Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom.
XI. Zur Sitzung vom 11. Mai 1976
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, „Das Sinthom“
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin von März 2013 bis Ende 2016 in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen dieses Seminars findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Sitzung vom 11. Mai 1976
In der von Miller erstellten Version ist dies X. L’écriture de l’ego, S. 143–155, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann X. Die Schrift des Ego, S. 159–174.
QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– die Übersetzung von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der ALI-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Primärtexten und mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern).
.
ZUR NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Homophonien und Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
TONAUFNAHME
Die Aufnahme ist von der Website von Patrick Valas, hier.
Version Lutecium:
.
DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
.
{159} Gut, ich fange fünf Minuten früher an.
Beim letzten Mal habe ich Ihnen ja anvertraut, dass mir der Streik sehr gelegen kam – ich meine: deshalb, weil ich nicht die gerinste Lust hatte, Ihnen was auch immer zu erzählen. Denn ich war in Verlegenheit.
Hört man das? [Das bezieht sich auf die Lautsprecheranlage.] Nein. Können Sie mich hören? Ich werde nicht lauter sprechen. Funktioniert das oder nicht? Funktioniert das? Denn es wäre für mich ganz einfach, einen anderen Vorwand zu finden [Gelächter], den Vorwand, dass das hier nicht funktioniert, beispielsweise.
Nicht, dass ich Ihnen dieses Mal nichts zu sagen hätte. Es ist jedoch sicher, dass ich letztes Mal in meinen Knoten und Joyce zu verstrickt war, als dass ich die geringste Lust gehabt hätte, zu Ihnen darüber zu sprechen. Ich war in Verlegenheit. Jetzt bin ich es etwas weniger, denn, na ja, ich habe ja geglaubt, Dinge zu finden, also Dinge, die sich vermitteln lassen.
Ich bin natürlich ziemlich aktiv. Ich meine, für mich ist eine Schwierigkeit eine Herausforderung, sodass ich mir an meinen sämtlichen Wochenenden hartnäckig den Kopf über etwas zerbreche, das sich nicht von selbst versteht. Es versteht sich nicht von selbst, dass ich das gefunden habe, was man borromäischen Knoten nennt – angeblich ein Knoten –, und dass ich letztlich versuche, die Dinge zu forcieren, denn Joyce hatte vom borromäischen Knoten nicht die geringste Idee.
Nicht, dass er vom Kreis und vom Kreuz keinen Gebrauch gemacht hätte. Einige sprechen sogar von nichts anderem, und ein gewisser Clive Hart, ein hervorragender Geist, der sich der Aufgabe verschrieben hat, Joyce zu kommentieren, macht von der Verwendung von Kreis und Kreuz viel Aufhebens; er macht davon ausgiebigen Gebrauch in dem Buch, das er Structure |{160} in James Joyce betitelt hat, und ganz besonders in Bezug auf Finnegans Wake.
Also, das erste, was ich Ihnen sagen kann, ist Folgendes, nämlich dass der Ausdruck faut l’faire – „muss man erstmal hinkriegen“ / „muss gemacht werden“ – einen aktuellen Stil hat, ich meine, das ist nie so oft gesagt worden [wie jetzt]. Und ganz natürlich findet das bei der Herstellung dieses Knotens seinen Platz: Er muss gemacht werden. Er muss gemacht werden – was heißt das? Das reduziert sich darauf, ihn zu schreiben.
Das Überraschende, das Eigenartige ist, dass dieser Knoten da, den ich als borromäisch charakterisiere – Sie werden wissen, warum –, ein appui, eine Stütze, für la pensée ist, für das Denken. Ich werde mir gestatten, das mit einem Ausdruck zu illustrieren, den ich aufschreiben muss: eine Stütze à l’appensée, das macht es möglich, das Denken anders zu schreiben [appensée: Kofferwort aus appui (Stütze) und pensée (Denken, Gedanke)]. Das ist eine Stütze für das Denken, und das ist der Grund für die Schreibung, die ich für Sie hier auf diesem kleinen weißen Blatt Papier gerade eingetragen habe, das ist eine Stütze à l’appensée, fürs An-Denken,
Es ist jedoch merkwürdig, dass es diese Stütze braucht, wenn ich mich so ausdrücken darf; es ist merkwürdig, dass sie, um daraus etwas herauszuziehen, geschrieben werden muss. Denn ganz offensichtlich ist es nicht einfach, sich diese Verkettung vorzustellen – tatsächlich handelt es sich ja nicht um einen Knoten, sondern um eine Verkettung –, diese borromäische Verkettung, es ist nicht einfach, sie nur im Denken (à la pensée) funktionieren zu sehen, wobei ich den Ausdruck diesmal zerschneide und das la von pensée abschneide; das ist nicht einfach. Das ist nicht einfach, selbst beim einfachsten Knoten ist es nicht einfach, und insofern führt dieser Knoten etwas mit sich. Man muss ihn schreiben. Man muss ihn schreiben, um zu sehen, wie er funktioniert, dieser nœud bo [lautgleich mit nœud beau, „schöner Knoten“], dieser Bo-Knoten.
Das lässt an etwas denken, das irgendwo bei Joyce erwähnt wird, wo auf dem Berge Nebo das Gesetz uns gegeben ward [Lacan bezieht sich auf die Lautähnlichkeit von nœd bo und Nebo].
Eine Schreibung / eine Schrift ist also ein Machen, das dem Denken eine Stütze gibt.
Genau genommen verändert dieser Bo-Knoten vollständig den Sinn |{161} der Schrift. Er verleiht ihr eine Autonomie, dieser Schrift.
Und diese Autonomie ist umso bemerkenswerter, als es eine weitere Schrift gibt, diejenige, auf der Derrida insistiert hat, also diejenige, die aus etwas hervorgeht, das man als Ausfällung/Überstürzung (précipitation) des Signifikanten bezeichnen könnte. Derrida hat insistiert, aber es ist völlig klar, dass ich ihm den Weg gezeigt habe, denn die Tatsache, dass ich, um den Signifikanten zu stützen, keine andere Form gefunden habe als ihn groß S zu schreiben, ist bereits ein ausreichender Hinweis.
Es bleibt jedoch, dass der Signifikant, also das, was in der Stimme moduliert wird, nichts mit der Schrift zu tun hat. Das beweist jedenfalls perfekt mein Bo-Knoten. Das verändert den Sinn der Schrift.
Das zeigt, dass es etwas gibt, woran man Signifikanten befestigen kann. Und wie befestigt man sie, diese Signifikanten? Durch Vermittlung dessen, was ich dit-mension nenne [Kofferwort aus dit (gesagt) und dimension (Dimension)].
Und auch hier – da ich mir überhaupt nicht sicher bin, ob Ihnen das nicht entgangen ist –, das schreibe ich so: mension du dit, Erwähnung/Haus des Gesagten [mension: Kofferwort aus mention (Erwähnung) und mansion (Haus im Sinne der Astrologie)].
Diese Art es zu schreiben, hat einen Vorteil, denn das ermöglicht es, mension zu mensionge zu verlängern, zu Lüge, und das weist darauf hin, dass das Gesagte keineswegs zwangsläufig wahr ist [mensionge: Kofferwort aus mensonge (Lüge) und mension].
Nun ja, anders gesagt, das Gesagte, das sich aus dem ergibt, was man Philosophie nennt, ist nicht ohne einen gewissen Mangel, einen Mangel, dem ich abzuhelfen versuche: durch Rekurs auf das, was – im Bo-Knoten – nur geschrieben werden kann, das, was, um einen Nutzen daraus zu ziehen, nur geschrieben werden kann.
Immerhin bleibt übrig, dass das, was es in philo an philia gib – in dem philo, mit dem das Wort Philosophie beginnt –, dass das, was es da an philia gibt, ein Gewicht erhalten kann: Das ist die Zeit als gedachte (pensé) – nicht der Gedanke (pensée), sondern die gedachte Zeit. Die gedachte Zeit, das ist die philia.
Und was ich mir vorzubringen erlaube, ist dies, dass die Schrift hierbei den Sinn dessen ändert, den Modus dessen, was auf dem Spiel steht; und was auf dem Spiel steht, ist die philia der Weisheit. Weisheit, was ist das? Es ist nicht leicht, das auf andere Weise zu stützen als durch die Schrift, durch die Schreibung des Bo-Knotens – sodass schließlich, verzeihen Sie meine Selbstgefälligkeit, das, was ich mache, was ich mit meinem Bo-Knoten zu machen versuche, nicht weniger ist als die erste Philosophie, die mir haltbar zu sein scheint.
Abb. 1: Objekt a im Diagramm der borromäischen Ringe
Allein schon die Einführung dieser Bo-Knoten, der Idee, dass sie letztlich einen Knochen (os) stützen, einen Knochen, der, wenn ich so sagen darf, hinreichend etwas nahelegt, das ich hierbei als Osbjekt bezeichnen möchte, nämlich das, was den Buchstaben kennzeichnet, den ich diesem Osbjekt beigebe, den Buchstaben klein a. Und wenn ich dieses Osbjekt auf das kleine a reduziere, dann um anzuzeigen, dass der Buchstabe hierbei nichts anderes tut als Zeugnis zu geben vom Eindringen einer Schrift als anderes, als anderes mit kleinem a |{162} – die Schrift, um die es hier geht, kommt von anderswo her als vom Signifikanten.
Ich habe mich ja nicht erst seit gestern für die Sache der Schrift interessiert, die ich das erste Mal befördert habe, als ich vom trait unaire sprach, vom „einzigen Zug“* bei Freud. Vom borromäischen Knoten her habe ich diesem einzigen Zug eine weitere Stütze verliehen, eine weitere Stütze, die ich für Sie noch nicht herausgebracht habe und die ich in meinen Notizen DI schreibe. DI, das sind Initialen und das bedeutet droite infinie, „unendliche Gerade“. Diese unendliche Gerade – es ist nicht das erste Mal, dass Sie mich davon sprechen hören – charakterisiere ich dadurch, dass sie mit dem Kreis äquivalent ist.
Abb. 2: Borromäische Dreier-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden
Das ist das Prinzip des borromäischen Knotens, nämlich wenn man zwei Geraden mit dem Kreis kombiniert, hat man das Wesentliche des borromäischen Knotens.
Weshalb hat die unendliche Gerade diese Tugend, diese Qualität? Weil sie die beste Illustration für das Loch ist. Die Topologie zeigt uns, dass es bei einem Kreis in der Mitte ein Loch gibt. Und man macht sich sogar daran, davon zu träumen, was sein Zentrum ausmacht, was sich auf der Ebene des Vokabulars in alle möglichen Effekte hinein verlängert: das Nervenzentrum zum Beispiel, bei dem niemand so recht weiß, was das heißen soll. Die unendliche Gerade hat den Vorzug, dass sie das Loch rund herum hat. Das ist die einfachste Stütze für das Loch.
Um den Bezug zur Praxis herzustellen – was bringt uns das? Dass der Mensch, und nicht Gott, etwas trinitarisch Zusammengesetztes ist, zusammengesetzt aus etwas, das wir als Element bezeichnen wollen.
Was ist ein Element? Ein Element ist das, was ein macht, anders gesagt, der einzige Zug, das, was einerseits ein macht und was dadurch, dass es ein macht, [andererseits] die Substitution in Gang setzt. Das Kennzeichen der Elemente besteht darin, dass man sich an ihre Kombinatorik macht.
Nun, Reales, Imaginäres und Symbolisches, das steht letztlich, so scheint mir, jener anderen Triade nicht nach, aus der man uns im Gefolge von Aristoteles den Saft ge- |{163} macht hat, um den Menschen zusammenzusetzen, nämlich nous, psychē, sōma, oder auch Wille, Intelligenz, Affektivität. So.
Was ich mache, wenn ich diese Schrift [des Knotens] einführe, ist nichts weniger als das, was ich eine Logik von Säcken und Schnüren nennen möchte. Denn offensichtlich gibt es den Sack – den Sack, dessen Mythos, wenn ich so sagen darf, in der Sphäre besteht. Niemand hat jedoch, so scheint es, hinreichend über die Konsequenzen der Einführung der Schnur nachgedacht und darüber, dass die Schnur beweist, dass ein Sack erst geschlossen ist, wenn er zugebunden wird, und dass wir uns bei jeder Sphäre etwas vorstellen müssen – was natürlich an jedem Punkt der Sphäre [verortet] ist –, was sie, diese Sache, in die man bläst, zuknotet, was sie mit einer Schnur zuknotet.
Die Leute schreiben ihre Kindheitserinnerungen. Das hat Konsequenzen, das ist der Übergang von einer Art der Schrift zu einer anderen Art der Schrift.
Ich möchte gleich über die Kindheitserinnerungen von Joyce sprechen, da ich Ihnen ja zeigen muss, inwiefern die Logik von Säcken und Schnüren etwas ist, das uns helfen kann zu begreifen, wie Joyce als Schriftsteller funktionierte.
Psychoanalyse ist etwas anderes. Die Psychoanalyse vollzieht sich durch eine Reihe von Äußerungen. Es ist nicht gesagt, dass die Psychoanalyse einen auf den Weg des Schreibens führt. Eben das bin ich im Begriff, Ihnen durch meine Sprache aufzunötigen: dass es sich lohnt, zweimal hinzuschauen, wenn man mit der Bitte zu mir kommt – im Namen irgendeiner Hemmung –, in die Lage versetzt zu werden, zu schreiben. Was mich angeht, so schaue ich zweimal hin, wenn man – das passiert mir wie jedem anderen auch –, wenn man mich bittet, irgendeine eine Schreibhemmung zu beseitigen, denn dass einem das mit der Psychoanalyse gelingt, ist keineswegs ausgemacht. Das setzt, im strengen Sinne des Wortes, eine Untersuchung dessen voraus, was es heißt, zu schreiben.Und was ich Ihnen heute [hierzu] vorschlagen möchte, bezieht sich auf Joyce.
{164} Es ist mir ja in den Schädel gekommen, in den Rundschädel, der hierbei alles andere als sphärisch ist, da er sich mit allem verbindet, was man weiß, es ist mir ja in den Schädel gekommen, dass Joyce –, dass es da etwas gibt, was ihm zugestoßen ist.
Und was ihm auf einem Weg zugestoßen ist, über den ich glaube Auskunft geben zu können, etwas, das ihm zugestoßen ist und das bewirkt, dass bei ihm das, was man üblicherweise als Ego bezeichnet, eine völlig andere Rolle gespielt hat als die einfache Rolle – eine Rolle, die man sich als einfach vorstellt –, als die einfache Rolle, die das Ego bei der großen Masse derer spielt, die man sterblich nennt, die man zurecht sterblich nennt. Bei ihm hat das Ego eine Funktion erfüllt, eine Funktion, über die ich natürlich nur durch meinen Modus der Schrift Auskunft geben kann.
Es lohnt jedoch ein wenig die Mühe, anzuzeigen, was mich auf den Weg gebracht hat, und das ist dies, dass für sein Ego die Schrift absolut wesentlich ist.
Und er hat das illustriert, als –, bei einem Treffen mit ich weiß nicht mehr welchem Taugenichts, der kam, um ihn zu interviewen. Ich habe den Namen nicht wiedergefunden, nicht dass ich ihn nicht gesucht hätte. Aber das ist eine ziemlich bekannte Episode. Er steht vielleicht bei Gorman. Bei Ellmann habe ich ihn nicht wiedergefunden, der sicherlich der beste, der sorgfältigste der Joyce-Biographen ist, ich habe ihn nicht wiedergefunden – nicht dass er mit Sicherheit nicht darin stünde, aber ich hatte heute früh nicht die Zeit, ihn zu suchen. Es handelt sich um etwas, das irgendeiner der Joyce-Biographen festhält.
Eines Tages hat ihn jemand besucht und bat ihn, über ein bestimmtes Bild zu sprechen, ein Bild, das eine Ansicht der Stadt Cork zeigte. Joyce nun, der wusste, wo er den Typ zu erwarten hatte, gab ihm zur Antwort, das sei Cork. Woraufhin der Typ sagte: Aber es ist doch klar, dass ich weiß, was das ist – ein Anblick der Stadt, sagen wir, der Hauptplatz, von Cork, ich erkenne ihn wieder. Aber was ist der Rahmen? Worauf ihm Joyce, der ihn hier erwartet hatte, zur Antwort gab: cork, und das heißt: „aus Kork“.
Damit soll illustriert werden, dass bei Joyce, in dem, was er schreibt, dass er da immer hindurchgeht [durch dieses Verhältnis zur Rahmung]. Es genügt, die kleine Tabelle zu lesen, die er von Ulysses gegeben hat, die er Stuart Gilbert gegeben hat, die er auch, wenn auch etwas anders, Linati gegeben hat, die er noch einigen anderen gegeben hat, die er Valery Larbaud gegeben hat. Das heißt, dass in all diesen Dingen, die er sammelt, die er erzählt, um daraus dieses Kunstwerk zu machen, also den Ulysses, dass in all diesen Dingen der Rahmen immer zumindest – zu dem, was er als Beziehung zu einem Bild erzählen soll –, dass der Rahmen immer in einer Beziehung zumindest der Homonymie steht. Dass jedes Kapitel von Ulysses beansprucht, durch eine bestimmte Art der Rahmung gestützt zu werden – die sich dann beispielsweise Dialek- |{165} tik nennt oder Rhetorik oder Theologie –, das ist eben das, was für ihn an den Stoff dessen, was er erzählt, gebunden ist. Und, nun ja, das erinnert natürlich durchaus an meine kleinen Ringe, die ja ebenfalls die Stütze für eine bestimmte Rahmung sind.
Die Frage ist nun folgende: Was passiert, wenn infolge eines Fehlers, der nicht einzig auf Zufall beruht –.
Denn was die Psychoanalyse uns lehrt, ist dies, dass ein Fehler niemals durch Zufall zustande kommt, dass es hinter jedem Lapsus, um ihn beim Namen zu nennen, eine signifizierende Finalität gibt. Dass nämlich der Fehler danach strebt – wenn es denn ein Unbewusstes gibt –, etwas auszudrücken, nicht nur, was das Subjekt weiß, da das Subjekt – das habe ich seinerzeit für Sie durch das Verhältnis eines Signifikanten zu einem anderen Signifikanten ausgedrückt –, da das Subjekt in eben dieser Spaltung besteht; dass dies das Leben der Sprache ist, wobei Leben für die Sprache etwas ganz anderes ist als das, was man einfach Leben nennt; dass das, was für den somatischen Träger Tod bedeutet, in den Trieben, die zu dem gehören, was ich gerade das Leben der Sprache genannt habe, ebenso seinen Platz hat.
Diese Triebe hängen vom Verhältnis zum Körper ab, und das Verhältnis zum Körper ist für keinen Menschen ein einfaches Verhältnis – abgesehen davon, dass der Körper Löcher hat. Freud zufolge ist dies sogar das, was den Menschen auf den Weg der abstrakten Löcher hätte bringen müssen – denn dies ist abstrakt –, der abstrakten Löcher, die jede beliebige Äußerung betreffen.
Dieser Bezug legt also letztlich nahe, dass man versuchen muss, sich von einer Idee freizumachen, die ihrem Wesen nach verworren ist, nämlich von der Idee der Ewigkeit. Das ist eine Idee, die nur an die gedachte Zeit gebunden ist, philia, von der ich vorhin gesprochen habe. Man denkt – und es kommt sogar vor, dass man darüber wahllos drauflos redet –, man denkt eine ewige Liebe. Man weiß wirklich nicht, was man sagt! Versteht man darunter das andere Leben, wenn ich mich so ausdrücken darf? Sie sehen, wie alles in Gang kommt und wo die Idee der Ewigkeit uns letztlich hinführt, die Idee der Ewigkeit, von der niemand weiß, was das ist. So.
Was nun Joyce angeht, so möchte ich –; das hätte ich Ihnen hier vorlesen können, aber, wissen Sie, das gibt es ja, und Sie können es leicht auf Französisch lesen, da ja eine Übersetzung des Portrait of the artist as a young man herausgekommen ist, portrait nicht of the artist – da habe ich natürlich einen Lapsus gemacht –, of an artist, „Porträt eines Künstlers als ein junger Mann“, Joyce macht uns da eine vertrauliche Mitteilung, bei der es um Folgendes geht:
Im Zusammenhang mit Tennyson, mit Byron, also mit Dingen, die sich auf Dichter beziehen, kam es dazu, dass Schulkameraden ihn an einen Zaun fesselten – nicht an irgendeinen, er war noch dazu aus Sta- |{166} cheldraht – und ihm, also Joyce, James Joyce, [eine Tracht Prügel] verpassten. Der Kamerad, der das ganze Abenteuer anleitete, war ein gewisser Heron – was kein völlig belangloser Ausdruck ist, das ist l’héron, der Reiher –, dieser Heron also schlug ihn eine Zeitlang, unterstützt natürlich von einigen weiteren Kameraden.
Und nach dem Abenteuer fragt sich Joyce, was dazu geführt hat, dass er ihm, als die Sache vorbei war, nicht böse war.
Joyce drückt sich sehr treffend aus, wie man von ihm erwarten kann, ich will sagen, dass er eine Metapher bildet, und zwar für etwas, das nichts Geringeres ist als sein Verhältnis zu seinem Körper. Er stellt fest, dass die ganze Sache verflogen ist. Er drückte dabei sich so aus, dass er sagte, dass sei wie eine Schale.
Was wird uns dadurch angezeigt? Das zeigt uns an, dass dieses bei allen Menschenwesen bereits so unvollkommene Etwas, nämlich das Verhältnis zum eigenen Körper –; wer weiß schon, was in seinem Körper vor sich geht?, es ist klar, dass das außerordentlich suggestiv ist, und das ist für einige sogar der Sinn, den sie – diese einigen, diese einigen hier –, das ist der Sinn, den sie dem Unbewussten geben.
Wenn es jedoch etwas gibt, das ich von Beginn an mit Sorgfalt artikuliert habe, dann ist es dies, dass das Unbewusste nichts mit der Tatsache zu tun hat, dass man eine Menge Dinge, die sich auf den eigenen Körper beziehen, nicht weiß und dass das, was man weiß, von ganz anderer Natur ist – man weiß Dinge, die zum Bereich des Signifikanten gehören. Der alte Begriff des Unbewussten, des Unbekannten*, stützte sich genau auf unser Unwissen darüber, was in unserem Körper vor sich geht.
Das Freud’sche Unbewusste jedoch –; das ist etwas, was sich hier auszusprechen lohnt, das ist eben das, was ich gesagt habe, nämlich das Verhältnis zwischen einem Körper, der uns fremd ist, und etwas, das einen Kreis bildet – ja sogar eine unendliche Gerade, die jedenfalls äquivalent sind –, etwas, was das Unbewusste ist.
Nun, welchen Sinn soll man dem geben, was Joyce bezeugt? Nämlich dass es nicht einfach um das Verhältnis zu seinem Körper geht. Es geht, wenn ich so sagen kann, um die Psychologie dieses Verhältnisses, denn die Psychologie ist im Grunde nichts anderes als dies: das verworrene Bild, das wir von unserem eigenen Körper haben. Dieses verworrene Bild enthält aber durchaus – sprechen wir es deutlich aus – Affekte, nämlich dass es, um sich eben dies vorzustellen, dieses psychische |{167} Verhältnis, dass es etwas Psychisches gibt, das affiziert wird und das reagiert, das nicht abgelöst ist.
Wie Joyce bezeugt, nachdem er die Stockhiebe seiner vier oder fünf Kameraden erhalten hat, gibt es [bei ihm hingegen] dieses etwas, das nur verlangt wegzugehen, sich abzulösen wie eine Schale.
Das ist doch etwas Verblüffendes: dass es Leute gibt, die bei körperlich erlittener Gewalt keinen Affekt haben.
Es gibt da eine Art Sache, die übrigens mehrdeutig ist: Vielleicht hat es ihm Spaß (plaisir) gemacht. Aus den sexuellen Stimulationsmöglichkeiten von Joyce ist der Masochismus keineswegs ausgeschlossen; was Bloom angeht, hat er hinreichend darauf insistiert.
Ich möchte jedoch sagen, das, was eher verblüfft, sind die Metaphern, die er verwendet, nämlich die Ablösung von etwas, wie die Ablösung einer Schale. In diesem Falle hat er keine Jouissance empfunden, er hat – das ist psychologisch bedeutsam –, er hat mit Ekel reagiert. Und dieser Ekel betrifft seinen eigenen Körper. Das ist wie jemand, der die schlimme Erinnerung in Klammern setzt, der sie verjagt, darum handelt es sich. Das bleibt als Möglichkeit völlig erhalten, als Möglichkeit eines Verhältnisses zum eigenen Körper als etwas, das fremd ist.
Und das drückt sich darin aus, dass das Verb haben verwendet wird – seinen Körper, den hat man, man ist nicht der Körper, in keinem Maße. Und das lässt an die Seele glauben, und danach gibt es keinen Grund mehr, aufzuhören und man denkt auch, dass man eine Seele hat, das ist wirklich der Gipfel.
Diese Form des Fallenlassens, des Fallenlassens des Verhältnisses zum eigenen Körper, ist für einen Analytiker ganz und gar suspekt.
Die Idee von sich, von sich als Körper, hat etwas, das ein Gewicht hat. Das ist das, was man Ego nennt. Wenn das Ego narzisstisch genannt wird, dann deshalb, weil es auf einer bestimmten Ebene etwas gibt, was den Körper als Bild stützt.
Ist jedoch die Tatsache, dass im Falle von Joyce dieses Bild nicht betroffen ist, nicht ein Zeichen dafür, dass das Ego in diesem Falle eine ganz besondere Rolle spielt?
Wie soll man das in meinem Bo-Knoten schreiben?
Hier nun gehe ich einer Spur nach, überschreite ich etwas, dem Sie nicht unbedingt folgen werden.
Wie weit, wenn ich so sagen kann, geht die père-version, von der Sie wissen, wie ich sie schreibe?
{168} Der Bo-Knoten ist nur die Übersetzung dessen – woran man mich gestern Abend erinnert hat –, dass die Liebe und gerade auch die Liebe, die man als ewige bezeichnen kann, dass sie etwas ist, das sich auf die Funktion des Vaters bezieht, das sich an ihn wendet, von daher nämlich, dass der Vater der Träger der Kastration ist. So zumindest behauptet es Freud in Totem und Tabu, also in Bezug auf die Urhorde: In dem Maße, in dem die Söhne keinen Zugang zu Frauen haben, lieben sie den Vater. Das ist wirklich etwas ganz und gar Einzigartiges und Verblüffendes, das einzig durch Freuds Intuition sanktioniert wird.
Von dieser Intuition, dieser Intuition versuche ich jedoch, einen anderen Körper zu geben, und zwar mit meinem Bo-Knoten (nœud bo), der sich so gut dazu eignet, den Berg Nebo in Erinnerung zu rufen oder, wie man sagt, das Gesetz – das Gesetz, das absolut nichts mit den Gesetzen der realen Welt zu tun hat, wobei die Gesetze der realen Welt eine Frage sind, die völlig offen bleibt. Das Gesetz ist hierbei einfach das Gesetz der Liebe, das heißt die père-version.
Es ist wirklich merkwürdig, dass das Schreibenlernen, zumindest meinen Bo-Knoten schreiben zu lernen, zu etwas nütze ist. Und womit ich das sogleich illustrieren möchte, ist Folgendes.
Abb. 3: Fehlerhafte Verkettung von drei Ringen
Nehmen Sie an, dass es irgendwo, und zwar dort, nehmen Sie an, dass es da irgendwo einen Fehler gibt, also dass die Überschneidungen hier falsch verlaufen. Was folgt daraus?
Der borromäische Knoten sieht dann so aus, das heißt – wie Sie es sich wohl nicht vorgestellt hätten, wenn Sie die Dinge einfach so von der Natur des Imaginären her nehmen –, das heißt, wie Sie sehen, |{169} dass das große I, das dort ist [der Ring des Imaginären], sich nur noch davonmachen kann.
Es entgleitet, es entgleitet so wie das, was Joyce verspürt, nachdem er seine Tracht Prügel bekommen hat, es entgleitet – das imaginäre Verhältnis findet nicht statt, in diesem Falle findet es nicht statt.
Und das lässt einen denken, wenn Joyce sich so für die Perversion interessierte, dann hatte das vielleicht andere Gründe. Vielleicht haben die Prügel ihn ja nur angeekelt. Er war vielleicht kein wirklich Perverser.
Denn man muss ja versuchen, sich vorzustellen, warum Joyce so unlesbar ist. Wenn er unlesbar ist, dann vielleicht deshalb, weil er in uns keinerlei Sympathie erweckt. Aber könnte sich in unserer Sache nicht etwas nahelegen, aufgrund der Tatsache, die ja doch offensichtlich ist, dass er ein Ego von ganz anderer Natur hat als von jener, die genau im Moment seiner Revolte nicht funktioniert, die sofort, ganz knapp nach dieser Revolte nicht funktioniert? Denn es gelingt ihm, sich davon zu lösen, das ist eine Tatsache. Aber danach, möchte ich sagen, bewahrt er gegenüber wem auch immer keinerlei Anerkennung in Bezug darauf, diese Prügel bezogen zu haben.
Was ich also vorschlage, ist Folgendes, es ist ja nicht kompliziert, das zu sehen: Nehmen Sie an, dass dort – ich markiere ihn da, um zu zeigen, dass er darüber läuft –, nehmen Sie an, dass die Korrektur dieses Irrtums, dieses Fehlers, dieses Lapsus, der ja schließlich das Allgemeinste ist, das man sich vorstellen kann –; warum sollte es nicht vorkommen, dass ein Knoten nicht borromäisch ist, dass das misslingt? Als ich ihn angezeichnet habe, habe ich an der Tafel zehntausendmal Fehler gemacht.
Abb. 4: Verkettung von vier Ringen mit Ego als Korrektur-Ring
Das ist genau das, was passiert, und wo ich hier das Ego verkörpere, das Ego als Korrektur dieses fehlenden Verhältnisses, dessen, was |{170} nicht auf borromäische Weise mit dem verknüpft, was bei Joyce den Knoten aus Realem und Unbewusstem bildet. Gut. Durch dieses artifice de l’écriture, diesen Kunstgriff / dieses Kunstwerk der Schrift, stellt sich, möchte ich sagen, der borromäische Knoten wieder her.
Sie sehen, es handelt sich nicht um eine Fläche des borromäischen Knotens, sondern um einen Faden. Das ist der Unterschied zur gewöhnlichen Geometrie, derjenigen, aus der das Wort Fläche stammt – Geometrie, das sind Dinge, die sich auf Flächen abspielen; die Polyeder sind voller Flächen, Kanten und Ecken. Der Knoten jedoch – der Knoten, der in diesem Falle eine Verkettung ist –, der Knoten führt uns in eine ganz andere Dimension ein, von der ich sagen möchte, sie ist, im Unterschied zur Evidenz der geometrischen Fläche, évidé, entleert. Und eben weil sie évidé ist, ist das nicht evident.
Es gibt da jemanden, der einmal eine Anfrage zu mir gestellt hat: Warum sagt er nicht das Wahre über das Wahre? Er sagt deshalb nicht das Wahre über das Wahre, weil das Wahre über das Wahre zu sagen, heißt zu sagen: Das ist eine Lüge.
Das intensional Wahre – das ich mir hier erlaube, Intension zu schreiben, ich habe die Intension ja bereits vom Wort Extension unterschieden –, das intensional Wahre, so geschrieben, kann von Zeit zu Zeit an etwas Reales rühren, aber das ist dann jedes Mal ein Zufall.
Man stellt sich ja nicht vor, wie sehr man beim Schreiben Fehler macht. Der lapsus calami [der Verschreiber] ist gegenüber dem lapsus linguae [dem Versprecher] nicht primär, er kann jedoch als etwas begriffen werden, das an das Reale rührt.
Ich weiß sehr wohl, dass mein Knoten –, der das ist, wodurch und einzig das, wodurch das Reale als solches eingeführt wird. Sie müssen sich nicht beunruhigen, das geht nicht besonders weit. Ich bin der einzige, der ihn zu handhaben und ebenso, ihn zu verwenden weiß, da mir das dazu dient, Ihnen etwas zu erklären. Es ist wohl zu ertragen – denn in dieser Situation befinden Sie sich –, dass ich mit meinen schwachen Mitteln herumtobe.
Das ist jedoch eine Weise, eben dies zu artikulieren, dass jede menschliche Sexualität pervers ist, wenn wir dem, was Freud sagt, wirklich folgen; es ist ihm nie gelungen, besagte Sexualität anders denn als pervers aufzufassen. Und aus diesen Grunde hinterfrage ich das, was ich die Fruchtbarkeit der Psychoanalyse nennen möchte. Sie haben mich oft äußern hören, dass die Psychoanalyse es nicht mal hingekriegt hat, eine neue Perversion zu erfinden. [Gelächter] Das ist traurig. Denn wenn die Perversion das Wesen des Menschen ist, welche Unfruchtbarkeit |{171} in dieser Praxis!
Nun gut, ich denke, dass wir dank Joyce an etwas rühren, woran ich nicht gedacht hatte. Ich hatte nicht sofort daran gedacht, aber mit der Zeit ist es mir gekommen, es ist mir mit der Zeit gekommen, als ich mir über den Text von Joyce Gedanken gemacht habe. Die Art, wie das gemacht ist – das ist ganz und gar wie ein borromäischer Knoten gemacht.
Und es verblüfft mich, dass nur ihm das entging, ich meine, dass es in seinem gesamten Werk keine Spur von etwas gibt, was ihm [dem borromäischen Knoten] ähnelt. Das scheint mir jedoch eher ein Zeichen von Authentizität zu sein.
Ich habe mich an folgendem Punkt festgehalten: Was einen verblüfft, wenn man diesen Text liest und vor allem seine Kommentatoren, ist dies, dass die Menge von Rätseln, die Joyce, die sein Text, enthält, dass dies etwas ist, wovon es dort nicht nur so wimmelt, sondern wovon man sagen kann, dass er damit gespielt hat, da er genau wusste, dass man sich damit beschäftigen würde und dass es zwei- oder dreihundert Jahre lang Joycianer geben würde. Diese Leute sind einzig damit beschäftigt, diese Rätsel zu lösen, im Mindestfall damit, warum Joyce dies dort hingesetzt hat. Sie finden natürlich immer einen Grund – er hat das dort hingesetzt, weil direkt danach ein anderes Wort folgt.
Kurz, das ist genauso wie in meinen Geschichten über das Osbjekt, über die mensionge, über die dit-mension und über alles Weitere. Bei mir gibt es dafür Gründe, ich will etwas ausdrücken, ich bilde Mehrdeutigkeiten. Aber bei Joyce kommt man immer, könnte ich sagen, ans Ende seines Lateins, umso mehr, als er sich mit dem Lateinischen ein bisschen auskannte.
Was das Rätsel angeht, so habe ich mich glücklicherweise eine Zeitlang dafür interessiert, ich schreibe das Ee; E Index e; E – ein großes E. Es handelt sich um die Énonciation, die Äußerung, und um das énoncé, um die Aussage. Das Rätsel besteht in ihrem Verhältnis, im Verhältnis von groß E zu klein e, darin, warum zum Teufel eine bestimmte Aussage ausgesprochen wurde. Das ist eine Sache der Äußerung, die Äußerung ist das Rätsel.
Das zur Potenz der Schrift gebrachte Rätsel lohnt der Mühe, dass man sich dabei aufhält. Ist das hier nicht vielleicht die Konsequenz dieser so schlecht gemachten Verbindung, dass dies ein Ego mit rätselhafter Funktion ist, mit Reparaturfunktion?
Dass Joyce der Schriftsteller par excellence des Rätsels ist, möchte ich Ihnen nahelegen – ich hätte Ihnen, wenn es nicht so spät wäre, zahllose Beispiel dafür zitieren können. Aber ich rate Ihnen, sich daranzumachen, das nachzuprüfen; Ulysses in französischer Übersetzung, das gibt es, das findet man bei |{172} Gallimard, falls Sie nicht den alten Band aus der Zeit von Sylvia Beach haben.
Ich möchte aber doch, bevor ich Sie verlasse, auf ein paar kleine Punkte hinweisen, die mir erwähnenswert zu sein scheinen.
Es muss Ihnen wirklich klar werden, dass das, was ich Ihnen über die Beziehungen des Menschen zu seinem Körper gesagt habe, dass dies, nach dem, was ich Ihnen gesagt habe, gänzlich darin besteht, dass der Mensch sagt, dass er den Körper hat, dass er seinen Körper hat. Schon wenn man sagt, seinen Körper, dann sagt man, dass er ihn besitzt, dass er ihn tatsächlich wie ein Möbelstück besitzt und dass dies nichts mit irgendetwas zu tun hat, das es erlauben würde, auf strenge Weise das Subjekt zu definieren. Das Subjekt definiert sich korrekt nur durch das, was die Beziehung herstellt, nur durch das, was bewirkt, dass ein Subjekt ein Signifikant ist, insofern es [durch diesen Signifikanten] einem anderen Signifikanten gegenüber repräsentiert wird.
Ich möchte Ihnen hier etwas sagen, das vielleicht ein klein wenig das abbremsen könnte, was einen Abgrund bildet, in dem, was wir durch Verwendung des borromäischen Knotens von der Perversion festmachen können. Es gibt da ja etwas, wobei man absolut erstaunt ist, dass es nicht viel mehr – nicht etwa dem Körper nützt sondern – den Körper als solchen bedient, nämlich la danse, der Tanz. Das würde es erlauben, den Ausdruck condansation etwas anders zu schreiben [condensation „Verdichtung“]. [Gelächter] Sie sehen, dass ich mich hier beschäftige mit … Ja.
Ist das Reale gerade? Das ist eben das, wozu ich vor Ihnen heute die Frage stellen möchte.
Ich möchte Sie auch darauf aufmerksam machen, dass in Freuds Theorie das Reale nichts mit der Welt zu tun hat. Denn was er uns erklärt – bei etwas, was das Ego betrifft, nämlich das Lust-Ich* –, das ist dies, dass es eine Stufe von primärem Narzissmus gibt und dass dieser primäre Narzissmus dadurch gekennzeichnet ist, nicht etwa, dass es kein Subjekt gäbe, sondern dass es kein Verhältnis des Inneren zum Äußeren gibt.
Sicherlich werde ich darauf zurückkommen müssen, allerdings nicht unbedingt vor Ihnen, da ich zur Zeit ja noch keinerlei Gewissheit habe, dass ich im nächsten Studienjahr wieder diesen Hörsaal haben werde. Nehmen |{173} Sie jedoch an, dass ich irgendwo einen Ort von 70 Quadratmetern finden werde, nun, der wird dann Platz für acht Personen bieten, mich eingeschlossen, und das ist das Beste, was ich mir wünschen kann.
Ich müsste noch einige Worte sagen – ich hatte sie vorbereitet –, einige Worte über die Epiphanie, die berühmte Epiphanie von Joyce, die Ihnen an allen Ecken und Enden begegnen wird, die Epiphanie.
Denn ich bitte Sie, Folgendes zu überprüfen: Wenn er eine Aufstellung davon gibt, sind all seine Epiphanien stets durch dasselbe gekennzeichnet, nämlich durch Folgendes: die Konsequenz, die von diesem Fehler herrührt, also von daher, dass das Unbewusste mit dem Realen verbunden ist. Und was phantastisch ist: Joyce selbst sagt darüber nichts anderes. Es ist bei Joyce völlig lesbar, dass die Epiphanie das ist, was bewirkt, dass aufgrund des Fehlers Unbewusstes und Reales miteinander verknüpft sind.
Das ist etwas, das –, das ist nicht das, was ich Ihnen zu Gehör bringen wollte; es gibt etwas, das ich Ihnen dennoch anzeichnen kann.
Abb. 5: Vierer-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden und Ego als Korrektur-Ring
Version ALI
Abb. 6: Vierer-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden und Ego als Korrektur-Ring
Version Miller mit falschem Fadenverlauf
Wenn Sie sich ein wenig auskommen, wenn Sie einen borromäischen Knoten gesehen haben, gibt er Ihnen den folgenden Hinweis: Wenn das hier das Ego ist, wie ich es Ihnen vorhin gezeichnet habe, dann sind wir in der Lage, zu sehen, wie sich der borromäische Knoten streng wiederherstellt und zwar in folgender Gestalt. Hier ist das Reale, hier ist das Imaginäre, hier ist das Unbewusste und hier ist Ego von Joyce. Sie können in diesem Schema leicht sehen, dass das Auftrennen des Egos das imaginäre Verhältnis freisetzt. Denn man kann sich leicht vorstellen, dass sich das Imaginäre davonmacht, dass es sich auf diesem Wege davonmacht, sofern das Unbewusste es gestattet, wie das hier der Fall ist, es gestattet es unbestreitbar.
Das waren die paar Hinweise, die ich Ihnen zu dieser letzten Sitzung geben wollte.
Man denkt gegen einen Signifikanten, das ist der Sinn, |{174} den ich dem Wort l’appensée, „An-Denken“, gegeben habe, man stützt sich gegen einen Signifikanten um zu denken.
So, ich lasse Sie frei.
FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
.
[143] Bon, je commence cinq minutes plus tôt.
{159} Gut, ich fange fünf Minuten früher an.
La dernière fois je vous ai fait, en somme, la confidence que la grève ça m’arrangeait très bien, je veux dire que comme j’avais aucune envie de vous raconter quoi que ce soit.
Beim letzten Mal habe ich Ihnen ja anvertraut, dass mir der Streik sehr gelegen kam – ich meine: deshalb, weil ich nicht die geringste Lust hate, Ihnen was auch immer zu erzählen.
Parce que j’étais moi-même embarrassé.
Denn ich steckte in einer Klemme.
Est-ce que l’on entend ?
Hört man das? [Das bezieht sich auf die Lautsprecheranlage.]
Non. Est-ce que vous entendez ?
Nein. Können Sie ich hören?
Je ne vais pas parler plus fort.
Ich werde nicht lauter sprechen.
Ça marche ou ça ne marche pas ?
Funktioniert das oder nicht?
Ça marche ?
Funktioniert das?
Parce que ça me serait très facile de trouver un autre prétexte [Gelächter], le prétexte que ça ne marche pas par exemple.
Denn es wäre für mich ganz einfach, einen anderen Vorwand zu finden [Gelächter], den Vorwand, dass das hier nicht funktioniert, beispielsweise.
Non pas que cette fois-ci je n’ai pas quelque chose à vous dire.
Nicht, dass ich Ihnen dieses Mal nichts zu sagen hätte.
Mais enfin, il est certain que la dernière fois, j’étais trop empêtré, là, entre mes nœuds et Joyce, pour que j’eusse la moindre envie de vous en parler.
Es ist jedoch sicher ist, dass ich letztes Mal in meinen Knoten und Joyce zu verstrickt war, als dass ich die geringste Lust gehabt hätte, zu Ihnen darüber zu sprechen.
J’étais embarrassé.
Ich steckte in einer Klemme.
Maintenant je le suis un peu moins parce que, comme ça, j’ai cru trouver des trucs, enfin des trucs transmissibles.
Jetzt bin ich es etwas weniger, denn, na ja, ich habe geglaubt, Dinge zu finden, also Dinge, die sich vermitteln lassen.1
Je suis évidemment plutôt actif.
Ich bin natürlich ziemlich aktiv.
Je veux dire que ça me provoque, la difficulté, de sorte que pendant tous mes week-ends, je m’acharne à me casser la tête sur quelque chose qui ne va pas de soi.
Ich meine, für mich ist eine Schwierigkeit eine Herausforderung, sodass ich mir an meinen sämtlichen Wochenenden hartnäckig den Kopf über etwas zerbreche, das sich nicht von selbst versteht.
Il ne va pas de soi que j’ai trouvé ce qu’on appelle, enfin, le prétendu nœud borroméen, et que j’essaie de forcer les choses, en somme, parce que Joyce il n’avait aucune espèce d’idée du nœud borroméen.
Es versteht sich nicht von selbst, dass ich das gefunden habe, was man borromäischen Knoten nennt – angeblich ein Knoten –, und dass ich letztlich versuche, die Dinge zu forcieren, denn Joyce hatte vom borromäischen Knoten nicht die geringste Idee.
C’est pas qu’il n’ait pas fait usage du cercle et de la croix.
Nicht, dass er vom Kreis und vom Kreuz keinen Gebrauch gemacht hätte.
On ne parle que de ça, même, et un nommé Clive Hart, qui est un esprit éminent qui s’est consacré à commenter Joyce, en fait grand état de |[144] cet usage du cercle et de la croix, en fait grand usage dans le livre qu’il a intitulé lui-même : Structure in James Joyce, et tout spécialement à propos de Finnegans Wake.
Einige sprechen sogar von nichts anderem, und ein gewisser Clive Hart, ein hervorragender Geist, der sich der Aufgabe verschrieben hat, Joyce zu kommentieren, macht von der Verwendung von Kreis und Kreuz viel Aufhebens; er macht davon ausgiebigen Gebrauch in dem Buch, das er Structure |{160} in James Joyce betitelt hat, und ganz besonders in Bezug auf Finnegans Wake.2
Alors, la première chose que je peux vous dire, c’est ceci, c’est que l’expression faut l’faire3 a un style de maintenant, je veux dire que on l’a jamais autant dit.
Also, das erste, was ich Ihnen sagen kann, ist Folgendes, nämlich dass der Ausdruck faut l’faire – „muss man erstmal hinkriegen“ / „muss gemacht werden“ – einen aktuellen Stil hat, ich meine, das ist nie so oft gesagt worden [wie jetzt].4
Et ça se loge tout naturellement dans la fabrication de ce nœud : il faut le faire.
Und ganz natürlich findet das bei der Herstellung dieses Knotens seinen Platz: Er muss gemacht werden.
Il faut le faire, ça veut dire quoi ?
Er muss gemacht werden – was heißt das?
Ça se réduit à l’écrire.
Das reduziert sich darauf, ihn zu schreiben.
Ce qu’il y a de frappant, de curieux, c’est que ce nœud, comme ça, que je qualifie de borroméen – vous devez savoir pourquoi – est un appui à la pensée.
Das Überraschende, das Eigenartige ist, dass dieser Knoten da, den ich als borromäisch charakterisiere – Sie werden wissen, warum –, ein appui, eine Stütze, für la pensée ist, für das Denken.
C’est ce que je me permettrais d’illustrer du terme qu’il faut que j’écrive, appui à l’appensée, ça permet d’écrire autrement la pensée.
Ich werde mir gestatten, das mit einem Ausdruck zu illustrieren, den ich aufschreiben muss: appui à l’appensée, das macht es möglich, das Denken anders zu schreiben [appensée: Kofferwort aus appui (Stütze) und pensée (Denken, Gedanke)].5
C’est un appui à la pensée, ce qui justifie l’écriture que je viens de vous mettre là sur cette petite feuille de papier blanc, c’est un appui à la pensée, à l’appensée.
Das ist eine Stütze für das Denken, und das ist der Grund für die Schreibung, die ich für Sie hier auf diesem kleinen weißen Blatt Papier gerade eingetragen habe, das ist eine Stütze à l’appensée, fürs An-Denken.
Mais c’est curieux qu’il la faille, cet appui, si je puis m’exprimer ainsi ; c’est curieux qu’il faille l’écrire pour en tirer quelque chose.
Es ist jedoch merkwürdig, dass es diese Stütze braucht, wenn ich mich so ausdrücken darf; es ist merkwürdig, dass sie, um daraus etwas herauszuziehen, geschrieben werden muss.
Parce que il est tout à fait manifeste que ça n’est pas facile de se représenter cette chaîne – puisqu’il s’agit en réalité, non pas d’un nœud mais d’une chaîne – cette chaîne borroméenne, ça n’est pas facile de la voir fonctionner rien qu’à la pensée, cette fois-ci, en coupant le terme, en coupant le la de pensée, ce pas facile.
Denn ganz offensichtlich ist es nicht einfach, sich diese Verkettung vorzustellen – tatsächlich handelt es sich ja nicht um einen Knoten, sondern um eine Verkettung –, diese borromäische Verkettung, es ist nicht einfach, sie nur im Denken (à la pensée) funktionieren zu sehen, wobei ich den Ausdruck diesmal zerschneide und das la von pensée abschneide; das ist nicht einfach.
C’est pas facile même pour le plus simple, et c’est bien en quoi ce nœud porte quelque chose avec lui.
Das ist nicht einfach, selbst beim einfachsten Knoten ist es nicht einfach, und insofern führt dieser Knoten etwas mit sich.
Il faut l’écrire.
Man muss ihn schreiben.
Il faut l’écrire pour voir comment ça fonctionne, ce nœud bo.
Man muss ihn schreiben, um zu sehen, wie er funktioniert, dieser nœud bo [lautgleich mit nœud beau, „schöner Knoten“], dieser Bo-Knoten.6|
Ça fait penser à quelque chose qui est évoqué quelque part dans Joyce, où sur le Mont Nebo la loi nous fut donnée.
Das lässt an etwas denken, das irgendwo bei Joyce erwähnt wird, wo auf dem Berge Nebo das Gesetz uns gegeben ward [Lacan bezieht sich auf die Lautähnlichkeit von nœd bo und Nebo].7
Une écriture, donc, est un faire qui donne support à la pensée.
Eine Schreibung / eine Schrift ist also ein Machen, das dem Denken eine Stütze gibt.
À vrai dire, le nœud bo en question change complètement le sens de l’écriture.
Genau genommen verändert dieser Bo-Knoten vollständig den Sinn |{161} der Schrift.
Ça donne, à ladite écriture, ça donne une autonomie.
Er verleiht ihr eine Autonomie, dieser Schrift.
Et c’est une autonomie d’autant plus remarquable qu’il y a une autre écriture qui est celle sur laquelle Derrida a insisté… c’est à savoir celle qui résulte de ce qu’on pourrait appeler une précipitation du signifiant.
Und diese Autonomie ist umso bemerkenswerter, als es eine weitere Schrift gibt, diejenige, auf der Derrida insistiert hat8, also diejenige, die aus etwas hervorgeht, das man als Ausfällung/Überstürzung (précipiation) des Signifikanten bezeichnen könnte.9
Derrida a insisté, mais il est tout à fait clair que je lui ai montré la voie, parce que le fait que je n’ai pas trouvé d’autre façon de supporter le signifiant que de l’écrire grand S, est déjà suffisante indication.
Derrida hat insistiert, aber es ist völlig klar, dass ich ihm den Weg gezeigt habe, denn die Tatsache, dass ich, um den Signifikanten zu stützen, keine andere Form gefunden habe als ihn groß S zu schreiben, ist bereits ein ausreichender Hinweis.10
Mais ce qui reste, c’est que le signifiant, c’est-à-dire, ce qui se module dans la voix, n’a rien à faire avec l’écriture.
Es bleibt jedoch, dass der Signifikant, also das, was in der Stimme moduliert wird, nichts mit der Schrift zu tun hat.
C’est en tout cas ce que démontre parfaitement mon nœud bo.
Das beweist jedenfalls perfekt mein Bo-Knoten.
Ça change le sens de l’écriture.
Das verändert den Sinn der Schrift.
Ça montre qu’il n’y a quelque chose à quoi on peut accrocher des signifiants.
Das zeigt, dass es etwas gibt, woran man Signifikanten befestigen kann.
Et on les accroche comment ces signifiants ?
Und wie befestigt man sie, diese Signifikanten?
Par l’intermédiaire de ce que j’appelle dit-mension.
Durch Vermittlung dessen, was ich dit-mension nenne [Kofferwort aus dit (gesagt) und dimension (Dimension)].
Là aussi, parce que je suis pas du tout sûr que ça ne vous ait pas échappé, c’est comme ça que je l’écris : mension du dit.
Und auch hier – da ich mir überhaupt nicht sicher bin, ob Ihnen das nicht entgangen ist –, das schreibe ich so: mension du dit, Erwähnung/Haus des Gesagten [mension: Kofferwort aus mention (Erwähnung) und mansion (Haus im Sinne der Astrologie)].11
Ça a un avantage cette façon d’écrire, c’est que ça permet de prolonger mension en mensionge et que ça indique que le dit n’est pas du tout forcément vrai.
Diese Art es zu schreiben hat einen Vorteil, denn das ermöglicht es, mension zu mensionge zu verlängern, zu Lüge, und das weist darauf hin, dass das Gesagte keineswegs zwangsläufig wahr ist [mensionge: Kofferwort aus mensonge (Lüge) und mension].
Voilà, autrement dit, le dit qui résulte de ce qu’on appelle la philosophie n’est pas sans un certain manque, manque à quoi j’essaie de suppléer par ce |[145] recours à ce qui ne peut – dans le nœud bo – que s’écrire, ce qui ne peut que s’écrire pour qu’on en tire un parti.
Nun ja, anders gesagt, das Gesagte, das sich aus dem ergibt, was man Philosophie nennt, ist nicht ohne einen gewissen Mangel, einen Mangel, dem ich abzuhelfen versuche: durch Rekurs auf das, was – im Bo-Knoten – nur geschrieben werden kann, das, was, um einen Nutzen daraus zu ziehen, nur geschrieben werden kann.
Il n’en reste pas moins que ce qu’il y a de philia dans le philo – le philo qui commence le mot philosophie – ce qu’il y a de philia peut prendre un poids : c’est le temps en tant que pensé – pensé : non pas la pensée, mais le temps pensé.
Immerhin bleibt übrig, dass das, was es in philo an philia gib – in dem philo, mit dem das Wort Philosophie beginnt12 –, dass das, was es da an philia gibt, ein Gewicht erhalten kann: Das ist die Zeit als gedachte (pensé) – nicht der Gedanke (pensée), sondern die gedachte Zeit.
Le temps pensé, c’est la philia.
Die gedachte Zeit, das ist die philia.13
Et ce que je me permets d’avancer : c’est que l’écriture dans l’occasion, change le sens, le mode de ce qui est en jeu, et ce qui est en jeu c’est cette philia de la sagesse.
Und was ich mir vorzubringen erlaube, ist dies, dass die Schrift hierbei den Sinn dessen ändert, den Modus dessen, was auf dem Spiel steht; und was auf dem Spiel steht, ist die philia der Weisheit.
La sagesse, qu’est-ce que c’est ?
Weisheit, was ist das?
C’est ce qui n’est pas très facile à supporter autrement que de l’écriture, de l’écriture du nœud bo elle-même – de sorte qu’en somme, pardonnez à mon infatuation, ce que je fais, ce que j’essaie de faire, avec mon nœud bo, ça n’est rien de moins que la première philosophie qui me paraisse se supporter.
Das ist das, was nicht ganz leicht auf andere Weise gestützt werden kann als durch die Schrift, durch die Schreibung des Bo-Knotens – sodass schließlich, verzeihen Sie meine Selbstgefälligkeit, das, was ich mache, was ich mit meinem Bo-Knoten zu machen versuche, nicht weniger ist als die erste Philosophie, die mir haltbar zu sein scheint.14
La seule introduction de ces nœuds bo, de l’idée qu’ils supportent un os en somme, un os qui suggère, si je puis dire, suffisamment quelque chose que j’appellerai dans cette occasion : osbjet, qui est bien ce qui caractérise la lettre dont je l’accompagne cet osbjet, la lettre petit a.
Abb. 1: Objekt a im Diagramm der borromäischen Ringe
Allein schon die Einführung dieser Bo-Knoten, der Idee, dass sie letztlich einen Knochen (os) stützen, einen Knochen, der, wenn ich so sagen darf, hinreichend etwas nahelegt, das ich hierbei als Osbjekt bezeichnen möchte, nämlich das, was den Buchstaben kennzeichnet, den ich diesem Osbjekt beigebe, den Buchstaben klein a.15
Et si je le réduis, cet osbjet, à ce petit a, c’est précisément pour marquer que la lettre, en l’occasion, ne fait que témoigner de l’intrusion d’une écriture comme autre, comme autre avec, précisément, un petit a – l’écriture en question vient d’ailleurs que du signifiant.
Und wenn ich dieses Osbjekt auf das kleine a reduziere, dann um anzuzeigen, dass der Buchstabe hierbei nichts anderes tut als Zeugnis zu geben vom Eindringen einer Schrift als anderes, als anderes mit kleinem a – |{162} die Schrift, um die es hier geht, kommt von anderswo her als vom Signifikanten.
C’est quand même pas d’hier que je me suis intéressé à cette affaire de l’écriture, que j’ai en somme promue la première fois que j’ai parlé du trait unaire : einziger Zug dans Freud.
Ich habe mich ja nicht erst seit gestern für die Sache der Schrift interessiert, die ich das erste Mal befördert habe, als ich vom trait unaire sprach, vom „einzigen Zug“* bei Freud.16
J’ai donné – du fait du nœud borroméen – un autre support à ce trait unaire, un autre support que, comme ça, je ne vous ai pas encore sorti, que dans mes notes, j’écris DI.
Vom borromäischen Knoten her habe ich diesem einzigen Zug eine weitere Stütze verliehen, eine weitere Stütze, die ich für Sie noch nicht herausgebracht habe und die ich in meinen Notizen DI schreibe.
DI, ce sont des initiales, et ça veut dire droite infinie.
DI, das sind Initialen und das bedeutet droite infinie, „unendliche Gerade“.
La droite infinie en question… ça n’est pas la première fois que vous m’entendez en parler …c’est quelque chose que je caractérise de son équivalence au cercle.
Diese unendliche Gerade – es ist nicht das erste Mal, dass Sie mich davon sprechen hören – charakterisiere ich dadurch, dass sie mit dem Kreis äquivalent ist.17
C’est le principe du nœud borroméen, c’est que, en combinant deux droites avec le cercle, on a l’essentiel du nœud borroméen.
Abb. 2: Borromäische Dreier-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden
Das ist das Prinzip des borromäischen Knotens, nämlich wenn man zwei Geraden mit dem Kreis kombiniert, hat man das Wesentliche des borromäischen Knotens.
Pourquoi est-ce que la droite infinie a cette vertu, cette qualité ?
Weshalb hat die unendliche Gerade diese Tugend, diese Qualität?
C’est parce que c’est la meilleure illustration du trou18.
Weil sie die beste Illustration für das Loch ist.
La topologie nous indique que dans un cercle, il y a un trou au milieu.
Die Topologie zeigt uns, dass es bei einem Kreis in der Mitte ein Loch gibt.19
Et même qu’on se met à rêver sur ce qui en fait le centre, ce qui se prolonge dans toutes sortes d’effets de vocabulaire : le centre nerveux par exemple, dont personne ne sait bien exactement ce que ça veut dire.
Und man macht sich sogar daran, davon zu träumen, was sein Zentrum ausmacht, was sich auf der Ebene des Vokabulars in alle möglichen Effekte hinein verlängert: das Nervenzentrum zum Beispiel, bei dem niemand so recht weiß, was das heißen soll.
La droite infinie a pour vertu d’avoir le trou tout autour.
Die unendliche Gerade hat den Vorzug, dass sie das Loch rund herum hat.
C’est le support le plus simple du trou.
Das ist die einfachste Stütze für das Loch.
[146] Alors, qu’est-ce que ceci nous donne, à nous référer à la pratique ?
Um den Bezug zur Praxis herzustellen – was bringt uns das?
C’est que l’homme est – non pas Dieu – est un composé trinitaire, un composé trinitaire de ce que nous appellerons élément.
Dass der Mensch, und nicht Gott, etwas trinitarisch Zusammengesetztes ist, zusammengesetzt aus etwas, das wir als Element bezeichnen wollen.
Qu’est-ce qu’un élément ?
Was ist ein Element?
Un élément, c’est ce qui fait un, autrement dit le trait unaire, ce qui fait un d’une part, et ce qui du fait de faire un, amorce la substitution.
Ein Element ist das, was ein macht – anders gesagt, der einzige Zug –, das, was einerseits ein macht und was dadurch, dass es ein macht, [andererseits] die Substitution in Gang setzt.
La caractéristique d’un élément, c’est que on procède à leur combinatoire.
Das Kennzeichen der Elemente besteht darin, dass man sich an ihre Kombinatorik macht.
Alors, réel, imaginaire et symbolique, ça vaut bien après tout – me semble-t-il – l’autre triade dont, à entendre Aristote, on nous faisait le jus de composer l’homme, à savoir : nous, psychē, sōma, ou encore : volonté, intelligence, affectivité. Voilà !
Nun, Reales, Imaginäres und Symbolisches, das steht letztlich, so scheint mir, jener anderen Triade nicht nach, aus der man uns im Gefolge von Aristoteles den Saft ge- |{163} macht hat, um den Menschen zusammenzusetzen, nämlich nous, psychē, sōma, oder auch Wille, Intelligenz, Affektivität. So.
Ce que je fais d’introduire avec cette écriture [du nœud], ça n’est rien moins que ce que j’appellerai une logique de sacs et de cordes.
Was ich mache, wenn ich diese Schrift [des Knotens] einführe, ist nichts weniger als das, was ich eine Logik von Säcken und Schnüren nennen möchte.20
Parce que, évidemment, il y a le sac, il y a le sac dont le mythe, si je puis dire, consiste dans la sphère.
Denn offensichtlich gibt es den Sack – den Sack, dessen Mythos, wenn ich so sagen darf, in der Sphäre besteht.21
Mais personne, semble-t-il, n’a suffisamment réfléchi aux conséquences de l’introduction de la corde, et que ce que la corde prouve, c’est qu’un sac n’est clos qu’à le ficeler, et que dans toute sphère, il nous faut bien imaginer quelque chose – qui, bien sûr, est en chaque point de la sphère – et qui la noue, cette chose dans laquelle on souffle, et qui la noue d’une corde.
Niemand hat jedoch, so scheint es, hinreichend über die Konsequenzen der Einführung der Schnur nachgedacht und darüber, dass die Schnur beweist, dass ein Sack erst geschlossen ist, wenn er zugebunden wird, und dass wir uns bei jeder Sphäre etwas vorstellen müssen – was natürlich an jedem Punkt der Sphäre [verortet] ist –, was sie, diese Sache, in die man bläst, zuknotet, was sie mit einer Schnur zuknotet.22
Les gens écrivent leurs souvenirs d’enfance.
Die Leute schreiben ihre Kindheitserinnerungen.
Ça a des conséquences : c’est le passage d’une écriture à une autre écriture.
Das hat Konsequenzen, das ist der Übergang von einer Art der Schrift zu einer anderen Art der Schrift.
Je vous parlerai dans un moment des souvenirs d’enfance de Joyce, parce qu’évidemment il me faut montrer en quoi cette logique dite de sacs et de cordes est quelque chose qui peut nous aider à comprendre comment Joyce a fonctionné comme écrivain.
Ich möchte gleich über die Kindheitserinnerungen von Joyce sprechen, da ich Ihnen ja zeigen muss, inwiefern die Logik von Säcken und Schnüren etwas ist, das uns helfen kann zu begreifen, wie Joyce als Schriftsteller funktionierte.
La psychanalyse, c’est autre chose.
Psychoanalyse ist etwas anderes.23
La psychanalyse passe par un certain nombre d’énoncés.
Die Psychoanalyse vollzieht sich durch eine Reihe von Äußerungen.24
Il n’est pas dit que la psychanalyse mette dans la voie d’écrire.
Es ist nicht gesagt, dass die Psychoanalyse einen auf den Weg des Schreibens führt.
C’est bien ce que je suis en train de vous imposer par mon langage, c’est que ça mérite d’y regarder à deux fois quand on vient de me demander, au nom de je ne sais quelle inhibition, d’être mis en posture d’écrire.
Eben das bin ich im Begriff, Ihnen durch meine Sprache aufzunötigen: dass es sich lohnt, zweimal hinzuschauen, wenn man mit der Bitte zu mir kommt – im Namen irgendeiner Hemmung –, in die Lage versetzt zu werden, zu schreiben.
J’y regarde, quant à moi, à deux fois quand – ça m’arrive comme à tout le monde – on vient me demander ça : de lever je ne sais quelle inhibition d’écrire, parce que c’est pas du tout tranché qu’avec la psychanalyse on y arrivera.
Was mich angeht, so schaue ich zweimal hin, wenn man – das passiert mir wie jedem anderen auch –, wenn man mich bittet, irgendeine eine Schreibhemmung zu beseitigen, denn dass einem das mit der Psychoanalyse gelingt, ist keineswegs ausgemacht.
Ceci suppose une investigation à proprement parler de ce que ça signifie, d’écrire.
Das setzt, im strengen Sinne des Wortes, eine Untersuchung dessen voraus, was es heißt, zu schreiben.
[147] Et très précisément, ce que je vais vous suggérer aujourd’hui concerne Joyce.
Und was ich Ihnen heute [hierzu] vorschlagen möchte, bezieht sich auf Joyce.
Il m’est venu, comme ça, dans la boule… la boule qui dans l’occasion, est loin d’être sphérique, puisqu’elle se rattache à tout ce qu’on sait …il m’est venu, comme ça, dans la boule, que Joyce – c’est quelque chose qui lui est arrivé.
{164} Es ist mir ja in den Schädel gekommen, in den Rundschädel, der hierbei alles andere als sphärisch ist, da er sich mit allem verbindet, was man weiß, es ist mir ja in den Schädel gekommen, dass Joyce –, dass es da etwas gibt, was ihm zugestoßen ist.
Et qui lui est arrivé par une voie dont, moi, je crois pouvoir rendre compte, quelque chose qui lui est arrivé, et qui fait que chez lui ce qu’on appelle – comme ça, couramment – l’ego, a joué un tout autre rôle que le rôle simple – qu’on s’imagine simple – que le rôle simple qu’il joue dans le commun de ce qu’on appelle mortel, mortel à juste titre.
Und was ihm auf einem Weg zugestoßen ist, über den ich glaube Auskunft geben zu können, etwas, das ihm zugestoßen ist und das bewirkt, dass bei ihm das, was man üblicherweise als Ego bezeichnet, eine völlig andere Rolle gespielt hat als die einfache Rolle – eine Rolle, die man sich als einfach vorstellt –, als die einfache Rolle, die das Ego bei der großen Masse derer spielt, die man sterblich nennt, die man zurecht sterblich nennt.25
L’ego, chez lui, a rempli une fonction, une fonction dont, bien sûr, je ne peux rendre compte que par mon mode d’écriture.
Bei ihm hat das Ego eine Funktion erfüllt, eine Funktion, über die ich natürlich nur durch meinen Modus der Schrift Auskunft geben kann.
Ce qui m’a mis sur la voie vaut quand même un peu la peine d’être signalé, c’est ceci : c’est que l’écriture est tout à fait essentielle à son ego.
Es lohnt jedoch ein wenig die Mühe, anzuzeigen, was mich auf den Weg gebracht hat, und das ist dies, dass für sein Ego die Schrift absolut wesentlich ist.
Et il l’a illustré quand, dans une rencontre avec je ne sais plus quel j’en-foutre qui venait l’interviewer.
Und er hat das illustriert, als –, bei einem Treffen mit ich weiß nicht mehr welchem Taugenichts, der kam, um ihn zu interviewen.
J’ai pas retrouvé le nom, non pas que je ne l’ai pas cherché.
Ich habe den Namen nicht wiedergefunden, nicht dass ich ihn nicht gesucht hätte.
Mais c’est un épisode bien connu.
Aber das ist eine ziemlich bekannte Episode.
Il est peut-être dans Gorman.
Er steht vielleicht bei Gorman.26
Je ne l’ai pas retrouvé dans Ellmann qui est sûrement la meilleure, la plus soigneuse, des biographes de Joyce, je ne l’ai pas retrouvé, non pas que ça n’y soit sûrement pas, c’est parce que j’ai pas eu le temps ce matin de le rechercher.
Bei Ellmann habe ich ihn nicht wiedergefunden, der sicherlich der beste, der sorgfältigste der Joyce-Biographen ist, ich habe ihn nicht wiedergefunden – nicht dass er mit Sicherheit nicht darin stünde, aber ich hatte heute früh nicht die Zeit, ihn zu suchen.27
Il s’agit de quelque chose dont un quelconque des biographes de Joyce fait état.
Es handelt sich um etwas, das irgendeiner der Joyce-Biographen festhält.
Quelqu’un, un jour, est venu le voir et lui a demandé de parler de ce qui concernait une certaine image, c’était une image qui reproduisait un aspect de la ville de Cork.
Eines Tages hat ihn jemand besucht und bat ihn, über ein bestimmtes Bild zu sprechen, ein Bild, das eine Ansicht der Stadt Cork zeigte.
Alors Joyce, qui savait où attendre son type au tournant, lui a répondu que c’était Cork.
Joyce nun, der wusste, wo er den Typ zu erwarten hatte, gab ihm zur Antwort, das sei Cork.
À quoi le type a dit :
Woraufhin der Typ sagte:
Mais c’est bien évident que je sais ce que c’est : un aspect de la ville, enfin la grand place, disons, de Cork, je la reconnais.
Aber es ist doch klar, dass ich weiß, was das ist – ein Anblick der Stadt, sagen wir, der Hauptplatz, von Cork, ich erkenne ihn wieder.
Mais, qu’est-ce qui encadre ?
Aber was ist der Rahmen?
À quoi Joyce, qui l’attendait au tournant, lui a répondu : cork, c’est-à-dire ce qui veut dire, traduit en français : du liège.
Worauf ihm Joyce, der ihn hier erwartet hatte, zur Antwort gab: cork, und das heißt: „aus Kork“.
Ceci est donné comme illustration du fait, que dans Joyce, dans ce qu’il écrit, il en passe toujours [par ce rapport à l’encadrement].
Damit soll illustriert werden, dass bei Joyce, in dem, was er schreibt, dass er da immer hindurchgeht [durch dieses Verhältnis zur Rahmung].
Il suffit de lire le petit tableau qu’il a donné de Ulysses, qu’il a donné à Stuart Gilbert, qu’il a donné aussi, quoique un peu différent, à Linati, qu’il a donné à quelques autres, qu’il a donné à Valery Larbaud.
Es genügt, die kleine Tabelle zu lesen, die er von Ulysses gegeben hat, die er Stuart Gilbert gegeben hat28, die er auch, wenn auch etwas anders, Linati gegeben hat29, die er noch einigen anderen gegeben hat, die er Valery Larbaud gegeben hat.30
C’est que, dans chacune des choses qu’il ramasse, qu’il raconte, pour en faire cette œuvre d’art qu’est Ulysses, dans chacune des ces choses, l’encadrement a toujours au minimum… avec ce qu’il est censé raconter comme rapport à une image …a toujours un rapport au moins d’homonymie.
Das heißt, dass in all diesen Dingen, die er sammelt, die er erzählt, um daraus dieses Kunstwerk zu machen, also den Ulysses, dass in all diesen Dingen der Rahmen immer zumindest – zu dem, was er als Beziehung zu einem Bild erzählen soll –, dass der Rahmen immer in einer Beziehung zumindest der Homonymie steht.
Que chacun des chapitres d’Ulysses se veuille être supporté d’un certain mode d’encadrement… qui dans l’occasion est appelé dialectique par exemple, ou rhétorique ou théologie …c’est bien ce qui est – pour lui – lié à l’étoffe même de ce qu’il raconte.
Dass jedes Kapitel von Ulysses beansprucht, durch eine bestimmte Art der Rahmung gestützt zu werden – die sich dann beispielsweise Dialek- |{165} tik nennt oder Rhetorik oder Theologie –, das ist eben das, was für ihn an den Stoff dessen, was er erzählt, gebunden ist.
Et alors, ceci bien sûr n’est pas |[148] sans évoquer mes petits ronds, qui eux aussi sont le support de quelque encadrement.
Und, nun ja, das erinnert natürlich durchaus an meine kleinen Ringe, die ja ebenfalls die Stütze für eine bestimmte Rahmung sind.
La question est la suivante : qu’est-ce qui se passe quand, par suite d’une faute, conditionnée pas uniquement par le hasard.
Die Frage ist nun folgende: Was passiert, wenn infolge eines Fehlers, der nicht einzig auf Zufall beruht –.
Car ce que nous apprend la psychanalyse, c’est qu’une faute ne se produit jamais par hasard, qu’il y a derrière tout lapsus, pour appeler ça par son nom, une finalité signifiante.
Denn was die Psychoanalyse uns lehrt, ist dies, dass ein Fehler niemals durch Zufall zustande kommt, dass es hinter jedem Lapsus, um ihn beim Namen zu nennen, eine signifizierende Finalität gibt.
À savoir que la faute tend – s’il y a un inconscient – à vouloir exprimer quelque chose, non pas seulement que le sujet sait, puisque le sujet réside… c’est ce que je vous ai exprimé en son temps par le rapport d’un signifiant à un autre signifiant …le sujet réside dans cette division même, que c’est la vie du langage… vie pour le langage étant tout autre chose que ce qu’on appelle simplement vie …que ce qui signifie mort pour le support somatique a tout autant de place dans ces pulsions qui relèvent de ce que je viens d’appeler vie du langage.
Dass nämlich der Fehler danach strebt – wenn es denn ein Unbewusstes gibt –, etwas auszudrücken, nicht nur, was das Subjekt weiß, da das Subjekt – das habe ich seinerzeit für Sie durch das Verhältnis eines Signifikanten zu einem anderen Signifikanten ausgedrückt –, da das Subjekt in eben dieser Spaltung besteht; dass dies das Leben der Sprache ist, wobei Leben für die Sprache etwas ganz anderes ist als das, was man einfach Leben nennt; dass das, was für den somatischen Träger Tod bedeutet, in den Trieben, die zu dem gehören, was ich gerade das Leben der Sprache genannt habe, ebenso seinen Platz hat.31
Ces pulsions en question relèvent du rapport au corps et le rapport au corps n’est, chez aucun homme, un rapport simple – autre que le corps a des trous.
Diese Triebe hängen vom Verhältnis zum Körper ab, und das Verhältnis zum Körper ist für keinen Menschen ein einfaches Verhältnis – abgesehen davon, dass der Körper Löcher hat.
C’est même, au dire de Freud, ce qui aurait dû mettre l’homme sur la voie de ces trous abstraits – parce que ceci c’est abstrait – de ces trous abstraits qui concernent l’énonciation de quoi que ce soit.
Freud zufolge ist dies sogar das, was den Menschen auf den Weg der abstrakten Löcher hätte bringen müssen – denn dies ist abstrakt –, der abstrakten Löcher, die jede beliebige Äußerung betreffen.
Alors le quelque chose qui est en somme suggéré par cette référence, c’est qu’il faut essayer de se dépétrer d’une idée essentiellement confuse qui est l’idée d’éternité.
Dieser Bezug legt also letztlich nahe, dass man versuchen muss, sich von einer Idee freizumachen, die ihrem Wesen nach verworren ist, nämlich von der Idee der Ewigkeit.
C’est une idée qui ne s’attache qu’au temps pensé, philia, dont je parlais tout à l’heure.
Das ist eine Idee, die nur an die gedachte Zeit gebunden ist, philia, von der ich vorhin gesprochen habe.32
On pense – et il arrive même qu’on en parle à tort et à travers – on pense un amour éternel.
Man denkt – und es kommt sogar vor, dass man darüber wohllos drauflosredet –, man denkt eine ewige Liebe.
On ne sait vraiment pas ce qu’on dit.
Man weiß wirklich nicht, was man sagt!
Est-ce qu’on entend par là l’autre vie, si je puis m’exprimer ainsi.
Versteht man darunter das andere Leben, wenn ich mich so ausdrücken darf?
Vous voyez comment tout s’engage, et où en somme, cette idée d’éternité – dont personne ne sait ce que c’est – cette idée d’éternité nous mène. Voilà !
Sie sehen, wie alles in Gang kommt und wo die Vorstellung der Ewigkeit uns letztlich hinführt, die Idee der Ewigkeit, von der niemand weiß, was das ist. So.
Pour ce qui est de Joyce je voudrais… j’aurais pu vous lire à l’occasion… mais enfin sachez que ça existe et que vous pouvez le lire très facilement en français, parce que il y a eu une traduction du Portrait of the Artist as a Young Man… Portrait non pas of the Artist – car j’ai fait là naturellement un lapsus – of an Artist : Portrait d’un Artiste comme un Jeune Homme …il y a une confidence que nous fait Joyce qui concerne ceci :
Was nun Joyce angeht, so möchte ich –; das hätte ich Ihnen hier vorlesen können, aber, wissen Sie, das gibt es ja, und Sie können es leicht auf Französisch lesen, da ja eine Übersetzung des Portrait of the artist as a young man herausgekommen ist, portrait nicht of the artist – da habe ich natürlich einen Lapsus gemacht –, of an artist, „Porträt eines Künstlers als ein junger Mann“33, Joyce macht uns da eine vertrauliche Mitteilung, bei der es um Folgendes geht34:
C’est que, à propos de Tennyson, de Byron, enfin de choses qui se référaient à des poètes, il s’est trouvé que des camarades l’ont ficelé à une barrière, non pas quelconque, elle était même en fil de fer barbelé, et lui ont donné à lui, Joyce, James Joyce [une raclée].
Im Zusammenhang mit Tennyson, mit Byron, also mit Dingen, die sich auf Dichter beziehen, kam es dazu, dass Schulkameraden ihn an einen Zaun fesselten – nicht an irgendeinen, er war noch dazu aus Sta- |{166} cheldraht – und ihm, also Joyce, James Joyce, [eine Tracht Prügel] verpassten.35
Le camarade qui dirigeait toute l’aventure était un nommé Heron, ce qui n’est pas un terme tout à fait indifférent, c’est l’héron36 …cet Heron l’a donc battu pendant un certain temps, aidé bien sûr de quelques autres camarades.
Der Kamerad, der das ganze Abenteuer anleitete, war ein gewisser Heron – was kein völlig belangloser Ausdruck ist, das ist l’héron, der Reiher37 –, dieser Heron also schlug ihn eine Zeitlang, unterstützt natürlich von einigen weiteren Kameraden.
Et après l’aventure, Joyce s’interroge sur ce qui a fait que, passée la chose, il ne lui en voulait pas.
Und nach dem Abenteuer fragt sich Joyce, was dazu geführt hat, dass er ihm, als die Sache vorbei war, nicht böse war.38
Joyce s’exprime d’une façon – on peut l’attendre de lui – très pertinente, je veux dire que il métaphorise et quelque chose qui n’est rien moins que son |[149] rapport à son corps.
Joyce drückt sich sehr treffend aus, wie man von ihm erwarten kann, ich will sagen, dass er eine Metapher bildet, und zwar für etwas, das nichts Geringeres ist als sein Verhältnis zu seinem Körper.
Il constate que toute l’affaire s’est évacuée.
Er stellt fest, dass die ganze Sache verflogen ist.
Il s’exprimait lui-même en disant que c’est comme une pelure.
Er drückte sich dabei so aus, dass er sagte, dass sei es wie eine Schale.39
Qu’est-ce que ceci nous indique ?
Was wird uns dadurch angezeigt?
Ça nous indique que ce quelque chose de déjà si imparfait chez tous les êtres humains, le rapport au corps… qui est-ce qui sait ce qui se passe dans son corps ? …il est clair que c’est bien là quelque chose qui est extraordinairement suggestif, et qui même pour certains est le sens qu’ils donnent – ces certains, ces certains en question – est le sens qu’ils donnent à l’inconscient.
Das zeigt uns an, dass dieses bei allen Menschenwesen bereits so unvollkommene Etwas, nämlich das Verhältnis zum eigenen Körper –; wer weiß schon, was in seinem Körper vor sich geht?, es ist klar, dass das außerordentlich suggestiv ist, und das ist für einige sogar der Sinn, den sie – diese einigen, diese einigen hier –, das ist der Sinn, den sie dem Unbewussten geben.
Mais s’il y a quelque chose que j’ai depuis l’origine articulé avec soin, c’est très précisément ceci : c’est que l’inconscient, ça n’a rien à faire avec le fait qu’on ignore des tas de choses quant à son propre corps, et que ce qu’on sait est d’une toute autre nature : on sait des choses qui relèvent du signifiant.
Wenn es jedoch etwas gibt, das ich von Beginn an mit Sorgfalt artikuliert habe, dann ist es dies, dass das Unbewusste nichts mit der Tatsache zu tun hat, dass man eine Menge Dinge, die sich auf den eigenen Körper beziehen, nicht weiß und dass das, was man weiß, von ganz anderer Natur ist – man weiß Dinge, die zum Bereich des Signifikanten gehören.
L’ancienne notion de l’inconscient, de l’Unbekannte, c’était précisément quelque chose qui prenait appui de notre ignorance de ce qui se passe dans notre corps.
Der alte Begriff des Unbewussten, des Unbekannten*, stützte sich genau auf unser Unwissen darüber, was in unserem Körper vor sich geht.
Mais l’inconscient de Freud –; c’est quelque chose qui vaut la peine d’être énoncé à cette occasion, c’est justement ce que j’ai dit, à savoir le rapport qu’il y a entre un corps qui nous est étranger et quelque chose qui fait cercle, voire droite infinie – qui de toute façon sont l’un à l’autre équivalents – quelque chose qui est l’inconscient.
Das Freud’sche Unbewusste jedoch –; das ist etwas, was sich hier auszusprechen lohnt, das ist eben das, was ich gesagt habe, nämlich das Verhältnis zwischen einem Körper, der uns fremd ist, und etwas, das einen Kreis bildet – ja sogar eine unendliche Gerade, die jedenfalls äquivalent sind –, etwas, was das Unbewusste ist.
Alors, quel sens donner à ce dont Joyce témoigne?
Nun, welchen Sinn soll man dem geben, was Joyce bezeugt?
À savoir que ce n’est pas simplement le rapport à son corps, c’est, si je puis dire, la psychologie de ce rapport, car après tout la psychologie n’est pas autre chose que ça, à savoir cette image confuse que nous avons de notre propre corps.
Nämlich dass es nicht einfach um das Verhältnis zu seinem Körper geht, es geht, wenn ich so sagen kann, um die Psychologie dieses Verhältnisses, denn die Psychologie ist im Grunde nichts anderes als dies: das verworrene Bild, das wir von unserem eigenen Körper haben.
Mais cette image confuse n’est pas sans comporter – appelons ça comme ça s’appelle – des affects, à savoir que : à s’imaginer justement ça, ce rapport psychique, il y a quelque chose de psychique qui s’affecte et qui réagit qui n’est pas détaché.
Dieses verworrene Bild enthält aber durchaus – sprechen wir es deutlich aus – Affekte, nämlich dass es, um sich eben dies vorzustellen, dieses psychische |{167} Verhältnis, dass es etwas Psychisches gibt, das affiziert wird und das reagiert, das nicht abgelöst ist.
Comme Joyce en témoigne, après avoir reçu les coups de bâton de ses quatre ou cinq camarades, il y a ce quelque chose qui ne demande qu’à s’en aller, qu’à lâcher comme une pelure.
Wie Joyce bezeugt, nachdem er die Stockhiebe seiner vier oder fünf Kameraden erhalten hat40, gibt es [bei ihm hingegen] dieses etwas, das nur verlangt wegzugehen, sich abzulösen wie eine Schale.
C’est là quelque chose de frappant : qu’il y ait des gens qui n’aient pas d’affect à la violence subie corporellement.
Das ist doch etwas Verblüffendes: dass es Leute gibt, die bei körperlich erlittener Gewalt keinen Affekt haben.
Il y a là une sorte de chose qui d’ailleurs est ambiguë : ça lui a peut-être fait plaisir.
Es gibt da eine Art Sache, die übrigens mehrdeutig ist: Vielleicht hat es ihm Spaß (plaisir) gemacht.
Le masochisme n’est pas du tout exclu des possibilités de stimulation sexuelle de Joyce, il y a assez insisté concernant Bloom.
Aus den sexuellen Stimulationsmöglichkeiten von Joyce ist der Masochismus keineswegs ausgeschlossen; was Bloom angeht, hat er hinreichend darauf insistiert.41
Mais je dirais que ce qui est plutôt frappant, ce sont les métaphores qu’il emploie, à savoir le détachement de quelque chose comme d’une pelure.
Ich möchte jedoch sagen, das, was eher verblüfft, sind die Metaphern, die er verwendet, nämlich die Ablösung von etwas, wie die Ablösung einer Schale.
Il n’a pas joui cette fois-là, il a eu – c’est quelque chose qui vaut psychologiquement – il a eu une réaction de dégoût.
In diesem Falle hat er keine Jouissance empfunden, er hat – das ist psychologisch bedeutsam –, er hat mit Ekel reagiert.42
Et ce dégoût concerne |[150] son propre corps.
Und dieser Ekel betrifft seinen eigenen Körper.
C’est comme quelqu’un qui met entre parenthèses, qui chasse le mauvais souvenir, c’est de ça ce dont il s’agit.
Das ist wie jemand, der die schlimme Erinnerung in Klammern setzt, der sie verjagt, darum handelt es sich.
Ceci est tout à fait laissé comme possibilité, comme possibilité d’une rapport à son propre corps comme étranger et c’est bien ce qu’exprime le fait de l’usage du verbe avoir : son corps on l’a, on ne l’est à aucun degré.
Das bleibt als Möglichkeit völlig erhalten, als Möglichkeit eines Verhältnisses zum eigenen Körper als etwas, das fremd ist, und das drückt sich darin aus, dass das Verb haben verwendet wird – seinen Körper, den hat man, man ist nicht der Körper, in keinem Maße.43
Et c’est ce qui fait croire à l’âme, à la suite de quoi il n’y a pas de raison de s’arrêter, et on pense aussi qu’on a une âme, ce qui est un comble.
Und das lässt an die Seele glauben, und danach gibt es keinen Grund mehr, aufzuhören, und man denkt auch, dass man eine Seele hat, das ist wirklich der Gipfel.
Cette forme du laisser tomber, du laisser tomber du rapport au corps propre, est tout à fait suspecte pour un analyste.
Diese Form des Fallenlassens, des Fallenlassens des Verhältnisses zum eigenen Körper, ist für einen Analytiker ganz und gar suspekt.
Cette idée de soi, de soi comme corps, a quelque chose qui a un poids.
Die Idee von sich, von sich als Körper, hat etwas, das ein Gewicht hat.
C’est ça que on appelle l’ego.
Das ist das, was man Ego nennt.
Si l’ego est dit narcissique, c’est bien parce qu’il y a quelque chose à un certain niveau qui supporte le corps comme image.
Wenn das Ego narzisstisch genannt wird, dann deshalb, weil es auf einer bestimmten Ebene etwas gibt, was den Körper als Bild stützt.
Mais est-ce que dans le cas de Joyce, le fait que cette image dans l’occasion, ne soit pas intéressée, est-ce que ce n’est pas ça qui signe que l’ego a une fonction, dans cette occasion, toute particulière ?
Ist jedoch die Tatsache, dass im Falle von Joyce dieses Bild nicht betroffen ist, nicht ein Zeichen dafür, dass das Ego in diesem Falle eine ganz besondere Rolle spielt?
Comment écrire cela dans mon nœud bo ?
Wie soll man das in meinem Bo-Knoten schreiben?
Alors là, je trace, je franchis quelque chose dont il n’est pas forcé que vous le suiviez.
Hier nun gehe ich einer Spur nach, überschreite ich etwas, dem Sie nicht unbedingt folgen werden.
Jusqu’où va, si je puis dire, la père-version dont vous savez comment je l’écris ?
Wie weit, wenn ich so sagen kann, geht die père-version, von der Sie wissen, wie ich sie schreibe?44
Le nœud bo c’est ça, c’est la sanction du fait que Freud fait tout tenir sur la fonction du père.
{168} Der Bo-Knoten ist Folgendes: die Sanktionierung der Tatsache, dass Freud alles von der Funktion des Vaters abhängig macht.45
Le nœud bo n’est que la traduction de ceci : c’est que, comme on me le rappelait hier soir, l’amour, et, par dessus le marché, l’amour qu’on peut qualifier d’éternel, c’est ce qui se rapporte à la fonction du père, qui s’adresse à lui au nom de ceci que le père est porteur de la castration.
Der Bo-Knoten ist nur die Übersetzung dessen – woran man mich gestern Abend erinnert hat –, dass die Liebe und gerade auch die Liebe, die man als ewige bezeichnen kann, dass sie etwas ist, das sich auf die Funktion des Vaters bezieht, das sich an ihn wendet, von daher nämlich, dass der Vater der Träger der Kastration ist.
C’est ce que Freud au moins avance dans Totem et tabou, à savoir dans la référence à la première horde : c’est dans la mesure où les fils sont privés de femme qu’ils aiment le père.
So zumindest behauptet es Freud in Totem und Tabu, also in Bezug auf die Urhorde: In dem Maße, in dem die Söhne keinen Zugang zu Frauen haben, lieben sie den Vater.46
C’est en effet quelque chose de tout à fait singulier et ahurissant, et que seule sanctionne l’intuition de Freud.
Das ist wirklich etwas ganz und gar Einzigartiges und Verblüffendes, das einzig durch Freuds Intuition sanktioniert wird.
Mais de cette intuition, à cette intuition, j’essaie de donner un autre corps, précisément dans mon nœud bo qui est si bien fait pour évoquer le Mont Nebo ou, comme on dit, la Loi – la Loi qui n’a absolument rien à faire avec les lois du monde réel, les lois du monde réel étant d’ailleurs une question qui reste toute entière ouverte.
Von dieser Intuition, dieser Intuition versuche ich jedoch, einen anderen Körper zu geben, und zwar mit meinem Bo-Knoten (nœud bo), der sich so gut dazu eignet, den Berg Nebo in Erinnerung zu rufen oder, wie man sagt, das Gesetz – das Gesetz, das absolut nichts mit den Gesetzen der realen Welt zu tun hat, wobei die Gesetze der realen Welt eine Frage sind, die völlig offen bleibt.47
La Loi dans l’occasion, est simplement la Loi de l’amour, c’est-à-dire la père-version.
Das Gesetz ist hierbei einfach das Gesetz der Liebe, das heißt die père-version.
C’est très curieux qu’apprendre à écrire – à écrire tout au moins mon nœud bo – serve à quelque chose.
Es ist wirklich merkwürdig, dass das Schreibenlernen, zumindest meinen Bo-Knoten schreiben zu lernen, zu etwas nütze ist.
Et ce dont je vais tout de suite l’illustrer est ceci : |[151] supposez qu’il y ait quelque part, nommément là, supposez qu’il y ait là, quelque part, une erreur, à savoir que les coupures fassent ici une faute :
Abb. 3: Fehlerhafte Verkettung von drei Ringen
Und womit ich das sogleich illustrieren möchte, ist Folgendes. Nehmen Sie an, dass es irgendwo, und zwar dort, nehmen Sie an, dass es da irgendwo einen Fehler gibt, also dass die Überschneidungen hier falsch verlaufen.
Qu’est-ce qu’il en résulte ?
Was folgt daraus?48
Le nœud borroméen a cet aspect, c’est-à-dire – comme vous ne l’auriez certainement pas imaginé à prendre les choses comme ça de nature d’imaginaire – c’est-à-dire que comme vous le voyez, le grand I qui est là n’a plus qu’à foutre le camp.
Der borromäische Knoten sieht dann so aus, das heißt – wie Sie es sich wohl nicht vorgestellt hätten, wenn Sie die Dinge einfach so von der Natur des Imaginären her nehmen –, das heißt, wie Sie sehen, |{169} dass das große I, das dort ist [der Ring des Imaginären], sich nur noch davonmachen kann.49
Il glisse, il glisse exactement comme ce que Joyce ressent après avoir reçu sa raclée, il glisse : le rapport imaginaire n’a pas lieu, il n’a pas lieu dans ce cas.
Es entgleitet, es entgleitet so wie das, was Joyce verspürt, nachdem er seine Tracht Prügel bekommen hat, es entgleitet – das imaginäre Verhältnis findet nicht statt, in diesem Falle findet es nicht statt.
Et ceci laisse à penser que si Joyce s’est tellement intéressé à la perversion, c’était peut-être pour autre chose.
Und das lässt einen denken, wenn Joyce sich so für die Perversion interessierte, dann hatte das vielleicht andere Gründe.
Peut-être qu’après tout, la raclée ça le dégoûtait.
Vielleicht haben die Prügel ihn ja nur angeekelt.
C’était peut-être pas un vrai pervers.
Er war vielleicht kein wirklich Perverser.
Parce que il faut bien tâcher de s’imaginer pourquoi Joyce est si illisible.
Denn man muss ja versuchen, sich vorzustellen, warum Joyce so unlesbar ist.
S’il est illisible, c’est peut-être parce qu’il n’évoque en nous aucune sympathie.
Wenn er unlesbar ist, dann vielleicht deshalb, weil er in uns keinerlei Sympathie erweckt.
Mais est-ce que quelque chose ne pourrait pas être suggéré dans notre affaire, par le fait – par contre, patent – qu’il a un ego d’une tout autre nature que celle qui ne fonctionne pas précisément au moment de sa révolte, qui ne fonctionne pas tout de suite, tout juste après ladite révolte.
Aber könnte sich in unserer Sache nicht etwas durch die Tatsache nahelegen, die ja doch offensichtlich ist, dass er ein Ego von ganz anderer Natur hat als von jener, die genau im Moment seiner Revolte nicht funktioniert, die sofort, ganz knapp nach dieser Revolte nicht funktioniert – ?
Car il arrive à se dégager, c’est un fait.
Denn es gelingt ihm, sich davon zu lösen, das ist eine Tatsache.
Mais après ça, je dirai qu’il n’en garde plus aucune reconnaissance à qui que ce soit d’avoir reçu cette raclée.50
Aber danach, möchte ich sagen, bewahrt er gegenüber wem auch immer keinerlei Anerkennung in Bezug darauf, diese Prügel bezogen zu haben.51
Et alors ce que je suggère, c’est ceci, c’est que c’est pas compliqué à voir : supposez qu’ici, là – je le marque bien là, pour montrer qu’il passe par-dessus – supposez que la correction de cette erreur, de cette faute, de ce lapsus dont après tout il y a rien de plus commun à imaginer, pourquoi ça n’arriverait-il pas qu’un nœud ne soit pas borroméen, que ça rate ?
Was ich also vorschlage, ist Folgendes, es ist ja nicht kompliziert, das zu sehen: Nehmen Sie an, dass dort – ich markiere ihn da, um zu zeigen, dass er darüber läuft –, nehmen Sie an, dass die Korrektur dieses Irrtums, dieses Fehlers, dieses Lapsus, der ja schließlich das Allgemeinste ist, das man sich vorstellen kann –; warum sollte es nicht vorkommen, dass ein Knoten nicht borromäisch ist, dass das misslingt?
J’ai dix mille fois fait des erreurs au tableau en le dessinant.
Als ich ihn angezeichnet habe, habe ich an der Tafel zehntausendmal Fehler gemacht.52
[152] Voilà exactement ce qui se passe, et où j’incarne l’ego ici, l’ego comme correcteur de ce rapport manquant, de ce qui ne noue pas borroméennement à ce qui fait nœud de réel et d’inconscient, dans le cas de Joyce.
Abb. 4: Verkettung von vier Ringen mit Ego als Korrektur-Ring
Das ist genau das, was passiert, und wo ich hier das Ego verkörpere, das Ego als Korrektur dieses scheiternden Verhältnisses, dessen, was |{170} nicht auf borromäische Weise mit dem verknotet, was bei Joyce den Knoten aus Realem und Unbewusstem bildet.53
Bon. Par cet artifice d’écriture, je dirai que se restitue le nœud borroméen.
Gut. Durch dieses artifice de l’écriture, diesen Kunstgriff / dieses Kunstwerk der Schrift, stellt sich, möchte ich sagen, der borromäische Knoten wieder her.54
Vous le voyez, ça n’est pas d’une face du nœud borroméen qu’il s’agit, c’est d’un fil.
Sie sehen, es handelt sich nicht um eine Fläche des borromäischen Knotens, sondern um einen Faden.
C’est la différence entre la géométrie commune qui est celle d’où sort le mot face… la géométrie c’est des choses qui jouent sur les faces, les polyèdres c’est tout plein de faces, d’arêtes et de sommets.
Das ist der Unterschied zur gewöhnlichen Geometrie, derjenigen, aus der das Wort Fläche stammt – Geometrie, das sind Dinge, die sich auf Flächen abspielen; die Polyeder sind voller Flächen, Kanten und Ecken.
Mais le nœud nous introduit – le nœud qui est chaîne dans l’occasion – le nœud nous introduit à une tout autre dimension, dont je dirai que – à la différence de l’évidence de la face, de la face géométrique – c’est évidé.
Der Knoten jedoch – der Knoten, der in diesem Falle eine Verkettung ist –, der Knoten führt uns in eine ganz andere Dimension ein, von der ich sagen möchte, sie ist, im Unterschied zur Evidenz der geometrischen Fläche55, évidé, entleert.
Et justement parce que c’est évidé, ça n’est pas évident.
Und eben weil sie évidé ist, ist das nicht evident.
Il y a quelqu’un qui dans un temps m’a interpellé – Pourquoi est-ce qu’il ne dit pas le vrai sur le vrai ?
Es gibt da jemanden, der einmal eine Anfrage zu mir gestellt hat: Warum sagt er nicht das Wahre über das Wahre?56
Il ne dit pas le vrai sur le vrai, parce que dire le vrai sur le vrai c’est dire : c’est un mensonge.
Er sagt deshalb nicht das Wahre über das Wahre, weil das Wahre über das Wahre zu sagen, heißt zu sagen: Das ist eine Lüge.
Le vrai intensionnel – que je me permettrai ici d’écrire l’intension, j’ai déjà distingué l’intension du mot extension – le vrai intensionnel, écrit comme ça, ça peut de temps en temps toucher à quelque chose de réel, mais ça, pour le coup, c’est par hasard.
Das intensional Wahre – das ich mir hier erlaube, Intension zu schreiben, ich habe die Intension ja bereits vom Wort Extension unterschieden –, das intensional Wahre, so geschrieben, kann von Zeit zu Zeit an etwas Reales rühren, aber das ist dann jedes Mal ein Zufall.57
On n’imagine pas à quel point on fait de ratés dans l’écriture.
Man stellt sich ja nicht vor, wie sehr man beim Schreiben Fehler macht.
Le lapsus calami n’est pas premier par rapport au lapsus linguae, mais ça peut être conçu comme touchant au réel.
Der lapsus calami [der Verschreiber] ist gegenüber dem lapsus linguae [dem Versprecher] nicht primär, er kann jedoch als etwas begriffen werden, das an das Reale rührt.
Je sais bien que mon nœud qui est ce par quoi – et uniquement ce par quoi – s’introduit le réel comme tel.
Ich weiß sehr wohl, dass mein Knoten –, der das ist, wodurch und einzig das, wodurch das Reale als solches eingeführt wird.
Faut pas se frapper : ça ne va pas tellement loin.
Sie müssen sich nicht beunruhigen, das geht nicht besonders weit.
Il y a que moi qui en aie le maniement, autant en faire usage, puisque ça me sert à vous expliquer quelque chose.
Ich bin der einzige, der ihn zu handhaben und ebenso, ihn zu verwenden weiß, da mir das dazu dient, Ihnen etwas zu erklären.
On peut bien tolérer – puisque c’est ça la situation où vous êtes – que je folâtre avec mes faibles moyens.
Es ist wohl zu ertragen – denn in dieser Situation befinden Sie sich –, dass ich mit meinen schwachen Mitteln herumtobe.58
[153] Mais c’est une façon d’articuler précisément ceci : que toute sexualité humaine est perverse si nous suivons bien ce que dit Freud – il n’a jamais réussi à concevoir ladite sexualité autrement que perverse.
Das ist jedoch eine Weise, eben dies zu artikulieren, dass jede menschliche Sexualität pervers ist, wenn wir dem, was Freud sagt, wirklich folgen; es ist ihm nie gelungen, besagte Sexualität anders denn als pervers aufzufassen.
Et c’est bien en quoi j’interroge ce que j’appellerai la fécondité de la psychanalyse.
Und aus diesen Grunde hinterfrage ich das, was ich die Fruchtbarkeit der Psychoanalyse nennen möchte.
Vous m’avez entendu très souvent énoncer ceci : que la psychanalyse n’a même pas été foutue d’inventer une nouvelle perversion. [Gelächter]
Sie haben mich oft äußern hören, dass die Psychoanalyse es nicht mal hingekriegt hat, eine neue Perversion zu erfinden.59[Gelächter]
C’est triste.
Das ist traurig.
Parce qu’après tout si la perversion c’est l’essence de l’homme, quelle infécondité dans cette pratique !
Denn wenn die Perversion das Wesen des Menschen ist, welche Unfruchtbarkeit |{171} in dieser Praxis!
Eh bien, je pense que, grâce à Joyce, nous touchons quelque chose à quoi je n’avais pas songé.
Nun gut, ich denke, dass wir dank Joyce an etwas rühren, woran ich nicht gedacht hatte.
Je n’y avais pas songé tout de suite mais ça m’est venu avec le temps, ça m’est venu avec le temps à considérer le texte de Joyce.
Ich hatte nicht sofort daran gedacht, aber mit der Zeit ist es mir gekommen, es ist mir mit der Zeit gekommen, als ich mir über den Text von Joyce Gedanken gemacht habe.
La façon dont c’est fait – c’est fait tout à fait comme un nœud borroméen.
Die Art, wie das gemacht ist – das ist ganz und gar wie ein borromäischer Knoten gemacht.
Et ce qui me frappe, c’est qu’il y avait qu’à lui que ça échappait, à savoir qu’il y a pas trace dans toute son œuvre de quelque chose qui y ressemble.
Und es verblüfft mich, dass nur ihm das entging, ich meine, dass es in seinem gesamten Werk keine Spur von etwas gibt, was ihm [dem borromäischen Knoten] ähnelt.
Mais ça me semble plutôt un signe d’authenticité.
Das scheint mir jedoch eher ein Zeichen von Authentizität zu sein.
Je me suis arrêté à ceci : c’est que ce qui frappe quand on lit ce texte – et surtout ses commentateurs – c’est que le nombre d’énigmes que Joyce – son texte – contient, c’est quelque chose non seulement qui foisonne, mais on peut dire sur lequel il a joué, sachant très bien qu’on s’occuperait, et qu’il y aurait des joyciens pendant deux ou trois cents ans.
Ich habe mich an folgendem Punkt festgehalten: Was einen verblüfft, wenn man diesen Text liest und vor allem seine Kommentatoren, ist dies, dass die Menge von Rätseln, die Joyce, die sein Text, enthält, dass dies etwas ist, wovon es dort nicht nur so wimmelt, sondern wovon man sagen kann, dass er damit gespielt hat, da er genau wusste, dass man sich damit beschäftigen würde und dass es zwei- oder dreihundert Jahre lang Joycianer geben würde.60
Ces gens se sont uniquement occupés à résoudre les énigmes, à savoir, au minimum, pourquoi Joyce a mis ça là ?.
Diese Leute sind einzig damit beschäftigt, diese Rätsel zu lösen, im Mindestfall damit, warum Joyce dies dort hingesetzt hat.
Ils trouvent naturellement toujours une raison, il a mis ça là parce que il y a juste après un autre mot.
Sie finden natürlich immer einen Grund – er hat das dort hingesetzt, weil direkt danach ein anderes Wort folgt.
Enfin, c’est exactement comme dans mes histoires, là, d’osbjet, de mensionge et de dit-mension et de toute la suite.
Kurz, das ist genauso wie in meinen Geschichten über das Osbjekt, über die mensionge, über die dit-mension und über alles Weitere.
Moi, il y a des raisons : je veux exprimer quelque chose, j’équivoque.
Bei mir gibt es dafür Gründe, ich will etwas ausdrücken, ich bilde Mehrdeutigkeiten.61
Mais avec Joyce, on y perd toujours ce que je pourrais appeler son latin, d’autant plus que le latin, il en connaissait un bout.
Aber bei Joyce kommt man immer, könnte ich sagen, ans Ende seines Lateins, umso mehr, als er sich mit dem Lateinischen ein bisschen auskannte.
Alors l’énigme, heureusement, comme ça, dans un temps, je m’y suis intéressé, j’écris ça Ee : E indice e, E – un grand E,
Was das Rätsel angeht, so habe ich mich glücklicherweise eine Zeitlang dafür interessiert, ich schreibe das Ee; E Index e; E – ein großes E.62
Il s’agit de l’énonciation et de l’énoncé.
Es handelt sich um die Énonciation, die Äußerung, und um das énoncé, um die Aussage.
L’énigme consiste en leur rapport, du grand E au petit e, à savoir de pourquoi diable un tel énoncé a-t-il été prononcé.
Das Rätsel besteht in ihrem Verhältnis, im Verhältnis von groß E zu klein e, darin, warum zum Teufel eine bestimmte Aussage ausgesprochen wurde.
C’est une affaire d’énonciation, et l’énonciation, c’est l’énigme.
Das ist eine Sache der Äußerung, die Äußerung ist das Rätsel.63
L’énigme portée à la puissance de l’écriture, c’est quelque chose qui vaut la peine qu’on s’y arrête.
Das zur Potenz der Schrift gebrachte Rätsel lohnt die Mühe, dass man sich dabei aufhält.64
Est-ce que ça ne serait pas là, la conséquence de ce raboutage si mal fait que c’est un ego de fonction énigmatique, de fonction réparatoire ?
Ist das hier nicht vielleicht die Konsequenz dieser so schlecht gemachten Verbindung, dass dies ein Ego mit rätselhafter Funktion ist, mit Reparaturfunktion?
Que Joyce soit l’écrivain par excellence de l’énigme, c’est ce que je vous incite – j’aurais pu vous en citer maint exemples, s’il n’était pas si tard.
Dass Joyce der Schriftsteller par excellence des Rätsels ist, möchte ich Ihnen nahelegen – ich hätte Ihnen, wenn es nicht so spät wäre, zahllose Beispiel dafür zitieren können.
Mais je vous conseille d’aller le vérifier ; Ulysse en traduction française, ça existe, ça se trouve chez Gallimard, si vous avez pas le vieux volume du temps de Sylvia Beach.
Aber ich rate Ihnen, sich daranzumachen das nachzuprüfen; Ulysses in französischer Übersetzung, das gibt es, das findet man bei |{172} Gallimard, falls Sie nicht den alten Band aus der Zeit von Sylvia Beach haben.65
[154] Je vais quand même pointer quelques petites choses qui me paraissent notables avant de vous quitter.
Ich möchte aber doch, bevor ich Sie verlasse, auf ein paar kleine Punkte hinweisen, die mir erwähnenswert zu sein scheinen.
Il faut bien que vous réalisiez que ce que je vous ai dit des rapports de l’homme à son corps, qui tient tout entier à ce que je vous ai dit, dans le fait que l’homme dit que le corps, son corps, il l’a.
Es muss Ihnen wirklich klar werden, dass das, was ich Ihnen über die Beziehungen des Menschen zu seinem Körper gesagt habe, der, nach dem, was ich Ihnen gesagt habe, gänzlich davon abhängt, dass der Mensch sagt, dass er den Körper hat, dass er seinen Körper hat.66
Déjà à dire son, c’est dire que il le possède, qu’il le possède comme un meuble, bien entendu, et que ça n’a rien à faire avec quoi que ce soit qui permette de définir strictement le sujet.
Schon wenn man sagt, seinen Körper, dann sagt man, dass er ihn besitzt, dass er ihn tatsächlich wie ein Möbelstück besitzt und dass dies nichts mit irgendetwas zu tun hat, das es erlauben würde, auf strenge Weise das Subjekt zu definieren.
Le sujet ne se définit d’une façon correcte que de ce qui fait le rapport, que de ce qui fait qu’un sujet est un signifiant en tant qu’il est représenté auprès d’un autre signifiant.
Das Subjekt definiert sich korrekt nur durch das, was die Beziehung herstellt, nur durch das, was bewirkt, dass ein Subjekt ein Signifikant ist, insofern es [durch diesen Signifikanten] einem anderen Signifikanten gegenüber repräsentiert wird.
Je voudrais ici vous dire quelque chose qui pourrait peut-être quand même freiner un tout petit peu ce qui fait gouffre, dans ce qu’il nous est permis de serrer, par l’usage de ce nœud borroméen, de cette perversion.
Ich möchte Ihnen hier etwas sagen, das vielleicht ein klein wenig das abbremsen könnte, was einen Abgrund bildet, in dem, was wir durch Verwendung des borromäischen Knotens von dieser Perversion festmachen können.
Il y a quelque chose quand même dont on est tout à fait surpris : que ça ne serve pas plus, non pas au corps, mais que ça ne serve pas plus le corps comme tel – c’est la danse.
Es gibt da ja etwas, wobei man absolut erstaunt ist, dass es nicht viel mehr – nicht etwa dem Körpe nützt, sondern – den Körper als solchem bedient, nämlich la danse, der Tanz.
Ça permettrait d’écrire un peu différemment le terme de condansation. [Gelächter]
Das würde es erlauben, den Ausdruck condansation etwas anders zu schreiben [condensation „Verdichtung“]. [Gelächter]
Vous voyez que je me livre à l’occasion… Ouais…
Sie sehen, dass ich mich hier beschäftige mit … Ja.
Le réel est-il droit ?
Ist das Reale gerade?
C’est bien ce dont je voudrais aujourd’hui poser la question devant vous.
Das ist eben das, wozu ich vor Ihnen heute die Frage stellen möchte.
Je voudrais aussi vous faire remarquer, que dans la théorie de Freud le réel n’a rien à faire avec le monde.
Ich möchte Sie auch darauf aufmerksam machen, dass in Freuds Theorie das Reale nichts mit der Welt zu tun hat.
Parce que ce qu’il nous explique dans quelque chose qui concerne précisément l’ego, à savoir le Lust-Ich, c’est qu’il y a une étape de narcissisme primaire, et que ce narcissisme primaire se caractérise de ceci, non pas qu’il n’y ait pas de sujet, mais qu’il n’y a pas de rapport de l’intérieur à l’extérieur.
Denn was er uns erklärt – bei etwas, was das Ego betrifft, nämlich das Lust-Ich* –, das ist dies, dass es eine Stufe von primärem Narzissmus gibt und dass dieser primäre Narzissmus dadurch gekennzeichnet ist, nicht etwa, dass es kein Subjekt gäbe, sondern dass es kein Verhältnis des Inneren zum Äußeren gibt.67
J’aurai sûrement à y revenir, je ne dis pas forcément devant vous, parce qu’après tout je n’ai aucune espèce de certitude à l’heure actuelle, que l’année prochaine je possèderai encore cet amphithéâtre.
Sicherlich werde ich darauf zurückkommen müssen, allerdings nicht unbedingt vor Ihnen, da ich zur Zeit ja noch keinerlei Gewissheit habe, dass ich im nächsten Studienjahr wieder diesen Hörsaal haben werde.
Mais supposez que je trouve quelque part un endroit de soixante-dix mètre-carrés, eh ben ça fera la place pour huit personnes, en comptant moi, et c’est le meilleur de ce que je souhaite.
Nehmen |{173} Sie jedoch an, dass ich irgendwo einen Ort von 70 Quadratmetern finden werde, nun, der wird dann Platz für acht Personen bieten, mich eingeschlossen, und das ist das Beste, was ich mir wünschen kann.
Il faudrait encore que je dise quelques mots – je les avais préparés – quelques mots de l’épiphanie, la fameuse épiphanie de Joyce, que vous rencontrerez à tous les tournants, l’épiphanie.
Ich müsste noch einige Worte sagen – ich hatte sie vorbereitet –, einige Worte über die Epiphanie, die berühmte Epiphanie von Joyce, die Ihnen an allen Ecken und Enden begegnen wird, die Epiphanie.68
Car je vous prie de contrôler ceci : que quand il en donne une liste, toutes ses épiphanies sont toujours caractérisées de la même chose, et qui est très précisément ceci : la conséquence qui résulte de cette erreur, à savoir que l’inconscient est lié au réel.
Denn ich bitte Sie, Folgendes zu überprüfen: Wenn er eine Aufstellung davon gibt, sind all seine Epiphanien stets durch dasselbe gekennzeichnet, nämlich durch Folgendes: die Konsequenz, die von diesem Fehler herrührt, also von daher, dass das Unbewusste mit dem Realen verbunden ist.
Chose fantastique, Joyce, lui-même, n’en parle pas autrement.
Und was phantastisch ist: Joyce selbst sagt darüber nichts anderes.
C’est tout à fait lisible dans Joyce que l’épiphanie, c’est là ce qui fait que, grâce à la faute, inconscient et réel se nouent.
Es ist bei Joyce völlig lesbar, dass die Epiphanie das ist, was bewirkt, dass aufgrund des Fehlers Unbewusstes und Reales miteinander verknüpft sind.
[154] C’est quelque chose que –, c’est pas ce que je voulais vous faire entendre, il y a quelque chose que je peux quand même vous dessiner.
Das ist etwas, das –, das ist nicht das, was ich Ihnen zu Gehör bringen wollte; es gibt etwas, das ich Ihnen dennoch anzeichnen kann.
Abb. 5: Vierer-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden und Ego als Korrektur-Ring
Version ALI
Si vous savez un peu, si vous avez vu un nœud borroméen, il vous indique ceci : c’est que si, ici, c’est l’ego tel que je vous l’ai dessiné tout à l’heure, nous nous trouvons en posture de voir se reconstituer strictement le nœud borroméen, sous la forme suivante :
Wenn Sie sich ein wenig auskennen, wenn Sie einen borromäischen Knoten gesehen haben, gibt er Ihnen den folgenden Hinweis: Wenn das hier das Ego ist, wie ich es Ihnen vorhin gezeichnet habe, dann sind wir in der Lage, zu sehen, wie sich der borromäische Knoten streng wiederherstellt, und zwar in folgender Gestalt.
Ici c’est le réel, ici c’est l’imaginaire, ici c’est l’inconscient et ici c’est l’ego de Joyce.
Hier ist das Reale, hier ist das Imaginäre, hier ist das Unbewusste und hier ist Ego von Joyce.
Vous pouvez facilement voir sur ce schéma, que la rupture de l’ego libère le rapport imaginaire.
Sie können in diesem Schema leicht sehen, dass das Auftrennen des Egos das imaginäre Verhältnis freisetzt.
Il est facile en effet, d’imaginer que l’imaginaire foutra le camp, foutra le camp par ici, si l’inconscient, comme c’est le cas, le permet, et il le permet incontestablement.
Denn man kann sich leicht vorstellen, dass sich das Imaginäre davonmacht, dass es sich auf diesem Wege davonmacht, sofern das Unbewusste es gestattet, wie das hier der Fall ist, es gestattet es unbestreitbar.69
Voilà les quelques indications queje voulais vous dire pour cette dernière séance.
Das waren die paar Hinweise, die ich Ihnen zu dieser letzten Sitzung geben wollte.
On pense contre un signifiant, c’est le sens que j’ai donné au mot de l’appensée, on s’appuie contre un signifiant pour penser.
Man denkt gegen einen Signifikanten, das ist der Sinn, |{174} den ich dem Wort l’appensée, „An-Denken“, gegeben habe70, man stützt sich gegen einen Signifikanten um zu denken.71
Voilà, je vous libère.
So, ich lasse Sie frei.
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen.
Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine Ergänzungen.
Passagen in eckigen Klammern, die mit einem Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern in grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
.
Die Schrift der Verkettungen
{159} In der vorangegangenen Sitzung war Lacan, so sagt er über sich selbst, in Verlegenheit, er war zu verstrickt zwischen dem „Knoten“ und Joyce. [In der vorigen Sitzung hatte er nichts über Joyce gesagt (außer dass er nicht Gälisch sprach) und nichts über die Verkettung von vier Elementen, also nichts zur Hypothese des Seminars, dass sich der Fall Joyce mithilfe der borromäischen Viererverkettung aufklären lässt.] Jetzt aber glaubt er, etwas gefunden zu haben, was sich übermitteln lässt. [Im Encore-Seminar hieß es anlässlich der borromäischen Verkettung, das Ziel sei die mathematische Formalisierung, da nur das „Mathem“ sich übermitteln lasse. Offenbar glaubt Lacan, ein Mathem gefunden zu haben, eine formale Darstellung für den Fall Joyce, die sich auf die borromäische Verkettung bezieht.]
Er ist gezwungen, die Dinge [bezogen auf das Verhältnis von borromäischer Verkettung und Joyce] zu forcieren, den Joyce hatte vom borromäischen Knoten [oder besser: von der borromäischen Verkettung] nicht die geringste Vorstellung, auch wenn der Kreis und das Kreuz bei ihm eine beträchtliche Rolle spielen, wie Clive Hart gezeigt hat, in seinem Buch Structure |{160} and motif in Finngenas Wake. [Lacan zeichnet die borromäische Verkettung von drei Elementen seit Beginn von Seminar 22 auch als Verbindung zwischen einem Kreis und einem Kreuz aus zwei unendlichen Geraden.]
Für die borromäische Verkettung gilt: faut l’faire [il faut le faire, „man muss es tun“]. [Das heißt dem Sinn nach: „das muss man erstmal hinkriegen“, wie man auch ironisch sagt, wenn jemandem etwas misslungen ist, man denke an Lacan, der beim Anzeichnen der Verkettungen häufig Fehler macht. Das heißt aber auch „es muss gemacht werden“ – für die borromäische Verkettung heißt das, sie muss „geschrieben“ werden, sie muss gezeichnet werden.]
Knotenschreiben als Denkstütze
Die borromäische Verkettung ist un appui, eine Stütze, für la pensée, für das Denken, also, um es zusammenziehen, eine l’appensée, eine Denkstütze. [In einer früheren Sitzung dieses Seminars hieß es, das Denken, das mit dem Sinn zu tun hat, vollziehe sich als ein Imaginieren, jedoch nicht ohne Worte (17. Februar 1976), damit wird das Denken von Lacan im Überschneidungsbereich des Imaginären und des Symbolischen verortet. Aber nicht nur das Imaginäre und die Worte, so heißt es jetzt, sind eine Stütze für das Denken, sondern auch die Schrift.] Es ist bemerkenswert, dass es diese Stütze braucht, dass also die borromäische Verkettung geschrieben [bzw. gezeichnet] werden muss. Denn es ist nicht einfach, sich diese Verkettung vorzustellen [weshalb man sie zeichnen muss]; es ist aber auch nicht einfach, sie zu schreiben [sie zu zeichnen]. Nur so sieht man jedoch, wie sie funktioniert. [Wenn Lacan vom Schreiben des Knotens spricht, denkt man unweigerlich an die Knotenschrift; diese Verbindung wird von ihm in diesem Seminar jedoch nicht hergestellt.]
Lacan bezeichnet die borromäische Verkettung jetzt, wie schon im vorangegangenen Seminar RSI, als nœud bo, als „Bo-Knoten“, was natürlich die Abkürzung für nœud borroméen ist [nœud bo ist lautgleich mit nœud beau, „schöner Knoten“].
Nœud bo erinnert ihn an [das ähnlich klingende] Nebo; Joyce erwähnt irgendwo, dass uns auf dem Berg Nebo das Gesetz gegeben wurde. [Lacan verwechselt hier zwei Berge: Vom Berg Nebo aus erblickte Moses das gelobte Land; das Gesetz hingegen wurde ihm auf dem Berg Sinai (oder auch Horeb) gegeben. Lacan verwechselt Nebo, den Berg des Begehrens, mit Sinai, dem Berg des Gesetzes und der Schrift (der „Gesetzestafeln“); offenbar möchte er, dass die Schrift der borromäische Verkettung das Gesetz ist.]
Die Schrift [die Zeichnung] der borromäischen Verkettung muss also als ein Machen begriffen werden [als Tätigkeit des Schreibens], nur dann liefert sie dem Denken eine Stütze.
[Aber mehr noch:] Die borromäische Verkettung verändert den Sinn |{161} der Schrift, sie verleiht der Schrift eine Autonomie [aus späteren Bemerkungen in dieser Sitzung wird klar, dass gemeint ist: eine Autonomie gegenüber der gesprochenen Sprache]. [Lacan zielt auf eine Fundierung der Psychoanalyse durch eine Schrift nach dem Vorbild von Newtons Algebraisierung der Physik und der Mathematisierung der Logik durch Frege und andere. Im Hintergrund steht die Wissenschaftstheorie von Bachelard.]
Das ist bemerkenswert, da es eine weitere Schrift gibt, diejenige, auf der Derrida beharrt hat [vor allem in der Grammatologie (1966)]. Die Schrift, mit der Derrida sich befasst, kann man als précipitation des Signifikanten bezeichnet. [Précipipation hat einen Doppelsinn, (a) Ausfällen im Sinne der Chemie, (b) Überstürzen. Präzipitation im Sinne von „Ausfällen“ soll vielleicht kritisch auf die Abhängigkeit des Signifikanten von der gesprochenen Sprache verweisen (gegen Derridas ausdrückliche Intention).]
[Lacans These über Derrida lautet demnach: Derridas Schriftbegriff hat sich nicht vom Signifikanten gelöst, nicht vonder gesprochenen Sprache und damit, so kann man ergänzen, nicht von der Orientierung am Signifikat.– Präzipitation im Sinne von Überstürzung könnte sich auf das Konzept der Zeitlichkeit beziehen, das Derrida mit dem Signifikanten verbindet, auf die différance, den „Aufschub“; in Lacans Perspektive ist die mit dem Signifikanten verbundene Zeitlichkeit nicht nur der Aufschub (wie in der Metonymie), sondern auch die Hast, die Überstürzung, das ist ein Thema seines Aufsatzes über die Logische Zeit (1945).] Lacan erklärt dann, dass er Derrida den Weg gewiesen habe, man sehe das bereits daran, dass er, Lacan, den Signifikanten mit einem großen S schreibt [wie in dem Aufsatz Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (1957)]. [? Der Sinn dieses Hinweises auf das große S ist mir nicht klar. Verwendet Derrida das große S für den Signifikanten?]
Lacan erläutert dann, dass für ihn der Begriff „Signifikant“ mit der Stimme zu tun hat, er wird „in der Stimme moduliert“. Mit der Schrift [im Sinne von Lacan] hat der Signifikant [im Sinne von Lacan] nichts zu tun. Genau das zeigt die borromäische Verkettung, sie verändert den Sinn der Schrift [die Zeichnung der borromäischen Verkettung löst die Schrift von der gesprochenen Sprache ab].
.„Das zeigt, dass es etwas gibt, woran man Signifikanten befestigen kann.“ [Das könnte heißen: Das Diagramm einer borromäischen Verkettung steht durchaus in einer Beziehung zur gesprochene Sprache, jedoch nicht in der Weise, dass im Diagramm die Stimme „moduliert“ wird, sondern so, dass die gesprochene Sprache daran „befestigt“ wird, dass sie damit „verklammert“ wird.] Die Verbindung zwischen der Schrift [den Diagrammen der borromäischen Verkettungen] und dem Signifikanten [als einer Ausfällung der gesprochenen Sprache] wird hergestellt durch die dit-mension, durch die Dimension des Gesagten (dit). [Die Dit-mensionen des Gesagten sind möglicherweise das Reale, das Symbolische und das Imaginäre. Mension spielt an auf mention (Erwähnung) und auf mansion (Haus im Sinne der Astrologie, mit Heidegger: Sprache als „Haus des Seins“.] Mension lässt sich zu mensionge verlängern [einem Kofferwort aus -mension und mensonge, Lüge], und das verweist darauf, dass das Gesagte nicht zwangsläufig wahr ist. [Die Wahrheit zeigt sich in der Psychoanalyse vor allem in Form der Lüge, auf diese These kommt Lacan seit den ersten Seminaren immer wieder zurück. Freud spricht bereits im Entwurf vom „hysterischen proton pseudos“, also von der hysterischen „ersten Lüge“, und arbeitet später die Konzepte der „Verneinung“ und der „Verleugnung“ aus.] Lacan spricht nun über das Gesagte, das sich aus der Philosophie ergibt, und erinnert daran, dass „Philo-Sophie“, wörtlich genommen, die philia zur sophia ist, die Freundschaft gegenüber der Weisheit. Das Gesagte in der Philosophie [also der Sinn des Gesagten] hat einen gewissen Mangel [nämlich den, dass die Wahrheit nicht durch ein letztes Wort garantiert werden kann, Lacans Symbol hierfür ist S(Ⱥ), das war ein Thema der vorangegangenen Sitzung]. Lacan versucht dem abzuhelfen durch etwas Geschriebenes, nämlich durch die borromäische Verkettung, die nur dann einen Nutzen hat, wenn sie geschrieben wird.
Die Philia von „Philosophie“ [also das Befreundetsein mit der Weisheit] ist die gedachte Zeit [wie es in Anspielung auf Hegel heißt (Philosophie ist „ihre Zeit in Gedanken erfasst“, „der Begriff ist die Zeit der Sache“)]. Die Schrift ändert den Sinn, den Modus dessen, worum es bei der Freundschaft mit der Weisheit geht. [Das Denken der Philosophie orientiert sich am Verhältnis von Signifikant und Signifikat. Wenn sich das Denken der Philosophie auf die Schrift stützt, verändert sich der Charakter der Philosophie, ähnlich wie die Verwendung von algebraischen Formeln die Naturwissenschaft revolutioniert hat und wie die Symbole der symbolischen Logik eine neuartige Logik ermöglicht haben. Es ändert sich nicht so sehr die sophia, sondern die philia, die Freundschaft (die Liebe, das Begehren usw.).] Die Weisheit lässt sich kaum anders stützen als durch das Schreiben des Bo-Knotens [die Freundschaft gegenüber der Weisheit verwandelt sich in das Befreundetsein mit den Diagrammen der borromäischen Verkettung]. Das, was Lacan mit seinen Zeichnungen zu machen versucht, ist demnach nicht weniger als die erste Philosophie, die ihm haltbar zu sein scheint. [Die Rede von der „ersten Philosophie“ spielt auf Aristoteles’ Begriff der „ersten Philosophie“ an, die später auch „Metaphysik“ genannt wurde; die Diagramme sind gewissermaßen Lacans Metaphysik. In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte er gesagt, die borromäische Verkettung sei eine Stütze für „erste Wahrheiten“.]
Abb. 1: Objekt a im Diagramm der borromäischen Ringe
Welche Funktion hat die borromäische Verkettung? Sie soll letztlich einen Knochen (os) stützen, nämlich das Objekt a, das Lacan hier deshalb auch als „Osbjekt“ bezeichnet. [In den verschiedenen Diagrammen der borromäischen Verkettung von drei Elementen, die Lacan seit Seminar 19 entwickelt hat, steht im zentralen Feld immer das Objekt a.] Das kleine a soll andeuten, dass hier eine „Schrift als anderes“ eindringt, |{162} eine Schrift, die nicht vom Signifikanten herkommt. [Das heißt wohl: Beim Objekt a geht es um eine Schrift jenseits der Bindung an die gesprochene Sprache – das sinnbezogene Sprechen in der psychoanalytischen Kur dreht sich um die Objekte a, die jedoch im Sprechen nicht direkt repräsentiert werden können.]
Mit der Schrift hatte Lacan sich, wie er in Erinnerung ruft, zuerst befasst, als er vom trait unaire sprach (in Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung), vom „einzigen Zug“ bei Freud [als Merkmal einer der Formen der Identifizierung in Massenpsychologie und Ich-Analyse]. [Den Ausdruck trait unaire kann man auch mit „einzelner Strich“ übersetzen.] In den Diagrammen der borromäischen Verkettung hat Lacan, sagt er, sich selbst kommentierend, dem einzigen Zug / dem einzelnen Strich eine neue Stütze verliehen, in Gestalt der unendlichen Geraden. Die unendliche Gerade ist einem Kreis äquivalent [wie Lacan, unter Berufung auf Desargues, seit Beginn von Seminar 22 immer wieder betont hatte]. [Eine unendliche Gerade hat nur einen Punkt im Unendlichen, die beiden Enden berühren sich gewissermaßen, also funktioniert eine unendliche Gerade ähnlich wie ein Kreis.]
Abb. 2: Borromäische Dreier-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden
Man kann sich eine borromäische Verkettung deshalb auch als Verschlingung von zwei unendlichen Geraden und einem Kreis vorstellen. [Das setzt voraus, dass die beiden unendlichen Geraden sich weder durchdringen noch so ineinandergreifen wie die Glieder einer Gliederkette. Die zweite Bedingung hatte Lacan in einer früheren Sitzung dieses Seminars ausdrücklich formuliert.]
Weshalb legt Lacan soviel Wert darauf, bei der Analyse der borromäischen Verkettung einen Kreis oder auch zwei Kreise durch unendliche Gerade zu ersetzen? Weil die unendliche Gerade die beste Illustration für das Loch ist. Ein Kreis hat in der Topologie ein Loch in der Mitte. [? Inwiefern?] Eine unendliche Gerade jedoch hat das Loch überall um sich herum, sie ist die einfachste Stütze für das Loch.
Was bringt uns das [nämlich die Verkettung von drei Komponenten] für die [psychoanalytische] Praxis? Dass der Mensch etwas trinitarisch Zusammengesetztes ist [zusammengesetzt aus dem Realen, dem Imaginären und dem Symbolischen], zusammengesetzt aus etwas, das man als „Element“ bezeichnen kann. Ein Element ist etwas, das „ein“ macht – der „einzige Zug“ –, und was dadurch, dass es „ein“ macht, die Substitution in Gang setzt und mit der Substitution die Kombinatorik der Elemente.
Die Dreiheit von Realem, Imaginärem und Symbolischen steht den anderen Triaden nicht nach, aus denen der Mensch gemacht ist, |{163}, der Trias von Nous, Psyche und Soma [Geist, Seele und Körper], wie man sie bei Aristoteles findet, oder auch der Dreiheit von Wille, Intelligenz und Affektivität [den Grundbegriffen der Psychologie].
Eine Logik von Säcken und Schnüren
Lacan sagt über sich selbst, dass er [mit den Diagrammen der Verkettungen] die Schrift einführt und damit eine Logik von Säcken und Schnüren. [Die Schnüre sind natürlich die Fadenringe; über den Sack hatte er in früheren Sitzungen dieses Seminars immer wieder gesprochen.] Der Mythos des Sacks ist die Sphäre. [Eine Sphäre ist kein dreidimensionales Objekt, sondern eine Fläche: eine Kugeloberfläche. In der mathematischen Topologie gilt die Sphäre als eine der vier Grundflächen, neben Torus, Kreuzhaube und Klein’scher Flasche.] Die Sphäre sollte [nicht als Grundfläche aufgefasst werden, sondern] vom Sack her begriffen werden: Der Sack ist erst dann geschlossen, wenn man ihn zuschnürt, und um ihn zu verknoten, benötigt man eine Schnur. Der Ort, an dem die Sphäre verschnürt wird, ist an jedem Punkt der Sphäre. [Jeder Punkt der Sphäre wäre demnach als eine verschnürte Öffnung aufzufassen.] [Die Sphäre ist insofern ein Mythos, nehme ich an, als sie in der Topologie als Grundfläche aufgefasst wird, und zwar als Grundfläche ohne Loch, ohne Öffnung. Lacan zielt auf eine modifizierte Topologie ab, in der die Grundflächen, erstens, von vornherein mit Löchern ausgestattet sind und in der die Flächen, zweitens, von Anfang an zu den Knoten in Beziehung stehen. Das Modell einer Fläche ist für ihn offenbar der Torus, der ein „zentrales Loch“ hat und der als Knoten aufgefasst werden kann. In L’étourdit (1972) hatte er Torus, Kreuzhaube und Klein’sche Flaschen als „Asphären“ bezeichnet und damit der Sphäre gegenübergestellt; mit der Idee einer Logik von Sack & Schnur wird die Sphäre selbst noch einmal dekonstruiert. Zur letzten metaphorischen Grundlage der Topologie wird damit das Textilhandwerk mit den Produkten Sack und Schnur und der Operation des Verschnürens.]
Wie Joyce als Schriftsteller funktionierte
Die Leute schreiben ihre Kindheitserinnerungen, z.B. Joyce [in den stark autobiographisch geprägten Romanen Stephen Hero und A portrait of the artist as a young man]. Das ist der Übergang von einer Schrift in eine andere Schrift. [? Was ist die hier erste Schrift? Die Konstituierung des Objekts a?] Mit der Logik von Säcken und Schnüren will Lacan zeigen, so sagt er, wie Joyce als Schriftsteller funktionierte.
Die Psychoanalyse ist etwas anderes [vielleicht im Sinne von: etwas anderes als das Schreiben von Kindheitserinnerungen]. Die Psychoanalyse verläuft über eine Reihe von [gesprochenen] Aussagen [des Analysanten und des Analytikers].
Es steht nicht fest, dass eine Psychoanalyse dabei helfen kann, eine sogenannte Schreibhemmung zu überwinden. Man müsste erforschen, was es heißt, zu schreiben.
Das Ego von Joyce
Und genau hierzu macht Lacan jetzt einen Vorschlag, bezogen auf Joyce. Der Gedanke, sagt er, ist ihm einfach so in den Schädel gekommen, der nicht sphärisch ist, da er sich mit allem verbindet, was man weiß [während eine Sphäre in sich abgeschlossen ist, da sie kein Loch hat]. |{164} Lacans These lautet: Joyce ist etwas zugestoßen, was dazu geführt hat, dass das sogenannte Ego bei ihm eine andere Rolle spielt als bei den meisten Menschen [das Ego entspricht dem Ich von Freuds zweiter Topik, also dem Ich der Trias Es, Ich, Über-Ich]. Über diese andere Funktion will Lacan durch seine Art der Schrift Auskunft geben [durch das Diagramm einer Verkettung].
Lacans Ausgangspunkt ist, so sagt er, die Beobachtung, dass für das Ego von Joyce die Schrift [und damit das Schreiben] absolut wesentlich ist.
Lacan erläutert das mit einer Anekdote: In der Wohnung von Joyce hing ein Bild der Stadt Cork mit einem Rahmen aus Kork; wenn ihn jemand fragte, was das sei, konnte er damit spielen: „Was ist das?“ „Cork.“ „Nein, nicht das Bild, sondern der Rahmen. Was ist der Rahmen?“ „Cork.“ [Das Wortspiel mit der Homonymie Cork/cork verschiebt den Akzent vom Bild auf den Rahmen; mit Christian Fierens könnte man sagen: vom Sack auf die Schnur.72 Das Bild (das Imaginäre) wird durch den Rahmen bestimmt, durch die Schnur, und die Beziehung zwischen Bild und Rahmen stützt sich auf eine Homonymie.]
Etwas Ähnliches gilt für Ulysses: Die einzelnen Kapitel haben eine „Rahmung“; die Tabellen, die Joyce zu Ulysses produziert hat, zeigen solche Rahmungen; ein bestimmtes Kapitel hat etwa den Rahmen „Dialek-|{165} tik“ oder den Rahmen „Rhetorik“ usw. Kurz, was Joyce erzählt, ist an solche Rahmen gebunden. [Damit könnte gemeint sein: Das Imaginäre (das die narrative Einheit des Sinns, z.B. eines Kapitels ermöglicht) wird im Schreiben von Joyce aufgelöst und durch den „Rahmen“ ersetzt, d.h. durch eine Größe, die nicht als Sinn funktioniert, sondern als geschriebene Tabelle und damit als Kombinatorik.]
Die Ringe [der borromäischen Verkettung] sind ebenfalls „Stützen für eine Rahmung“. [Lacan verwendet die zweidimensionale Darstellung der borromäischen Ringe ähnlich wie eine Tabelle: er trägt in die Felder die Begriffe seiner Theorie ein. Mit seiner Rahmungstechnik liegt Joyce in der Nähe von Lacans Verwendung der borromäischen Verkettungen.]
Ein Fehler in der Verkettung
Was geschieht, wenn es einen Fehler gibt [und die Verkettung deshalb keinen borromäischen Charakter hat]? Ein solcher Fehler beruht nicht einzig auf Zufall; die Psychoanalyse lehrt uns ja, dass ein Fehler niemals durch Zufall zustande kommt. Dahinter gibt es vielmehr eine Signifikanten-Finalität: Der Fehler strebt immer danach, etwas auszudrücken, und das Subjekt weiß nicht immer, was der Fehler auszudrücken versucht – eben darin besteht die Wirkungsweise des Unbewussten. Das Subjekt besteht in dieser Spaltung, zwischen einem Signifikanten [z.B. eiem Versprecher] und einem anderen Signifikanten [dem, was der Versprecher auszudrücken versucht und wovon das Subjekt nichts weiß, ein „unterdrückter Trieb“, wie Freud es nennt, oder eine unbewusste Phantasie]. Darin besteht das Leben der Sprache [also darin, dass das Unbewusste und der Trieb in ihr am Werk sind und damit das gespaltene Subjekt]. Das, was für den somatischen Träger Tod bedeutet, hat in den Trieben seinen Platz [es gibt „Todestriebe“, wie Freud sagt], und die Triebe gehören zum Leben der Sprache. [Das Leben der Sprache besteht also darin, dass das Unbewusste und die Triebe, z.B. die Todestriebe, sich beständig auf der Ebene der Sprache auszudrücken versuchen.]
Die Triebe hängen ab vom Verhältnis zum Körper [also zum Imaginären]. Für keinen Menschen ist das Verhältnis zum Körper einfach, abgesehen davon, dass der Körper Löcher hat [diese Löcher sind, in Freuds Terminologie, die „erogenen Zonen“; die Komplikation im Verhältnis zum eigenen Körper beruht nicht nur auf der Beziehung zum Spiegelbild, sondern auch auf der zu den Trieben]. Die Körperöffnungen hätten den Menschen auf den Weg der abstrakten Löcher bringen müssen, die sich auf jede beliebige Äußerung beziehen. [Im „Graphen des Begehrens“ verbindet Lacan den Trieb, der sich auf die Körperöffnungen stützt (Schnittpunkt rechts oben mit $◊D), mit dem Signifikanten eines Mangels im Anderen, S(Ⱥ), also mit den abstrakten Löchern in jeder Äußerung.] Dies hat Freud gesagt. [? Wo hat Freud eine Beziehung zwischen den Körperöffnungen und den Äußerungs-Löchern hergestellt?]
Man muss sich von der Vorstellung der Ewigkeit freimachen. Die Vorstellung der Ewigkeit ist an die gedachte Zeit gebunden, an die philia. Man denkt eine ewige Liebe, aber was soll das bedeuten? [Lacan kommt auf das Thema der Philosophie zurück, der Freundschaft gegenüber der Weisheit. Zuvor war die Philosophie von ihm durch das Verhältnis von Signifikant und Schrift charakterisiert worden, jetzt geht es ihm um das Verhältnis von Ewigkeit und Zeitlichkeit (ein Thema von Kojève in den Vorlesungen zur Phänomenologie des Geistes). Die Philosophie, die Lacan anvisiert, ist nicht eine Philosophie von Signifikant und Ewigkeit, sondern eine von Schrift und Zeit.]
Das Abfallen des Affekts „wie eine Schale“
In A portrait of the artist as a young man vertraut Joyce den Lesern die folgende Begebenheit an. [Sie bezieht sich dort auf Stephen Dedalus, der von Lacan umstandslos mit James Joyce gleichgesetzt wird.] Nach einem Streit darüber, wer der beste irische Schriftsteller sei, wurde Stephen Dedalus einmal von Schulkameraden unter der Führung eines gewissen Heron an einen Stacheldrahtzaun gefesselt |{166} und geschlagen [richtig wäre: geschlagen und danach an einen Stacheldrahtzaun gedrängt]. [Der Kontext ist: die Berufung von Stephen/James zum Schriftsteller.] Als die Sache vorbei war, war er ihnen nicht mehr böse [wie er sich fünf Jahre später erinnert]. Joyce beschreibt das mit einer Metapher, die sich auf den Körper bezieht: Er sagt, das sei „wie eine Schale“. [Lacan übergeht hier die Darstellung des Zorns in der Erzählung von Joyce. Das, was wie eine Schale von Stephen Dedalus abfällt, ist der Zorn, der beim Verprügeltwerden plötzlich in Stephen Dedalus aufstieg.] Es geht hierbei um das Verhältnis zum eigenen Körper. [Die Ablösung des Affekts wird von Joyce mit der Metapher der Schale beschrieben, d.h. mit einer Metapher, die sich auf den Körper als Sack bezieht, als Sphäre.]
Das Nicht-Wissen über das, was im eigenen Körper vor sich geht, ist keineswegs das Unbewusste. Was man weiß, hängt vom Signifikanten ab.
Es geht hier um das Verhältnis zwischen einem Körper, der uns fremd ist, und dem Unbewussten [also zwischen den Ringen des Imaginären und des Symbolischen].
Das Unbewusste bildet [in der Verkettung der Elemente] einen Kreis oder auch eine unendliche Gerade, das ist äquivalent.
Bei Joyce geht es [in der Episode vom Verprügeltwerden] nicht einfach um das Verhältnis zu seinem Körper, sondern um die Psychologie dieses Verhältnisses, nämlich um das verworrene Bild, das wir von unserem Körper haben [die Psychologie bewegt sich in der Ordnung des Imaginären]. Dieses Körperbild enthält Affekte, wie man sich ausdrückt. Das psychische Verhältnis zum Körper besteht darin, dass unterstellt wird, |{167} dass es etwas Psychisches gibt, das [zum Beispiel durch Schläge] affiziert wird und das reagiert [zum Beispiel mit Zorn], das also keineswegs abgelöst ist. Bei Joyce hingegen gibt es etwas, das nur verlangt, sich abzulösen „wie eine Schale“ [auch hier muss man ergänzen: das, was sich in der Erzählung von Joyce ablöst, ist der Zorn]. Dabei geht es um das Verhältnis zum eigenen Körper.
Das Verhältnis zum eigenen Körper ist bei allen Menschen unvollkommen, wer weiß schon, was in seinem Körper vor sich geht. Manche meinen sogar, das Nichtwissen über den eigenen Körper sei das Unbewusste. Das ist der alte Begriff des Unbekannten, der mit dem Unbewussten im Sinne von Freud nichts zu tun hat; er, Lacan, hatte das von Anfang an betont (sagt er über sich). Das, was man weiß [– und das Unbewusste ist ein Wissen, von dem man nichts weiß –], hängt vom Signifikanten ab.
Es geht hier um das Verhältnis zwischen einem Körper, der uns fremd ist, und dem Unbewussten [zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen]. Das Unbewusste wird [in Lacans Adaption der borromäischen Verkettung] durch einen Kreis dargestellt oder durch eine unendliche Gerade.
Im Falle von Joyce geht es nicht einfach um das Verhältnis zum eigenen Körper, sondern um die Psychologie dieses Verhältnisses, d.h. um das Bild, das wir vom eigenen Körper haben. [Das Bild vom eigenen Körper ist das Imaginäre. Lacan bezieht den Ausdruck „Psyche“ hier auf das Körperbild.] Dieses psychische Bild enthält Affekte, es gibt etwas Psychisches, das affiziert wird und das reagiert, das also gerade nicht abgelöst ist. [Vielleicht ist gemeint: Die Vorstellung von Affekten beruhen auf dem Körperbild: Das, was affiziert wird, ist das Körperbild, und das, was mit dem Affekt reagiert, stützt sich ebenfalls auf das Körperbild.]
Bei Joyce hingegen gibt es, nachdem er die Stockhiebe seiner Kameraden erhalten hat, etwas, das nur verlangt, sich abzulösen wie eine Schale [bei Joyce gibt es also ein Körperbild, das nur verlangt, sich aus der Verkettung mit dem Symbolischen zu lösen]. Es ist verblüffend, dass es Leute gibt, die bei körperlich erlittener Gewalt keinen Affekt haben. [Diese Bemerkung passt nicht auf Joyce bzw. Dedalus. Der Protagonist des Porträts hatte, während er verprügelt wurde, durchaus einen Affekt, er war zornig, wie es im Roman heißt; kurz danach jedoch, auf dem Heimweg, hatte sich dieser Affekt von ihm abgelöst.]
Man kann sich fragen, ob es Joyce Spaß (plaisir) gemacht hat, verprügelt zu werden; der Masochismus war für ihn eine Möglichkeit der sexuellen Stimulation. Entscheidend ist jedoch, sagt Lacan, welche Metapher hier von Joyce verwendet wird: [der Zorn] löste sich ab wie eine Schale. Er hat keine Jouissance empfunden (il n’a pas joui), sondern er hatte mit Ekel reagiert. [Der Ekel ist eine Erfindung von Lacan; Joyce erzählt, dass Stephen zunächst mit Zorn reagierte und dass dieser Zorn dann von ihm abfiel.] Dieser Ekel betrifft seinen eigenen Körper [der Ekel besteht darin, dass er den eigenen Körper gewissermaßen von sich abstößt]. Es ist, als würde er die schlimme Erinnerung in Klammern setzen und verjagen [Freuds Terminus wäre „Abwehr“]. Es bleibt für Joyce die Möglichkeit erhalten, sich zum eigenen Körper als zu etwas Fremdartigem zu verhalten. [Der Ekel-Affekt ist eine psychologische Beziehung zum eigenen Körper. Wenn der Affekt von Joyce abfällt wie die Schale einer reifen Frucht, verhält Joyce sich zum eigenem Körper wie zu etwas Fremdem.] [Am Rande ist festzuhalten, dass Lacan keine Hemmung hat, sich auf die masochistische Jouissance mit dem Wort plaisir zu beziehen; er verwendet jouir und plaisir hier nicht als einander ausschließende Termini.]
[Wie ist es überhaupt möglich, sich zum eigenen Körper als zu etwas Fremdem zu verhalten?] Man sagt, dass man seinen Körper „hat“, man sagt nicht, dass man sein eigener Körper „ist“. [In einer früheren Sitzung dieses Seminars hieß es, dass man seinen Körper nicht „hat“, da der Körper sich in jedem Moment verflüchtigt; die Konsistenz des Körpers sei eine mentale Konsistenz. Anders gesagt: Wenn man sagt, dass man einen Körper „hat“, stützt man sich letztlich auf die Spiegelstruktur des Ichs.] In diesem „hat“ drückt sich die Fremdheit des eigenen Körpers aus [und dieses Haben des Körpers, diese Fremdheit, ist die Grundlage für die Abwehrreaktion von Dedalus/Joyce]. Die Beziehung des Habens im Verhältnis zum eigenen Körper lässt wiederum an die Seele glauben [der Glaube an die Seele baut auf der Spiegelstruktur des Ichs auf], man denkt allen Ernstes, dass man eine Seele hat [dass man eine Seele hat, darin steckt wieder das Haben].
Joyce lässt also im Verhältnis zum eigenen Körper etwas fallen [nämlich den Affekt wie die Schale einer Frucht]. Und die Form dieses Fallenlassens im Verhältnis zum eigenen Körper ist für einen Analytiker suspekt [„suspekt“ hier wohl im Sinn von: etwas Rätselhaftes, dem er seine Aufmerksamkeit schenken sollte].
[Damit ist Lacan wieder am dem Punkt, dass Joyce ein ungewöhnliches Ich hat, ein ungewöhnliches Ego: Er lässt den Affekt fallen. Der Affekt stützt sich auf das Körperbild; Joyce jedoch lässt das Körperbild fallen. Damit bleibt die Frage, wie das Ich bei Joyce funktioniert, wenn es ihm möglich ist, das Körperbild auszuklammern.]
Die Vorstellung, die jemand von sich als Körper hat, ist bedeutsam: Sie ist das, was man Ego nennt. Das Ego wird als narzisstisch bezeichnet, d.h. es geht dabei auf einer bestimmten Ebene um etwas, was den Körper als Bild stützt.
Im Falle von Joyce ist das Bild des Körpers nicht betroffen. [Ich nehme an, dass gemeint ist: James/Stephen verspürt deshalb keinen Affekt, weil sein Körperbild aus dem Spiel ist.] Man kann also vermuten, dass das Ego bei Joyce eine besondere Rolle spielt. [Es fällt metaphorisch ab wie ine Schale, es entzieht sich der Ordnung des Sacks, der Sphäre.]
Lacan fragt sich, wie er die Besonderheit des Egos von Joyce [durch Schläge nicht affiziert zu werden (korrekt wäre: nur vorübergehend affiziert zu werden)] durch den noeud bo darstellen kann, wie er diese Besonderheit [mithilfe des Diagramms einer Verkettung] schreiben kann.
Er kündigt an, dass seine Zuhörer ihm bei dem folgenden Versuch wohl nicht unbedingt folgen werden [bei dem Versuch, die Verkettung von vier Elementen mit Joyce zusammenzubringen].
[Lacan formuliert die Frage dann um:] Wie weit geht die père-version? [In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte Lacan die père-version so charakterisiert: eine masochistische Liebe zum sadistischen Vater, die sich typischerweise darin zeigt, dass der Sohn sich als Erlöser begreift.73.
[Das ist ein Gedankensprung, die fehlenden Zwischenstücke sind vielleicht: Die Besonderheit von Joyces Ego soll durch Verwendung der borromäischen Ringe aufgeklärt werden; die borromäischen Ringe beziehen sich letztlich auf den Namen-des-Vaters; also muss die Besonderheit von Joyces Ego durch Bezug auf den Namen-des-Vaters dargestellt werden.]
{168} Freud macht alles von der Funktion des Vaters abhängig. Freud zufolge (in Totem und Tabu) richtet sich die Liebe zum Vater auf den Vater als Träger der Kastration: die Söhne lieben den Vater deshalb, weil er ihnen den Zugang zu Frauen versperrt. Die borromäische Verkettung sanktioniert [bekräftigt] diese Tatsache, die Verkettung soll diese verblüffende Freud’sche Intuition auf andere Weise verkörpern. Der nœud bo eignet sich [auch deshalb] gut dazu, weil er den Berg Nebo in Erinnerung ruft und damit das Gesetz [also das Verbot, das den Brüdern der Urhorde den Zugang zu Frauen versperrte]. Dieses Gesetz ist das Gesetz der Liebe [es verknüpft das Verbot durch den Vater mit der Liebe zum Vater], und das Gesetz der Liebe ist eine père-version [nämlich eine masochistische Hinwendung zu einem sadistischen Vater]. Dieses Gesetz hat nichts mit den Gesetzen der realen Welt zu tun; die Frage, wie die Gesetze der realen Welt funktionieren, bleibt offen. [Es ist unklar, ob Lacan sich hier auf Gesetze im Sinne des Rechts oder auf Naturgesetze bezieht.]
Das Schreibenlernen ist zu etwas nütze, zumindest dann, wenn man lernt, die borromäische Verkettung zu schreiben. Das soll jetzt gezeigt werden.
[Lacan zeichnet ein Diagramm mit drei Ringen.]
Abb. 3: Fehlerhafte Verkettung von drei Ringen
An einer bestimmten Stelle der Verkettung gibt es einen Fehler, sagt er, die Überschneidungen verlaufen falsch. [Bezogen auf das Diagramm heißt das: Im Feld des Rings des Imaginären verläuft der Ring des Symbolischen über dem Ring des Realen statt unter ihm.] Das hat zur Folge, |{169} dass der Ring des Imaginären sich aus der borromäischen Verkettung löst. [Es löst sich nur der Ring des Imaginären, diese Formulierung impliziert, dass die Ringe des Realen und des Symbolischen miteinander verbunden bleiben, und das setzt wiederum voraus, dass sie miteinander verlinkt sind wie die Glieder einer Gliederkette, also mit einer Hopf-Verschlingung. So wird das in allen drei Versionen des Seminars, die ich herangezogen habe, denn auch zeichnerisch dargestellt, in der ALI-Version, in der Miller-Version und in der Staferla-Version.]
[Ziu beachten ist, dass Lacan hier etwas Neues sagt: Das Diagramm zeigt einen Verkettungsfehler, den er in früheren Sitzungen noch nicht vorgestellt hatte. In einer früheren Sitzung hatte er den Fall Joyce so modelliert, dass es hier einen falsch gebildeten Kleeblattknoten gibt (der durch einen zusätzlichen Ring repariert wird) (10. Februar 1976).]
Welche Phänomene im Feld der Psychoanalyse entsprechen dem Verkettungsfehler, der darin besteht, dass Reales und Symbolisches direkt ineinandergreifen? Diese Frage wird Lacan später in dieser Sitzung zu beantworten versuchen: Die direkte Verlinkung von Realem und Symbolischem entspricht den Joyce’schen „Epiphanien“.]
Der Ring des Imaginären rutscht weg, so wie Joyce es verspürt, nachdem er verprügelt worden war. [Diese Bemerkung bezieht sich auf die Metapher, dass bald nach dem Verprügeltwerden der Affekt von Stephen abfällt wie die Schale von einer Frucht. Das Abfallen des Affekts entspricht dem Vorgang, dass der Ring des Imaginären sich aus der Verkettung mit dem Realen und dem Symbolischen löst.] Das imaginäre Verhältnis findet in diesem Falle nicht statt. [Das imaginäre Verhältnis besteht demnach in der borromäischen Verkettung des Imaginären mit dem Realen und dem Symbolischen.]
[Das erinnert an eine Passage aus dem Seminar Die Identifiizierung (Seminar 9 von 1961/62), wo es heißt, ein Psychotiker sei dadurch gekennzeichnet, dass für ihn das Reale und das Symbolische nie begrenzt werden konnten, und zwar deshalb nicht, weil er keinen Zugang zu der dritten Dimension hate, die allein die Differenzierung zwischen diesen beiden Ebenen ermöglicht, nämlich zum Imaginären; ein Psychotiker sei immer genötigt, auf seinen Körper als Stütze seines Ichs zu verzichten.74]
Also hat Joyce sich wohl nicht deshalb für die Perversion interessiert, weil er pervers wäre. [Das impliziert, dass bei einer Perversion Imaginäres, Reales und Symbolisches borromäisch verkettet sind.] [? Inwiefern beruht die Perversion auf der borromäischen Verkettung des Imaginären mit dem Realen und dem Symbolischen?]
Warum ist Joyce so unlesbar? Vielleicht deshalb, weil er in uns keinerlei Sympathie hervorruft. [Und das hat wohl zur Ursache:] Joyce hat ein Ego von anderer Natur, das ist offensichtlich. [Vermutlich im Sinne von: „Er hat ein Ego von anderer Natur als wir es haben.“ Vielleicht auch im Sinne von: Er war nicht so père-vers wie wir.]
Das reparierende Ego (I)
[Damit beginnt ein rätselhafter Dass-Satz, der insgesamt so lautet:] Es ist offensichtlich,
„dass er [Joyce] ein Ego von ganz anderer Natur hat als von jener, die genau im Moment seiner Revolte nicht funktioniert, die sofort, ganz knapp nach dieser Revolte nicht funktioniert“. (Weiter geht es mit: „Denn es gelingt ihm, sich davon zu lösen, das ist eine Tatsache.“)
[Eine verwirrende Argumentation:
(a) Joyce hat ein Ego von spezieller Natur (nennen wir es Ego 1), das ist eine Tatsache (Ego 1 ist normalerweise in Kraft).
(b) Die Natur dieses speziellen Joyce-Egos wird mit der Natur eines anderen Egos verglichen (mit Ego 2). Die beiden Ego-Naturen unterscheiden sich. (Ego 1 ≠ Ego 2).
(c) Über die andere Ego-Natur (über Ego 2) erfahren wir, dass sie während und knapp nach der Revolte nicht funktioniert (Ego 2 fällt aus).
Was ist die „Revolte“? Ich nehme an: der Moment des (unterstellten) Ekels.
(d) Es gelingt Joyce sich davon (von seinem Ekel?) zu lösen; das ist eine Tatsache (Ego 1 tritt wieder in Kraft).–
Ich vermute, dass Lacan hier etwas anderes sagen will, als er sagt, und dass man die Negation im Relativsatz „die genau im Moment seiner Revolte nicht funktioniert“ streichen muss.
Dann erhält man:
– Joyce hat ein Ego von spezieller Natur (Ego 1 ist normalerweise in Kraft).
– Im Moment des Verprügeltwerdens und kurz danach fällt das spezielle Joyce-Ego vorübergehend aus: Joyce verspürt Ekel (wie Lacan unterstellt), er revoltiert und damit funktioniert sein Ego ausnahmsweise wie das der meisten Menschen (Ego 1 fällt aus, Ego 2 tritt in Kraft).
– Es gelingt Joyce jedoch, sich bald nach dem Verprügeltwerden vom Affekt zu lösen, d.h. die spezielle Natur seines Ego wird wieder wirksam, er ist wieder der alte Joyce (Ego 1 tritt wieder in Kraft).]
Danach bewahrt Joyce keinerlei Anerkennung dafür, die Prügel bezogen zu haben. [Er vergisst nicht, was seine Schulkameraden ihm angetan haben, hat ihnen gegenüber jedoch auch keinen Groll (so heißt es im Roman). Er steht ihnen gegenüber nicht in einer sadomasochistischen Beziehung.]
|{170} Bezogen auf die borromäischen Ringe heißt das:
[Erster Schritt:] Es gibt einen Fehler in der Verkettung – die Verkettung ist nicht borromäisch; Lacan erinnert daran, wie oft er sich beim Anzeichnen der Verkettung geirrt hat. [Der Fehler besteht darin, dass die Ringe des Symbolischen und des Realen direkt miteinander verkettet sind, was zur Folge hat, dass sich das Imaginäre aus der Verkettung löst.]
[Zweiter Schritt:] Ein vierter Ring, nämlich das Ego greift als Korrektur für das fehlende [imaginäre] Verhältnis ein. [Der Ego-Ring ist so mit den Ringen des Realen und des Unbewussten (des Symbolischen) verschlungen, dass alle vier Ringe zusammenhalten, dass also der Ring des Imaginären festgehalten wird.]
Abb. 4: Verkettung von vier Ringen mit Ego als Korrektur-Ring
[Im Falle von Joyce sind das Ego und das Imaginäre zwei unterschiedliche Ringe; das Ego gehört bei ihm demnach nicht zur Ordnung des Imaginären. Damit ist klar, inwiefern das Ego von Joce eine spezielle Natur hat: Es ist nicht imaginär, der Kern dieses Egos ist nicht das Körperbild. Das heißt wohl auch: bei Joyces Symptom bleibt der Körper aus dem Spiel.]
Es geht hier um ein artifice de l’écriture, um einen Kunstgriff / ein Kunstwerk der Schrift. [Das artifice de l’écriture im Sinne von „Kunstgriff der Schrift“ ist die Zeichnung des Ego-Rings; in einer früheren Sitzung hatte Lacan sich auf das Diagramm einer borromäischen Verkettung mit dem Ausdruck artifice bezogen.75 Als artifice hatte Lacan aber auch häufig das von Joyce geschaffene Kunstwerk bezeichnet.76 Die Schreibkunst von Joyce ist ein Kunstgriff, der die Funktion hat, die Verkettung zu reparieren.]
„Durch dieses artifice de l’écriture, durch diesen Kunstgriff / dieses Kunstwerk der Schrift, stellt sich, möchte ich sagen, der borromäische Knoten wieder her.“
[Stimmt nicht. Die dargestellte Verkettung mit Korrektur-Ego ist keine borromäische Verkettung. Das Reale und das Symbolische greifen darin ja weiterhin direkt ineinander, wie die Glieder einer Gliederkette (also mit einer Hopf-Verschlingung), und das heißt, wenn man den Ring des Egos oder den Ring des Imaginären auftrennt, fallen die Ringe des Realen und des Symbolischen keineswegs auseinander – was sie tun müssten, falls die Verkettung borromäisch wäre.]
[In dieser Sitzung des Seminars gebraucht Lacan nicht den Begriff des Symptoms (oder des Sinthoms, diese Audsrücke verwendet er synonym). In früheren Sitzungen hatte er das Symptom in etwa so definiert: Ausgangspunkt ist eine fehlerhafte Verkettung von Elementen; der Fehler besteht darin, dass sie nicht auf borromäische Weise miteinander verschlungen sind. Das Symptom ist ein zusätzliches Element, dass dafür sorgt, dass alle Elemente einschließlich des Symptom-Elements zusammenhalten.77 Demzufolge ist das Korrektur-Ego ein Symptom (bzw. ein Sinthom).]
[Dies ist Lacans dritter Anlauf, das Symptom (oder Sinthom) von Joyce einzukreisen. Zunächst hatte er, bezogen auf den Fall Joyce, das Ausgangsproblem als „faktische Verwerfung“ des Namens-des-Vaters bestimmt und durch einen falsch gebildeten Kleeblattknoten modelliert (der Kleeblattknoten repräsentiert die Psychose, es kommt also nicht einmal ein psychotischer Knoten zustande); die Lösung bestand im Begehren, ein Künstler zu sein, der sich einen Namen macht und alle Welt beschäftigte, und dieses Begehren wurde dargestellt durch einen zusätzlichen Ring mit Reparaturfunktion. Der zusätzliche Ring sorgt dafür, dass der scheinbare Kleeblattknoten sich nicht durch Umklappen in einen einfachen Ring verwandeln kann, in einen trivialen Knoten (10. Februar 1976):
Reparierter Kleeblattknoten (10. Februar 1976)
[Dann war das Ausgangsproblem ein Fehler in der borromäischen Verkettung von drei Ringen, und die Lösung bestand in der Hinzufügung eines vierten Rings (des Symptoms oder Sinthoms), der vierte Ring sorgt dafür, dass alle vier Ringe borromäisch verkettet sind. Diese Form der Verkettung hatte Lacan jedoch nicht auf den Fall Joyce bezogen, es blieb also offen, wie sich das auf Joyce beziehen lässt (17. Februar 1976):
Sinthom-Verkettung (Sitzung vom 17. Februar 1976)
[Jetzt gilt als Ausgangsproblem ebenfalls die Beziehung zwischen drei Ringen, jedoch so, dass zwei Ringe direkt ineinandergreifen und der dritte Ring auf keine Weise verkettet ist. Die Lösung besteht wieder in der Ergänzung durch einen vierten Ring; das Ergebnis ist in diesem Fall allerdings keine borromäischen Verkettung (Lacan behauptet das Gegenteil).]
Der Verschreiber und das Reale
Eine borromäische Verkettung besteht nicht aus Flächen, sondern aus Fäden. In der gewöhnlichen [euklidischen] Geometrie hingegen hat man es mit Flächen zu tun, mit Flächen, die Kanten und Ecken haben. Die Fläche ist die Grundlage für die Evidenz der geometrischen Flächen. [In der euklidischen Geometrie beruhen die Beweise auf Postulaten (z.B. auf dem Postulat, dass die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten eine Gerade ist); diese Postulate sind nicht beweisbar (da sie die Grundlage aller Beweise bilden), ihre Wahrheit, so wird bei dieser Geometrie angenommen, beruht auf „Evidenz“ (évidence), darauf, dass die Postulate jedem vernünftigen Wesen unmittelbar einleuchten. Lacan zufolge kommt die Evidenz dadurch zustande, dass diese Geometrie mit Flächen arbeitet. Ein Knoten (bzw. eine Verkettung) ist hingegen „entleert“ (évidé); statt der Flächen gibt es hier Löcher. Und eben deshalb sind die Knoten (bzw. Verkettungen) nicht evident.]
Über das Wahre kann man nicht das Wahre sagen [wie Lacan seit dem Ethik-Seminar beständig wiederholt], denn das Wahre über das Wahre zu sagen, wäre eine Lüge. [Das Wahre über das Wahre wäre das Evidente, d.h. eine letzte Wahrheit, deren Geltung darauf beruhen würde, dass sie unmittelbar einleuchtet.]
Von hier aus geht Lacan zum „intensional“ Wahren über. [Es geht hier nicht um das „intentional“ Wahre, nicht um das absichtlich Wahre, sondern das Wahre in der Ordnung der „Intension“. Unter „Intension“ versteht man in der Logik den Begriffsinhalt, im Gegensatz zur „Extension“, zum Begriffsumfang. Der Begriffsinhalt ist gewissermaßen die Definition des Begriffs, der Begriffsumfang die Anzahl der Gegenstände, die unter denBegriff fallen. Ich vermute, dass Lacan hier mit „Intension“ die Ordnung des Sinns und der Deutung meint.] Die Intension hatte er, Lacan, ja bereits früher dem Ausdruck „Extension“ gegenübergestellt. [Im Vorschlag vom 9. Oktober 1967 hatte er die „Psychoanalyse der Intension nach“ von der „Psychoanalyse der Extension“ nach unterschieden. Mit dem Ausdruck „Psychoanalyse der Intension nach“ bezog er sich dort auf die Lehranalyse, mit dem Ausdruck „Psychoanalyse der Extension nach“ auf die Vergegenwärtigung der Psychoanalyse gegenüber der „Welt“.] Das „intensional Wahre“ kann gelegentlich an etwas Reales rühren. [Falls das „intensional Wahre“ sich auf den Sinn bezieht, wären Sinn und Reales also nicht vollständig gegeneinander abgeschottet.] Das „intensional Wahre“ kann jedoch immer nur durch Zufall an etwas Reales rühren. [? Was ist damit konkret gemeint? Beispielsweise, dass die Deutung an ein Trauma rührt?]
[Ich vermute, dass man an dieser Stelle ergänzen kann: Das „intensional Wahre“ ist an das Sprechen gebunden.] Im Schreiben macht man beständig Fehler, und der Verschreiber kann als etwas begriffen werden, das an das Reale rührt. [Beispiele für Verschreiber sind Lacans Fehler beim Anzeichnen der Verkettungen.] Das ändert nichts daran, dass der Verschreiber gegenüber dem Versprecher keineswegs primär ist. [Das richtet sich wohl u.a. gegen Derridas Schriftbegriff.] [Offenbar will Lacan hier andeuten, dass seine Verschreiber beim Zeichnen der Verkettungen an das Reale rühren.] [? Inwiefern kann ein Verschreiber an das Reale rühren? Worin liegt der strukturelle Unterscheid zum Versprecher? Inwiefern rühren Lacans Verschreiber (falls das gemeint ist) an etwas Reales?]
Lacan führt das Reale durch den „Knoten“ ein, also durch die borromäische Verkettung [d.h. er bezieht diese Verkettung auf die Trinität von Realem, Symbolischem und Imaginärem]. Er sagt über sich, er sei der einzige, der diese Verkettung [in ihrem Bezug auf den Begriffsapparat der Lacanschen Psychoanalyse] zu handhaben weiß; sie dient ihm dazu, seinen Zuhörern etwas zu erklären [so wie er sich in dieser Sitzung bemüht, mithilfe der Verkettung die Frage zu beantworten, wie Joyce als Schriftsteller funktionierte].
Mithilfe der borromäischen Verkettung lässt sich auch artikulieren, dass jede menschliche Sexualität, Freud zufolge, [polymorph-]pervers ist. [Das bezieht sich vielleicht auf Freuds These, dass die sexuelle „Vorlust“, wie Freud sie nennt, ihre Quelle in den Partialtrieben hat, aus denen die Perversionen hervorgehen.78] [Inwiefern lässt sich mithilfe der borromäischen Verkettung artikulieren, dass die menschliche Sexualität pervers ist? Ich nehme an, insofern, als, in Lacans Anwendung dieser Verkettung auf die Psychoanalyse, das Objekt a darin den zentralen Platz einnimmt.] Die Psychoanalyse ist unfruchtbar, es ist ihr nicht gelungen, eine neue Perversion zu erfinden, obwohl die Perversion doch das Wesen des Menschen ausmacht. [Auch diese Bemerkung hatte Lacan zuerst im Ethik-Seminar vorgebracht.]
|{171} Der Text von Joyce ist wie eine borromäische Verkettung gebaut; auf diesen Gedanken ist er, Lacan, erst allmählich gekommen. [Diese These bezieht sich nicht darauf, wie Joyce als Schriftsteller funktionierte, sondern wie seine Texte strukturiert sind. Die These wird von Lacan nicht erläutert.] [? Will er sagen: wenn man ein Element des Textes auftrennt, fallen alle Elemente auseinander? Was wären die Elemente des Textes?]
Im Werk von Joyce gibt es keine Spur der borromäischen Verkettung, nichts, was ihr ähneln würde. Lacan behauptet, dass ihn das verblüfft. Das scheint ihm jedoch eher, so sagt er, ein Zeichen von Authentizität zu sein [womit vielleicht gemeint ist, dass literarische Authentizität damit einhergeht, dass der Autor keinen theoretischen Zugang zu dem hat, was er da tut].
Die Rätsel des Egos
Für den Text von Joyce ist charakteristisch, dass es darin von Rätseln nur so wimmelt, aber mehr noch: Joyce hat damit gespielt, ihm war klar, dass es Leute geben würde, die versuchen würden, diese Rätsel zu lösen [diesen Gedanken hatte Lacan bereits im Vortrag Joyce das Symptom (I) sowie in der ersten Sitzung dieses Seminars geäußert]. Die Joyce-Entzifferer fragen, warum Joyce etwas [ein Wort, einen Satz usw.] an eine bestimmte Stelle gesetzt hat, und sie finden immer einen Grund: weil direkt danach ein anderes Wort folgt. [Der Grund wird durch den Kontext geliefert, durch die Signifikantenkette; vielleicht spielt Lacan hier auf die rückwirkende Determinierung des Sinns durch das nächste Element in der Kette an.]
Das erinnert (sagt Lacan) an Lacans Worterfindungen, wie „Osbjekt“, „mensionge“, „dit-mension“ usw. – auch hier gibt es Rätsel, die zu entziffern sind. Die Rätsel von Lacan funktionieren jedoch anders als die von Joyce (sagt Lacan). Er, Lacan, bilde Mehrdeutigkeiten, mit denen er etwas ausdrücken wolle [in der vorangegangenen Sitzung hatte er gesagt, dass er die Mehrdeutigkeiten entmystifiziere]. Bei den Rätseln von Joyce hingegen komme man immer ans Ende seines Lateins [sie lassen sich nicht auf Bedeutungen zurückführen, nicht auf etwas beziehen, das ausgedrückt werden soll].
Ein Rätsel hat eine bestimmte formale Struktur, es beruht auf dem Verhältnis des Äußerungsvorgangs (énonciation) zum ausgesagten Inhalt (énoncé). Den Äußerungsvorgang kürzt Lacan mit großem E ab, den ausgesagten Inhalt mit kleinen e; Lacan hatte das Rätsel früher [in Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung] als Ee notiert. Damit ist gemeint: Eine Aussage (e) ist gegeben, und die Frage ist, warum sie ausgesprochen wurde (warum E?). [Die Frage bezieht sich demnach auf den Äußerungsvorgang. In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte Lacan das Rätsel umgekehrt definiert: Es gibt den Äußerungsvorgang und man findet nicht die Aussage.]
.„Das zur Potenz der Schrift gebrachte Rätsel lohnt der Mühe, sich damit zu beschäftigen.“ [Joyce potenziert das Rätsel insofern, als er es auf die Ebene der Schrift bringt, auf die Ebene des literarischen Schreibens und auf die Ebene der Rahmung. Man sollte sich fragen, warum er das tut.] Vielleicht ist das eine Konsequenz dessen, dass es bei ihm eine „schlecht gemachte Zusammenfügung“ gibt [dass Reales und Symbolisches direkt miteinander verschlungen sind und der Ring des Imaginären nicht verkettet ist] und dass es [als vierten Ring] ein Ego mit Reparaturfunktion gibt. Dies ist ein Ego „mit rätselhafter Funktion“. [Die These lautet also: Ursache dafür, dass Joyce Rätsel schreibt, ist möglicherweise, dass das Ego von Joyce eine Reparaturfunktion hat. Das Ego hat eine „rätselhafte Funktion“, das meint auch: Dieses Ego hat die Funktion, Rätsel zu stellen, Rätsel zu erfinden.] Auf jeden Fall ist klar, dass Joyce der Schriftsteller des Rätsels ist. [Die implizite These ist offenbar: Das Rätsel-Stellen sorgt dafür, dass die falsch verketteten Ringe zusammenhaltenm,vor allem dafür, dass sich der Ring des Imaginären nicht aus dem Staub macht.]
Den Körper haben
|{172} Was Lacan über die Beziehungen des Menschen zu seinem Körper gesagt hat, besteht darin, dass der Mensch sagt, dass er seinen Körper „hat“. Schon wenn jemand von „seinem“ Körper spricht, sagt er damit, dass er ihn besitzt, wie ein Möbelstück. Das hat nichts mit dem Subjekt zu tun; das Subjekt ist das, was durch einen Signifikanten gegenüber einem anderen Signifikanten repräsentiert wird.
Durch Verwendung der borromäischen Verschlingung lässt sich von der Perversion etwas festmachen [das knüpft an die Bemerkung an, die borromäische Verkettung erlaube es, zu artikulieren, dass jede menschliche Sexualität pervers ist]. Dabei tut sich ein Abgrund auf [? welcher Abgrund?]. Dieser Abgrund lässt sich vielleicht ein wenig „abbremsen“ [möglicherweise im Sinne von: die Gefahr, in diesen Abgrund zu stürzen, lässt sich verringern]. Der Abgrund lässt sich möglicherweise dadurch abbremsen, dass man sich auf den Tanz (danse) bezieht [also auf eine bestimmte Weise, den Körper zu „haben“]. Es ist erstaunlich, dass der Tanz den Körper nicht stärker bedient (serve le corps) – ihn bedient, nicht etwa nur nützt. [Zum „Haben“ des Körpers gehört vielleicht auch, dass der Körper bedient wird.] [? Was ist gemeint? Vielleicht dies (wild geraten): Der Tanz nützt dem Körper: er dient als Mittel der körperlichen Ertüchtigung. Der Tanz bedient de Körper: er inszeniert den Körper, präsentiert ihn, feiert ihn. Möglicherweise will Lacan andeuten, dass der Tanz eine Weise ist, mit dem perversen Charakter der Sexualität umzugehen, mit den voyeuristischen, exhibitionistischen, masochistischen und sadistischen Strebungen in der Beziehung zwischen den Geschlechtern (Objekt a im Zentrum der borromäischen Verschlingung), und dass dies in Verbindung mit dem Körperbild steht bzw. mit dem Körper, insofern man den Körper hat (Ring des Imaginären).]
Das würde es erlauben, den Begriff der Verdichtung folgendermaßen zu schreiben: condansation statt condensation. [Demnach gibt es eine Beziehung zwischen Freuds Begriff der Verdichtung (bei Lacan: „Metapher“) und dem Tanz.] [? Ist gemeint, dass im Tanz die verschiedenen perversen Strebungen verdichtet werden und mit ihnen eine Beziehung zwischen den Geschlechtern inszeniert wird?]
Ist das Reale gerade? [Sollte man das Reale in der borromäischen Verkettung durch eine unendliche Gerade darstellen?]
In Freuds Theorie hat das Reale nichts mit der Welt zu tun. Denn Freud zufolge gibt es eine Stufe von primärem Narzissmus, die des Lust-Ichs, und diese Phase ist dadurch charakterisiert, dass es zwar ein Subjekt gibt, aber kein Verhältnis von Innen und Außen [das Lust-Ich ist demnach kein Ich im Sinne der Trias Ich, Es, Über-Ich, denn dieses Ich wird von Freud durch die Beziehung zur Außenwelt charakterisiert]. [Das Reale ist hier offenbar die Lust des Lust-Ichs, und „Welt“ scheint für „Außenwelt“ zu stehen.] [Das Freud-Referat an dieser Stelle ist nicht haltbar, Freud charakterisiert den primären Narzissmus durch die Beziehung zwischen Innen und Außen.]
Die Epiphanien als Ursache des Verkettungsfehlers
{173} Lacan bezieht sich nun auf die früheste Form des Schreibens von Joyce, auf die sogenannten Epiphanien. [Unter „Epiphanien“ versteht Joyce kurze Textstücke, die sich auf banale Situationen beziehe. Oft bestehen sie aus Gesprächsfetzen, manchmal verweisen sie aber auch auf Gesehenes oder Gedachtes. Um „Epiphanien“, also Erscheinungen, handelt es sich insofern, als in ihnen etwas aufscheint, etwas offenbart wird: die Washeit der Dinge (ein Begriff, den Joyce mit Thomas von Aquin übernimmt.]
„Wenn er [Joyce] eine Aufstellung davon gibt [von den Epiphanien], sind all seine Epiphanien stets durch dasselbe gekennzeichnet, nämlich genau durch Folgendes: die Konsequenz, die von diesem Fehler herrührt, nämlich dass das Unbewusste mit dem Realen verbunden ist. Und was phantastisch ist: Joyce selbst spricht nicht anders darüber. Es ist bei Joyce völlig lesbar, dass die Epiphanie das ist, was bewirkt, dass, dank des Fehlers, Unbewusstes und Reales miteinander verknüpft sind.“
Es gibt einen Fehler. [Der Fehler besteht in der falschen Fadenführung. Vgl. Abb. 3: An der oberen Kreuzungsstelle von Unbewusstem und Realem verläuft der Ring des Realen unter dem Ring des Unbewussten statt über ihm.] Dieser Fehler hat zur Folge, dass das Unbewusste und das Realen direkt [also nicht borromäisch] miteinander verknüpft sind. Sämtliche Epiphanien sind durch diese Direktverbindung von Symbolischem und Realem gekennzeichnet. Lacan formuliert es noch schärfer: Die Epiphanie ist das, was bewirkt, dass das Unbewusste und das Reale miteinander verknüpft sind.
[Eine der Epiphanien (aus Stephen der Held) lautet so:
„Die junge Dame – (diskret und schleifend im Ton) … O ja … ich war … in der … Kir … che …
Der junge Mann – (unhörbar) … Ich … (wieder unhörbar) … ich …
Die junge Dame – (weich, leise) … O … Sie sind mir … aber … ein sehr … schlim … mer …“]
[Inwiefern geht es um das Symbolische bzw. um das Unbewusste? Ich nehme an insofern, als es um ein Sprechen geht, das von Stephen aufgeschnappt wird, das also von außen kommt.
Was könnte das Reale sein? Auf der Ebene des Symbolischen erscheint das Reale im „Schnitt“, d.h. in den Intervallen zwischen den Wörtern, sagt Lacan in Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung (vgl. in Lacan entziffern den Beitrag Der Schnitt, die Einschreibung des Realen in das Symbolische). Also entsprechen die sich wiederholenden drei Pünktchen wohl dem Realen.
Worin besteht die Direktverlinkung des Symbolischen mit dem Realen? In einem Satz mit vielen Auslangspünktchen?
Worin besteht das Ausfallen des Imaginären? Vielleicht darin, dass die erotische Szene nicht durch den Bezug auf das Körperbild vermittelt ist, wir erfahren nichts über das Aussehen der Sprecher.]
Das reparierende Ego (II)
Lacan zeigt dann eine Verkettung von vier Ringen.
Abb. 5: Vierer-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden und Ego als Korrektur-Ring
Version ALI
Abb. 6: Vierer-Verkettung mit zwei unendlichen Geraden und Ego als Korrektur-Ring
Version Miller mit falschem Fadenverlauf
Die beiden Geraden repräsentieren das Reale und das Unbewusste [bzw. das Symbolische], der große umgeklappte Ring steht für das Imaginäre, der kleine Ring für das Ego von Joyce. Wenn man das Ego auftrennt, wird das imaginäre Verhältnis [die Verkettung des Imaginären mit den Ringen des Unbewussten und des Realen] freigesetzt – sofern das Unbewusste es gestattet, was es hier der Fall ist [das Imaginäre ist nicht mit dem Unbewussten verlinkt, weder borromäisch noch direkt].
[Man muss sich, was die Zeichnung angeht an die ALI-Version des Seminars halten (Abb. 5). Millers Version des Diagramms (Abb. 6) enthält einen Fehler, der große umgeklappte Ring ist hier borromäisch mit den beiden unendlichen Geraden verkettet, die Verkettung hält auch ohne den kleinen Ring.]
Der Ring des Egos sorgt dafür, dass „sich der borromäische Knoten streng wiederherstellt“. [Lacan wiederholt seine Behauptung, dass der Reparaturring eine borromäische Verkettung erzeugt und er betont, dass genau dies gemeint ist: der borromäische Knoten wird streng (strictement) wiederhergestellt. Das lässt sich auch für dieses Diagramm nicht halten, die dargestellte Verkettung hat keinen borromäischen Charakter (das gilt sowohl für die ALI-Version (Abb. 5) als auch für die Miller-Version (Abb. 6) des Diagramms). Borromäisch wäre die Verkettung dann, wenn die vier Elemente auseinanderfallen, sofern man ein beliebiges Element auftrennt. Nun ist der Ring des Egos jedoch (in beiden Versionen) mit den beiden unendlichen Geraden auf borromäische Weise verkettet. Und das heißt: Wenn man den Ring des Imaginären auftrennt, lösen sich die anderen drei Komponenten keineswegs voneinander.]
Lacan präzisiert zum Schluss, was er [zu Beginn dieser Sitzung] mit l’appensée gemeint hat: |{174} dass man gegen einen Signifikanten denkt. [Die Beziehung des Signifikanten zum Denken funktioniert anders als die Beziehung der Schrift zum Denken. Zu Beginn dieser Sitzung hieß es: Die Schrift ist eine Stütze für das Denken. Jetzt erfahren wir: Man denkt gegen einen Signifikanten, Die Signifikanten drücken nicht die Gedanken aus, das Denken arbeitet sich vielmehr an den Signifikanten ab. Die entscheidende Stütze, um gegen die Signifikanten anzudenken, ist die Schrift. Für die Psychoanalyse heißt das: Das Schreiben der borromäischen und der nicht-borromäischen Verkettungen dient dazu, gegen den Signifikanten zu denken.]
ZUSAMMENSTELLUNG ZU SYMPTOM/SINTHOM
Die Ausdrücke „Symptom“ oder „Sinthom“ werden von Lacan in dieser Sitzung nicht verwendet. Von den früheren Sitzungen des Seminars her ist jedoch klar, dass der vierte Ring, der Ring des Ego, ein Symptom oder Sinthom ist: Es gibt einen Fehler in der Verkettung der Ringe, und der vierte Ring sorgt dafür, dass alle vier Ringe zusammenhalten.
LITERATURVERZEICHNIS
Lacan, Sinthom-Seminar
Version ALI
Herausgegeben von der Association Freudienne Internationale, 2001 umbenannt in Association Lacanienne Internationale.
Als PDF auf der Internetseite der ELP, hier. S. 212–380.
Version Miller 2005
Jacques Lacan: Le séminaire, livre XXIII. Le sinthome. 1975-1976. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2005
Version Miller/Mitelman/Dielmann
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017
Version Miller/Price
Jacques Lacan: The Sinthome. The seminar of Jacques Lacan, Book XXIII. Edited by Jacques-Alain Miller, translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2016
Version NN
Lacan: Le sinthome. Wort-für-Wort-Transkription eines anonymen Herausgebers, ohne Ort, ohne Jahr. Schreibmaschine, durch Fotokopien verbreitet. Auf diese Version bezieht sich Max Kleiners Übersetzung, linke Spalte.
Version NN/Kleiner und Version Miller 1976-77/Kleiner
Le sinthom. 1975 - 1976. Seminar XXIII von Jacques Lacan. Übersetzt von Max Kleiner. Herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007
Der Text enthält zwei Übersetzungen. Das Layout ist dreispaltig. Erste Spalte: Übersetzung der Transkription eines anonymen Herausgebers (=Version NN/Kleiner), zweite Spalte: Übersetzung der Version Miller 1976/77, dritte Spalte: Anmerkungen des Übersetzers. Zu bestellen beim Lacan-Archiv Bregenz; für 20 Euro erhält man eine PDF-Datei.
Version Staferla
Jacques Lacan: Le sinthome. 1975 — 76. Wort-für-Wort-Transkription, herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr, ohne Ort. Diese Transkription wird von Zeit zu Zeit überarbeitet, es gibt also mehrere Varianten der Staferla-Version. Für diesen Kommentar wurde die Variante vom 28.6.2013 verwendet; man findet sie hier.
Version Staferla/Nemitz
Jacques Lacan: Das Sinthom. Seminar 23 von 1975/76. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, 2019, hier
Version Stenotypie ELP
Jacques Lacan: Le sinthome. Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier
Weitere Texte von Lacan
Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (1957). In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626
Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung (1945). In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 231–251
Die Wissenschaft und die Wahrheit (1965). In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 401–428
Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse (1953). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–381
Joyce das Symptom (I). Vortrag vom 16. Juni 1975. Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern (lacan-entziffern.de), 11. September 2013, hier. Außerdem in: Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 181–191
Proposition du 9 octobre 1967 sur le psychanalyste de l’École. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 243–259
Seminare
Seminar 6 = Le séminaire, livre VI. Le désir et son interprétation. 1958–1959. Texterstellung Jacques-Alain Miller. La Martinière, Paris 2013
Seminar 7 = Das Seminar, Buch VII (1959–1960). Die Ethik der Psychoanalyse. Übersetzt von Norbert Haas nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten Version. Quadriga, Weinheim u.a. 1996
Seminar 9 = L’identification. 1961–62. Herausgegeben von der Website Staferla (staferla.free.fr), auf der Grundlage der Versionen JL, rue CB und Roussan. Ohne Ort, ohne Jahr
Seminar 11 = Das Seminar, Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas. Walter, Olten u.a. 1978
Seminar 22 = Seminar XXII. RSI. 1974–75. Übersetzt von Max Kleiner nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten vorläufigen Version. Herausgegeben vom Lacan-Archiv Bregenz 2012
Andere Autoren
Jacques Aubert: Anmerkungen. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 214–225
Jacques Derrida: Grammatologie (1968). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983
Richard Ellmann: James Joyce (1959). Übersetzt von Fritz Senn u.a. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Christian Fierens: Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018
Sigmund Freud: Totem und Tabu (1912/13). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 287–444
Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–145
Sigmund Freud: Triebe und Triebschicksale (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 75–102
Herbert S. Gorman: James Joyce. Sein Leben und sein Werk. Claassen, Hamburg 1957
Clive Hart: Structure and motif in „Finnegans Wake“. Faber and Faber, London 1962
Verwandte Beiträge
Anmerkungen
-
Im Encore-Seminar hieß es zur borromäischen Verkettung, das Ziel, das Ideal sei die mathematische Formalisierung, da nur sie „Mathem“ sei, d.h. „in der Lage, integral übermittelt zu werden“ (Seminar 20 von 1972/73, Sitzung vom 15. Mai 1973, meine Übersetzung; vgl. Version Miller/Haas u.a. S. 128).
-
Vgl. Clive Hart: Structure and motif in „Finnegans Wake“. Faber and Faber, London 1962.
-
Für il faut le faire, wörtlich: „man muss es tun“, „es muss getan werden“.
-
Faut le faire ist ein Ausdruck der Bewunderung oder, ironisch verwendet, der Herabsetzung; vgl. CNRTL hier. Die schöne Entsprechung „Das muss man erstmal hinkriegen“ haben Mitelman und Dielmann gefunden.
-
In einer früheren Sitzung des Seminars hatte Lacan (im Diagramm der borromäischen Verkettung) den Sinn im Überschneidungsbereich zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen verortet, mit folgender Begründung:
„weil wir in allem, was wir denken, darauf zurückverwiesen sind, es zu imaginieren. Allein, wir denken nicht ohne Worte, im Gegensatz zu dem, was Psychologen, die der Würzburger Schule, vorgebracht haben.“
(17. Februar 1976, meine Übersetzung, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S.98)
Das Denken hat mit dem Sinn zu tun und vollzieht sich zugleich im Imaginären und im Symbolischen.
-
Die Bezeichnung nœud bo hatte Lacan bereits in Seminar 22 von 1974/75, RSI, verwendet (Sitzung vom 13. Mai 1975).
-
Der Berg Nebo ist der Berg, von dem aus Moses das gelobte Land erblickte (5. Buch Moses 34, 1–4). Der Berg, auf dem er das Gesetz empfing, hieß anders: Sinai oder Horeb.
Joyce erwähnt den Berg Nebo im Ulysses:
„Look forth now, my people, upon the land of behest, even from Herob and from Nebo, and from Pisgah and from the Horns of Hatten unto a land flowing with milk and money.”
(J. Joyce: Ulysses. Einführung von Declan Kiberd. Penguin Books, Modern Classics, London 2000, S. 514)
In der Übersetzung von Hans Wollschläger:
„Blike hin auß denn, mein volck, auff das lant der Verheißung, vom Horeb vnd vom Nebo vnd vom Pisga, vnd von den Hörnern von Hattin auff ein lant da milch vnt money fleußt.“
(J. Joyce: Ulysses. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 552)
-
Vgl. Jacques Derrida: Grammatologie (1968). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983.
-
Möglicherweise eine Anspielung auf Lacans Aufsatz Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung (1945) und das Thema der Hast, das darin entfaltet wird (in: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 231–251).
-
In dem Aufsatz Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (1957) symbolisiert Lacan den Signifikanten durch ein großes S und das Signifikat durch ein kleines s; das Verhältnis von Signifkant und Signifikat schreibt er dort so:
(In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626, hier: S. 587 und 609 f.) -
Dit-mension ist vielleicht eine Anspielung auf Heideggers Rede von der Sprache als „Haus des Seins“ (vgl. Martin Heidegger: Wozu Dichter? (1926) In: Ders.: Holzwege. Gesamtausgabe, Bd. 5. Klostermann, Frankfurt am Main 1977, S. 310).
-
Das Wort „Philosophie“ setzt sich zusammen aus philia („Freundschaft“) und sophia („Weisheit“).
-
Vgl. Hegel: „Die Zeit ist der Begriff selbst“ (G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. Hg. v. Johannes Hoffmeister. Akademie-Verlag, Berlin 1964, S. 429).
Und noch einmal Hegel: Philosophie ist „ihre Zeit in Gedanken erfasst“ (G.W.F. Hegel: Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie. Werke, Band 7. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979 (Theorie-Werkausgabe), S. 25).
-
Vielleicht eine Anspielung auf den Begriff „erste Philosophie“ von Aristoteles; die „erste Philosophie“ wurde später „Metaphysik“ genannt.
In einer früheren Sitzung dieses Seminars hieß es, die borromäische Verkettung sei eine Stütze für „erste Wahrheiten“ (13. Januar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 63 und 65).
-
In Lacans Plättung der borromäischen Verkettung des Realen, des Symbolischen und des Imaginären nimmt das Objekt a immer den Platz des Zentrums ein.
Zum Objekt a als Knochen vgl. Lacan in Seminar 11:
„Das Objekt des Triebs gehörte auf die Ebene, die ich meinte, als ich metaphorisch von einer azephalen Subjektivierung, einer Subjektivierung ohne Subjekt sprach, ein Knochen, eine Struktur, ein Aufriß, was die eine Seite der Topologie wäre.“
(Das Seminar, Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Textherstellung von Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas. Walter, Olten und Freiburg i.Br. 1978, Sitzung vom 13. Mai 1964, S. 193)
In einer früheren Sitzung des Sinthom-Seminars hatte Lacan über das Objekt a gesagt, es heiße so, weil es ob sei, Obstakel, Hindernis für die Ausbreitung des Imaginären (10. Februar 1967; Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 91 f.).
-
Vgl. J. Lacan, Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung.– Die Übersetzung einer Passage zum „einzigen Zug“ aus diesem Seminar findet man auf dieser Website hier.
-
Diese These hatte Lacan zuerst in Seminar 22 von 1974/75, RSI, vorgetragen, in der Sitzung vom 10. Dezember 1974. Im laufenden Seminar 23 war er mehrfach darauf zurückgekommen.
-
Miller ergänzt : « meilleur que le cercle » (bessers als der Kreis).
-
Der Kreis hat dann ein Loch, wenn man ihn in den dreidimensionalen Raum einbettet; Lacan hatte das in der Sitzung vom 9. März 1976 ausgeführt (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 118).
-
Auf den Sack hatte sich Lacan bereits in früheren Sitzungen dieses Seminars bezogen:
– 18. November 1975: Platons Form und Cantors leere Menge als Sack (vgl. Miller/Mitelman/Dielmann S. 18);
– 9. Dezember 1975: traditionelle Geometrie als Geometrie des Sacks (vgl. Miller/Mitelman/Dielmann S. 28);
– 13. Januar 1976: das, wodurch wir eine Vorstellung von Konsistenz haben (vgl. Miller /Mitelman/Dielmann S. 67). -
Eine Sphäre ist keine Kugel, sondern die Oberfläche einer Kugel, d.h. ein zweidimensionales Objekt.
-
Lacan konstruiert hier ein Bild, das den Übergang von der Topologie der Sphäre zur Knotentopologie herstellen soll und das den sekundären Charakter der Sphäre behauptet. Dabei denkt er offenbar an einen Luftballon, den man aufbläst und mit einer Schnur zubindet. Die Sphäre wäre dann (anders als in der mathematischen Topologie) keine Grundfläche, sondern eine abgeleitete Fläche, sie setzt die Intervention des Knotens voraus.
-
Bereits in einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte Lacan darauf hingewiesen, dass es für ihn schwierig sei, über Joyce zu sprechen, da er ihn nicht analysiert habe und er darauf reduziert sei, ihn zu lesen (Sitzung vom 10. Februar 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 83).
-
In einer früheren Sitzung dieses Seminars hieß es, die Psychoanalyse sei ein Kurzschluss zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären, der über den Sinn läuft (16. März 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 132).
-
Ego ist der englische Terminus für Freuds Ich. Von den französischen Psychoanalytikern wurde der Ausdruck übernommen, sodass man hier für das Ich neben moi auch ego findet. Bei frühen Lacan findet man ego häufig, vor allem im sogenannten Rom-Vortrag. Das Wort wird dort kursiv geschrieben, was auf die Herkunft aus dem Englischen verweist. Er verwendet den Ausdruck ego im Rom-Vortrag nicht nur, um über die ego psychology zu sprechen, sondern immer wieder auch, um eigene Thesen zu artikulieren. Ein Beispiel:
„Dieses ego, dessen Kraft unsere Theoretiker jetzt durch die Fähigkeit definieren, eine Frustration [frustration] zu ertragen, ist Versagung [frustration] in seinem Wesen.“
(J. Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse (1953). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 278–381, hier: S. 297)
-
Herbert S. Gorman: James Joyce. Sein Leben und sein Werk. Claassen, Hamburg 1957.
-
Vgl. Richard Ellmann: James Joyce (1959). Übersetzt von Fritz Senn u.a. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 830.
Die anekdotische Einkleidung scheint Lacans Erfindung zu sein, bei Ellmann liest man nur:
„Daß das Bild von Cork in seiner Pariser Wohnung einen Korkrahmen haben mußte, wie er Frank O’Connor gegenüber hervorhob, war ein überlegtes, wenn auch halb spaßhaftes Anzeichen dieser Vorstellung von der Welt, in der unerwartete Übereinstimmungen die Regel sind.“
-
Stuart Gilbert (1883–1969), Autor von: Das Rätsel Ulysses. Eine Studie (1930). Übersetzt von Georg Goyert. Rhein, Zürich 1932.
-
Carlo Linati (1878–1949), Freund von Joyce, bekam 1920 von Joyce Schemata und Tabellen zum Verständnis von Ulysses.
-
Valery Larbaud (1881–1957), ein Schriftsteller, war an der französischen Übersetzung von Ulysses beteiligt.
-
Lacan setzt hier Überlegungen zum „Leben“ der Sprache fort, die er in der vorangegangenen Sitzung (13. April 1976) begonnen hatte (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 148).
In „de ce que je viens d’appeler vie du langage“ spricht Lacan vor „vie“ keinen Artikel, sodass man auch hören kann „vide du langage“, „leer von Sprache“. (Hinweis von Adrian Price in seiner englischen Übersetzung des Seminars, a.a.O., S. 128 Fußnote 1, und S. 226, Chapter X, Fußnote 1.)
-
Lacan bezieht sich hier auf den Gegensatz von „Zeit“ und „Ewigkeit“; möglicherweise spielt er damit auf das Kapitel „Ewigkeit, Zeit und Begriff“ in Kojèves Hegel-Vorlesungen an (Alexandre Kojève: Hegel. Vergegenwärtigung seines Denkens. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 90–133).
-
Lacan nimmt hier eine Verschlimmbesserung vor. Der unbestimmte Artikel, den er unterzubringen sucht, steht am Anfang des Titels: A Portrait of the artist as a young man.
-
An die folgende Szene erinnert sich Stephen Dedalus während einer Beichte.
-
Lacan identifiziert hier Stephen Dedalus, den Protagonisten des Romans, mit James Joyce. In der geschilderten Szene wird Stephen Dedalus zuerst von seinen Kameraden geschlagen und dann gegen eine Stacheldrahzaun gedrängt.
Vgl. J. Joyce. A portrait of the artist as a young man. In: Ders.: A portrait of the artist as a young man. Text, criticism, and notes. Hg. v. Chester G. Anderson. Penguin Books, Harmondsworth 1977, S. 5–254, Prügel-Episode: S. 77–82; dt.: J. Joyce: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übersetzt von Klaus Reichert. In: J. Joyce: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 251–533, Prügel-Episode: S. 333–339.
-
Miller transkribiert hier „érôn“, was möglicherweise der Akkusativ von „érôs“ sein soll (der allerdings mit Omikron statt mit Omega geschrieben wird, also ohne das Hütchen auf dem o).
-
Darauf, dass Heron „Reiher“ bedeutet ist, weist der Erzähler von Ein Porträt des Künstlers ausdrücklich hin (vgl. Reichert-Übersetzung, a.a.O., S. 331).
-
Diese Frage stellt sich Stephen Dedalus fünf Jahre später während einer Beichte.
-
„Even that night as he stumbled homewards along Jones’s Road he had felt that some power was divesting him of that suddenwoven anger as easily as a fruit is divested of its soft ripe peel.“ (A portrait of the artist as a young man, Anderson-Ausgabe, a.a.O., S. 82)
„Selbst in jener Nacht, da er auf der Jone’s Road heimwärts stolperte, hatte er das Gefühl gehabt, daß irgendeine Macht jenen jähgewirkten Zorn so mühlos von ihm ablöste wie eine weiche reife Schale von einer Frucht.“ (Reichart-Übersetzung, a.a.O., S. 338)
Später im Roman wird das wiederholt:
„He had heard the names of the passions of love and hate pronounced solemnly on the stage and in the pulpit, had found them set forth solemnly in books, and had wondered why his soul was unable to harbour them for any time or to force his lips to utter their names with conviction. A brief anger had often invested him but he had never been able to make it an abiding passion and had always felt himself passing out of it as if his very body were being divested with ease of some outer skin or peel. He had felt a subtle, dark and murmurous presence penetrate his being and fire him with a brief iniquitous lust: it too had slipped beyond his grasp leaving his mind lucid and indifferent.“ (A.a.O., S. 149)
„Er hatte die Namen der Leidenschaften Liebe und Haß feierlich auf der Bühne und auf der Kanzel nennen hören, hatte sie feierlich in Büchern auseinandergesetzt gefunden und hatte sich gewundert, weshalb seine Seele unfähig war, sie, auch nur momentweise, in sich aufzunehmen oder seine Lippen zu zwingen, ihre Namen mit Überzeugung auszusprechen. Kurzer Zorn hatte ihn oft befallen, aber er war nie fähig gewesen, daraus eine dauernde Leidenschaft zu machen und hatte oft das Gefühl gehabt, er tauche daraus wieder auf, wie wenn von seinem Körper einer äußere Haut oder Schale abfiele. Er hatte gespürt, wie eine listige, dunkle und mumelnde Gegenwart sein Wesen durchdrang und ihn zu kurzer freventlicher Lust anfeuerte: auch das war seinem Griff entschlüpft und zurück blieb sein Geist: licht und gleichgültig.“ (Reichart-Übersetzung, a.a.O., S. 415)
-
Es waren drei Kameraden: Heron, Boland und Nash; Heron schlug ihn mit einem Stock, Boland mit einem Kohlstrunk.
-
Zum Thema Joyce und der Masochismus verweist Jacques Aubert auf Joyces Briefe an Nora, vor allem auf den vom 13. Dezember 1909 (in: J. Joyce: Briefe Bd. 1. Werke, Frankfurter Ausgabe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969, Bd. 5, S. 474) sowie auf eine Passage im Ulysses (Werke, Frankfurter Ausgabe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, Band 3.2, S. 692–701). (Vgl. Jacques Aubert: Anmerkungen. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 214–225, hier: S. 223)
-
Die Ekelreaktion ist Lacans Erfindung. Joyce zufolge reagierte Stephen zunächst mit Zorn; von Ekel ist bei ihm nicht die Rede.
-
In einer früheren Sitzung dieses Seminars hieß es:
„Man erkennt sich nur in dem, was man hat. Man erkennt sich niemals – das ist in dem impliziert, was ich behaupte, das ist in der von Freud erkannten Tatsache impliziert, dass es Unbewusstes gibt –, man erkennt sich niemals in dem, was man ist. Das ist der erste Schritt der Psychoanalyse.“
(16. März 1976; vgl. Miller/Mitelman/Dielmann S. 135)
-
Père-version ist ein Kofferwort aus père (Vater), version (Version, Wendung) und perversion (Perversion), zusammen also „Vater-Version“ oder „Wendung zum Vater“. Gemeint ist die masochistische Beziehung des Sohnes zu einem sadistischen Vater, die sich im typischen Fall darin zeigt, dass der Sohn sich als Erlöser begreift.
Lacan hatte den Ausdruck zuerst in Seminar 22 von 1974/75, RSI, verwendet, in der Sitzung vom 8. April 1975. In einer früheren Sitzung des Sinthom-Seminars hieß es:
„Die Vorstellung, der Erlöser zu sein, ist – zumindest in unserer Tradition – der Prototyp dessen, was ich nicht umsonst als ‚Père-version‘ schreibe. In dem Maße, in dem es ein Verhältnis des Sohnes zum Vater gibt, und dies seit sehr langer Zeit, ist die bizarre Vorstellung vom Erlöser aufgetaucht. Freud hat immerhin versucht, davon loszukommen, von diesem Sadomasochismus, einziger Punkt, wo es ein unterstelltes Verhältnis zwischen Sadismus und Masochismus gibt: der Sadismus ist für den Vater, der Masochismus ist für den Sohn; zwischen beiden gibt es keinerlei, strikt keinerlei Verhältnis.“
(10. Februar 1976, meine Übersetzung nach Version Staferla; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 90)
Über das Verhältnis von Joyce zu seinem Vater hieß es in früheren Sitzungen: Durch die Kunst stützt Joyce seinen Vater (Sitzung vom 18. November 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 22 f.); Joyce ist in seinem Vater verwurzelt, den er zugleich verleugnet, und darin besteht sein Symptom (Sitzung vom 13. Januar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 73).
-
Sanktionierung hier im Sinne von „Bestätigung“, „Bekräftigung“.
-
Vgl. S. Freud: Totem und Tabu (1912/13). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 287–444, hier: S. 426 f.
-
In Seminar 22 von 1974/75, RSI, hatte Lacan erklärt, in einer borromäischen Verkettung von vier Elementen entspreche das vierte Element dem Namen-des-Vaters (vgl. die Sitzung vom 11. Februar 1975 sowie in Lacan entziffern den Artikel Vom borromäischen Dreierknoten zum borromäischen Viererknoten).
-
Lacan kommt hier auf seine Idee zurück, dass der Fall Joyce so aufzufassen ist, dass hier durch einen weiteren Ring ein Ersatz für eine „Entknotung“ gebildet wird (vgl. Sitzung vom 10. Februar 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 87). In dieser früheren Sitzung war der Ausgangspunkt ein falsch gebildeter Kleeblattknoten (d.h. die Psychose).
-
Die dargestellte Verkettung hat also keinen borromäischen Charakter, nicht nur, weil der Ring des Imaginären sich davonmacht, sondern auch, weil die Ringe des Realen und des Symbolischen so ineinandergreifen wie die Glieder einer Gliederkette.
-
Miller ändert zu:
«Au moment de sa révolte – car c’est un fait qu’il arrive à se dégager de ses camarades – précisément, cet ego ne fonctionne pas, pas tout de suite, mais fonctionne tout juste après, au moment où Joyce témoigne ne plus garder aucune reconnaissance, si je puis dire, à qui que se soit d’avoir reçu cette raclée. »
-
Im Porträt des Künstlers erinnert sich Stephen Dedalus an die einige Jahre zurückliegende Prügelszene:
„während die Szenen jener hämischen Episode immer noch deutlich und rasch durch sein Bewußtsein zogen, fragte er sich, warum er seinen Peinigern gegenüber jetzt keinen Groll empfände. Er hatte kein Fitzchen ihrer Grausamkeit vergessen, doch die Erinnerung daran weckte in ihm keinen Zorn.“ (Ein Porträt, Reichert-Übersetzung, a.a.O., S. 337 f.)
Die Beziehung von Joyce zu seinen Peinigern ist anders als die der Brüderhorde gegenüber dem Urvater.
Mitelman und Dielmann übersetzen (nach Millers Version) so: Das Ego
„funktioniert unmittelbar danach, in dem Moment, als Joyce bezeugt, absolut nicht mehr anzuerkennen, dass er diese Abreibung bekommen hat.“
-
Diese Parallelisierung zwischen einer falschen Verkettung und den Fehlern, die Lacan beim Anzeichnen macht, findet sich auch in einer früheren Sitzung (17. Februar 1976, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 99 f.).
-
Damit dürfte gemeint sein: Das Ego korrigiert bei Joyce das scheiternde Verhältnis, wobei das scheiternde Verhältnis darin besteht, dass das Imaginäre nicht dafür sorgt, dass das Reale und das Unbewusste borromäisch miteinander verknüpft sind.
Das Konzept eines Reparaturrings hatte Lacan in früheren Sitzungen dieses Seminars entwickelt. Dabei ging es um die Reparatur eines falschen Kleeblattknotens (10. Februar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 94, sowie 17. Februar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 104 f.) sowie um den vierten Ring einer borromäischen Verkettung, der von Lacan als Symptom (oder Sinthom) gedeutet wurde, das die Verkettung repariert (17. Februar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 100).
-
Damit kommt Lacan auf das in der ersten Sitzung des Seminars angekündigte Thema zurück: die borromäische Verkettung von vier Ringen.
Was Lacan hier sagt, stimmt nicht, der borromäische Knoten stellt sich nicht wieder her, die dargestellte Verkettung mit dem Ego als viertem Ring hat keinen borromäischen Charakter. Die Ringe des Symbolischen und des Realen greifen vor der Reparatur unmittelbar eineinander wie die Ringe einer Gliederkette (sie bilden eine Hopf-Verschlingung). Diese direkte Verkettung bleibt nach der Reparatur erhalten. Das heißt aber, wenn man den Ring des Imaginären oder den Ring des Egos auftrennt, fallen die Ringe des Symbolischen und des Realen nicht auseinander – wie sie es tun müssten, falls die Verkettung borromäisch wäre.
Ein Diagramm einer Verkettung von vier Ringen, die tatsächlich borromäischen Charakter hat, ist die Sinthom-Verkettung, auf die Lacan sich in der Sitzung vom 17. Februar 1976 bezieht (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 100):
-
Die Axiome der Geometrie gelten, weil sie „evident“ sind – weil sie jedem vernunftbegabten Wesen ohne Beweis unmittelbar einleuchten; das ist eines der Prinzipien der euklidischen Geometrie.
-
Auf diesen Satz kommt Lacan immer wieder zurück. Er formuliert ihn zuerst in Seminar 7 von 1959/60, Die Ethik der Psychoanalyse (Sitzung vom 23. März 1960, vgl. Version Miller/Haas, S. 222 f.). In den Schriften findet man die Formulierung in Die Wissenschaft und die Wahrheit (1965) (in: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 401–428, hier: S. 416 f.) Im Sinthom-Seminar hatte Lacan sich bereits in der Sitzung vom 13. Januar 1976 darauf bezogen (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 69).
-
In der Logik versteht man unter „Intension“ oder „Begriffsinhalt“ für gewöhnlich die Merkmale, auf die ein Begriff sich bezieht (gewissermaßen die Definition), unter „Extension“ oder „Begriffsumfang“ die Gesamtheit der Gegenstände, die unter einen Begriff fallen (das Denotat, den Referenten). Die Opposition Intension/Extension geht zurück auf die Logik von Port Royal.
Das „intensional Wahre“ ist, so vermute ich, das Wahre, sofern es sich auf den Inhalt des Gesagten bezieht, auf den Sinn, auf das Ausgesagte, vor allem in der Deutung.
Im Vorschlag vom 9. Oktober 1967 hatte Lacan die „Psychoanalyse der Intension nach“ von der „Psychoanalyse der Extension nach“ unterschieden. Unter „Psychoanalyse der Intension nach“ verstand er dort die Lehranalyse, also die Ausbildung von Analytikern, unter „Psychoanalyse der Extension nach“ die Funktion der von ihm gegründete Schule, insofern sie der Welt gegenüber die Psychoanalyse vergegenwärtigt (vgl. J. Lacan: Proposition du 9 octobre 1967 sur le psychanalyste de l’École. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 243–259, hier: S. 246).
-
In einer früheren Sitzung hatte Lacan gesagt, dass er beginne, sich im Kreise zu drehen, wie es für eine Forschung charakteristisch sei, und dass es für seine Zuhörer wohl schwierig sei, sich dafür zu interessieren (Sitzung vom 17. Februar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 97).
-
Vgl. Seminar 7 von 1959/60, Die Ethik der Psychoanalyse, Sitzung vom 18. November 1959; Version Miller/Haas S. 23.
-
Diesen Gedanken hatte Lacan bereits in dem Vortrag Joyce das Symptom (I) geäußert. (Joyce das Symptom (I). Vortrag vom 16. Juni 1975. Übersetzt von Rolf Nemitz in Lacan entziffern, hier. Außerdem in: Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 181–191, hier: S. 184); in der ersten Sitzung dieses Seminars hatte er ihn wiederholt (18. November 1975, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 15). In beiden Passagen bezieht sich Lacan hierbei speziell auf die Universitätsleute.
-
In der vorangegangen Sitzung hatte er gesagt, dass er an den heiligen Mehrdeutigkeiten nicht besonders hänge, dass er sie vielmehr entmystifiziere (13. April 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 153).
-
Der Buchstabe groß E steht für énoncé, „Aussage“, „Ausgesagtes“, „Aussageinhalt“; der Buchstabe klein e steht für énonciation, „Äußerung“, „(das) Aussagen“.
Lacan bezieht sich auf Seminar 6 von 1958/59, Le désir et son interprétation, Sitzung vom 14. Januar 1959; vgl. Version Miller, S. 166, Miller transkribiert dort mit „E(e)“.
Im Sinthom-Seminar hatte Lacan sich bereits früher auf diese Formalisierung bezogen (in der Sitzung vom 13. Januar 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 70).
-
In der Sitzung vom 13. Januar 1976 hatte Lacan das Rätsel so definiert: Es gibt eine Äußerung, aber man findet nicht die Aussage (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 70).
-
Der Terminus „Potenz“ wird hier vermutlich als mathematische Metapher verwendet. In der Mathematik bezieht sich „Potenz“, wie man sich erinnern wird, auf das Potenzieren (ein Faktor wird wiederholt mit sich selbst multipliziert); den Ausdruck an kann man als „a zur n-ten Potenz“ lesen.
-
Die englische Originalfassung von Ulysses wurde 1922 von Sylvia Beach veröffentlicht. Die französische Übersetzung erschien zuerst 1929 bei La maison des Amis des Livres von Adrienne Monnier (der Lebensgefährtin von Sylvia Beach) und wurde von Gallimard häufig nachgedruckt. Übersetzt wurde Ulysses von August Morel, mit Unterstützung von Stuart Gilbert; diese Übersetzung wurde von Valery Larbaud und James Joyce vollständig durchgesehen. Eine zweite Übersetzung, an der acht Übersetzer beteiligt waren und die von Jacques Aubert koordiniert wurde, erschien 2004 bei Gallimard.
-
In einer früheren Sitzung des Seminars hieß es: Das Sprechwesen betet seinen Körper an, weil es glaubt, dass es ihn hat. In Wirklichkeit aber hat es den Körper nicht, denn der Körper verflüchtigt sich in jedem Moment. Die Konsistenz des Körpers ist eine mentale Konsistenz. (Sitzung vom 13. Januar 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 68 f.; „il l’a“ – es hat ihn, nämlich den Körper – wird dort mit „es besitzt ihn“ übersetzt).
-
Demnach gibt es eine Stufe des primären Narzissmus, in der es kein Verhältnis zwischen Innen und Außen gibt. Das entspricht weder Freuds Bemerkungen zum primären Narzissmus noch zum Lust-Ich.
Unter „primärem Narzissmus“ versteht Freud den ursprünglichen Narzissmus des Kindes, der dadurch charakterisiert ist, dass das Kind sich selbst zum Liebesobjekt nimmt. In Triebe und Triebschicksale (1915) heißt es hierzu:
„Die Außenwelt ist derzeit [im Stadium des primären Narzissmus] nicht mit Interesse (allgemein gesprochen) besetzt und für die Befriedigung gleichgültig. Es fällt also um diese Zeit das Ich-Subjekt mit dem Lustvollen, die Außenwelt mit dem Gleichgültigen (eventuell als Reizquelle Unlustvolle) zusammen.“
(Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 75–102, hier: S. 97 f.)
Also gibt es im Zustand des primären Narzissmus durchaus ein Verhältnis des Innen zum Außen, nämlich zwischen dem Lustvollem einerseits und dem Gleichgültigen oder Unlustvollem andererseits.
Den Begriff des Lust-Ichs verwendet Freud auf unterschiedliche Weise, nie aber so, dass es für das Lust-Ich in einer Phase seiner Entwicklung keine Innen-Außen-Differenz gibt. In Triebe und Triebschicksale schreibt er, das anfängliche Real-Ich verwandele sich in ein „purifiziertes Lust-Ich“, das den Lustcharakter über alles setze; für dieses Lust-Ich zerfalle die Außenwelt in einen Lustanteil, den es sich einverleibt habe, und einen Rest, der ihm fremd sei.
„Aus dem eigenen Ich hat es einen Anteil ausgesondert, den es in die Außenwelt wirft und als feindlich empfindet.“
(Triebe und Triebschicksale, a.a.O., S. 98)
Demnach operiert das Lust-Ich mit dem Gegensatz von Innen und Außen. Ähnlich heißt es in Die Verneinung (1925):
„Das ursprüngliche Lust-Ich will, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, alles Gute in sich introjizieren, alles Schlechte von sich werfen. Das Schlechte, das dem Ich Fremde, das Außenbefindliche, ist ihm zunächst identisch.“ (S. 374)
Die Vorstellung, dass der primäre Narzissmus durch das Fehlen der Spaltung zwischen Subjekt und Außenwelt gekennzeichnet sei, ist zu Lacans Zeit offenbar herrschende Lehre (vgl. den kritischen Hinweis in J. Laplanche, J.-B. Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse (1967). Frankfurt am Main, Suhrkamp 1972, Artikel „Narzißmus, primärer, sekundärer“, S. 322).
-
Das griechische Wort epiphaneia bedeutet „Erscheinung“, unter anderem die Erscheinung einer Gottheit; in der christlichen Theologie bezieht sich der Ausdruck auf die „Erscheinung des Herrn“, d.h. auf die Gegenwart Gottes in Gestalt von Jesus.
Joyce bezeichnet als „Epiphanien“ kurze Textstücke, Fragmente, die er zwischen 1898 und 1904 schrieb. Sie halten flüchtige Momente des Alltagslebens fest. Meist handelt es sich um Wahrgenommenes, häufig um rätselhafte Gesprächsfetzen; unter den Epiphanien gibt es aber auch Gesehenes oder Gedachtes. Die Bezeichnung als „Epiphanie“ verweist darauf, dass in ihnen für Joyce etwas aufblitzt, das sonst verborgen ist: die quidditas, die „Washeit“, die „Seele“ der Sache (vgl. James Joyce: Stephen der Held. Übersetzt von Klaus Reichert. In: Ders.: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 5–250, hier: S. 226; Joyce, Ein Porträt, Übersetzung Reichert, a.a.O., S. 488).
Eine Sammlung der erhaltenen Epiphanien, zwischen 1900 und 1903 geschrieben, übersetzt von Klaus Reichert, findet man in: James Joyce: Kleine Schriften (=Frankfurter Ausgabe, Band 4). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, S. 5–46.
Joyces Roman Stephen der Held enthält die folgende Epiphanie:
„Die junge Dame – (diskret und schleifend im Ton) … O ja … ich war … in der … Kir … che …
Der junge Mann – (unhörbar) … Ich … (wieder unhörbar) … ich …
Die junge Dame – (weich, leise) … O … Sie sind mir … aber … ein sehr … schlim … mer …“
(J. Joyce: Stephen der Held. Übersetzt von Klaus Reichert. In: Ders.: Stephen der Held. Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987 (= Frankfurter Ausgabe, Band 2), S. 5–250, hier: S. 224)
Anschließend heißt es in Stephen der Held:
„Diese Trivialität brachte ihn [Stephen] auf den Gedanken, viele solche Momente in einem Epiphanien-Buch zu sammeln. Unter einer Epiphanie verstand er eine jähe geistige Manifestation, entweder in der Vulgarität von Rede oder Geste, oder in einer denkwürdigen Phase des Geistes selber. Er glaubte, daß es Aufgabe des Schriftstellers sei, diese Epiphanien mit äußerster Sorgfalt aufzuzeichnen, da sie selbst die zerbrechlichsten und flüchtigsten aller Momente seien.“ (A.a.O., S. 224)
Einige dieser Epiphanien wurden von Joyce in spätere Texte einmontiert, in Stephen der Held, Ein Porträt des Künstlers als junger Mann und Ulysses.
-
(a) Zum Diagramm
Die ALI-Version dieser Verkettung ist korrekt, die Miller-Version ist falsch – für die ALI-Version gilt, dass das Auftrennen des Ego-Rings den Ring des Imaginären freisetzt, für die Miller-Version nicht. Man kann das leicht feststellen, wenn man die beiden Verschlingungen mit Schnüren und Stäben nachbaut.
Man kann es auch vor dem inneren Auge sehen: Wenn man in der ALI-Version das größere Segment des blauen Rings des Imaginären in Gedanken hochklappt, sieht man (vor dem inneren Auge), dass die senkrechte rote Gerade des Unbewussten über dem blauen Kreis des Imaginären liegt und außerdem über der schwarzen Geraden des Realen, das heißt, die senkrechte rote Gerade vollzieht beim Durchgang durch die Kreuzungsstellen keinen regelmäßigen Wechsel zwischen Darüber und Darunter. Damit ist die Verkettung nicht borromäisch und der blaue Kreis des Imaginären kann bei Auftrennen des Ego-Rings wegrutschen.
Wenn man in Millers Version in Gedanken den kleinen Kreis des Egos entfernt und in Gedanken das kürzere Segement des großen Kreises hochklappt, sieht man (vor dem inneren Auge), dass die Geraden an den Kreuzungsstellen abwechselnd darüber und darunter verlaufen, d.h. die Verkettung hat borromäischen Charakter (sofern man sich auf die Zusatzannahme stützt, dass die beiden Geraden nicht direkt miteinander verkettet sind, also keine Hopf-Verschingung bilden; in der Sitzung vom 9. März 1976 hatte Lacan das gefordert; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 124). Das heißt, dass bei Auftrennen des Ego-Rings die drei übrigen Ringe verbunden bleiben.
(b) Zu Lacans These
Lacans Behauptung, dass der Ego-Ring die borromäische Verkettung streng wiederherstellt, ist falsch. Die Verkettung der vier Elemente wäre borromäisch, wenn Folgendes gälte: Die vier Elemente fallen auseinanderfallen, wenn man ein beliebiges Element auftrennt. Nun ist der Ring des Egos jedoch mit den beiden unendlichen Geraden auf borromäische Weise verkettet (unter der Bedingung, dass die beiden unendlichen Geraden zwei Kreise bilden, die nicht direkt miteinander verkettet sind, wie Lacan es in der Sitzung vom 9. März 1976 gefordert hatte, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 124). Und das heißt: Wenn man den Ring des Imaginären auftrennt (den heruntergeklappten Ring), lösen sich die anderen drei Komponenten keineswegs voneinander.
-
Die Beziehung zwischen dem Denken und dem Signifikanten ist also nicht expressiv, die gesprochene Sprache drückt nicht das Denken aus.
-
Vgl. Ch. Fierens: Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018, S. 413.
-
Vgl. Seminar 22, Sitzung vom 10. Februar 1976, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 90.
-
Sitzung vom 10. Februar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 88.
-
Zuerst in der Sitzung vom 18. November 1975, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 23, dort mit „Kunstwerk“ übersetzt.
-
Vgl. Sitzungen vom 10. und 17. Februar 1976.
-
Vgl. S. Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–145, hier: S. 115 f.