Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom
VIII. Zur Sitzung vom 9. März 1976
John Robinson, Creation, 1991, Redwood, 3,65 x 3,65 m
Robert Hefner III Collection, Aspen (Colorado, USA), von hier
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, „Das Sinthom“
Jacques Lacan: Seminar 23 von 1975/76: Le sinthome / Das Sinthom
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
ab März 2013
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Sitzung vom 9. März 1976
Zweite Fassung vom 30. Januar 2019. Die erste Fassung erschien am 7. Oktober 2015: Wichtigste Änderungen:
(a) Auf der Grundlage der Übersetzung von Max Kleiner wurde eine neue Übersetzung erstellt.
(b) Die „Paraphrase mit Ergänzungen und Fragen“ wurde stark überarbeitet.
(c) Seitenverweise auf die inzwischen erschienene offizielle Übersetzung wurden eingefügt (J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017).
In der von Miller erstellten Version ist dies VII. D’une fallace témoignant du réel, S. 105–118, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann VII. Von einem Trug, der vom Realen zeugt, S. 113–128.
19., 20. und 21. Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
am 27. Januar, 24. Februar und 31. März 2015
in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin.
QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– eine Übersetzungen von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der Staferla-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern).
ZUR NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Homophonien und Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars..
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TONAUFNAHME
Die Aufnahmen sind von der Website von Patrick Valas, hier.
Version Lutecium:
Version Ducan & Valas:
DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
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{113} Gut. Also da bin ich, darauf beschränkt, zu improvisieren. Natürlich nicht, weil ich seit dem letzten Mal nicht gearbeitet hätte – das sogar reichlich. Aber da ich mich nicht unbedingt darauf eingestellt hatte, zu sprechen, da ja eigentlich Streik ist, bin ich darauf beschränkt, das zu tun, was ich trotzdem ein wenig vorbereitet habe, viel sogar.
Ich werde Ihnen heute – ich hatte wie üblich gehofft, Sie wären weniger zahlreich –, ich werde Ihnen heute etwas zeigen. Das ist nicht unbedingt das, was Sie erwarten. (Gelächter) Das ist nicht ohne Bezug.
Ich habe jedoch, bevor ich losgegangen bin, etwas mitgenommen, woran zu denken ich einen großen Wunsch verspürte, da ich es der Person versprochen habe, die daran nicht wenig interessiert ist. Und zwar Folgendes, was ich Ihnen bekanntgeben möchte oder woran ich diejenigen, die es bereits wissen, erinnern möchte: dass es jemanden gibt, den ich sehr mag, sie heißt Hélène Cixous – das schreibt sich mit einem C am Anfang und das endet mit einem S, das wird „ßikꞌßuh“ gesprochen. Also die erwähnte Hélène Cixous hatte bereits, so scheint es – was mich angeht, so hatte ich es in meinem Gedächtnis etwas unscharf gelassen –, sie hatte bereits, so scheint es, in der vergriffenen Nummer von Littérature – in der ich, wie man mir im Erinnerung gerufen hat, ich hatte es völlig vergessen, Lituraterre veröffentlicht habe –, in diesem vergriffenen Heft – was es Ihnen nicht leicht machen wird, es zu finden, außer für diejenigen, die es bereits haben – hatte sie eine kleine Anmerkung zu Dora geschrieben. Also, inzwischen hat sie ein Stück daraus gemacht: Das Porträt von Dora – das ist der Titel –, ein Stück, das im Kleinen Orsay gespielt wird, das heißt in einem Anbau des Großen Orsay, wie sich jeder leicht vorstellen kann, da das Große Orsay durch Jean-Louis Barrault und Madeleine Renaud belegt ist. Also dieses Porträt von Dora, ich fand das nicht schlecht. Ich habe derjenigen, die ich, seit ich sie kenne, Hélène nenne, gesagt, was ich darüber gedacht habe. Und ich habe ihr gesagt, dass ich darüber sprechen werde.
{114} Das Porträt von Dora – es geht um Freuds Dora. Und das ist der Grund, weshalb ich vermute, dass einige es interessieren könnte, sich anzuschauen, wie das realisiert wird. Es wird auf reale Weise realisiert. Ich will sagen, dass die Realität das ist – die Realität der Proben beispielsweise –, das ist, was letztendlich die Schauspieler beherrscht hat. Ich weiß nicht, wie Sie es einschätzen werden, eins jedoch ist gewiss, nämlich dass es da etwas ganz Verblüffendes gibt.
Es geht um die Hysterie, genau gesagt um die Hysterie von Dora, und es stellt sich heraus, dass sie nicht die beste Hysterikerin der Besetzung ist. Diejenige, die die beste Hysterikerin ist, spielt eine andere Rolle, aber sie zeigt ihre Hysterikertugenden überhaupt nicht. Dora selbst, also diejenige, die diese Rolle spielt, zeigt sie nicht schlecht, zumindest ist das mein Gefühl.
Es gibt darin auch jemanden, der die Rolle von Freud darstellt, der diese Rolle spielt. Er ist natürlich ziemlich genervt. (Gelächter) Und er ist natürlich ziemlich genervt, und das merkt man denn auch, er geht das vorsichtig an. Und das ist umso weniger glücklich, zumindest für ihn, als er kein Schauspieler ist, er hat sich dem verschrieben. Also hat er die ganze Zeit Angst, Freud zu überzeichnen, und das sieht man seinem Vortrag an. Na ja, das Beste, was ich Ihnen sagen kann, ist, schauen Sie sich das an. Was Sie sehen werden, ist etwas, das nun mal von dieser Vorsicht von Freud geprägt ist, von der Vorsicht des Freud-Darstellers.
Daraus ergibt sich insgesamt etwas, das letztlich ganz sonderbar ist. Man hat da eine Hysterie – ich denke, das wird Sie verblüffen, aber vielleicht werden Sie es ja anders einschätzen –, man hat da eine Hysterie, die ich „unvollständig“ nennen könnte. Ich will sagen, dass die Hysterie immer – nun, seit Freud –, dass das immer zwei sind. Und hier sieht man die Hysterie gewissermaßen auf einen Zustand reduziert, den ich – und deswegen passt das übrigens nicht schlecht zu dem, was ich Ihnen erläutern werde –, den ich gewissermaßen als materiell bezeichnen könnte. Es fehlt darin das Element, das schon vor einiger Zeit hinzugekommen ist – letztlich bereits vor Freud –, nämlich wie sie verstanden werden muss. Das ergibt etwas sehr Verblüffendes und sehr Instruktives. Das ist eine Art von starrer Hysterie.
Sie werden sehen, da ich es Ihnen zeigen werde, was das Wort Starrheit hier bedeutet. |{115} Weil ich mich jetzt daran mache, zu Ihnen über eine Verkettung zu sprechen, die ich Ihrer Aufmerksamkeit bereits vorgelegt habe: die borromäische Verkettung – um sie so zu nennen –, die man nicht umsonst als Knoten bezeichnet, weil das zum Knoten hin gleitet, ich werde Ihnen das gleich zeigen.
Aber das, was Sie dort sehen werden, ist eine Art Implantation der Starrheit bezogen auf etwas, bei dem nicht ausgeschlossen ist, dass das Wort „Verkettung“ es Ihnen wieder vergegenwärtigt, wenn man so sagen kann, denn eine Kette ist ja doch starr. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Verkettung, um die es sich handelt, nur als ganz elastisch aufgefasst werden kann. Es ist sogar wichtig, sie als ganz elastisch aufzufassen. Auch das werde ich Ihnen zeigen. Also, über das Porträt von Dora werde ich Ihnen nichts weiter sagen. Ich hoffe – was hoffe ich? – ein Echo zu erhalten von den Personen, die mich zum Beispiel aufsuchen. Das kommt vor.
Gut, sprechen wir nun also darüber, worum es geht: über die Verkettung, über die Verkettung, bei der ich dazu kam, sie zu artikulieren, ja zu beschreiben, indem ich das Symbolische, das Imaginäre und das Reale darin verbunden habe.
Wichtig ist das Reale. Nachdem ich lange vom Symbolischen und vom Imaginären gesprochen hatte, wurde ich dazu gebracht, mich zu fragen, was in dieser Verbindung das Reale sein könnte. Und das Reale, es ist klar, dass das nicht ein einzelner dieser Schnur-Ringe sein kann. Die Art und Weise, wie sie in ihrer Knotenverkettung präsentiert werden, das macht für sich als Ganzes das Reale des Knotens aus.
Also ich bitte Sie um Entschuldigung, dass ich mich vom Mikro entferne.
Sie sollten ja schon ein bisschen kapiert haben, womit ich versucht habe, die borromäische Verkettung zu stützen. Hier sehen Sie, was das ergibt, etwas, das ungefähr so wäre [Abbildung 1]:
Abb. 1: „Starre“ borromäische Verkettung von drei Elementen
Mir war nicht danach, das zu vervollständigen, es ist jedoch offensichtlich, dass man es vervollständigen muss, um spüren zu lassen, worum es geht. Dies ist also die typische Verkettung [Abbildung 1].
Abb. 2: Kleeblattknoten
{116} Es ist gewiss, dass die Tatsache, dass ich es so zeichne [Abbildung 2] –.
Abb. 3: Hopf-Verkettung
Sie haben bereits gesehen, wie sich das hier um ein Nichts in etwas verwandeln kann, das so aussieht, als würde es die Bezeichnung Verkettung besser verdienen [Abbildung 3], das heißt zwischen dem blauen und dem roten etwas herzustellen – hier weiß man nicht mehr, wie man sagen soll –, das eine Verkettung bildet oder das einen Knoten bildet, weil das ja doch am meisten dem ähnelt – ich habe es vertauscht, nicht so wichtig –, am meisten dem ähnelt, was man üblicherweise als Kette hinstellt, als Kette auffasst.
Abb. 4: Projektive Darstellung der borromäischen Verkettung von drei Elementen
{117} Und dann dies hier [Abbildung 4], was den Vorteil hat, es letztlich so darzustellen, nämlich die drei Ringe insgesamt auf eine Weise darzustellen, die man projektiv nennen muss, auch das hat einen Wert.
Abb. 5: Borromäische Verkettung von drei Elementen als Sphäre
Es bleibt nicht weniger, dass das, was so präsentiert wird [Abbildung 5], ein –; Achtung, hier können Sie gut sehen, dass wir genötigt sind, die drei Ringe so zusammenzufügen, dass hierbei die Anordnung, die ich zuerst gezeichnet habe, respektiert wird. Wie man sieht, der Vorteil, der sich daraus ergibt, sie so zu präsentieren, besteht darin, dass dies die Sphäre simuliert, wie ich das Dalí gegenüber angemerkt habe, mit dem ich darüber gesprochen habe, ich weiß nicht mehr wann.
Der Unterschied zwischen dieser borromäischen Verkettung und dem, was man bei einer Armillarsphäre immer zeichnet – |{118} wenn man versucht, sie kreisförmig darzustellen, auf drei Ebenen, die man jeweils als transversal, sagittal und horizontal bezeichnen kann –, besteht darin, dass man nie gesehen hat, dass eine Armillarsphäre so dargestellt wird, wie dieser Knoten präsentiert wird, dieser borromäische Knoten.
Also bei dieser falschen Sphäre, die ich da ganz rechts gezeichnet habe, gibt es eine Weise, sie zu manipulieren, indem sie auf der Ebene dessen genommen wird, was ein Achtel davon bildet. Es besteht da –. Weil diese Sphäre durch Kreise gestützt wird, gibt es eine bestimmte Art, sie auf sich selbst umzuklappen.
Was eine Sphäre als solche angeht, so ist schwer, nicht zu denken, dass sie mit der Idee von alle verbunden ist.
Es ist ein Faktum, dass die Tatsache, dass man eine Sphäre gern durch einen Kreis darstellt, die Idee von alle – die nur durch die Sphäre gestützt wird –, die Idee von alle mit dem Kreis verbindet. Das ist jedoch ein Fehler. Das ist deshalb ein Fehler, weil die Idee von alle die Geschlossenheit impliziert. Wenn man dieses alle umklappen kann, wird das Innen zum Außen, und das stellt sich von dem Moment an her, in dem wir die borromäische Verkettung mit Kreisen gebildet haben, nämlich dass die borromäische Verkettung umgeklappt werden kann. Sie kann deshalb umgeklappt werden, weil der Kreis keineswegs das ist, was man glaubt – das, was die Idee von alle symbolisiert –, sondern weil es im Kreis ein Loch gibt.
In dem Maße, in dem Wesen träge sind, das heißt von einem Körper getragen werden, kann man zu jemandem sagen, wie es auf Veranlassung des Popillius hin geschehen ist: „Du wirst da nicht rauskommen, weil ich einen Kreis um dich gezogen habe; du wirst da nicht rauskommen, bevor du mir nicht das und das versprochen hast.“
Wir stoßen hier letztlich wieder auf das, weswegen ich – bezogen auf das, was ich mit dem Namen Der Frau bezeichnet habe – behauptet habe, dass sie nicht-alle ist. Sie ist nicht-alle, das heißt, dass die Frauen nur eine Menge bilden. Denn mit der Zeit ist man dazu gelangt, die Idee von alle von der Idee der Menge zu trennen.
Abb. 6: Elemente a, b, c mit Mengenkreis
Ich will sagen, dass man auf den Gedanken gekommen ist, dass eine bestimmte Anzahl von Objekten von kleinen Buchstaben gestützt werden kann, und dann löst sich die Idee von alle auf, dass nämlich der Kreis, von dem angenommen wird, dass er sie versammelt – in einer ganz und gar fragilen Darstellung –, dass dieser Kreis den Objekten klein a, klein b, klein c usw. gegenüber äußerlich ist [Abbildung 6].
Abb. 7: Menge mit Element A und mit Untermenge, die Element B enthält
{119} Wenn man spezifiziert, dass die Frau nicht-alle ist, dann impliziert das eine Asymmetrie zwischen einem Objekt, das man groß A nennen kann – und es geht darum zu wissen, was das ist –, und einer Menge aus einem Element; wobei die beiden, wenn es ein Paar gibt, dadurch vereint sind, dass sie in einem Kreis enthalten sind, die von daher verschieden sind [Abbildung 7]. Was man gewöhnlich durch folgender Formel ausdrückt – man verwendet dabei Klammern –, die man so schreibt: {A {B}}, es gibt [in der Menge] auf der einen Seite ein Element und auf der anderen Seite eine Menge mit einem einzigen Element.
Wie Sie sehen, bin ich ins Stocken geraten.
{120} Also, ich muss Ihnen etwas gestehen, nämlich, nachdem ich dem, was Soury und Thomé mir gegenüber artikuliert hatten, zugestimmt hatte, nämlich dass sich bei einer borromäischen Dreierverkettung zeigt, dass sie zwei unterschiedliche Objekte trägt, unter der Voraussetzung, dass die drei Ringe, aus denen die Verkettung besteht, gefärbt und orientiert sind, wobei beides erforderlich ist, das ist das, was die beiden Objekte, um die es geht, unterscheidet –.
In einer zweiten Phase, das heißt, nachdem ich dem, was sie sagten, zugestimmt hatte, aber gewissermaßen oberflächlich, fand ich mich in der unangenehmen Lage, mir vorzustellen, dass es, um zwei Objekte zu unterscheiden, schon hinreichen würde, sie zu färben, und dies deshalb, weil ich nicht –, weil ich dem, was sie mir gegenüber behauptet hatten, völlig oberflächlich zugestimmt hatte.
Abb. 8: Borromäische Verkettung von drei Elementen
Denn es sieht so aus, als könnten wir spüren – wenn wir einen dieser drei Ringe rot färben –, dass es keineswegs dasselbe Objekt ist, wenn wir diesen hier grün und den da blau färben oder wenn wir umgekehrt vorgehen [Abbildung 8]. Es ist jedoch dasselbe Objekt; wenn wir die Sphäre umklappen, erhalten wir sehr leicht – mein Gott, ich werde es Ihnen rasch anzeichnen –, erhalten wir sehr leicht eine entgegengesetzte Anordnung.
Abb. 9-1 und 9-2: Umklappen des Rings, blau hinter rot
Das heißt – um von dem auszugehen, was da ist, von dem, was da ist, um es so darzustellen [Abbildung 9-1], wo es ein weiteres Mal auf die folgende Weise umgeklappt wird –: es ist tatsächlich völlig plausibel – wenn wir das hier nicht als starr betrachten –, den roten Ring so zu präsentieren [Abbildung 9-2].
Abb. 9-3: Umklappen des Rings, blau vor rot
Wenn wir hier, wie gleichfalls mehr als plausibel ist, den Ring so gleiten lassen, dass wir ihn dorthin führen, wobei völlig evident ist, dass er da sein kann, dann erhalten Sie die diese Umformung [Abbildung 9-3].
Abb. 9-4: Resultat des Umklappens des Rings, blau vor rot
Und ausgehend von der folgenden Umformung ist ganz und gar plausibel, diesen Ring so gleiten zu lassen, sodass das, was erreicht werden sollte – nämlich dass der grüne Ring statt des blauen Rings innerhalb des Rings liegt, dass der blaue Ring hingegen außerhalb liegt –, dass dies erreicht werden kann [Abbildung 9-4].
Diese Dinge – so kann ich nach alledem sagen – sind nicht so leicht zu demonstrieren; der Beweis dafür besteht darin, dass das, was unmittelbar ist – wenn man einfach denkt, dass die drei Ringe im Verhältnis zueinander umgedreht werden können –, das, was unmittelbar ist und durch die Manipulation erreicht wird, nicht so einfach zu erreichen ist; der Beweis dafür besteht darin, dass die erwähnten Soury und Thomé, die mir diese Manipulation sehr zu Recht dargestellt haben, dies nicht getan haben, ohne sich ein wenig zu verheddern.
Ich habe versucht, Ihnen hier darzustellen, wie diese Umwandlung sich tatsächlich vollziehen kann. Gut!
{122} Was hält uns letztlich in der Unmittelbarkeit fest, die eine andere Art von évidence ist, von Evidenz, wenn ich so sagen kann, diese Evidenz, die ich, was das Reale betrifft, mit einem Joke herstelle: die ich durch l’évidement stütze, durch die Entleerung.
Was dieser Evidenz-Entleerung widersteht, ist die knotenhafte Erscheinung, die durch das erzeugt wird, was ich die chaînœud nennen möchte, die Knotenverkettung, indem ich aus chaîne, Verkettung, und nœud, Knoten, eine Äquivokation bilde. Diese knotenhafte Erscheinung, diese Knotenform, wenn ich so sagen darf, ist das, sorgt für die Versicherung des Realen. Und ich möchte bei dieser Gelgenheit sagen, dass dies also eine fallace ist, ein Trug – da ich ja von Erscheinung gesprochen habe –, das ist ein Trug, der von dem zeugt, was das Reale ist.
Das unterscheidet sich von der Pseudo-Evidenz, denn ich hatte es in meiner Blödheit ja zunächst für eine Evidenz gehalten, dass es, wenn man die Kreise ausschließlich färbt, zwei Objekte geben könne.
Diese Reihe von Kunstgriffen, die ich Ihnen demonstruiert habe, was bedeutet sie insgesamt? Hier zeigt sich der Unterschied zwischen der Monstration und der Demonstration, zwischen dem Zeigen und dem Beweisen. Im Beweisen gibt es, verglichen mit dem Zeigen, gewissermaßen eine Idee des Verfalls, es gibt [darin] einen „Niedergang“ des Zeigens. All das von der Evidenz ausgehende Blabla tut nichts anderes als dass es die Entleerung realisiert, unter der Voraussetzung, dass sie es auf bedeutsame Weise tut.
Das more geometrico, das lange die ideale Stütze der Beweisführung war, beruht auf dem Trug einer formalen Evidenz. Und das ist ganz dazu angetan, uns daran zu erinnern, dass eine Linie, geometrisch gesehen, nichts anderes ist als die Überschneidung von zwei Flächen, von zwei Flächen, die selbst wiederum in einen Festkörper geschnitten sind.
Eine andere Stütze jedoch liefert uns der Ring, der Kreis, welcher auch immer, unter der Voraussetzung, dass er elastisch ist; das ist eine andere Geometrie, die auf die Verkettung zu gründen ist.
Es ist gewiss, dass ich über meinen Irrtum weiterhin äußerst verblüfft bin, den ich zu Recht als Blödheit bezeichnet habe, dass ich von ihm in einem Ausmaß berührt war, das man sich nur schwer vorstellen kann.
Und weil ich mich davon wieder erholen will, werde ich dem jetzt etwas entgegensetzen, dem, was ich für die Meinung, so wie sie sie mir gegenüber ausgedrückt haben, von Soury und Thomé halte, die mich darauf aufmerksam gemacht haben, dass es nicht nur darum geht, dass von den drei Kreisen die einen gefärbt sind, die anderen orientiert sind, ein anderer orientiert ist. Hier formuliere ich – und ich glaube, es demonstrieren zu können, in dem Sinne, in dem Demonstrieren noch nahe beim Zeigen ist –, das, worum es geht.
Soury und Thomé sind so vorgegangen, |{123} dass sie eine kombinatorische Exhaustion von drei Färbungen und drei Orientierungen vorgenommen haben, die sie für jeden der Kreise zusammengestellt haben.
Abb. 10: Projektive Darstellung der borromäischen Verkettung
Sie haben geglaubt, sie müssten diese Exhaustion vornehmen, um zu demonstrieren, dass es zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen gibt. Ich glaube, das hier bestreiten zu können, dies durch etwas bestreiten zu können, was sich aus der Art und Weise ergibt, wie ich diese borromäische Verkettung darstelle [Abbildung 10].
Um dieselben Farben beizubehalten wie die, deren ich mich bedient habe, sehen Sie hier, wie ich üblicherweise das, was Sie dort bereits gesehen haben, darstelle. Ich stelle es insofern anders dar, als ich hier zwei unendliche Geraden ins Spiel bringe. Hier genügt die Verwendung dieser beiden unendlichen Geraden im Gegensatz zu dem Kreis, der sie zusammenhält, um uns die Demonstration zu ermöglichen, dass es bei der Verkettung zwei unterschiedliche Objekte gibt, unter der Bedingung, dass ein Paar gefärbt ist und das dritte [Element] orientiert ist [Abbildung 11].
Wenn ich von unendlichen Geraden gesprochen habe, dann deshalb, weil die unendliche Gerade, von der Soury und Thomé vorsichtshalber keinen Gebrauch machen, weil die unendliche Gerade ein Äquivalent zum Kreis ist, zumindest was die Verkettung angeht; sie ist ein Äquivalent, von dem ein Punkt im Unendlichen liegt. |{124} Von zwei unendlichen Geraden ist zu fordern, dass sie konzentrisch sind, ich meine, dass sie miteinander keine Verkettung bilden. Was der Punkt ist, den vor langer Zeit Desargues herausgearbeitet hat, jedoch ohne diesen letzten Punkt zu präzisieren, also dass die Geraden, um die es geht, die sogenannten unendlichen Geraden, sich nicht verketten dürfen, da in dem, was Desargues formuliert hat, nichts Genaues angegeben ist – wie ich in meinem Seminar seinerzeit erwähnt habe –, nichts Genaues dazu angegeben ist, was es mit diesem sogenannten Punkt im Unendlichen auf sich hat.
Wir sehen nun Folgendes: Orientieren wir den Kreis, von dem wir sagen, dass ihm keine Farbe zugewiesen werden muss, dann heißt das offensichtlich bereits, ihn zu isolieren – da von ihm nicht gesagt wird, dass er eine Farbe hat, macht man aus ihm bereits etwas, das sich unterscheidet.
Dennoch ist es nicht belanglos zu sagen, dass alle drei orientiert sein müssen.
Abb. 12: „Rückseite“ von Abbildung 11
Wenn Sie von dieser Orientierung aus vorgehen, dieser Orientierung, die von da aus, von wo aus wir sie sehen, rechtsdrehend ist, so darf man nicht glauben, eine Orientierung sei etwas, das sich in jedem Falle aufrechterhielte. Der Beweis ist leicht zu erbringen: Wenn man nämlich den Ring umdreht – und das Umdrehen impliziert die Umkehrung der unendlichen Geraden [im Verhältnis zueinander] –, wenn man den Ring umdreht, wird der rote Ring, nach dem Umdrehen betrachtet, eine genau entgegengesetzte Orientierung haben [Abbildung 12].
Ich habe gesagt, dass es hinreicht, dass ein einziger orientiert ist. Das ist noch weitaus begreiflicher, wenn man die Geraden unendlich macht – von wo aus sollten wir diesen Geraden denn eine Orientierung geben?
Abb. 13-1 und 13-2: Wechsel der Position der Geraden
Es ist absolut möglich, das zweite Objekt evident zu machen, wenn man von dem ausgeht, was meiner Illusion über die Färbung zu Grunde lag, wenn man davon ausgeht, dass man, wenn man das erste nimmt und die Farben umkehrt, wenn man das erste nimmt – das ist das, was ich hier gezeichnet habe –, wenn man hier also die grüne Farbe nimmt und hier die blaue, dass man dann ein Objekt erhält, dass sich unbestreitbar unterscheidet [Abbildung 13-1], vorausgesetzt, dass man die Orientierung dessen, was orientiert ist, beibehält, dass man sie als dieselbe beibehält.
Denn warum sollte ich die Orientierung ändern? Es gibt keinen Grund, die Orientierung zu ändern, wenn ich das Farbenpaar geändert habe; wie sollte ich die Nichtidentität des Gesamtobjektes erkennen, wenn ich die Orientierung ändere?
Abb. 14: „Rückseite“ von Abb. 13
{125} Aber auch, wenn Sie es umdrehen, wird Ihnen klar werden, dass dieses Objekt völlig anders ist [Abbildung 14].
Abb. 15-1 und 15-2: Vorder- und Rückseite; Abb. 15-2 und 15-3: Wechsel der Orientierung
Denn was es zu vergleichen gilt, ist das Objekt, das hieraus besteht [Abbildung 15-2] – indem man nämlich von hier ausgeht [Abbildung 15-1] und es umdreht –, es ist mit dem Objekt zu vergleichen, das da ist [Abbildung 15-3] und uns letztlich klarzumachen, dass es hier die Orientierung ist, die von diesem Objekt beibehaltene Orientierung [15-1 und 15-2], die beibehaltene Orientierung, die den Gegensatz bildet, die dieses Tripel [Abbildung 15-1 und 15-2] von dem [Abbildung 15-3] unterscheidet, insofern ihm dieselbe Darstellung zugesprochen werden kann.
Das ermöglicht es uns, den Unterschied zu bestimmen zwischen dem, was ich vorhin das Reale als vom Trug gekennzeichnet genannt habe, und dem, worum es beim Wahren geht.
{126} Wahr ist nur, was einen Sinn hat.
Worin besteht die Beziehung des Realen zum Wahren? Das Wahre über das Reale, wenn ich mich so ausdrücken darf, ist dies, dass das Reale – das Reale des Paares hier – keinen sens hat, keinen Sinn / keine Richtung.
Das spielt mit der Mehrdeutigkeit des Wortes sens. In welchem Verhältnis steht der Sinn zu dem, was hier als Orientierung schriftlich eingetragen ist? Man kann die Frage stellen, und man kann eine Antwort vorschlagen, nämlich, dass es die Zeit ist.
Wichtig ist dies, dass wir hierbei ein Paar ins Spiel bringen, das wir gefärbt nennen, und dass es keinen sens hat, keine Ausrichtung.
Beruht die Erscheinung der Farbe auf dem Sehen – in dem Sinne, wie ich es unterschieden habe – oder auf dem Blick, unterscheidet sich die Farbe durch den Blick oder durch das Sehen? Das ist eine Frage, die ich für heute offen lasse.
Der Begriff des Paars, des gefärbten Paars, steht hier, um anzudeuten, dass es beim Geschlecht nicht mehr gibt, möchte ich sagen, als das Farbwesen, womit an sich angedeutet ist, dass es Mann in Frauenfarbe geben kann, möchte ich sagen, oder Frau in Männerfarbe.
Die Geschlechter sind hierbei – wenn wir mit dem roten Ring das stützen, was es mit dem Symbolischen auf sich hat –, die Geschlechter sind hierbei einander entgegengesetzt wie das Imaginäre und das Reale, wie die Idee und das Unmögliche, um meine Termini wieder aufzugreifen.
Ist es denn aber sicher, dass es immer das Reale ist, was darin verwickelt ist? Ich habe behauptet, im Falle von Joyce sind es eher die Idee und das Sinthom, wie ich es nenne.
Von daher die Erhellung, die sich dabei aus dem ergibt, was eine Frau ist: nicht-alle hier, da sie nicht erfasst wird, da sie fremd bleibt, insbesondere für Joyce, da sie für ihn keinen Sinn hat. Hat übrigens eine Frau je einen Sinn für den Mann?
Der Mann ist der Träger der Idee des Signifikanten, und die Idee des Signifikanten wird in der Sprache wesentlich durch die Syntax gestützt.
Das ändert nichts daran, wenn in der Geschichte |{127} etwas angenommen werden kann, dann ist es dies, dass es die Menge der Frauen ist, die angesichts einer Sprache, die sich auflöst – hier das Lateinische, denn darum handelte es sich am Ursprung unserer Sprachen –, dass es die Menge der Frauen ist, die das erzeugt, was ich Lalangue genannt habe. Das ist das Sagen, das darüber befragt wird, was es mit Lalangue auf sich hat, darüber, was eines der beiden Geschlechter zu jener, wie ich es nennen möchte, Prothese der Mehrdeutigkeit geführt haben mag. Denn was für eine Lalangue im Verhältnis zu allen anderen charakteristisch ist, das sind die Äquivokationen, die in ihr möglich sind. Das habe ich illustriert mit der Äquivokation von deux – d, e, u, x, „zwei“ – und d’eux – d, Apostroph, e, u, x, „von ihnen“. Eine Menge der Frauen hat in jedem Fall Lalangue erzeugt.
Hierzu möchte ich Sie doch auf etwas hinweisen. Nämlich darauf, dass wir heute von vielen Dingen gesprochen haben, außer von dem, was das Eigentliche der borromäischen Verkettung ausmacht.
Abb. 16: Falsches Loch zweier elastischer Ringe
Die borromäische Verkettung würde sich nicht herstellen, wenn es nicht das gäbe, was ich anzeichne und was ich wie üblich schlecht anzeichne, weil das so gezeichnet werden muss, was davon das Eigentümliche ist und was ich das falsche Loch nennen möchte. In einem Kreis, so habe ich vorhin unterstrichen, gibt es ein Loch. Dass man mit einem Kreis, indem man einen weiteren hinzufügt, dieses Loch bilden kann, das aus dem besteht, was hier durch die Mitte läuft und was weder das Loch des einen Kreises noch das Loch des anderen ist, das ist das, was ich das falsche Loch nenne [Abbildung 16].
Abb. 17: Verwandlung des falschen Lochs in ein wahres Loch durch eine unendliche Gerade
Es gibt jedoch das, worauf das ganze Wesen der borromäischen Verkettung beruht: wenn es nämlich etwas gibt – unendliche Gerade oder Kreis –, was das, was ich gerade das falsche Loch genannt habe, durchquert, wenn es so etwas gibt – ich wiederhole es: Gerade oder Kreis –, so wird dieses falsche Loch, wenn man so sagen kann, verifiziert. Dessen Funktion, die der Verifizierung des falschen Lochs, die Tatsache, dass diese Verifizierung es in ein reales verwandelt, die ist da [Abbildung 17].
{128} Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass ich Gelegenheit hatte, meine Bedeutung des Phallus wiederzulesen. Mir widerfuhr die schöne Überraschung, bereits in den ersten Zeilen darauf zu stoßen, dass der Knoten angesprochen wird, zu einem Zeitpunkt, als ich recht weit davon entfernt war, mich für das, was man den borromäischen Knoten nennt, zu interessieren. Die ersten Zeilen von Die Bedeutung des Phallus verweisen auf den Knoten als das, worum es dabei geht.
Dieser Phallus hat, bezogen auf das falsche Loch, die Rolle, zu verifizieren, dass es real ist.
Insofern das Sinthom ein falsches Loch mit dem Symbolischen bildet, gibt es überhaupt eine Praxis, das heißt etwas, das in den Bereich des Sagens gehört, in den Bereich dessen, was ich hierbei auch l’art-dire nennen möchte, die Sagekunst, um sogar bis zur l’ardeur zu gleiten, bis zur Glut.
Joyce, um zum Schluss zu kommen, wusste nicht, dass er das Sinthom bildete, ich meine, dass er es simulierte. Das war für ihn unbewusst und aus diesem Grunde ist er ein reiner artificier, ein reiner Feuerwerker, ist er ein Mann des Savoir-faire, also das, was man auch einen artiste nennt, einen Künstler, einen Artisten.
Das einzige Reale, durch das irgendetwas verifiziert wird, ist der Phallus, insofern ich gerade gesagt habe, wovon der Phallus der Träger ist, nämlich von dem, was ich in diesem Artikel hervorhebe, also von der Funktion des Signifikanten, insofern sie jedes Signifikat erschafft.
Außerdem ist es nötig, füge ich hinzu, um es das nächste Mal wieder aufzunehmen, außerdem ist es nötig, dass es nur ihn gibt, um es zu verifizieren, dieses Reale.
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FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
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[105] Bon. Ben me v’là réduit à improviser.
{113} Gut. Also da bin ich, darauf beschränkt, zu improvisieren.
Non pas bien sûr que je n’aie pas travaillé depuis la dernière fois – abondamment !
Natürlich nicht, weil ich seit dem letzten Mal nicht gearbeitet hätte – das sogar reichlich.
Mais comme je m’attendais pas forcément à parler – puisque, en principe c’est la grève – me v’là donc réduit à faire ce que – quand même – j’ai un peu préparé, même beaucoup…
Aber da ich mich nicht unbedingt darauf eingestellt hatte, zu sprechen, da ja eigentlich Streik ist, bin ich darauf beschränkt, das zu tun, was ich trotzdem ein wenig vorbereitet habe, viel sogar.
Je vais aujourd’hui – j’espérais que vous seriez moins nombreux, comme d’habitude ! – je vais aujourd’hui vous montrer quelque chose.
Ich werde Ihnen heute – ich hatte wie üblich gehofft, Sie wären weniger zahlreich –, ich werde Ihnen heute etwas zeigen.
C’est pas forcément ce que vous attendez. (Gelächter)
Das ist nicht unbedingt das, was Sie erwarten. (Gelächter)
Ça n’est pas sans rapport.
Das ist nicht ohne Bezug.
Mais, j’ai emporté avant de partir, une chose à laquelle je désirais beaucoup penser parce que je l’avais promis à la personne qui n’est pas sans y être un peu intéressée.
Ich habe jedoch, bevor ich losgegangen bin, etwas mitgenommen, woran zu denken ich einen großen Wunsch verspürte, da ich es der Person versprochen habe, die daran nicht wenig interessiert ist.
C’est ceci que je voudrais vous faire connaître, vous rappeler pour ceux qui le savent déjà : que il y a quelqu’un que j’aime beaucoup qui s’appelle Hélène Cixous… ça s’écrit avec un C au début, ça se termine par un S, ça se prononce Cique-sou.
Und zwar Folgendes, was ich Ihnen bekanntgeben möchte oder woran ich diejenigen, die es bereits wissen, erinnern möchte: dass es jemanden gibt, den ich sehr mag, sie heißt Hélène Cixous – das schreibt sich mit einem C am Anfang und das endet mit einem S, das wird „ßikꞌßuh“ gesprochen.
À l’occasion …alors, ladite Hélène Cixous avait fait déjà, paraît-il… je l’avais, quant à moi, laissé un peu vague dans mon souvenir …a fait déjà, paraît-il, dans le numéro épuisé de Littérature où… on me l’a rappelé, je l’ignorais totalement …j’avais fait Lituraterre dans ce numéro épuisé… ce qui ne vous rendra pas facile de le retrouver, sauf pour ceux qui l’ont déjà …elle avait fait une petite note sur Dora.
Also die erwähnte Hélène Cixous hatte bereits, so scheint es – was mich angeht, so hatte ich es in meinem Gedächtnis etwas unscharf gelassen –, sie hatte bereits, so scheint es, in der vergriffenen Nummer von Littérature – in der ich, wie man mir in Erinnerung gerufen hat, ich hatte es völlig vergessen, Lituraterre veröffentlicht habe –, in diesem vergriffenen Heft – was es Ihnen nicht leicht machen wird, es zu finden, außer für diejenigen, die es bereits haben – hatte sie eine kleine Anmerkung zu Dora geschrieben.1
Alors, depuis elle en fait une pièce : Le Portrait de Dora, d’est le titre, une pièce qui se joue au Petit Orsay, c’est-à-dire à une annexe du Grand Orsay – chacun peut l’imaginer facilement – le Grand Orsay étant occupé par Jean-Louis Barrault et Madeleine Renaud.
Also, inzwischen hat sie ein Stück daraus gemacht: Das Porträt von Dora – das ist der Titel –, ein Stück, das im Kleinen Orsay gespielt wird, das heißt in einem Anbau des Großen Orsay, wie sich jeder leicht vorstellen kann, da das Große Orsay durch Jean-Louis Barrault und Madeleine Renaud belegt ist.2
Alors, ce Portrait de Dora, moi j’ai trouvé ça pas mal.
Also dieses Porträt von Dora, ich fand das nicht schlecht.
J’ai dit ce que j’en pensais à celle que j’appelle Hélène, depuis le temps que je la connais.
Ich habe derjenigen, die ich, seit ich sie kenne, Hélène nenne, gesagt, was ich darüber gedacht habe.
Et je lui ai dit que j’en parlerai.
Und ich habe ihr gesagt, dass ich darüber sprechen werde.
Le Portrait de Dora, il s’agit de la Dora de Freud.
{114} Das Porträt von Dora – es geht um Freuds Dora.3
Et c’est bien en quoi je soupçonne que ça peut intéresser quelques personnes d’aller voir comment c’est réalisé.
Und das ist der Grund, weshalb ich vermute, dass einige es interessieren könnte, sich anzuschauen, wie das realisiert wird.
C’est réalisé d’une façon réelle.
Es wird auf reale Weise realisiert.
Je veux dire que la réalité c’est ce qui – la réalité des répétitions par exemple – c’est ce qui, au bout du compte, a dominé les acteurs.
Ich will sagen, dass die Realität das ist – die Realität der Proben beispielsweise –, das ist, was letztendlich die Schauspieler beherrscht hat.
[106] Je ne sais pas comment vous apprécierez, mais ce qu’il y a de certain, c’est qu’il y a là quelque chose de tout à fait frappant.
Ich weiß nicht, wie Sie es einschätzen werden, eins jedoch ist gewiss, nämlich dass es da etwas ganz Verblüffendes gibt.
Il s’agit de l’hystérie, de l’hystérie de Dora précisément, et il se trouve que c’est pas la meilleure hystérique de la distribution.
Es geht um die Hysterie, genau gesagt um die Hysterie von Dora, und es stellt sich heraus, dass sie nicht die beste Hysterikerin der Besetzung ist.
Celle qui est la meilleure hystérique joue un autre rôle, mais elle ne montre pas du tout ses vertus d’hystérique.
Diejenige, die die beste Hysterikerin ist, spielt eine andere Rolle, aber sie zeigt ihre Hysterikertugenden überhaupt nicht.
Dora elle-même – enfin, celle qui joue son rôle – ne le montre pas mal, tout au moins c’est mon sentiment.
Dora selbst, also diejenige, die diese Rolle spielt, zeigt sie nicht schlecht, zumindest ist das mein Gefühl.
Il y a aussi quelqu’un là-dedans qui fait, qui joue le rôle de Freud.
Es gibt darin auch jemanden, der die Rolle von Freud darstellt, der diese Rolle spielt.
Il est, bien entendu, très embêté. (Gelächter)
Er ist natürlich ziemlich genervt. (Gelächter)
Et il est très embêté et ça se voit, enfin, il y va précautionneusement.
Und er ist natürlich ziemlich genervt, und das merkt man denn auch, er geht das vorsichtig an.
Et c’est d’autant moins heureux – du moins pour lui – qu’il n’est pas un acteur, il s’est dévoué pour ça.
Und das ist umso weniger glücklich, zumindest für ihn, als er kein Schauspieler ist, er hat sich dem verschrieben.
Alors, il a tout le temps peur de charger Freud, enfin, ça se voit dans son débit.
Also hat er die ganze Zeit Angst, Freud zu überzeichnen., und das sieht man seinem Vortrag an.
Enfin, le mieux que j’ai à vous dire, c’est d’aller le voir.
Na ja, das Beste, was ich Ihnen sagen kann, ist, schauen Sie sich das an.
Ce que vous verrez est quelque chose qui, quand même, est marqué de cette précaution du Freud, du Freud acteur.
Was Sie sehen werden, ist etwas, das nun mal von dieser Vorsicht von Freud geprägt ist, von der Vorsicht des Freud-Darstellers.
Alors, il en résulte dans l’ensemble quelque chose qui est tout à fait curieux en fin de compte.
Daraus ergibt sich insgesamt etwas, das letztlich ganz sonderbar ist.
On a là l’hystérie… je pense que ça vous frappera, mais après tout, peut-être apprécierez-vous autrement …on a là l’hystérie que je pourrais dire incomplète.
Man hat da eine Hysterie – ich denke, das wird Sie verblüffen, aber vielleicht werden Sie es ja anders einschätzen –, man hat da eine Hysterie, die ich „unvollständig“ nennen könnte.
Je veux dire que l’hystérie c’est toujours – enfin depuis Freud – c’est toujours deux.
Ich will sagen, dass die Hysterie immer – nun, seit Freud –, dass das immer zwei sind.
Et là, on la voit en quelque sorte réduite, cette hystérie, à un état que je pourrais appeler… et c’est pour ça d’ailleurs que ça ne va pas aller mal avec ce que je vais vous expliquer …à l’état en quelque sorte matériel.
Und hier sieht man die Hysterie gewissermaßen auf einen Zustand reduziert, den ich – und deswegen passt das übrigens nicht schlecht zu dem, was ich Ihnen erläutern werde –, den ich gewissermaßen als materiell bezeichnen könnte.
Il y manque cet élément qui s’est rajouté depuis quelque temps, et depuis avant Freud en fin de compte, à savoir comment elle doit être comprise.
Es fehlt darin das Element, das schon vor einiger Zeit hinzugekommen ist – letztlich bereits vor Freud –, nämlich wie sie verstanden werden muss.
Ça fait quelque chose de très frappant et de très instructif.
Das ergibt etwas sehr Verblüffendes und sehr Instruktives.
C’est une sorte d’hystérie rigide.
Das ist eine Art von starrer Hysterie.
Vous allez voir – parce que je vais vous le montrer – ce que veut dire en l’occasion le mot rigidité.
Sie werden sehen, da ich es Ihnen zeigen werde, was das Wort Starrheit hier bedeutet.
Parce que je m’en vais vous parler d’une chaîne qui est ce que je me trouve avoir avancé devant votre attention, la chaîne… pour l’appeler comme ça …la chaîne borroméenne, dont ce n’est pas pour rien qu’on l’appelle nœud, parce que ça glisse vers le nœud, je vais vous montrer ça tout de suite.
{115} Weil ich mich jetzt daran mache, zu Ihnen über eine Verkettung zu sprechen, die ich Ihrer Aufmerksamkeit bereits vorgelegt habe: die borromäische Verkettung – um sie so zu nennen –, die man nicht umsonst als Knoten bezeichnet, weil das zum Knoten hin gleitet, ich werde Ihnen das gleich zeigen.4
[107] Mais là ce que vous verrez, c’est une sorte d’implantation de la rigidité devant ce quelque chose dont il n’est pas exclu que le mot chaîne vous le représentifie si on peut dire, parce qu’une chaîne c’est rigide quand même.
Aber das, was Sie dort sehen werden, ist eine Art Implantation der Starrheit bezogen auf etwas, bei dem nicht ausgeschlossen ist, dass das Wort „Verkettung“ es Ihnen wieder vergegenwärtigt, wenn man so sagen kann, denn eine Kette ist ja doch starr.
L’ennui, c’est que la chaîne dont il s’agit, ça ne peut se concevoir que très souple.
Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Verkettung, um die es sich handelt, nur als ganz elastisch aufgefasst werden kann.
Il est même important de la considérer comme tout à fait souple.
Es ist sogar wichtig, sie als ganz elastisch aufzufassen.
Ça aussi, je vais vous le montrer.
Auch das werde ich Ihnen zeigen.
Enfin, je ne vous en dirai pas plus long, donc, sur le Portrait de Dora.
Also, über das Porträt von Dora werde ich Ihnen nichts weiter sagen.
J’espère – j’espère quoi ? – en avoir quelque écho des person qui, par exemple, viennent me voir.
Ich hoffe – was hoffe ich?– ein Echo zu erhalten von den Personen, die mich zum Beispiel aufsuchen.
Ça arrive.
Das kommt vor.
Bon, alors là-dessus, parlons de ce dont il s’agit : de la chaîne, de la chaîne que j’ai été amené à articuler, voire à décrire, en y conjoignant – comme j’y ai été amené – le symbolique, l’imaginaire et le réel.
Gut, sprechen wir nun also darüber, worum es geht: über die Verkettung, über die Verkettung, bei der ich dazu kam, sie zu artikulieren, ja zu beschreiben, indem ich das Symbolische, das Imaginäre und das Reale darin verbunden habe.
Ce qui est important, c’est le réel.
Wichtig ist das Reale.
Après avoir longuement parlé du symbolique et de l’imaginaire j’ai été amené à me demander ce que pouvait être, dans cette conjonction, le réel.
Nachdem ich lange vom Symbolischen und vom Imaginären gesprochen hatte, wurde ich dazu gebracht, mich zu fragen, was in dieser Verbindung das Reale sein könnte.
Et le réel, il est bien entendu que ça ne peut pas être un seul de ces ronds de ficelle.
Und das Reale, es ist klar, dass das nicht ein einzelner dieser Schnur-Ringe sein kann.
C’est la façon de les présenter dans leur nœud de chaîne qui à elle tout entière fait le réel du nœud.
Die Art und Weise, wie sie in ihrer Knotenverkettung präsentiert werden, das macht für sich als Ganzes das Reale des Knotens aus.
Alors, je vous demande pardon de m’écarter du micro.
Also ich bitte Sie um Entschuldigung, dass ich mich vom Mikro entferne.
Vous devez quand même déjà avoir un peu pigé ce dont j’ai essayé de supporter la chaîne borroméenne.
Sie sollten ja schon ein bisschen kapiert haben, womit ich versucht habe, die borromäische Verkettung zu stützen.
Voilà en somme ce que ça donne, quelque chose qui serait à peu près comme ça [figure 1]:
Abb. 1: „Starre“ borromäische Verkettung von drei Elementen
Hier sehen Sie, was das ergibt, etwas, das ungefähr so wäre [Abbildung 1]:
J’étais pas porté à le compléter, mais il est évident que… il faut le compléter pour faire sentir ce dont il s’agit.
Mir war nicht danach, das zu vervollständigen, es ist jedoch offensichtlich, dass man es vervollständigen muss, um spüren zu lassen, worum es geht.
Voilà la chaîne typique [figure 1].
Dies ist also die typische Verkettung [Abbildung 1].
Il est certain que le fait que je le dessine ainsi [figure 2] –.
{116} Es ist gewiss, dass die Tatsache, dass ich es so zeichne [Abbildung 2] –.
[108] Vous avez vu déjà comment ceci peut se transformer, pour un rien, en quelque chose qui a l’air de bien mieux mériter le nom de chaîne [figure 3], c’est-à-dire de faire entre le bleu et le rouge quelque chose – là on ne sait plus comment dire – qui fait chaîne ou qui fait nœud, parce que c’est quand même ça qui ressemble le plus – j’ai inversé peu importe – qui ressemble le plus à ce qu’on met d’habitude, ce qu’on considère d’habitude comme une chaîne.
Sie haben bereits gesehen, wie sich das hier um ein Nichts in etwas verwandeln kann, das so aussieht, als würde es die Bezeichnung Verkettung besser verdienen [Abbildung 3], das heißt zwischen dem blauen und dem roten etwas herzustellen – hier weiß man nicht mehr, wie man sagen soll –, das eine Verkettung bildet oder das einen Knoten bildet, weil das ja doch am meisten dem ähnelt – ich habe es vertauscht, nicht so wichtig –, am meisten dem ähnelt, was man üblicherweise als Kette hinstellt, als Kette auffasst.5
Ce qu’il y a avantage, finalement, à le représenter comme ça [figure 4]: à savoir à représenter les trois ronds d’une façon, en somme, qu’il faut appeler projective, c’est aussi bien ce qui vaut:
Abb. 4: Projektive Darstellung der borromäischen Verkettung von drei Elementen
{117} Und dann dies hier [Abbildung 4], was den Vorteil hat, es letztlich so darzustellen, nämlich die drei Ringe insgesamt auf eine Weise darzustellen, die man projektiv nennen muss, auch das hat einen Wert6.
[109] Il n’en restera pas moins que ce qui sera ainsi présenté [figure 5]: ça sera… attention, ici vous voyez bien que nous sommes forcés de mettre les trois ronds d’une façon qui respecte la disposition de ce que j’ai dessiné d’abord:
Abb. 5: Borromäische Verkettung von drei Elementen als Sphäre
Es bleibt nicht weniger, dass das, was so präsentiert wird [Abbildung 5], ein –; Achtung, hier können Sie gut sehen, dass wir genötigt sind, die drei Ringe so zusammenzufügen, dass hierbei die Anordnung, die ich zuerst gezeichnet habe, respektiert wird.
Comme on le voit, l’avantage qui résulte de la façon dont je l’ai présenté ainsi, c’est que ça simule la sphère, comme je l’ai fait remarquer à Dalí avec qui je me suis entretenu de ça je ne sais plus quand.
Wie man sieht, der Vorteil, der sich daraus ergibt, sie so zu präsentieren, besteht darin, dass dies die Sphäre simuliert7, wie ich das Dalí gegenüber angemerkt habe, mit dem ich darüber gesprochen habe, ich weiß nicht mehr wann.8
La différence qu’il y a entre cette chaîne borroméenne et ce qu’on dessine toujours dans une sphère armillaire quand on essaie de la circulariser à trois niveaux, respectivement qu’on peut appeler : transversal, sagittal, horizontal, on n’a jamais vu représenter une sphère armillaire de la façon dont se présente ce nœud, ce nœud borroméen.
Der Unterschied zwischen dieser borromäischen Verkettung und dem, was man bei einer Armillarsphäre immer zeichnet – |{118} wenn man versucht, sie kreisförmig darzustellen, auf drei Ebenen, die man jeweils als transversal, sagittal und horizontal bezeichnen kann9 – besteht darin, dass man nie gesehen hat, dass eine Armillarsphäre so dargestellt wird, wie dieser Knoten präsentiert wird, dieser borromäische Knoten.
Alors cette fausse sphère que j’ai dessinée là tout à fait sur la droite, il y a une façon de la manipuler en tant que prise au niveau de ce qui en constitue un huitième.
Also bei dieser falschen Sphäre, die ich da ganz rechts gezeichnet habe, gibt es eine Weise, sie zu manipulieren, indem sie auf der Ebene dessen genommen wird, was ein Achtel davon bildet.
Ça consiste là… ceci parce que cette sphère est supportée de cercles, il y a une façon de la retourner sur elle-même.
Es besteht da –. Weil diese Sphäre durch Kreise gestützt wird, gibt es eine bestimmte Art, sie auf sich selbst umzuklappen.
Une sphère comme telle, c’est difficile de ne pas concevoir que c’est lié à l’idée de tout.
Was eine Sphäre als solche angeht, so ist schwer, nicht zu denken, dass sie mit der Idee von alle verbunden ist.
Il est un fait, c’est que le fait qu’on représente une sphère très volontiers par un cercle, lie l’idée de tout – qui ne se supporte que de la sphère – lie l’idée de tout au cercle.
Es ist ein Faktum, dass die Tatsache, dass man eine Sphäre gern durch einen Kreis darstellt, die Idee von alle – die nur durch die Sphäre gestützt wird –, die Idee von alle mit dem Kreis verbindet.
Mais c’est une erreur.
Das ist jedoch ein Fehler.
C’est une erreur parce que l’idée de tout implique la fermeture.
Das ist deshalb ein Fehler, weil die Idee von alle die Geschlossenheit impliziert.
Si on peut retourner ce tout, l’intérieur devient l’extérieur, et c’est ce qui se produit à partir du moment où nous avons supporté de cercles la chaîne borroméenne, c’est que la chaîne borroméenne peut se retourner.
Wenn man dieses alle umklappen kann, wird das Innen zum Außen, und das stellt sich von dem Moment an her, in dem wir die borromäische Verkettung mit Kreisen gebildet haben, nämlich dass die borromäische Verkettung umgeklappt werden kann.
Elle peut se retourner du fait que le cercle, c’est pas du tout ce qu’on croit – ce qui symbolise l’idée de tout – mais que dans un cercle il y a un trou.
Sie kann deshalb umgeklappt werden, weil der Kreis keineswegs das ist, was man glaubt – das, was die Idee von alle symbolisiert –, sondern weil es im Kreis ein Loch gibt.
C’est dans la mesure où les êtres sont inertes, c’est-à-dire supportés par un corps, qu’on peut – comme on l’a fait, à l’initiative de Popillius – dire à quelqu’un : « tu ne sortiras pas de là, parce que j’ai fait un rond autour de toi, tu ne sortiras pas de là avant de m’avoir promis telle chose. »
In dem Maße, in dem Wesen träge sind, das heißt von einem Körper getragen werden, kann man zu jemandem sagen, wie es auf Veranlassung des Popillius hin geschehen ist: „Du wirst da nicht rauskommen, weil ich einen Kreis um dich gezogen habe; du wirst da nicht rauskommen, bevor du mir nicht das und das versprochen hast.“10
[110] Nous retrouvons là, en somme, ceci pour quoi j’ai avancé que concernant ce que j’ai appelé du nom de la femme : elle n’est pas toute.
Wir stoßen hier letztlich wieder auf das, weswegen ich – bezogen auf das, was ich mit dem Namen Der Frau bezeichnet habe – behauptet habe, dass sie nicht-alle ist.11
Elle n’est pas toute, ceci veut dire que les femmes ne constituent qu’un ensemble.
Sie ist nicht-alle, das heißt, dass die Frauen nur eine Menge bilden.
En effet, avec le temps on est arrivé à dissocier l’idée de tout de l’idée d’ensemble.
Denn mit der Zeit ist man dazu gelangt, die Idee von alle von der Idee der Menge zu trennen.
Je veux dire que… on est arrivé à la pensée de ceci qu’un certain nombre d’objets peuvent être supportés de petites lettres, et alors l’idée de tout se dissocie, à savoir que le cercle censé – dans une représentation tout à fait fragile – les rassembler, le cercle est extérieur aux objets petit a, petit b, petit c, etc. [figure 6]:
Abb. 6: Elemente a, b, c mit Mengenkreis
Ich will sagen, dass man auf den Gedanken gekommen ist, dass eine bestimmte Anzahl von Objekten von kleinen Buchstaben gestützt werden kann, und dann löst sich die Idee von alle auf, dass nämlich der Kreis, von dem angenommen wird, dass er sie versammelt – in einer ganz und gar fragilen Darstellung –, dass dieser Kreis den Objekten klein a, klein b, klein c usw. gegenüber äußerlich ist [Abbildung 6].
Spécifier que la femme n’est pas-toute implique une dissymétrie entre un objet qu’on pourra appeler grand A, et il s’agit de savoir ce que c’est, et un ensemble à un élément – les deux, s’il y a couple, étant réunis d’être contenus dans un cercle qui de ce fait se trouvent distinctes [figure 7].
Abb. 7: Menge mit Element A und mit Untermenge, die Element B enthält
{119} Wenn man spezifiziert, dass die Frau nicht-alle ist, dann impliziert das eine Asymmetrie zwischen einem Objekt, das man groß A nennen kann – und es geht darum zu wissen, was das ist –, und einer Menge aus einem Element; wobei die beiden, wenn es ein Paar gibt, dadurch vereint sind, dass sie in einem Kreis enthalten sind, die von daher verschieden sind [Abbildung 7].
Ce qu’on exprime d’habitude selon la forme suivante, ce sont des parenthèses dont on use et qu’on écrit ainsi : {A {B}}, il y a un élément d’une part, et d’autre part un ensemble à un seul élément.
Was man gewöhnlich durch folgender Formel ausdrückt – man verwendet dabei Klammern –, die man so schreibt: {A {B}}, es gibt [in der Menge] auf der einen Seite ein Element und auf der anderen Seite eine Menge mit einem einzigen Element.
Comme vous le voyez, j’ai fait un bafouillage.
Wie Sie sehen, bin ich ins Stocken geraten.
[111] Alors, il faut que je vous avoue ceci : c’est que après avoir assenti à ce que Soury et Thomé m’avaient articulé, c’est à savoir qu’une chaîne borroméenne à trois se montre supporter deux objets différents, à condition que les trois ronds qui constituent ladite chaîne soient coloriés et orientés : les deux étant exigibles, ce qui distingue les deux objets en question.
{120} Also, ich muss Ihnen etwas gestehen, nämlich, nachdem ich dem, was Soury und Thomé mir gegenüber artikuliert hatten, zugestimmt hatte, nämlich dass sich bei einer borromäischen Dreierverkettung zeigt, dass sie zwei unterschiedliche Objekte trägt, unter der Voraussetzung, dass die drei Ringe, aus denen die Verkettung besteht, gefärbt und orientiert sind, wobei beides erforderlich ist, das ist das, was die beiden Objekte, um die es geht, unterscheidet –.
Dans un second temps – c’est-à-dire après avoir assenti à ce qu’ils disaient, mais en quelque sorte superficiellement – je me suis trouvé dans la position désagréable de m’être imaginé que de seulement les colorier suffisait à distinguer deux objets, ceci parce que je n’avais pas… j’avais consenti tout à fait superficiellement à ce dont ils m’avaient apporté l’affirmation.
In einer zweiten Phase, das heißt, nachdem ich dem, was sie sagten, zugestimmt hatte, aber gewissermaßen oberflächlich, fand ich mich in der unangenehmen Lage, mir vorzustellen, dass es, um zwei Objekte zu unterscheiden, schon hinreichen würde, sie zu färben, und dies deshalb, weil ich nicht –, weil ich dem, was sie mir gegenüber behauptet hatten, völlig oberflächlich zugestimmt hatte.
En effet, ça a l’air de se sentir que si nous colorons en rouge un de ces trois ronds, ça n’est quand même pas le même objet si nous colorons celui-ci en vert et celui-ci en bleu, ou si nous faisons l’inverse [figure 8].
Abb. 8: Borromäische Verkettung von drei Elementen
Denn es sieht so aus, als könnten wir spüren – wenn wir einen dieser drei Ringe rot färben –, dass es keineswegs dasselbe Objekt ist, wenn wir diesen hier grün und den da blau färben oder wenn wir umgekehrt vorgehen [Abbildung 8].
C’est pourtant le même objet ; si nous retournons la sphère nous obtiendrons très aisément – je vais, mon Dieu, vous le dessiner rapidement – nous obtiendrons très aisément une disposition contraire..
Es ist jedoch dasselbe Objekt; wenn wir die Sphäre umklappen, erhalten wir sehr leicht – mein Gott, ich werde es Ihnen rasch anzeichnen –, erhalten wir sehr leicht eine entgegengesetzte Anordnung.
C’est à savoir que pour partir de ce qui est là, de ce qui est là pour le représenter ainsi [figure 9], où, une fois de plus, il se retourne de la façon suivante : il est en effet – si nous ne considérons pas ceci comme rigide – tout à fait plausible de faire du rond rouge la présentation suivante:
Abb. 9-1 und 9-2: Umklappen des Rings, blau hinter rot
Das heißt – um von dem auszugehen, was da ist, von dem, was da ist, um es so darzustellen [Abbildung 9-1], wo es ein weiteres Mal auf die folgende Weise umgeklappt wird –: es ist tatsächlich völlig plausibel – wenn wir das hier nicht als starr betrachten –, den roten Ring so zu präsentieren [Abbildung 9-2].
Si ici, comme il est également plus que plausible, nous faisons glisser l’anneau de façon à l’amener là où il est tout à fait évident qu’il peut être, vous obtenez la transformation suivante [figure 10]:
Abb. 9-3: Umklappen des Rings, blau vor rot
Wenn wir hier, wie gleichfalls mehr als plausibel ist, den Ring so gleiten lassen, dass wir ihn dorthin führen, wobei völlig evident ist, dass er da sein kann, dann erhalten Sie die diese Umformung [Abbildung 9-3].
Et à partir de la transformation suivante, il est tout ce qu’il y a de plausible de faire glisser ce rond d’une façon telle que ce qu’il s’agissait d’obtenir, à savoir que le rond vert soit interne – au lieu que ce soit le rond bleu – soit interne au rond rouge, et qu’au contraire le rond bleu soit externe, ceci peut être obtenu [figure 9-4].
Abb. 9-4: Resultat des Umklappens des Rings, blau vor rot
Und ausgehend von der folgenden Umformung ist ganz und gar plausibel, diesen Ring so gleiten zu lassen, sodass das, was erreicht werden sollte – nämlich dass der grüne Ring statt des blauen Rings innerhalb des Rings liegt, dass der blaue Ring hingegen außerhalb liegt –, dass dies erreicht werden kann [Abbildung 9-4].
Les choses – je peux après tout le dire – ne sont pas si aisées à démontrer, la preuve c’est que ce qui est immédiat… à simplement penser que les trois ronds peuvent être retournés les uns par rapport aux autres …ce qui est immédiat et est obtenu par la manipulation, ne l’est pas – obtenu – si aisément que ça, la preuve c’est que lesdits Soury et Thomé qui me représentaient à très juste titre cette manipulation, ne l’ont faite, qu’en s’embrouillant un peu.
Diese Dinge – so kann ich nach alledem sagen – sind nicht so leicht zu demonstrieren; der Beweis dafür besteht darin, dass das, was unmittelbar ist – wenn man einfach denkt, dass die drei Ringe im Verhältnis zueinander umgedreht werden können –, das, was unmittelbar ist und durch die Manipulation erreicht wird, nicht so einfach zu erreichen ist; der Beweis dafür besteht darin, dass die erwähnten Soury und Thomé, die mir diese Manipulation sehr zu Recht dargestellt haben, dies nicht getan haben, ohne sich ein wenig zu verheddern.
J’ai essayé de vous représenter là, comment cette transformation effectivement peut être dite s’opérer.
Ich habe versucht, Ihnen hier darzustellen, wie diese Umwandlung sich tatsächlich vollziehen kann.
Bon !
Gut!
Qu’est-ce qui en somme, nous arrête dans l’immédiateté qui est une autre sorte d’évidence si je puis dire, cette évidence que – concernant le réel – je fais avec un joke : que je supporte de l’évidement.
{122} Was hält uns letztlich in der Unmittelbarkeit fest, die eine andere Art von évidence ist, von Evidenz, wenn ich so sagen kann, diese Evidenz, die ich, was das Reale betrifft, mit einem Joke herstelle: die ich durch l’évidement stütze, durch die Entleerung.12
Ce qui résiste à cette évidence-évidement, c’est l’apparence nodale que produit ce que j’appellerai le chaînœud, en équivoquant sur | [113] chaîne et sur nœud.
Was dieser Evidenz-Entleerung widersteht, ist die knotenhafte Erscheinung, die durch das erzeugt wird, was ich die chaînœud nennen möchte, die Knotenverkettung, indem ich aus chaîne, Verkettung, und nœud, Knoten, eine Äquivokation bilde.
Cette apparence nodale, cette forme de nœud si je puis dire, est ce qui fait du réel l’assurance.
Diese knotenhafte Erscheinung, diese Knotenform, wenn ich so sagen darf, sorgt für die Versicherung des Realen.
Et je dirai à cette occasion que c’est donc une fallace – puisque j’ai parlé d’apparence – c’est une fallace qui témoigne de ce qui est le réel.
Und ich möchte bei dieser Gelgenheit sagen, dass dies also eine fallace ist, ein Trug – da ich ja von Erscheinung gesprochen habe –, das ist ein Trug, der von dem zeugt, was das Reale ist.13
Il y a différence de la pseudo-évidence… puisque dans ma connerie j’ai tenu d’abord pour évidence qu’il pouvait y avoir deux objets, à seulement colorier les cercles.
Das unterscheidet sich von der Pseudo-Evidenz, denn ich hatte es in meiner Blödheit ja zunächst für eine Evidenz gehalten, dass es, wenn man die Kreise ausschließlich färbt, zwei Objekte geben könne.
Qu’est-ce que veut dire ce qu’en somme cette série d’artifices, je vous l’ai démontrée ?
Diese Reihe von Kunstgriffen, die ich Ihnen demonstruiert habe, was bedeutet sie insgesamt?
C’est là que se montre la différence entre le montrer et le démontrer.
Hier zeigt sich der Unterschied zwischen der Monstration und der Demonstration, zwischen dem Zeigen und dem Beweisen.
Il y a, en quelque sorte, une idée de déchéance dans le démontrer par rapport au montrer, il y a un « choir » du montrer.
Im Beweisen gibt es, verglichen mit dem Zeigen, gewissermaßen eine Idee des Verfalls, es gibt [darin] einen „Niedergang“ des Zeigens.
Tout le bla-bla à partir de l’évidence ne fait que réaliser l’évidement à condition de le faire significativement.
All das von der Evidenz ausgehende Blabla tut nichts anderes als dass es die Entleerung realisiert, unter der Voraussetzung, dass sie es auf bedeutsame Weise tut.
Le more géometrico qui a été pendant longtemps le support idéal de la démonstration, repose sur la fallace d’une évidence formelle.
Das more geometrico, das lange die ideale Stütze der Beweisführung war, beruht auf dem Trug einer formalen Evidenz.
Et ceci est tout à fait de nature à nous rappeler que géométriquement une ligne n’est que le recoupement de deux surfaces, deux surfaces qui sont elles-mêmes taillées dans un solide.
Und das ist ganz dazu angetan, uns daran zu erinnern, dass eine Linie, geometrisch gesehen, nichts anderes ist als die Überschneidung von zwei Flächen, von zwei Flächen, die selbst wiederum in einen Festkörper geschnitten sind.
Mais c’est un autre support que nous fournit l’anneau, le cercle – quel qu’il soit, à condition qu’il soit souple – c’est une autre géométrie qui est à fonder sur la chaîne.
Eine andere Stütze jedoch liefert uns der Ring, der Kreis, welcher auch immer, unter der Voraussetzung, dass er elastisch ist; das ist eine andere Geometrie, die auf die Verkettung zu gründen ist.
Il est certain que je reste excessivement frappé de mon erreur, que j’ai à juste titre appelée connerie, que j’en ai été affecté à un point qu’on peut difficilement imaginer.
Es ist gewiss, dass ich über meinen Irrtum weiterhin äußerst verblüfft bin, den ich zu Recht als Blödheit bezeichnet habe, dass ich von ihm in einem Ausmaß berührt war, das man sich nur schwer vorstellen kann.
C’est bien parce que je veux m’en requinquer que je vais maintenant opposer à ce que je crois être – telle qu’ils me l’ont exprimée – l’opinion de Soury et Thomé, qui m’ont fait la remarque qu’il ne s’agit pas seulement que les trois cercles soient les uns colorés, les autres orientés… un autre orienté.
Und weil ich mich davon wieder erholen will, werde ich dem jetzt etwas entgegensetzen, dem, was ich für die Meinung, so wie sie sie mir gegenüber ausgedrückt haben, von Soury und Thomé halte, die mich darauf aufmerksam gemacht haben, dass es nicht nur darum geht, dass von den drei Kreisen die einen gefärbt sind, die anderen orientiert sind, ein anderer orientiert ist.
Ici je formule, et je crois pouvoir le démontrer – au sens ou démontrer est encore proche du montrer – ce dont il s’agit.
Hier formuliere ich – und ich glaube, es demonstrieren zu können, in dem Sinne, in dem Demonstrieren noch nahe beim Zeigen ist –, das, worum es geht.
Soury et Thomé ont procédé par une exhaustion combinatoire de trois coloriages et de trois orientations colloquées sur chacun des cercles.
Soury und Thomé sind so vorgegangen, |{123} dass sie eine kombinatorische Exhaustion von drei Färbungen und drei Orientierungen vorgenommen haben, die sie für jeden der Kreise zusammengestellt haben.
Ils ont cru devoir procéder à cette exhaustion pour démontrer qu’il y a deux chaînes borroméennes différentes.
Sie haben geglaubt, sie müssten diese Exhaustion vornehmen, um zu demonstrieren, dass es zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen gibt.
Je crois pouvoir ici m’opposer, m’opposer en ceci qui ressort de la façon dont je représente cette chaîne borroméenne [figure 12]:
Abb. 10: Projektive Darstellung der borromäischen Verkettung
Ich glaube, das hier bestreiten zu können, dies durch etwas bestreiten zu können, was sich aus der Art und Weise ergibt, wie ich diese borromäische Verkettung darstelle [Abbildung 10].
Pour maintenir les mêmes couleurs qui sont celles dont je me suis servi, voici comment je représente habituellement ce que vous aviez vu là.
Um dieselben Farben beizubehalten wie die, deren ich mich bedient habe, sehen Sie hier, wie ich üblicherweise das, was Sie dort bereits gesehen haben, darstelle.
Je le représente en ceci différemment de ce que j’y fais jouer deux droites infinies.
Ich stelle es insofern anders dar, als ich hier zwei unendliche Geraden ins Spiel bringe.
Là, l’usage de ces deux droites | [114] infinies comme opposées au cercle qui les conjoint, suffit à nous permettre de démontrer qu’il y a deux objets différents dans la chaîne, à cette condition qu’un couple soit colorié et le troisième orienté [figure 13]:
Hier genügt die Verwendung dieser beiden unendlichen Geraden im Gegensatz zu dem Kreis, der sie zusammenhält, um uns die Demonstration zu ermöglichen, dass es bei der Verkettung zwei unterschiedliche Objekte gibt, unter der Bedingung, dass ein Paar gefärbt ist und das dritte [Element] orientiert ist [Abbildung 11].
Si j’ai parlé de droites infinies, c’est que la droite infinie, dont avec prudence, Soury et Thomé ne font pas usage, la droite infinie est un équivalent du cercle, au moins pour ce qui est de la chaîne ; c’est un équivalent dont un point est à l’infini.
Wenn ich von unendlichen Geraden gesprochen habe, dann deshalb, weil die unendliche Gerade, von der Soury und Thomé vorsichshalber keinen Gebrauch machen, weil die unendliche Gerade ein Äquivalent zum Kreis ist, zumindest was die Verkettung angeht; sie ist ein Äquivalent, von dem ein Punkt im Unendlichen liegt.
Ce qui est exigible de deux droites infinies, c’est qu’elles soient concentriques, je veux dire qu’entre elles, elles ne fassent pas chaîne.
{124} Von zwei unendlichen Geraden ist zu fordern, dass sie konzentrisch sind, ich meine, dass sie miteinander keine Verkettung bilden.14
Ce qui est le point que depuis longtemps avait mis en valeur Desargues, mais sans préciser ce dernier point : c’est à savoir que les droites dont il s’agit – droites dites infinies – doivent ne pas s’enchaîner, puisque rien n’est précisé dans ce qu’a formulé Desargues – et que j’ai évoqué en son temps à mon séminaire – rien n’est précisé sur ce qu’il en est de ce point dit à l’infini.
Was der Punkt ist, den vor langer Zeit Desargues15 herausgearbeitet hat, jedoch ohne diesen letzten Punkt zu präzisieren, also dass die Geraden, um die es geht, die sogenannten unendlichen Geraden, sich nicht verketten dürfen, da in dem, was Desargues formuliert hat, nichts Genaues angegeben ist – wie ich in meinem Seminar seinerzeit erwähnt habe –, nichts Genaues dazu angegeben ist, was es mit diesem sogenannten Punkt im Unendlichen auf sich hat.16
Nous voyons alors le fait suivant : orientons le rond dont nous disons qu’il n’a pas besoin d’être dit d’une couleur, c’est évidemment déjà l’isoler, et à titre de ceci qu’il n’est pas dit d’être d’une couleur, c’est faire déjà quelque chose de différent:
Wir sehen nun Folgendes: Orientieren wir den Kreis, von dem wir sagen, dass ihm keine Farbe zugewiesen werden muss, dann heißt das offensichtlich bereits, ihn zu isolieren – da von ihm nicht gesagt wird, dass er eine Farbe hat, macht man aus ihm bereits etwas, das sich unterscheidet:
Néanmoins, il n’est pas indifférent de dire que les trois doivent être orientés.
Dennoch ist es nicht belanglos zu sagen, dass alle drei orientiert sein müssen.
Si vous procédez à partir de cette orientation, cette orientation qui, de là où nous la voyons, est dextrogyre, il ne faut pas croire qu’une orientation, ce soit quelque chose qui se maintienne en tous cas.
Wenn Sie von dieser Orientierung aus vorgehen, dieser Orientierung, die von da aus, von wo aus wir sie sehen, rechtsdrehend ist, so darf man nicht glauben, eine Orientierung sei etwas, das sich in jedem Falle aufrechterhielte.
La preuve est facile à donner. C’est à savoir qu’à retourner… et retourner impliquera l’inversion des droites infinies …à retourner le rond, le rond rouge | [115] aura – vu à partir du retournement – une orientation exactement inverse [figure 14].:
Abb. 12: „Rückseite“ von Abbildung 13
Der Beweis ist leicht zu erbringen: Wenn man nämlich den Ring umdreht – und das Umdrehen impliziert die Umkehrung der unendlichen Geraden [im Verhältnis zueinander] –, wenn man den Ring umdreht, wird der rote Ring, nach dem Umdrehen betrachtet, eine genau entgegengesetzte Orientierung haben [Abbildung 12].
J’ai dit que un seul suffit à être orienté.
Ich habe gesagt, dass es hinreicht, dass ein einziger orientiert ist.
Ceci est d’autant plus concevable qu’à faire les droites infinies : à partir de quoi donnerions-nous orientation aux dites droites ?
Das ist noch weitaus begreiflicher, wenn man die Geraden unendlich macht – von wo aus sollten wir diesen Geraden denn eine Orientierung geben?
Le second objet est tout à fait possible à mettre en évidence à partir de ceci… qui était au principe de mon illusion sur le coloriage …à partir de ceci : qu’à prendre le premier – en inversant les couleurs – à prendre le premier de ce que j’ai dessiné là : à savoir en mettant ici la couleur verte, et ici la couleur bleue, on obtient un objet incontestablement différent [figure 15-1], à condition de laisser l’orientation de celui qui est orienté, de la laisser la même.
Abb. 13-1 und 13-2: Wechsel der Position der Geraden
Es ist absolut möglich, das zweite Objekt evident zu machen, wenn man von dem ausgeht, was meiner Illusion über die Färbung zu Grunde lag, wenn man davon ausgeht, dass man, wenn man das erste nimmt und die Farben umkehrt, wenn man das erste nimmt – das ist das, was ich hier gezeichnet habe –, wenn man hier also die grüne Farbe nimmt und hier die blaue, dass man dann ein Objekt erhält, dass sich unbestreitbar unterscheidet [Abbildung 13-1], vorausgesetzt, dass man die Orientierung dessen, was orientiert ist, beibehält, dass man sie als dieselbe beibehält.
Pourquoi en effet changerais-je l’orientation ?
Denn warum sollte ich die Orientierung ändern?
L’orientation n’a pas de raison d’être changée si j’ai changé le couple des couleurs; comment reconnaîtrais-je la non-identité de l’objet total, si je change l’orientation ?
Es gibt keinen Grund, die Orientierung zu ändern, wenn ich das Farbenpaar geändert habe; wie sollte ich die Nichtidentität des Gesamtobjektes erkennen, wenn ich die Orientierung ändere?
Et même si vous le retournez : vous vous apercevrez que cet objet est bel et bien différent [figure 14].
Abb. 14: „Rückseite“ von Abb. 13
{125} Aber auch, wenn Sie es umdrehen, wird Ihnen klar werden, dass dieses Objekt völlig anders ist [Abbildung 14].
Car ce qu’il s’agit de comparer, c’est l’objet constitué par ceci [figure 15-2], à savoir en le faisant tourner par ici [figure 15-1], le comparer avec cet objet qui est là [figure 15-3] et | [116] en somme, nous apercevoir qu’ici c’est l’orientation – l’orientation maintenue de cet objet – l’orientation maintenue qui s’oppose, qui différencie ce triple [figure 15-2] de ce [figure 15-3] en quoi il peut être dit avoir « la même présentation ».
Abb. 15-1 und 15-2: Vorder- und Rückseite; Abb. 15-2 und 15-3: Wechsel der Orientierung
Denn was es zu vergleichen gilt, ist das Objekt, das hieraus besteht [Abbildung 15-2] – indem man nämlich von hier ausgeht [Abbildung 15-1] und es umdreht –, es ist mit dem Objekt zu vergleichen, das da ist [Abbildung 15-3] und uns letztlich klarzumachen, dass es hier die Orientierung ist, die von diesem Objekt beibehaltene Orientierung [15-1 und 15-2], die beibehaltene Orientierung, die den Gegensatz bildet, die dieses Tripel [Abbildung 15-1 und 15-2] von dem [Abbildung 15-3] unterscheidet, insofern ihm dieselbe Darstellung zugesprochen werden kann.
Ceci nous permet de distinguer la différence de ce que j’ai appelé tout à l’heure le réel comme marqué de fallace, de ce qu’il en est du vrai.
Das ermöglicht es uns, den Unterschied zu bestimmen zwischen dem, was ich vorhin das Reale als vom Trug gekennzeichnet genannt habe, und dem, worum es beim Wahren geht.
N’est vrai que ce qui a un sens.
{126} Wahr ist nur, was einen Sinn hat.
Quelle est la relation du réel au vrai ?
Worin besteht die Beziehung des Realen zum Wahren?
Le vrai sur le réel, si je puis m’exprimer ainsi, c’est que le réel, le réel du couple ici, n’a aucun sens.
Das Wahre über das Reale, wenn ich mich so ausdrücken darf, ist dies, dass das Reale – das Reale des Paares hier – keinen sens hat, keinen Sinn / keine Richtung.
Ceci joue sur l’équivoque du mot sens.
Das spielt mit der Mehrdeutigkeit des Wortes sens.17
Quel est le rapport du sens à ce qui, ici, s’écrit comme orientation ?
In welchem Verhältnis steht der Sinn zu dem, was hier als Orientierung schriftlich eingetragen ist?
On peut poser la question, et on peut suggérer une réponse, c’est à savoir que c’est le temps.
Man kann die Frage stellen, und man kann eine Antwort vorschlagen, nämlich, dass es die Zeit ist.
L’important est ceci : c’est que nous faisons jouer dans l’occasion un couple dit colorié, et que ceci n’a aucun sens.
Wichtig ist dies, dass wir hierbei ein Paar ins Spiel bringen, das wir gefärbt nennen, und dass es keinen sens hat, keine Ausrichtung.
L’apparence de la couleur est-elle de la vision – au sens où je l’ai distinguée – ou du regard, est-ce le regard ou la vision qui distingue la couleur ?
Beruht die Erscheinung der Farbe auf dem Sehen – in dem Sinne, wie ich es unterschieden habe – oder auf dem Blick, unterscheidet sich die Farbe durch den Blick oder durch das Sehen?
C’est une question que pour aujourd’hui je laisserai en suspens.
Das ist eine Frage, die ich für heute offen lasse.18
La notion de couple, de couple colorié, est là pour suggérer que dans le sexe, il n’y a rien de plus que, je dirais « l’être de la couleur », ce qui suggère en soi qu’il peut y avoir homme couleur de femme, dirais-je, ou femme couleur d’homme.
Der Begriff des Paares, des gefärbten Paares, steht hier, um anzudeuten, dass es beim Geschlecht nicht mehr gibt, möchte ich sagen, als das Farbwesen, womit an sich angedeutet ist, dass es Mann in Frauenfarbe geben kann, möchte ich sagen, oder Frau in Männerfarbe.
[117] Les sexes en l’occasion – si nous supportons du rond rouge ce qu’il en est du symbolique – les sexes en l’occasion sont opposés comme l’imaginaire et le réel, comme l’idée et l’impossible, pour reprendre mes termes.
Die Geschlechter sind hierbei – wenn wir mit dem roten Ring das stützen, was es mit dem Symbolischen auf sich hat –, die Geschlechter sind hierbei einander entgegengesetzt wie das Imaginäre und das Reale, wie die Idee und das Unmögliche, um meine Termini wieder aufzugreifen.
Mais est-il bien sûr que toujours ce soit le réel qui soit en cause ?
Ist es denn aber sicher, dass es immer das Reale ist, was darin verwickelt ist?
J’ai avancé que dans le cas de Joyce, c’est l’idée et le sinthome plutôt, comme je l’appelle.
Ich habe behauptet, im Falle von Joyce sind es eher die Idee und das Sinthom, wie ich es nenne.
D’où l’éclairage qui en résulte de ce qu’est une femme : pas-toute ici, de n’être pas saisie, de rester – à Joyce nommément – étrangère, de n’avoir pas de sens pour lui.
Von daher die Erhellung, die sich dabei aus dem ergibt, was eine Frau ist: nicht-alle hier, da sie nicht erfasst wird, da sie fremd bleibt, insbesondere für Joyce, da sie für ihn keinen Sinn hat.
Une femme, au reste, a-t-elle jamais un sens pour l’homme ?
Hat übrigens eine Frau je einen Sinn für den Mann?
L’homme est porteur de l’idée de signifiant, et l’idée de signifiant se supporte, dans la langue, de la syntaxe, essentiellement.
Der Mann ist der Träger der Idee des Signifikanten, und die Idee des Signifikanten wird in der Sprache wesentlich durch die Syntax gestützt.
Il n’en reste pas moins que si quelque chose dans l’histoire peut être supposé, c’est que c’est l’ensemble des femmes qui… devant une langue qui se décompose : le latin dans l’occasion, puisque c’est de cela qu’il s’agissait à l’origine de nos langues …que c’est l’ensemble des femmes qui engendre ce que j’ai appelé lalangue.
Das ändert nichts daran, wenn in der Geschichte |{127} etwas angenommen werden kann, dann ist es dies, dass es die Menge der Frauen ist, die angesichts einer Sprache, die sich auflöst – hier das Lateinische, denn darum handelte es sich am Ursprung unserer Sprachen –, dass es die Menge der Frauen ist, die das erzeugt, was ich Lalangue genannt habe.19
C’est ce dire interrogé sur ce qu’il en est de lalangue, sur ce qui a pu guider un sexe sur les deux, vers ce que j’appellerai cette prothèse de l’équivoque.
Das ist das Sagen, das darüber befragt wird, was es mit Lalangue auf sich hat, darüber, was eines der beiden Geschlechter zu jener, wie ich es nennen möchte, Prothese der Mehrdeutigkeit geführt haben mag.
Car ce qui caractérise lalangue parmi toutes, ce sont les équivoques qui y sont possibles.
Denn was für eine Lalangue im Verhältnis zu allen anderen charakteristisch ist, das sind die Äquivokationen, die in ihr möglich sind.
C’est ce que j’ai illustré de l’équivoque de « deux » (d, e, u, x) avec « d’eux » (d, apostrophe, e, u, x).
Das habe ich illustriert mit der Äquivokation von deux – d, e, u, x, „zwei“ – und d’eux – d, Apostroph, e, u, x, „von ihnen“.20
Un ensemble des femmes a engendré dans chaque cas lalangue.
Eine Menge der Frauen hat in jedem Fall Lalangue erzeugt.
Là-dessus, je veux quand même vous indiquer quelque chose.
Hierzu möchte ich Sie doch auf etwas hinweisen.
C’est que nous avons parlé de bien des choses aujourd’hui, sauf de ce qui fait le propre de la chaîne borroméenne.
Nämlich darauf, dass wir heute von vielen Dingen gesprochen haben, außer von dem, was das Eigentliche der borromäischen Verkettung ausmacht.
La chaîne borroméenne n’aurait pas lieu s’il n’y avait pas ceci que je dessine, et que, comme d’habitude, je dessine mal parce que c’est comme ça que ça doit être dessiné qui en est le propre et qui est ce que j’appellerai le faux-trou.
Die borromäische Verkettung würde sich nicht herstellen, wenn es nicht das gäbe, was ich anzeichne und was ich wie üblich schlecht anzeichne, weil das so gezeichnet werden muss, was davon das Eigentümliche ist und was ich das falsche Loch nennen möchte.
Dans un cercle – ai-je souligné tout à l’heure – il y a un trou.
In einem Kreis, so habe ich vorhin unterstrichen, gibt es ein Loch.
Qu’on puisse avec un cercle en y adjoignant un autre, faire ce trou qui consiste | [118] dans ce qui passe là, au milieu, et qui n’est ni le trou de l’un, ni le trou de l’autre, c’est ça que j’appelle le faux trou [figure 18]:
Abb. 16: Falsches Loch zweier elastischer Ringe
Dass man mit einem Kreis, indem man einen weiteren hinzufügt, dieses Loch bilden kann, das aus dem besteht, was hier durch die Mitte läuft und was weder das Loch des einen Kreises noch das Loch des anderen ist, das ist das, was ich das falsche Loch nenne [Abbildung 16]:
Mais il y a ceci sur quoi repose toute l’essence de la chaîne borroméenne : c’est que droite infinie ou cercle, s’il y a quelque chose qui traverse ce que j’ai appelé à l’instant le faux-trou, s’il y a quelque chose – je le répète, droite ou cercle – ce faux-trou est, si l’on peut dire, vérifié.
Es gibt jedoch das, worauf das ganze Wesen der borromäischen Verkettung beruht: wenn es nämlich etwas gibt – unendliche Gerade oder Kreis –, was das, was ich gerade das falsche Loch genannt habe, durchquert, wenn es so etwas gibt – ich wiederhole es: Gerade oder Kreis –, so wird dieses falsche Loch, wenn man so sagen kann, verifiziert.21
La fonction de ceci : la vérification du faux-trou, le fait que cette vérification le transforme en réel, c’est là [figure 19]:
Abb. 17: Verwandlung des falschen Lochs in ein wahres Loch durch eine unendliche Gerade
Dessen Funktion, die der Verifizierung des falschen Lochs, die Tatsache, dass diese Verifizierung es in ein reales verwandelt, die ist da [Abbildung 17].
Et je me permets à cette occasion de rappeler que j’ai eu l’occasion de relire ma Signification du Phallus.
{128} Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass ich Gelegenheit hatte, meine Bedeutung des Phallus wiederzulesen.22
J’y ai eu la bonne surprise de trouver dès les premières lignes l’évocation du nœud, ceci à une date où j’étais bien loin de m’être intéressé à ce qu’on appelle le nœud borroméen.
Mir widerfuhr die schöne Überraschung, bereits in den ersten Zeilen darauf zu stoßen, dass der Knoten angesprochen wird, zu einem Zeitpunkt, als ich recht weit davon entfernt war, mich für das, was man den borromäischen Knoten nennt, zu interessieren.
Les premières lignes de La signification du phallus indiquent le nœud comme étant ce qui est du ressort en l’occasion.
Die ersten Zeilen von Die Bedeutung des Phallus verweisen auf den Knoten als das, worum es dabei geht.23
C’est ce phallus qui a ce rôle de vérifier, du faux trou, qu’il est réel.
Dieser Phallus hat, bezogen auf das falsche Loch, die Rolle, zu verifizieren, dass es real ist.
C’est en tant que le sinthome fait un faux trou avec le symbolique, qu’il y a une praxis quelconque, c’est-à-dire quelque chose qui relève du dire, de ce que j’appellerai aussi bien à l’occasion l’art-dire, voire, pour glisser vers l’ardeur.
Insofern das Sinthom mit dem Symbolischen ein falsches Loch bildet, gibt es überhaupt eine Praxis, das heißt etwas, das in den Bereich des Sagens gehört, in den Bereich dessen, was ich hierbei auch l’art-dire nennen möchte, die Sagekunst, um sogar bis zur l’ardeur zu gleiten, bis zur Glut.24
Joyce – pour terminer – ne savait pas qu’il faisait le sinthome, je veux dire qu’il le simulait.
Joyce, um zum Schluss zu kommen, wusste nicht, dass er das Sinthom bildete, ich meine, dass er es simulierte.
Il en était inconscient, et c’est de ce fait qu’il est un pur artificier, qu’il est un homme de savoir-faire, c’est-à-dire ce qu’on appelle aussi bien un artiste.
Das war für ihn unbewusst und aus diesem Grunde ist er ein reiner artificier, ein reiner Feuerwerker, ist er ein Mann des Savoir-faire, also das, was man auch einen artiste nennt, einen Künstler, einen Artisten.25
Le seul réel qui vérifie quoi que ce soit c’est le phallus, en tant que j’ai dit tout à l’heure de quoi le phallus est le support : à savoir de ce que je souligne dans cet article, à savoir de la fonction du signifiant en tant qu’elle crée tout signifié.
Das einzige Reale, durch das irgendetwas verifiziert wird, ist der Phallus, insofern ich gerade gesagt habe, wovon der Phallus der Träger ist, nämlich von dem, was ich in diesem Artikel hervorhebe, also von der Funktion des Signifikanten, insofern sie jedes Signifikat erschafft.
Encore faut-il – ajouterai-je, pour le reprendre la prochaine fois – encore faut-il qu’il n’y ait que lui pour le vérifier, ce réel.
Außerdem ist es nötig, füge ich hinzu, um es das nächste Mal wieder aufzunehmen, außerdem ist es nötig, dass es nur ihn gibt, um es zu verifizieren, dieses Reale.
.
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN UND FRAGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen.
Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine Ergänzungen.
Passagen in eckigen Klammern, die mit einem Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
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{113} Lacan kündigt an, dass er in dieser Sitzung improvisieren wird – es gibt einen Streik, und er hatte sich deshalb nicht darauf eingestellt zu sprechen. Bei dieser Improvisation wird er etwas von dem „zeigen“, woran er gearbeitet hat.
Zur Aufführung von Cixous’ „Porträt von Dora“
Zunächst aber spricht er über die [Ur-]Aufführung eines Theaterstücks von Hélène Cixous, Portrait de Dora [im Deutschen heißt das Stück einfach nur Dora].
1971 hatte Cixous eine Anmerkung zu Dora veröffentlicht [mit dem Titel La déroute du sujet, ou le voyage imaginaire de Dora], |{114} dabei geht es um Freuds Dora [also um die Patientin aus Freuds Bruchstück einer Hysterie-Analyse (1905)]. Ausgehend von diesem Artikel hat Cixous ein Theaterstück geschrieben, das erwähnte Porträt von Dora.
Lacan sagt, dass er das Porträt von Dora „nicht schlecht“ fand. Er spricht jedoch nicht über das Stück allgemein, sondern über die Inszenierung, speziell über die Beziehung zwischen den Rollen und den Schauspielern. Das Stück wurde „auf eine reale Weise“ aufgeführt, d.h. so, dass die Schauspieler von der „Realität der Proben“ beherrscht wurden. Die Schauspielerin, die die Dora spielt [Nathalie Nell], ist nicht die beste Hysterikerin; sie zeigt die Hysterikertugenden aber nicht schlecht. Eine andere Schauspielerin [Michelle Marquais], die eine bessere Hysterikerin ist, spielt eine andere Rolle [die der Frau K.], sie zeigt aber nicht ihre Hysterikertugenden. Dem Schauspieler, der den Freud spielt, ist die Situation unangenehm, er lässt sich das durch seine Vorsicht anmerken; das ist nicht sehr günstig, zumal er kein professioneller Schauspieler ist. [Freud wurde in dieser Aufführung von Lucien Rosengart (1938–1992) gespielt, einem Komponisten.] Der Darsteller des Freud hat Angst, zu chargieren, zu überzeichnen, und von dieser Vorsicht ist die Aufführung geprägt. Das Ergebnis ist eine Hysterie, die man als „unvollständig“ bezeichnen kann. Die Hysterie, das sind seit Freud immer zwei. In dieser Inszenierung jedoch ist die Hysterie auf einen Zustand reduziert, den man als „materiell“ bezeichnen kann. Es fehlt das Element, das schon vor Freud hinzugefügt wurde, nämlich wie die Hysterie verstanden werden muss [vor Freud erfolgte der Zugang zum verborgenen Sinn durch die Hypnose]. Und eben das ergibt eine „starre“ Hysterie.
[Vielleicht ist dies gemeint: Durch die Vorsicht des Schauspielers, der den Freud spielt, fehlt der Hysterikerin, also Dora, der Adressat: der Andere in der Position des Herrn (vgl. die Formel vom Diskurs des Hysterikers in Seminar 17). Dadurch wird aus der Hysterie gewissermaßen eine Persönlichkeitseigenschaft und insofern etwas Materielles. Tatsächlich hat die Hysterie jedoch relationalen Charakter, sie existiert nur in der Beziehung zu einem Anderen, den die Hysterikerin (oder der Hysteriker) in die Position des Herrn bringt, desjenigen, der die Funktion hat, das Rätsel, vor das sie ihn stellt, zu verstehen und sich an diesem Problem abzuarbeiten. Da die Hysterie sich auf einen Anderen bezieht, ist sie sie flexibel, nicht starr. Bereits vor Freud wurde die Hysterie etwas begriffen, was verstanden werden kann – was einen versteckten Sinn hat, der gedeutet werden kann.]
[? Was sind Hysterikertugenden?]
Darstellungsarten der borromäischen Verkettung
Lacan wechselt vom Porträt von Dora zur borromäischen Verkettung; als Scharnier verwendet er die Opposition von |{115} Starrheit und Elastizität. Die in der Aufführung des Stücks dargestellte Hysterie ist „starr“. Der Ausdruck „borromäische Verkettung“ legt ebenfalls Starrheit nahe [man denkt an eine flexible Kette aus Kettengliedern, die in sich selbst starr sind]. Tatsächlich aber ist die borromäische Verkettung elastisch [die Objekte der mathematischen Topologie sind beliebig verformbar]. [Später in dieser Sitzung wird Lacan sich darauf beziehen, dass man die einzelnen Ringe einer borromäischen Verkettung falten kann, dass man sie in sich umklappen kann.] Nicht umsonst wird die borromäische Verkettung auch „Knoten“ genannt, da sie nämlich zum Knoten hin gleitet [zum Kleeblattknoten; später in dieser Sitzung wird Lacan andeuten, dass man eine borromäische Verkettung in einen Kleeblattknoten verwandeln kann].
[Die Aufführung von Cixous’ Dora verhält sich demnach zu Freuds Dora-Analyse wie die euklidische Geometrie (der Festkörper) zur Topologie (der elastischen Körper).]
Auf die borromäische Verkettung hatte Lacan sich [seit Seminar 19] bezogen, um durch sie das Symbolische, das Imaginäre und das Reale miteinander zu verbinden. Wichtig ist dabei das Reale. Nachdem er lange über das Symbolische und das Imaginäre gesprochen hatte, hatte er sich gefragt, wo in dieser Zusammenfügung das Reale sein könnte. Das Reale konnte nicht ein [isolierter] einzelner Schnur-Ring sein, vielmehr macht die Art der Verkettung als Ganze das Reale des Knotens aus. [Ein bestimmter Ring ist nur insofern der Ring des Realen, als er auf bestimmte Weise mit den beiden anderen Ringen verkettet ist.]
Lacan bezieht sich dann auf unterschiedliche Objekte der Knotentopologie. Die erste ist eine borromäische Verkettung, wobei die Ringe hier als Rechtecke und perspektivisch dargestellt sind:
Abb. 1: „Starre“ borromäische Verkettung von drei Elementen
Abb. 2: Kleeblattknoten
und auf eine Verkettung von zwei Ringen, bei der die Ringe direkt ineinandergreifen [in der Topologie heißt diese Art der Verbindung „Hopf-Verkettung“]. [Das sind offenbar Kontrastfiguren: die borromäische Verkettung ist gerade keine Hopf-Verkettung und die Elemente haben im einfachsten Fall nicht die Form von Kleeblattknoten sondern von Unknoten. Allerdings kann eine borromäische Verkettung auch aus Kleeblattknoten bestehen; Lacan hatte in früheren Sitzungen dieses Seminars darüber gesprochen.]
Abb. 3: Hopf-Verkettung
Lacan kommt auf die borromäische Verkettung aus drei Ringen zurück und bezieht sich auf eine zweite Form der Darstellung. Zwei der Ringe werden hier durch unendliche Geraden repräsentiert:
Abb. 4: Projektive Darstellung der borromäischen Verkettung von drei Elementen
Das Ganze und die Menge
Lacan verweist auf eine weitere Art der Darstellung der borromäischen Verkettung, diesmal wieder, wie üblich, mit geschlossenen Kurven. Wie in der ersten Darstellungsform sind die drei geschlossenen Kurven auch hier wieder drei Ebenen zugeordnet; Lacan unterscheidet sie [mit einer in der Anatomie üblichen Terminologie] als transversaler Ring (rot) [frontal zum Betrachter], sagittaler Ring (blau) [auf den Betrachter zulaufend, vertikal] und horizontaler Ring (grün) [auf den Betrachter zulaufend, horizontal]. Die Ringe haben jetzt jedoch eine andere Gestalt als bei der ersten Darstellungsart, sie werden nicht mehr als Rechtecke wiedergegeben, sondern als [perspektivisch gezeichnete] Kreise, und damit erinnern diese Darstellung der Verkettung an die Struktur einer Armillarsphäre [über die Lacan in früheren Sitzungen des Sinthom-Seminars gesprochen hatte].
Abb. 5: Borromäische Verkettung von drei Elementen als Armillarsphäre
Diese dritte Darstellungsart hat den Vorteil, dass sie eine Sphäre simuliert [also eine Kugeloberfläche, und dass sie damit den Unterschied zwischen einer geschlossenen Kurve und einer Sphäre umso deutlicher macht]. Eben dies hatte er, Lacan, [Salvador] Dalí gegenüber angemerkt, mit dem er sich darüber unterhalten hatte, er weiß nicht mehr wann [das war Anfang Dezember 1975 in New York]. Allerdings wird eine Armillarsphäre nie als borromäische Verkettung dargestellt [sondern immer mit konzentrischen Ringen].
Das konsistiert da. [Lacan verweist auf einen einzelnen Ring, der als Ring in sich zusammenhält, also Konsistenz hat (Lacan stützt sich hier auf seine Unterscheidung von Konsistenz, Ex-sistenz und Loch).] Weil diese Sphäre [die Darstellung der borromäischen Verkettung als Armillarsphäre] aus Kreisen gebildet wird, gibt es eine Möglichkeit, sie umzuklappen [gemeint ist: die einzelnen Kreise umzuklappen]. [Als Ergebnis des Umklappens hat ein Kreis eine Gestalt wie der rote Kreis auf dem untenstehenden Bild.]
Bei einer Sphäre denkt man an die Idee des [abgeschlossenen] Ganzen. Häufig wird eine Sphäre durch einen Kreis dargestellt, das ist jedoch ein Fehler. Die Idee des Ganzen impliziert eine Abschließung [durch die ein Inneres von einem Äußeren abgeschottet wird]. Ein Kreis hingegen hat im Inneren ein Loch [nämlich dann, wenn man ihn nicht auf einer Fläche einträgt, sondern in den dreidimensionalen Raum einbettet]. Wenn man das Ganze [den Kreis] umklappen kann, wird das Innere zum Äußeren. [In der obenstehenden Zeichnung ist der Bereich, der von der äußeren Kreislinie aus gesehen das angrenzende Innere bildet, für die innere Kreislinie das Äußere.] Eben das geschieht, wenn man die borromäische Verkettung mit Kreisen bildet, sie kann dann umgeklappt werden, und zwar deshalb, weil es im Kreis ein Loch gibt.
Die Wesen [die Menschenwesen] sind „träge“ [seit den frühen Seminaren ist „Trägheit“ für Lacan eine Metapher für den Widerstand des Imaginären gegen die Symbolisierung26]. In dem Maße, in dem die Wesen träge sind, d.h. von einem Körper gestützt werden, kann man wie [der antike römische Politiker] Popillius [um jemanden einen Kreis ziehen und zu ihm] sagen: „Ich habe einen Kreis um dich gezogen, und du wirst da nicht eher rauskommen, als du mir nicht etwas Bestimmtes versprochen hast.“ [Die Vorstellung, dass der Kreis ein Ganzes bildet, dass er also ein Inneres von einem Äußeren abtrennt, beruht darauf, dass Menschen „träge“ sind, d.h. dass sie von einem Körper gestützt werden – sie projizieren das Körperbild auf den Kreis und deuten ihn dadurch als Ganzheit, als vereinfachte Darstellung einer Sphäre. Man könnte auch sagen, im zweidimensionalen Raum grenzt ein Kreis ein Ganzes aus einer Umwelt aus.]
Abb. 6: Elemente a, b, c mit Mengenkreis
Abb. 7: Menge mit Element A und mit Untermenge, die Element B enthält
Lacan zeigt den Unterschied zwischen dem Ganzen und der Menge an einem Mengenkreis [also an einer Abschließung im Bereich der Mengen.]. Der Mengenkreis enthält zwei Elemente: ein Element A, das nicht von einem weiteren Kreis umgeben ist, und ein Element B, um das herum ein Kreis gezogen ist [d.h. das eine Untermenge bildet]. Das wird auch so dargestellt: { A { B }} [die geschweiften Klammern entsprechen den Mengenkreisen]. [A ohne Kreis entspricht dem „Nicht-alle“, also einer Frau; B mit Kreis entspricht dem „Alle“, also dem Mann. Eine einfache Darstellung des Nicht-alle ist eine Menge ohne Mengenkreis. Das „Alle“ (die Ganzheit) besteht demnach erstens aus einer Menge und zweitens aus einer Abschließung. A und B sind in einem Kreis bzw. in einer Klammer enthalten: A und B bilden ein sich abschließendes Paar, sie sind nicht polyamourös.]
[Bezieht man diese Unterscheidung auf das Sprechen, könnte eine Abschließung beispielsweise ein Thema sein. Wenn das Sprechen sich auf ein Thema beschränkt, haben wir es mit einem „Alle“ zu tun, mit einem Ganzen; wenn das Sprechen nicht durch ein Thema begrenzt wird (wie in der freien Assoziation), gehört es zur Ordnung des Nicht-alle.]
Wie erzeugt man die beiden borromäischen Verkettungen?
[Lacan kommt jetzt zum Hauptpunkt seines Vortrags, zu dem, was er in dieser Sitzung, wie er anfangs angekündigt hatte, zeigen will.] Sein Ausgangspunkt ist, dass es zwei unterschiedliche Formen der borromäischen Verkettung von drei Elementen gibt [zwei Anordnungen der Elemente, wobei diese Anordnungen sich durch Manipulation ohne Zerschneiden nicht ineinander überführen lassen]. [Dass es zwei Arten von borromäischen Dreier-Verkettungen gibt, wird im Folgenden von Lacan als unproblematisch vorausgesetzt, ebenso, dass diese Unterscheidung nur möglich ist, wenn Färbung und Orientierung der Elemente ins Spiel gebracht werden. Strittig ist, wie viele Elemente mindestens orientiert sein müssen, damit man zwei Arten der borromäischen Verkettung unterscheiden kann.]
Soury/Thomé: drei Färbungen und drei Orientierungen
{120} Soury und Thomé hatten Lacan gegenüber behauptet, für die Erzeugung von zwei unterschiedlichen borromäischen Verkettungen müssten alle drei Elemente sowohl gefärbt als auch orientiert sein, und er hatte dem anfangs zugestimmt.27
Lacans Irrtum: Färbung genügt
Abb. 8: Borromäische Verkettung von drei Elementen
Danach kam ihm jedoch der Gedanke, dass es, um die beiden Verkettungsformen herzustellen, ausreichen würde, die Elemente nur zu färben [und nicht zu orientieren]. Angenommen, man hält die Farbe des roten Elements fest und vertauscht die Farbe des blauen und des grünen Elements, dann hat es den Anschein, als ob man auf diese Weise zwei unterschiedliche Verkettungen erhielte, nämlich diese hier, Blau unter Rot über Grün, und eine andere, Blau über Rot unter Grün.
Tatsächlich jedoch handelt es sich bei diesen beiden Darstellungen um dieselbe Verkettung. [Das lässt sich dadurch zeigen, dass man die beiden Verkettungen durch Manipulation ineinander überführt, ohne einen Ring zu zerschneiden.]
Abb. 9-1 und 9-2: Umklappen des Rings, blau hinter rot
Wenn man [ausgehend von Abb. 9-1] die Sphäre [d.h. den Kreis] umklappt [d.h. wenn man die untere Hälfte des Kreises nach vorne und nach oben faltet und sie etwas auseinanderzieht, wie in Abb. 9-2], erhält man leicht [durch die anschließenden Schritte] die entgegengesetzte Anordnung [der drei Ringe, also die andere Verkettung, die sich damit als nur scheinbar unterschiedlich erweist].
[? Lacan spricht hier vom Umklappen der „Sphäre“; warum? Bezieht er sich hier auf eine andere Darstellung der borromäischen Ringe als die mit unendlichen Geraden, nämlich auf die Darstellung als Armillarsphäre?]
Abb. 9-3: Umklappen des Rings, blau vor rot
Hierzu muss man im nächsten Schritt die Position der blauen Geraden ändern [so dass sie nicht mehr über der grünen Geraden und unter dem roten Kreis liegt [Abb. 9-2], sondern unter der grünen Geraden und über dem roten Kreis [Abb. 9-3]]. [? Wie soll diese Operation ohne Zerschneiden möglich sein?]
Abb. 9-4: Resultat des Umklappens des Rings, blau vor rot
Im letzten Schritt wird der rote Ring wieder umgeklappt [diesmal wird die kleinere Kreishälfte nach hinten und dann nach unten gefaltet, und außerdem wird sie etwas auseinandergezogen [Abb. 9-4]].
Vergleicht man die anfängliche Anordnung [9-1] mit der Anordnung am Schluss [9-4], sieht man, dass die blaue und die grüne Gerade ihren Verlaufsweg getauscht haben. In der ersten Darstellung [9-1] liegt die blaue Gerade innerhalb des roten Kreises [d.h. unter ihm] und außerhalb [d.h. über] der grünen Geraden; in der letzten Darstellung [Abb. 9-4] ist es umgekehrt, die grüne Gerade liegt jetzt innerhalb des roten Kreises [d.h. unter ihm] und die blau Gerade liegt außerhalb des roten Kreises [d.h. über ihm]. [Die Rede von „innerhalb“ und „außerhalb“ spricht dafür, dass Lacan hier tatsächlich mit der Anordnung der Ringe als Armillarsphäre operiert.]
Die Dinge sind nicht so leicht zu demonstrieren. Der Beweis dafür ist folgender: Das, was unmittelbar ist, dass man nämlich einfach denkt, dass die drei [gefärbten aber nicht orientierten] Ringe ihre Position vertauschen können – was durch die [vorgeführte] Manipulation ja auch tatsächlich erreicht werden kann –, kann gleichwohl nicht so einfach erreicht werden. Der Beweis dafür ist, dass Soury und Thomé, als sie Lacan diese Manipulation – die völlig korrekt ist – vorführten, sich dabei ein wenig verheddert haben. [Die Manipulation, die Lacan gerade vorgeführt hat und die zeigt, dass die beiden scheinbar unterschiedlichen borromäischen Verkettungen ohne Zerschneiden ineinander überführt werden können, ist ihm demnach von Soury und Thomé gezeigt worden.] Er, Lacan, habe versucht, seinen Zuhörern vorzuführen, wie diese Operation sich tatsächlich vollziehen kann.
[? Ich habe diese Manipulation nicht nachvollziehen können. Wie läuft sie ab?]
Exkurs: Drei Arten der Evidenz
{122} Die Frage ist, was uns in der Unmittelbarkeit festhält. Die Unmittelbarkeit ist eine bestimmte Art der Evidenz [Evidenz 1]. Die Evidenz der Unmittelbarkeit [Evidenz 1] unterscheidet sich von der Evidenz, die Lacan durch ein Wortspiel stützt, évidence/évidement, Evidenz/Entleerung [Evidenz 2]. Diese zweite Art der Evidenz – das évidement, die Entleerung – bezieht sich auf das Reale. [In Seminar 21 hatte Lacan gesagt: Die Evidenz (évidence) des borromäischen Knotens besteht nicht in seiner Anschaulichkeit, sondern darin, dass er aus Schnur-Ringen gebildet ist und hierdurch eine Entleerung (évidement) erfährt.28 In Seminar 22 hatte es geheißen: Von den drei Modi des Symbolischen, des Imaginären und des Realen wolle er, Lacan, nicht behaupten, sie seien evident (évident); er bemühe sich einfach, diese drei Modi zu entleeren (évider).29 Und in einer früheren Sitzung von Seminar 23 kann man lesen: Die Behauptung, dass die Sprache im Realen ein Loch macht, scheine ihm, Lacan, unvermeidlich zu sein (inévitable), weil eine Wahrheit nur durch das Entleeren (évider) des Realen möglich sei.30
Die „Evidenz-Entleerung“ des borromäischen Knotens besteht im Zurückdrängen der Anschaulichkeit.
Der Begriff der Evidenz bezieht sich etymologisch auf das Sehen, er geht auf das lateinische Verb vidēre zurück, „sehen“. Das Wortspiel évidence/évider geht auf die Lautähnlichkeit der beiden lateinischen Verben vidēre (sehen) und videre (leeren) zurück.]
Diejenige Evidenz [Evidenz 1], die der Evidenz-Entleerung [Evidenz 2] widersteht, ist die knotenhafte Erscheinung, die durch den chaînœud hergestellt wird, durch die Knotenverkettung. [Die Entleerung der Evidenz ist nicht vollständig, es bleibt ein anschaulicher Rest: die knotenhafte Erscheinung, die Lacan chaînœud nennt.] Diese knotenhafte Erscheinung, diese Knotengestalt, macht aus dem Realen die Versicherung. [? Was meint hier „Versicherung“ (assurance)?] Die knotenhafte [anschauliche] Erscheinung ist eine fallace, ein Trug. [Lacan verwendet den veralteten Ausdruck fallace sicherlich wegen der Lautähnlichkeit mit phallus. Der Phallus ist ein Trug.] Jedoch ist dies ein Trug, durch den das Reale bezeugt wird [die Kastration ist ein Trug, der das das Reale bezeugt, die Unmöglichkeit des sexuellen Verhältnisses].
Man muss diese Art der Evidenz [Evidenz 1] von der Pseudo-Evidenz [Evidenz 3] unterscheiden, durch die Lacan dazu gebracht worden war, [irrtümlicherweise] anzunehmen, man könne zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen von drei Elementen bereits dadurch herstellen, dass man die Elemente nur färbt, nicht aber orientiert.
Was bedeutet das, was er mit dieser Reihe von Kunstgriffen demonstriert hat? [Die Manipulation, durch die er die eine Darstellung der borromäischen Verkettung aus drei Ringen in die andere überführt hatte, war eine Demonstration, eine Beweisführung: sie beweist, dass es sich um dieselbe Verkettung handelt.] Hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem Demonstrieren (bzw. Beweisen) und dem [anschaulichen] Zeigen.
[In Seminar 22 hatte Lacan die monstration von der démonstration unterschieden. Bei der monstration geht es um das anschauliche Zeigen, um das Vorführen. Mit démonstration ist das Beweisen gemeint; die démonstration beruht auf dem Symbolischen.31 In Seminar 23 hatte sich Lacan auf den Unterschied zwischen dem Zeigen und dem Beweisen bereits in der Sitzung vom 9. Dezember 1975 bezogen.]
Im Demonstrieren gibt es, verglichen mit dem Zeigen, eine Idee von Verfall (déchéance), es gibt einen Abfallen (choir) gegenüber dem Zeigen. [Im Beweisen tritt die anschauliche Dimension zurück. (Déchéance geht auf déchoir zurück, hat also die Wurzel choir.)]
Das Blabla, das von der Evidenz ausgeht, realisiert eine Entleerung. [Das Sprechen, das sich auf die anschauliche Evidenz stützt, bewirkt – als Sprechen – eine Verminderung des Bezugs auf die Anschauung.] Dies unter der Bedingung, die Entleerung auf bedeutsame Weise (significativement) zu vollziehen. [? Was ist hier mit „bedeutsam“ gemeint?]
Das more geometrico, lange Zeit der ideale Träger der Demonstration, der Beweisführung, beruht auf dem Trug einer formalen Evidenz. [Die Beweisführung „nach der Art der Geometrie“ beruht auf Axiomen, auf Postulaten und auf der Annahme, dass diese einen Sinn haben, der intuitiv eingesehen werden kann; erst die Mathematik des 19. Jahrhunderts begreift die Axiome als kontingent. Zur Beweisführung more geometrico hatte Lacan in der ersten Sitzung des Sinthom-Seminars angemerkt:
„More geometrico – auf Grund der Form, die Platon so schätzte, erweist sich das Individuum so, wie es gebaut ist: als ein Körper. Dieser Körper hat eine solche fesselnde Kraft, dass, bis zu einem gewissen Punkt, die Blinden zu beneiden wären.“32
Nicht nur die knotenhafte Erscheinung ist ein Trug, nämlich Fesselung durch das Körperbild – durch die Form, durch die Gestalt –, sondern auch die Beweisführung more geometrico geht letztlich auf eine solche Fesselung zurück. In diesem Sinne beruht sie auf einer „formalen Evidenz“, auf dem deutlichen Sehen (lat. evidēre) der Gestalt, der forma.]
Die Linie, mit der die [euklidische] Geometrie arbeitet, lässt sich auf die Überschneidung von zwei Flächen zurückführen und die Fläche wiederum auf den Schnitt in einen Festkörper. [Wir sind hier bei den Postulaten der euklidischen Geometrie, dazu gehört: Eine Linie ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. In Lacans Deutung beruhen die Komponenten der euklidischen Geometrie – Linie und Fläche – letztlich auf der Bindung an den Festkörper, haben ihre Grundlage also im Imaginären, in der Beziehung zum Körperbild. Dass die euklidische Geometrie auf dem Festkörper aufbaut, sieht man, wenn man sie mit der Topologie vergleicht, in der die Flächen als beliebig verformbar gelten, die Körper also nicht mehr fest sind, nicht mehr starr.]
Eine ganz andere Stütze liefert der Ring, der Kreis [der Torus und die geschlossene Jordankurve], sofern er elastisch ist – das ist eine andere Geometrie. [Diese andere – nicht-euklidische – Geometrie ist die Topologie; in ihr gelten die Gegenstände nicht, wie in der euklidischen Geometrie, als starr, sondern als unbegrenzt verformbar.] Diese Geometrie ist auf die Verkettung zu gründen. [? In wiefern ist die Topologie auf die Verkettung zu gründen?]
Lacans neue These: zwei gefärbte Elemente und ein orientierter Kreis
Über seinen Irrtum war Lacan verblüfft und ist es immer noch. Wenn er ihn als Dummheit bezeichnet, so hat er damit Recht; der Fehler hat ihn auf eine Weise berührt, die man sich nicht vorstellen kann.
Um sich wieder ein wenig davon zu erholen, will er im Folgenden zeigen, dass Soury und Thomé sich in einem Punkt geirrt haben. Sie hatten behauptet: Wenn man zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen von drei Elementen haben will, müssen alle drei Komponenten sowohl gefärbt als auch orientiert sein; es genügt nicht, dass von den drei Bestandteilen zwei gefärbt sind und ein dritter orientiert ist. Lacan widerspricht ihnen in diesem Punkt. Seine These lautet: Man erhält zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen bereits dadurch, dass man zwei Elemente färbt und das dritte orientiert. Und er glaubt, das auf eine Weise demonstrieren zu können, die nahe beim Zeigen liegt [d.h. so, dass man es gewissermaßen sieht].
Soury und Thomé haben ihre These dadurch zu beweisen versucht, |{123} dass sie alle Kombinationsmöglichkeiten von drei Färbungen und drei Orientierungen durchgespielt haben.
Abb. 10: Projektive Darstellung der borromäischen Verkettung
Lacan geht anders vor. In seiner Darstellung der borromäischen Verkettung bringt er zwei unendliche Geraden ins Spiel [Abbildung 10], eine Vorgehensweise, von der Soury und Thomé vorsichtshalber keinen Gebrauch machen.
Die unendliche Gerade ist ein Äquivalent zum Kreis, zumindest in der Verkettung. Ein Punkt dieser unendlichen Geraden liegt im Unendlichen [dies ist der Punkt, an dem die beiden Enden der Geraden sich gewissermaßen berühren, da es für eine Gerade – per definitionem – nur einen Punkt im Unendlichen gibt]. |{124} Von den beiden unendlichen Geraden muss man außerdem fordern, dass sie konzentrisch sind, dass sie also nicht miteinander verkettet sind [d.h. die „Kreise“, die durch die beiden unendlichen Geraden gebildet werden, dürfen nicht wie die Glieder einer Gliederkette ineinander greifen, sie dürfen nicht wie eine Hopf-Verkettung gebaut sein – nur dann können sie Komponenten einer borromäischen Verkettung sein. Zu ergänzen ist: Die unendlichen Geraden dürfen sich nicht durchdringen, sie dürfen keinen gemeinsamen Punkt haben.] Dies [dass die beiden Enden einer unendlichen Geraden sich berühren] ist ein Punkt, den vor langer Zeit Desargues herausgearbeitet hat; Desargues hat allerdings nicht präzisiert, dass die unendlichen Geraden sich nicht verketten dürfen. Über den Punkt im Unendlichen hat Desargues [der den Punkt im Unendlichen in die Mathematik eingeführt hat] nichts Genaueres gesagt.
[Neben den beiden unendlichen Geraden gibt es in Lacans Darstellung der borromäischen Dreierverkettung einen Kreis.] Für diesen Kreis wird festgelegt, dass er orientiert ist [Abbildung 11]. Ihm muss man nicht eigens eine Farbe zuordnen – dadurch, dass man festlegt, dass er als einziger orientiert ist, hat man ihn bereits isoliert [also von den beiden anderen Elementen unterschieden]. [Man kann ihn, wie in der folgenden Abbildung, durchaus färben, aber das fügt keine Information hinzu.]
Wenn man [mit Soury und Thomé] sagen würde, dass alle drei Ringe orientiert sein müssen, wäre das anders. [Der dritte Kreis wäre dann durch das Merkmal der Orientierung nicht von den anderen beiden unterschieden; man müsste ihm, um ihn zu individualisieren, außerdem eine Farbe zuweisen.] Von dieser Orientierung [so wie sie oben gezeichnet ist] kann man sagen, dass sie rechtsdrehend ist. Das gilt jedoch nur vom aktuellen Beobachterstandpunkt aus. Die Unterscheidung rechtsdrehend/linksdrehend ist [im dreidimensionalen Raum] nicht stabil; wenn man den rechtdrehenden Kreis umdreht [wenn man ihn gewissermaßen von der Rückseite aus betrachtet], wird er zu einem linksdrehenden Kreis:
Abb. 12: „Rückseite“ von Abbildung 13
Bei dieser Umkehrung der Orientierung [Abbildung 12] werden auch die unendlichen Geraden [in ihrem Verhältnis zueinander] umgedreht [aus „Blau verläuft über dem Kreis und unter Grün“ wird „Blau verläuft unter dem Kreis und über Grün“].
Lacans Behauptung lautet also: Um zwei Arten von borromäischen Verkettungen zu erhalten, genügt es, wenn ein Ring orientiert ist [und die beiden anderen gefärbt sind]. Das ist dann umso einleuchtender, wenn [anders als bei Soury und Thomé] die beiden anderen Ringe unendliche Geraden sind, denn wie sollte man den unendlichen Geraden einen Orientierung geben? [? Warum können unendliche Geraden nicht orientiert sein? Weil der Punkt im Unendlichen in beiden Richtungen derselbe ist?]
Abb. 13-1 und 13-2: Wechsel der Position der Geraden
Wenn man die Orientierung beibehält und die Farben der beiden unendlichen Geraden austauscht, ist unbestreitbar, dass man es mit zwei unterschiedlichen borromäischen Verkettungen zu tun hat [Abb. 13-1 und 13-2].
Das ist eine ähnliche Vorgehensweise wie diejenige, die er zunächst für richtig gehalten hatte [insofern die beiden Geraden ihre Plätze tauschen, jetzt aber ergänzt um die Bedingung, dass der dritte Ring orientiert sein muss]. Warum sollte er die Orientierung ändern? Dafür gibt es keinen Grund. Wenn man die Orientierung des Kreises ändert [und die Position der Graden beibehält], kann man nicht [so einfach] sehen, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten der borromäischen Verkettung handelt.
|{125}
Abb. 14: „Rückseite“ von Abb. 13
Wenn man die Orientierung des Kreises wechselt [wenn man also statt eines rechtsdrehenden einen linksdrehenden Kreis verwendet und das Verhältnis der beiden unendlichen Geraden zueinander konstant hält], erhält man ebenfalls zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen [Abbildung 14].
Abb. 13-1 und 13-2: Vorder- und Rückseite; Abb. 13-2 und 13-3: Wechsel der Orientierung
In den obenstehenden Abbildungen [13-1 bis 13-3] wird zunächst Abbildung 13-1 in Abbildung 13-2 dadurch verwandelt, dass Abbildung 13-1 umgedreht wird; 13-1 und 13-2 zeigen also dieselbe Verkettung. Man kann dann sowohl Abbildung 13-1 mit Abbildung 13-3 vergleichen als auch Abbildung 13-2 mit Abbildung 13-3 vergleichen. Vergleicht man 13-2 mit 13-3, sieht man, dass die Geraden gleich verlaufen, die Orientierung jedoch entgegengesetzt ist; vergleicht man 13-1 mit 13-3 sieht man, dass die Geraden anders verlaufen, die Orientierung jedoch gleich ist.
[? Woran sieht man, dass es sich bei den Bildern 13-1 und 13-3 um zwei unterschiedliche Arten der Verkettung handelt? Dazu müsste gezeigt werden, dass man den Verlauf „Blau unter Rot über Grün“ bei konstanter Orientierung des Kreises nicht durch Manipulation in „Blau über Rot unter Grün“ verwandeln kann. Wie kann man zeigen, dass eine solche Manipulation nicht möglich ist?]
[Lacan betrachtet nun das Ergebnis: Damit es zwei unterschiedliche borromäische Verkettungen aus drei Elementen gibt, muss ein Element orientiert sein; die beiden anderen Elemente müssen nicht orientiert sein, wohl aber gefärbt sein.]
Lacan erinnert daran, dass er kurz zuvor vom „Realen als vom Trug gekennzeichnet“ gesprochen hatte. [Mit dem Trug kommt die Frage nach der Wahrheit ins Spiel.] |{126} Wahr ist nur das, was einen sens hat, einen Sinn [in den „geplätteten“ borromäischen Ringen ist das Wahre also an die Überschneidung des Imaginären und des Symbolischen gebunden]. Was ist das Wahre über das Reale? Dies, dass das Reale des Paares hier [das Reale der beiden unendlichen Geraden / das Reale, das darin besteht, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt] keinerlei sens hat [das die beiden Geraden nicht orientiert sind]. Diese Aussage stützt sich auf die Mehrdeutigkeit des Wortes sens: (a) „Richtung“ [wie in „Uhrzeigersinn“] und (b) „Bedeutung“. [Die beiden unendlichen Geraden sind nicht orientiert, sie haben keinen (Richtungs-)Sinn. Darauf läuft Lacans Kritik an Soury und Thomé hinaus: zwei der Ringe müssen keineswegs orientiert sein. Zugleich: Dass es kein sexuelles Verhältnis gibt ist das Reale und das Reale ist eben das, was keinen Sinn hat, d.h. zum Realen gibt es keinen Zugang durch die psychoanalytische Deutung.]
[Das Wahre bezieht sich auf den Sinn (besteht in der Aufdeckung oder Konstruktion eines Sinns durch die Deutung), es bezieht sich damit nicht auf das Reale, nicht auf den Referenten, nicht darauf, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt. Im oben wiedergegebenen Diagramm aus Millers Version von Seminar 20 wird das so angezeigt: „das Wahre“ ist dort der Pfeillinie zugeordnet, die vom Imaginären zum Symbolischen führt.33]
In welchem Verhältnis steht sens als Sinn [Sinn als Bedeutung] zum sens als Orientierung [Sinn als Richtungssinn]? Als Antwort könnte man vorschlagen, dass dies die Zeit ist. [Lacan stellt damit die Frage nach dem Verhältnis von Raum und Zeit – wie wird im Rahmen der Topologie (also des Raumes) die Zeit repräsentiert? Durch die Orientierung?] In dieser Sitzung bleibt die Frage offen. [In einer Folgesitzung wird Lacan auf die von ihm vorgeschlagene Antwort zurückkommen und sie zurückweisen.]
Die beiden Geraden [sind nicht orientiert, sie] müssen aber gefärbt sein. [Die Farbe bezieht sich auf das Sehen im weiten Sinne des Wortes, und damit stellt sich die Frage, wie das auf die psychoanalytische Konzeption des Sehens zu beziehen ist.] Bezieht sich die Erscheinung der Farbe auf das Sehen oder auf den Blick, ist es das Sehen oder der Blick, wodurch die Farben unterschieden werden? [Lacan bezieht sich hier auf die Unterscheidung von Blick und Sehen, die er in den Seminaren 11 und 13 entwickelt hatte (vgl. in Lacan entziffern den Artikel Das Schema von Auge und Blick und die Übersetzung und Erläuterung von Lacans Vorlesungen zu Velázquez‘ Bild „Las meninas“, hier).] Auch diese Frage lässt er in dieser Sitzung demonstrativ offen [und er wird im Sinthom-Seminar nicht darauf zurückkommen].
Psychoanalytische Anwendung: die Geschlechter
Die eine gefärbte Gerade: das Imaginäre
Der Begriff des gefärbten [und nicht orientierten] Paares [dargestellt durch die beiden unendlichen Geraden] bezieht sich auf das Geschlecht. Der Begriff des gefärbten Paares soll nahelegen, dass es bei den Geschlechtern nur das Sein der Farbe gibt, das „Farbwesen“; es kann also einen frauenfarbigen Mann geben und eine männerfarbige Frau. [Es kann einen biologischen Mann geben, der in der Farbe einer Frau auftritt, und umgekehrt.]
[Mit „Farbe“ bezieht sich Lacan hier auf eine Dimension, die er sonst als „Maskerade“ bezeichnet. Unter Maskerade versteht er die visuelle Darstellung des einen Geschlechts gegenüber dem anderen, also die wechselseitige Selbstdarstellung als Geschlechtswesen in der Ordnung des Imaginären und, damit verbunden, die imaginäre Identifizierung als Mann oder als Frau.34 Für die weibliche Maskerade bezieht er sich häufig auf den Aufsatz von Joan Riviere, Weiblichkeit als Maskerade (1929).35 Statt von der mascarade spricht er auch von der parade, also dem „Balzverhalten“.36 Damit scheint mir klar, dass es in der Beziehung zwischen den Geschlechtern bei der Farbe um das Sehen geht: um das Zu-Sehen-Geben, und um dessen Funktion: die Abwehr des Blicks.]
Die andere gefärbte Gerade: das Reale
Wenn man den roten [orientierten] Kreis auf das Symbolische bezieht, sind die Geschlechter einander entgegengesetzt wie das Imaginäre und das Reale bzw. wie die Idee und das Unmögliche. [Das Imaginäre entspricht der Idee, das Reale entspricht dem Unmöglichen.]
[Früher in dieser Sitzung hatte Lacan von der „Idee des Ganzen“ gesprochen37, das Imaginäre entspricht der „Idee“ dann, wenn man den Terminus (mit Platon) auf das Ganze bezieht und damit auf das Körperbild, auf die Sphäre, wenn man unter „Idee“ also nicht (mit Locke) den „Gedanken“ oder die „Vorstellung“ versteht.38
[Die Beziehung des Paares ist demnach bestimmt durch das Reale als das Unmögliche – es gibt kein sexuelles Verhältnis – sowie dadurch, dass versucht wird, diese Kluft durch das Imaginäre zu überbrücken, durch die Idee des Ganzen, durch die Farbe, die Maskerade.]
Aber ist es sicher, dass [in der Beziehung zwischen Menschen unterschiedlichen Geschlechts] immer das Reale beteiligt ist? Bei Joyce sind eher die Idee [d.h. das Imaginäre] und das „Sinthom“ beteiligt [das „Sinthom“ als vierter Ring und nicht das Reale].
[Bei Joyce geht es in der Beziehung zum anderen Geschlecht – zu Nora – nicht um das Reale; aus Bemerkungen am Schluss dieser Sitzung geht hervor, dass Lacan sich mit dem Begriff des Realen auf den Phallus bezieht (die phallische Funktion ist Ursache und Ersatz für das Reale des sexuellen Verhältnisses, darauf beziehen sich die Formeln der Sexuierung). Im Verhältnis zu Nora geht es Joyce um die Idee, um das Imaginäre – sie ist für ihn der umgestülpte Handschuh. Und es geht in dieser Beziehung um sein Sinthom, also um darum, sich durch das Schreiben und Veröffentlichen einen Namen zu machen.]
Das lässt sich dadurch erhellen, dass man auf das [vorher in dieser Sitzung erwähnte] Theorem zurückkommt, dass eine Frau „nicht-alle“ ist. Eine Frau wird nicht erfasst, da sie insbesondere für Joyce fremd bleibt, für ihn keinen Sinn hat. [Eine Frau ist „nicht-alle“, das heißt demnach auch, in der Perspektive des Mannes: Sie wird von ihm nicht erfasst, sie ist ihm fremd, sie hat für ihn keinen Sinn.]
Aber hat eine Frau für einen Mann jemals einen Sinn? [Liegt hier die Besonderheit von Joyce?] Der Mann ist der Träger der Idee des Signifikanten, und die Idee des Signifikanten wird in der Sprache wesentlich durch die Syntax getragen. [Die Syntax ist die Sprache als ein Regelsystem, das die Funktion hat, Sinn zu übermitteln; damit ist die Syntax das, wodurch die Sprache „ganz“ ist, „alle“.]
[Wann wude in Lacans Seminar zum letzten Mal über Syntax gesprochen? In Seminar 20 von 1972/73, Encore; Jean-Claude Milner hielt dort einen Vortrag über das „Modell des syntaktischen Subjekts“ und verstand darunter die Beziehung zwischen dem Sprecher und dem Adressaten.39 ]
Die Menge der Frauen |{127} hingegen hat aus der sich auflösenden Sprache – aus dem Lateinischen, aus dem das Französische und andere [romanische] Sprachen hervorgegangen sind – Lalangue geschaffen, das kann als historische Tatsache angenommen werden. [Mit der Rede von der „Menge“ der Frauen bezieht Lacan sich auf den vorher in dieser Sitzung erläuterten Gegensatz zwischen der Menge und dem alle. Die Frauen, die Lalangue geschaffen haben, bilden kein alle, sie sind „nicht-alle“. Die Lalangue-schaffenden Frauen hatten, so könnte man das vielleicht plausibel machen, nicht die Form einer Organisation (etwa einer Sprachgesellschaft) oder eines Staates.] Lalangue, das ist dasjenige Sagen, bei dem die Äquivokationen entscheidend sind; die verschiedenen Lalangues unterscheiden sich durch die Mehrdeutigkeiten, die in ihnen möglich sind. Es war das weibliche Geschlecht, das zu dieser „Prothese der Mehrdeutigkeit“ geführt hat. [Eine Prothese ist ein Ersatz (das griechische Wort „Prothese“ meint wörtlich „Setzen für“, „Setzen anstelle von“). Die Mehrdeutigkeit ist demnach eine der sprachlichen Formen, durch welche die Abschließung zu einem Ganzen, zum „alle“, verhindert wird. Darüber hinaus ist vielleicht gemeint: Die Mehrdeutigkeit ist ein Ersatz für das sexuelle Verhältnis.] Lacan hat dies [im Encore-Seminar] durch die Äquivokation von deux (zwei) und d’eux (von ihnen) illustriert. [Deux (zwei) ist mit der Vorstellung des Paares und der komplementären Ganzheit verbunden und gehört insofern zur Ordnung des Imaginären und des „alle“; d’eux (von ihnen) bezieht sich, so könnte man vermuten, auf eine unbegrenzte Vielheit, auf ein „nicht-alle“.]
[Männer und Frauen haben demnach zwei unterschiedliche Beziehungen zur Sprache. Der Mann bezieht sich auf die Sprache unter dem Aspekt der „Idee des Signifikanten“, getragen von der Syntax, d.h. des geregelten Sprachsystems, das die Funktion hat, Sinn zu übermitteln; insofern sind Männer „alle“. Frauen beziehen sich auf die Sprache unter dem Aspekt von Lalangue und damit der Mehrdeutigkeit; insofern sind sie „nicht-alle“. Dies ist eine der Grundlagen dafür, dass für den Mann eine Frau keinen Sinn hat.]
[Der Gegensatz zwischen weiblicher Mehrdeutigkeit und männlicher Syntax erinnert an die Opposition von weiblichem Singen und männlicher Syntax in Hélène Cixous’ Das Lachen der Medusa (1975). Sie schreibt: „Im Wort der Frau wie in der Schrift hört nie auf mitzuklingen, was, weil es uns einst durchdrungen, unmerklich tief berührt hat, die Fähigkeit behält uns zu bestimmen, das Singen, die erste Musik, die der ersten Liebesstimme, die jede Frau lebendig bewahrt.“40 Wenn man Lalange statt mit der Prosodie (dem Singen) mit der Mehrdeutigkeit verbindet, ist man bei Lacans These. Einige Seiten später heißt es: „Die weibliche Mächtigkeit ist so beschaffen, dass die Frauen, die Syntax mit sich fortschwemmend und den berühmten Faden (ein ganz kleiner Faden nur, so sagen sie) verlierend, auf das Unmögliche zugehen werden – jenen Faden, der den Männern als Nabelschnurersatz dient damit sie sicher sind, sonst können sie nicht kommen, daß die alte Mutter noch immer hinter ihnen steht und ihnen beim Phallusspielen zuschaut.“41 Die Syntax wird hier mit dem Faden assoziiert, der den Männern als Nabelschnurersatz dient; eine der Bedeutungen dieser Faden-Metapher ist offenbar die Sprache in der Funktion, einen Sinn zu übermitteln, der sich als Faden durch das Gewebe zieht – durch die Textur, durch den Text – und dessen Einheit zu sichern scheint.– Auch in diesem Artikel bezieht Cixous sich übrigens auf Freuds Dora.]
[Das Reale in der Beziehung zwischen den Geschlechtern besteht demnach auch darin, dass sie „verschiedene Sprachen sprechen“, wie man sagt: Der Mann spricht eine Sprache, die von der Idee des Signifikanten (der Bedeutungsübermittlung) und der Syntax beherrscht wird, der Syntax als einer regelhaften Struktur, die der Sinnübermittlung dient; Frauen – nicht alle – sprechen eine Sprache, die zu Lalangue in Beziehung steht, zur Sprache der Mehrdeutigkeiten.]
Die Gerade im falschen Loch: der Phallus
Damit ist sind wir noch nicht bei der borromäischen Verkettung angelangt. [Die Bemerkungen über das Paar beziehen sich auf zwei Elemente, nicht auf drei.]
[Lacan wechselt jetzt unvermittelt die Darstellung der borromäischen Verkettung; zuvor bestand sie aus zwei Geraden, die durch einen Ring verknüpft waren, jetzt spricht er über zwei (elastische) Ringe, die durch eine Gerade miteinander verkettet sind.]
Eine borromäische Verkettung beruht darauf, dass es [im ersten Konstruktionsschritt durch die Verbindung von zwei Elementen] ein falsches Loch gibt [d.h. ein Loch, das durch Manipulation der Elemente (ohne Zerschneiden) zum Verschwinden gebracht werden kann].
Abb. 16: Falsches Loch zweier elastischer Ringe
In einem Kreis gibt es [im dreidimensionalen Raum] ein Loch; das hatte er zuvor betont [als er über den Unterschied von Kreis und Sphäre sprach – eine Sphäre hat kein Loch]. Zwei [elastische] Kreise [die in den dreidimensionalen Raum eingebettet sind] kann man so zusammenfügen, dass sie zusammen ein Loch bilden, das weder das Loch des einen noch das des anderen Kreises ist [Abbildung 16]. [Dieses Loch ist ein falsches Loch, d.h. ein Loch, das, ohne Zerschneiden, durch bloßes Manipulieren der Ringe zum Verschwinden gebracht werden kann.]
Abb. 17: Verwandlung des falschen Lochs in ein wahres Loch durch eine unendliche Gerade
Man kann jedoch etwas hinzufügen, eine unendliche Gerade (oder einen Kreis), die das falsche Loch durchquert und zwar so, dass dieses Loch „verifiziert“ wird [Abbildung 17]. [Durch die borromäische Verkettung mit einem dritten Element wird das falsche Loch zu einem wahren Loch, das heißt zu einem stabilen Loch, das durch bloße Verformung, ohne Zerschneiden, nicht beseitigt werden kann.– Man kann also drei Arten von Löchern unterscheiden: das irreduzible Loch in einem Kreis, der in den dreidimensionalen Raum eingebettet ist, dann das falsche (reduzierbare) Loch, das durch zwei weiche Kreise gebildet wird, und schließlich das irreduzible Loch zwischen zwei Kreisen, das dadurch entsteht, dass man ein falsches Loch in ein wahres Loch verwandelt hat.]
[Über das falsche Loch zweier Ringe, das durch eine unendliche Gerade in ein „wahres Loch“ verwandelt werden kann, hatte Lacan erstmals in der ersten Sitzung dieses Seminar gesprochen. Dort bezog sich das auf das Verhältnis zwischen dem Ring des Symbolischen und dem des Symptoms42, d.h. zwischen dem Verdrängten (dem Symbolischen als dem Unbewussten) und dem Symptom. Ein weiteres Mal hatte er über das falsche Loch in der zweiten Sitzung gesprochen, und auch hier wurde das falsche Loch durch das Symbolische und das Symptom gebildet. Anschließend hatte es geheißen, dass durch „deutende Manipulation“, also durch eine Manipulation, die sich auf den Sinn bezieht, am Symptom etwas verändert werden kann.43 Ein letztes Mal ging es in der Sitzung vom 10. Februar 1976 um das falsche Loch: zwei Ringe, die ein falsches Loch bilden, können – wie Soury und Thomé gezeigt haben – in einen Torus eingeschrieben werden; eine unendliche Gerade kann aus dem falschen Loch ein wahres Loch machen.44
Statt vom „wahren Loch“ spricht Lacan jetzt auch vom „realen Loch“. [Das Loch ist insofern real, als es nicht falsch ist, aber auch insofern, als die Bildung dieses Lochs auf der Intervention des Realen beruht. ]
{128} Zur Frage der Verwandlung eines falschen Lochs in ein wahres oder reales Loch verweist Lacan auf seinen Aufsatz Die Bedeutung des Phallus. Bereits in den ersten Zeilen wird dort der Knoten erwähnt, obwohl er sich damals noch nicht für den borromäischen Knoten interessiert hatte; man liest dort, der unbewusste Kastrationskomplex bilde einen „Knoten“. Jetzt sagt Lacan: Der Phallus [und damit der unbewusste Kastrationskomplex] hat die Funktion, das falsche Loch in ein wahres oder reales Loch zu verwandeln.
Insofern das Sinthom mit dem Symbolischen ein falsches Loch bildet, gibt es eine Praxis, die vom Sagen ausgeht, eine Sagekunst. [Auch hier bezieht Lacan, wie in den früheren Sitzungen, den Begriff des falschen Lochs auf das Verhältnis zwischen dem Symptom und dem Symbolischen, also gewissermaßen auf die Problemstellung der psychoanalytischen Praxis, die ja darin besteht, zwischen dem Symptom und dem Unbewussten eine Beziehung herzustellen.] Auf dieses falsche Loch bezieht sich eine Sagekunst (art-dire), die zur „Glut“ hinübergleitet (ardeur). [Mit dieser Sagekunst dürfte einerseits das deutende Sprechen des Psychoanalytikers in der Kur gemeint sein. Die Psychoanalyse ist eine Kunst des Sprechens, die darauf abzielt, auf das Symptom dadurch einzuwirken, dass eine Verbindung zwischen dem Symptom und dem Unbewussten (dem Symbolischen) hergestellt wird. Zwischen dem Symptom und dem Unbewussten gibt es jedoch zunächst ein „falsches Loch“. Die „Sagekunst“ ist aber wohl auch die eines Schreibkünstlers wie Joyce.]
[Die Sagekunst gleitet zur Glut hinüber, hier kommt offenbar das Begehren ins Spiel – klassiche Metaphern für das Begehren sind ja Feuer und Glut.]
Joyce wusste nicht, dass er das Sinthom bildete, d.h. dass er es simulierte; das war für ihn unbewusst. [Die Beziehung zwischen dem Sinthom und dem Unbewussten war Joyce nicht zugänglich. Möglicherweise soll damit umschrieben werden, dass es bei ihm zwischen beiden ein falsches Loch gab.]
[Inwiefern „simulierte“ Joyce das Sinthom? In der ersten Sitzung des Sinthom-Seminars heißt es: Da Joyce einen etwas laschen Schwanz hatte, leistete seine Kunst Ersatz für sein phallisches Gehabe.45 In derselben Sitzung fragt Lacan, inwiefern der Kunstgriff auf das abzielen kann, was sich zunächst als Symptom darstellt, und wie die Kunst, das Handwerk, das vereiteln kann, was sich vom Symptom her aufdrängt, nämlich die Wahrheit46, die unbewusste Wahrheit, das Verdrängte. Also besteht das Simulieren eines Sinthoms vielleicht darin, dass Joyce mit seiner Kunstfertigkeit Rätsel produziert (was dem Sinthom entspricht) und dass diese Rätsel vom Unbewussten abgekoppelt sind (was heißt, dass das Sinthom nur simuliert wird).]
Deshalb ist Joyce ein reiner Feuerwerker (artificier), ein Mann des Savoir-faire, d.h. jemand, den man einen Künstler (artiste) nennt. [Mit dem französischen Wort artificier (Feuerwerker) spielt Lacan an auf den englischen Ausdruck artificer (Schöpfer, Artifex), den Joyce im letzten Satz von Ein Porträt des Künstlers als junger Mann verwendet: „Old father, old artificer, stand me now and ever in good stead.“ Diesen Satz hatte Lacan in der Sitzung vom 13. Januar 1976 zitiert.]
Das einzige Reale, durch das etwas verifiziert wird, ist der Phallus, insofern der Phallus der Träger einer bestimmten Signifikantenfunktion ist, nämlich dass der Signifikant jedes Signifikat erschafft. [Das falsche Loch wird also durch das Symbolische (das Unbewusste) und das Sinthom gebildet; die unendliche Gerade, die das falsche Loch in ein wahres Loch verwandelt, entspricht dem Realen bzw. dem Phallus.]
[In welchem Sinne ist der Phallus, der doch ein Signifikant ist, etwas Reales? Insofern vielleicht, als er sich letztlich darauf bezieht, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt; dies ist Gegenstand der sogenannten Formeln der Sexuierung und darin der „phallischen Funktion“.]
[Der Phallus hat die Funktion, zu bezeichnen, dass der Signifikant die Gesamtheit der Signifikatswirkungen erschafft. Dies ist die Hauptthese des Aufsatzes Die Bedeutung des Phallus, wo es heißt: Der Phallus „ist der Signifikant, der dazu bestimmt ist, die Signifikatseffekte in ihrer Gesamtheit zu bezeichnen, soweit der Signifikant sie durch seine Anwesenheit als Signifikant bedingt.“47 In Die Bedeutung des Phallus wird dies damit erläutert, dass der Phallus sich auf das Urverdrängte bezieht, also auf das, was die Verdrängung hervorruft, was aber auch in einer Psychoanalyse nicht in Erinnerung gerufen werden kann. Signifikate sind verdrängte Signifikanten. Als urverdrängter Signifikant erzeugt der Phallus die Verdrängung und damit den Signifikatseffekt.]
[? Was hat die Funktion des Phallus, die Signifikatseffekte des Signifikanten zu bezeichnen, mit dem Realen zu tun?]
Es ist notwendig, dass es nur den Phallus gibt, um das Reale zu verifizieren. [Das heißt wohl: Nur der Phallus kann das falsche Loch durch Verbindung mit dem Realen in ein wahres Loch verwandeln.]
[Die ironische obszöne Konnotation ist unüberhörbar: Beim borromäischen Knoten geht es darum, dass der Phallus in ein falsches Loch gestopft wird, wodurch es in ein wahres Loch verwandelt wird. Womit vielleicht nahegelegt werden soll, dass die Sprechkunst des Analytikers zeigt, dass selbst noch der heterosexuelle genitale Akt dadurch bestimmt, dass das Unbewusste und das Symptom durch die Kastration zusammengehalten werden.]
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ZUSAMMENSTELLUNG ZU SYMPTOM/SINTHOM
Im Folgenden werden alle Stellen aufgeführt, an denen Lacan die Ausdrücke „Symptom“ oder „Sinthom“ verwendet.
Verwendung von „Symptom“ und „Sinthom“
In dieser Sitzung verwendet Lacan dreimal den Ausdruck „sinthome“, nie den Ausdruck „symptôme“.
Joyce: das Sinthom statt des Realen
„Ist es denn aber sicher, dass es immer das Reale ist, was darin verwickelt ist? Ich habe behauptet, im Falle von Joyce sind es eher die Idee und das Sinthom, wie ich es nenne.“ (vgl. Miller/ Mitelman/Dielmann S. 126)
Bei Joyce ist nicht das Reale beteiligt, sondern die Idee (das Imaginäre) und das Sinthom. Hier bezieht sich der Ausdruck „Sinthom“ speziell auf Joyce.
Das Sinthom bildet ein falsches Loch mit dem Symbolischen
„Insofern das Sinthom ein falsches Loch mit dem Symbolischen bildet, gibt es überhaupt eine Praxis, das heißt etwas, das in den Bereich des Sagens gehört, in den Bereich dessen, was ich hierbei auch l’art-dire nennen möchte, die Sagekunst, um sogar bis zur l’ardeur zu gleiten, bis zur Glut.“ (vgl. Miller/Mitelman/Dielmann S. 128)
Hier wird dar Terminus „Sinthom“ allgemein verwendet, ohne Bezug auf Joyce.
In der Sitzung vom 18. November 1975 hatte es geheißen, das falsche Loch werde durch das „Symptom“ und das Symbolische gebildet (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 23), in der Sitzung vom 9. Dezember sprach Lacan ebenfalls vom falschen Loch zwischen dem „Symptom“ und dem Symbolischen. Es ist nicht zu erkennen, warum Lacan jetzt vom falschen Loch zwischen dem „Sinthom“ und dem Symbol spricht. Das spricht dafür, dass er die Ausdrücke synonym verwendet.
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OFFENE FRAGEN
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Mitelman und Dielmann.
Hauptfragen
Wenn die drei Ringe nur gefärbt, nicht aber orientiert sind, kann man die beiden Darstellungen durch eine bestimmte Manipulation ineinander überführen (vgl. 118, 120). Ich habe diese Manipulation nicht nachvollziehen können. Wie läuft sie ab?
Die dargestellten borromäischen Verkettungen aus zwei gefärbten Ringen und einem orientierten Ring sind zwei unterschiedliche Arten der Verkettung (vgl. 125). Woran sieht man, dass es sich bei den Bildern 1 und 3 um zwei unterschiedliche Arten der Verkettung handelt? Dazu müsste gezeigt werden, dass man den Verlauf „Blau unter Rot über Grün“ bei konstanter Orientierung des Kreises nicht durch Manipulation in „Blau über Rot unter Grün“ verwandeln kann. Wie kann man zeigen, dass eine solche Manipulation nicht möglich ist?
Weitere Fragen
Eine bestimmte Schauspielerin, die eine Hysterikerin spielt, ist nicht die beste Hysterikerin, eine andere, die keine Hysterikerin spielt, ist die bessere Hysterikerin, zeigt aber nicht ihre Hysterikertugenden (vgl. 114). Was sind Hysterikertugenden? Was sind Hysterikertugenden? Meint Lacan hier das Wissenwollen? Was hat es mit der Verschiebung auf sich, dass die die schlechtere Hysterikerin eine Hysterikerin spielt, und zwar nicht schlecht, und dass bessere Hysterikerin eine Person darstellt, die keine Hysterikerin ist? Was meint „Realität der Wiederholungen“ und inwiefern beherrscht sie die Schauspieler?
Wenn man die „Sphäre umklappt, erhält man eine entgegengesetzte Anordnung (vgl. 120). Lacan spricht hier vom Umklappen der „Sphäre“ und meint damit einen Ring – warum sagt er „Sphäre“? Bezieht er sich an dieser Stelle nicht auf borromäische Ringe mit unendlichen Geraden, sondern auf die Darstellung der borromäischen Verkettung als Armillarsphäre?
Bezogen auf die Armillarphäre wählt Lacan ein „Achtel“ davon aus (vgl. 118). Was ist damit gemeint?
Die knotenhafte Erscheinung macht aus dem Realen die Versicherung (vgl. 122). Was meint hier „Versicherung“ (assurance)?
Das von der Evidenz ausgehende Blabla realisiert eine Entleerung, unter der Bedingung, sie „auf bedeutsame Weise“ (significativement) zu realisieren (vgl. 122). Was ist hier mit „bedeutsam“ gemeint? Der Bezug auf Signifikanten oder auf Signifikate?
Die Topologie ist auf die Verkettung zu gründen (vgl. 122). Inwiefern ist die Topologie auf die Verkettung zu gründen?
Von wo aus sollte man einer unendlichen Geraden eine Orientierung geben? (Vgl. 124) Warum können unendliche Geraden nicht orientiert sein?
Das einzige Reale, durch das irgendetwas realisiert wird, ist der Phallus, insofern der Phallus der Träger der Funktion des Signifikanten ist, das Signifikat zu erschaffen (vgl. 128). Was hat die Funktion des Phallus, die Signifikatseffekte des Signifikanten zu bezeichnen, mit dem Realen zu tun?
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LITERATURVERZEICHNIS
Lacan, Sinthom-Seminar
Version ALI
Herausgegeben von der Association Freudienne Internationale, 2001 umbenannt in Association Lacanienne Internationale.
Als PDF auf der Internetseite der ELP, hier. S. 212–380.
Version Miller 2005
Jacques Lacan: Le séminaire, livre XXIII. Le sinthome. 1975-1976. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2005
Version Miller/Mitelman/Dielmann
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017
Version Miller/Price
Jacques Lacan: The Sinthome. The seminar of Jacques Lacan, Book XXIII. Edited by Jacques-Alain Miller, translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2016
Version NN
Lacan: Le sinthome. Wort-für-Wort-Transkription eines anonymen Herausgebers, ohne Ort, ohne Jahr. Schreibmaschine, durch Fotokopien verbreitet. Auf diese Version bezieht sich Max Kleiners Übersetzung, linke Spalte.
Version NN/Kleiner und Version Miller 1976-77/Kleiner
Le sinthom. 1975 - 1976. Seminar XXIII von Jacques Lacan. Übersetzt von Max Kleiner. Herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007
Der Text enthält zwei Übersetzungen. Das Layout ist dreispaltig. Erste Spalte: Übersetzung der Transkription eines anonymen Herausgebers (=Version NN/Kleiner), zweite Spalte: Übersetzung der Version Miller 1976/77, dritte Spalte: Anmerkungen des Übersetzers. Zu bestellen beim Lacan-Archiv Bregenz; für 20 Euro erhält man eine PDF-Datei.
Version Staferla
Jacques Lacan: Le sinthome. 1975 — 76. Wort-für-Wort-Transkription, herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr, ohne Ort. Diese Transkription wird von Zeit zu Zeit überarbeitet, es gibt also mehrere Varianten der Staferla-Version. Für diesen Kommentar wurde die Variante vom 28.6.2013 verwendet; man findet sie hier.
Version Staferla/Nemitz
Jacques Lacan: Das Sinthom. Seminar 23 von 1975/76. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, 2019, hier
Version Stenotypie ELP
Jacques Lacan: Le sinthome. Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier
Lacan, weitere Texte
La signification du phallus. In: Ders.: Écrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 685-695.– Die Bedeutung des Phallus. In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204
Lituraterre. In: Littérature, Nr. 3, Oktober 1971, S. 3–10.– In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2005, S. 11–20.– Eine deutsche Übersetzung von Rolf Nemitz findet man auf Lacan entziffern hier.
Seminare
Seminar 1 = Le séminaire, Livre I. Les écrits techniques de Freud. 1953–1954. Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1975.– Das Seminar, Buch I (1953/54). Freuds technische Schriften. Übersetzt von Werner Hamacher. Walter, Olten u.a. 1978
Seminar 9 = L’identification. 1961–62. Herausgegeben von der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Versionen JL, rue CB und Roussan. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 11 = Le séminaire, livre XI. Les quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse. 1964. Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1973.– Das Seminar, Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Walter, Olten u.a. 1978
Seminar 12 = Problèmes cruciaux pour la psychanalyse. 1964–65. Herausgegeben von der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Versionen ELP, Lecat und Roussan. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 17 = Le séminare, livre XVII. L’envers de la psychanalyse. 1969–1970. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1991
Seminar 18 = Le séminaire, livre XVIII. D’un discours qui ne serait pas du semblant. 1971. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2007.– dt.: Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, hier
Seminar 19 = Le séminare, livre XIX. … ou pire. 1971–1972. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2011.– dt.: … oder schlimmer. Teilübersetzung von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, hier
Seminar 20 = Le séminaire, livre XX. Encore. 1972–1973. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1975.– Encore. Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger, nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1986
Seminar 21 = Les non-dupes errent. 1973–74. Hg. v. der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage einer Tonaufnahme sowie der Transkriptionen auf den Websites Lutecium und Gaogoa. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 22 = RSI. 1974–75. Hg. v. der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Tonaufnahme auf der Website von Patrick Valas und den Transkriptionen von Chollet und Gaonach. Ohne Ort, ohne Jahr.– Seminar XXII. RSI. 1974–75. Übersetzt von Max Kleiner auf der Grundlage einer von Jacques-Alain Miller erstellten vorläufigen Version. Herausgegeben vom Lacan-Archiv Bregenz 2012
Andere Autoren
Cixous, Hélène: La déroute du sujet, ou le voyage imaginaire de Dora. In: Littérature, Nr. 3, Oktober 1971, S. 79–85
---: Le rire de la Méduse. In: L’Arc, 26. Jg. (1975), S. 39–54.– Das Lachen der Medusa (1975). Übersetzt von Claudia Simma. In: Esther Hutfless, Gertrude Postl, Elisabeth Schäfer (Hg.): Hélène Cixous: Das Lachen der Medusa, zusammen mit aktuellen Beiträgen. Passagen, Wien 2013, S. S. 39–61
---: Portrait de Dora. Des Femmes, Paris 1976
Freud, Sigmund: Bruchstück einer Hysterie-Analyse (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 83–186
Joyce, James: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968. – Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übersetzt von Klaus Reichert. In: J. Joyce: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–533
Livius, Titus: Ab urbe condita.– Römische Geschichte – Von der Gründung der Stadt an. Übersetzt von Otto Güthling. Hg. v. Lenelotte Möller. Marixverlag, Wiesbaden 2009
Miller, Jacques-Alain: Nachwort, in dem eins zum anderen führt. In: J. Lacan: Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 226–284
Milner, Jean-Claude: Écoles de Cambridge et de Pennsylvanie: deux théories de la transformation. In: Ders.: Arguments linguistiques. Maison Mame, Paris 1973, S. 179–217
Riviere, Joan: Womanliness as a masquerade. In: The International Journal of Psycho-Analysis, 10. Jg. (1929), S. 303–313.– Weiblichkeit als Maske. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 15. Jg. (1929), S. 285–296 (der Name des Übersetzers wird hier nicht angegeben).– Weiblichkeit als Maskerade. Übersetzt von Ursula Rieth. In: Liliane Weissberg (Hg.): Weiblichkeit als Maskerade. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1994, S. 34–47
Roudinesco, Elisabeth: Jacques Lacan. Bericht über ein Leben, Geschichte eines Denksystems. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996
Verwandte Beiträge
- „Das Sinthom“ entziffern – Kommentare zu den einzelnen Sitzungen
- „Das Sinthom“ entziffern – Gesamtüberblick
- Über Knoten
Anmerkungen
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Vgl. Littérature Nr. 3, Oktober 1971; der Aufsatz von Cixous über Dora hat den Titel La déroute du sujet, ou le voyage imaginaire de Dora, S. 79–85; Lacans Lituraterre steht in diesem Heft auf den Seiten 3–10. Eine deutsche Übersetzung von Rolf Nemitz findet man in Lacan entziffern hier.
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Hélène Cixous: Portrait de Dora (Theaterstück). Des Femmes, Paris 1976. Die deutsche Übersetzung heißt Dora. Eine englische Übersetzung von Anita Barrows (Titel: Portrait of Dora) gibt es in der Gambit International Theatre Review, 8 (30) 1977, S. 27–67, im Internet hier.
Die Uraufführung war am 26. Februar 1976 im Théâtre d’Orsay, also nach der vorangegangenen Sitzung von Lacans Seminar, knapp zwei Wochen vor der laufenden Seminarsitzung. Regie: Simone Benmussa; Produktion: Compagnie Barrault-Renaud. Mit Nathalie Nell als Dora, Michelle Marquais als Frau K. und Lucien Rosengart als Freud. In dieser Inszenierung wurden Filmszenen von Marguerite Duras gezeigt.
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S. Freud: Bruchstück einer Hysterie-Analyse (1905). Der wirkliche Name der Patientin ist Ida Bauer.
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Eine borromäische Verkettung kann in einen Dreierknoten (bzw. Kleeblattknoten) verwandelt werden.
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Der in der Knotentheorie übliche Terminus für diese Art der Verkettung ist Hopf-Verschlingung oder Hopf-Link.
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Die Darstellung ist projektiv, da zwei der Ringe durch unendliche Geraden dargestellt werden, und da sich das auf die projektive Geometrie stützt, für die gilt, dass eine unendliche Gerade einem Kreis äquivalent ist.
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Eine Sphäre ist eine Kugeloberfläche und damit ein zweidimensionaler Gegenstand, im Unterschied zur dreidimensionalen Kugel.
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Mit Salvador Dalí traf sich Lacan bei der USA-Reise Anfang Dezember 1975 in New York, bei dieser Gelegenheit sprach er mit ihm über die borromäischen Ringe; vgl. Elisabeth Roudinesco: Jacques Lacan. Bericht über ein Leben, Geschichte eines Denksystems. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996, S. 557, sowie das Foto von Lacan und Dalí zwischen den Seiten 544 und 545.
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Die drei Ebenen werden üblicherweise als transversal, sagittal und frontal unterschieden.
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Lacan bezieht sich hier auf eine von Titus Livius erzählte Episode des Dritten Römisch-Makedonischen Krieges (171–168 v. Chr.). Nach einem Sieg Roms ging im Jahre 169 v. Chr. der römische Politiker Gaius Popillius Laenas nach Alexandria, um den Seleukidenkönig Antiochus IV. ein Ultimatum zu überreichen, das den sofortigen Abzug aus Ägypten verlangte. Als Antiochus sagte, er wolle sich zunächst mit seinen Freunden beraten, zeichnete Popillius mit einem Stock um Antiochus einen Kreis in den Sand und forderte ihn auf, den Kreis erst dann zu verlassen, wenn er ihm eine Antwort gegeben hatte, die er dem Senat berichten könne. Über diese entschiedene Aufforderung erstaunt, zögerte Antiochus zunächst und sagte schließlich, er wolle tun, was der Senat von ihm verlange. (Ab urbe condita (Römische Geschichte), Buch 45, Kapitel 12)
Mehr hierzu findet man in: Jacques-Alain Miller: Nachwort, in dem eins zum anderen führt. In: J. Lacan: Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 226–284, darin § 12, „Der Kreis des Popilius“, S. 251–257.
Auf den Kreis des Popillius hatte Lacan bereits in L’étourdit (1972) verwiesen (vgl. J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 449–496, hier: S. 472 (der Name wird dort „Popilius“ geschrieben).
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Lacan bezieht sich hier auf die sogenannten Formeln der Sexuierung, die er in den Seminaren 18 bis 21 und in dem Aufsatz L’étourdit (1972) ausgearbeitet hatte und in denen Frauen durch den Quantor pas-toute charakterisiert werden, „nicht-alle“.
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Wortspiel mit der Lautähnlichkeit von évidement (Entleerung) und évidemment (offensichtlich).
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Lacan verwendet das seltene Wort fallace hier vielleicht wegen der Lautähnlichkeit mit phallus.
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Nur unter der Bedingung, dass die beiden unendlichen Geraden nicht direkt miteinander verkettet sind (keine Hopf-Verschlingung bilden), können sie Elemente einer borromäischen Verkettung sein. Man muss eine weitere Bedingung hinzufügen: Sie dürfen sich auch nicht berühren, sie dürfen keinen gemeinsamen Punkt haben.
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Gérard Desargues (1591-1661), einer der Begründer der projektiven Geometrie.
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In Seminar 22, RSI, hatte Lacan immer wieder auf Desargues Konzeption hingewiesen, dass die unendliche Gerade als Kreis aufzufassen ist; vgl. Sitzungen vom 10. Dezember 1974, vom 11. März 1975, vom 8. April 1975 und vom 13. Mai 1975.
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Diese Mehrdeutigkeit gibt es auch im Deutschen, nur weniger ausgeprägt, man denke an den „Uhrzeigersinn“.
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Lacan stützt sich auf die Unterscheidung zwischen dem Sehen und dem Blick als Objekt a, die er in den Seminaren 11 und 13 ausgearbeitet hatte. Vgl. in Seminar 11 (1964), Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, die Sitzungen vom 19. Februar 1964 bis zum 11. März 1964, und in Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse (1965/66), Sitzungen vom 4. Mai 1966 bis zum 25. Mai 1966, Übersetzung hier.
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Die Menge der Frauen – Lacan bringt hier wieder den Begriff der „Menge“ (im Sinne der Mengenlehre) im Gegensatz zum alle ins Spiel.
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Wortspiele mit deux/d’eux findet man in L’étourdit (Autres écrits, a.a.O., S. 490) sowie mehrfach in Seminar 20 (in den Sitzungen vom 21. November 1972, vom 13. März 1973 und vom 15. Mai 1973).
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Das falsche Loch wird zum wahren Loch; das falsche Loch kann durch Manipulation der Verkettung zum Verschwinden gebracht werden, das wahre Loch nicht.
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In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204, Vortrag von 1958, der 1966 veröffentlicht wurde.
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Der Aufsatz beginnt mit dem Satz: „Man weiß, dass der unbewusste Kastrationskomplex die Funktion eines Knotens hat […].“ (J. Lacan: Die Bedeutung des Phallus. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204, hier: S. 192)
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Der Ausdruck „gleiten“ bezieht sich auf den durch die Lautähnlichkeit ermöglichten Übergang von l’art-dire (die Sagekunst) zu l’ardeur (die Glut).
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Mit dem französischen Ausdruck artificier (Feuerwerker) spielt Lacan an auf den englischen Terminus artificer (Schöpfer, Artifex) im letzten Satz von Joyces Ein Porträt des Künstlers als junger Mann:
„Old father, old artificer, stand me now and ever in good stead.“
(James Joyce: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. The Viking Critical Library, New York 1968, S. 253)
Reichert übersetzt:
„Urvater, uralter Artifex, steh hinter mir, jetzt und immerdar.“
(Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. In: Ders.: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übertragen von Klaus Reichert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–533, hier: S. 533)
Lacan hatte diesen Satz im Sinthom-Seminar in der Sitzung vom 13. Januar 1976 zitiert; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 72
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Vgl. etwa Seminar 1, Sitzung vom 24. Februar 1954, Version Miller/Hamacher, S. 113.
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Seminar 23, Sitzung vom 9. Dezember 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 32.
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Vgl. in Seminar 22 die Sitzungen vom 11. März, 18. März und 13. Mai 1975.
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Seminar 23, Sitzung vom 18. November 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 17.
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Seminar 20, Sitzung vom 20. März 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 97.
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Joan Riviere: Womanliness as a masquerade. In: The International Journal of Psycho-Analysis, 10. Jg. (1929), S. 303–313. Es gibt zwei deutsche Übersetzungen: Weiblichkeit als Maske. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 15. Jg. (1929), S. 285–296 (der Name des Übersetzers wird hier nicht genannt); Weiblichkeit als Maskerade. Übersetzt von Ursula Rieth. In: Liliane Weissberg (Hg.): Weiblichkeit als Maskerade. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1994, S. 34–47.
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Die These „Das Reale ist das Unmögliche“ wird von Lacan zuerst vorgebracht in Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, Sitzungen vom 14. März und vom 21. März 1962 (vgl. in Lacan entziffern den Artikel „Das Reale ist das Unmögliche“). In jedem der folgenden Seminare kommt er darauf zurück, bis einschließlich Seminar 24. Die genaue Formulierung „le réel c’est l’impossible“ findet man erstmals in Seminar 12 von 1964/65, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse (Sitzung vom 16. Juni 1965).
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Vgl. Seminar 20, Sitzung vom 10. April 1973. Milners Vortrag findet man in der Staferla-Version von Seminar 20. In Millers Version des Seminars und in der deutschen Übersetzung ist der Vortrag nicht enthalten; Miller verweist hier auf Jean-Claude Milner: Arguments linguistiques. Maison Mame, Paris 1973, S. 179–217, „Écoles de Cambridge et de Pennsylvanie: deux théories de la transformation“.
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Hélène Cixous: Le rire de la Méduse. In: L’Arc, 26. Jg. (1975), S. 39–54.– Das Lachen der Medusa. Übersetzt von Claudia Simma. In: Esther Hutfless, Gertrude Postl, Elisabeth Schäfer (Hg.): Hélène Cixous: Das Lachen der Medusa, zusammen mit aktuellen Beiträgen. Passagen, Wien 2013, S. 39–61, hier: S. 45 f.
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Seminar 23, Sitzung vom 18. November 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 24 (dort mit „echtes Loch“ übersetzt).
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 9. Dezember 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 41 (dort mit „interpretative Manipulation“ übersetzt).
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 10. Februar 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 87 f.
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 18. November 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 14 (dort mit „schlaffer Schwanz“ übersetzt).
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Sitzung vom 18. November 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 23.