechung zum Blick als Objekt a zu haben, deutet Lacan den Augpunkt um als Loch. Ein Loch in einer Fläche gibt es allerdings weder in der euklidischen Geometrie noch in der projektiven Geometrie.
(c) Eine projektive Ebene ist äquivalent mit einer Fläche der Topologie, nämlich mit einer Sphäre-mit-Kreuzhaube (durch stetige Verformung kann eine projektive Ebene in eine Sphäre-mit-Kreuzhaube überführt werden). Für die Sphäre-mit-Kreuzhaube lässt sich der Begriff „Loch“ (bzw. Fenster) theoretisch rekonstruieren: als singulärer Punkt. Ein singulärer Punkt ist insofern ein Loch, als für ihn die Fläche nicht definiert ist. (Genauer gesagt hat eine Sphäre-mit-Kreuzhaube zwei singuläre Punkt; Lacan reduziert sie auf einen.)
(d) Entscheidend für Lacans Rekonstruktion der Perspektive sind also zwei spezielle Punkt: der Punkt im Unendlichen, den es im Rahmen der projektiven Geometrie gibt, und das Loch, das sich mithilfe der Topologie als singulärer Punkt rekonstruieren lässt.
(e) Auf der Sphäre-mit-Kreuzhaube entspricht das Fenster (bzw. der Blick als Objekt a) dem als Loch aufgefasst Zentralpunkt, also dem Phallus, der Kastration.
(f) Das Loch in der Kreuzhaube (der Zentralpunkt, der Phallus) ermöglicht das Hereinbrechen des Objekts a, hier des Blicks als Objekt a. Dem Objekt a entspricht die Scheibe, die sich ergibt, wenn man die Kreuzhaube durch einen Schnitt in Form einer Innenacht zerteilt, durch einen Schnitt, der zwei Runden um den Zentralpunkt dreht, um das Loch. Die Kreuzhaube zerfällt dann in zwei Bestandteile, ein Möbiusband und eine Scheibe.
(g) Die Beziehung zwischen dem Zentralpunkt (Phallus) und der Scheibe (Objekt a) weist darauf hin, dass das Objekt a die (illusorische) Funktion hat, die Kastration zu kompensieren.In der Kreuzhaube geht es um die folgende Struktur und um die folgende Zuordnungen (diese Zuordnungen hatte Lacan erstmals im laufenden Seminar vorgenommen, in der Sitzung vom 9. Februar 1963):
(a) In die Kreuzhaube wird ein Schnitt in Form einer Innenacht eingetragen, der sich um den Zentralpunkt dreht, um den Phallus bzw die Kastration. Diesem Schnitt entspricht in der Formel des Phantasmas die Raute (◊).
(b) Ein Teil der Kreuzhaube wird durch den Schnitt zu einem Möbiusband. Dem Möbiusband entspricht das gespaltene Subjekt, $.
(c) Die andere Teilfläche ist eine Scheibe, sie repräsentiert den Blick als Objekt a.
(d) Auf diese Weise stellt die zerschnittene Kreuzhaube die Struktur des Phantasmas dar ($ ◊ a).]
(e) Die Scheibe enthält den Zentralpunkt, das Loch (den Phallus, die Kastration).
(f) Die Beziehung zwischen der Scheibe und dem Loch verweist darauf, dass das Objekt a die Funktion hat, die Kastration (illusorisch) zu kompensieren. -
das Fenster immer das ist, was elidiert ist: Damit entspricht das Fenster dem Blick als Objekt a. Vgl. Lacans Bemerkungen im Angst-Seminar:
„Die transzendentale ästhetische Grundlage, wenn man so sagen kann, eines konstituierten Raumes muss einer anderen Platz machen. Wir sprechen von der transzendentalen Struktur des Raumes als einer irreduziblen Gegebenheit der ästhetischen Auffassung der Welt, wobei diese Struktur nur eine Sache ausschließt – das Auge selbst, das, was es ist, seine Funktion. Es geht darum, die Spuren dieser ausgeschlossenen Funktion zu finden. Sie deutet sich bereits ausreichend in der Phänomenologie des Sehens als homolog zur Funktion des a an.“
(Sitzung vom 15. Mai 1963, Version Miller/Gondek S. 300)
In Seminar 10, Die Angst, spricht Lacan noch vom Auge als Objekt a; erst ab Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, wird er das skopische Partialobjekt als Blick bezeichnen und von der Funktion des Auges unterscheiden.
Ähnlich heißt es bei Foucault in dessen Las-meninas-Analyse:
„Das von ihm [dem gemalten Maler] beobachtete Schauspiel ist also doppelt unsichtbar, weil es nicht im Bildraum repräsentiert ist und weil es genau in jenem blinden Punkt liegt, in jenem wesentlichen Versteck, in dem sich uns unser eigener Blick in dem Moment entzieht, in dem wir blicken.“
(Die Hoffräulein. In: Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Übersetzt von Ulrich Köppen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, S. 31–45, hier: S. 32, Übersetzung geändert, meine Hervorhebung, RN)
Lidspalte, Pupilleneingang
Der Blick als Objekt a wird hier durch den Bezug auf den Körper bestimmt, als Körperöffnung, die sich auf das Sehen beziehen: als Lidspalte und als Pupilleneingang.
In Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten (1962) schreibt Lacan:
„Die eigentliche Abgrenzung der ‚erogenen Zone‘, die der Trieb vom Metabolismus der Funktion abhebt (der Akt des Verschlingens lässt andere Organe teilhaben als den Mund, fragen Sie den Pawlow’schen Hund), ist die Tatsache eines Schnittes, der durch das anatomische Merkmal einer Grenze [marge] oder eines Randes begünstigt wird: Lippen, das ‚Gehege der Zähne‘, die Randzone des Anus, die Penisfurche, die Vagina, die Lidspalte, ja die Ohrmuschel (wir vermeiden hier die embryologischen Präzisierungen).“ (A.a.O., S. 356)
Auf die Lidspalte hatte Lacan sich auch bei der Einführung des Blicks als Objekt a bezogen: auf die Lidspalte einer Buddha-Statue – bei der die Lidspalte allerdings gerade fehlte (vgl. Seminar 10, Die Angst, Sitzung vom 8. Mai 1963, Version Miller/Gondek S. 285).
Mit dem Bezug auf die Lidspalte und den Pupilleneingang wechselt Lacan an dieser Stelle vom Phantasma zum Trieb, vom skopischen Phantasma zum Schautrieb. Der Rand der Körperöffnung ist, in Freuds Terminologie, die erogene Zone als Quelle des Triebs, von welcher ein konstanter Drang ausgeht, der sich auf ein Objekt richtet, mit dem Ziel der Befriedigung (vgl. S. Freud: Triebe und Triebschicksale (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 75–102, hier: S. 85–87).
Das Verhältnis zwischen der Struktur des Phantasmas und der des Triebs hatte Lacan bis zu diesem Zeitpunkt vor allem im Zusammenhang mit dem Graphen des Begehrens beschäftigt (Seminare 5 und 6 mit der Endfassung in Subversion des Subjekts (1962)), darauf verweist die Ähnlichkeit der Formeln für das Phantasma ($◊a) und für den Trieb ($◊D). Im laufenden Seminar 13 stützt er sich für den Trieb jedoch auf die Neufassung des Triebbegriffs in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964). Er versteht hier unter dem Ziel eines Partialtriebs nicht dessen Befriedigung, sondern die kreisläufige Rückkehr zum Ausgangspunkt, zur erogenen Zone (er stützt sich dabei auf das englische Wort aim, das er mit trajet – „Weg“, „Bahn“ – übersetzt). die Quelle eines Partialtriebs ist die erogene Zone, ein Körperrand, im Bereich des Sehens der Lidrand. Das Objekt eines Partialtriebs ist für Lacan eine Höhle oder Leere, die auf dieser Bahn umkreist wird, nämlich das verlorene und auf ewig fehlende Objekt a (vgl. Lacan, Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 13. Mai 1964, Version Miller/Haas S. 187 f.). Im Falle des Schautriebs besteht das Hin und Zurück (also das Ziel) in der Terminologie von Freud im „Schauen“ und „Beschautwerden“ (vgl. Triebe und Triebschicksale, a.a.O., S. 92 f.). Der Blick als Objekt des Schautriebs ist demnach eine Leere, die auf der Bahn von Sehen und Gesehenwerden umrundet wird, die Leere der Sichtöffnung, des Sehlochs.
Dieses Sehloch ist das, was im Sehen nicht gesehen werden kann, was darin elidiert ist.
Einen Ansatz zur Deutung des Blicks als Loch findet man ganz am Rande auch in Seminar 11 (vgl. Sitzung vom 11. März 1964, Version Miller/Haas S. 115).
Camera obscura: Der Blick als Objekt a wird durch ein technisches Modell erläutert, durch die Camera obscura. Dem Blick als Objekt a entspricht das Loch in der Camera obscura.
Die Zuordnungen zwischen Perspektive und Struktur des Phantasmas
Bis zu diesem Punkt gibt es die folgenden Entsprechungen zwischen, einerseits, der Rekonstruktion der Perspektive mithilfe der projektiven Geometrie bzw. Topologie und, andererseits, der Struktur des Phantasmas ($ ◊ a):
– Fluchtpunkt = ein beliebiger Punkt auf der Horizontlinie:
–-– das sehende Subjekt– Distanzpunkt = der unendlich ferne Punkt auf der Horizontlinie:
––- das blickende Subjekt– Beziehung zwischen Fluchtpunkt und Distanzpunkt:
––- das gespaltene Subjekt, $– Fenster = Öffnung in der Betrachterebene (in Ebene S), der in ein Loch umgedeutete Augpunkt = Zentralpunkt (singulärer Punkt) der Kreuzhaube als Loch:
--- Phallus, Kastration;- Beziehung zwischen Zentralpunkt und Scheibe:
--- Blick als Objekt a als (illusorische) Kompensation der Kastration -
Diego Velázquez: Las meninas (Die Hoffräulein), 1656, Öl auf Leinwand, 318 x 276 cm, Madrid, Prado.
durch ein Werk: Foucaults Analyse des Bildes findet man in: Michel Foucault: Les suivantes. Erstes Kapitel von ders.: Les Mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines. Gallimard, Paris 1966, S. 19–31.– Deutsch: Die Hoffräulein. In: Ders.: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Übersetzt von Ulrich Köppen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, S. 31–45. Auf Foucaults Analyse dieses Bildes hatte Lacan bereits in den Sitzungen vom 27. April und vom 4. Mai dieses Seminars verwiesen (hier übersetzt).
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in einer Weise angeordnet: Der Hinweis auf die Aufteilung bezieht sich vermutlich auf den Abstand des gemalten Malers vom verdeckten Gemälde sowie auf die Spaltung der Gruppe, Themen, die später in dieser Sitzung (S. 32 f. von Version J.L.) sowie in den beiden Folgesitzungen noch ausführlich behandelt werden (vgl. Sitzung vom 18. Mai 1966, S. 41 von Version J.L., und Sitzung vom 25. Mai 1966, S. 11 f. von Version J.L.).
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ausgewichen: Tatsächlich weist Foucault vor allem zu Beginn seines Artikels immer wieder darauf hin, dass in Las meninas für den Betrachter nur die Rückseite des Bildes-im-Bild einsehbar ist. Ich nehme an, dass Folgendes gemeint ist: Foucault fragt sich, auf welche Weise der Betrachter in das Bild einbezogen ist und er erklärt das durch die Blicke des Malers und der anderen Figuren sowie damit, dass das Königspaar, das im Spiegel erscheint, als Modell am selben Platz steht wie der Betrachter. Foucault sieht jedoch nicht, dass wir als Betrachter vor allem dadurch in das Gemälde einbezogen sind, dass wir mit einem verdeckten Bild konfrontiert sind, d.h. dadurch, dass es uns eine Frage aufnötigt und uns damit in begehrende Subjekte verwandelt.
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verdeckte Karte: Anspielung auf Kartenspiele vom Typ des Poker, bei denen mit verdeckten Karten gespielt wird. Die Metapher „verdeckte Karte“ verweist auf die Begriffe des Schirms (écran) und der Vorstellungsrepräsentanz. Mit dem Kartenspiel sind wir in einer Signifikantenordnung (der Wert der einzelnen Karte wird durch die Beziehung zu den anderen Karten bestimmt), mit verdeckten Karten bei Signifikanten im Sinne der Psychoanalyse, bei symbolischen Elementen, bei denen wir uns nach der Bedeutung fragen.
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dass dieses Gemälde fesselt: Gemessen an der Zahl der Suchergebnisse auf Google gehört Las Meninas zu den 10 berühmtesten Gemälden der Welt (vgl. Forrest Brown: Ten most famous paintings in the world, CNN, 21. November 2019).
Diskussionen aller Art: Thierry Greub schreibt in der Einleitung zu dem von ihm herausgegebenen Sammelband von Las-Meninas-Deutungen, mit einiger Sicherheit sei über kein anderes Gemälde so viel gerätselt und geschrieben worden (vgl. Thierry Greub: Spiegelungen von Las Meninas. Einleitung, in: Ders. (Hg.): Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Reimer, Köln 2001, S. 7).
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Subversion des Subjekts: Das Subjekt ist nicht vom Wissen her aufzufassen, sondern vom Begehren (d.h. vom Bezug auf einen Mangel); vgl. oben S. 4 f. von Version J.L.
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Sublimierung
Die Sublimierung ist, Freud zufolge, eines der „Triebschicksale“ (Triebe und Triebschicksale (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 75–102, hier: S. 90).
Als wichtiges Feld der Sublimierung gilt die Kunst. So gesehen erscheint die Malerei als eine Sublimierung des Schautriebs.
Im Ethik-Seminar bezieht Lacan die Sublimierung auf den Begriff des (nicht assimlierbaren) „Dings“; hier heißt es, „bei jeder Form der Sublimierung wird das Bestimmende die Leere sein“ (Sitzung vom 3. Februar 1960, Version Miller/Haas S. 160).
In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, liest man:
„Für uns geht es um die Schöpfung, wie Freud sie auffaßt, das heißt die Schöpfung als Sublimation, und es geht um den Wert, den diese in einem sozialen Feld einnimmt.
Auf ungefähre und zugleich präzise Art und nur den Erfolg des Werks im Auge formuliert Freud, daß, wenn eine Schöpfung aus dem Begehren, rein auf der Ebene des Malers, zu einem kommerziellen Wert wird – eine Gratifikation, die man trotzdem als sekundär bezeichnen kann – dies seinen Grund darin hat, daß ihre Wirkung etwas Nutzbringendes für die Gesellschaft hat, für das, was an Gesellschaftlichem in ihren Bereich fällt. Bleiben wir fürs erste im Ungefähren und sagen, daß das Werk die Leute befriedet, die Leute erquickt, indem es ihnen zeigt, daß es andere Leute gibt, die von der Ausbeutung ihres Begehrens leben. Damit es aber zu einer solchen Befriedigung kommt, muß der zweite Umstand hinzutreten, daß ihr Begehren, ihr eigenes Begehren, zu schauen, hier einigermaßen sich befriedet sieht. Das hebt die Seelen, wie man sagt, das heißt, es ermutigt sie ihrerseits zur Entsagung. Sie können nicht übersehen, daß hier etwas von der Funktion anklingt, die ich Blickzähmung nannte.“
(Sitzung vom 11. März 1964, Version Miller/Haas S. 118)
Die Sublimierung ist für Lacan ein durch die Wiederholung hergestelltes Verhältnis zum Mangel. In Seminar 14, Die Logik des Phantasmas, wird er über ein bestimmtes Diagramm sagen (über das Diagramm der harmonischen Teilung, aufgefasst als Grenzwertoperation):
„Was ergibt das als Struktur der Sublimierungsfunktion? Zunächst, dass sie im Gegensatz zum einfachen Sexualakt vom Mangel ausgeht und dass sie mithilfe des Mangels das konstruiert, was ihr Werk ist und was immer die Reproduktion dieses Mangels ist. Welches auch immer das Werk der Sublimierung sein mag, auf welche Weise auch immer es erfasst sein mag; es ist keineswegs zwangsläufig das Kunstwerk, es kann auch noch anderes sein, einschließlich dessen, was ich gerade hier mit Ihnen mache, was nichts mit dem Kunstwerk zu tun hat. Die Reproduktion des Mangels, die dahin führt, den Punkt einzukreisen, an dem ihr letzter Schnitt ganz streng dem anfänglichen Mangel – nämlich a2 – gleich ist, darum geht es in jedem Werk, in dem eine Sublimierung erreicht wird. Das schließt im Inneren des Akts natürlich eine Wiederholung ein – nur wenn der Mangel in unendlich wiederholter Weise immer neu bearbeitet wird, wird die Grenze erreicht, die dem gesamten Werk sein Maß gibt.“
(Seminar 14, Sitzung vom 8. März 1967, meine Übersetzung, RN, nach Version Staferla)
? Inwiefern bezieht sich die Sublimierung auf die Subversion des Subjekts?
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Triebmechanismus: Die Sublimierung ist Freud zufolge ein „Triebschicksal“ (vgl. Triebe und Triebschicksale, a.a.O., S. 90). Als Triebschicksal unterliegt die Sublimierung dem allgemeinen Triebmechanismus, und dazu gehört, Lacan zufolge, als Ziel (aim) des Triebs, als seine Verlaufsbahn, das Hin (zum Objekt) und Zurück (zum Subjekt).
Möbiusband: Das Möbiusband repräsentiert das gespaltene Subjekt, $. Eine mathematische Ameise, die ein Möbiusband entlangkrabbelt ohne die Kante zu überqueren, landet nach der ersten Umdrehung auf der Rückseite des Ausgangspunkts und kommt nach der zweiten Umdrehung zurück zum Ausgangspunkt. Anders gesagt: Ein Möbiusband hat nur lokale Rückseiten, Rückseiten für einzelne Punkte oder für Teilflächen, es hat keine globale Rückseite, keine Rückseite als Ganzes. Das Bewusste hat demnach nur lokale unbewusste Rückseiten, etwa bezogen auf ein bestimmtes Symptom, einen bestimmten Versprecher, ein bestimmtes Traumelement. Es hat keine globale Rückseite, anders gesagt, das Bewusste und das Unbewusste sind keine zwei voneinander getrennten Bereiche. Mit der Darstellung des Subjekts durch die Struktur des Möbiusbandes befasst Lacan sich seit Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung; im laufenden Seminar 13 hatte er sich ausführlich darauf bezogen.
Zwei Triebumdrehungen
Vgl. hierzu in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, die Ausführungen über den Partialtrieb und seine Kreisbahn (Sitzung vom 15. Mai 1964).
Bezogen auf den Schautrieb sind die beiden Umdrehungen die der voyeuristischen und der exhibitionistischen Seite des Schautriebs. Erst wenn man bei einem exhibitionistischen Akt oder bei einer exhibitionistischen Phantasie die unbewusste voyeuristische Seite rekonstruiert hat (und umgekehrt), hat man, bezogen auf den Schautrieb, erfasst, worum es bei der Subjektspaltung geht.
Das Subjekt vernäht sich dann mit seiner Rückseite: es erzeugt eine geschlossene Linie und konstituiert damit die Innenacht bzw. das Möbiusband.
Freud schreibt über die Exhibitionisten, die
„ihre Genitalien zeigen, um als Gegenleistung die Genitalien des anderen Teiles zu Gesicht zu bekommen“
(Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–145, hier: S. 66).
„Bei der Perversion, deren Streben das Schauen und Beschautwerden ist, tritt ein sehr merkwürdiger Charakter hervor, der uns bei der nächstfolgenden Abirrung [Sadismus und Masochismus] noch intensiver beschäftigen wird. Das Sexualziel ist hierbei nämlich in zweifacher Ausbildung vorhanden, in aktiver und in passiver Form.“ (Drei Abhandlungen, a.a.O., S. 67)
„Wo ein solcher Trieb im Unbewussten aufgefunden wird, welcher der Paarung mit einem Gegensatze fähig ist, da läßt sich regelmäßig auch dieser letztere als wirksam nachweisen. Jede ‚aktive‘ Perversion wird hier also von ihrem passiven Widerpart begleitet; wer im Unbewußen Exhibitionist ist, der ist auch gleichzeitig voyeur, wer an den Folgen der Verdrängung sadistischer Regungen leidet, bei dem findet sich ein anderer Zuzug zu den Symptomen aus den Quellen masochistischer Neigung.“ (Drei Abhandlungen, a.a.O., S. 75 f.)
Lacan ersetzt die Aktiv/Passiv-Opposition durch räumliche Kategorien: Hin und Zurück, ein oder zwei Runden drehen.
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immer nur eine Runde: Demnach zeigt das Gemälde nicht nur das Hin des Triebs, sondern auch das Zurück, nicht nur eine Runde, sondern zwei Runden. Das heißt für den Schautrieb: es geht nicht nur um das Sehen, sondern auch um den Blick. Darauf beruht die fesselnde Kraft dieses Bildes.
? Was hat man unter den zwei Runden des Schautriebs zu verstehen: die voyeuristische und die exhibitionistische Strebung, das Sehen und den Blick, beides?
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eigene Schleife: Vermutlich im Sinne von: Für diesen Typ des Künstlers hat das Kunstwerk narzisstischen Charakter, wirksam ist darin, sofern es ein Gemälde ist, nur das Auge bzw. das Sehen, nicht der Blick.
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dass derjenige, der es betrachtet, in die Schleife eingeschlossen ist
Lacan deutet an, dass die zweite Drehung, „zurück zum Subjekt“, damit zu tun hat, dass wir, die Betrachter, vom Raum des Gemäldes erfasst sind. Der Betrachter fungiert nicht nur in der Ordnung des Sehens, sondern auch des Blicks.
In Seminar 11 hatte Lacan erläutert, dass das Gemälde die Funktion hat, die Aggressivität des Blicks des Betrachters zu mildern. Vgl. Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Sitzung vom 26. Februar 1964, Version Miller/Haas S. 95 (das Bild ist eine „Blickfalle“); Sitzung vom 4. März 1964, Version Miller/Haas S. 107 f. (das Bild lädt ein, den Blick darin zu deponieren, „wie man Waffen deponiert“); Sitzung vom 11. März 1964, Version Miller/Haas S. 116 (das Bild fungiert als „Blickzähmung“, der Betrachter sieht sich veranlasst „seinen Blick zu senken“). Insofern hat das Gemälde die Funktion der Sublimierung.
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in seinem Raum erfasst: Diesen Punkt betont auch Foucault.
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durch welche Raffinessen: Das könnte sich unter anderem auf Foucault beziehen, der der Frage, wie sich das Gemälde auf den Platz vor dem Gemälde bezieht, besondere Aufmerksamkeit schenkt.
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dieselbe Frage: Die Frage, wie wir vom Raum des Gemäldes erfasst werden und die Frage nach der Funkton der Figuren ist dieselbe Frage, nämlich die Frage nach der Funktion des Blicks.
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Was malt er auf der unsichtbaren Vorderseite des Bildes im Bild?
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dass sich die Frage selbst aufhebt: In eine ähnliche Richtung geht eine Bemerkung in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse:
„Wir sehen uns hier keineswegs veranlaßt zu einer Psychoanalyse des Malers, was ja immer eine heikle Sache ist und beim Zuhörer eher ein Gefühl der Scham hervorruft.“
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man darf die erste nicht verfehlen: Es geht um das gespaltene Subjekt im Bereich des Sehens, also nicht nur um den Blick, sondern auch um das Auge bzw. das Sehen; nicht nur um die manifest exhitionistische Seite, sondern auch um die latent voyeuristische Seite und umgekehrt.
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das Gemälde selbst: Lacans These zum Bild-im-Bild ist demnach: Das Bild-im-Bild stellt das Gemälde Las Meninas dar, wir sehen es nicht nur von vorn, sondern, in einer Art re-entry mit Seitenverkehrung, auch von hinten.
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dass sie es sind, die der Maler malt
Auch Foucault ist der Auffassung, dass die für uns unsichtbare Vorderseite des Bildes im Bild ein Porträt des Königspaars zeigt, und er nimmt an, dass der Maler das Königspaar betrachtet:
„Im Hintergrund des Zimmers läßt der Spiegel, von allen unbemerkt, die Gestalten aufleuchten, die der Maler betrachtet (der Maler in seiner repräsentierten, objektiven Wirklichkeit als der eines arbeitenden Malers); aber auch die Gestalten, die den Maler anschauen (in jener materiellen Realität, die die Linien und Farben auf der Leinwand niedergelegt haben.“ (Die Ordnung, der Dinge, a.a.O., S. 36)
Das Königspaar dient dem Maler als Modell:
„Man braucht nur noch hinzufügen, daß die beiden dem Maler als Modell dienenden Personen nicht, wenigstens nicht direkt, sichtbar sind, daß man sie aber in einem Spiegel bemerken kann und es sich wahrscheinlich um König Philipp IV. und seine Frau Marianna handelt.“ (A.a.O., S. 37 f.)
Die Spiegelung zeigt die für den Betrachter verdeckte Vorderseite der Leinwand.
„Zunächst ist diese Spiegelung die Kehrseite der großen, links repräsentierten Leinwand, die Kehrseite oder eher die Vorderseite, da sie von vorn das zeigt, was die Leinwand durch ihre Stellung verbirgt.“ (A.a.O., S. 38)
Das im Gemälde repräsentierte Double von Velázquez, der gemalte Maler also, malt das Modell ab:
„Dieses Spiegelbild zeigt naiv und im Schatten, was jedermann im Vordergrund betrachtet. Es restituiert gewissermaßen durch Verzauberung das, was jedem Blick fehlt: dem des Malers das Modell, das sein auf dem Bild repräsentiertes Double abmalt“ (a.a.O., S. 44).
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die abgebildete Leinwand repräsentiert das Gemälde, das wir vor uns haben: Die abgebildete Leinwand (nämlich das Bild-im-Bild) repräsentiert Lacan zufolge das Gemälde qua Realität (sie repräsentiert das Gemälde Las Meninas, das im Prado hängt und von dem wir eine Reproduktion sehen).
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Vorstellungsrepräsentanz: Unter einer Vorstellungsrepräsentanz versteht Lacan einen Ersatz für eine fehlende Vorstellung, vgl. auf dieser Website den Artikel „Die Vorstellungsrepräsentanz“.
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das Gemälde im Gemälde: Gemeint ist, wie das folgende Beispiel zeigt, dass hier zum ersten Mal in ein Bild dasselbe Bild noch einmal eingetragen wird.
das Theater im Theater: Wenn ein Theaterstück eine Theaterszene enthält, ist diese Szene nicht noch einmal das Theaterstück – in der play scene in Hamlet wird nicht Hamlet gespielt.
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Magritte
Auf Bilder von Magritte, die ein Gemälde vor einer Landschaft darstellen, wobei das Gemälde exakt die Landschaft zeigt, die dahinter ist, und zwar so, dass die Landschaft dahinter das Gemälde fortzusetzen scheint und umgekehrt, hatte Lacan sich im laufenden Seminar in der Sitzung vom 30. März 1956 bezogen.
Mit diesem Hinweis bringt Lacan zugleich wieder die Fensteröffnung ins Spiel, also den Blick.
Bereits in Seminar 10 von 1962/63, Die Angst, hatte er, ohne den Namen zu nennen, auf Magrittes Bilder diesen Typs verwiesen:
„Diejenigen, die meine Wortmeldung bei der dem Phantasma gewidmeten Tagung in der Provinz vernommen haben – eine Wortmeldung, bei der ich noch immer darauf warte, daß man mir nach zwei Monaten und einer Woche den Text aushändigt –, können sich an die Metapher erinnern, derer ich mich bedient habe, die eines in die Einrahmung durch ein Fenster platzierten Gemäldes. Eine zweifellos absurde Technik, wenn es darum geht, besser zu sehen, was auf dem Gemälde ist, aber darum geht es nicht. Welchen Reiz auch das, was auf der Leinwand gemalt ist, haben mag – es geht darum, nicht zu sehen, was durch das Fenster zu sehen ist.“ (Seminar 10, Sitzung vom 19. Dezember 1962, Version Miller/Gondek S. 97 f.)
Demnach hat das Gemälde im Fensterrahmen (das Phantasma) die Funktion, etwas unsichtbar zu machen, in der Weise, dass man nicht sieht, was durch das Fenster zu sehen ist – das Bild-im-Bild fungiert als Schirm. Was ist durch das Fenster zu sehen und soll nicht gesehen werden? Ich nehme an: die Fensteröffnung, das Sehloch. Die Vorstellungsrepräsentanz ist der Schirm vor dem (Seh-)Loch.
Die Wortmeldung auf den Provinztagen scheint nicht erhalten zu sein, sie findet sich weder in den Autres écrits noch in Pas-tout Lacan.
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Sich gegenseitig sättigen: Damit könnte gemeint sein: Der Gegensatz von Realität (das Gemälde Las meninas, das wir vor uns haben) und Repräsentation der Realität (das Bild-im-Bild) bricht zusammen, wird unwirksam.
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Repräsentation
Der Begriff Repräsentation hat hier zwei Bezüge: (a) „Nachahmung“ und (b) „Repräsentation im Sinne von Foucault“.
(a) Man hat wahrscheinlich nicht Unrecht, wenn man, im Kontext eines Kunstwerks, Lacans Begriff der Repräsentation auuch auf Nachahmung und Mimesis bezieht. In Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung, kommentiert er einen Aufsatz von Kurt Eissler so:
„Denn wenn klar ist, dass im Kunstwerk das, was man den Tippfehler nennen kann – Sie verstehen, dass ich etwas meine, was sich uns als Diskontinuität darstellt –, wenn dies uns zu einer Erkenntnis führen kann, die geeignet ist, uns als Hinweis zu dienen, um in größerer Beleuchtung, in seiner unbewussten Tragweite diesen oder jenen Vorfall des vergangenen Lebens des Autors wiederzufinden, und darum handelt es sich in diesem Artikel, liefert uns das denn nicht einen Zugang dazu, dass uns von hier aus die Dimension des Kunstwerks erhellt werden muss?
Denn wir können ja von daher behaupten, allein schon von dieser Tatsache her – wir werden es auch darüber hinaus sehen –, dass das Kunstwerk von daher keineswegs als etwas aufgefasst werden kann, was diese Transposition, diese Sublimierung – nennen Sie es wie Sie wollen – der Realität repräsentieren würde. Es handelt sich nicht um etwas, was sich im weitest möglichen Sinne als eine Nachahmung abspielt, es handelt sich nicht um etwas, was sich im weitest möglichem Sinne in der Ordnung der Mimesis abspielt. Das kann also ebenso auf das angewendet werden, was im Übrigen der allgemeine Fall ist, nämlich dass das Kunstwerk immer eine grundlegende Umarbeitung ist, das stellt selbst das nicht in Frage, was, glaube ich, für uns bereits überholt ist; ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jedoch nicht auf diesen Punkt lenken.
Das heißt, dass das Kunstwerk für uns auf einen bestimmten Typus des Kunstwerks beschränkt ist; im Augenblick möchte ich mich auf das geschriebene Kunstwerk beschränken. Das Kunstwerk ist keineswegs etwas, das auf irgendeine Weise, im weitestmöglichen Sinne, die Realität transfiguriert. Vielmehr führt das Kunstwerk in seiner Struktur selbst die Tatsache der Ankunft des Schnitts ein, insofern sich darin das Reale des Subjekts manifestiert, insofern es jenseits dessen, was es sagt, das unbewusste Subjekt ist.
Denn wenn ihm das Verhältnis des Subjekts zur Ankunft des Schnitts insofern untersagt ist, als eben da sein Unbewusstes ist, ist es ihm insofern nicht untersagt, als das Subjekt die Erfahrung des Phantasmas hat, nämlich dass es durch besagtes Verhältnis des Begehrens belebt ist und dass bereits schon durch den Bezug auf diese Erfahrung, insofern sie eng mit dem Werk verwoben ist, etwas möglich wird, wodurch das Werk dann diese Dimension ausdrückt, dieses Reale des Subjekts, insofern wir es eben als Ankunft des Seins jenseits jeder möglichen subjektiven Realisierung bezeichnet haben.
Und dies ist die vorzügliche Eigenschaft und die Form des Kunstwerks, sowohl desjenigen, das gelungen ist, wie auch desjenigen, das scheitert, dass es sich auf diese Dimension bezieht, auf diese Dimension, wenn ich so sagen darf – wenn ich mich, um es spürbar zu machen, der Topologie meines Schemas bedienen darf [des „Graphen des Begehrens“] – , auf diese transversale Dimension, die nicht parallel zu dem Feld ist, das im Realen durch die menschliche Symbolisierung geschaffen ist und ‚Realität‘ genannt wird, sondern die quer dazu verläuft, insofern nämlich, als das innerste Verhältnis des Menschen zum Schnitt, das über alle natürlichen Schnitte hinausgeht, darin besteht, dass es diesen wesentlichen Schnitt seiner Existenz gibt, nämlich dass der Mensch da ist und er sich im Verhältnis zu dieser Tatsache verorten muss, zur Ankunft des Schnitts – das ist das, worum es beim Kunstwerk geht.“
(Seminar 6, Sitzung vom 27. Mai 1959, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller S. 474.)
(Lacan bezieht sich auf: Kurt Eissler: The function of details in the interpretation of works of literature. In: The Psychoanalytic Quarterly, 28. Jg. (1959), S. 1–20)
(b) Das Bild Las meninas ist wesentlich durch den Bezug auf die Repräsentation konstituiert – das ist Foucaults These im Las-meninas-Kapitel von Die Ordnung der Dinge. Unter „Repräsentation“ versteht Foucault eine Form der Episteme – eine Wissensform –, bei der sich Zeichen auf Zeichen beziehen, ohne Ähnlichkeit als vermittelndes Drittes, und bei der dieses Wissen in Gestalt von Klassifikationen und Tabellen dargestellt werden kann (vgl. Die Ordnung der Dinge, a.a.O., Kapitel 3.III, „Die Repräsentation des Zeichens“.
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keineswegs Repräsentationen
In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, heißt es:
„Generell ist das Verhältnis des Blicks zu dem, was man sehen möchte, ein Verhältnis des Trugs. Das Subjekt stellt sich als etwas anderes dar, als es ist, und was man ihm zu sehen gibt, ist nicht, was es zu sehen wünscht.“ (Sitzung vom 4. März 1964, Version Miller/Haas S. 111)
Die verschiedenen Personen geben eine Vorstellung, d.h. sie geben etwas zu sehen, sie ziehen eine Schau ab, damit operieren sie in der Ordnung des Narzissmus, des Imaginären.
Die Wendung, „etwas vorstellen, wovon sie keine Vorstellung haben“ verweist auf das Unbewusste, das aus Vorstellungsrepräsentanzen (des Triebes) besteht.
„Eine Vorstellung geben“ gehört für Lacan offenbar zur Ordnung des Schirms bzw. der Vorstellungsrepräsentanz: Es wird etwas zu sehen gegeben, wodurch etwas verborgen wird, und das, was verborgen wird, ist nicht bewusst.
Mit der Opposition Vorstellungsrepräsentanz versus Repräsentation formuliert Lacan möglicherweise einen Einwand gegen Foucault. Foucault ist der Auffassung, dass es in Las meninas wesentlich um représentation geht (um Repräsentation, Vorstellung, Darstellung). Foucaults Begriff der Repräsentation ist für Lacan, nehme ich an, zu flach, für die Zwecke der Triebanalyse benötigt Lacan einen Begriff, in dem die manifesten Elemente auf ein fehlendes Element verweisen, und hierzu dient ihm der Begriff der Vorstellungsrepräsentanz.
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die Wirkung von diesem Etwas, das sie miteinander verknüpft
Dieses Etwas ist wohl das Bild-im-Bild.
Der Charakter der Vorstellungsrepräsentanz teilt sich dem gesamten Bild mit. Das erinnert an Lacans Formel „Ein Signifikant ist das, wodurch für einen anderen Signifikanten das Subjekt repräsentiert wird“. Die Vorstellungsrepräsentanz (der Signfiikanten) funktioniert immer nur in Beziehung zu anderen Vorstellungsrepräsentanzen (zu anderen Signifikanten).
Etwas früher hieß es in der laufenden Sitzung, das Bild-im-Bild fungiere wie eine verdeckte Karte, die ihren Wert durch das Modul und den Wert der anderen Karten erhält (Version J.L. S. 21). In dieser Formulierung ist die Wirkungsrichtung umgekehrt, aber auch hier geht es um die Beziehung zwischen den Karten.
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Velázquez: Auch dieser Hinweis erinnert an Lacans Formel; vielleicht kann man sagen: Eine Vorstellungsrepräsentanz (das Bild-im-Bild) ist das, wodurch für andere Vorstellungsrepräsentanzen (für die anderen Personen des Gemäldes) das Subjekt repräsentiert wird (das blickende Subjekt, das eine Runde um das Fenster gedreht hat; der Punkt im Unendlichen, der eine Runde um das Loch gedreht hat, um den singulären Punkt).
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die zweite Runde: Die erste Umdrehung bezieht sich, wie später in dieser Sitzung klar werden wird, auf das Sehen, die zweite Umdrehung – das wird erst in der nächsten Sitzung erkennbar – auf das Blicken. Wir sollten uns also fragen, wo im Bild die Runde des Sehens vollzogen worden ist und wo die Runde des Blickens ihren Platz hat.
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Lass sehen!
Damit kommt Lacan auf die Metapher des verdeckten Karte (S. 21) zurück – „fais voir“ (lass sehen) meint hier: „Deck deine Karten auf!“
„Lass sehen!“ ist eine demande, ein Anspruch, eine Forderung. Sie bezieht sich auf das Sehen, nicht auf den Blick. Lacan erklärt die Infantin zur Personifizierung des Anspruchs im skopischen Feld.
Er spielt dabei vermutlich an auf Bemerkungen in seinen Vorlesungen über Auge und Blick in Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Dort referiert er die Geschichte vom Wettstreit zwischen den Malern Zeuxis und Parrhasios. Zeuxis gelingt es, Trauben so zu malen, dass sie selbst Vögel zu täuschen vermögen. Parrhasios jedoch trägt den Sieg davon, als er auf eine Mauer einen Schleier so täuschend malt, dass Zeuxis sich an ihn wendet und zu ihm sagt:
„Gut, und jetzt zeig uns, was du dahinter gemacht hat.“
(Sitzung vom 4. März 1964, meine Übersetzung; Version Miller/Haas S. 109)
„zeig uns“ = „lass sehen!“
In der Folgesitzung heißt es hierzu:
„Dagegen zeigt das Beispiel von Parrhasios, wenn man einen Menschen täuschen will, braucht man ihm nur das Bild eines Vorhangs vor Augen zu halten, das heißt das Bild von etwas, jenseits dessen er zu sehen verlangt.“
(Sitzung vom 11. März 1964, Version Miller/Haas S. 119, meine Hervorhebung)
In Las Meninas hat das Bild-im-Bild dieselbe Funktion wie der von Parrhasios gemalte Vorhang und die Infantin agiert als Nachfolgerin von Zeuxis.
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die wesentlich eine Vorstellungs geben: Die also, indem sie etwas zeigen, etwas verbergen. Wir sind in der Ordnung des Schirms.
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keine Stütze: Lacan bezieht sich hier vermutlich auf die schlechte Qualität der Dia-Projektion.
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Fluchtpunkt: Der Fluchtpunkt ist der Punkt des Subjekts, insofern es sieht, im Gegensatz zum Subjekt, insofern es blickt; diese These wurde in der vorangegangenen Sitzung entwickelt.
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die ihn verdoppelt: Diego Velázquez wird durch Nieto Velázquez verdoppelt, damit verweist Lacan auf die Struktur des imaginären Ichs (moi), das, ihm zufolge, immer durch die Beziehung zu einem Spiegelbild, einem Doppelgänger, charakterisiert ist. Im Graphen des Begehrens wird diese Verdoppelung durch die Beziehung zwischen m (moi) und i(a) dargestellt (image de l’autre) (vgl. Lacan, Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten, a.a.O., S. 355). Das sehende Subjekt entspricht also, im skopischen Feld, dem Ich (moi) in seiner Doppelgänger-Struktur.
zu viel davon gesehen: Nieto Velázquez hat zu viel gesehen, er geht davon – das Ich ist eine Instanz, die den Trieb abwehrt, hier den Schautrieb in seinem voyeuristischen Aspekt. Damit wird Nieto Velázquez in einen Gegensatz zur Infantin gebracht. Anders als die Infantin erhebt Nieto Velázquez keinen Anspruch und vermeidet damit den Übergang vom Anspruch zum Begehren.– Für Foucault ist Nieto der in das Bild projizierte Betrachter, der die Szene anschaut (a.a.O., S. 43 f).
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Funktion des Auges: Der in der Tür stehende Velázquez repräsentiert demnach das Auge im Gegensatz zum Blick.
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so wenig nach außen gerichtet: Wäre der Blick des gemalten Malers nach außen gerichtet, wäre er ein sehendes Subjekt; sein Blick ist nicht nach außen gerichtet: er ist ein blickendes Subjekt.– In Seminar 10, Die Angst (1962/63), führt Lacan das Konzept des Blicks als Objekt a ein (wobei er die Termini „Blick“ und „Auge“ dort noch synonym verwendet), und er erläutert den Blick an einer Buddha-Statue. Es sei unmöglich, heißt es dort, zu erkennen, „ob sie ganz für Sie oder ganz innerlich ist“ (Sitzung vom 8. Mai 1963; Version Miller/Gondek S. 284).
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der manieristische Diskurs: Lacans Formulierungen über den manieristischen Diskurs erinnern an seine Thesen über die Psychose: Die Psychose beruht auf der Verwerfung des Namens-des-Vaters (vgl. Seminar 3, Die Psychosen, Sitzung vom 15. Februar 1956, Version Miller/Turnheim S. 171 ff.), also auf der Verwerfung der Vatermetapher; was verworfen ist, kehrt im Realen wieder (vgl. Seminar 3, Sitzung vom 11. Januar 1956; Version Miller/Turnheim, S. 104).
? Will Lacan andeuten, dass der manieristische Diskurs psychotisch ist? In welchem Sinne? Und inwiefern gibt es im manieristischen Diskurs keine Metapher?
diese Anwesenheit von Velázquez: Der im Gemälde abgebildete Velázquez hat, bezogen auf das Gemälde, zwei einander ausschließende Funktionen: Er plant das Gemälde (disegno interno) und er ist eine Komponente des Gemäldes, beides wird durch sein Gesicht angezeigt. Damit spielt Lacan, vermute ich, auf die Spaltung des Psychoanalytikers in der psychoanalytischen Kur an, über die er zu Beginn dieser Sitzung gesprochen hatte, auf die Spaltung in Wissen und Wahrheit bzw. Wissen und Begehren (S. 4 f. von Version J.L.). Der gemalte Velázquez plant das Gemälde, dies ist sicherlich die Seite des Wissens. Er ist Bestandteil des Gemäldes: damit bezieht Lacan sich offenbar auf Velázquez als begehrendes Subjekt.
wie es dazu kommen kann: In Lacans Reformulierung der Perspektive wird das blickende Subjekt durch einen Punkt im Unendlichen repräsentiert. Es muss also noch erklärt werden, wie das blickende Subjekt auf dem für uns sichtbaren Gemälde erscheinen kann, im Endlichen.
Anmerkung in Version Staferla: Libertas artibus restituta: die den Künsten zurückgegebene Freiheit. Diese zu Beginn der Renaissance eingeleitete Bewegung war dadurch gekennzeichnet, dass allmählich eine Theorie der visuellen Künste entwickelt wurde, die sich auf die Propagierung ihrer „intellektuellen“ Dimension gründete. Dafür, dass die Malerei als eine „freie“ Kunst angesehen werden konnte, die es wert sei, von „Freien“ praktiziert und unterrichtet zu werden, war es nötig, ihr den Status eines Gewerbes und Handwerks zu nehmen, der die Unterwerfung unter den Körper und dessen Betätigung voraussetzte, und sie den geistigen Disziplinen anzunähern. So erklärte beispielsweise Leonardo da Vinci in seiner Abhandlung über die Malerei (1651 postum veröffentlicht), er wolle die Malerei als eine cosa mentale [eine Sache des Geistes] behandeln und nicht mehr nur als eine manuelle Aktivität. Zahlreiche Autoren, wie Zuccaro und Bellori in Italien, beschrieben die Malerei als eine „Kunst des Geistes“, die dem disegno interno unterworfen ist, dem inneren Entwurf des Künstlers (im Unterschied zum disegno externo, der Zeichnung, dem Werk als äußerem Gegenstand), und die von seiner Fähigkeit abhängt, in seinem Geist ein genaues und vollständiges Bild des Werkes, das er realisieren möchte, hervorzubringen, noch bevor er es ausgeführt hat.
Anmerkung von Michel Roussan: Disegno interno: vgl. Federico Zuccari (1784–1817). In der Zeit der Autonomisierung des Künstlers ist das Thema der Zeichnung (dessin) eines derjenigen, die am meisten Diskussionen hervorrufen. Alberti teilt die Malerei in drei Bereiche ein: die „constrittione“, d.h. die Zeichnung (im Sinne des Umrisses einer Form), die Komposition und die „Aufnahme des Lichts“ (hell-dunkel und Farben), wobei die erste die wichtigste sei. Vasari [Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten italienischen Baumeister, Maler und Bildhauer (1550, 1568). Hg. v. Herbert Siebenhüner. Dieterich, Leipzig 1940] sieht an der Grundlage der drei Künste (Architektur, Bildhauerei und Malerei) den Entwurf (disegno, was man in diesem Fall mit „Plan“ (dessein) übersetzen müsste): „ausgehend vom Intellekt (…) entwickelt er aus zahlreichen Elementen ein umfassendes Konzept (…). Man erfasst das Verhältnis des Ganzen zu den Teilen, der Teile untereinander und zum Ganzen. Von dieser Auffassung her bildet sich ein Konzept, dessen manueller Ausdruck Zeichnung genannt wird.“ Ganz klar bildet der Plan den Ursprung jeder plastischen Schöpfung, danach fordert der Künstler von seiner Hand, „die durch Jahre des Studiums und der Praxis geschult ist“, die Umrisse zu ziehen, das heißt eine Zeichnung anzufertigen. Man gelangt also Ende des 16. Jahrhunderts zu einer Auffassung, die in der Zeichnung (disegno) den Ausdruck einer abstrakten Idee sieht, gekennzeichnet durch eine intellektuelle Schönheit geistigen Ursprungs, was zu der Idee führt, dass die Zeichnung (der Strich) immer der Ausdruck eines höheren Plans ist. In dieser Zeit theoretisiert Federico Zuccari das Ganze, indem er einen disegno interno (den Plan) von einem disegno esterno abgrenzt (von der Zeichnung). (Nach Marie Lavin: La question du dessin.)
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mit dieser topologischen Struktur: Gemeint ist wohl die Beziehung zwischen den beiden Punkten auf der Horizontgeraden (Fluchtpunkt als Punkt des sehenden Subjekts, Distanzpunkt im Unendlichen als Punkt des blickenden Subjekts), dem Fenster in Ebene S (Blick als Objekt a) und den zwei Runden des Schautriebs (aim des Schautriebs).
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was dieser Blick anblickt: Auch Foucault ist dieser Auffassung. Er schreibt:
„Der Maler betrachtet mit leicht gewendetem Gesicht und zur Schulter geneigtem Kopf. Er fixiert einen unsichtbaren Punkt, den wir Betrachter aber leicht bestimmen können, weil wir selbst dieser Punkt sind: unser Gesicht, unsere Augen.“ (A.a.O., S. 32)
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das Fenster: Das Fenster ist eine Öffnung in der Ebene des Betrachters, der in ein Loch umgedeutete Augpunkt. Das Bild erstreckt sich demnach bis in die Ebene des Betrachters und dies durch das Zusammenwirken von drei Faktoren: durch den Blick des gemalten Malers, durch das umgedrehte Bild-im-Bild (Vorstellungsrepräsentanz), durch den gemalten Raum.
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der Punkt der Vereinnahmung: Wir, die Betrachter, werden durch zwei Elemente in den Raum des Bildes einbezogen: durch das umgedrehte Bild-im-Bild und durch den Blick des gemalten Velázquez.
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eine Absicht: Der Abstand des gemalten Malers vom Bild-im-Bild wiederholt innerhalb des Bildes den Abstand des Betrachters vom Bild, ähnlich wie im Schema der Perspektive die Distanz zwischen Augpunkt und Fluchtpunkt innerhalb des Bildes durch den Abstand von Fluchtpunkt und Distanzpunkt aufgenommen wird. Wenn der gemalte Maler dem blickenden Subjekt entspricht und das Bild-im-Bild dem Signifikanten, geht es hier also um den Abstand des blickenden Subjekts vom Signifikanten. Das Subjekt geht in seiner Unterwerfung unter die Signfiikanten nicht auf, eben das ist das Begehren.– Den Abstand des Malers vom Bild betont übrigens auch Foucault: „Der Maler steht etwas vom Bild entfernt. (…) Der Maler hat sich in einige Entfernung neben das Bild gestellt, an dem er arbeitet.“ (A.a.O., S. 31)
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Die Spur
Der Abstand vom Bild ist in das Bild selbst eingezeichnet, und zwar auf doppelte Weise. Erstens als Abstand des gemalten Malers vom Bild-im-Bild. Und außerdem durch die Aufteilung der übrigen Personen in eine Gruppe vor dem Maler und eine Gruppe hinter dem Maler, wodurch ein Abstand zwischen den beiden Gruppen entsteht, eine Art Gang, der auf den Maler zuläuft und seinen Abstand des Malers vom Bild im Bild hervorhebt. Lacan deutet diesen schmalen Pfad als eine vom gemalten Maler als blickendem Subjekt erzeugte Teilung der Gruppe, als Spur seines Durchgangs.
In die Aufsicht der Las-Meninas-Szenerie (Bild unten) habe ich den Abstand des Malers vom Bild mit einer blauen Linie eingetragen, den Abstand zwischen den Meninas mit einer grünen. V = Velázquez der Maler; S = María Agustina Sarmiento de Sotomayor; M = Infanta Margarita; I = Isabel de Velasco; U = Marcela de Ulloa; G = Guardadamos; B = Mari Bárbola; H = Hund; N = Nicolas Pertusato
(Zeichnung aus: John F. Moffitt: Velázquez in the Alcazar Palace in 1656: The Meaning of the Mise-en-scène of Las meninas. In: Art history, 6. Jg. (1983), Nr. 3, S. 272–300, hier: S. 283 (Ausschnitt). Die Beschriftungen habe ich geändert.)
Foucault betont ebenfalls eine Zweiteilung der Gruppe, bezieht sich dabei jedoch auf eine andere Gliederung:
„Schließlich gibt es zwei Gruppen, aus jeweils zwei Personen: die eine ist etwas zurückgezogen [Marcela de Ulloa und der Wächter], die andere besteht aus Zwergen und befindet sich ganz im Vordergrund. (…) Durch ihre Stellung und ihre Größe entsprechen die beiden Gruppen einander und bilden eine Dublette. Weiter hinten die Höflinge (die Frau links schaut nach rechts), weiter vorne die Zwerge (der Knabe, der sich ganz außen rechts befindet, betrachtet das Bildinnere).“ (A.a.O., S. 41)
der phantasmatischen Präsenz des Malers: Mit der „phantasmatischen Präsenz“ bringt Lacan das Phantasma ins Spiel.
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Punkt im Unendlichen: Das blickende Subjekt ist im Perspektive-Schema an dem Punkt verortet, an dem sich die Grundlinie (d.h. die Überschneidung der Bildebene mit dem Boden der Perspektive) mit der unendlich fernen Linie der Bildebene schneidet, also an einem bestimmten unendlich fernen Punkt der Bildebene.
gespenstische Form: Mit dem Hinweis auf die „gespenstische Form“ will Lacan offenbar andeuten, dass der gemalte Maler abwesend ist, dass er „in Wirklichkeit“, wenn man so sagen darf, am Distanzpunkt ist, d.h. an einem Punkt im Unendlichen.
das sich vom Stil des Malers sicherlich unterscheidet: Der gemalte Maler zeichnet sich also durch folgende Merkmale aus: die Richtung des Blicks (damit der Bezug auf das Fenster), das träumerische Ausssehen, der Abstand vom Bild und die Verbindung mit dem Abstand zwischen den beiden Gruppen als Spur seiner Rückkkehr von einem Punkt im Unendlichen.
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etwa ein Selbstporträt: Lacan deutet den Blick des Malers so, dass dieser Blick anzeigt, dass es ihm nicht um ein Selbstporträt geht.
mit diesem Öl da: Das bezieht sich auf die traditionellen Attribute des Malers, mit denen Velázquez sich selbst auf dem Gemälde darstellt: die Palette (mit den Farben darauf, dem „Öl“) und der Pinsel; außerdem sieht man das dritte klassische Attribut, den Malstock (in der linken Hand, mit der er auch die Palette hält). Ausführlich hierzu: Moffit, a.a.O., S. 40–72.
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durch diese Spur wiedergekehrt
Der gemalte Velázquez, das blickende Subjekt, der Punkt im Unendlichen, hat eine Runde um den Blick als Objekt a gedreht, um das Loch des Fensters, und ist zu seiner Position neben der Leinwand zurückgekehrt. Durch seine Bewegung hat er die „Spur“ erzeugt, den Gang zwischen den beiden Gruppen.
Die Formulierung, dass das blickende Subjekt durch diese Spur „wiedergekehrt“ ist, spielt auf das Gespenst als Wiedergänger an, als Wesen, das von den Toten zurückgekehrt ist. Vor allem aber verweist sie auf die Zurück-Bewegung des Schautriebs sowie auf die Wiederkehr des Verdrängten.
Die im Gemälde dargestellte zweite Drehung des Schautriebs besteht demnach in einer Bewegung des gemalten Malers, die ihn, den Punkt im Unendlichen, dazu gebracht hat, vom außerhalb der Bildebene liegenden „Fenster“ (dem Loch in der Kreuzhaube) zum Platz neben dem Bild zurückzukehren.
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unsichtbarer Punkt
Der unsichtbare Punkt ist das Fenster (der Blick als Objekt a), von dem der gemalte Maler zurückgekehrt ist.
Vgl. Foucault (nach einer Bemerkung über den Blick des Maler auf das Modell):
„Die meisten anderen Personen auf dem Bild haben ebenfalls ihre Blicke auf das gerichtet, was sich vor ihnen abspielt – auf die helle Unsichtbarkeit, die die Leinwand begrenzt, auf jenen Balkon aus Licht, der ihrem Blick diejenigen zeigt, von denen sie angesehen werden –, und nicht auf die dunkle Höhlung, die das Zimmer abschließt, in dem sie repräsentiert sind.“ (A.a.O., S. 35).
„Was in ihm [dem Hintergrundspiegel] reflektiert wird, ist das, was alle Personen auf der Leinwand gerade fixieren, indem sie den Blick starr vor sich richten […].“
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ein Engel ist vorbeigegangen: „Un ange a passé“ oder „un ange est passé“: wird gesagt, wenn in einem Gespräch plötzlich Stille einkehrt. Die im Deutschen übliche Wendung ist „ein Engel geht durchs Zimmer“ oder „ein Engel fliegt durchs Zimmer“. Mit dem Hinweis auf die Stille soll möglicherweise angedeutet werden, dass der Blick als Objekt a vom Sprechen nicht erreicht werden kann. Aus dem Gespenst wird mit dieser Wendung ein anderes körperloses Wesen, ein Engel, gewissermaßen ein umgekehrtes Gespenst. Während ein Wiedergänger einmal einen materiellen Körper hatte, dessen er jedoch verlustig ging, gilt, soweit ich unterrichtet bin, für einen Engel, dass er keinen materiellen Körper hatte, ihn jedoch bei passender Gelegenheit annehmen kann.
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gewissermaßen wie verboten:
? Was ist mit dem „wie verboten“ gemeint? -
Hast du nicht: Nicolas Pertusato scheint den Hund aufzufordern, seinen Blick auf etwas zu richten, das verschwunden ist. Offenbar soll selbst der Hund sich in ein begehrendes Subjekt verwandeln.
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Sämtliche Blicke sind anderswo
Das Begehren richtet sich immer auf ein Anderswo, heißt es im Angst-Seminar, nämlich auf das Objekt a:
„Das Begehren ist illusorisch, warum? Weil es sich stets anderswohin (ailleur) richtet, an einen Rest, einen durch diese Beziehung des Subjekts zum Anderen konstituierten Rest, der sich an dessen Stelle setzen wird.“
(Seminar 10, Sitzung vom 15. Mai 1963, Version Miller/Gondek S. 299)
Das Personen des Hofs agieren also einerseits in der Ordnung des Narzissmus, des Imaginären – sie geben eine Vorstellung. Sie werden zugleich von einem Begehren umgetrieben, das sich auf der Ebene des Blicks manifestiert.
Lacan charakterisiert das Gemälde durch eine doppelte Bewegung der Ansteckung. Der Charakter des Bildes-im-Bild als Vorstellungsrepräsentanz teilt sich allen Personen mit, so dass sie zu Vorstellungsrepräsentanzen werden, zu Leuten, die eine Vorstellung geben. Der Charakter von Velázquez als blickendem Subjekt überträgt sich auf die Blicke der meisten Personen, sodass sie zu blickenden Subjekten werden, zu Subjekten, die sich auf das Fenster beziehen.
Auch Foucault weist darauf hin, dass die Personen ihre Blicke auf etwas gerichtet haben, das sich vor ihnen abspielt, „auf die helle Unsichtbarkeit, die die Leinwand begrenzt“ (a.a.O., S. 35).
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was hier im Vordergrund ist: Foucault zufolge sind am Platz vor dem Bild außerhalb des Bildes erstens der Betrachter, zweitens der König und die Königin und drittens der Maler, wobei König und Königin im Spiegel reflektiert werden (vgl. Die Ordnung der Dinge, a.a.O., S. 43–45).
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der an unserem Platz steht: Gemeint ist, dass der Spiegel am Platz des Betrachters stand. Eine Erwähnung der Großspiegel-These findet man bereits in einer Ende des 19. Jahrhunderts erschienenen Velázquez-Monographie:
„It is generally said that Velasquez was painting the king, who sat in the spot from which the spectator is supposed to see the picture of ‚Las Meninas‘. (…) Some, however, will have it to be the very canvas of ‚Las Meninas’, which Velazquez was painting from a reflection in a mirror placed near to where the king had been sitting.“
Robert Alan Mowbray Stevenson: The art of Velasquez. George Bell and sons, London 1895, S. 53. Die These vom Großspiegel ist später von Hans Ulrich Asemissen ausgearbeitet worden: Las meninas von Diego Velasquez. Hg. v. Gesamthochschule Kassel, Fachbereich Kunst, Kassel 1981.
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den strengen Unterschied zwischen einem Spiegel und einem Fenster: Lacan zufolge ist am Platz des Betrachters nicht ein Spiegel, sondern das Fenster, d.h. der Blick als Objekt a, und das hat Effekte für die Komposition des Bildes.
strukturell in keiner Beziehung: Die These vom Großspiegel am Platz des Betrachters ist eine Alternative zu Lacans These, dass hier das Fenster zu verorten sei. Das Fenster steht für das Objekt a, und das Objekt a steht in keinem Verhältnis zum Spiegel, es ist nicht „spekularisierbar“, wie Lacan im Angst-Seminar ausgeführt hatte, das heißt topologisch, sein Spiegelbild zeigt keine Rechts-links-Vertauschung und psychoanalytisch, es entzieht sich der narzisstischen Orientierung, dem Imaginären. (Vgl. Seminar 10, Die Angst, Sitzung vom 23. Januar 1963, Version Miller/Gondek S. 152.)
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kann es nicht der Maler sein: Foucault zufolge sind am Platz vor dem Bild erstens der König und die Königin, zweitens der Maler und drittens der Betrachter.
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da ich die Hypothese ausgeschlossen habe, dass der Maler anders als durch die Kunst seines Pinsels da war:
? Der Sinn dieses Satzes mit seinen beiden Negationen und dem „da“ entzieht sich mir.
– Der Maler war durch die Kunst seines Pinsels da: Vielleicht: Die Anwesenheit des Malers im Bild ist eine Bild-Fiktion. ?
– Der Maler war anders als durch die Kunst seines Pinsels da: Der Maler war wirklich da, nicht nur durch die Kunst seines Pinsels. ?
– Diese Hypothese ist von Lacan ausgeschlossen worden: Der Maler war nur durch die Kunst seines Pinsels da. ?musste der Maler dort sein: Dort: nicht auf dem Platz des Betrachters, also wohl neben dem Bild im Bild.
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dann ist der Maler hier: Wenn König und Königin am Platz des Betrachters sind, steht der Maler neben dem Bild-im-Bild.
Madame de Motteville: Auf die Memoiren der Madame de Motteville bezieht sich Justi in seinem Velázquez-Buch, erzählt dort jedoch eine etwas andere Geschichte:
„Die Memoiren der Mad. de Motteville schildern einen Besuch an der Zimmerschwelle der Infantin Maria Theresia. ‚Sie wird mit großer Ehrerbietung bedient, wenige haben Zutritt, und es war eine besondere Vergünstigung, daß wir an der Tür ihres Gemachs verweilen durften. Wenn sie etwas trinken will, so überbringt der Page (menin) das Glas einer Dame, die niederkniet, ebenso wie der Page; und auf der anderen Seite ist ebenfalls eine Knieende, die ihr die Serviette reicht, gegenüber steht eine Ehrendame.‘ “
(Carl Justi: Die Familie Philipps IV. (Las Meninas). In: Thierry Greub (Hg.): Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte. Reimer, Berlin 2001, S. 89–95, hier: S. 89, Einfügung in Klammern von Justi; zuerst in: Carl Justi: Diego Velázquez und sein Jahrhundert. Bonn 1888, korr. 2. Auflage 1903, Reprint Zürich 1933.)
der Maler würde etwas malen, das er nicht sieht:
? Mir ist nicht klar, was damit gemeint ist. -
dahin zurückkommen kann: Wohin kann der Maler zurückkehren? Drei Sätze später heißt es: „ich bin auch an diesem Ort, von dem aus ich an den Platz zurückkehren kann, den ich Ihnen überlasse“. Der Maler kann demnach an den Platz vor dem Bild zurückkehren, an den Platz des Betrachters, an den Platz des Fensters. Die Spur, also die Spaltung der Gruppe der Hofleute, ist weiterhin offen und zeigt damit damit gewissermaßen den Rückweg zum Fenster an.
inwiefern da der leere Platz ist: Vor dem Bild ist weder das Königspaar noch ein Spiegel noch der Maler; in diesem Sinne ist dieser Platz leer.
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dass sie alles sehen: Das Königspaar verkörpert demnach den Anderen, dem unterstellt wird, dass er alles sieht. Das Allsehen ist ein traditionelles Gottesprädikat.
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die Parallele zum „Ich denke also bin ich“: Lacan hatte früher in dieser Sitzung daran erinnert, dass das Cogito, wie er in früheren Seminaren erläutert hatte, eine Spaltung enthält, zwischen Denken und Sein. Die Parallele dürfte also darin bestehen, dass es im Gemälde eine Spaltung des Malers gibt, zwischen der Ordnung des Sehens und der Ordnung des Blicks. Der Maler ist das blickende Subjekt, insofern er eine Runde um das Fenster gedreht hat. Jetzt aber ist er für den Betrachter sichtbar, neben dem Bild-im-Bild stehend, und damit gehört er zur Ordnung des Sehens.
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ich bin auch an diesem Ort: Auf dem Platz neben dem Bild-im-Bild.
an den Platz zurückkehren kann: Gemeint ist der Platz des Betrachters bzw. der Platz des Fensters, des Blicks als Objekt a.
den ich Ihnen überlasse: Demnach ist der Betrachter am Platz des Blicks als Objekt a.
dass es einen Sturz gibt: Eine der Existenzweisen des Objekts a ist der Sturz. Bereits früher in dieser Sitzung hieß es, das Objekt a sei an einem Punkt zu suchen, „an dem es natürlich stürzt und verschwindet, andernfalls wäre es nicht das Objekt a“ (S. 17 von Version J.L.). In einer späteren Sitzung des laufenden Seminars bezieht Lacan sich auf Ödipus, der sich nach der Entdeckung, dass er seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet hat, die Augen ausreißt; dies sei der „Sturz des Blicks von Ödipus“ (Sitzung vom 15. Juni 1966, S. 13 von Version J.L.).
? Warum bezieht Lacan das Objekt a so hartnäckig auf den chute, auf den Sturz oder Fall? Anspielung auf den Sturz aus der narzisstischen Überlegenheit? Und zugleich auf die Schwächung des Symptoms durch das Herauslösen (chute) des Objekts a?
dass es eine Verwirrung gibt: Die Verwirrung entsteht dadurch, dass die narzisstische Phantasie des Allsehens erschüttert wird – durch das Erblicktwerden.
etwas, das den Kern des Subjekts ausmacht: Der Kern des Subjekts ist das Begehren; das Begehren stützt sich auf die Beziehung zum Objekt a.
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Die Gegenwart des Königspaars: Dem Königspaar wird unterstellt, dass es alles sieht, tatsächlich aber wird es getäuscht.
dass der allgegenwärtige Gott selbst getäuscht wird: Descartes stützt die Wahrheit des „ich denke“ durch einen Gott, der nicht täuscht (Meditationen über die Erste Philosophie, 3. Meditation); das ist ein Thema, auf das Lacan immer wieder zurückkommt; die erste Bezugnahme findet man in Seminar 2 von 1954/55, Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse (Sitzung vom 19. Mai 1955, Version Miller/Metzger S. 285). Der allsehende und allgegenwärtige Gott wird getäuscht, damit sind wir in der Ordnung der Spaltung des Anderen und des Schirms: das, was sich ihm zeigt, verbirgt etwas.
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als Gegenstück zu diesem klein a des Fensters: Der Spiegel mit dem Königspaar ist das Gegenstück zum Fenster als Objekt klein a; hier geht es wieder um den Gegensatz zwischen dem Sehen und dem Blick.
auf der Ebene des Subjekts A: Vermutlich die Ebene des Betrachters.
auf der Ebene des Subjekts A wird etwas verschwinden:
? Vielleicht: Auf der Ebene des Betrachters verschwindet das sehende Subjekt – ?] -
fa presto: Der italienische Ausdruck fa presto meint „(er) macht schnell“.
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eine Welt, die im Begriff ist, sich durch Vermittlung des subjektivischen Phantoms zu verwandeln: Gemeint ist vermutlich der Übergang von einer Welt, die durch einen Schöpfergott bestimmt wird, zu einer Welt, in der, mit dem Cogito, das Subjekt im Zentrum steht. Descartes‘ Meditationen über die Erste Philosophie erschienen 1641, Las Meninas wurde 1656 gemalt.
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Flash: Lacan referiert hier eine These von Carl Justi zu den Spinnerinnen. Vgl. Carl Justi: Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Cohen, Bonn 1888, S. 326 f.
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Fenster, in das er uns einrahmt: Damit könnte der Rand von Las meninas gemeint sein. Das Bild hat einen Rand, einen Rahmen, und im Bild wird ein gemalter Rahmen dargestellt, in dem das Königspaar erscheint.
Fernsehschirm: Eine der Erscheinungsformen des Blicks als Objekt a ist der Lichtreflex, etwa derjenige, der von einer Konservendose ausging und Lacan wie ein Schlag traf, wie er im Seminar über die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse erzählt hatte (vgl. Seminar 11, Sitzung vom 4. März 1964, Version Miller/Haas S. 101 f.). Einige Jahre nach den Las-meninas-Vorlesungen, in Television von 1973, wird er die Gleichsetzung von Fernsehen und Blick ausdrücklich vornehmen (vgl. J. Lacan: Television. In: Ders.: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin u.a. 1988, S. 61).
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Die folgende Zeichnung ist aus Juan-David Nasio: Introduction à la topologie de Lacan. Payots et Rivages, Paris 2010, S. 189 (von mir überarbeitet).