Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom
VII. Zur Sitzung vom 17. Februar 1976
Bernhard Strigel: Die Verkündigung der Maria an die Heilige Anna,
Öl auf Holz, 58 x 30 cm, ca. 1505-1510. Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza
(Ausschnitt, vollständiges Bild hier)
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, „Das Sinthom“
Jacques Lacan: Seminar 23 von 1975/76: Le sinthome / Das Sinthom
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
ab März 2013
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Sitzung vom 17. Februar 1976
Zweite Fassung vom 4. März 2019. Die erste Fassung erschien am 15. Juli 2015.
Wichtigste Änderungen:
(a) Auf der Grundlage der Übersetzung von Max Kleiner wurde eine neue Übersetzung erstellt.
(b) Die „Paraphrase mit Ergänzungen und Fragen“ wurde stark überarbeitet. Besonders wichtig war hierbei die Erläuterung dieser Sitzung im Kommentar zum Sinthom-Seminar von Christian Fierens, Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018.
(c) Seitenverweise auf die inzwischen erschienene offizielle Übersetzung wurden eingefügt (J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung von Jacques-Alain Miller, übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017).
In der von Miller erstellten Version ist dies VI. Joyce et les paroles imposées, S. 91–102, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann VI. Joyce und die aufgezwungenen Worte, S. 97–110.
17. und 18. Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
am 25. November und 16. Dezember 2014
in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin
QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– eine Übersetzungen von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der Staferla-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern).
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ZUR NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Homophonien und Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
TONAUFNAHMEN
Die Aufnahmen sind von der Website von Patrick Valas, hier
Version Lutecium:
Version Ducan & Valas:
DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
{97} Ich hatte eine Hoffnung – und stellen Sie sich nicht vor, dass es sich um Koketterie handelt, um eine Kitzelei, etwas in der Art , ich hatte eine Hoffnung. Ich hatte meine Hoffnung darein gesetzt, dass Ferien sind. Viele verreisen, das stimmt, bei meiner Klientel ist das auffallend, aber hier ist das nicht so. Ich meine, dass ich die Türen immer noch genauso verstopft sehe; und um es deutlich zu sagen, ich hatte gehofft, der Raum hätte sich gelichtet. Wodurch ich – und außerdem, all das, all das regt mich auf, weil das wirklich kein guter Ton ist –, wodurch ich gehofft hatte, zu einem vertrauteren Umgang übergehen zu können, mich hinzustellen inmitten von –, ich weiß nicht, wenn der Sall nur zur Hälfte gefüllt wäre, das wäre besser. Es wird nötig sein, dass ich in einen Hörsaal mit ansteigenden Sitzreihen zurückkehre, in Hörsaal 3, wenn ich mich recht erinnere, dann kann ich wieder auf eine Weise sprechen, die ein klein bisschen intimer ist.
Trotzdem wäre es nett, wenn ich erreichen könnte, dass man mir antwortet, dass man mitarbeitet, dass man Interesse zeigt. Es scheint mir schwierig zu sein, sich für das zu interessieren, was letztlich –, für das, was zu einer recherche wird, zu einer Forschung. Ich meine, dass ich anfange, das zu tun, was das Wort recherche beinhaltet: sich im Kreise drehen.
Es gab eine Zeit, in der ich so ein bisschen herumposaunte; da sagte ich wie Picasso, denn das ist nicht von mir: „ich suche nicht, ich finde“, aber jetzt fällt es mir schwerer, mir einen Weg zu bahnen.
{98} Gut, ich werde jetzt dennoch auf das zurückkommen, was Sie, wie ich annehme – das ist eine reine Annahme, ich bin aufs Annehmen zurückgeworfen –, was Sie, so nehmne ich an, beim letzten Mal verstanden haben, und um zum Kern der Sache zu kommen, illustriere ich das.
Dreierknoten oder Kleeblattknoten
Hier ist ein Knoten.
Borromäische Verkettung von drei Ringen mit eingetragenem Dreierknoten
Also das ist der Knoten, der sich von etwas herleitet, was kein Knoten ist, denn der borromäische Knoten hat, im Gegensatz zu seinem Namen, der wie alle Namen einen Sinn reflektiert, er hat den Sinn, der es ermöglicht, in der Verkettung, in der borromäischen Verkettung, irgendwo den Sinn zu verorten.
Umwandlung einer borromäischen Verkettung von drei Ringen in einen Dreierknoten
R = Reales, S = Symbolisches, I = Imaginäres1
Wenn wir dieses Element der Verkettung das Imaginäre nennen, das andere das Reale und das hier das Symbolische, dann ist sicher, dass der Sinn hier sein wird. Etwas Besseres können wir nicht erhoffen, wir können nicht hoffen, ihn anderswo zu platzieren, da wir in allem, was wir denken, darauf beschränkt sind, es zu imaginieren. Allerdings denken wir nicht ohne Worte, im Gegensatz zu dem, was Psychologen, die der Würzburger Schule, behauptet haben.
Gut, Sie sehen, ich bin etwas enttäuscht, und ich habe Mühe, in Gang zu kommen. Also, ich werde jetzt zum Kern der Sache kommen und sagen, was dem, was einen Knoten bildet, zustoßen kann.
Für das, was einen Knoten bildet, das heißt als Minimum den Dreierknoten, der, mit dem ich mich begnüge, da dies der Knoten ist, der sich daraus herleitet, dass die drei Ringe, die Schnur-Ringe – da ich früher dieses Bild vorgebracht hatte –, die Schnur-Ringe des Imaginären und des Realen und des Symbolischen, nun, es ist klar, dass sie einen Knoten bilden. Dass sie Knoten bilden, heißt, dass sie sich nicht damit begnügen, eine Reihe von eingekeilten Feldern isolieren zu können, determinieren zu können, von Orten, wo man sich, wenn man den Finger hineinsteckt, einklemmt. Auch in einem Knoten klemmt man sich ein, nur ist der Knoten von anderer Natur.
links: echter Dreierknoten, rechts: falscher Dreierknoten
Entfaltung des falschen Dreierknotens
Also, wenn Sie sich recht erinnern – natürlich erhoffe ich mir nicht so viel –, wenn Sie sich recht erinnern, habe ich letztes Mal die folgende Bemerkung vorgebracht, eine Bemerkung, die sich nicht von selbst versteht: Es genügt, dass es im Dreierknoten irgendwo einen Fehler gibt, nehmen Sie beispielsweise an, dass dies, statt hier unten durch zu laufen, oben drüber läuft, gut, es genügt, das zu tun – sicherlich versteht sich das von selbst, jeder weiß ja, |{99} dass es keinen Zweierknoten gibt –, es genügt also, dass es irgendwo einen Fehler gibt, damit sich das hier – ich denke, das springt Ihnen in die Augen – auf einen einzigen Ring reduziert.
Das versteht sich keineswegs von selbst, denn wenn Sie zum Beispiel den Fünferknoten nehmen, den da –; da es einen Viererknoten gibt, der bekannt ist und Listing-Knoten heißt, habe ich den da, verrückte Idee, Lacan-Knoten genannt. Das ist tatsächlich derjenige, der am besten passt – aber ich werde Ihnen das ein anderes Mal erzählen –, das ist tatsächlich derjenige, der am besten passt.
Ja, das ist wirklich beeindruckend, wie man jedes Mal, wenn man einen Knoten zeichnet, Gefahr läuft, sich zu irren; vorhin, als ich diese Sachen zeichnete, um sie Ihnen vorzustellen, hatte ich |{100} mit etwas Ähnlichem zu schaffen – wodurch Gloria gezwungen war, hier ein Stück einzusetzen –, mit etwas Ähnlichem, denn wenn man so zeichnet, irrt man sich.
Knoten mit fünf Überkreuzungen („Lacan-Knoten“)
Also, wenn Sie sich bei diesem Knoten [mit fünf Überkreuzungen] an einem dieser beiden Punkte irren, ist es genauso wie beim Dreierknoten: das Ganze wird freigesetzt, hier ist manifest, dass das nur einen Ring bildet. Wenn Sie sich hingegen an einem dieser [anderen] drei Punkte irren, können Sie feststellen, dass das als Knoten bestehen bleibt, also dass es ein Dreierknoten bleibt. Damit möchte ich Ihnen sagen, dass es sich nicht von selbst versteht, dass sich dann, wenn man sich an einem Punkt eines Knotens irrt, dass sich dann der ganze Knoten in Luft auflöst, wenn ich mich so ausdrücken darf.
Echte (links) und falsche borromäische Verkettung von drei Ringen
Gut, also letztes Mal habe ich Folgendes gesagt, als Anspielung darauf, dass das Symptom – das ich in diesem Jahr „Sinthom“ genannt habe –, dass das Sinthom das ist, was beim Borromäer, bei der borromäischen Verkettung das ist, was es bei dieser borromäischen Verkettung ermöglicht, wenn wir keine Verkettung mehr daraus machen, das heißt, wenn wir hier das machen, was ich einen Fehler genannt habe, hier und auch hier, das heißt zugleich, wenn das Symbolische sich freisetzt, wie ich das letzte Mal ja angemerkt habe, also dann haben wir ein Mittel, das zu reparieren, nämlich das zu machen, was ich zum ersten Mal als das Sinthom definiert habe, nämlich dieses Etwas, das es dem Symbolischen, dem Imaginären und dem Realen ermöglicht, weiter zusammenzuhalten, obwohl da, aufgrund von zwei Fehlern, keiner mehr mit dem anderen zusammenhält.
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Σ: Ring des Sinthoms
{101} Ich habe mir erlaubt, das Sinthom nicht etwa als das zu definieren, was es dem Dreierknoten ermöglicht, weiterhin einen Dreierknoten zu bilden, sondern als das, was ihn in einer Position hält, in der er so aussieht, als würde er einen Dreierknoten bilden. Das ist also das, was ich beim letzten Mal ganz behutsam vorgebracht habe.
Und ich rufe Ihnen das nebenbei in Erinnerung, ich habe gedacht – machen Sie mit meinem Denken, was Sie wollen –, ich habe gedacht, das sei der Schlüssel für das, was Joyce zugestoßen ist.
Dass Joyce ein Symptom hat, das von dem ausgeht, dass sein Vater ausfiel, dass er radikal ausfiel, er spricht nur davon.
Ich habe die Sache um den Namen herum zentriert, um den Eigennamen, und ich habe gedacht – machen Sie aus diesem Gedanken, was Sie wollen –, und ich habe gedacht, dass Joyce damit, dass er einen Namen für sich wollte, für das Ausfallen des Vaters eine Kompensation vorgenommen hat.
Das ist zumindest das, was ich gesagt habe, da ich’s nicht besser sagen konnte. Ich werde versuchen, das auf präzisere Weise zu artikulieren.
Es ist jedoch klar, dass Joyces Kunst etwas so Besonderes ist, dass der Ausdruck „Sinthom“ wirklich das ist, was ihr angemessen ist.
Es ist nun so, dass am Freitag, bei meiner Vorstellung von etwas, das man im Allgemeinen als Fall ansieht, sicherlich als Fall von Wahnsinn, als Fall von Wahnsinn, der mit dem Sinthom aufgezwungene Worte begonnen hat –.
So zumindest artikuliert der Patient selbst jenes Etwas, das mir in der Ordnung einer Artikulation, die ich lacanianisch nennen kann, ganz und gar vernünftig zu sein scheint.
Wie kommt es, dass wir nicht alle spüren, dass Worte, von denen wir abhängen, uns in gewisser Weise aufgezwungen sind? Eben darin geht jemand, den man als Kranken bezeichnet, manchmal weiter als jemand, den man als normalen Menschen bezeichnet. Die Frage ist eher, warum ein normaler Mensch, ein sogenannter Normaler, nicht bemerkt, dass das Sprechen ein Parasit ist, dass das Sprechen ein Furnier ist, dass das Sprechen die Art von Krebs ist, von der das |{102} Menschenwesen befallen ist. Wieso gibt es einige, die so weit gehen, dass sie es spüren?
Gewiss ist es so, dass Joyce hierzu in uns einen kleinen Verdacht erweckt. Ich meine, dass ich letztes Mal nicht über seine Tochter gesprochen habe, Lucia – denn er hat seinen Kindern ja italienische Namen gegeben –, ich habe nicht über seine Tochter Lucia gesprochen, in der Absicht, nicht in das zu verfallen, was man Histörchen nennen kann. Die Tochter, Lucia, lebt noch. Sie ist in einer psychiatrischen Einrichtung in England, sie ist das, was man für gewöhnlich eine Schizophrene nennt.
Bei meiner letzten Fallvorstellung kam mir die Sache jedoch wieder in Erinnerung, da der Fall, den ich vorstellte, eine Verschlechterung erlitten hatte. Nachdem er das Gefühl gehabt hatte – ein Gefühl, das ich, was mich angeht, für vernünftig halte –, das Gefühl von Worten, die ihm aufgezwungen wurden, hatten die Dinge sich verschlechtert, und er hatte nicht nur das Gefühl, dass ihm Worte aufgezwungen wurden, sondern dass er von etwas betroffen war, das er selbst als Telepathie bezeichnete. Die aber nicht das war, was man üblicherweise mit diesem Wort bezeichnet, also von Dingen Kenntnis zu erhalten, die anderen zustoßen, sondern dass im Gegenteil alle Kenntnis von dem hatten, was er selbst für sich formulierte, ganz für sich allein, nämlich seine intimsten Überlegungen, und ganz besonders von den Überlegungen, die sich bei ihm anlässlich der mehrfach erwähnten aufgezwungenen Worte einstellten.
Denn er hörte etwas, beispielsweise „schmutziges politisches Blutvergießen“, und er machte das äquivalent mit „schmutziges politisches Glutverpissen“. Man sieht gut, dass der Signifikant hier auf das reduziert wird, was er ist: auf die Äquivokation, auf eine Verwindung der Stimme.
Aber auf das „politisch“ genannte „schmutige Glutverpissen“ oder „schmutzige Blutvergießen“ gab er sich selbst etwas zur Antwort, etwas, das mit einem „aber“ begann und das seine Überlegung zu diesem Thema war. Und was ihn ganz närrisch machte, war der Gedanke, dass das, was er darüber hinaus an Überlegungen anstellte – über das hinausgehend, was er als Worte betrachtete, die ihm aufgezwungen wurden –, dass dies etwas war, das allen anderen ebenfalls bekannt war. Er war also, wie er sich ausdrückte, ein „Sender-Telepath“, anders gesagt, er hatte keine Geheimnisse mehr.
Und eben ds hatte ihn dazu gebracht, einen Versuch zu machen, damit Schluss zu machen – da ihm das Leben aufgrund dieser Tatsache, der Tatsache, kein Geheimnis mehr zu haben, nichts mehr, das ihm vorbehalten war –, was ihn dazu gebracht hatte, einen, wie man es nennt, Selbstmordversuch zu machen, was |{103} denn auch der Grund dafür war, dass er da war und der Grund dafür, dass ich mich schließlich mit ihm zu befassen hatte.
Was mich heute dazu drängt, von der Tochter Lucia zu sprechen, ist eben dies – letztes Mal hatte ich mich ja davor gehütet, um nicht in Histörchen zu verfallen –, nämlich dass Joyce – Joyce, der seine Tochter gegen den Zugriff der Ärzte heftig verteidigte, seine Tochter die Schizophrene, das, was man eine Schizophrene nennt –, dass Joyce nur eine Sache vorbrachte, nämlich dass seine Tochter Telepathin sei. Ich will sagen, in den Briefen, die er in ihrer Angelegenheit schreibt, darin formuliert er, dass sie viel intelligenter ist als alle anderen, dass sie ihn – wundersamerweise ist das unausgesprochene Wort – über alles unterrichtet, was einer Reihe von Leuten zustößt, dass für sie diese Leute keine Geheimnisse haben.
Hat das nicht etwas Erstaunliches? Nicht etwa, dass ich denke, Lucia sei tatsächlich Telepathin gewesen und habe gewusst, was Leuten zustieß, über die sie nicht mehr Informationen hatte als jeder andere. Aber dass Joyce ihr diese Fähigkeit zuschreibt, auf eine Reihe von Zeichen hin, von Erklärungen, die er selbst auf bestimmte Weise verstand, eben das ist das, woran ich sehe, dass er, um seine Tochter, wenn man so sagen kann, zu „verteidigen“, dass er ihr etwas zuschreibt, was die Fortsetzung dessen ist, was ich im Augenblick sein eigenes Symptom nennen möchte.
Das heißt – in seinem Fall ist es schwierig, nicht meinen eigenen Patienten zu erwähnen, so wie das bei ihm angefangen hatte –, das heißt, bezogen auf das Sprechen kann man nicht sagen, dass Joyce da nicht etwas aufgezwungen wurde.
Ich meine, dass es in dem gewissermaßen kontinuierlichen Fortschritt, den seine Kunst darstellte – diese Worte also, bei denen es dazu kommt, dass sie geschrieben werden, diese Wort zu zerbrechen, zu zerschlagen, zu bewirken, dass es beim Lesen schließlich als kontinuierlicher Fortschritt erscheint, angefangen mit seinen Bemühungen in den ersten Aufsätzen zur Literaturkritik, dann im Porträt des Künstlers und schließlich in Ulysses, um mit Finnegans Wake zu enden – dass es schwierig ist, nicht zu sehen, dass ihm ein bestimmtes Verhältnis zu den Worten mehr und mehr aufgezwungen wird, bis dahin, dass er damit endet, die Sprache selbst aufzulösen, wie Philippe Sollers sehr gut angemerkt hat – ich habe Ihnen das zu Beginn des Jahres gesagt –, der Sprache selbst eine Art Bruch aufzuzwingen, eine Zersetzung, die dazu führt, dass es keine phonatorische Identität mehr gibt.
Sicherlich reflektiert sich das auf der Ebene der Schrift, ich meine, dass die Worte sich durch Vermittlung der Schrift zersetzen, |{104} indem sie sich aufzwingen, indem sie sich als solche aufzwingen, und das in einer Deformation, bei der unbestimmt bleibt, ob es Joyce darum geht, sich vom Parasiten zu befreien – von dem Wortparasiten, von dem ich vorhin gesprochen habe –, oder ob es im Gegenteil um etwas geht, das sich von den wesentlich phonemischen Eigenschaften des Sprechens, von der Polyphonie des Sprechens, überfluten lässt.
Wie dem auch sei, dass Joyce zu Lucia, um sie zu verteidigen, vorbringt, sie sei eine Telepathin, das scheint mir wegen des Kranken, dessen Fall ich letztes Mal bei meiner sogenannten Vorstellung in Sainte Anne betrachtet habe, das scheint mir sicherlich aufschlussreich zu sein, aufschlussreich für etwas, was von Joyce, wie ich sagen möchte, an genau diesem Punkt bezeugt wird, an dem Punkt, den ich als das Ausfallen des Vaters bezeichnet habe.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring
Ich möchte Folgendes anmerken: Das, was ich als Sinthom bezeichne, was ich so nenne, was ich so stütze und was hier durch einen Ring markiert ist, einen Schnur-Ring, das wird von mir so verstanden, dass es sich an eben der Stelle herstellt, an der, sagen wir, die Bahn des Knotens einen Fehler macht.
Wir können schwerlich übersehen, dass der Lapsus das ist, worauf sich der Begriff des Unbewussten teilweise gründet. Dass es sich mit dem Witz ebenso verhält, ist, wenn ich so sagen darf, auf demselben Konto zu verbuchen schließlich ist nicht undenkbar, dass ein Witz aus einem Lapsus hervorgeht. So formuliert das zumindest Freud selbst, nämlich dass es sich um einen Kurzschluss handelt, um, wie er behauptet, eine Ersparnis hinsichtlich einer Lust (plaisir), hinsichtlich einer Befriedigung.
{105} Dass dies an der Stelle ist, an welcher der Knoten danebengeht, an der es eine Art Lapsus des Knotens gibt, ist dazu angetan, dass wir dabei innehalten. Dass es mir selbst passiert, wie ich hier gezeigt habe, dass er mir bisweilen misslingt, ist ja das, was gewissermaßen bestätigt, dass ein Knoten etwas ist, das misslingt. Das misslingt, umso mehr, als das Unbewusste da ist, um uns zu zeigen, dass es wegen seiner eigenen Konsistenz, der des Unbewussten, jede Menge Fehlschläge gibt.
Wenn sich aber hier der Begriff des Verfehlens erneuert, gehört dann das Verfehlen – aus dem das Gewissen die Sünde macht – der Ordnung des Lapsus an? Die Mehrdeutigkeit des Wofrtes ist auch das, was es ermöglicht, es zu denken und von einem Sinn zum anderen überzugehen. Gibt es im Verfehlen, in diesem ersten Verfehlen, das Joyce so sehr betont, gibt es darin etwas von der Ordnung des Lapsus?
Das beschwört sicherlich ein rechtes Imbroglio herauf. Aber da sind wir jetzt, wir sind im Knoten und damit zugleich in der Verwirrung.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring und Bezifferung der Überkreuzungsstellen
Bemerkenswert ist, dass es, wenn wir den Lapsus an eben dem Punkt korrigieren wollen, an dem er sich herstellt [1] – was heißt es, dass er sich herstellt? – , dass es eine Mehrdeutigkeit gibt, da wir an zwei anderen Punkten [2 und 3] die Konsequenz des Lapsus haben, der sich woanders hergestellt hat. Das Verblüffende ist, dass das woanders nicht dieselben Konsequenzen hat. Das ist das, was ich auf eine Weise illustriere, die ich hier anzuzeichnen versucht habe.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an den drei Überkreuzungsstellen
Wenn Sie achtgeben, können Sie sehen – von der Art her, wie der Knoten reagiert –, können Sie sehen, dass Sie, wenn Sie mit einem Sinthom an eben dem Punkt reparieren, an dem sich der Lapsus hergestellt hat [1], dass Sie keineswegs denselben Knoten erhalten, wenn Sie das Sinthom an die Stelle setzen, an der sich der Fehler hergestellt hat, oder wenn Sie, ebenfalls durch ein Sinthom, die Sache an den anderen beiden Punkten [2 und 3] korrigieren.
{106} Denn wenn Sie die Sache, den Lapsus, an den beiden anderen Punkten korrigieren – was ebenfalls denkbar ist, da es darum geht, dass von der ursprünglichen Struktur des Dreierknotens etwas erhalten bleibt –. Das, was durch das Eingreifens des Sinthoms erhalten bleibt, unterscheidet sich je nachdem, wo das Sinthom angebracht wird: Wenn es am Punkt des Lapsus hergestellt wird, ergibt sich etwas anderes als dann, wenn der Dreierknoten an den anderen beiden Punkten auf gleiche Weise durch ein Sinthom korrigiert wird.
Erstaundlicherweise gibt es etwas Gemeinsames in der Art, wie die Dinge sich verknüpfen, etwas, das durch eine bestimmte Ausrichtung gekennzeichnet ist, durch eine bestimmte Orientierung, eine bestimmte, sagen wir, Rechtsdrehung der Kompensation.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an der Fehlerstelle
Es bleibt jedoch nicht minder klar, dass das, was sich hier aus der geknoteten Kompensation ergibt, aus der Kompensation durch das Sinthom, dass sich das von dem unterscheidet, was sich dort ergibt und dort.
Äquivalenz von zwei trivialen Knoten (Kreis und Acht) in einer Verkettung
Bei diesem Unterschied geht es um Folgendes: Zwischen diesem und diesem, also dem Sinthom und der Schleife, die sich hier, wenn ich so sagen darf, spontan herstellt, ist ein Austausch möglich, dieses ist mit jenem strikt äquivalent, also die, sagen wir, rote Acht und der grüne Kreis. |{107} Umgekehrt müssen Sie nur einen so gemachten Achterknoten nehmen, und Sie werden sehr leicht die andere Gestalt erhalten, es gibt nichts Einfacheres. Das ist sogar vorstellbar. Es genügt, dass Sie annehmen, dass Sie die Sachen auf die Weise ziehen – ich spreche über den roten –, auf die Weise, dass der rote hier einen Ring bildet. Nichts ist leichter, als zu sehen, als zu spüren, dass gute Aussichten bestehen, dass das, was also zunächst ein grüner Kreis ist, zu einer grünen Acht wird, und bei der Verwendung werden Sie sehen, dass es eine Acht von genau derselben Gestalt ist, mit derselben Rechtsdrehung.
Es gibt also strikte Äquivalenz, und es ist – nach dem, was ich zum sexuellen Verhältnis bereits angebahnt habe –, es ist nicht schwer, einmal vorzuschlagen, dass es dann, wenn es Äquivalenz gibt, eben insofern kein Verhältnis gibt. Wenn wir für einen Augenblick annehmen, dass das, was von daher ein Misslingen des Knotens ist, des Dreierknotens, so ist dieses Misslingen – es ist nicht nötig, das zu sagen – bei beiden Geschlechtern strikt äquivalent. Und wenn das, was wir hier als äquivalent betrachten, durch die Tatsache gestützt wird, dass es sowohl bei dem einen wie bei dem anderen Geschlecht ein Misslingen gegeben hat, ein Misslingen des Knotens, dann ist klar, dass das Ergebnis darin besteht, dass die beiden Geschlechter äquivalent sind.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an der Fehlerstelle
{108} Jedoch nicht dann, wenn der Fehler an der Stelle selbst repariert wird [an der er auftritt]; die beiden Geschlechter, die hier durch die beiden Farben symbolisiert werden, die beiden Geschlechter sind es dann nicht mehr, sie sind nicht mehr äquivalent.
Denn hier sehen Sie, was dem, was ich eben Äquivalenz genannt habe, entspricht; das, was dem hier entspricht, ist alles andere als äquivalent.
Falscher Dreierknoten (dargestellt als Acht-im-Kreis) mit Reparaturring an der Fehlerstelle
Nicht-Äquivalenz der beiden Elemente
Wenn hier die eine Farbe durch die andere ersetzt werden kann und dort umgekehrt, dann sehen Sie, dass der grüne Kreis, wenn ich so sagen darf, innerhalb der Gesamtheit dessen liegt, was hier von der roten Doppelacht getragen wird und was sich dort in der grünen Doppelacht wiederfindet, dieser da. Ich habe das absichtlich so angezeichnet, damit Sie sie als solche wiedererkennen. Hier liegt der grüne innerhalb der Doppelacht, dort liegt der rote außerhalb.
Dazu habe ich sogar unseren lieben Jacques-Alain Miller arbeiten lassen, der zu der Zeit, als ich über das hier nachdachte, in meinem Landhaus war. Ich habe ihm – zu Recht, im Gegensatz zu dem, was ich ihm gesagt habe –, ich habe ihm diese Form vorgelegt und ihn gebeten, die Äquivalenz, die sich angeblich herstellen lässt, aufzudecken. Es ist jedoch klar, dass sich die Äquivalenz nicht herstellen kann, wie sich darin zeigt, dass der grüne sich zur Doppelacht, zur roten Acht, auf die Weise verhält, dass er, wenn ich so sagen darf, das Außenband der roten Doppelacht nicht überschreiten kann.
Auf der Ebene des Sinthoms gibt es also keine Äquivalenz im Verhältnis zwischen Grün und Rot, um uns mit dieser einfachen Bezeichnung zu begnügen. In dem Maße, in dem es Sinthom gibt, gibt es keine sexuelle Äquivalenz, das heißt, gibt es Verhältnis.
Denn das ist sicher: Wenn wir sagen, dass das Nichtverhältnis von der Äquivalenz herrührt, dann ist das Verhältnis in dem Maße strukturiert, wie es keine Äquivalenz |{109} gibt.
Es gibt also zugleich sexuelles Verhältnis und kein Verhältnis.
Abgesehen davon, dass dort, wo es Verhältnis gibt, dies in dem Maße so ist, wie es Sinthom gibt, das heißt wie das andere Geschlecht, wie ich gesagt habe, durch das Sinthom gestützt wird.
Ich habe mir erlaubt zu sagen, dass das Sinthom genau das Geschlecht ist, dem ich nicht angehöre, also eine Frau.
Wenn für jeden Mann eine Frau ein Sinthom ist, dann ist völlig klar, dass es nötig ist, einen anderen Namen für das zu finden, was es für eine Frau mit dem Mann auf sich hat, da sich das Sinthom ja gerade durch die Nichtäquivalenz auszeichnet. Man kann sagen, für eine Frau ist der Mann alles, was Sie wollen, nämlich eine Heimsuchung, die schlimmer ist als ein Sinthom, Sie können das gerne so formulieren, wie es Ihnen angemessen erscheint, eine Verheerung sogar.
Wenn es aber keine Äquivalenz gibt, sind Sie gezwungen, genauer anzugeben, was es mit dem Sinthom auf sich hat.
Es gibt keine Äquivalenz, das ist die einzige Sache, das einzige Reduit, worauf sich das stützt, was man beim Sprechwesen, beim Menschenwesen, das sexuelle Verhältnis nennt.
Wird uns das nicht durch das gezeigt, was man – in einem anderen Wortgebrauch – als „Klinik“ bezeichnet, im Sinne des Wortes „das Bett“? Wenn wir die Wesen im Bett sehen, au lit, dann können wir uns immerhin dort – nicht nur in den Krankenhausbetten –, dann können wir uns ja dort eine Idee von dem machen, was es mit diesem berühmten Verhältnis auf sich hat.
Dieses Verhältnis se lie, verbindet sich, das muss man schon sagen – jetzt lie, l, i, e –, dieses Verhältnis verbindet sich mit etwas, wovon ich nur zu behaupten wüsste – und das ist eben das, was sich, mein Gott, aus all dem ergibt, was ich auf einem anderen lit vernehme, auf einem anderen Bett, auf der berühmten Couch, wo man mir lang und breit davon erzählt –, nämlich dass die Verbindung, die enge Verbindung des Sinthoms jenes Etwas ist, bei dem es darum geht, zu verorten, was es mit dem Realen zu tun hat, mit dem Realen des Unbewussten, falls das Unbewusste real sein sollte. Wie kann man wissen, ob das Unbewusste real ist oder imaginär? Eben das ist die Frage. Es hat teil an einer Äquivokation zwischen den beiden, jedoch von etwas her, womit wir dank Freud seither befasst sind, womit wir in Gestalt des Sinthoms befasst sind.
Ich will sagen, dass wir es seither mit dem Sinthom zu tun haben, wenn |{110} es um das Verhältnis selbst geht, das Freud für natürlich hielt – was nichts heißen will –, um das sexuelle Verhältnis.
Darüber werde ich sie heute verlassen, da ich auch irgendwie meiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen muss, Sie hier nicht weniger zahlreich angetroffen zu haben.
FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
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[91] J’avais un espoir… et ne vous faites pas l’idée qu’il s’agit de coquetterie, de titillage, comme ça …j’avais un espoir.
{97} Ich hatte eine Hoffnung – und stellen Sie sich nicht vor, dass es sich um Koketterie handelt, um eine Kitzelei, etwas in der Art –, ich hatte eine Hoffnung.
J’avais mis un espoir dans le fait des vacances.
Ich hatte meine Hoffnung darein gesetzt, dass Ferien sind.
Il y a beaucoup de monde qui s’en va, c’est vrai, dans ma clientèle c’est frappant, mais ici ça ne l’est pas.
Viele verreisen, das stimmt, bei meiner Klientel ist das auffallend, aber hier ist das nicht so.
Je veux dire que je vois toujours les portes aussi encombrées, et pour tout dire, j’espérais que la salle serait allégée.
Ich meine, dass ich die Türen immer noch genauso verstopft sehe; und um es deutlich zu sagen, ich hatte gehofft, der Raum hätte sich gelichtet.
Moyennant quoi, je… et puis en plus, tout ça, tout ça m’exaspère, parce que c’est pas de très bon ton, enfin …moyennant quoi j’espérais passer aux confidences, m’installer au milieu de – je sais pas – s’il y avait seulement la moitié de la salle, ça serait mieux.
Wodurch ich – und außerdem, all das, all das regt mich auf, weil das wirklich kein guter Ton ist –, wodurch ich gehofft hatte, zu einem vertrauteren Umgang übergehen zu können, mich hinzustellen inmitten von –, ich weiß nicht, wenn der Saal nur zur Hälfte gefüllt wäre, das wäre besser.
Il va falloir que je retourne à un amphithéâtre qui était l’amphithéâtre 3 si je me souviens bien, comme ça je pourrai parler d’une façon un petit peu plus intime.
Es wird nötig sein, dass ich in einen Hörsaal mit ansteigenden Sitzreihen zurückkehre, in Hörsaal 3, wenn ich mich recht erinnere, dann kann ich wieder auf eine Weise sprechen, die ein klein bisschen intimer ist.
Ce serait quand même sympathique si je pouvais obtenir qu’on me réponde, qu’on collabore, qu’on s’intéresse.
Trotzdem wäre es nett, wenn ich erreichen könnte, dass man mir antwortet, dass man mitarbeitet, dass man Interesse zeigt.
Ça me semble difficile de s’intéresser à ce qui est en somme, à ce qui devient une recherche.
Es scheint mir schwierig zu sein, sich für das zu interessieren, was letztlich –, für das, was zu einer recherche wird, zu einer Forschung.
Je veux dire que je commence à faire ce qu’implique le mot recherche : à tourner en rond.
Ich meine, dass ich anfange, das zu tun, was das Wort recherche beinhaltet: sich im Kreise drehen.2
Il y avait un temps où j’étais un peu claironnant comme ça, je disais comme Picasso : … parce que c’est pas de moi … « je ne cherche pas, je trouve », mais j’ai plus de peine maintenant à frayer mon chemin.
Es gab eine Zeit, in der ich so ein bisschen herumposaune, da sagte ich wie Picasso, denn das ist nicht von mir: „ich suche nicht, ich finde“, aber jetzt fällt es mir schwerer, mir einen Weg zu bahnen.3
Bon, alors je vais quand même rentrer dans ce que je suppose… c’est une pure supposition, j’en suis réduit à supposer …à ce que je suppose que vous avez entendu la dernière fois, et pour entrer dans le vif, je l’illustre.
{98} Gut, ich werde jetzt dennoch auf das zurückkommen, was Sie, wie ich annehme – das ist eine reine Annahme, ich bin aufs Annehmen zurückgeworfen –, was Sie, so nehmne ich an, beim letzten Mal verstanden haben, und um zum Kern der Sache zu kommen, illustriere ich das.
Voilà un nœud.
Dreiernoten oder Kleeblattknoten
Hier ist ein Knoten.4
[92] Alors, c’est le nœud qui se déduit de ce qui n’est pas un nœud, car le nœud borroméen, contrairement à son nom qui comme tous les noms reflète un sens, il a le sens qui permet dans la chaîne, dans la chaîne borroméenne, de situer quelque part le sens.
Borromäische Verkettung von drei Ringen mit eingetragenem Dreiernoten
Also das ist der Knoten, der sich von etwas herleitet, was kein Knoten ist, denn der borromäische Knoten hat, im Gegensatz zu seinem Namen, der wie alle Namen einen Sinn reflektiert, er hat den Sinn, der es ermöglicht, in der Verkettung, in der borromäischen Verkettung, irgendwo den Sinn zu verorten.5
Umwandlung einer borromäischen Verkettung von drei Ringen in einen Dreierknoten
Il est certain que si nous appelons cet élément de la chaîne l’Imaginaire, cet autre le Réel et celui-là, le Symbolique, le sens sera là.
R = Reales, S = Symbolisches, I = Imaginäres1
Wenn wir dieses Element der Verkettung das Imaginäre nennen, das andere das Reale und das hier das Symbolische, dann ist sicher, dass der Sinn hier sein wird.
Nous ne pouvons pas espérer mieux, espérer de le placer ailleurs, parce que tout ce que nous pensons, nous en sommes réduits à l’imaginer.
Etwas Besseres können wir nicht erhoffen, wir können nicht hoffen, ihn anderswo zu platzieren, da wir in allem, was wir denken, darauf beschränkt sind, es zu imaginieren.
Seulement nous ne pensons pas sans mots, contrairement à ce que des psychologues – ceux de l’école de Würzburg – ont avancé.
Allerdings denken wir nicht ohne Worte, im Gegensatz zu dem, was Psychologen, die der Würzburger Schule, behauptet haben.6
Bon, comme vous le voyez, je suis un peu déçu, et j’ai de la peine à démarrer.
Gut, Sie sehen, ich bin etwas enttäuscht, und ich habe Mühe, in Gang zu kommen.
Alors, je vais entrer dans le vif, et dire ce qui peut arriver à ce qui fait nœud.
Also, ich werde jetzt zum Kern der Sache kommen und sagen, was dem, was einen Knoten bildet, zustoßen kann.
Pour ce qui fait nœud, c’est-à-dire, au minimum, le nœud à trois, celui dont je me contente puisque c’est le nœud qui se déduit de ceci que les trois ronds, les ronds de ficelle – comme autrefois j’avais avancé cette image – les ronds de ficelle de l’Imaginaire et du Réel et du Symbolique, ben il est clair qu’ils font nœud.
Für das, was einen Knoten bildet, das heißt als Minimum den Dreierknoten, der, mit dem ich mich begnüge, da dies der Knoten ist, der sich daraus herleitet, dass die drei Ringe, die Schnur-Ringe – da ich früher dieses Bild vorgebracht hatte –, die Schnur-Ringe des Imaginären und des Realen und des Symbolischen, nun, es ist klar, dass sie einen Knoten bilden.7
Qu’ils font nœud, c’est à savoir que : ils ne se contentent pas de pouvoir isoler, déterminer un certain nombre de champs de coincement, d’endroits où si on met le doigt, on se pince.
Dass sie Knoten bilden, heißt, dass sie sich nicht damit begnügen, eine Reihe von eingekeilten Feldern isolieren zu können, determinieren zu können, von Orten, wo man sich, wenn man den Finger hineinsteckt, einklemmt.8
On se pince aussi dans un nœud, seulement le nœud est d’une nature différente.
Auch in einem Knoten klemmt man sich ein, nur ist der Knoten von anderer Natur.
Alors, si vous vous souvenez bien – naturellement je n’en espère pas autant – si vous vous souvenez bien, j’ai avancé la dernière fois cette remarque – cette remarque qui ne va pas de soi – qu’il suffit qu’il y ait une erreur quelque part dans le nœud à trois, supposez par exemple, qu’au lieu de passer au-dessous ici, ça passe au-dessus …ben, ça suffit à faire bien sûr – ça va de soi parce que [93] chacun sait qu’il n’y a pas de nœud à deux – il suffit donc qu’il y ait une erreur quelque part, pour que ceci – je pense que ça vous saute aux yeux – se réduise à un seul rond.
links: echter Dreierknoten, rechts: falscher Dreierknoten
Entfaltung des falschen Dreierknotens
Also, wenn Sie sich recht erinnern – natürlich erhoffe ich mir nicht so viel –, wenn Sie sich recht erinnern, habe ich letztes Mal die folgende Bemerkung vorgebracht, eine Bemerkung, die sich nicht von selbst versteht: Es genügt, dass es im Dreierknoten irgendwo einen Fehler gibt, nehmen Sie beispielsweise an, dass dies, statt hier unten durch zu laufen, oben drüber läuft, gut, es genügt, das zu tun – sicherlich versteht sich das von selbst, jeder weiß ja, |{99} dass es keinen Zweierknoten gibt –, es genügt also, dass es irgendwo einen Fehler gibt, damit sich das hier – ich denke, das springt Ihnen in die Augen – auf einen einzigen Ring reduziert.
Ça ne va pas de soi, parce que si, par exemple, vous prenez le nœud à cinq, celui-là… comme il y a un nœud à quatre qui est bien connu, qui s’appelle le nœud de Listing …j’ai appelé celui-là, comme ça – idée loufoque – le nœud de Lacan.
Das versteht sich keineswegs von selbst, denn wenn Sie zum Beispiel den Fünferknoten nehmen, den da –; da es einen Viererknoten gibt, der bekannt ist und Listing-Knoten heißt, habe ich den da, verrückte Idee, Lacan-Knoten genannt.9
C’est en effet celui qui convient le mieux – mais je vous dirai ça une autre fois – c’est en effet celui qui convient le mieux.
Das ist tatsächlich derjenige, der am besten passt – aber ich werde Ihnen das ein anderes Mal erzählen–, das ist tatsächlich derjenige, der am besten passt.
Ouais… c’est absolument sublime, comme chaque fois qu’on dessine un nœud, on risque de se tromper, tout à l’heure au moment où je dessinais ces choses pour vous les présenter, j’ai eu affaire à quelque chose d’analogue, qui a forcé Gloria à remettre ici une pièce, quelque chose d’analogue, parce que, en dessinant comme ça, on se trompe.
Ja, das ist wirklich beeindruckend, wie man jedes Mal, wenn man einen Knoten zeichnet, Gefahr läuft, sich zu irren; vorhin, als ich diese Sachen zeichnete, um sie Ihnen vorzustellen, hatte ich |{100} mit etwas Ähnlichem zu schaffen – wodurch Gloria gezwungen war, hier ein Stück einzusetzen –, mit etwas Ähnlichem, denn wenn man so zeichnet, irrt man sich.
Donc, ce nœud-là, si vous vous trompez en un de ces deux points c’est la même chose que pour le nœud à trois : le tout se libère, il est manifeste ici que ça ne fait qu’un rond.
Knoten mit fünf Überkreuzungen („Lacan-Knoten“)
Also, wenn Sie sich bei diesem Knoten [mit fünf Überkreuzungen] an einem dieser beiden Punkte irren, ist es genauso wie beim Dreierknoten: das Ganze wird freigesetzt, hier ist manifest, dass das nur einen Ring bildet.
Si par contre vous vous trompez en un de ces trois points-là vous pouvez constater que ça se maintient comme nœud, c’est-à-dire que ça reste un nœud à trois.
Wenn Sie sich hingegen an einem dieser [anderen] drei Punkte irren, können Sie feststellen, dass das als Knoten bestehen bleibt, also dass es ein Dreierknoten bleibt.
Ceci pour vous dire que ça ne va pas de soi qu’en se trompant en un point d’un nœud, tout le nœud s’évapore, si je puis m’exprimer ainsi.
Damit möchte ich Ihnen sagen, dass es sich nicht von selbst versteht, dass sich dann, wenn man sich an einem Punkt eines Knotens irrt, dass sich dann der ganze Knoten in Luft auflöst, wenn ich mich so ausdrücken darf.
Bon, alors, ce que j’ai dit la dernière fois est ceci : faisant allusion au fait que le symptôme – ce que j’ai appelé cette année le sinthome – que le sinthome est ce qui, dans le borroméen, la chaîne borroméenne, est ce qui permet dans cette chaîne borroméenne, si nous n’en faisons plus chaîne, c’est à savoir si ici nous faisons ce que j’ai appelé une erreur : ici et aussi ici, c’est-à-dire [94] du même coup si le symbolique se libère, comme je l’ai autrefois bien marqué, nous avons un moyen de réparer ça, c’est de faire ce que, pour la première fois j’ai défini comme le sinthome [Σ], à savoir le quelque chose qui permet au Symbolique, à l’Imaginaire et au Réel, de continuer de tenir ensemble, quoique là aucun ne tient plus avec l’autre, ceci grâce à deux erreurs.
Echte (links) und falsche borromäische Verkettung von drei Ringen
Gut, also letztes Mal habe ich Folgendes gesagt, als Anspielung darauf, dass das Symptom – das ich in diesem Jahr „Sinthom“ genannt habe –, dass das Sinthom das ist, was beim Borromäer, bei der borromäischen Verkettung das ist, was es bei dieser borromäischen Verkettung ermöglicht, wenn wir keine Verkettung mehr daraus machen, das heißt, wenn wir hier das machen, was ich einen Fehler genannt habe, hier und auch hier, das heißt zugleich, wenn das Symbolische sich freisetzt, wie ich das letzte Mal ja angemerkt habe, also dann haben wir ein Mittel, das zu reparieren, nämlich das zu machen, was ich zum ersten Mal als das Sinthom definiert habe, nämlich dieses Etwas, das es dem Symbolischen, dem Imaginären und dem Realen ermöglicht, weiter zusammenzuhalten, obwohl da, aufgrund von zwei Fehlern, keiner mehr mit dem anderen zusammenhält.
Je me suis permis de définir comme sinthome ce qui, non pas permet au nœud à trois, de faire encore nœud à trois, mais ce qu’il conserve dans une position telle qu’il ait l’air de faire nœud à trois.
Borromäische Verkettung von vier Ringen, Σ: Ring des Sinthoms
{101} Ich habe mir erlaubt, das Sinthom nicht etwa als das zu definieren, was es dem Dreierknoten ermöglicht, weiterhin einen Dreierknoten zu bilden, sondern als das, was ihn in einer Position hält, in der er so aussieht, als würde er einen Dreierknoten bilden.
Voilà ce que j’ai avancé tout doucement la dernière fois.
Das ist also das, was ich beim letzten Mal ganz behutsam vorgebracht habe.
Et je vous le réévoque incidemment, j’ai pensé… faites-en ce que vous voudrez de ma pensée …j’ai pensé que c’était là la clé de ce qui était arrivé à Joyce.
Und ich rufe Ihnen das nebenbei in Erinnerung, ich habe gedacht – machen Sie mit meinem Denken, was Sie wollen –, ich habe gedacht, das sei der Schlüssel für das, was Joyce zugestoßen ist.
Que Joyce a un symptôme qui part de ceci : que son père était carent, radicalement carent, il ne parle que de ça.
Dass Joyce ein Symptom hat, das von dem ausgeht, dass sein Vater ausfiel, dass er radikal ausfiel, er spricht nur davon.10
J’ai centré la chose autour du nom, du nom propre, et j’ai pensé que… faites-en ce que vous voulez de cette pensée …et j’ai pensé que c’est de se vouloir un nom, que Joyce a fait la compensation de la carence paternelle.
Ich habe die Sache um den Namen herum zentriert, um den Eigennamen, und ich habe gedacht – machen Sie aus diesem Gedanken, was Sie wollen –, und ich habe gedacht, dass Joyce damit, dass er einen Namen für sich wollte, für das Ausfallen des Vaters eine Kompensation vorgenommen hat.
C’est tout au moins ce que j’ai dit, parce que je pouvais pas dire mieux.
Das ist zumindest das, was ich gesagt habe, da ich’s nicht besser sagen konnte.
J’essaierai d’articuler ça d’une façon plus précise
Ich werde versuchen, das auf präzisere Weise zu artikulieren.
Mais il est clair que l’art de Joyce est quelque chose de tellement particulier, que le terme sinthome est bien ce qui lui convient.
Es ist jedoch klar, dass Joyces Kunst etwas so Besonderes ist, dass der Ausdruck „Sinthom“ wirklich das ist, was ihr angemessen ist.
[95] Il se trouve que vendredi, à ma présentation de quelque chose qu’on considère généralement comme un cas, un cas de folie assurément, un cas de folie qui a commencé par le sinthome paroles imposées.
Es ist nun so, dass am Freitag, bei meiner Vorstellung von etwas, das man im Allgemeinen als Fall ansieht, sicherlich als Fall von Wahnsinn, als Fall von Wahnsinn, der mit dem Sinthom aufgezwungene Worte begonnen hat –.11
C’est tout au moins ainsi que le patient articule lui-même ce quelque chose qui paraît tout ce qu’il y a de plus censé dans l’ordre d’une articulation que je peux dire être lacanienne.
So zumindest artikuliert der Patient selbst jenes Etwas, das mir in der Ordnung einer Artikulation, die ich lacanianisch nennen kann, ganz und gar vernünftig zu sein scheint.
Comment est-ce que nous ne sentons pas tous, que des paroles dont nous dépendons, nous sont en quelque sorte imposées ?
Wie kommt es, dass wir nicht alle spüren, dass Worte, von denen wir abhängen, uns in gewisser Weise aufgezwungen sind?
C’est bien en quoi ce qu’on appelle un malade va quelquefois plus loin que ce qu’on appelle un homme normal.
Eben darin geht jemand, den man als Kranken bezeichnet, manchmal weiter als jemand, den man als normalen Menschen bezeichnet.
La question est plutôt de savoir pourquoi est-ce qu’un homme normal – dit normal – ne s’aperçoit pas : – que la parole est un parasite, que la parole est un placage, que la parole est la forme de cancer dont l’être humain est affligé.
Die Frage ist eher, warum ein normaler Mensch, ein sogenannter Normaler, nicht bemerkt, dass das Sprechen ein Parasit ist, dass das Sprechen ein Furnier ist, dass das Sprechen die Art von Krebs ist, von der das |{102} Menschenwesen befallen ist.
Comment est-ce qu’il y en a qui vont jusqu’à le sentir ?
Wieso gibt es einige, die so weit gehen, dass sie es spüren?
Il est certain que là-dessus, Joyce nous donne un petit soupçon.
Gewiss ist es so, dass Joyce hierzu in uns einen kleinen Verdacht erweckt.
Je veux dire que je n’ai pas parlé la dernière fois de sa fille Lucia – puisqu’il a donné à ses enfants des noms italiens – je n’ai pas parlé de la fille Lucia par un dessein de ne pas donner dans ce qu’on peut appeler la petite histoire.
Ich meine, dass ich letztes Mal nicht über seine Tochter gesprochen habe, Lucia – denn er hat seinen Kindern ja italienische Namen gegeben –, ich habe nicht über seine Tochter Lucia gesprochen, in der Absicht, nicht in das zu verfallen, was man Histörchen nennen kann.12
La fille Lucia vit encore.
Die Tochter, Lucia, lebt noch.
Elle est dans une maison de santé, en Angleterre, elle est ce qu’on appelle, comme ça, couramment, une schizophrène.
Sie ist in einer psychiatrischen Einrichtung in England, sie ist das, was man für gewöhnlich eine Schizophrene nennt.
Mais la chose m’a été, lors de ma dernière présentation de cas, rappelée, en ceci que le cas que je présentais avait subi une aggravation.
Bei meiner letzten Fallvorstellung kam mir die Sache jedoch wieder in Erinnerung, da der Fall, den ich vorstellte, eine Verschlechterung erlitten hatte.
Après avoir eu le sentiment – sentiment que je considère quant à moi comme sensé – le sentiment de paroles qui lui étaient imposées, les choses se sont aggravées et qu’il a eu le sentiment, non seulement que des paroles lui étaient imposées, mais qu’il était affecté de ce qu’il appelait lui-même télépathie.
Nachdem er das Gefühl gehabt hatte – ein Gefühl, das ich, was mich angeht, für vernünftig halte –, das Gefühl von Worten, die ihm aufgezwungen wurden, hatten die Dinge sich verschlechtert, und er hatte nicht nur das Gefühl, dass ihm Worte aufgezwungen wurden, sondern dass er von etwas betroffen war, das er selbst als Telepathie bezeichnete.
Qui n’était pas ce qu’on appelle couramment de ce mot …à savoir d’être averti de choses qui arrivent aux autres, mais que par contre tout le monde était averti de ce qu’il se formulait lui-même, à part lui, à savoir ses réflexions les plus intimes, et tout à fait spécialement les réflexions qui lui venaient en marge des fameuses paroles imposées.
Die aber nicht das war, was man üblicherweise mit diesem Wort bezeichnet, also von Dingen Kenntnis zu erhalten, die anderen zustoßen, sondern dass im Gegenteil alle Kenntnis von dem hatten, was er selbst für sich formulierte, ganz für sich allein, nämlich seine intimsten Überlegungen, und ganz besonders von den Überlegungen, die sich bei ihm anlässlich der mehrfach erwähnten aufgezwungenen Worte einstellten.
Car il entendait quelque chose : « sale assassinat politique » par exemple, ce qu’il faisait équivalent à « sale assistanat politique ».
Denn er hörte etwas, beispielsweise „schmutziges politisches Blutvergießen“, und er machte das äquivalent mit „schmutziges politisches Glutverpissen“.13
On voit bien que là le signifiant se réduit à ce qu’il est, à l’équivoque, à une torsion de voix.
Man sieht gut, dass der Signifikant hier auf das reduziert wird, was er ist: auf die Äquivokation, auf eine Verwindung der Stimme.
Mais à « sale assistanat » ou à « sale assassinat » dit politique, il se disait à lui-| [96] même – en réponse – quelque chose, à savoir quelque chose qui commençait par un « mais », et qui était sa réflexion à ce sujet.
Aber auf das „politisch“ genannte „schmutige Glutverpissen“ oder „schmutzige Blutvergießen“ gab er sich selbst etwas zur Antwort, etwas, das mit einem „aber“ begann und das seine Überlegung zu diesem Thema war.
Et ce qui le rendait tout à fait affolé, c’était la pensée que ce qu’il se faisait comme réflexion en plus, en plus de ce qu’il considérait comme des paroles qui lui étaient imposées, c’était cela qui était aussi connu de tous les autres.
Und was ihn ganz närrisch machte, war der Gedanke, dass das, was er darüber hinaus an Überlegungen anstellte – über das hinausgehend, was er als Worte betrachtete, die ihm aufgezwungen wurden –, dass dies etwas war, das allen anderen ebenfalls bekannt war.
Il était donc – comme il s’exprime – télépathe émetteur, autrement dit, il n’avait plus de secret.
Er war also, wie er sich ausdrückte, ein „Sender-Telepath“, anders gesagt, er hatte keine Geheimnisse mehr.
Et, cela-même, c’est cela qui lui a fait commettre une tentative d’en finir… la vie lui étant de ce fait, de ce fait de n’avoir plus de secret, de n’avoir plus rien de réservé …qui lui a fait commettre ce qu’on appelle « une tentative de suicide », qui était aussi bien ce pourquoi il était là, et ce pourquoi j’avais, en somme, à m’intéresser à lui.
Und eben das hatte ihn dazu gebracht, einen Versuch zu machen, damit Schluss zu machen – da ihm das Leben aufgrund dieser Tatsache, der Tatsache, kein Geheimnis mehr zu haben, nichts mehr, das ihm vorbehalten war –, was ihn dazu gebracht hatte, einen, wie man es nennt, Selbstmordversuch zu machen, was |{103} denn auch der Grund dafür war, dass er da war und der Grund dafür, dass ich mich schließlich mit ihm zu befassen hatte.
Ce qui me pousse aujourd’hui à vous parler de la fille Lucia, est très exactement ceci… je m’en étais bien gardé la dernière fois, pour ne pas tomber dans la petite histoire …c’est que Joyce… Joyce qui a défendu farouchement sa fille, sa fille la schizophrène, ce qu’on appelle schizophrène, contre la prise des médecins …Joyce n’articulait qu’une chose, c’est que sa fille était une télépathe.
Was mich heute dazu drängt, von der Tochter Lucia zu sprechen, ist eben dies – letztes Mal hatte ich mich ja davor gehütet, um nicht in Histörchen zu verfallen –, nämlich dass Joyce – Joyce, der seine Tochter gegen den Zugriff der Ärzte heftig verteidigte, seine Tochter die Schizophrene, das, was man eine Schizophrene nennt –, dass Joyce nur eine Sache vorbrachte, nämlich dass seine Tochter Telepathin sei.
Je veux dire que dans les lettres qu’il écrit à son propos, il formule : qu’elle est beaucoup plus intelligente que tout le monde, qu’elle l’informe – miraculeusement est le mot sous-entendu – de tout ce qui arrive à un certain nombre de gens, que pour elle ces gens n’ont pas de secrets.
Ich will sagen, in den Briefen, die er in ihrer Sache schreibt, darin formuliert er, dass sie viel intelligenter ist als alle anderen, dass sie ihn – wundersamerweise ist das unausgesprochene Wort – über alles unterrichtet, was einer Reihe von Leuten zustößt, dass für sie diese Leute keine Geheimnisse haben.14
Est-ce qu’il n’y a pas là quelque chose de saisissant ?
Hat das nicht etwas Erstaunliches?
Non pas du tout que je pense que Lucia fût effectivement une télépathe, qu’elle sût ce qui arrivait à des gens sur lesquels elle n’avait pas plus d’informations qu’une autre.
Nicht etwa, dass ich denke, Lucia sei tatsächlich Telepathin gewesen und habe gewusst, was Leuten zustieß, über die sie nicht mehr Informationen hatte als jeder andere.
Mais que Joyce lui attribue cette vertu sur un certain nombre de signes, de déclarations que lui il entendait d’une certaine façon, c’est bien le quelque chose où je vois que pour défendre – si on peut dire – sa fille, il lui attribue quelque chose qui est dans le prolongement de ce que j’appellerai momentanément son propre symptôme.
Aber dass Joyce ihr diese Fähigkeit zuschreibt, auf eine Reihe von Zeichen hin, von Erklärungen, die er selbst auf bestimmte Weise verstand, eben das ist das, woran ich sehe, dass er, um seine Tochter, wenn man so sagen kann, zu „verteidigen“, dass er ihr etwas zuschreibt, was die Fortsetzung dessen ist, was ich im Augenblick sein eigenes Symptom nennen möchte.15
C’est à savoir… il est difficile dans son cas de ne pas évoquer mon propre patient tel que chez lui ça avait commencé …c’est à savoir qu’à l’endroit de la parole, on ne peut pas dire que quelque chose n’était pas à Joyce imposé.
Das heißt – in seinem Fall ist es schwierig, nicht meinen eigenen Patienten zu erwähnen, so wie das bei ihm angefangen hatte –, das heißt, bezogen auf das Sprechen kann man nicht sagen, dass Joyce da nicht etwas aufgezwungen wurde.
Je veux dire que dans le progrès en quelque sorte continu qu’a constitué son art, à savoir cette parole… parole qui vient à être écrite …de la briser, de la démantibuler, de faire qu’à la fin ce qui – à le lire – paraît un progrès continu… depuis l’effort qu’il faisait dans ses premiers essais critiques, puis ensuite, dans le Portrait de l’Artiste, et enfin dans Ulysse pour terminer par Finnegans Wake …il est difficile de ne pas voir qu’un certain rapport à la parole lui est de plus en plus imposé, imposé au point qu’il finit par dissoudre le langage même, comme l’a noté fort bien Philippe Sollers – je vous ai dit ça au début de l’année – imposer au langage même une sorte de brisure, de décomposition qui fait que il n’y a plus d’identité phonatoire.
Ich meine, dass es in dem gewissermaßen kontinuierlichen Fortschritt, den seine Kunst darstellte – diese Worte also, bei denen es dazu kommt, dass sie geschrieben werden, diese Wort zu zerbrechen, zu zerschlagen, zu bewirken, dass es beim Lesen schließlich als kontinuierlicher Fortschritt erscheint, angefangen mit seinen Bemühungen in den ersten Aufsätzen zur Literaturkritik, dann im Porträt des Künstlers und schließlich in Ulysses, um mit Finnegans Wake zu enden – dass es schwierig ist, nicht zu sehen, dass ihm ein bestimmtes Verhältnis zu den Worten mehr und mehr aufgezwungen wird, bis dahin, dass er damit endet, die Sprache selbst aufzulösen, wie Philippe Sollers sehr gut angemerkt hat – ich habe Ihnen das zu Beginn des Jahres gesagt –, der Sprache selbst eine Art Bruch aufzuzwingen, eine Zersetzung, die dazu führt, dass es keine phonatorische Identität mehr gibt.16
[97] Sans doute y a-t-il là une réflexion au niveau de l’écriture, je veux dire que c’est par l’intermédiaire de l’écriture que la parole se décompose en s’imposant, en s’imposant comme telle, à savoir dans une déformation dont reste ambigu de savoir si c’est de se libérer du parasite… du parasite parolier dont je parlais tout à l’heure …qu’il s’agit, ou au contraire de quelque chose qui se laisse envahir par les propriétés d’ordre essentiellement phonémiques de la parole, par la polyphonie de la parole.
Sicherlich reflektiert sich das auf der Ebene der Schrift, ich meine, dass die Worte sich durch Vermittlung der Schrift zersetzen, |{104} indem sie sich aufzwingen, indem sie sich als solche aufzwingen, und das in einer Deformation, bei der unbestimmt bleibt, ob es Joyce darum geht, sich vom Parasiten zu befreien – von dem Wortparasiten, von dem ich vorhin gesprochen habe –, oder ob es im Gegenteil um etwas geht, das sich von den wesentlich phonemischen Eigenschaften des Sprechens, von der Polyphonie des Sprechens, überfluten lässt.
Quoiqu’il en soit, que Joyce articule à propos de Lucia – pour la défendre – qu’elle est une télépathe, me paraît… en raison de ce malade dont je considérais le cas la dernière fois que j’ai fait ce qu’on appelle ma « présentation à Ste-Anne » …me paraît certainement indicatif, indicatif de quelque chose dont je dirai que Joyce, que Joyce témoigne en ce point même : qui est le point que j’ai désigné comme étant celui de la carence du père.
Wie dem auch sei, dass Joyce zu Lucia, um sie zu verteidigen, vorbringt, sie sei eine Telepathin, das scheint mir wegen des Kranken, dessen Fall ich letztes Mal bei meiner sogenannten Vorstellung in Sainte Anne betrachtet habe, das scheint mir sicherlich aufschlussreich zu sein, aufschlussreich für etwas, was von Joyce, wie ich sagen möchte, an genau diesem Punkt bezeugt wird, an dem Punkt, den ich als das Ausfallen des Vaters bezeichnet habe.
Ce que je voudrais marquer, c’est que ce que j’appelle, ce que je désigne, ce que je supporte du sinthome qui est ici marqué d’un rond, d’un rond de ficelle, ce qui est censé – par moi – se produire à la place même où, disons le tracé du nœud fait erreur.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring
Ich möchte Folgendes anmerken: Das, was ich als Sinthom bezeichne, was ich so nenne, was ich so stütze und was hier durch einen Ring markiert ist, einen Schnur-Ring, das wird von mir so verstanden, dass es sich an eben der Stelle herstellt, an der, sagen wir, die Bahn des Knotens einen Fehler macht.17
Il nous est difficile de ne pas voir que le lapsus est ce sur quoi, en partie, se fonde la notion de l’Inconscient.
Wir können schwerlich übersehen, dass der Lapsus das ist, worauf sich der Begriff des Unbewussten teilweise gründet.18
Que le mot d’esprit en soit aussi, est à verser au même compte si je puis dire, car après tout, le mot d’esprit, il n’est pas impensable qu’il résulte d’un lapsus.
Dass es sich mit dem Witz ebenso verhält, ist, wenn ich so sagen darf, auf demselben Konto zu verbuchen, schließlich ist nicht undenkbar, dass ein Witz aus einem Lapsus hervorgeht.19
C’est tout au moins ainsi que Freud lui-même l’articule, c’est à savoir que c’est un court-circuit, que – comme il l’avance – c’est une économie au regard d’un plaisir, d’une satisfaction.
So formuliert das zumindest Freud selbst, nämlich dass es sich um einen Kurzschluss handelt, um, wie er behauptet, eine Ersparnis hinsichtlich einer Lust (plaisir), hinsichtlich einer Befriedigung.
Que ce soit à la place où le nœud rate… où il y a une sorte de lapsus du nœud lui-même …est quelque chose qui est bien fait pour nous retenir.
{105} Dass dies an der Stelle ist, an welcher der Knoten danebengeht, an der es eine Art Lapsus des Knotens gibt, ist dazu angetan, dass wir dabei innehalten.20
Que moi-même | [98], il m’arrive comme je l’ai montré ici, de rater à l’occasion, c’est bien ce qui, en quelque sorte, confirme qu’un nœud ça se rate.
Dass es mir selbst passiert, wie ich hier gezeigt habe, dass er mir bisweilen misslingt, ist ja das, was gewissermaßen bestätigt, dass ein Knoten etwas ist, das misslingt.
Ça se rate, tout aussi bien que l’Inconscient est là pour nous montrer, que c’est à partir de sa consistance à lui – à l’Inconscient – qu’il y a des tas de ratés.
Das misslingt, umso mehr, als das Unbewusste da ist, um uns zu zeigen, dass es wegen seiner eigenen Konsistenz, der des Unbewussten, jede Menge Fehlschläge gibt.
Mais, si ici se renouvelle la notion de faute, est-ce que la faute – ce dont la conscience fait le péché – est de l’ordre du lapsus ?
Wenn sich aber hier der Begriff des Verfehlens erneuert, gehört dann das Verfehlen – aus dem das Gewissen die Sünde macht – der Ordnung des Lapsus an?21
L’équivoque du mot est aussi bien ce qui permet de le penser, de passer d’un sens à l’autre.
Die Mehrdeutigkeit des Wortes ist auch das, was es ermöglicht, es zu denken und von einem Sinn zum anderen überzugehen.
Est-ce qu’il y a dans la faute… cette faute première dont Joyce nous fait tellement état …est-ce qu’il y a quelque chose de l’ordre du lapsus ?
Gibt es im Verfehlen, in diesem ersten Verfehlen, das Joyce so sehr betont, gibt es darin etwas von der Ordnung des Lapsus?22
Ceci bien sûr, n’est pas sans évoquer tout un imbroglio.
Das beschwört sicherlich ein rechtes Imbroglio herauf.23
Mais nous en sommes là, nous sommes dans le nœud, et du même coup dans l’embrouille.
Aber da sind wir jetzt, wir sind im Knoten und damit zugleich in der Verwirrung.
Ce qu’il y a de remarquable, c’est qu’à vouloir corriger le lapsus au point [1] même où il se produit… qu’est-ce que ça veut dire qu’il se produise là ? …il y a équivoque puisque en deux autres points [2 et 3], nous avons la conséquence du lapsus qui s’est produit ailleurs.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring und Bezifferung der Überkreuzungsstellen
Bemerkenswert ist, dass es, wenn wir den Lapsus an eben dem Punkt korrigieren wollen, an dem er sich herstellt [1]24 – was heißt es, dass er sich herstellt? – , dass es eine Mehrdeutigkeit gibt, da wir an zwei anderen Punkten [2 und 3] die Konsequenz des Lapsus haben, der sich woanders hergestellt hat.
Le frappant est que, ailleurs ça n’a pas les mêmes conséquences.
Das Verblüffende ist, dass das woanders nicht dieselben Konsequenzen hat.
C’est ce que j’illustre de la façon qu’ici j’ai essayé de dessiner.
Das ist das, was ich auf eine Weise illustriere, die ich hier anzuzeichnen versucht habe.
Vous pouvez, si vous faites attention, vous pouvez voir – d’une façon dont le nœud répond –, vous pouvez voir qu’à réparer par un sinthome au point même où le lapsus s’est produit [1]… vous n’obtenez pas le même nœud en mettant le sinthome à la place même où s’est produite la faute, ou bien en corrigeant de même par un sinthome la chose en les deux autres points [2 et 3].
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an den drei Überkreuzungsstellen
Wenn Sie achtgeben, können Sie sehen – von der Art her, wie der Knoten reagiert –, können Sie sehen, dass Sie, wenn Sie mit einem Sinthom an eben dem Punkt reparieren, an dem sich der Lapsus hergestellt hat [1], dass Sie keineswegs denselben Knoten erhalten, wenn Sie das Sinthom an die Stelle setzen, an der sich der Fehler hergestellt hat, oder wenn Sie, ebenfalls durch ein Sinthom, die Sache an den anderen beiden Punkten [2 und 3] korrigieren.25
Car en corrigeant la chose – le lapsus – dans les deux autres points… ce qui est aussi concevable, puisque ce dont il s’agit, c’est de faire que quelque chose subsiste de la primitive structure du nœud à trois …
{106} Denn wenn Sie die Sache, den Lapsus, an den beiden anderen Punkten korrigieren – was ebenfalls denkbar ist, da es darum geht, dass von der ursprünglichen Struktur des Dreierknotens etwas erhalten bleibt –.
Le quelque chose qui subsiste du fait de l’intervention du sinthome est différent quand ça se produit au point même du lapsus, est différent de ce qui se produit si, de la même façon, corrigée, dans les deux autres points du nœud à trois par un sinthome.
Das, was durch das Eingreifens des Sinthoms erhalten bleibt, unterscheidet sich je nachdem, wo das Sinthom angebracht wird: Wenn es am Punkt des Lapsus hergestellt wird, ergibt sich etwas anderes als wenn der Dreierknoten an den anderen beiden Punkten auf gleiche Weise durch ein Sinthom korrigiert wird.
Chose frappante, il y a quelque chose de commun dans la façon dont se nouent les choses, il y a quelque chose qui se marque à une certaine direc-| [99] tion, à une certaine orientation, à une certaine, disons dextrogyrie, de la compensation.
Erstaundlicherweise gibt es etwas Gemeinsames in der Art, wie die Dinge sich verknüpfen, etwas, das durch eine bestimmte Ausrichtung gekennzeichnet ist, durch eine bestimmte Orientierung, eine bestimmte, sagen wir, Rechtsdrehung der Kompensation.
Mais il n’en reste pas moins clair qu’ici : ce qui résulte de la compensation nouée, de la compensation par le sinthome, est différent de ce qui se produit ici et là.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an der Fehlerstelle
Es bleibt jedoch nicht minder klar, dass das, was sich hier aus der geknoteten Kompensation ergibt, aus der Kompensation durch das Sinthom, dass sich das von dem unterscheidet, was sich dort ergibt und dort.
La nature de cette différence est ceci, c’est que entre ceci et ceci, à savoir le sinthome et la boucle qui se fait ici, si je puis dire spontanément, est inversible : que ceci à cela – à savoir le huit, disons rouge et le rond vert – est strictement équivalent.
Äquivalenz von zwei trivialen Knoten (Kreis und Acht) in einer Verkettung
Bei diesem Unterschied geht es um Folgendes: Zwischen diesem und diesem, also dem Sinthom und der Schleife, die sich hier, wenn ich so sagen darf, spontan herstellt, ist ein Austausch möglich, dieses ist mit jenem strikt äquivalent, also die, sagen wir, rote Acht und der grüne Kreis.
À l’inverse, vous n’avez qu’à prendre un nœud de huit, fait ainsi vous obtiendrez très aisément l’autre forme, il n’y a rien de plus simple.
{107} Umgekehrt müssen Sie nur einen so gemachten Achterknoten nehmen, und Sie werden sehr leicht die andere Gestalt erhalten, es gibt nichts Einfacheres.
C’est même imaginable.
Das ist sogar vorstellbar.
[100] Il vous suffit de concevoir que vous tirez les choses de telle sorte – je parle : sur le rouge – de sorte à faire que le rouge fasse ici un rond.
Es genügt, dass Sie annehmen, dass Sie die Sachen auf die Weise ziehen – ich spreche über den roten –, auf die Weise, dass der rote hier einen Ring bildet.
Rien de plus facile que de voir, de sentir, qu’il y a toutes les chances que ce qui est alors d’abord rond vert deviendra un huit vert, et à l’usage, vous verrez que c’est un huit exactement de la même forme, de la même dextrogyrie.
Nichts ist leichter, als zu sehen, als zu spüren, dass gute Aussichten bestehen, dass das, was also zunächst ein grüner Kreis ist, zu einer grünen Acht wird, und bei der Verwendung werden Sie sehen, dass es eine Acht von genau derselben Gestalt ist, mit derselben Rechtsdrehung.
Il y a donc strictement équivalence et il n’est – après ce que j’ai frayé autour du rapport sexuel – il n’est pas difficile de suggérer que quand il y a équivalence, c’est bien en cela qu’il n’y a pas de rapport.
Es gibt also strikte Äquivalenz, und es ist – nach dem, was ich zum sexuellen Verhältnis bereits angebahnt habe –, es ist nicht schwer, einmal vorzuschlagen, dass es dann, wenn es Äquivalenz gibt, eben insofern kein Verhältnis gibt.
Si pour un instant, nous supposons que ce qu’il en est de ce qui dès lors est un ratage du nœud, du nœud à trois, ce ratage est strictement équivalent – il n’y a pas besoin de le dire – dans les deux sexes.
Wenn wir für einen Augenblick annehmen, dass das, was von daher ein Misslingen des Knotens ist, des Dreierknotens, so ist dieses Misslingen – es ist nicht nötig, das zu sagen – bei beiden Geschlechtern strikt äquivalent.
Et si ce que nous voyons ici comme équivalent, est supporté du fait que, aussi bien dans un sexe que dans l’autre, il y a eu ratage, ratage du nœud, il est clair que le résultat est ceci : que les deux sexes sont équivalents.
Und wenn das, was wir hier als äquivalent betrachten, durch die Tatsache gestützt wird, dass es sowohl bei dem einen wie bei dem anderen Geschlecht ein Misslingen gegeben hat, ein Misslingen des Knotens, dann ist klar, dass das Ergebnis darin besteht, dass die beiden Geschlechter äquivalent sind.
À ceci près, pourtant, que si la faute est réparée à la place même : les deux sexes – ici symbolisés par les deux couleurs – les deux sexes ne le sont plus, équivalents.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an der Fehlerstelle
{108} Jedoch nicht dann, wenn der Fehler an der Stelle selbst repariert wird [an der er auftritt]; die beiden Geschlechter, die hier durch die beiden Farben symbolisiert werden, die beiden Geschlechter sind es dann nicht mehr, sie sind nicht mehr äquivalent.
Car ici vous voyez ce qui correspond à ce que j’ai appelé tout à l’heure l’équivalence, ce qui y correspond est ceci qui est loin d’être équivalent.
Denn hier sehen Sie, was dem, was ich eben Äquivalenz genannt habe, entspricht; das, was dem hier entspricht, ist alles andere als äquivalent.
Si ici, une couleur peut être remplacée par l’autre, inversement ici, vous voyez que le rond vert est, si je puis dire, interne à l’ensemble de ce qui est ici supporté par le double huit rouge et qui ici, se retrouve dans le double huit vert, ceux-là.
Falscher Dreierknoten (dargestellt als Acht-im-Kreis) mit Reparaturring an der Fehlerstelle
Nicht-Äquivalenz der beiden Elemente
Wenn hier die eine Farbe durch die andere ersetzt werden kann und dort umgekehrt, dann sehen Sie, dass der grüne Kreis, wenn ich so sagen darf, innerhalb der Gesamtheit dessen liegt, was hier von der roten Doppelacht getragen wird und was sich dort in der grünen Doppelacht wiederfindet, dieser da.
Et c’est intentionnellement que je l’ai inscrit de cette façon, c’est pour que vous les reconnaissiez comme tels.
Ich habe das absichtlich so angezeichnet, damit Sie sie als solche wiedererkennen.
Ici le vert à ce double huit, est interne, ici le rouge est externe.
Hier liegt der grüne innerhalb der Doppelacht, dort liegt der rote außerhalb.
[101] C’est même là-dessus que j’ai fait travailler notre cher Jacques-Alain Miller qui était à ma maison de campagne, en même temps que je cogitais ceci.
Dazu habe ich sogar unseren lieben Jacques-Alain Miller arbeiten lassen, der zu der Zeit, als ich über das hier nachdachte, in meinem Landhaus war.
Je lui ai – à juste titre, contrairement à ce que je lui ai dit – je lui ai avancé cette forme, en le priant de découvrir l’équivalence qui aurait pu se produire.
Ich habe ihm – zu Recht, im Gegensatz zu dem, was ich ihm gesagt habe –, ich habe ihm diese Form vorgelegt und ihn gebeten, die Äquivalenz, die sich angeblich herstellen lässt, aufzudecken.
Mais il est clair que l’équivalence ne peut pas se produire comme il apparaît de ceci, c’est que le vert, au regard du double huit et du huit rouge, est quelque chose qui ne saurait franchir, si je puis dire, la bande externe de ce double huit rouge.
Es ist jedoch klar, dass sich die Äquivalenz nicht herstellen kann, wie sich darin zeigt, dass der grüne sich zur Doppelacht, zur roten Acht, auf die Weise verhält, dass er, wenn ich so sagen darf, das Außenband der roten Doppelacht nicht überschreiten kann.
Il n’y a donc pas – au niveau du sinthome – il n’y a pas équivalence du rapport du vert et du rouge, pour nous contenter de cette désignation simple.
Auf der Ebene des Sinthoms gibt es also keine Äquivalenz im Verhältnis zwischen Grün und Rot, um uns mit dieser einfachen Bezeichnung zu begnügen.
C’est dans la mesure où il y a sinthome qu’il n’y a pas équivalence sexuelle, c’est-à-dire qu’il y a rapport.
In dem Maße, in dem es Sinthom gibt, gibt es keine sexuelle Äquivalenz, das heißt, gibt es Verhältnis.
Car il est bien sûr que si nous disons que le non-rapport relève de l’équivalence, c’est dans la mesure où il n’y a pas d‘équivalence que se structure le rapport.
Denn das ist sicher: Wenn wir sagen, dass das Nichtverhältnis von der Äquivalenz herrührt, dann ist das Verhältnis in dem Maße strukturiert, wie es keine Äquivalenz |{109} gibt.
Il y a donc à la fois rapport sexuel et pas rapport.
Es gibt also zugleich sexuelles Verhältnis und kein Verhältnis. 26
À ceci près que là où il y a rapport, c’est dans la mesure où il y a sinthome, c’est-à-dire où – comme je l’ai dit – c’est du sinthome qu’est supporté l’autre sexe.
Abgesehen davon, dass dort, wo es Verhältnis gibt, dies in dem Maße so ist, wie es Sinthom gibt, das heißt wie das andere Geschlecht, wie ich gesagt habe, durch das Sinthom gestützt wird.
Je me suis permis de dire que le sinthome, c’est très précisément le sexe auquel je n’appartiens pas, c’est-à-dire une femme.
Ich habe mir erlaubt zu sagen, dass das Sinthom genau das Geschlecht ist, dem ich nicht angehöre, also eine Frau.
Si une femme est un sinthome pour tout homme, il est tout à fait clair qu’il y a besoin de trouver un autre nom pour ce qu’il en est de l’homme pour une femme, puisque justement le sinthome se caractérise de la non-équivalence.
Wenn für jeden Mann eine Frau ein Sinthom ist, dann ist völlig klar, dass es nötig ist, einen anderen Namen für das zu finden, was es für eine Frau mit dem Mann auf sich hat, da sich das Sinthom ja gerade durch die Nichtäquivalenz auszeichnet.
On peut dire que l’homme est pour une femme tout ce qui vous plaira, à savoir une affliction pire qu’un sinthome, vous pouvez bien l’articuler comme il vous convient, un ravage même.
Man kann sagen, für eine Frau ist der Mann alles, was Sie wollen, nämlich eine Heimsuchung, die schlimmer ist als ein Sinthom, Sie können das gerne so formulieren, wie es Ihnen angemessen erscheint, eine Verheerung sogar.
Mais s’il n’y a pas d’équivalence, vous êtes forcés de spécifier ce qu’il en est du sinthome.
Wenn es aber keine Äquivalenz gibt, sind Sie gezwungen, genauer anzugeben, was es mit dem Sinthom auf sich hat.
Il n’y a pas d’équivalence, c’est la seule chose, c’est le seul réduit où se supporte ce qu’on appelle chez le parlêtre, chez l’être humain, le rapport sexuel.
Es gibt keine Äquivalenz, das ist die einzige Sache, das einzige Reduit27, worauf sich das stützt, was man beim Sprechwesen, beim Menschenwesen, das sexuelle Verhältnis nennt.
Est-ce que ce n’est pas ce que nous démontre ce qu’on appelle – c’est un autre usage du terme – la clinique – c’est le cas de le dire – le lit ?
Wird uns das nicht durch das gezeigt, was man – in einem anderen Wortgebrauch – als „Klinik“ bezeichnet, im Sinne des Wortes „das Bett“?28
Quand nous voyons les êtres au lit, c’est quand même là – pas seulement dans les lits d’hôpital – c’est tout de même là que nous pouvons nous faire une idée de ce qu’il en est de ce fameux rapport.
Wenn wir die Wesen im Bett sehen, au lit, dann können wir uns immerhin dort – nicht nur in den Krankenhausbetten –, dann können wir uns ja dort eine Idee von dem machen, was es mit diesem berühmten Verhältnis auf sich hat.
Ce rapport se lie, c’est le cas de le dire – l, i, e, cette fois-ci – ce rapport se lie à quelque chose dont je ne saurais avancer… et c’est bien ce qui résulte – mon Dieu – de tout ce que j’entends sur un autre lit, sur le fameux divan où on m’en raconte à la longue …c’est que le lien, le lien étroit du sinthome, c’est ce quelque chose dont il s’agit de situer ce qu’il a à faire avec le réel, avec le réel de l’Inconscient, si tant est que l’Inconscient soit réel.
Dieses Verhältnis se lie, verbindet sich, das muss man schon sagen – jetzt lie, l, i, e29 –, dieses Verhältnis verbindet sich mit etwas, wovon ich nur zu behaupten wüsste – und das ist eben das, was sich, mein Gott, aus all dem ergibt, was ich auf einem anderen lit vernehme, auf einem anderen Bett, auf der berühmten Couch, wo man mir lang und breit davon erzählt –, nämlich dass die Verbindung, die enge Verbindung des Sinthoms jenes Etwas ist, bei dem es darum geht, zu verorten, was es mit dem Realen zu tun hat, mit dem Realen des Unbewussten, falls das Unbewusste real sein sollte.
Comment savoir si | [102] l’inconscient est réel ou imaginaire ?
Wie kann man wissen, ob das Unbewusste real ist oder imaginär?
C’est bien là la question.
Eben das ist die Frage.
Il participe d’une équivoque entre les deux, mais de quelque chose dans quoi, grâce à Freud, nous sommes dès lors engagés, et engagés à titre de sinthome.
Es hat teil an einer Äquivokation zwischen den beiden, jedoch von etwas her, womit wir dank Freud seither befasst sind, womit wir in Gestalt des Sinthoms befasst sind.
Je veux dire que désormais, c’est au sinthome que nous avons affaire dans le rapport lui-même – tenu par Freud pour naturel, ce qui ne veut rien dire – le rapport sexuel.
Ich will sagen, dass wir es seither mit dem Sinthom zu tun haben, wenn |{110} es um das Verhältnis selbst geht, das Freud für natürlich hielt – was nichts heißen will –, um das sexuelle Verhältnis.
C’est là-dessus que je vous laisserai aujourd’hui, puisqu’aussi bien il faut que je marque d’une façon quelconque ma déception de ne pas vous avoir ici rencontrés plus rares.
Darüber werde ich sie heute verlassen, da ich auch irgendwie meiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen muss, Sie hier nicht weniger zahlreich angetroffen zu haben.
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PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN UND FRAGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen.
Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine Ergänzungen.
Passagen in eckigen Klammern, die mit einem Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
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{97} Lacan beginnt damit, dass er beklagt, dass zu viele Zuhörer da sind; er möchte auf eine Weise sprechen, die intimer ist. [Er kämpft noch immer mit den Folgen seiner Entlassung als Lehrender aus dem Sainte-Anne-Krankenhaus im Jahr 1964, die dazu führte, dass er viele Hörer bekam.] Er bezeichnet sein Vorgehen im Seminar als recherche, als Suche, Forschung. Es scheint ihm schwierig zu sein, sich für eine Forschung zu interessieren. Wörtlich heißt rechercher „wieder suchen“ – es gibt Wiederholungen, er dreht sich im Kreis [vielleicht auch im Sinn von: er dreht sich in den borromäischen Ringen]. Er hat größere Mühe als früher, sich einen Weg zu bahnen.
Zusammenfassung der vorangegangenen Sitzung
Reparatur eines falschen Knotens durch ein Sinthom
{98} Lacan fasst zusammen, was er das letzte Mal vorgetragen hat. Ausgangspunkt ist ein bestimmter Knoten, der sogenannte Dreierknoten (auch „Kleeblattknoten“ genannt) [der einfachste Knoten mit einer Selbstverschlingung, die sich ohne Zerschneiden des Knotens nicht auflösen lässt]. [Wenn man Gebilde ohne Selbstverschlingung als „Unknoten“ bezeichnet, kann man sagen, dass der Dreierknoten die einfachste Form des Knotens ist.]
Dreierknoten oder Kleeblattknoten
Der Dreierknoten oder Kleeblattknoten kann aus einer borromäischen Verkettung [von drei Ringen] abgeleitet werden [durch ein Verfahren, das in den Zeichnungen unten angedeutet wird].
Borromäische Verkettung von drei Ringen mit eingetragenem Dreierknoten
Umwandlung einer borromäischen Verkettung von drei Ringen in einen Dreierknoten
Lacan weist darauf hin, dass das Gebilde, das er meist als „borromäischer Knoten“ bezeichnet hatte, in der Topologie nicht „Knoten“ genannt wird, sondern chaîne, „Verkettung“, „Verschlingung“, „Link“. [Der sogenannte „borromäische Knoten“ ist, in der Terminologie der Topologen, eine Verkettung von drei trivialen Knoten oder Unknoten (von drei Ringen ohne Selbstverschlingung), wobei diese Verkettung die Brunn’sche Eigenschaft hat – die Elemente halten zusammen, obwohl sie nicht direkt ineinandergreifen, und das heißt: alle Elemente fallen auseinander, wenn ein beliebiges aufgetrennt wird].
In der Zeichnung der borromäischen Verkettung von drei Ringen mit Zuordnung des Realen (R), des Symbolischen (S) und des Imaginären (I) kann der Sinn an einem bestimmten Feld verortet werden. [Der Sinn hat hier seinen Platz im Überschneidungsbereich des Symbolischen und des Imaginären, abzüglich des Realen.] Und die borromäische Verkettung hat nicht zuletzt den Sinn, den Sinn zu verorten.
R = Reales, S = Symbolisches, I = Imaginäres1
Der Sinn kann von der Beziehung auf das Imaginäre nicht abgelöst werden, da wir in allem, was wir denken, darauf verwiesen sind, es zu imaginieren. [Auch vom Symbolischen kann der Sinn nicht getrennt werden:] [Das Feld des Sinns liegt außerhalb des Feldes des Realen.] Im Gegensatz zur Auffassung der Würzburger Schule denken wir nicht ohne Worte. [Mit der Lehre vom „Denken ohne Bilder“ löst diese Strömung der Psychologie das Denken nicht nur von den Bildern ab, sondern zugleich von der Sprache, und das auf besonders radikale Weise, wie Wygotski argumentiert hatte; sie verortet das Denken also, von Lacan aus gesehen, im Realen.]
Dreierknoten sind minimale Knoten [sie enthalten die minimale Anzahl von Selbstverschlingungen, nämlich eine (was zu drei Überschneidungen führt); bezeichnet man Ringe ohne Selbstverschlingung als „Unknoten“, sind Dreierknoten die minimale Form des Knotens.] Dreierknoten lassen sich aus einer borromäischen Verkettung von drei Ringen herleiten [durch Aufschneiden und Verspleißen]. Die einzelnen Elemente dieser Verkettung bilden selbst wiederum einen Knoten. [Vermutlich ist gemeint: Die Ringe einer borromäischen Verkettung können als Kleeblattknoten (oder Dreierknoten) aufgefasst werden]. Das heißt, dass sie sich nicht damit begnügen, eine bestimmte Anzahl von eingekeilten Feldern zu isolieren, von Orten, wo man sich den Finger einklemmen kann [sondern außerdem in sich selbst verschlungen sind].
Bei einem Dreiernoten kann es an bestimmten Stellen einen Irrtum geben, einen falschen Verlauf der Schnur.
links: echter Dreierknoten, rechts: falscher Dreierknoten
An einer der drei Kreuzungsstellen [an einem der der „Doppelpunkte“, wie die Topologen sagen] läuft eine Schnur nicht oben sondern unten (oder umgekehrt), und dies führt dazu, dass es keine Selbstverschlingung gibt und der Knoten ein einfacher Ring ist, ein Unknoten oder trivialer Knoten. [Man kann ihn so hinlegen, dass er einem Dreierknoten ähnelt, insofern er drei Überkreuzungen hat. Er ist jedoch kein Dreierknoten, da die Überkreuzungen durch einfache Manipulation – durch Ziehen und Klappen – beseitigt werden können.]
Entfaltung eines falschen Dreierknotens
Es genügt ein solcher Fehler, damit sich das Gebilde auf einen schlichten Ring reduziert, denn für einen Knoten mit Selbstverschlingung ist es nicht möglich, dass er nur zwei irreduzible Überkreuzungen hat, |{99} das weiß jeder.
Anders ist das bei Knoten mit vier oder fünf irreduziblen Überkreuzungen; Lacan nennt den ersten „Listing-Knoten“ und den zweiten „Lacan-Knoten“ [der Knoten mit fünf Überkreuzungen ist allerdings nicht Lacans Erfindung]. Bei diesen beiden Knoten gibt es einen Überkreuzungspunkt, bei dem ein falscher Verlauf der Schnur dazu führt, dass ein einfacher Ring entsteht, an den anderen Überkreuzungspunkten jedoch ist das nicht so. Lacan nennt den Fünfer-Knoten „Lacan-Knoten“, da er ihn [für seine Zwecke] für besonders angemessen hält; er verspricht, die Begründung für diese Behauptung ein andermal nachzuliefern. [Lacan ist also nicht nur auf der Suche nach einer für die Psychoanalyse geeigneten Verkettung, sondern auch auf der Suche nach einen geeigneten Typ der Selbstverschlingung.]Am Rande weist Lacan darauf hin, dass er sich beim Zeichnen eines Knotens immer wieder verzeichnet, |{100} was dazu geführt hat, dass [seine Sekretärin] Gloria [González] eine seiner Zeichnungen durch Einsetzen eines Stücks [Papier] auszubessern musste.
Knoten mit fünf Überkreuzungen („Lacan-Knoten“)
Joyce: Reparatur durch den Eigennamen
Lacan fährt mit der Zusammenfassung der letzten Sitzung fort und ruft in Erinnerung, dass er gesagt hatte, ein solcher Reparaturvorgang sei der Schlüssel für das, was mit Joyce geschehen sei. Joyce hatte ein bestimmtes Symptom [festzuhalten ist, dass Lacan auch hier „Symptom“ sagt, nicht „Sinthom“ – er wechselt zwischen den beiden Termini]. Dieses Symptom beruht darauf, dass der Vater von Joyce radikal ausfiel; Joyce spricht nur davon. [Das Ausfallen des Vaters ist also gewissermaßen der Fehler im Knoten.] Joyce wollte das Ausfallen des Vaters kompensieren, und zwar dadurch, dass er sich einen Namen machte. Auf diese Weise kommt der Eigenname ins Spiel. [Also hat der Eigenname die Funktion eines Reparaturrings, eines Symptoms oder Sinthoms, er ist ein Ersatz für den nicht richtig installierten Namen-des-Vaters.]
Joyces Kunst ist allerdings etwas so Besonderes, dass der Ausdruck „Sinthom“ für sie tatsächlich angemessen ist. [Hier macht Lacan eine Bemerkung, die in die Richtung geht, das „Symptom“ vom „Sinthom“ zu unterscheiden; das „Sinthom“ ist demnach etwas sehr Besonderes.]
Das Sinthom der aufgezwungenen Worte
Lacan ergänzt nun die das letzte Mal vorgetragenen Überlegungen zu Joyce, indem er einen Vergleichsfall heranzieht. Dabei geht es um einen Patienten, den Lacan in der vorangegangenen Woche bei einer seiner Patientenvorstellungen im Sainte-Anne-Krankenhaus vorgestellt hatte. Es handelt sich um einen Fall von Wahnsinn, der mit dem Sinthom der „aufgezwungenen Worte“ (paroles imposées) begonnen hatte, wie das vom Patienten selbst genannt wurde; Lacan merkt dazu an, dass er diese Formulierung für äußerst vernünftig hält, unter lacanianischem Aspekt (wie Lacan selbst es nennt). [Auch bezogen auf diesen Patienten spricht Lacan also vom „Sinthom“.] Man müsse sich fragen, warum wir nicht alle spüren, dass die Worte, von denen wir abhängen, uns in gewissem Sinne aufgezwungen sind, dass sie ein Parasit sind, ein Furnier [also etwas von außen Aufgezwungenes und keine Tiefe], ein Krebs. |{102} Ein sogenannter Kranker sieht manchmal mehr als ein sogenannter Normaler – warum gibt es einige, die das Aufgezwungensein der Worte spüren? Bei diesem Patienten hatte das Befinden sich verschlechtert, er hatte nicht mehr nur das Gefühl, dass ihm Worte aufgezwungen wurden, sondern den Eindruck, dass er von etwas betroffen war, was er, der Patient, selbst Telepathie nannte, allerdings nicht im üblichen Sinne des Wortes. Er bezeichnete sich als „Sender-Telepath“, d.h. er war davon überzeugt, dass die anderen Kenntnis von seinen Überlegungen hätten. Dabei bezog er sich vor allem auf die Reflexionen, die er als Antwort auf die aufgezwungenen Worte formulierte. Aufgezwungene Worte waren beispielsweise sale assassinat politique („dreckiger politischer Mord“), was für ihn äquivalent war mit sale assistanat politique („dreckige politische Unterstützung“) – der Signifikant reduzierte sich für ihn auf das, was er tatsächlich ist: auf eine Äquivokation, also auf Laute mit mehreren Bedeutungen, sowie auf eine Lautähnlichkeit. Als Reaktion auf diese mehrdeutigen aufgezwungenen Worte sagte er sich etwas als Antwort, wobei diese Antwort mit „aber“ begann und seine Überlegung zu diesem Thema darstellte. Was ihn nun irre machte, war die Vorstellung, dass alle anderen von diesen Überlegungen Kenntnis hatten. Er hatte keine Geheimnisse mehr, nichts Privates. Deshalb hatte er versucht, sich umzubringen, deshalb war er in der Klinik, deshalb kam es dazu, dass Lacan ihn bei einer seiner Krankenpräsentationen vorstellte. [Die Klage des Patienten, dass er keine Geheimnisse mehr hat, erinnert von ferne an die Eingangsbemerkungen von Lacan, dass der Saal zu voll ist.]
|{103} Von hier aus lässt sich, Lacan zufolge, eine Verbindung zu Joyce herstellen. Joyce hatte eine Tochter, Lucia, die von den Ärzten als schizophren diagnostiziert wurde. Zum Zeitpunkt von Lacans Seminar, 1976, lebte sie noch, und zwar in einer psychiatrischen Einrichtung in England [Lucia Joyce, 1907–1982]. Joyce hatte sie gegen den Zugriff der Ärzte wild verteidigt. Dabei war sein Hauptargument, sie sei eine Telepathin. In den Briefen, die er in ihrer Angelegenheit schrieb, heißt es, sie sei intelligenter als andere, was man daran sehe, dass andere Leute für sie kein Geheimnis hätten – Lucia informiere ihn darüber, was mit diesen Leuten geschehe. Es ist natürlich klar, sagt Lacan, dass sie keine Telepathin war, dass sie nicht mehr über andere wusste als es üblich ist. Das Interessante ist für Lacan, dass Joyce seiner Tochter diese Fähigkeit zuschreibt, um sie gegen die Ärzte zu verteidigen. Lacans These hierzu lautet: Die Zuschreibung von telepathischen Fähigkeiten, bezogen auf Lucia, ist eine „Fortsetzung“ des eigenen Symptoms von James Joyce [insofern dieses Symptom mit aufgezwungenen Worten zu tun hat].
Wenn man die Folge der Werke von Joyce betrachtet, von den frühen Essays bis zu Finnegans Wake, gibt es hier einen kontinuierlichen Fortschritt. Das Wort, genauer: das geschriebene Wort, wird von ihm zerbrochen, und das Zerschlagen der Worte nimmt beständig zu. Dieses Verhältnis zum Wort wurde Joyce mehr und mehr aufgezwungen. Bis zu dem Punkt, dass er die Sprache schließlich auflöste, wie Philippe Sollers [in einem Aufsatz] richtig bemerkt hat; Joyce zwingt der Sprache eine Zersetzung auf, mit der Folge, dass es keine „phonatorische Identität“ mehr gibt [womit vielleicht gemeint ist: keine auf den Laut gestützte relative Stabilität der Bedeutung]. Die Zersetzung des Wortes erfolgt durch Vermittlung der Schrift. |{104} Bei dieser Deformation bleibt unklar, ob es darum geht, sich vom Wortparasiten zu befreien [von den aufgezwungenen Worten], oder darum, sich von der wesentlichen phonemischen Eigenschaft des Wortes überfluten zu lassen, von der Polyphonie.
Dass Joyce seine Tochter Lucia als Telepathin verteidigt, ist auf das Ausfallen des Vaters zu beziehen.
Der Lapsus, in jedem Sinne
[Das Ausfallen des Vaters entspricht einem falschen Schnurverlauf, deshalb kommt Lacan auf den „falschen Dreierknoten“ zurück.] Als Sinthom bezeichnet Lacan, sagt er, den Reparaturring, wenn er an der Stelle angebracht wird, an der die Bahn des Knotens einen Fehler macht [so dass die Schnurr an der Überkreuzungsstelle nicht oben sondern unten verläuft oder umgekehrt]. [Die Beschränkung des Sinthom-Begriffs auf diesen Typ von Reparatur wird später in dieser Sitzung aufgegeben und alle drei Reparaturmöglichkeiten werden als „Sinthom“ bezeichnet.]
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring
[Es ist möglich, dass der Fehler im Dreierknoten – der falsche Verlauf der Schnur an einer Überkreuzungsstelle – durch einen Lapsus zustande kommt, durch eine Fehlhandlung. Deshalb schließt Lacan an dieser Stelle Überlegungen zum Lapsus an.] Der Begriff des Unbewussten beruht teilweise auf dem Lapsus (lateinisch für „Fall“ im Sinne von „Sturz“), d.h. auf dem Versprecher (lapsus linguae) [den Freud in Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1904) behandelt hat] sowie auf dem Witz [den Freud in Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905) untersucht hat]. Zwischen Versprecher und Witz gibt es einen Zusammenhang: der Witz kann aus einem Versprecher entstehen. Freud zufolge beruht der Witz auf einem Kurzschluss, dieser führt dazu, dass Energie gespart wird – diejenige, die für die Verdrängung notwendig ist –, und das Ersparen von Hemmungsaufwand ruft Lust hervor.
Vom |{105} Versprecher, dem Lapsus linguae, wechselt Lacan zum Lapsus eines Knotens, also zum falsch gebildeten Knoten. Darunter versteht er nicht nur den Knoten mit falscher Überkreuzung, sondern auch den Vorgang, dass es einem misslingt, Knoten richtig zu zeichnen [der „falsche“ Knoten beruht dann auf einer Fehlhandlung]. [Man kann den Fehler beim Zeichnen eines Knotens also den von Freud in der Psychopathologie des Alltagslebens untersuchten Fehlhandlungen hinzufügen: Vergessen, Versprechen, Verlesen, Verschreiben, Vergreifen – diese Liste wäre durch „Verzeichnen“ zu ergänzen.] Diese Irrläufer [diese Fehlhandlungen] entstehen durch die Konsistenz des Unbewussten. [Lacan bezieht sich hier auf die in Seminar 22 entwickelte Trias zur Beschreibung von Knoten: Konsistenz, Ex-sistenz und Loch der Knoten.] [? Worin besteht die Konsistenz des Unbewussten? Inwiefern ist es die Konsistenz des Unbewussten, die die Fehlhandlungen erzeugt?] [Der Sündenfall heißt auf lateinisch lapsus, „Fall“.] Vom Lapsus im Sinne einer Fehlhandlung wechselt Lacan zum Lapsus im Sinne einer Sünde. Über den Sündenfall spricht Joyce [in Finngans Wake] beständig. Die Mehrdeutigkeit des Wortes [nämlich des Wortes „Lapsus“] ermöglicht es, von einem Sinn zum anderen überzugehen [von der Fehlhandlung zur Sünde] und auf diese Weise über die Beziehung nachzudenken. Durch Freuds Theorie des Lapsus, der Fehlhandlung, erneuert sich der Begriff des Lapsus, des Sündenfalls und der Sünde. Ist das, was vom Bewusstsein bzw. vom Gewissen zur Sünde und zum Sündenfall gemacht wird, eine Art Fehlhandlung? Mit dieser Frage sind wir bei einem Imbroglio [wie es in der Musik heißt], bei einer Verwirrung, und damit wieder beim Knoten [vielleicht im Sinne von: bei der Verwirrung eines Knotens, beim „falschen Knoten“].
Äquivalenz zweier Ringe in einer Verkettung
Wenn man bei einem falschen Dreierknoten erreichen will, das die Überkreuzung stabil bleibt, muss man um eine der drei Überkreuzungsstellen einen Ring herum fädeln. |{106}
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an den drei Überkreuzungsstellen
Es ist bemerkenswert, dass die Reparatur nicht an allen drei Überkreuzungen denselben Effekt hat. Wenn man den Reparaturring dort anbringt, wo der Irrtum liegt – wo die Schnur falsch läuft – führt das zu einer anderen Struktur als wenn man den Reparaturring an den beiden anderen Überkreuzungsstellen anbringt. Alle drei Reparaturringe bezeichnet Lacan hier als „Sinthom“.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring und Bezifferung der Überkreuzungsstellen
Der Unterschied bezieht sich auf die „Äquivalenz“ der beiden Elemente. Wenn der Reparaturring dort angebracht wird, wo der Irrtum ist, sind die beiden Elemente nicht-äquivalent, wenn er dort angebracht wird, wo kein Irrtum ist, sind die beiden Elemente äquivalent.
Unter „Äquivalenz“ der Elemente versteht Lacan, dass die Verkettung so manipuliert werden kann, dass das eine Element die Position des anderen einnimmt und das andere Element die Position des einen, dass sie also in diesem Sinne ausgetauscht werden können. [Lacan erläutert das an einer weiteren Verkettung.] Wie beim Dreierknoten mit Reparaturring geht es auch hier um die Verkettung von zwei Schnur-Ringen ohne Selbstverschlingung, also um die Verkettung von zwei trivialen Knoten; der eine ist rot gefärbt, der andere grün. Der rote Ring wird in Gestalt einer Acht angeordnet – eine Form, die sich quasi spontan ergibt –, wodurch ein Überkreuzungspunkt entsteht. Der grüne Ring wird kreisförmig um die Überkreuzung herumgeführt, im Wechsel von Überführung und Unterführung. Der kreisförmige grüne Ring, das Sinthom, sorgt dafür, dass die Selbstüberkreuzung des roten Rings beim Ziehen an den Ringen erhalten bleibt.
Äquivalenz von zwei trivialen Knoten (Kreis und Acht) in einer Verkettung
Die beiden Schnur-Ringe sind in diesem Falle äquivalent. |{107} Durch Ziehen – also ohne Zerschneiden und Verspleißen – kann der rote Achterring so umgeformt werden, dass er die Form eines kreisförmigen Rings annimmt, und der grüne kreisförmige Ring kann so arrangiert werden, dass er zu einem Achterring wird. [Man muss sich daran erinnern, dass in der Topologie die Ringe als beliebig dehnbar und schrumpfbar gelten, ein großer Ring kann also ohne weiteres zu einem kleinen werden und umgekehrt.] Im Ergebnis dieser Zupf-Operation verhalten sich die beiden Ringe so zueinander, dass der jetzt kreisförmige rote Ring als Sinthom fungiert, d.h. als ein Ring, der den falschen grünen Achterring insofern repariert, als er verhindert, dass dessen Überkreuzungsstelle durch Ziehen an den Ringen zum Verschwinden gebracht werden kann. Dabei hat der grüne Achterring denselben Schnurverlauf wie zuvor der rote: an der Überkreuzungsstelle verläuft in beiden Konfigurationen in der Zeichnung der überführende Ring von rechts oben nach links unten, was man als „Rechtsdrehung“ bezeichnen kann. Diese Transformation ist so einfach, dass man sie, ohne die Manipulation praktisch durchzuführen, im Kopf durchspielen kann.
[Wenn die Reparatur nicht an der Fehlerstelle vorgenommen wird, stehen die beiden Elemente in einer Beziehung der Äquivalenz; wenn die Reparatur an der Fehlerstelle vorgenommen wird, stehen die beiden Elemente nicht in einer Beziehung der Äquivalenz.]
Sexuelles Nicht-Verhältnis = Äquivalenz, sexuelles Verhältnis = Nicht-Äquivalenz
Lacan bezieht nun die so gewonnenen Begriffe von Äquivalenz und Nicht-Äquivalenz auf das sexuelle Verhältnis. Seine These lautet: Wenn es Äquivalenz [der Elemente] gibt, gibt es eben deshalb kein Verhältnis (rapport). [Die These ist irritierend formuliert, da ja auch eine Äquivalenz ein Verhältnis ist, ein Verhältnis der Gleichwertigkeit. Unter „Verhältnis“ versteht er hier eine spezielle Art von Verhältnis, das „sexuelle Verhältnis“ (rapport sexuel). Seit 1969 hatte Lacan immer wieder die These vorgebracht, „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ (vgl. in Lacan entziffern den Beitrag „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“). Gemeint ist also: Wenn es Äquivalenz der Elemente gibt (wenn sie ihre Position tauschen können), gibt es eben deshalb kein sexuelles Verhältnis.]
[Lacan ordnet jetzt die beiden Elemente (die beiden Ringe, den roten und den grünen Ring) den beiden Geschlechtern zu. Die Beziehung zwischen den beiden Geschlechtern kann äquivalent sein oder nicht äquivalent. Ist sie äquivalent, gibt es kein sexuelles Verhältnis, ist sie nicht-äquivalent, gibt es ein sexuelles Verhältnis.]
[Erste Möglichkeit: Die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist so beschaffen, dass der Mann für die Frau die Funktion eines Reparatur-Rings hat und dass umgekehrt zugleich die Frau für den Mann die Funktion eines Reparatur-Rings hat; beide kompensieren also wechselseitig füreinander den „Irrtum“, den „Fehler“ in ihrer eigenen „Fadenführung“. In diesem Falle spricht Lacan von „Äquivalenz“ und in diesem Falle gibt es kein „sexuelles Verhältnis“. Anders gesagt: Wenn die Reparaturfunktion, die die beiden Partner füreinander haben, streng symmetrisch ist (äquivalent), gibt es kein sexuelles Verhältnis.]
{108} Anders ist es, wenn der Fehler an der Stelle repariert wird, an der er aufgetaucht ist.
Falscher Dreierknoten mit Reparaturring an der Fehlerstelle
Die beiden Geschlechter, symbolisiert durch die beiden Farben, sind dann nicht mehr äquivalent.
[? Was heißt, in psychoanalytischer Perspektive, dass in der Beziehung zwischen den Geschlechtern die Reparatur an der Fehlerstelle oder nicht an der Fehlerstelle erfolgt?]
Lacan erläutert die formale Struktur der Nicht-Äquivalenz an einer Zeichnung, in welcher der (falsche) Dreierknoten die Form einer Acht in einem Kreis angenommen hat. [Dass es sich dabei um den Dreierknoten bzw. Kleeblattknoten handelt, sieht man daran, dass es drei Überkreuzungspunkte gibt. Dass der Dreierknoten falsch ist, lässt sich erkennen, wenn man einem Faden folgt: An den Überkreuzungsstellen gibt es keinen regelmäßigen Wechsel von „drüber“ und „drunter“. In der Überkreuzung in der Mitte des Bildes müsste der von links oben kommende Faden unterhalb des anderen Fadens verlaufen, nicht darüber.]
Falscher Dreierknoten (dargestellt als Acht-im-Kreis) mit Reparaturring an der Fehlerstelle
Nicht-Äquivalenz der beiden Elemente
Diese beiden Ringe nicht äquivalent, sie können nicht streng symmetrisch die Plätze wechseln. Der Reparaturring kann zwar durch Ziehen in einen falschen Dreierknoten (in eine Acht-im-Kreis) verwandelt werden und der falsche Dreierknoten in einen Reparaturring. Vor und nach der Umformung haben die Reparaturringe jedoch unterschiedliche Verläufe, sie unterscheiden sich in der Art, wie sie die Reparatur herstellen: einmal verläuft der Reparaturring gewissermaßen innerhalb der Acht-im-Kreis (linkes Bild), das andere Mal außen (rechtes Bild). [Anders gesagt: die beiden Geschlechter haben zwar füreinander dieselbe Funktion, eine Reparaturfunktion, aber diese Funktion wird durch unterschiedliche Strukturen realisiert. Die Reparaturbeziehung ist nicht streng symmetrisch.]
Lacan berichtet, dass er Jacques-Alain Miller hierzu eine Aufgabe gestellt hatte, er hatte ihm eine Verkettung eines Kreises mit Innenacht und eines Reparaturrings vorgelegt und ihn aufgefordert, zu zeigen, dass die beiden Ringe äquivalent seien, obwohl sie es nicht sind. Er sagt, dass er dies zu Recht getan habe, im Gegensatz zu dem, was er Miller gegenüber behauptet hatte [der Sinn dieses Hinweises ist mir nicht klar].
„In dem Maße, da es Sinthom gibt, gibt es keine sexuelle Äquivalenz, das heißt, es gibt Verhältnis.“ [Jetzt beschränkt Lacan den Begriff des Sinthoms wieder auf einen Reparatur-Ring an der Fehlerstelle. Es gibt durchaus ein sexuelles Verhältnis, nämlich dann, wenn die Reparatur an der Fehlerstelle erfolgt, wenn es also keine Äquivalenz der Ringe gibt.]
[Das ist eine bemerkenswerte These, da Lacan ja seit Seminar 16 immer wieder erklärt hatte: Es gibt kein sexuelles Verhältnis. Jetzt erfahren wir: Es kann durchaus ein sexuelles Verhältnis geben, nämlich dann, wenn in einer Beziehung die Funktion der wechselseitigen Reparatur einen asymmetrischen Charakter hat. Hierfür hatte Lacan in der vorangehenden Sitzung ein Beispiel gegeben: Das Verhältnis von Joyce zu Nora ist ein „merkwürdiges sexuelles Verhältnis“, hieß es dort (10. Februar 1976). Von daher drängt sich auf, dass es, in Lacans Sicht, offenbar normalerweise kein sexuelles Verhältnis gibt, dass es aber in einigen Fällen durchaus ein sexuelles Verhältnis gibt.]
„Denn das ist sicher: Wenn wir sagen, dass das Nichtverhältnis von der Äquivalenz herrührt, dann strukturiert sich das Verhältnis insofern, als es keine Äquivalenz gibt.“ [Der Begriff des sexuellen Nichtverhältnisses wird hier an den Begriff der der Äquivalenz gebunden.]
|{109} „Es gibt also zugleich sexuelles Verhältnis und kein [sexuelles] Verhältnis.“ [? Wie ist das „zugleich“ gemeint:
(a) Manche Beziehungen haben die Struktur eines sexuellen Verhältnisses (sie sind nicht-äquivalent), andere Beziehungen haben nicht die Struktur eines sexuellen Verhältnisses (sie sind äquivalent).
(b) Eine konkrete Beziehung kann zugleich ein sexuelles Verhältnis und kein sexuelles Verhältnis sein. –?
Lacan beschreibt die Beziehung von Joyce zu Nora als Sonderfall. Das spricht ein bisschen für (a).]
Ein [sexuelles] Verhältnis gibt es dann, wenn das andere Geschlecht durch das Sinthom gestützt wird. [Der Ausdruck „Sinthom“ wird hier offenbar im engen Sinne verwendet: Korrektur an der Fehlerstelle = Nicht-Äquivalenz.]
Lacan erinnert daran, dass er früher gesagt hatte, für jeden Mann sei eine Frau ein Sinthom; damit sei das Sinthom das Geschlecht, dem er, Lacan, nicht angehört, also eine Frau. [Vgl. Seminar 22, Sitzung vom 21. Januar 1975, und in Lacan entziffern den Beitrag „Eine Frau ist ein Symptom des Mannes“.] [Damit ist klar: Sofern für den Mann eine Frau ein Sinthom ist, gibt es in dieser Beziehung ein sexuelles Verhältnis.]
Wenn die Beziehung zwischen den Geschlechtern aber durch Nichtäquivalenz charakterisiert ist [also dadurch, dass die Reparaturfunktion sich direkt auf die Fehlerstelle bezieht], dann kann für eine Frau der Mann nicht ein Sinthom sein. Also muss man einen anderen Namen für die Reparaturfunktion finden, die für eine Frau durch den Mann erfüllt wird. Das kann man nennen wie man will: Er ist für sie eine Heimsuchung, schlimmer als ein Sinthom, er ist für sie eine Verheerung.
Für den Fall, dass es keine Äquivalenz gibt, muss man spezifizieren, was es mit dem Sinthom auf sich hat. [Damit könnte gemeint sein: Bei Nicht-Äquivalenz muss man das Sinthom (Perspektive des Mannes) von der Heimsuchung oder was auch immer (Perspektive einer Frau) unterscheiden.]
Das sexuelle Verhältnis reduziert sich beim Sprechwesen – bei dem Lebewesen, dass sich dadurch auszeichnet, dass es spricht – darauf, dass es keine Äquivalenz gibt. [Wenn es zwischen den Partnern ein sexuelles Verhältnis gibt, dann beruht dies darauf, dass es zwischen ihnen keine Äquivalenz gibt, d.h. dass sie die Reparaturfunktion füreinander auf unterschiedliche Weise wahrnehmen.]
[Das Argument zum sexuellen (Nicht-)Verhältnis hat hier also folgende Struktur:
(a) Es gibt kein sexuelles Verhältnis:
– Reparatur erfolgt nicht an der Fehlerstelle → Äquivalenz der beiden Elemente (die Partner haben füreinander dieselbe Reparaturfunktion)
Zugleich gilt:
(b) Es gibt ein sexuelles Verhältnis
– Reparatur erfolgt an der Fehlerstelle → keine Äquivalenz der beiden Elemente (die Partner haben füreinander unterschiedliche Reparaturfunktionen).
In diesem Falle:
–– von der Seite des Mannes: Eine Frau hat für den Mann die Funktion eines Sinthoms; Beispiel Joyce → Nora („Sinthom“ hier im engeren Sinne, beschränkt auf Reparatur an der Fehlerstelle)
–– von der Seite einer Frau: Ein Mann hat für eine Frau die Funktion einer Heimsuchung, einer Verheerung oder von was auch immer.]
[Der Satz „Für den Mann ist eine Frau ein Sinthom“ (Seminar 22) wird hier also eingeschränkt. Die These lautet jetzt: Für den Mann kann eine Frau ein Sinthom sein, nämlich dann, wenn die Reparatur an der Fehlerstelle erfolgt.] [? Müsste der Satz dann nicht so lauten: „Für einige Männer ist eine Frau ein Sinthom“ – ?]
Das reale Unbewusste und das imaginäre Unbewusste
Was hat es mit dem berühmten sexuellen Verhältnis auf sich? Davon kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man die Menschenwesen im Bett sieht, nicht nur im Krankenhausbett. Man sieht dann: Die enge Verbindung des Sinthoms ist die Sache, bei der zu verorten ist, was es mit dem Realen des Unbewussten auf sich hat, sofern denn das Unbewusste real ist. [? Was ist hier mit der „engen Verbindung des Sinthoms“ gemeint?] [Das Unbewusste wird von Lacan sonst immer dem Symbolischen zugerechnet. Unter einem bestimmten Aspekt ist es real. Unter welchem? Sicherlich insofern, dass das Symbolische des Unbewussten in eine Unmöglichkeit verwickelt ist.]
„Wie kann man wissen, ob das Unbewusste real oder imaginär ist?“ Das ergibt sich aus dem, was er, Lacan, von einem anderen Bett her beständig vernimmt, von der berühmten Couch des Psychoanalytikers. Das Unbewusste hat Teil an einer Mehrdeutigkeit zwischen dem Realen und dem Imaginären. [Das Unbewusste hat nicht nur einen realen Aspekt, sondern auch einen imaginären, zumindest wird das als Frage aufgeworfen. Was wäre der imaginäre Aspekt des Unbewussten? Ich nehme an, dass es durch die Deutung auf den Sinn bezogen wird und damit auf das Imaginäre (Sinn ist der Effekt der Überschneidung des Symbolischen und des Imaginären). Das was Lacan von der Couch her vernimmt, bezieht sich einerseits, in der Deutung, auf den Sinn, also auch auf das Imaginäre, andererseits auf das Unmögliche, also auf das Reale; das ist die Mehrdeutigkeit, mit der das Unbewusste es zu tun hat.]
Diese Mehrdeutigkeit hat mit dem Sinthom zu tun, das seit Freud unsere Aufgabe ist [die Aufgabe der Psychoanalytiker]. [Das Sinthom ist Gegenstand der Deutung; damit kommt das Imaginäre ins Spiel. Das Sinthom beruht darauf, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt, also auf dem Realen.]
Freud hielt das sexuelle Verhältnis für natürlich. was nichts heißen will. Wenn es um das sexuelle Verhältnis geht, haben wir es|{110} mit dem Sinthom zu tun. [Das heißt nach dem Vorherigen: Für gewöhnlich haben Psychoanalytiker es nicht mit dem sexuellen Verhältnis zu tun, sondern mit dem sexuellen Nicht-Verhältnis. Es gibt aber auch das sexuelle Verhältnis, Beispiel Joyce → Nora. In diesem Falle haben Psychoanalytiker es mit dem Sinthom zu tun, mit dem Sinthom im engeren Sinne – Nora hat für Joyce die Funktion eines Sinthoms. Und das heißt: Die Reparatur erfolgt hier an der Fehlerstelle.]
ZUSAMMENSTELLUNG ZU SYMPTOM/SINTHOM
Im Folgenden werden alle Stellen aufgeführt, an denen Lacan die Ausdrücke „Symptom“ oder „Sinthom“ verwendet. Die Zahlen in geschweiften Klammern sind Seitenzahlen, sie verweisen auf die Übersetzung von Mitelman und Dielmann.
Verwendung von „Symptom“ und „Sinthom“
Wie in der Sitzung vom 18. November 1975 verwendet Lacan auch in der Sitzung vom 17. Februar die Ausdrücke „Symptom“ und „Sinthom“ synonym.
(a) Er verweist ausdrücklich auf den synonymen Charakter der beiden Ausdrücke
„Gut, also letztes Mal habe ich Folgendes gesagt, als Anspielung darauf, dass das Symptom – das ich in diesem Jahr ‚Sinthom‘ genannt habe –, dass das Sinthom das ist, was beim Borromäer, bei der borromäischen Verkettung das ist, […].“ {100}
Lacan sagt über sich, dass er in diesem Jahr das Symptom Sinthom genannt hat.
(b) Er verwendet den Ausdruck „Sinthom“ für eine simple klinische Beschreibung, bei der man sonst „Symptom“ verwenden würde:
… „Es ist so, dass am Freitag, bei meiner Vorstellung von etwas, das man im Allgemeinen als Fall ansieht, sicherlich als Fall von Wahnsinn, als Fall von Wahnsinn, der mit dem Sinthom ‚aufgezwungene Worte‘ begonnen hat –.“ {101}
Diese Art der Verwendung von „Sinthom“ gab es bereits in der Sitzung vom 18. November, wo Lacan die Manie als „Sinthom“ bezeichnete.
(c) Er spricht abwechselnd von Joyces „Symptom“ und von Joyces „Sinthom“:
„Dass Joyce ein Symptom hat, das von dem ausgeht, dass sein Vater ausfiel, dass er radikal ausfiel, er spricht nur davon. Ich habe die Sache um den Namen herum zentriert, um den Eigennamen, und ich habe gedacht – machen Sie aus diesem Gedanken, was Sie wollen –, und ich habe gedacht, dass Joyce damit, dass er einen Namen für sich wollte, für das Ausfallen des Vaters eine Kompensation vorgenommen hat. Das ist zumindest das, was ich gesagt habe, da ich’s nicht besser sagen konnte. Ich werde versuchen, das auf präzisere Weise zu artikulieren. Es ist jedoch klar, dass Joyces Kunst etwas so Besonderes ist, dass der Ausdruck ‚Sinthom‘ wirklich das ist, was ihr angemessen ist.“ {101 f.}
(d) Über die Funktion einer Frau für den Mann heißt es:
„Ich habe mir erlaubt zu sagen, dass das Sinthom ganz präzise das Geschlecht ist, dem ich nicht angehöre, also eine Frau.“ {111}
Das bezieht sich auf Seminar 22, wo Lacan gesagt hatte, eine Frau sei ein „Symptom“ des Mannes. Demnach ist eine Frau ein Symptom oder auch ein Sinthom des Mannes.
Zarte Ansätze zur Unterscheidung von „Symptom“ und „Sinthom“
Borromäische Verkettung
„Gut, also letztes Mal habe ich Folgendes gesagt, als Anspielung darauf, dass das Symptom – das ich in diesem Jahr ‚Sinthom‘ genannt habe –, dass das Sinthom das ist, was beim Borromäer, bei der borromäischen Verkettung das ist, was es bei dieser borromäischen Verkettung ermöglicht, wenn wir keine Verkettung mehr daraus machen, das heißt, wenn wir hier das machen, was ich einen Fehler genannt habe, hier und auch hier, das heißt zugleich, wenn das Symbolische sich freisetzt, wie ich das letzte Mal ja angemerkt habe, also dann haben wir ein Mittel, das zu reparieren, nämlich das zu machen, was ich zum ersten Mal als das Sinthom definiert habe, nämlich dieses Etwas, das es dem Symbolischen, dem Imaginären und dem Realen ermöglicht, weiter zusammenzuhalten, obwohl da, aufgrund von zwei Fehlern, keiner mehr mit dem anderen zusammenhält.“ {100}
Das Symptom bzw. Sinthom ist der vierte Ring in einer borromäischen Verkettung. Er repariert zwei Irrtümer in der Verkettung von drei Ringen. Damit ermöglicht er es dem Symbolischen, dem Imaginären und dem Realen, zusammenzuhalten. (Gemeint ist hier: Die Viererverkettung hat insgesamt borromäischen Charakter – wenn man einen beliebigen Ring öffnet, fallen alle Ringe auseinander).
Reparatur eines falschen Dreierknotens durch einen Ring an der Fehlerstelle
„Das, was ich als Sinthom bezeichne, was ich so nenne, was ich so stütze und was hier durch einen Ring markiert ist, einen Schnur-Ring, das wird von mir so verstanden, dass es sich an eben der Stelle herstellt, an der, sagen wir, die Bahn des Knotens einen Irrtum begeht.“ {107}
In der Verkettung von zwei trivialen Knoten (zwei „Ringen“) kann einer der beiden Ringe ein Sinthom sein, nämlich dann, wenn er einen Fehler im anderen Ring repariert oder zu reparieren versucht. Der Fehler im anderen Ring besteht darin, dass es an einer Überkreuzungsstelle statt es einer Überführung eine Unterführung gibt (oder umgekehrt), mit der Folge, dass der Ring keine irreduzible Selbstverschlingung aufweist, also kein Dreierknoten ist, sondern ein einfacher Ring, ein „Unknoten“. Der Reparaturring kann an allen drei Überkreuzungen angebracht werden. In diesem Zitat wird als „Sinthom“ derjenige Ring bezeichnet, der an der Stelle eingreift, wo es den Fehler gibt.
„Wenn Sie achtgeben, können Sie sehen, auf eine Weise, für die der Knoten verantwortlich ist, können Sie sehen, dass Sie, wenn Sie mit einem Sinthom an eben dem Punkt reparieren, an dem sich der Lapsus hergestellt hat [1], keineswegs denselben Knoten erhalten, wenn Sie das Sinthom an eben die Stelle setzen, an der sich der Fehler hergestellt hat, oder wenn Sie die Sache, ebenfalls durch ein Sinthom, an den anderen beiden Punkten [2 und 3] korrigieren. Denn wenn Sie die Sache, den Lapsus, an den beiden anderen Punkten korrigieren – was ebenfalls denkbar ist, da es darum geht, dass von der ursprünglichen Struktur des Dreierknotens etwas erhalten bleibt –. Das, was durch das Eingreifens des Sinthoms erhalten bleibt, unterscheidet sich je nachdem, wo das Sinthom angebracht wird, wenn es am Punkt des Lapsus hergestellt wird, ergibt sich etwas anderes als dann, wenn der Dreierknoten auf die gleiche Weise an den anderen beiden Punkten durch ein Sinthom korrigiert wird. Das ist erstaunlich, es gibt etwas Gemeinsames in der Art, wie sich die Dinge verknüpfen, es gibt etwas, das durch eine bestimmte Ausrichtung gekennzeichnet ist, durch eine bestimmte Orientierung, eine bestimmte, sagen wir, Rechtsdrehung der Kompensation.“ {105 f.}
Hier werden alle drei möglichen Reparaturringe als „Sinthome“ bezeichnet. Dabei unterscheidet sich der Reparatureffekt des Sinthoms je nachdem, ob der Reparaturknoten (bzw. das Sinthom) an der Fehlerstelle angebracht wird oder woanders.
… „Es bleibt jedoch nicht minder klar, dass das, was sich hier aus der geknoteten Kompensation ergibt, aus der Kompensation durch das Sinthom, dass sich das von dem unterscheidet, was sich hier ergibt und dort. Dieser Unterschied ist folgendermaßen beschaffen: Zwischen diesem und diesem, also dem Sinthom und der Schleife, die sich hier, wenn ich so sagen darf, spontan herstellt, ist ein Austausch möglich, dieses ist mit jenem strikt äquivalent, also die, sagen wir, rote Acht und der grüne Kreis.“ {106 f.}
Zwischen dem falschen Knoten und dem Sinthomknoten kann es Äquivalenz geben. Damit ist gemeint, dass die beiden Knoten durch Ziehen an den Schnüren dazu gebracht werden können, die Plätze zu wechseln und danach die Struktur aufzuweisen, die zuvor der andere Ring hatte. Die Äquivalenz stellt sich her, wenn der Sinthomknoten nicht an der Fehlerstelle angebracht wird, sondern an einer der beiden anderen Kreuzungspunkte.
Sinthom und Inexistenz des sexuellen Verhältnisses
„Es gibt also, auf der Ebene des Sinthoms, es gibt keine Äquivalenz im Verhältnis zwischen Grün und Rot, um uns mit dieser einfachen Bezeichnung zu begnügen. In dem Maße, da es Sinthom gibt, gibt es keine sexuelle Äquivalenz, das heißt, es gibt ein Verhältnis. Denn das ist sicher: Wenn wir sagen, dass das Nichtverhältnis von der Äquivalenz herrührt, dann strukturiert sich das Verhältnis insofern, als es keine Äquivalenz gibt. Es gibt also zugleich sexuelles Verhältnis und kein Verhältnis. Abgesehen davon, dass dort, wo es Verhältnis gibt, dies insofern so ist, als es Sinthom gibt, das heißt insofern, als das andere Geschlecht, wie ich gesagt habe, durch das Sinthom gestützt wird. Ich habe mir erlaubt zu sagen, dass das Sinthom ganz präzise das Geschlecht ist, dem ich nicht angehöre, also eine Frau. Wenn eine Frau für jeden Mann ein Sinthom ist, dann ist völlig klar, dass es nötig ist, einen anderen Namen für das zu finden, was es für eine Frau mit dem Mann auf sich hat, da sich das Sinthom ja gerade durch die Nichtäquivalenz auszeichnet. Man kann sagen, der Mann ist für eine Frau alles, was Sie wollen, eine Heimsuchung nämlich, schlimmer als ein Sinthom; Sie können das gerne so artikulieren, wie es Ihnen angemessen erscheint, eine Verheerung sogar. Wenn es aber keine Äquivalenz gibt, sind Sie gezwungen, genauer anzugeben, was es mit dem Sinthom auf sich hat.“ {108 f.}
Zwischen einem falschen Knoten und einem Sinthom-Ring kann es auch Nicht-Äquivalenz geben. Nicht-Äquivalenz gibt es dann, wenn der Sinthom-Ring an der Fehlerstelle angebracht wird. Mit Nicht-Äquivalenz ist gemeint, die beiden Ringe können durch Ziehen an den Schnüren zwar dazu gebracht werden, die Plätze insofern zu wechseln, als der vorherige falsche Knoten ein Reparaturring wird und umgekehrt. Sie haben dann aber nicht dieselbe Struktur: der Sinthomring, der durch das Ziehen an den Schnüren entsteht, hat einen anderen Schnurverlauf als der Sinthomring, den es vorher gab. Diese Nicht-Äquivalenz ist, Lacan zufolge, eine der Formen der Beziehung zwischen den Geschlechtern: Im Falle der Nicht-Äquivalenz gibt es ein sexuelles Verhältnis.
Verhältnis von Sinthom, Realem und Unbewusstem
„Dieses Verhältnis verbindet sich (se lie), das muss man schon sagen – jetzt lie, l, i, e –, dieses Verhältnis verbindet sich mit etwas, von dem ich nur zu behaupten wüsste – und das ist eben das, was sich, mein Gott, aus all den ergibt, was ich auf einem anderen Bett vernehme, auf der berühmten Couch, wo man mir lang und breit davon erzählt –, dass die Verbindung, die enge Verbindung des Sinthoms jenes Etwas ist, bei dem es darum geht, zu verorten, was es mit dem Realen zu tun hat, mit dem Realen des Unbewussten, wenn denn das Unbewusste real ist. Wie kann man wissen, ob das Unbewusste real oder imaginär ist? Eben das ist die Frage. Es hat teil an einer Äquivokation zwischen den beiden, jedoch an etwas, womit wir dank Freud seither befasst sind, befasst als Sinthom.“ (109)
„Und ich rufe Ihnen das nebenbei in Erinnerung, ich habe gedacht – machen Sie mit meinem Denken, was Sie wollen, –, ich habe gedacht, das sei der Schlüssel für das, was Joyce zugestoßen ist. Dass Joyce ein Symptom hat, das von dem ausgeht: dass sein Vater ausfiel, dass er radikal ausfiel, er spricht nur davon. Ich habe die Sache um den Namen herum zentriert, um den Eigennamen, und ich habe gedacht – machen Sie aus diesem Gedanken, was Sie wollen –, und ich habe gedacht, dass Joyce damit, dass er einen Namen für sich wollte, für das Ausfallen des Vaters eine Kompensation vorgenommen hat. Das ist zumindest das, was ich gesagt habe, da ich’s nicht besser sagen konnte. Ich werde versuchen, das auf präzisere Weise zu artikulieren. Es ist jedoch klar, dass Joyces Kunst etwas so Besonderes ist, dass der Ausdruck ‚Sinthom‘ wirklich das ist, was ihr angemessen ist.“ (101)
Das Symptom bzw. Sinthom von James Joyce beruht auf der Unzulänglichkeit des Vaters. Als Kompensation dafür will James Joyce einen Namen für sich, womit der Eigenname ins Spiel kommt. Dass Joyce sich durch Schreiben und Veröffentlichen einen Namen machen will, ist also sein Symptom oder sein Sinthom.
„Aber dass Joyce ihr diese Fähigkeit zuschreibt, auf eine Reihe von Zeichen hin, von Erklärungen, die er selbst auf bestimmte Weise verstand, eben das ist das, woran ich sehe, dass er, um seine Tochter, wenn man so sagen kann, zu ‚verteidigen‘, dass er ihr etwas zuschreibt, was die Fortsetzung dessen ist, was ich im Augenblick sein eigenes Symptom nennen möchte. Das heißt – in seinem Fall ist es schwierig, nicht meinen eigenen Patienten zu erwähnen, so wie das bei ihm angefangen hatte –, das heißt, bezogen auf das Sprechen kann man nicht sagen, dass Joyce da nicht etwas aufgezwungen wurde.“ (103)
Das eigene Symptom von Joyce ist ein Symptom der aufgezwungenen Worte, vielleicht muss man auch sagen: sein Symptom, sich durch Schreiben und Veröffentlichen einen Namen machen zu wollen, verarbeitet die aufgezwungenen Worte. Wenn er seiner Tochter Lucia die Fähigkeit der Telepathie zuschreibt, verlängert er gewissermaßen sein eigenes Symptom.
OFFENE FRAGEN
Die Zahlen in geschweiften Klammern beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Mitelman und Diemann.
Die Fehlhandlungen entstehen durch die Konsistenz des Unbewussten. {105} Worin besteht die Konsistenz des Unbewussten? Inwiefern ist es die Konsistenz des Unbewussten, welche die Fehlhandlungen erzeugt?
Wenn im falschen Dreierknoten der Fehler nicht an der Stelle repariert wird, an der er aufgetaucht ist, sind die Geschlechter äquivalent. Wenn der Fehler an der Stelle repariert wird, an der er aufgetaucht ist, sind die Geschlechter nicht äquivalent. {107 f.} Was heißt, in psychoanalytischer Perspektive, dass in der Beziehung zwischen den Geschlechtern die Reparatur an der Fehlerstelle oder nicht an der Fehlerstelle erfolgt?
„Es gibt also zugleich sexuelles Verhältnis und kein [sexuelles] Verhältnis.“ {109}
Wie ist das „zugleich“ gemeint:
(a) Manche Beziehungen haben die Struktur eines sexuellen Verhältnisses (sie sind nicht-äquivalent), andere Beziehungen haben nicht die Struktur eines sexuellen Verhältnisses (sie sind äquivalent).
(b) Eine konkrete Beziehung kann zugleich ein sexuelles Verhältnis und kein sexuelles Verhältnis sein. –?
„Es gibt also zugleich sexuelles Verhältnis und kein [sexuelles] Verhältnis.“ {109} Müsste es dann nicht heißen „Für einige Männer ist eine Frau ein Symptom“ statt „Für alle Männer ist eine Frau ein Symptom“?
Die enge Verbindung des Sinthoms ist die Sache, bei der zu verorten ist, was es mit dem Realen des Unbewussten auf sich hat, sofern denn das Unbewusste real ist. {109} Was ist hier mit der „engen Verbindung des Sinthoms“ gemeint?
LITERATURVERZEICHNIS
Lacan, Sinthom-Seminar
Version ALI
Herausgegeben von der Association Freudienne Internationale, 2001 umbenannt in Association Lacanienne Internationale.
Als PDF auf der Internetseite der ELP, hier. S. 212–380.
Version Miller 2005
Jacques Lacan: Le séminaire, livre XXIII. Le sinthome. 1975–1976. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2005
Version Miller/Mitelman/Dielmann
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017
Version Miller/Price
Jacques Lacan: The Sinthome. The seminar of Jacques Lacan, Book XXIII. Edited by Jacques-Alain Miller, translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2016
Version NN
Lacan: Le sinthome. Wort-für-Wort-Transkription eines anonymen Herausgebers, ohne Ort, ohne Jahr. Schreibmaschine, durch Fotokopien verbreitet. Auf diese Version bezieht sich Max Kleiners Übersetzung, linke Spalte.
Version NN/Kleiner und Version Miller 1976–77/Kleiner
Le sinthom. 1975 - 1976. Seminar XXIII von Jacques Lacan. Übersetzt von Max Kleiner. Herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007
Der Text enthält zwei Übersetzungen. Das Layout ist dreispaltig. Erste Spalte: Übersetzung der Transkription eines anonymen Herausgebers (=Version NN/Kleiner), zweite Spalte: Übersetzung der Version Miller 1976/77, dritte Spalte: Anmerkungen des Übersetzers. Zu bestellen beim Lacan-Archiv Bregenz; für 20 Euro erhält man eine PDF-Datei.
Version Staferla
Jacques Lacan: Le sinthome. 1975 — 76. Wort-für-Wort-Transkription, herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr, ohne Ort. Diese Transkription wird von Zeit zu Zeit überarbeitet, es gibt also mehrere Varianten der Staferla-Version. Für diesen Kommentar wurde die Variante vom 28.6.2013 verwendet; man findet sie hier.
Version Staferla/Nemitz
Jacques Lacan: Das Sinthom. Seminar 23 von 1975/76. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, 2019, hier
Version Stenotypie ELP
Jacques Lacan: Le sinthome. Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier
Lacan, weitere Texte
Seminare
Seminar 22 = Seminar XXII. RSI. 1974–75. Übersetzt von Max Kleiner auf der Grundlage einer von Jacques-Alain Miller erstellten vorläufigen Version. Herausgegeben vom Lacan-Archiv Bregenz 2012
Andere Autoren
Ellmann, Richard: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Fierens, Christian: Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018 (darin zur Sitzung vom 17. Februar 1976: „6. Comment garder la trace du réel? Le sinthome et le fantasme“, S. 255–284)
Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 4. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 9–219
---: Psychopathologie des Alltagslebens (1904). In: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 4. Imago, London 1941
Joyce, James: Finnegans Wake. Hg. v. Klaus Reichert und Fritz Senn. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989
Miller, Jacques-Alain: Nachwort, in dem eins zum anderen führt. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 226–284
---: Pièces détachées. Cours 2004/05. Transkription auf der Website psiocoanalisisdigital.wordpress.com
Picasso, Pablo: Brief von 1926, in ders.: Propos sur l’art. Gallimard, Paris 1998 (einen Auszug findet man hier)
Sollers, Philippe: Joyce et Cie. In: Tel Quel, Nr. 64, November 1975, S. 15–24 (englische Teilübersetzung: Philippe Sollers: Joyce & Co. In: D. Hayman, E. Anderson (Hg.): In the Wake of the Wake. University of Wisconsin Press, Madison u.a. 1978)
Wygotski, Lew Semjonowitsch: Denken und Sprechen (1934). Aus dem Russischen von Gerhard Sewekow. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1977
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Der Patient, der sein Symptom als das der „aufgezwungenen Worte“ bezeichnete, wurde nach einem Selbstmordversuch ins Hôpital Sainte Anne in Paris eingeliefert, in die Sankt-Anna-Klinik. Anna ist, apokryphen Schriften zufolg, die Mutter von Maria, also eine Großmutter von Jesus. Das Gemälde stellt dar, wie ihr die Geburt von Maria verkündet wird. Das Spruchband inszeniert, dass ihr bestimmte Worte aufgezwungen werden. Sie lauten: Ego sum angelus domini ad te missus, „Ich bin der zu dir gesandte Engel des Herrn“.
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Anmerkungen
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller 2005, Sitzung vom 13. Januar 1976, S. 72, bearbeitet.
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Das französische Wort rechercher meint wörtlich „wieder suchen“; das Präfix re- („wieder“) verweist auf die Wiederholung. Zugleich spielt Lacan hier wohl auf das Zeichnen von Knoten-Kreisen an.
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Picassos Diktum „Ich suche nicht, ich finde“ ist aus einem Brief, der zuerst in der sowjetischen Zeitschrift Ogoniok erschien, Nr. 20, 1926, dann auf Französisch in Formes, Nr. 2, 1930, nachgedruckt in Pablo Picasso: Propos sur l’art. Gallimard, Paris 1998. Einen Auszug findet man hier.
Miller berichtet, dass er es war, der Lacan darauf angesprochen hatte, dass er jetzt nicht mehr finde, sondern suche (vgl. Jacques-Alain Miller: Pièces détachées. Cours 2004/05. Sitzung vom 8. Dezember 2004, Transkription S. 29). Offenbar gibt Lacan darauf hier eine Antwort.
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Der Knoten, auf den Lacan an dieser Stelle verweist, ist ein Dreierknoten oder Kleeblattknoten (Dreierknoten, da er drei irreduzible Überkreuzungen hat). Der Dreierknoten ist die einfachste Form eines Knotens mit Selbstverschlingung; bezeichnet man Knoten ohne Selbstverschlingung als „Unknoten“, ist der Dreierknoten die einfachste Form eines Knotens im engeren Sinne.
In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte Lacan gesagt, der Dreiernoten repräsentiere die „Persönlichkeit“ oder die paranoische Psychose, was dasselbe sei; das Reale, das Symbolische und das Imaginäre stünden hier in einer Kontinuität, so wie im Dreierknoten diese drei Ordnungen gleitend ineinander übergehen (16. Dezember 1975).
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Der Dreierknoten geht demnach aus der borromäischen Verkettung hervor (vgl. Sitzung vom 16. Dezember 1976).
Die von Lacan zunächst als „borromäischer Knoten“ bezeichnete Verknüpfung von Elementen ist, in der Terminologie der Mathematiker, kein Knoten, sondern eine „Verkettung“ (auch „Verschlingung“ oder „Link“ geheißen), eine Verkettung von drei trivialen Knoten (von Knoten ohne Selbstverschlingung). Im Diagramm dieser Verkettung lässt sich der Sinn verorten.
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Die Würzberger Schule hatte, gegen Wundt, die Lehre vom „Denken ohne Bilder“ entwickelt (Oswald Külpe, 1862–1915, und seine Schüler August Mayer, 1874–1951, und Johannes Orth, 1872–1949).
Wygotski schreibt hierzu:
„Indem diese Psychologen den Gedanken aus den Fesseln jeglicher Anschaulichkeit befreiten, lösten sie ihn von der Sprache und überließen diese völlig den Assoziationsgesetzen. Die Verbindung von Wort und Bedeutung wurde nach der Würzburger Schule weiterhin als einfache Assoziation betrachtet. Das Wort wurde so zu einem einfachen Ausdruck des Gedankens, zu seinem Gewand, das an seinem inneren Leben keinen Anteil hatte. Noch niemals wurden Denken und Sprache so voneinander getrennt und isoliert wie in der Würzburger Schule.“
(Lew Semjonowitsch Wygotski: Denken und Sprechen (1934). Aus dem Russischen von Gerhard Sewekow. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1977, S. 296)
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Mit „Dreierknoten“ ist hier der Kleeblattknoten gemeint, nicht die borromäische Verkettung aus drei Ringen. Der Ausdruck „Dreierknoten“ bezieht sich darauf, dass dieser Knoten drei irreduzible Überkreuzungen hat. Der Dreierknoten ist insofern das Minimum, als er der einfachste Knoten mit Selbstverschlingung ist, der einfachste Knoten, der kein Unknoten oder trivialer Knoten ist. Die drei Ringe der borromäschen Verkettung sind triviale Knoten. Über die Umwandlung einer borromäischen Verkettung von drei Ringen in einen Dreierknoten hatte Lacan in Seminar 23 in den Sitzungen vom 9. Dezember 1975, 16. Dezember 1975 und 13. Januar 1976 gesprochen.
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Möglicherweise ist gemeint: Die drei Element einer borromäischen Dreier-Verkettung könnten Knoten mit Selbstverschlingung sein, also Kleeblattknoten oder Dreierknoten.
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Der Viererknoten oder Listing-Knoten ist ein Knoten mit vier irreduziblen Überkreuzungsstellen. Die Benennung verweist auf Johan Benedict Listing: Vorstudien zur Topologie. In: Göttinger Studien, 1847, S. 810–875, wo man diesen Knoten allerdings nicht findet. Der „Lacan-Knoten“ hat fünf irreduzible Überkreuzungen; diesen Knoten findet man bereits in Listings Werk. Vgl. Erik Porge: Des fondements de la clinique psychanalytique. Érès, Toulouse 2008, S. 129.
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Vgl. die Bemerkungen über Joyces Vater in Seminar 23 in den Sitzungen vom 18. November 1975, 13. Januar 1976 und 10. Februar 1976.
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Lacan bezieht sich hier auf seine wöchentlichen Fallvorstellungen im psychiatrischen Sainte-Anne-Krankenhaus in Paris. Das französische Wort parole meint das gesprochene Wort und das Sprechen.
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Lucia Anna Joyce (1907–1982), Tochter von Nora Barnacle und James Joyce.
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Im Original: sale assassinat politique,„schmutziger politischer Mord“; sale assistanat politique, „schmutziges politisches Assistentenamt“.
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Zu Joyces Vorstellungen von Lucias telepathischen Fähigkeiten vgl. Richard Ellmann: James Joyce. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 1013–1015.
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Das Symptom von James Joyce hat mit den „aufgezwungenen Worten“ zu tun, und wenn er Lucia zuschreibt, eine Telepathin zu sein, also Worte von anderen ohne Medium zu empfangen, liegt das auf der Linie seines eigenen Symptoms.
Das Verb défendre, „verteidigen“, verweist auf die Abwehr im Sinne der Psychoanalyse; im Französischen heißt „Abwehr“ défense.
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In der ersten Sitzung dieses Seminars, der vom 18. November 1975, hatte Lacan hierzu auf folgenden Aufsatz verwiesen: Philippe Sollers: Joyce et Cie. In: Tel Quel, Nr. 64, November 1975, S. 15–24 (englische Teilübersetzung: Philippe Sollers: Joyce & Co. In: D. Hayman, E. Anderson (Hg.): In the Wake of the Wake. University of Wisconsin Press, Madison u.a. 1978).
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Der Begriff des Symptoms oder Sinthoms wird an dieser daran gebunden, dass der Reparaturring an der Stelle angebracht wird, an welcher der Knoten falsch verläuft – und nicht etwa einer der beiden anderen Überkreuzungsstellen. Später in dieser Sitzung wird das wieder zurückgenommen und alle drei Reparaturringe werden als „Sinthom“ bezeichnet.
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Anspielung auf Freuds Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1904).
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In der Psychopathologie des Alltagslebens zitiert Freud aus einem Brief an ihn, in dem es über einen Versprecher heißt:
„Dagegen wurde der Lapsus von der meist französischen Zuhörerschaft mit wahrer Genugtuung aufgenommen und wirkte vollkommen wie ein beabsichtigter Wortwitz.“
Der Versprecher ist hier moche („hässlich“) statt motte („Erdscholle“); der Austausch beruht auf der Wirksamkeit des unterdrückten Wortes boche („Deutscher“). (Vgl. S. Freud: Psychopathologie des Alltagslebens. In: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 4. Imago, London 1941, S. 82)
Von Lichtenberg stammt der Witz „Ein Mädchen, kaum zwölf Moden alt“. Freud schreibt hierzu, er gehe vielleicht auf einen Schreibfehler zurück. (Vgl. S. Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 4. Fischer Taschenbuch Verlag, S. 9-219, hier: S. 74.
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Instruktiv zum „Lapsus“ eines Knotens sind die Erläuterungen von Jacques-Alain Miller in: Nachwort, in dem eins zum anderen führt. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 226–284, darin § 11, „De Lapsus des Knotens“, S. 249–251.
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Das französische Substantiv faute meint (1) den technischen Fehler, etwa den Druckfehler, den Fehler beim Tennis, (2) die moralische Verfehlung, (3) die Schuld. Das lateinische Wort lapsus, „Fall“, meint nicht nur den Versprecher (lapsus linguae), sondern auch den Sündenfall, von dem die Bibel erzählt. Auf den Sündenfall hatte Lacan sich bereits in der ersten Sitzung dieses Seminars bezogen, Lektion vom 18. November 1975.
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Der Sündenfall (lateinisch lapsus) ist ein durchgängiges Thema in Finnegans Wake.
Auf der ersten Seite von Finnegans Wake heißt es über den fall, den Sündenfall:
„The fall (bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthunntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk!) of a once wallstrait oldparr is retaled early in bed and later on life down through all christian minstrelsy. The great fall of the offwall entailed at such short notice the pftjschute of Finnegan, erse solid man, that the humptyhillhead of humself prumptly sends an unquiring one well to the west in quest of his tumptytumtoes: and their upturnpikepointandplace is at the knock out in the park where oranges have been laid to rust upon the green since devlinsfirst loved livvy.“
In der Übersetzung von Harald Beck:
„Der fall (bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthunntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk!) eines ehmals wallstraiten oparrs wird auf und rumgeschwätzt früh im bett und später im leben quer durch die ganze christliche minstrelsängerei. Der große fall der stürtzmauer zog so flugs den pfflumps von Finnegan nach sich – irisch, stämmig, der mann! – daß sein humptyhügelhaupt prumpt einen nachtforschenden qwell ausschickt, seine dumptydamzehn zu inqwestigieren: und ihr auftauchhaltepunktundplatz ist die k.o.ppe dort im park wo orange zur rost gebettet sind im grün seit deublinserst mal livvy liebten.“ (James Joyce: Finnegans Wake. Hg. v. Klaus Reichert und Fritz Senn. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, S. 27)
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Ein Imbroglio (italienisch für „Verwirrung“, „Betrug“) ist in der Musik eine unregelmäßige Art der Betonung, etwa wenn die Oberstimme im 6/8-Takt und die Bassstimme im ¾-Takt geführt wird.
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So hatte Lacan kurz zuvor in dieser Sitzung das Symptom definiert.
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Die Bindung des Begriffs Sinthom daran, dass der Reparaturring an der Fehlerstelle angebracht wird, wird hier zurückgenommen.
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In der vorangegangenen Sitzung hatte Lacan erklärt, Joyce habe zu Nora ein sexuelles Verhältnis (10. Februar 1976).
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Der Ausdruck Klinik geht zurück auf das griechische Wort klínē, „Bett“.
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Se lie, „verbindet sich“, ist homophon mit ce lit, „dieses Bett“, und mit se lit, „wird gelesen“, deshalb Lacans Klarstellung.