Kommentar zu Lacans Seminar Das Sinthom
IX. Zur Sitzung vom 16. März 1976
Im Reich der Sinne (Regie: Nagisa Ōshima, Japan, Frankreich 1976)
Sade Abe (Eiko Matsuda) erwürgt Kichizō Ishida (Tatsuya Fuji)
Kommentar zu Lacans Seminar 23 von 1975/76, „Das Sinthom“
Kommentar von Rolf Nemitz
gestützt auf die Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin von März 2013 bis Ende 2016 in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin
Einen Überblick über die Kommentare zu den einzelnen Sitzungen dieses Seminars findet man hier, über den gesamten Kommentar hier.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben des Sinthom-Seminars gibt es hier.
Sitzung vom 16. März 1976
In der von Miller erstellten Version ist dies VIII. Du sens, du sexe et du réel, S. 119–128, in der Übersetzung dieser Ausgabe durch Mitelman und Dielmann VIII. Vom Sinn, vom Geschlecht und vom Realen, S. 129–141.
19., 20. und 21. Treffen der Lesegruppe des Psychoanalytischen Salons Berlin
am 27. Januar, 24. Februar und 31. März 2015
in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin.
QUELLEN
Französischer Text
Zitiert wird der Text der Staferla-Version:
Le sinthome. 1975 – 76. Herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr. Variante vom 25.10.2015, PDF-Datei hier.
Die Staferla-Version ist eine Wort-für-Wort-Transkription. Sie unterscheidet sich damit von der offiziellen Ausgabe dieses Seminars, bei welcher der Text redaktionell überarbeitet wurde. Gestrichen sind in der Staferla-Version Wortwiederholungen, wenn sie offensichtlich dazu dienen, während des Sprechens einen Satz zu konstruieren (vom Typ „dass er, dass er kommt“) sowie einige der Rückversicherungsfloskeln wie n’est-ce pas („nicht wahr“). Die Transkription wurde von mir mit der Audioaufnahme verglichen und geringfügig überarbeitet. Den Schnitt der Sätze – Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich – habe ich gelegentlich verändert.
Deutscher Text
Die Übersetzung ist von Rolf Nemitz, auf der Grundlage einer von Max Kleiner erstellten Übersetzung, ebenso die Einteilung in Absätze.
Es gibt damit von dieser Sitzung drei deutsche Übersetzungen:
– diese hier (auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription)
– die Übersetzung von Max Kleiner, ebenfalls auf der Grundlage einer Wort-für-Wort-Transkription (herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007, und von dort beziehbar)
– die Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann, auf der Grundlage einer redaktionell überarbeiteten Version (Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017)
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind, wenn nicht anders vermerkt, aus der Staferla-Version dieser Sitzung. Die Untertitel zu den Zeichnungen sind von mir.
Anmerkungen
Die Anmerkungen sind von mir. Anmerkungen zum französischen Text beziehen sich auf Fragen der Transkription; Anmerkungen zur Übersetzung und zur Paraphrase liefern Literaturangaben und Querverweise auf ähnliche Passagen in Lacans Texten.
Seitenzahlen
Um die Arbeit in Lektüregruppen mit unterschiedlichen Übersetzungen zu erleichtern, werden in dieser Übersetzung im französischen Text die Seitenzahlen der Miller-Version angegeben (in eckigen Klammern), im deutschen Text die Seitenzahlen der Übersetzung von Mitelman/Dielmann (in geschweiften Klammern).
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ZUR NOTATION
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch. Eine längere im Original deutsche Wortfolge ist in Sternchen eingeschlossen.
– Der Schrägstrich / verbindet Homophonien und Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text.
– Drei Punkte in eckigen Klammern […]: Tonaufnahme unverständlich.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [10], beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
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TONAUFNAHMEN
Die Aufnahmen sind von der Website von Patrick Valas, hier.
Version Lutecium:
Version Ducan & Valas:
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DEUTSCH
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
{129} Das ist die letzte Sache, die Soury und Thomé mir gegeben haben.Abb. 1: Borromäische Verkettung mit zwei unendlichen Geraden
Das ist ein borromäischer Knoten von meiner Art: aus zwei unendlichen Geraden und etwas Kreisförmigem gemacht. Sie können feststellen – sicherlich mit ein bisschen Mühe –, dass das borromäisch ist. So.
Nun ja, die einzige Entschuldigung – denn ich brauche ja wirklich Entschuldigungen, ich brauche Entschuldigungen, zumindest in meinen Augen –, die einzige Entschuldigung, die ich dafür habe, Ihnen heute etwas zu sagen, ist die, dass es sensé sein wird, sinnhaft. Weshalb ich nicht das realisieren werde, was ich möchte. Und Sie werden sehen, dass ich das aufkläre: Was ich möchte, ist, Ihnen ein bout – das kann nicht anders genannt werden –, ein bout du réel zu geben, ein Ende Reales, ein Stückchen Reales.
{130} Ich bin darauf beschränkt, mir zu sagen, dass es etwas Sinnhaftes gibt, das provisorisch von Nutzen sein kann. Dieses Provisorische ist allerdings fragil, ich meine, dass ich mir nicht sicher bin, wie lange es von Nutzen sein kann. So.
Ich habe mich in letzter Zeit viel mit Joyce befasst. Ich möchte Ihnen sagen, worin Joyce, wenn man so sagen kann, anregend ist. Darin nämlich, dass er suggeriert – er suggeriert es, aber das ist nur eine Suggestion –, dass er eine leichte Art, ihn darzustellen, suggeriert. Weshalb sich alle – und eben das macht seinen Wert aus, sein Gewicht –, weshalb sich alle die Zähne daran ausbeißen, selbst mein Freund Jacques Aubert, der da in der ersten Reihe sitzt und vor dem ich mich unwürdig fühle. Ich habe gesagt, dass selbst er sich die Zähne daran ausbeißt, da es Jacques Aubert nicht gelingt – nicht besser übrigens als sonst jemandem, nicht besser als einem gewissen Adams, der in diesem Genre einige tours de force vollzogen hat –, da selbst ihm diese leichte Art, ihn darzustellen, nicht gelingt. Ich werde Ihnen nachher vielleicht anzeigen – Ihnen nicht etwa suggerieren –, Ihnen anzeigen, womit das zusammenhängt.
Natürlich habe auch ich davon geträumt – und das ist im buchstäblichen Sinne zu nehmen –, von der leichten Art, ihn darzustellen, ich habe letzte Nacht davon geträumt. Sie waren évidemment, offensichtlich – évidement (Leerung), wie man sagt –, Sie waren offensichtlich mein Publikum, ich war jedoch kein acteur, kein Schauspieler, ich war sogar überhaupt kein Schauspieler. Woran ich Sie teilhaben ließ, war die Art und Weise, wie ich – überhaupt kein Schauspieler, Schreiberling würde ich das eher nennen –, wie ich die anderen Rollen beurteilte, womit ich offensichtlich aus der meinen heraustrat oder vielmehr keine Rolle hatte. Das war etwas in der Art eines Psychodramas – was eine Deutung ist.
Dass Joyce mich träumen ließ, so zu funktionieren, muss einen Wert haben, einen Wert, der im Übrigen nicht leicht herauszuziehen ist, da er ja, wie bereits gesagt, einem jedem suggeriert, es müsse einen handhabbaren Joyce geben.
Er suggeriert das von daher, dass es die Psychoanalyse gibt, und auf diese Fährte stürzen sich eine Menge Leute.
Aber nicht weil ich Psychoanalytiker und zugleich allzu interessiert bin, muss ich mir versagen, ihn unter diesem Aspekt ins Auge zu fassen. Es gibt hier dennoch etwas Objektives: |{131} Joyce ist ein a-Freud, möchte ich sagen, mit einem Wortspiel auf affreux, „entsetzlich“, er ist ein a-Joyce.
Jedes Objekt – außer dem von mir klein a genannten, das ein absolutes ist –, jedes Objekt hängt an einer Beziehung. Das Ärgerliche ist, dass es die Sprache gibt und dass die Beziehungen darin, in der Sprache, durch Epitheta ausgedrückt werden. Die Epitheta drängen zum Ja oder Nein.
Ein gewisser Charles Sanders Pierce hat darauf seine eigene Logik aufgebaut, die ihn dazu bringt, aufgrund der Betonung, die er auf die Beziehung legt, eine trinitarische Logik zu entwickeln. Das ist ganz derselbe Weg wie der, den ich verfolge – abgesehen davon, dass ich die Dinge, um die es geht, bei ihren Namen nenne: symbolisch, imaginär und real, in der richtigen Reihenfolge.
Denn zum Ja oder Nein zu drängen, heißt, zum Paar zu drängen, da es zwischen Sprache und Geschlecht eine Beziehung gibt – eine sicherlich noch nicht völlig ausgearbeitete Beziehung, die ich aber, wenn man so sagen kann, angeschnitten habe.
Sehen Sie, indem ich das Wort angeschnitten verwende, mache ich mir klar, dass ich eine Metapher bilde. Und was bedeutet diese Metapher? Von der Metapher kann ich im allgemeinen Sinne sprechen,was jedoch diese hier bedeutet, na ja, das zu entdecken überlasse ich Ihnen.
Die Metapher verweist auf nichts anderes als auf das sexuelle Verhältnis, abgesehen davon, dass sie de facto beweist – aufgrund des Faktums, dass sie existiert –, dass das sexuelle Verhältnis darin besteht, „eine Blase für eine Laterne zu halten“, wie man im Französischen, um eine Verwirrung auszudrücken, nicht besser sagen kann.
Eine Blase kann zur Laterne werden, wenn man in ihr eine Flamme anzündet; wenn es aber keine Flamme gibt, ist es keine Laterne. Woher kommt die Flamme? Die Flamme ist das Reale: Es legt an alles Feuer, das Reale, sage ich. Aber es ist ein kaltes Feuer. Das Feuer, das brennt, ist, wenn ich so sagen darf, eine Maske des Realen. Das Reale davon ist auf der anderen Seite zu suchen, auf der Seite der absoluten Null. Immerhin sind wir dabei angekommen, jedoch keine Grenze für das, was man sich an hohen Temperaturen vorstellen |{132} kann, im Augenblick keine vorstellbare Grenze. Das einzige, was es an Realem geben könnte, ist die untere Grenze. Das ist das, was ich etwas Orientierbares nenne, deshalb ist das Reale orientierbar.
Es gibt eine Orientierung, aber diese Orientierung ist kein sens, kein Sinn / keine Richtung. Was heißt das? Das heißt, dass ich etwas aufgreife, das ich beim letzten Mal gesagt habe, als ich nahegelegt habe, der Sinn sei womöglich die Orientierung. Aber die Orientierung [des Realen] ist kein Sinn, da sie die pure Tatsache der Kopulation des Symbolischen und des Imaginären, worin der Sinn besteht, ausschließt.
Abb. 2: Feld des Sinns im Diagramm der borromäischen RSI-Ringe1
Die Orientierung des Realen, in meinem Ternion hier, verwirft den Sinn.
Ich sage das, weil mir gestern Abend die Frage gestellt wurde, ob es noch andere Verwerfungen gibt als diejenige, die sich aus der Verwerfung des Namens-des-Vaters ergibt. Ganz sicher hat die Verwerfung etwas Radikaleres. Denn der Name-des-Vaters ist letztendlich etwas Leichtes. Es ist jedoch sicher, dass das hier, anstelle der Verwerfung des Sinns durch die Orientierung des Realen, von Nutzen sein kann, aber so weit sind wir noch nicht.
Man muss sich, wenn ich so sagen darf, an einem neuen Imaginären abarbeiten, das sich auf den Sinn bezieht. Das versuche ich, mit meiner Sprache einzuführen.
Abb. 3: Diskurs des Analytikers
Diese Sprache hat den Vorzug, dass sie auf die Psychoanalyse setzt, insofern ich versuche, diese als Diskurs zu etablieren, das heißt als den wahrScheinlichsten Schein.
Die Psychoanalyse ist letztlich ein Beispiel für einen Kurzschluss, der über den Sinn läuft, nicht mehr, über den Sinn als solchen, den ich vorhin definiert habe durch die Kopulation letztlich der Sprache – da ich damit ja das Unbewusste stütze –, durch die Kopulation der Sprache mit unserem eigenen Körper.
Ich muss Ihnen sagen, dass ich mir in der Zwischenzeit Jacques Aubert gehört habe, irgendwo, wozu Sie nicht eingeladen waren, und dass ich dort einige Überlegungen zum Ego angestellt habe, zu dem, was die Engländer ego nennen und die Deutschen Ich.
Das ego ist eine Sache, über die ich ausgehend von einem Knoten nachgedacht habe, den sich ein Mathematiker erdacht hat, der niemand anderes ist als Milnor. Er hat etwas erfunden, nämlich eine Idee der Verkettung, er nennt das auf Englisch link. [Lacan zeichnet an der Tafel.]
Ich muss das anders zeichnen, denn dabei geht es um Folgendes. Dies, das ist ein Knoten. Ich mache ihn noch einmal, weil ich es natürlich, wie jedes Mal, wenn ich einen Knoten zeichne, vermurkst habe; es ist nicht das erste Mal, dass mir das vor Ihnen passiert.2
Hier also, jetzt stimmt es unten. |{133} Sie müssen sehen, dass das verknotet ist.
Nehmen Sie jedoch an, sagt Milnor, Sie würden sich erlauben, dass sich in einer beliebigen Verkettung – in dieser da, einer Verkettung von zwei Elementen –, dass sich in einer beliebigen Verkettung ein bestimmtes Element selbst durchdringen darf. Dann erhalten Sie dies:
Abb. 5: Whitehead-Verkettung nach Durchdringung
an der Stelle der Selbstüberkreuzung
Was uns sofort zeigt, dass die Tatsache, dass ein Element sich selbst durchdringen kann, zur Folge hat, dass das, was hier darüber war, jetzt dort darunter ist – es gibt keinen Knoten mehr. Dafür gibt es natürlich eine Menge weiterer Beispiele. Es gibt keine Verkettung mehr.
Was ich Ihrem Scharfsinn vorlege, ist nun Folgendes: Beachten Sie, dass, wenn Sie im ersten Knoten jedes Element besagter Verkettung verdoppeln, sodass Sie hier statt eines Elements zwei Elemente mit derselben Drehung haben, und wenn Sie es mit dem anderen Element ebenso machen, dann trifft das nicht mehr zu, wie unwahrscheinlich Ihnen das auch erscheinen mag; Sie werden das hoffentlich kontrollieren.
Abb. 6: Milnors (?) Verdoppelung der Whitehead-Verkettung
Ich habe meine Zeichnungen nicht mitgebracht, sodass ich – da ich andererseits hier nur ein weißes Blatt Papier habe anbringen lassen – nicht riskieren werde, Ihnen zu zeigen, wie sich das verwindet. Es genügt, dass es zwei gibt. Was jedoch kein Einwand zu sein scheint – da sich eine achtförmige Schleife, wenn sie sich selbst durchdringt, leicht von der Kreisform oder dem Oval, wie ich es gezeichnet habe, befreit, da sie sich leicht davon befreit, wenn die betreffende Acht sich selbst durchdringt, warum sollte das dann nicht ebenso zutreffen, wenn es zwei davon gibt, ich meine zwei Achten und zwei Ovale? Nichtsdestoweniger – Sie werden es hoffentlich kontrollieren, ich werde beim nächsten Mal darauf zurückkommen – gibt es hier nicht etwa nur ein Hindernis, es ist vielmehr radikal unmöglich, die vier Elemente voneinander zu trennen.
{134} Hierzu muss ich sagen, dass ich nicht alle von mir erwähnten Algorithmen vom Typ „S von ausgestrichenem A“ [S(Ⱥ)] eintragen kann.
Was bedeutet es, wenn ich – in meinem Seminar Encore, wie es scheint, da ich es natürlich nie lese, es sind die anderen, die es lesen –, wenn ich gegen die, wie es scheint, von einigen behauptete Äquivalenz – ich hatte es völlig vergessen – des S(Ⱥ) mit der Funktion Φ protestiere? Ich sage, nicht das kleine φ, sondern das große Φ – das eine Funktion ist, wie es mein Hinweis impliziert, dass nämlich ein x existiert, für das diese Funktion negativ ist:
Das Ideal des Mathems besteht natürlich darin, dass alles miteinander korrespondiert. Genau darin fügt das Mathem dem Realen etwas hinzu. Denn im Gegensatz zu dem, was man sich vorstellt – warum, weiß man nicht –, ist das [Korrespondieren] nicht das Ziel des Realen.
Wie ich vorhin gesagt habe, können wir vom Realem nur Enden erreichen. Das Reale – um das es in dem, was man mein Denken nennt, geht –, das Reale ist immer ein Ende, ein Strunk. Ein Strunk, den das Denken sicherlich etwas ausschmückt, aber sein Stigma, das des dieses Realen als solches, besteht darin, sich mit nichts zu verbinden. So zumindest fasse ich es auf, das Reale und seine kleinen historischen Emergenzen.
Eines Tages, als ein gewisser Newton ein Ende Reales fand, hat das all denen, die mit Denken befasst waren, wirklich Schiss eingejagt, insbesondere einem gewissen Kant, von dem man sagen kann, dass er aus Newton eine Krankheit gemacht hat.
Und im Übrigen haben sie alle, alle denkenden Wesen der Zeit, eine daraus gemacht, jeder nach seiner Fasson. Das ist nicht nur auf die Männer niedergeregnet, sondern auch auf die Frauen. Madame du Châtelet hat ein ganzes Buch über das Newtonian system geschrieben, in dem aus vollen Rohren Stuss geredet wird. Es ist schon außergewöhnlich, dass es, wenn man ein Ende Reales erreicht, eine solche Wirkung haben soll – von da muss man jedoch ausgehen, das ist das Zeichen dafür, dass man beim Strunk angelangt ist.
{135} Ich versuche, Ihnen ein Ende Reales zu geben, bezogen auf das, worin, in deren Haut wir stecken, in der Haut nämlich dieser unglaublichen Geschichte, derjenigen der menschlichen Gattung. Und ich sage Ihnen, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt. Aber das gehört zur Ausschmückung, das gehört zur Ausschmückung, da es am Ja oder Nein beteiligt ist. Sobald ich sage, es gibt kein, ist das bereits sehr verdächtig und steht im Verdacht, nicht wirklich ein Ende Reales zu sein – das Stigma des Realen besteht darin, sich mit nichts zu verbinden, ich habe das eben bereits gesagt.
Man erkennt sich nur in dem, was man hat. Man erkennt sich niemals – das ist in dem impliziert, was ich vorbringe, das ist in der von Freud erkannten Tatsache impliziert, dass es Unbewusstes gibt –, man erkennt sich niemals in dem, was man ist. Das ist der erste Schritt der Psychoanalyse.
Denn was man ist, gehört zur Ordnung – wenn man Mann ist –, gehört zur Ordnung der Kopulation, das heißt dessen, wodurch besagte Kopulation umgeleitet wird zu der nicht minder gesagten – und das auf bedeutsame Weise –, zu der nicht minder gesagten Kopula, die mit dem Verb sein gebildet wird.
Die Sprache findet in ihrer Richtungsänderung zur Kopula hin den Beweis, dass sie eine Umleitung ist, die ganz und gar Blase ist, das heißt dunkel. Und dunkel ist hier nur eine Metapher, denn hätten wir ein Ende Reales, dann wüssten wir, dass das Licht nicht dunkler ist als die Finsternis und umgekehrt. Die Metapher Kopula ist kein Beweis an sich.
Das ist die Art, wie das das Unbewusste vorgeht: Es liefert nur Spuren, und zwar Spuren, die sich nicht nur von selbst auslöschen, sondern Spuren, die jeder Diskursgebrauch auszulöschen strebt, der analytische Diskurs ebenso wie die anderen Diskurse.
Sie selbst werden nur danach trachten, die Spuren des meinen aus dem Diskurs auszuradieren, da ich es bin, der begonnen hat, diesem Diskurs seinen Status zu verleihen, ausgehend von der Scheinbildung des Objekts a, also letztlich von dem, was ich so nenne, dass sich der Mensch an den Platz des Abfalls begibt, des Abfalls, der er ist – zumindest in den Augen eines Psychoanalytikers, der allen Grund hat, es zu wissen, da er sich selbst an diese Stelle setzt. Man muss |{136} durch diesen entschiedenen Abfall hindurchgehen, um vielleicht etwas wiederzufinden, das von der Ordnung des Realen wäre.
Aber sehen Sie, ich verwende das Wort wiederfinden; wiederfinden ist bereits ein Abgleiten, als wäre von dieser Ordnung alles bereits gefunden worden. Das ist die Falle der Geschichte. Die Geschichte ist das größte der Phantasmen, wenn man sich so ausdrücken darf. Hinter der Geschichte – der Geschichte der Fakten, für die sich die Historiker interessieren – gibt es den Mythos.
Und der Mythos ist immer fesselnd, was dadurch bewiesen wird, dass Joyce, nachdem er vom Sinthom sorgsam Zeugnis abgelegt hat, vom Dublin-Sinthom, das Seele nur durch seine eigene annimmt, dass Joyce es danach nicht versäumt – wirklich sagenhaft! –, dem Vico-Mythos zu verfallen, von dem Finnegans Wake getragen wird.
Das einzige, was ihn davor bewahrt, ist dies, dass Finnegans Wake sich jedoch als Traum präsentiert. Nicht nur als ein Traum, sondern Finnegans Wake zeigt an, dass Vico ein Traum ist, so wie auch letztlich das Gebrabbel von Frau Blavatsky, das Manvantara und alles, was daraus folgt: die Idee eines Rhythmus, in die ich, wenn ich so sagen darf, mit meinem wiederfinden von weiter oben zurückgefallen bin.
Man findet nicht wieder, oder das Wiederfinden zeigt an, dass man sich immer nur im Kreise dreht. Man findet. Der einzige Vorteil von diesem wiederfinden besteht darin, dass es das, worauf ich hinweise, geltend macht: dass es keinen Fortschritt geben kann, dass man sich im Kreise dreht.
Aber vielleicht gibt es ja doch eine andere Art zu erklären, dass es keinen Fortschritt gibt. Nämlich dass es keinen Fortschritt gibt, der nicht vom Tod gezeichnet wäre. Was Freud dadurch hervorhebt, dass er diesen Tod, wenn ich mich so ausdrücken darf, triebt – dass er einen Trieb* daraus macht –, was man im Französischen, ich weiß nicht warum, mit la pulsion übersetzt hat, mit la pulsion de mort; man hat keine bessere Übersetzung gefunden, wo doch das Wort dérive zur Verfügung stand.
Der Todestrieb ist das Reale, insofern es nur als unmöglich gedacht werden kann, das heißt, dass es jedes Mal, wenn es seine Nasenspitze zeigt, undenkbar ist. Sich diesem Unmögliche zu nähern |{137} könnte keine Hoffnung gründen, denn dieses Undenkbare ist der Tod, dessen Fundament im Realen darin besteht, dass er nicht gedacht werden kann. Es ist unglaublich, dass Joyce – der gegenüber der Geschichte, die tatsächlich belanglos ist, die größte Verachtung hegte und sie als einen Albtraum bezeichnet, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er große Worte auf uns loslässt, die uns, wie er betont, so viel Leid zufügen –, dass Joyce schließlich keine andere Lösung finden konnte als die, Finnegans Wake zu schreiben, also einen Traum, der, wie jeder Traum, ein Albtraum ist, wenn auch ein gemäßigter Albtraum. Bis auf dies, sagt er, und so ist dieses Finnegans Wake gemacht, nämlich dass der Träumer darin keine bestimmte Figur ist, er ist der Traum selbst.
Darin gleitet Joyce in den Jung ab, gleitet er in das kollektive Unbewusste ab, bei dem es keinen besseren Beweis als Joyce gibt, dafür, dass das kollektive Unbewusste ein Sinthom ist, denn man kann nicht sagen, dass Finnegans Wake, in seiner Imagination, nicht an diesem Sinthom beteiligt wäre.
Na ja, das Zeichen dafür, dass ich mich verfangen habe, ist tatsächlich Joyce, insofern das, was er vorbringt – was er auf besonders künstlerische Weise vorbringt, dafür hat er das Savoir-faire –, insofern dies das Sinthom ist, ein Sinthom, das so ist, dass nichts getan werden kann, um es zu analysieren.
Ich habe kürzlich Folgendes gesagt: Ein Katholik, ein Katholik von echtem Schrot und Korn, wie Joyce einer war, der nie etwas dagegen ausrichten konnte, dass er von den Jesuiten ordentlich erzogen worden war, ein Katholik, ein wahrer, durch und durch – aber hier gibt es natürlich keine echten Katholiken, natürlich nicht, Sie sind nicht von den Jesuiten erzogen worden, keiner von Ihnen –, gut, ein Katholik ist nicht analysierbar. [Gelächter]
Hierzu gibt es jemanden, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich dasselbe über die Japaner gesagt hatte. Das war natürlich Jacques-Alain Miller, der sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ. Also, ich bleibe dabei. Ich bleibe dabei, jedoch nicht aus demselben Grund.
{138} Aber seit diesem Jacques-Aubert-Abend, zu dem Sie nicht eingeladen waren, seit diesem Jacques-Aubert-Abend habe ich in der Zwischenzeit einen Film gesehen, einen Film, der auch aus Japan kam. Das war in einem kleinen Saal, in den Sie nicht eingeladen werden konnten – ein Film –, nicht weniger als bei Jacques Aubert. Und außerdem hätte ich nicht gewollt, Sie auf schlimme Gedanken zu bringen. Trotzdem habe ich einige Personen aus meiner École ausgewählt, die diesen Film mit angesehen haben und die wie ich, nehme ich an – diesen Ausdruck habe ich verwendet, um die Wirkung zu bezeichnen, die das auf mich hatte –, ich war richtiggehend baff. Ich war baff, weil es um Erotik geht – das hatte ich nicht erwartet, als ich mir einen japanischen Film anschauen ging –, weil es um weibliche Erotik geht. [Gelächter] Da habe ich angefangen, die Macht der Japanerinnen zu begreifen. [Gelächter]
Es scheint, wenn man diesen Film sieht – früher oder später werden Sie ihn sehen, das war eine private Vorführung, aber ich hoffe wirklich, dass man ihn genehmigen wird; und wenn Sie einige Kriechbewegungen machen, wird es Ihnen gelingen, ihn sich in Kinos mit eingeschränktem Zutritt anzuschauen. Na ja, man wird Sie auffordern, sich auszuweisen, aber Sie könnten beispielsweise sagen, dass Sie mein Seminar besuchen, jawohl.
Die weibliche Erotik scheint hier – ich werde nicht einfach auf einen Film hin eine Trennlinie ziehen –, scheint hier ins Extrem getrieben zu sein, und dieses Extrem ist das Phantasma, den Mann zu töten, nicht mehr und nicht weniger. Aber selbst das genügt nicht. Nachdem er getötet worden ist, muss noch weitergegangen werden. Danach – warum danach, hier kommen Zweifel auf –, nach dem Phantasma schneidet die betreffende Japanerin, die eine maîtresse femme ist, eine Herrin, das muss man schon sagen, ihrem Partner den Schwanz ab, so nennt sich das. Man fragt sich, warum sie ihn nicht vorher abschneidet. Wir wissen ja, dass das ein Phantasma ist, umso mehr als –. Ich weiß nicht, wie das nach dem Tod abläuft, im Film gibt es jedoch viel Blut; ich würde annehmen, dass die Schwellkörper blockiert sein müssten, aber na ja, darüber weiß ich nichts. Es gibt einen Punkt des Zweifels, wie ich eben gesagt habe. Und da sieht man gut, dass die Kastration nicht das Phantasma ist. Sie ist nicht so leicht zu verorten – ich meine hinsichtlich der Funktion, die sie in der Analyse hat –, sie ist nicht leicht zu verorten, da sie phantasmatisiert werden kann.
Und deshalb komme ich auf mein Φ zurück, mein großes Φ dort, das ebenso der erste Buchstabe des Wortes Phantasma sein kann.
{139} Dieser Buchstabe verortet die Beziehungen dessen, was ich eine Phonationsfunktion nennen möchte. Das ist, im Gegensatz zu dem, was man glaubt, das Wesen des Φ: eine Phonationsfunktion, die sich als Ersatz für das Männchen, das als solches „Mann“ genannt wird, erweist, mit –.
Und dagegen hatte ich einen Einwand erhoben, dagegen nämlich, dass dieses Φ für denjenigen Signifikanten einen Ersatz bildet, den ich nur durch einen Buchstaben stützen konnte, der durch mathematische Notationen verkompliziert wird, nämlich das, was ich da unten hingeschrieben habe: S von ausgestrichenem A, S(Ⱥ).
S von ausgestrichenem A, das ist etwas ganz anderes [als Φ]. Das ist nicht das, womit l’homme, der Mensch/Mann, Liebe macht, das heißt letztlich mit seinem Unbewussten und nichts weiter. Was das angeht, was die Frau phantasiert, wenn es das ist, was der Film uns präsentiert hat, so ist das ja etwas, wodurch die Begegnung auf jede Weise verhindert wird.
Aber S(Ⱥ), was heißt das? Das heißt, falls der Vermittler, anders gesagt, das Werkzeug, das man verwendet – dieses Werkzeug verwendet man bei der Kopulation –, falls dieses Werkzeug, wie offensichtlich ist, auf den Abfall zu werfen ist, so gehört das nicht zur selben Ordnung wie das, worum es bei meinem groß S in Klammern ausgestrichenes großes A geht. Das ist deshalb so, weil es keinen Anderen gibt, dort nicht, wo es Ersatz dafür gibt, nämlich den Anderen als Ort des Unbewussten, worüber ich gesagt habe, dass l’homme, der Mensch / der Mann, damit Liebe macht, in einem anderen Sinn des Wortes mit, das ist hier der Partner.
Was aber dieses S de grand A comme barré besagt, dieses groß S von A als ausgestrichen – und ich entschuldige mich, dass mir nichts anderes als die barre, der Schrägstrich, zur Verfügung stand. Es gibt eine barre, eine Stange, die jede Frau zu überspringen weiß: das ist die barre, die Sperre, zwischen dem Signifikanten und dem Signifikat, wie es Ihnen, so hoffe ich, der Film bewiesen hat, auf den ich mich vorhin bezogen habe.
Abb. 7: Querstrich (barre) zwischen Signifikant (S) und Signifikat (s)3
Es gibt jedoch noch eine weitere barre, einen weiteren Querstrich, der darin besteht, zu barrer, zu versperren. Das heißt, er ist wie dieser Querstrich hier: ; ich bedaure übrigens, ihn nicht genauso gemacht zu haben, so wäre es am exemplarischsten gewesen.
Er besagt, dass es keinen Anderen gibt, keinen Anderen, der als Partner antworten würde, |{140} wo doch die ganze Notwendigkeit der menschlichen Gattung darin besteht, dass es einen Anderen des Anderen gibt. Das ist das, was man im Allgemeinen Gott nennt, wovon die Analyse jedoch enthüllt, dass es ganz einfach Die Frau ist.
Das einzige, was es gestattet, sie als Die zu bezeichnen – ich habe Ihnen ja gesagt, dass Die Frau nicht existiert, und ich habe mehr und mehr Gründe, es zu glauben, vor allem nachdem ich diesen Film gesehen habe –, das einzige, was es gestattet, Die Frau zu unterstellen, ist dies, dass sie, wie Gott, eierlegend ist. Allerdings besteht der Fortschritt, den die Analyse uns machen lässt, darin, dass wir uns gewahr werden, dass es, obgleich der Mythos sie gänzlich aus einer einzigen Mutter hervorgehen lässt, nämlich aus Eva, dass es nur besondere Eierlegerinnen gibt. Und insofern habe ich im Seminar Encore, wie es scheint, daran erinnert, was dieser komplizierte Buchstabe besagt, nämlich der Signifikant dessen, dass es keinen Anderen des Anderen gibt.
Abb. 8: Oben: Formeln der Sexuierung
Unten: Pfeildiagramm hierzu4
So, alles, was ich Ihnen da erzähle, ist nur sensé, sinnhaft, und von daher voller Risiken, sich zu täuschen – wie die gesamte Geschichte beweist, wir haben nie etwas anderes getan.
Wenn ich diese Risiken eingehe, dann eher deshalb, um Sie auf das vorzubereiten, was ich Ihnen sonst sagen könnte, wenn ich versuche, eine weniger düstere folie-sophie zu machen, wenn ich so sagen darf, als das sogenannte Buch der Weisheit in der Bibel. Obgleich das letztlich das Beste ist, was man tun kann, um einen Grund –; ich empfehle Ihnen nochmals die Lektüre, sie ist nüchtern und trifft den richtigen Ton.
Die Katholiken nehmen diese Lektüre nicht oft vor, muss man sagen; man kann sogar sagen, dass der Katholizismus jahrhundertelang darin bestanden hat, die Anhänger daran zu hindern, die Bibel zu lesen. Aber dafür, die Weisheit auf den Mangel zu gründen – das einzige Fundament, das sie haben kann –, ist das wirklich keineswegs schlecht, das ist enorm.
Wird es mir gelingen, Ihnen zu sagen – das sollte nicht nur ein Traum sein –, wird es mir gelingen, Ihnen zu sagen, was ein Ende Reales genannt werden könnte, im eigentlichen Sinne des Wortes bout, Ende, den ich vorhin präzisiert habe?
Im Moment lässt sich sagen, dass Freud selbst nur Sinnhaftes gemacht hat und dass mir das jede Hoffnung raubt. Das ist jedoch |{141} kein Grund – nicht etwa dafür, dass ich es erhoffe, sondern dafür, dass ich es nicht eines Tages wirklich tue.
So, das genügt für heute. Von Zeit zu Zeit muss man ein bisschen lachen.
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FRANZÖSISCH/DEUTSCH
Die Zahlen in [eckigen Klammern] und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der von Jacques-Alain Miller erstellten Ausgabe des Seminars.
Die Zahlen in {geschweiften Klammern} und grauer Schrift beziehen sich auf die Seiten der Übersetzung von Myriam Mitelman und Harold Dielmann.
[119] Ça, c’est le dernier truc que m’ont donné Soury et Thomé :
Abb. 1: Borromäische Verkettung mit zwei unendlichen Geraden
{129} Das ist die letzte Sache, das Soury und Thomé mir gegeben haben.5
C’est un nœud borroméen de mon espèce, fait de deux droites infinies et de quelque chose de circulaire.
Das ist ein borromäischer Knoten von meiner Art: aus zwei unendlichen Geraden und aus etwas Kreisförmigem gemacht.6
Vous pouvez constater, avec un peu d’efforts sans doute, que c’est borroméen. Voilà !
Sie können feststellen – sicherlich mit ein bisschen Mühe –, dass das borromäisch ist. So.
Alors, la seule excuse… parce qu’à la vérité, j’ai besoin d’excuses, j’ai besoin d’excuses au moins à mes yeux …la seule excuse que j’ai, de vous dire quelque chose aujourd’hui, c’est que ça va être sensé.
Nun ja, die einzige Entschuldigung – denn ich brauche ja wirklich Entschuldigungen, ich brauche Entschuldigungen, zumindest in meinen Augen –, die einzige Entschuldigung, die ich dafür habe, Ihnen heute etwas zu sagen, ist die, dass es sensé sein wird, sinnhaft.
Moyennant quoi je ne réaliserai pas ce que je voudrais.
Weshalb ich nicht das realisieren werde, was ich möchte.
Et vous allez voir que j’éclairerai ça :
Und Sie werden sehen, dass ich das aufkläre:
Ce que je voudrais, c’est vous donner un bout – ça peut pas s’appeler autrement – un bout de réel.
Was ich möchte, ist, Ihnen ein bout – das kann nicht anders genannt werden –, ein bout du réel zu geben, ein Ende Reales, ein Stückchen Reales.7
J’en suis réduit à me dire qu’il y a du sensé qui peut servir provisoirement.
{130} Ich bin darauf beschränkt, mir zu sagen, dass es etwas Sinnhaftes gibt, das provisorisch von Nutzen sein kann.
Mais ce provisoire est fragile, je veux dire que je suis pas sûr de combien de temps ça pourra servir. Voilà.
Dieses Provisorische ist allerdings fragil, ich meine, dass ich mir nicht sicher bin, wie lange es dienlich sein kann. So.
[120] Je me suis beaucoup préoccupé de Joyce tous ces temps-ci.
Ich habe mich in letzter Zeit viel mit Joyce befasst.
Je vais vous dire en quoi Joyce, si on peut dire, est stimulant.
Ich möchte Ihnen sagen, worin Joyce, wenn man so sagen kann, anregend ist.
C’est qu’il suggère – il suggère mais ce n’est qu’une suggestion – il suggère une façon aisée de le présenter.
Darin nämlich, dass er suggeriert – er suggeriert es, aber das ist nur eine Suggestion –, dass er eine leichte Art, ihn darzustellen, suggeriert.
Moyennant quoi – et c’est bien là sa valeur, son poids – moyennant quoi tout le monde s’y casse les dents, même mon ami Jacques Aubert qui est là au premier rang et devant qui je me sens indigne.
Weshalb sich alle – und eben das macht seinen Wert aus, sein Gewicht –, weshalb sich alle die Zähne daran ausbeißen, selbst mein Freund Jacques Aubert, der da in der ersten Reihe sitzt und vor dem ich mich unwürdig fühle.8
J’ai dit que s’il s’y cassait les dents lui-même, parce que Jacques Aubert n’arrive pas… pas plus que n’importe qui d’ailleurs, pas plus qu’un nommé Adams qui a fait des tours de force dans ce genre …n’arrive pas à cette façon aisée de le présenter.
Ich habe gesagt, dass selbst er sich die Zähne daran ausbeißt, da es Jacques Aubert nicht gelingt – nicht besser übrigens als sonst jemandem, nicht besser als einem gewissen Adams9, der in diesem Genre einige tours de force volzogen hat –, da selbst ihm diese leichte Art, ihn darzustellen, nicht gelingt.
Je vais peut-être tout à l’heure, vous indiquer moi-même – non pas vous suggérer – vous indiquer à quoi ça tient.
Ich werde Ihnen nachher vielleicht anzeigen – Ihnen nicht etwa suggerieren –, Ihnen anzeigen, womit das zusammenhängt.
Bien sûr moi aussi j’ai rêvé – et c’est à prendre au sens littéral – de cette façon aisée de le présenter, j’en ai rêvé cette nuit.
Natürlich habe auch ich davon geträumt – und das ist im buchstäblichen Sinne zu nehmen –, von der leichten Art, ihn darzustellen, ich habe letzte Nacht davon geträumt.
Vous, évidemment – évidement comme on dit – vous, évidemment, étiez mon public mais j’étais pas acteur, j’étais même pas acteur du tout.
Sie waren évidemment, offensichtlich – évidement (Leerung), wie man sagt –, Sie waren offensichtlich mein Publikum, ich war jedoch kein acteur, kein Schauspieler, ich war sogar überhaupt kein Schauspieler.
Ce dont je vous faisais part était la façon dont je – pas acteur du tout : scribouilleur, j’appellerais plutôt ça – dont je jugeais les personnages autres que le mien, en quoi, évidemment, je sortais du mien, ou plutôt je n’avais pas de rôle.
Woran ich Sie teilhaben ließ, war die Art und Weise, wie ich – überhaupt kein Schauspieler, Schreiberling würde ich das eher nennen –, wie ich die anderen Rollen beurteilte, womit ich offensichtlich aus der meinen heraustrat oder vielmehr keine Rolle hatte.
C’était quelque chose dans le genre d’un psychodrame, ce qui est une interprétation.
Das war etwas in der Art eines Psychodramas – was eine Deutung ist.
Que Joyce m’ai fait rêver de fonctionner comme ça doit avoir une valeur, une valeur pas facile à extraire d’ailleurs, puisque, comme je l’ai dit, il suggère ça à n’importe qui, qu’il doit y avoir un Joyce maniable.
Dass Joyce mich träumen ließ, so zu funktionieren, muss einen Wert haben, einen Wert, der im Übrigen nicht leicht herauszuziehen ist, da er ja, wie bereits gesagt, einem jedem suggeriert, es müsse einen handhabbaren Joyce geben.
Il suggère ça du fait qu’il y a la psychanalyse, et c’est bien sur cette piste qu’un tas de gens se précipitent.
Er suggeriert das von daher, dass es die Psychoanalyse gibt, und auf diese Fährte stürzen sich eine Menge Leute.
Mais ce n’est pas parce que je suis psychanalyste, et, du même coup, trop intéressé, qu’il faut que je me refuse à l’envisager sous ce jour.
Aber nicht weil ich Psychoanalytiker und zugleich allzu interessiert bin, muss ich mir versagen, ihn unter diesem Aspekt ins Auge zu fassen.
Il y a là, quand même, quelque chose d’objectif :
Es gibt hier dennoch etwas Objektives:
Joyce est un a-Freud, je dirai, avec le jeu de mot sur affreux, il est un a-Joyce.
{131} Joyce ist ein a-Freud, möchte ich sagen, mit einem Wortspiel auf affreux, „entsetzlich“, er ist ein a-Joyce.
Tout objet – sauf l’objet dit par moi petit a, qui est un absolu – tout objet tient à une relation.
Jedes Objekt – außer dem von mir klein a genannten, das ein absolutes ist –, jedes Objekt hängt an einer Beziehung.
L’ennuyeux est qu’il y ait le langage, et que les relations s’y expriment – dans le langage – avec des épithètes.
Das Ärgerliche ist, dass es die Sprache gibt und dass die Beziehungen darin, in der Sprache, durch Epitheta ausgedrückt werden.
Les épithètes, cela pousse au oui ou non.
Die Epitheta drängen zum Ja oder Nein.
Un nommé Charles Sanders Peirce a construit là-dessus sa logique à lui, qui du fait de l’accent qu’il met sur la relation, l’amène à faire une logique trinitaire.
Ein gewisser Charles Sanders Pierce hat darauf seine eigene Logik aufgebaut, die ihn dazu bringt, aufgrund der Betonung, die er auf die Beziehung legt, eine trinitarische Logik zu entwickeln.10
C’est tout à fait la même voie que je suis, à ceci près | [121] que j’appelle les choses dont il s’agit par leur nom : symbolique, imaginaire et réel, dans le bon ordre.
Das ist ganz derselbe Weg, den ich verfolge – abgesehen davon, dass ich die Dinge, um die es geht, bei ihren Namen nenne: symbolisch, imaginär und real, in der richtigen Reihenfolge.
Car, pousser au oui ou non, c’est pousser au couple, parce qu’il y a un rapport entre langage et sexe, un rapport certes pas encore tout à fait précisé, mais que j’ai, si l’on peut dire, entamé.
Denn zum Ja oder Nein zu drängen, heißt, zum Paar zu drängen, da es zwischen Sprache und Geschlecht eine Beziehung gibt – eine sicherlich noch nicht völlig ausgearbeitete Beziehung, die ich aber, wenn man so sagen kann, angeschnitten habe.
Vous voyez ça – hein ! – en employant le mot entamé, je me rends compte que je fais une métaphore.
Sehen Sie, indem ich das Wort angeschnitten verwende, mache ich mir klar, dass ich eine Metapher bilde.
Et qu’est-ce qu’elle veut dire, cette métaphore ?
Und was bedeutet diese Metapher?
La métaphore, je peux en parler au sens général, mais ce qu’elle veut dire, celle-là, ben, je vous laisse le soin de le découvrir.
Von der Metapher kann ich im allgemeinen Sinne sprechen, was jedoch diese hier bedeutet, na ja, das zu entdecken überlasse ich Ihnen.
La métaphore n’indique que ça : le rapport sexuel, à ceci près qu’elle prouve de fait – du fait qu’elle existe – que le rapport sexuel c’est prendre une vessie pour une lanterne, c’est-à-dire ce qu’on peut dire de mieux pour exprimer une confusion.
Die Metapher verweist auf nichts anderes als auf das sexuelle Verhältnis, abgesehen davon, dass sie de facto beweist – aufgrund des Faktums, dass sie existiert –, dass das sexuelle Verhältnis darin besteht, „eine Blase für eine Laterne zu halten“, wie man im Französischen, um eine Verwirrung auszudrücken, nicht besser sagen kann.11
Une vessie peut faire une lanterne, à condition de mettre du feu à l’intérieur, mais tant qu’il n’y a pas de feu, ce n’est pas une lanterne.
Eine Blase kann zur Laterne werden, wenn man in ihr eine Flamme anzündet; wenn es aber kein Flamme gibt, ist es keine Laterne.
D’où vient le feu ?
Woher kommt die Flamme?
Le feu, c’est le réel.
Die Flamme ist das Reale:
Ça met le feu à tout, le réel je dis.
Es legt an alles Feuer, das Reale, sage ich.
Mais c’est un feu froid.
Aber es ist ein kaltes Feuer.
Le feu qui brûle est un masque, si je puis dire, du réel.
Das Feuer, das brennt, ist, wenn ich so sagen darf, eine Maske des Realen.
Le réel en est à chercher de l’autre côté, du côté du zéro absolu.
Das Reale davon ist auf der anderen Seite zu suchen, auf der Seite der absoluten Null.
On y est arrivé, quand même à ça, pas de limite à ce qu’on peut imaginer comme haute température, pas de limite imaginable pour l’instant.
Immerhin sind wir dabei angekommen, jedoch keine Grenze für das, was man sich an hohen Temperaturen vor- |{132} stellen kann, im Augenblick keine vorstellbare Grenze.
La seule chose qu’il y ait de réel, c’est la limite du bas.
Das einzige, was es an Realem geben könnte, ist die untere Grenze.12
C’est ça que j’appelle quelque chose d’orientable, c’est pourquoi le réel l’est.
Das ist das, was ich etwas Orientierbares nenne, deshalb ist das Reale orientierbar.
Il y a une orientation, mais cette orientation n’est pas un sens.
Es gibt eine Orientierung, aber diese Orientierung ist kein sens, kein Sinn / keine Richtung.
Qu’est-ce que ça veut dire ?
Was heißt das?
Ça veut dire que je reprends ce que j’ai dit la dernière fois, en suggérant que le sens, c’est peut-être l’orientation.
Das heißt, dass ich etwas aufgreife, das ich beim letzten Mal gesagt habe, als ich nahegelegt habe, der Sinn sei womöglich die Orientierung.
Mais l’orientation [du réel] n’est pas un sens, puisqu’elle exclut le seul fait de la copulation du symbolique et de l’imaginaire en quoi consiste le sens.
Aber die Orientierung [des Realen] ist kein Sinn, da sie die pure Tatsache der Kopulation des Symbolischen und des Imaginären, worin der Sinn besteht, ausschließt.
Abb. 2: Feld des Sinns im Diagramm der borromäischen RSI-Ringe1
.
L’orientation du réel, dans mon ternaire13 à moi, forclot le sens.
Die Orientierung des Realen, in meinem Ternion hier, verwirft den Sinn.
Je dis ça parce que on m’a posé la question hier soir de savoir s’il y avait d’autres forclusions que celle qui résulte de la forclusion du Nom-du-Père.
Ich sage das, weil mir gestern Abend die Frage gestellt wurde, ob es noch andere Verwerfungen gibt als diejenige, die sich aus der Verwerfung des Namens-des-Vaters ergibt.14
Il est bien certain que la forclusion, ça a quelque chose de plus radical.
Ganz sicher hat die Verwerfung etwas Radikaleres.
Puisque le Nom-du-Père c’est quelque chose, en fin de compte, de léger.
Denn der Name-des-Vaters ist letztendlich etwas Leichtes.
Mais il est certain que c’est là que ça peut servir, au lieu de la forclusion du sens par l’orientation du réel, ben nous n’en sommes pas encore là.
Es ist jedoch sicher, dass das hier, anstelle der Verwerfung des Sinns durch die Orientierung des Realen, von Nutzen sein kann, aber so weit sind wir noch nicht.
Il faut se briser, si je puis dire, à un nouvel Imaginaire concernant le sens.
Man muss sich, wenn ich so sagen darf, an einem neuen Imaginären abarbeiten, das sich auf den Sinn bezieht.
C’est ce que j’essaie d’instaurer avec mon langage.
Das versuche ich, mit meiner Sprache einzuführen.
Ce langage a l’avantage | [122] de parier sur la psychanalyse en tant que j’essaie de l’instituer comme discours, c’est-à-dire comme le semblant le plus vraisemblable.
Abb. 3: Diskurs des Analytikers
Diese Sprache hat den Vorzug, dass sie auf die Psychoanalyse setzt, insofern ich versuche, diese als Diskurs zu etablieren15, das heißt als den wahrScheinlichsten Schein.16
C’est un exemple en somme, la psychanalyse, rien de plus, de court-circuit passant par le sens, le sens comme tel que j’ai défini tout à l’heure de la copulation, en somme, du langage, puisque c’est de ça que je supporte l’Inconscient, de la copulation du langage avec notre propre corps.
Die Psychoanalyse ist letztlich ein Beispiel für einen Kurzschluss, der über den Sinn läuft, nicht mehr, über den Sinn als solchen, den ich vorhin definiert habe durch die Kopulation letztlich der Sprache – da ich damit ja das Unbewusste stütze –, durch die Kopulation der Sprache mit unserem eigenen Körper.
Il faut vous dire que, dans l’intervalle, j’ai été entendre Jacques Aubert quelque part où vous n’étiez pas conviés, et que là j’ai fait quelques réflexions sur l’ego, ce que les Anglais appellent l’ego, et les Allemands l’Ich.
Ich muss Ihnen sagen, dass ich in der Zwischenzeit Jacques Aubert gehört habe, irgendwo, wozu sie nicht eingeladen waren17, und dass ich dort einige Überlegungen zum Ego angestellt habe, zu dem, was die Engländer ego nennen und die Deutschen Ich.18
L’ego c’est un truc, c’est un truc à propos de quoi j’ai cogité, j’ai cogité autour d’un nœud, un nœud qu’a cogité lui-même un mathématicien qui n’a d’autre nom que Milnor.
Das ego ist eine Sache, über die ich ausgehend von einem Knoten nachgedacht habe, den sich ein Mathematiker ergedacht hat, der niemand anderes ist als Milnor.
Il a inventé quelque chose, à savoir une idée de chaîne, il appelle ça, en anglais link. [Lacan zeichnet an der Tafel.]
Er hat etwas erfunden, nämlich eine Idee der Verkettung, er nennt das auf Englisch link. [Lacan zeichnet an der Tafel.]
Il faut que je dessine ça autrement parce que c’est de ça qu’il s’agit.
Ich muss das anders zeichnen, denn dabei geht es um Folgendes.
Ça c’est un nœud.
Dies, das ist ein Knoten.2
Je le refais, parce que, bien entendu, comme chaque fois que je dessine un nœud, j’ai cafouillé, c’est pas la première fois que ça m’arrive devant vous.
Ich mache ihn nochmal, weil ich es natürlich, wie jedes Mal, wenn ich einen Knoten zeichne, vermurkst habe; es ist nicht das erste Mal, dass mir das vor Ihnen passiert.
Voilà, c’est correct dans le bas.
Abb. 4: Whitehead-Verkettung
Hier also, jetzt stimmt es unten.
Vous devez voir que ça, c’est noué.
{133} Sie müssen sehen, dass das verknotet ist.
Mais supposez – dit Milnor – que vous vous donniez cette permission que dans une chaîne quelconque – celle-là : chaîne à deux éléments – que dans une chaîne quelconque un même élément puisse se traverser lui-même.
Nehmen Sie jedoch an, sagt Milnor, Sie würden sich erlauben, dass sich in einer beliebigen Verkettung – in dieser da, einer Verkettung aus zwei Elementen –, dass sich in einer beliebigen Verkettung ein bestimmtes Element selbst durchdringen darf.
Alors, vous obtenez ceci :
Abb. 5: Whitehead-Verkettung nach Durchdringung
an der Stelle der Selbstüberkreuzung
Dann erhalten Sie dies:
Qui vous montre tout de suite, que du fait qu’un élément puisse se traverser lui-même, il en résulte que ce qui était au-dessus ici est là en-dessous : il n’y a plus de nœud.
Was uns sofort zeigt, dass die Tatsache, dass ein Element sich selbst durchdringen kann, zur Folge hat, dass das, was hier darüber war, jetzt dort darunter ist – es gibt keinen Knoten mehr.
Il y en a, bien sûr, une quantité d’autres exemples.
Dafür gibt es natürlich eine Menge weiterer Beispiele.
Il n’y a plus de link.
Es gibt keine Verkettung mehr.
Ce que je propose à votre astuce, c’est ceci : de remarquer que si – dans le premier nœud – vous doublez chacun des éléments de ladite chaîne, c’est-à-dire qu’au lieu d’en avoir un ici, vous en ayez deux ayant la même circulation et que vous en fassiez de même pour ici, il ne sera plus vrai, aussi invraisemblable que cela puisse vous paraître, et vous le contrôlerez, j’espère.
Abb. 6: Milnors (?) Verdoppelung der Whitehead-Verkettung
Was ich Ihrem Scharfsinn vorlege, ist nun Folgendes: Beachten Sie, dass, wenn Sie im ersten Knoten jedes Element besagter Verkettung verdoppeln, sodass Sie hier statt eines Elements zwei Elemente mit derselben Drehung haben, und wenn Sie es mit dem anderen Element ebenso machen, dann trifft das nicht mehr zu, wie unwahrscheinlich Ihnen das auch erscheinen mag; Sie werden das hoffentlich kontrollieren.19
Je n’ai pas apporté mes dessins de sorte que, comme d’autre part je n’ai fait mettre ici qu’un papier blanc, je ne me risquerai pas à vous | [123] montrer comment ceci se tortille.
Ich habe meine Zeichnungen nicht mitgebracht, sodass ich – da ich andererseits hier nur ein weißes Blatt Papier habe anbringen lassen – nicht riskieren werde, Ihnen zu zeigen, wie sich das verwindet.
Il suffit qu’il y en ait deux.
Es genügt, dass es zwei gibt.
Ce qui pourtant semble ne pas faire objection – puisque un, une boucle en huit, si elle se traverse elle-même, se libère aisément, du circulaire ou de l’ovale tel que je l’ai dessiné, se libère aisément quand ce huit en question se traverse lui-même, pourquoi ça ne serait-il pas aussi vrai quand il y en a deux, je dis deux huit et deux ovales ?
Was jedoch kein Einwand zu sein scheint – da sich eine achtförmige Schleife, wenn sie sich selbst durchdringt, leicht von der Kreisform oder dem Oval, wie ich es gezeichnet habe, befreit, da sie sich leicht davon befreit, wenn die betreffende Acht sich selbst durchdringt, warum sollte das dann nicht ebenso zutreffen, wenn es zwei davon gibt, ich meine zwei Achten und zwei Ovale?
Il n’en reste pas moins que… vous le contrôlerez, j’espère, j’y reviendrai la prochaine fois …non seulement il y a un obstacle, mais il est radicalement impossible de séparer les quatre éléments.
Nichtsdestoweniger – Sie werden es hoffentlich kontrollieren, ich werde beim nächsten Mal darauf zurückkommen – gibt es hier nicht etwa nur ein Hindernis, es ist vielmehr radikal unmöglich, die vier Elemente voneinander zu trennen.
Là-dessus, il faut que je dise que je ne peux pas tracer tous les algorithmes que j’ai énoncés du type : S de A barré [S(Ⱥ)].
{134} Hierzu muss ich sagen, dass ich nicht alle von mir erwähnten Algorithmen vom Typ „S von ausgestrichenem A“ [S(Ⱥ)] eintragen kann.
Que veut dire que je proteste, dans mon séminaire Encore, paraît-il… parce que bien sûr je le lis jamais, c’est les autres qui le lisent …contre l’équivalence donnée, paraît-il par certains – je l’avais totalement oublié – du S(Ⱥ) avec la fonction Phi.
Was bedeutet es, wenn ich – in meinem Seminar Encore, wie es scheint, da ich es natürlich nie lese, es sind die anderen, die es lesen –, wenn ich gegen die, wie es scheint, von einigen behauptete Äquivalenz – ich hatte es völlig vergessen – des S von A [S(Ⱥ)] mit der Funktion Φ protestiere?20
Je dis, non pas le petit φ mais le grand Φ …qui est une fonction, comme l’implique ce que j’ai indiqué, à savoir qu’il existe un x pour qui cette fonction est négative :
Ich sage, nicht das kleine φ, sondern das große Φ – das eine Funktion ist, wie es mein Hinweis impliziert, dass nämlich ein x existiert, für das diese Funktion negativ ist:
Bien sûr, l’idéal du mathème est que tout se corresponde.
Das Ideal des Mathems besteht natürlich darin, dass alles miteinander korrespondiert.
C’est bien en quoi le mathème, au réel, en rajoute.
Genau darin fügt das Mathem dem Realen etwas hinzu.
Car contrairement à ce qu’on s’imagine – on ne sait pourquoi – ce n’est pas la fin du réel.
Denn im Gegensatz zu dem, was man sich vorstellt – warum, weiß man nicht –, ist das [Korrespondieren] nicht das Ziel des Realen.
Comme je l’ai dit tout à l’heure, nous ne pouvons atteindre que des bouts de réel.
Wie ich vorhin gesagt habe, können wir von Realem nur Enden erreichen.
Le réel – celui dont il s’agit dans ce qu’on appelle ma pensée –, le réel est toujours un bout, un trognon.
Das Reale – dasjenige, um das es in dem, was man mein Denken nennt, geht –, das Reale ist immer ein Ende, ein Strunk.
Un trognon certes autour duquel la pensée brode, mais son stigmate, à ce réel comme tel, c’est de ne se relier à rien.
Ein Strunk, den das Denken sicherlich etwas ausschmückt, aber sein Stigma, das des dieses Realen als solches, besteht darin, sich mit nichts zu verbinden.
C’est tout du moins comme ça que je le conçois le réel et ses petites émergences historiques.
So zumindest fasse ich es auf, das Reale und seine kleinen historischen Emergenzen.
Il y a un jour, un nommé Newton qui a trouvé un bout de réel, ça a foutu salement les foies à tous ceux qui pensaient, nommément à un certain Kant, et dont on peut dire que de Newton il a fait une maladie.
Eines Tages, als ein gewisser Newton ein Ende Reales fand, hat das all denen, die mit Denken befasst waren, wirklich Schiss eingejagt, insbesondere einem gewissen Kant, von dem man sagen kann, dass er aus Newton eine Krankheit gemacht hat.21
Et d’ailleurs tout le monde, tous les êtres pensants de l’époque en ont fait une, chacun à leur façon.
Und im Übrigen haben sie alle, alle denkenden Wesen der Zeit, eine daraus gemacht, jeder nach seiner Fasson.
Ça a plu, non seulement sur les hommes, mais sur les femmes.
Das ist nicht nur auf die Männer niedergeregnet, sondern auch auf die Frauen.
Madame du Châtelet a écrit tout un bouquin sur le Newtonian system, où ça déconne à plein tuyaux.
Madame du Châtelet hat ein ganzes Buch über das Newtonian system geschrieben, in dem aus vollen Rohren Stuss geredet wird.22
C’est tout de même extraordinaire que quand on atteint un bout de réel, ça fasse cet effet, mais c’est de là qu’il faut partir, c’est le signe même de ce qu’on a atteint le trognon.
Es ist schon außergewöhnlich, dass es, wenn man ein Ende Reales erreicht, eine solche Wirkung haben soll – von da muss man jedoch ausgehen, das ist das Zeichen dafür, dass man beim Strunk angelangt ist.
J’essaie de vous donner un bout de réel, à propos de ce dans quoi, | [124] dans la peau de quoi nous sommes, à savoir la peau de cette histoire incroyable, enfin, qu’est l’espèce humaine.
{135} Ich versuche, Ihnen ein Ende Reales zu geben, bezogen auf das, worin, in deren Haut wir stecken, in der Haut nämlich dieser unglaublichen Geschichte, derjenigen der menschlichen Gattung.
Et je vous dis qu’il n’y a pas de rapport sexuel.
Und ich sage Ihnen, dass es kein sexuelles Verhältnis gibt.
Mais c’est de la broderie ; c’est de la broderie parce que ça participe du oui ou non.
Aber das gehört zur Ausschmückung, das gehört zur Ausschmückung, da es am Ja oder Nein beteiligt ist.
Du moment que je dis il n’y a pas c’est déjà très suspect, c’est suspect de n’être pas vraiment un bout de réel – le stigmate du réel c’est de se relier à rien, j’ai déjà dit ça tout à l’heure.
Sobald ich sage, es gibt kein, ist das bereits sehr verdächtig und steht im Verdacht, nicht wirklich ein Ende Reales zu sein – das Stigma des Realen besteht darin, sich mit nichts zu verbinden, ich habe das eben bereits gesagt.
Là où on se reconnaît, c’est seulement dans ce qu’on a.
Man erkennt sich nur in dem, was man hat.
On ne se reconnaît jamais… c’est impliqué par ce que j’avance, c’est impliqué par le fait reconnu par Freud qu’il y a de l’Inconscient …on ne se reconnaît jamais dans ce qu’on est.
Man erkennt sich niemals – das ist in dem impliziert, was ich vorbringe, das ist in der von Freud erkannten Tatsache impliziert, dass es Unbewusstes gibt –, man erkennt sich niemals in dem, was man ist.
C’est le premier pas de la psychanalyse.
Das ist der erste Schritt der Psychoanalyse.
Parce que ce qu’on est, est de l’ordre – quand on est homme – est de l’ordre de la copulation, c’est-à-dire de ce qui détourne ladite copulation dans la non moins dite – et significativement – dans la non moins dite copule constituée par le verbe être.
Denn was man ist, gehört zur Ordnung – wenn man Mann ist –, gehört zur Ordnung der Kopulation, das heißt dessen, wodurch besagte Kopulation umgeleitet wird zu der nicht minder gesagten – und das auf bedeutsame Weise –, zu der nicht minder gesagten Kopula, die mit dem Verb sein gebildet wird.
Le langage trouve, dans son infléchissement vers la copule, la preuve qu’il est une voie de détour, tout à fait « vessie », c’est-à-dire obscur.
Die Sprache findet in ihrer Richtungsänderung zur Kopula hin den Beweis, dass sie eine Umleitung ist, die ganz und gar Blase ist23, das heißt dunkel.
Et obscur n’est là qu’une métaphore, parce que si nous avions un bout de réel, nous saurions que la lumière n’est pas plus obscure que les ténèbres, et inversement.
Und dunkel ist hier nur eine Metapher, denn hätten wir ein Ende Reales, dann wüssten wir, dass das Licht nicht dunkler ist als die Finsternis und umgekehrt.
La métaphore copule n’est pas une preuve en soi.
Die Metapher Kopula ist kein Beweis an sich.
C’est la façon qu’a l’Inconscient de procéder, il ne donne que des traces, et des traces, non seulement qui s’effacent toutes seules, mais que tout usage de discours tend à effacer, le discours analytique comme les autres.
Das ist die Art, wie das das Unbewusste vorgeht: Es liefert nur Spuren, und zwar Spuren, die sich nicht nur von selbst auslöschen, sondern Spuren, die jeder Diskursgebrauch auszulöschen strebt, der analytische Diskurs ebenso wie die anderen Diskurse.
Vous-même ne songerez qu’à gommer les traces du mien de discours, puisque c’est moi qui, ce discours, ai commencé par lui donner son statut, son statut à partir du faire semblant de l’objet a, soit, en fin de compte de ce que je nomme, de ce que l’homme se mette en place de l’ordure qu’il est – du moins aux yeux d’un psychanalyste qui a une bonne raison de le savoir, c’est que lui-même se met à cette place.
Sie selbst werden nur danach trachten, die Spuren des meinen aus dem Diskurs auszuradieren, da ich es bin, der begonnen hat, diesem Diskurs seinen Status zu verleihen, ausgehend von der Scheinbildung des Objekts a, also letztlich von dem, was ich so nenne, dass sich der Mensch an den Platz des Abfalls begibt, des Abfalls, der er ist – zumindest in den Augen eines Psychoanalytikers, der allen Grund hat, es zu wissen, da er sich selbst an diese Stelle setzt.
Il faut en passer par cette ordure décidée pour, peut-être, retrouver quelque chose qui soit de l’ordre du réel.
Man muss |{136} durch diesen entschiedenen Abfall durchgehen, um vielleicht etwas wiederzufinden, das von der Ordnung des Realen wäre.
Mais vous voyez, j’emploie le mot retrouver; retrouver est un glissement déjà, comme si tout de cet ordre avait déjà été trouvé.
Aber sehen Sie, ich verwende das Wort wiederfinden; wiederfinden ist bereits ein Abgleiten, als wäre von dieser Ordnung alles bereits gefunden worden.
C’est là le piège de l’histoire.
Das ist die Falle der Geschichte.
L’histoire est le plus grand des fantasmes, si on peut s’exprimer ainsi.
Die Geschichte ist das größte der Phantasmen, wenn man sich so ausdrücken darf.
Derrière l’histoire, l’histoire des faits auxquels s’intéressent les historiens, il y a le mythe.
Hinter der Geschichte – der Geschichte der Fakten, für die sich die Historiker interessieren – gibt es den Mythos.
Et le mythe est toujours captivant, à preuve que Joyce après avoir soigneusement témoigné du sinthome, du sinthome de Dublin, qui ne prend âme que | [125] du sien à lui, ne manque pas – chose fabuleuse ! – de tomber dans le mythe Vico qui soutient le Finnegans Wake.
Und der Mythos ist immer fesselnd, was dadurch bewiesen wird, dass Joyce, nachdem er vom Sinthom sorgsam Zeugnis abgelegt hat, vom Dublin-Sinthom, das Seele nur durch seine eigene annimmt, dass Joyce es danach nicht versäumt – wirklich sagenhaft! –, dem Vico-Mythos zu verfallen, von dem Finnegans Wake getragen wird.24
La seule chose qui l’en préserve, c’est que quand même Finnegans Wake se présente comme un rêve.
Das einzige, was ihn davor bewahrt, ist dies, dass Finnegans Wake sich jedoch als Traum präsentiert.25
Non seulement un rêve mais il désigne que Vico est un rêve, tout autant en fin de compte que les bavochages de Madame Blavatsky, le manvantara et tout ce qui s’ensuit, l’idée d’un rythme où j’ai moi-même rechu, si je puis dire, dans mon retrouver de plus haut.
Nicht nur als ein Traum, sondern Finnegans Wake zeigt an, dass Vico ein Traum ist, so wie auch letztlich das Gebrabbel von Frau Blavatsky26, das Manvantara27 und alles, was daraus folgt: die Idee eines Rhythmus, in die ich, wenn ich so sagen darf, mit meinem wiederfinden von weiter oben zurückgefallen bin.
On ne retrouve pas, ou bien c’est désigner qu’on ne fait jamais que tourner en rond.
Man findet nicht wieder, oder das Wiederfinden zeigt an, dass man sich immer nur im Kreise dreht.
On trouve.
Man findet.
Le seul avantage de ce retrouver, c’est de mettre en valeur ce que j’indique : qu’il ne saurait y avoir progrès, qu’on tourne en rond.
Der einzige Vorteil von diesem wiederfinden besteht darin, dass es das, worauf ich hinweise, geltend macht: dass es keinen Fortschritt geben kann, dass man sich im Kreise dreht.
Mais y a peut-être quand même une autre façon de l’expliquer qu’il n’y ait pas de progrès.
Aber vielleicht gibt es ja doch eine andere Art zu erklären, dass es keinen Fortschritt gibt.
C’est qu’il n’y a pas de progrès que marqué de la mort.
Nämlich dass es keinen Fortschritt gibt, der nicht vom Tod gezeichnet wäre.
Ce que Freud souligne de cette mort, si je puis m’exprimer ainsi, de la trieber – d’en faire un Trieb – ce qu’on a traduit en français par, je sais pas pourquoi, la pulsion, la pulsion de mort, on n’a pas trouvé une meilleure traduction alors qu’il y avait le mot dérive.
Was Freud dadurch hervorhebt, dass er diesen Tod, wenn ich mich so ausdrücken darf, triebt – dass er einen Trieb* daraus macht28 –, was man im Französischen, ich weiß nicht warum, mit la pulsion übersetzt hat, mit la pulsion de mort; man hat keine bessere Übersetzung gefunden, wo doch das Wort dérive zur Verfügung stand.29
La pulsion de mort c’est le réel en tant qu’il ne peut être pensé que comme impossible, c’est-à-dire que chaque fois qu’il montre le bout de son nez, il est impensable.
Der Todestrieb ist das Reale, insofern es nur als unmöglich gedacht werden kann, das heißt, dass es jedes Mal, wenn es seine Nasenspitze zeigt, undenkbar ist.
Aborder à cet impossible ne saurait constituer un espoir, puisque cet impensable c’est la mort, dont c’est le fondement de réel qu’elle ne puisse être pensée.
Sich diesem Unmögliche zu nähern |{137} könnte keine Hoffnung gründen, denn dieses Undenkbare ist der Tod, dessen Fundament im Realen darin besteht, dass er nicht gedacht werden kann.30
L’incroyable c’est que Joyce – qui avait le plus grand mépris de l’histoire, en effet futile, qu’il qualifie de cauchemar, de cauchemar dont le caractère est de lâcher sur nous les grands mots dont il souligne qu’ils nous font tant de mal – n’ait pu trouver, enfin, que cette solution : écrire Finnegans Wake, soit un rêve qui, comme tout rêve, est un cauchemar, même s’il est un cauchemar tempéré.
Es ist unglaublich, dass Joyce – der gegenüber der Geschichte, die tatsächlich belanglos ist, die größte Verachtung hegte und sie als einen Albtraum bezeichnet31, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er große Worte auf uns loslässt, die uns, wie er betont, so viel Leid zufügen –, dass Joyce schließlich keine andere Lösung finden konnte als die, Finnegans Wake zu schreiben, also einen Traum, der, wie jeder Traum, ein Albtraum ist, wenn auch ein gemäßigter Albtraum.
À ceci près dit-il… et c’est comme ça qu’est fait ce Finnegans Wake …c’est que le rêveur n’y est aucun personnage particulier, il est le rêve même.
Bis auf dies, sagt er, und so ist dieses Finnegans Wake gemacht, nämlich dass der Träumer darin keine bestimmte Figur ist, er ist der Traum selbst.32
C’est en ça, c’est en ça que Joyce glisse au Jung, glisse à l’inconscient collectif, dont il y a pas meilleure preuve que Joyce, que l’inconscient collectif c’est un sinthome, car on ne peut dire que Finnegans Wake, dans son imagination, ne participe pas à ce sinthome.
Darin gleitet Joyce in den Jung ab, gleitet er in das kollektive Unbewusste ab33, bei dem es keinen besseren Beweis als Joyce gibt, dafür, dass das kollektive Unbewusste ein Sinthom ist, denn man kann nicht sagen, dass Finnegans Wake, in seiner Imagination, nicht an diesem Sinthom beteiligt wäre.
Alors, ce qui est le signe de mon empêtrement, c’est bien Joyce, c’est bien Joyce, justement en tant que ce qu’il avance – et avance d’une façon tout à fait spécialement artiste : il sait y faire – c’est le sinthome, et sinthome tel qu’il y ait rien à faire pour l’analyser.
Na ja, das Zeichen dafür, dass ich mich verfangen habe, ist tatsächlich Joyce, insofern das, was er vorbringt – was er auf besonders künstlerische Weise vorbringt, dafür hat er das Savoir-faire –, insofern dies das Sinthom ist, ein Sinthom, das so ist, dass nichts getan werden kann, um es zu analysieren.34
[126] J’ai dit ça récemment : un catholique… un catholique de bonne roche, comme était Joyce, qui n’a jamais pu faire qu’il ait pas été sainement élevé par les jésuites… un catholique, un vrai de vrai… mais bien sûr, il y en a pas un de vrai ici, bien sûr, vous n’avez pas été élevés chez les Jésuites, n’importe qui d’entre vous …ben, un catholique est inanalysable. [Gelächter]
Ich habe kürzlich Folgendes gesagt: Ein Katholik, ein Katholik von echtem Schrot und Korn, wie Joyce einer war, der nie etwas dagegen ausrichten konnte, dass er von den Jesuiten ordentlich erzogen worden war, ein Katholik, ein wahrer, durch und durch – aber hier gibt es natürlich keine echten Katholiken, natürlich nicht, Sie sind nicht von den Jesuiten erzogen worden, keiner von Ihnen –, gut, ein Katholik ist nicht analysierbar.35 [Gelächter]
Là-dessus, il y a quelqu’un qui m’avait fait remarquer que j’avais dit la même chose des Japonais [Gelächter] .
Hierzu gibt es jemanden, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich dasselbe über die Japaner gesagt hatte.36 [Gelächter]
C’est Jacques-Alain Miller, bien sûr, qui n’a pas perdu cette occasion.
Das war natürlich Jacques-Alain Miller, der sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ.
Ben, je le maintiens.
Also, ich bleibe dabei.
Je le maintiens, c’est pas pour la même raison.
Ich bleibe dabei, jedoch nicht aus demselben Grund.
Mais depuis, depuis cette soirée Jacques Aubert – à laquelle vous n’étiez pas conviés [Gelächter] – depuis cette soirée Jacques Aubert, j’ai vu un film, un film japonais lui aussi.
{138} Aber seit diesem Jacques-Aubert-Abend, zu dem Sie nicht eingeladen waren [Gelächter], seit diesem Jacques-Aubert-Abend habe ich in der Zwischenzeit einen Film gesehen, einen Film, der auch aus Japan kam.37
C’était dans une petite salle où vous pouviez pas y être conviés – un film – pas plus que chez Jacques Aubert.
Das war in einem kleinen Saal, in den Sie nicht eingeladen werden konnten – ein Film –, so wenig wie bei Jacques Aubert.
Et puis, je n’aurais pas voulu donner de mauvaises idées.
Und außerdem hätte ich nicht gewollt, Sie auf schlimme Gedanken zu bringen.
J’ai quand même extrait quelques personnes de mon École, qui assistaient à ce film et qui en ont été, comme moi… je suppose, enfin, c’est ce dont je me suis servi comme terme pour dire l’effet que ça m’avait fait …j’ai été, à proprement parler, soufflé.
Ich habe jedoch einige Personen aus meiner École ausgewählt, die diesen Film mit angesehen haben und die wie ich, nehme ich an – diesen Ausdruck habe ich verwendet, um die Wirkung zu bezeichnen, die das auf mich hatte –, ich war richtiggehend baff.
J’ai été soufflé parce que c’est de l’érotisme… je m’attendais pas à ça [Gelächter] en allant voir un film japonais …c’est de l’érotisme féminin.
Ich war baff, weil es um Erotik geht – das hatte ich nicht erwartet [Gelächter], als ich mir einen japanischen Film anschauen ging –, weil es um weibliche Erotik geht.
Là, j’ai commencé à comprendre le pouvoir des japonaises [Gelächter] .
Da habe ich angefangen, die Macht der Japanerinnen zu begreifen. [Gelächter]
Il semble, à voir ce film … un jour ou l’autre vous allez le voir, c’était une représentation privée, mais j’espère quand même qu’on va donner le permis et en faisant quelques mouvements de reptation, vous arriverez à le voir dans des salles limitées.
Es scheint, wenn man diesen Film sieht – früher oder später werden Sie ihn sehen, das war eine private Vorführung, aber ich hoffe wirklich, dass man ihn genehmigen wird; und wenn Sie einige Kriechbewegungen machen, wird es Ihnen gelingen, ihn sich in Kinos mit eingeschränktem Zutritt anzuschauen.
Enfin, on vous demandera de montrer patte blanche, mais vous direz que vous venez à mon séminaire par exemple. Oui!
Na ja, man wird Sie auffordern, sich auszuweisen, aber Sie könnten beispielsweise sagen, dass Sie mein Seminar besuchen, jawohl.
L’érotisme féminin semble y être porté… je m’en vais pas – simplement sur un film – faire une ligne de partage …semble porté à son extrême, et cet extrême est le fantasme – ni plus ni moins – de tuer l’homme.
Die weibliche Erotik scheint hier – ich werde nicht einfach auf einen Film hin eine Trennlinie ziehen –, scheint hier ins Extrem getrieben zu sein, und dieses Extrem ist das Phantasma, den Mann zu töten, nicht mehr und nicht weniger.
Mais même ça ne suffit pas.
Aber selbst das genügt nicht.
Il faut qu’après l’avoir tué… on va plus loin.
Nachdem er getötet worden ist, muss noch weitergegangen werden.
Après – pourquoi après ? là est le doute – après ce fantasme, la japonaise en question, qui est une maîtresse femme, c’est le cas de le dire – à son partenaire, lui coupe la queue, c’est comme ça que ça s’appelle.
Danach – warum danach, hier kommen Zweifel auf –, nach dem Phantasma schneidet die betreffende Japanerin, die eine maîtresse femme ist, eine Herrin, das muss man schon sagen, ihrem Partner den Schwanz ab, so nennt sich das.
On se demande pourquoi elle ne la lui coupe pas avant.
Man fragt sich, warum sie ihn nicht vorher abschneidet.
On sait bien que c’est un fantasme, d’autant plus que –.
Wir wissen ja, dass das ein Phantasma ist, umso mehr als –.
Je ne sais pas comment ça se passe après la mort, mais il y a beaucoup de sang dans le film ; je veux bien que les corps caverneux soient |[127] bloqués mais… après tout j’en sais rien.
Ich weiß nicht, wie das nach dem Tod abläuft, im Film gibt es jedoch viel Blut; ich würde annehmen, dass die Schwellkörper blockiert sein müssten, aber na ja, darüber weiß ich nichts.
Y a là un point, que j’ai appelé tout à l’heure, de doute.
Es gibt einen Punkt des Zweifels, wie ich eben gesagt habe.
Et c’est là qu’on voit bien que la castration, ce n’est pas le fantasme.
Und da sieht man gut, dass die Kastration nicht das Phantasma ist.
Elle n’est pas si facile à situer – je parle dans la fonction qui est la sienne dans l’analyse – elle n’est pas facile à situer, puisqu’elle peut être fantasmatisée.
Sie ist nicht so leicht zu verorten – ich meine hinsichtlich der Funktion, die sie in der Analyse hat –, sie ist nicht leicht zu verorten, da sie phantasmatisiert werden kann.
C’est bien en quoi je reviens à mon Φ, mon grand Φ là, qui peut aussi bien être la première lettre du mot fantasme.
Und deshalb komme ich auf mein Φ zurück, mein großes Φ dort, das ebenso der erste Buchstabe des Wortes Phantasma sein kann.
Cette lettre situe les rapports de ce que j’appellerai une fonction de phonation.
{139} Dieser Buchstabe verortet die Beziehungen dessen, was ich eine Phonationsfunktion nennen möchte.38
C’est là l’essence du Φ, contrairement à ce qu’on croit …une fonction de phonation qui se trouve être substitutive du mâle – dit homme, comme tel – avec –.
Das ist, im Gegensatz zu dem, was man glaubt, das Wesen des Φ: eine Phonationsfunktion, die sich als Ersatz für das Männchen, das als solches „Mann“ genannt wird, erweist, mit –.
C’est là ce contre quoi je m’élevais, c’est que la substitution de ce Φ au signifiant que je n’ai pu supporter que d’une lettre compliquée de notation mathématique …à savoir ce que j’ai écrit en dessous, là : S(Ⱥ).
Und dagegen hatte ich einen Einwand erhoben, dagegen nämlich, dass dieses Φ für denjenigen Signifikanten einen Ersatz bildet, den ich nur durch einen Buchstaben stützen konnte, der durch mathematische Notationen verkompliziert wird, nämlich das, was ich da unten hingeschrieben habe: S von ausgestrichenem A, S(Ⱥ).39
S de A barré c’est tout autre chose [que Φ].
S von ausgestrichenem A, das ist etwas ganz anderes [als Φ].
Ça n’est pas ce avec quoi l’homme fait l’amour, c’est-à-dire en fin de compte avec son inconscient, et rien de plus.
Das ist nicht das, womit l’homme, der Mensch/Mann, Liebe macht, das heißt letztlich mit seinem Unbewussten und nichts weiter.
Pour ce que fantasme la femme – si c’est bien là ce que nous a présenté le film – c’est bien quelque chose qui de toute façon empêche la rencontre.
Was das angeht, was die Frau phantasiert, wenn es das ist, was der Film uns präsentiert hat, so ist das ja etwas, wodurch die Begegnung in jeder Weise verhindert wird.
Mais S(Ⱥ) qu’est-ce que ça veut dire ?
Aber S(Ⱥ), was heißt das?
Ça veut dire que si le truchement, autrement dit l’instrument dont on opère – on opère avec cet instrument pour la copulation – si cet instrument est bien – comme c’est patent – à mettre au rancart, c’est pas du même ordre que ce dont il s’agit dans mon grand S, parenthèse, grand A barré.
Das heißt, falls der Vermittler, anders gesagt, das Werkzeug, das man verwendet – dieses Werkzeug verwendet man bei der Kopulation –, falls dieses Werkzeug, wie offensichtlich ist, auf den Abfall zu werfen ist, so gehört das nicht zur selben Ordnung wie das, worum es bei meinem groß S in Klammern ausgestrichenes großes A geht.
C’est parce qu’il n’y a pas d’Autre, non pas là où il y a suppléance… à savoir l’Autre comme lieu de l’inconscient, ce dont j’ai dit que c’est avec ça que l’homme fait l’amour, en un autre sens du mot avec, c’est ça le partenaire.
Das ist deshalb so, weil es keinen Anderen gibt, dort nicht, wo es Ersatz dafür gibt, nämlich den Anderen als Ort des Unbewussten, worüber ich gesagt habe, dass l’homme, der Mensch / der Mann, damit Liebe macht, in einem anderen Sinn des Wortes mit, das ist hier der Partner.40
Mais ce que veut dire ce grand S de grand A comme barré – et je m’excuse de n’avoir pas eu autre chose que la barre dont me servir.
Was aber dieses S de grand A comme barré besagt, dieses groß S von A als ausgestrichen – und ich entschuldige mich, dass mir nichts anderes als die barre, der Schrägstrich, zur Verfügung stand.
Il y a une barre que n’importe quelle femme sait sauter, c’est la barre entre le signifiant et le signifié, comme – je l’espère – vous l’a prouvé le film à quoi j’ai fait allusion tout à l’heure.
Es gibt eine barre, eine Stange, die jede Frau zu überspringen weiß: das ist die barre, die Sperre, zwischen dem Signifikanten und dem Signifikat, wie es Ihnen, so hoffe ich, der Film bewiesen hat, auf den ich mich vorhin bezogen habe.
Abb. 7: Querstrich (barre)
zwischen Signifikant (S) und Signifikat (s)3
Mais il y a une autre barre qui consiste à barrer.
Es gibt jedoch noch eine weitere barre, einen weiteren Querstrich, der darin besteht, zu barrer, zu versperren.
À savoir, elle est comme cette barre-ci : , je regrette de ne l’avoir pas fait de la même façon, d’ailleurs, c’est comme ça que ça aurait été le plus exemplaire.
Das heißt, er ist wie dieser Querstrich hier: ; ich bedaure übrigens, ihn nicht genauso gemacht zu haben, so wäre es am exemplarischsten gewesen.
Elle dit que : il n’y a pas d’Autre, d’Autre qui répondrait comme partenaire, |[128] la toute nécessité de l’espèce humaine étant qu’il y ait un Autre de l’Autre.
Er besagt, dass es keinen Anderen gibt, keinen Anderen, der als Partner antworten würde, |{140} wo doch die ganze Notwendigkeit der menschlichen Gattung darin besteht, dass es einen Anderen des Anderen gibt.
C’est celui-là qu’on appelle généralement Dieu, mais dont l’analyse dévoile que c’est tout simplement La femme.
Das ist das, was man im Allgemeinen Gott nennt, wovon die Analyse jedoch enthüllt, dass es ganz einfach Die Frau ist.
La seule chose qui permette de la désigner comme La … puisque je vous ai dit que « La femme » n’existait pas, et j’ai de plus en plus de raisons de le croire, surtout après avoir vu ce film …la seule chose qui permette de supposer La femme, c’est que – comme Dieu – elle soit pondeuse.
Das einzige, was es gestattet, sie als Die zu bezeichnen – ich habe Ihnen ja gesagt, dass Die Frau nicht existiert41, und ich habe mehr und mehr Gründe, es zu glauben, vor allem nachdem ich diesen Film gesehen habe –, das einzige, was es gestattet, Die Frau zu unterstellen, ist dies, dass sie, wie Gott, eierlegend ist.42
Seulement c’est là le progrès que l’analyse nous fait faire, c’est de nous apercevoir qu’encore que le mythe la fasse toute sortir d’une seule mère, à savoir d’Ève, ben il n’y a que des pondeuses particulières.
Allerdings besteht der Fortschritt, den die Analyse uns machen lässt, darin, dass wir uns gewahr werden, dass es, obgleich der Mythos sie gänzlich aus einer einzigen Mutter hervorgehen lässt, nämlich aus Eva, dass es nur besondere Eierlegerinnen gibt.
Et c’est en quoi j’ai rappelé dans le séminaire Encore, paraît-il, ce que voulait dire cette lettre compliquée, à savoir le signifiant de ceci, qu’il n’y a pas d’Autre de l’Autre.
Abb. 8: Oben: Formeln der Sexuierung
Unten: Pfeildiagramm hierzu43
Und insofern habe ich im Seminar Encore, wie es scheint, daran erinnert, was dieser komplizierte Buchstabe besagt, nämlich der Signifikant dessen, dass es keinen Anderen des Anderen gibt.44
Voilà, tout ce que je vous raconte là n’est que sensé et à ce titre plein de risques de se tromper, comme toute l’histoire le prouve : on n’a jamais fait que ça.
So, alles, was ich Ihnen da erzähle, ist nur sensé, sinnhaft, und von daher voller Risiken, sich zu täuschen – wie die gesamte Geschichte beweist, wir haben nie etwas anderes getan.
Si je prends les mêmes risques, c’est bien plutôt pour vous préparer à ce que je pourrais vous dire d’autre, en essayant de faire une foliesophie, si je puis dire, moins sinistre que ce qu’est le Livre dit de la Sagesse, dans la Bible.
Wenn ich diese Risiken eingehe, dann eher deshalb, um Sie auf das vorzubereiten, was ich Ihnen sonst sagen könnte, wenn ich versuche, eine weniger düstere folie-sophie zu machen, wenn ich so sagen darf, als das sogenannte Buch der Weisheit in der Bibel.
Quoiqu’après tout, c’est ce qu’on peut faire de mieux, pour fonder… je vous en reconseille la lecture, elle est sobre et du meilleur ton.
Obgleich das letztlich das Beste ist, was man tun kann, um einen Grund –; ich empfehle Ihnen nochmals die Lektüre, sie ist nüchtern und trifft den richtigen Ton.
Les catholiques la font pas souvent cette lecture, il faut dire, on peut même dire que le catholicisme a consisté pendant des siècles à ce que on empêche les tenants de lire la Bible.
Die Katholiken nehmen diese Lektüre nicht oft vor, muss man sagen; man kann sogar sagen, dass der Katholizismus jahrhundertelang darin bestanden hat, die Anhänger daran zu hindern, die Bibel zu lesen.
Mais pour fonder la sagesse sur le manque, qui est la seule fondation qu’elle puisse avoir, c’est vraiment pas mal du tout, c’est gratiné.
Aber dafür, die Weisheit auf den Mangel zu gründen – das einzige Fundament, das sie haben kann –, ist das wirklich keineswegs schlecht, das ist enorm.
Arriverai-je à vous dire – il faudrait pas que ce soit seulement un rêve – arriverai-je à vous dire ce qui s’appellerait un bout de réel, au sens propre du mot bout, que j’ai précisé tout à l’heure.
Wird es mir gelingen, Ihnen zu sagen – das sollte nicht nur ein Traum sein –, wird es mir gelingen, Ihnen zu sagen, was ein Ende Reales genannt werden könnte, im eigentlichen Sinne des Wortes bout, Ende, den ich vorhin präzisiert habe?
Pour l’instant, on peut dire que Freud lui-même n’a fait que du sensé et que ça m’ôte tout espoir.
Im Moment lässt sich sagen, dass Freud selbst nur Sinnhaftes gemacht hat und dass mir das jede Hoffnung raubt.
C’est pas pour autant une raison, non pas pour que je l’espère, mais pour que je le fasse réellement un jour.
Das ist jedoch |{141} kein Grund – nicht etwa dafür, dass ich es erhoffe45, sondern dafür, dass ich es nicht eines Tages wirklich tue.
Voilà. En voilà assez pour aujourd’hui.
So, das genügt für heute.
Il faut un peu rire de temps en temps !46
Von Zeit zu Zeit muss man ein bisschen lachen.
.
PARAPHRASE MIT ERGÄNZUNGEN
Passagen in schwarzer Schrift sind Zusammenfassungen.
Passagen in eckigen Klammern in grüner Schrift sind meine Ergänzungen.
Passagen in eckigen Klammern, die mit einem Fragezeichen beginnen und hellgrün unterlegt sind, enthalten meine Fragen zum Textverständnis.
Die Zahlen in geschweiften Klammern in grauer Schrift verweisen auf die entsprechenden Seiten von:
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017.
Noch eine borromäische Verkettung
{129} Lacan beginnt die Sitzung damit, dass er seinen Hörern eine bestimmte borromäische Verkettung zeigt, eine, die Pierre Soury und Michel Thomé ihm gegeben haben [zwei Mathematiker, mit denen er bei der Entwicklung seiner Knotentheorie zusammenarbeitet].
Abb. 1: Borromäische Verkettung mit zwei unendlichen Geraden
Diese Verkettung ist von der Lacan’schen Art, d.h. zwei der Ringe sind durch unendliche Geraden ersetzt worden. [In früheren Sitzungen hatte Lacan oft darüber gesprochen: Die beiden Enden einer unendlichen Geraden berühren sich im Unendlichen, insofern bildet die unendliche Gerade eine Art Kreis und ist damit einem Ring äquivalent. Dabei muss man fordern, dass die „Kreise“, die von den beiden Geraden gebildet werden, nicht miteinander verkettet sind und sich nicht durchdringen (keinen gemeinsamen Punkt haben). Den borromäischen Charakter dieser Verkettung erkennt man, wenn man die Überkreuzungspunkte verfolgt: jede Linie muss abwechselnd unten und oben liegen, und das ist in diesem Diagramm der Fall.]
Sinn und Reales (I)
Lacan kündigt an, dass das, was er an diesem Tag sagen will, sensé sein wird, sinnhaft [sensé meint auch „sinnvoll“, „vernünftig“; er wird im Bereich des Sinns bleiben]. Weshalb er nicht das verwirklichen wird, was er eigentlich möchte, und das wäre, den Zuhörern ein bout Reales zu geben, ein Ende Reales, ein Stückchen Reales. [In der Darstellung der Beziehungen zwischen dem Realen, dem Symbolischen und dem Imaginären durch ein Diagramm der borromäischen Ringe ist der Sinn der Überschneidungsbereich des Symbolischen und des Imaginären abzüglich des zentralen Feldes für das Objekt a; dieses Feld schließt das Reale aus sich aus.] |{130} Auch das Sinnhafte hat einen Nutzen [möglicherweise ist gemeint: der Sinn kann den Weg in Richtung auf das Reale bahnen]. Dieser Nutzen ist jedoch nur provisorisch; der Sinn ist instabil.
Joyce und die Psychoanalyse
Warum hat er, Lacan, sich so ausführlich mit Joyce befasst, worin ist Joyce so anregend?
Joyce suggeriert, es gebe eine leichte Art, ihn darzustellen; deshalb beißen sich alle die Zähne an ihm aus. Es gelingt ihnen jedoch nicht; Jacques Aubert gelingt es nicht [Aubert ist der Joyce-Spezialist, der am laufenden Seminar teilnimmt und darin einen Vortrag gehalten hatte47] und auch [Robert Martin] Adams gelingt es nicht [Adams hat ein Buch über Joyce geschrieben, Surface and symbol, das Lacan interessant findet; in früheren Sitzungen hatte er sich darauf bezogen].
Lacan berichtet, dass er in der letzten Nacht von der leichten Art, Joyce darzustellen, geträumt hatte. In diesem Traum traten seine Hörer als Publikum auf, und er selbst war jemand, der die anderen Rollen beurteilte [vielleicht im Sinne von: er hat die anderen Rollen daraufhin beurteilt, ob ihnen die mühelose Art der Darstellung gelang] – insofern war er jemand, der keine Rolle hatte. Das war etwas in der Art eines Psychodramas.
Wie kommt es, dass Joyce eine leichte Art, ihn darzustellen, suggeriert? Weil es die Psychoanalyse gibt. [Joyce suggeriert, dass es möglich ist, mithilfe der Psychoanalyse den Sinn seiner Werke zu entschlüsseln.]
Lacan muss es sich versagen, ihn unter diesem Aspekt zu betrachten, allerdings nicht deshalb weil er Psychoanalytiker ist und weil er allzu verwickelt wäre. Es gibt da etwas Objektives [das verhindert, Joyce mithilfe der Psychoanalyse auf einfache Weise darzustellen]. |{131} Joyce ist ein a-Freud, mit einem Wortspiel (wie Lacan ausdrücklich erklärt) auf das ähnlich lautende affreux, „entsetzlich“ [Joyce lehnt die Freudsche Psychoanalyse ab; in Joyce das Symptom (I) hatte Lacan darauf hingewiesen]. Joyce ist ein a-Joyce. [Mit Freud/Freude und Joyce/joy kommt die jouissance ins Spiel. Gemeint ist vielleicht: Es gelingt nicht, Joyce mithilfe der Psychoanalyse darzustellen, und das hat mit der jouissance von Joyce zu tun.]
Sinn und Reales (II): „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“
Ein Objekt ist immer Objekt einer Beziehung [darauf verweist der in der Psychoanalyse übliche Terminus der Objektbeziehung]; eine Ausnahme ist das Objekt a, es ist absolut, d.h. es steht außerhalb einer Beziehung. [Das Objekt a geht, anders als ein Signifikant, nicht in Beziehungen der Substitution und Kombination ein, die Signifikanten umkreisen in ihrer Bewegung das Objekt a, das ist, wenn ich recht sehe, der reale Aspekt des Objekts a].
Ärgerlich ist, dass in der Sprache die Beziehungen durch Epitheta ausgedrückt werden [durch Attribute, wie z.B. durch „autoritär“ in „der autoritäre Vater“]. Die Epitheta drängen zum Ja oder Nein [also dazu, dass man fragt, ob einem Objekt ein bestimmtes Attribut zukommt oder nicht].
Charles Sanders Peirce hat darauf eine Logik aufgebaut. Darin betont Peirce die Beziehungen und von daher entwickelt er eine trinitarische Logik. [Peirce unterscheidet drei Arten von Objektbeziehungen und damit drei Arten von Zeichen: Legi-Zeichen (Symbole), Quali-Zeichen (Ikone) und Sin-Zeichen (Indizes).] Das ist derselbe Weg wie der, den Lacan verfolgt, nur dass Lacan (wie er über sich selbst sagt) das, worum es geht, als symbolisch, als imaginär und als real bezeichnet. [Das Symbolische entspricht bei Peirce den Symbolen, das Imaginäre den Ikonen und das Reale den Indizes.]
Zum Ja oder Nein zu drängen, heißt, zum Paar zu drängen [da die Ja/Nein-Opposition binär ist, wie die Paarbeziehung]. Denn es gibt eine Beziehung zwischen Sprache und Geschlecht. [Für Lacan bezieht sich das binäre Paar vom Typ Ja/Nein auf das Paar Mann/Frau, d.h. auf die imaginäre Dimension der Sexualität. Das Epitheton, um das es im Hintergrund geht, ist möglicherweise der Phallus und das Paar Phallus ja/nein.]
Lacan hat die Beziehung zwischen Sprache und Geschlecht zwar noch nicht vollständig ausgearbeitet, aber doch „angeschnitten“ (entamé). [Das Hauptergebnis dieser Bemühung waren Lacans Formeln der Sexuierung, die er in den Seminaren 17 bis 21 und in L’étourdit entwickelt hatte und mit denen die Logik des Prinzips „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ dargestellt werden soll.] „Angeschnitten“ ist eine Metapher [eine Metapher erzeugt, Lacan zufolge, ein Signifikat; Lacan hatte angekündigt, dass er etwas „Sinnhaftes“ sagen werde]. Was besagt diese Metapher? Lacan fordert seine Zuhörer auf, das herauszufinden; er gibt aber immerhin preis, dass sie auf das sexuelle Verhältnis verweist [wohl insofern, als sie den Schnitt und die Kastration ins Spiel bringt]. [Die Kastration ist die Ursache für das Nicht-Existieren des sexuellen Verhältnisses und sie ermöglicht zugleich, einen Ersatz dafür zu bilden.]
Das sexuelle Verhältnis besteht darin, „eine Blase für eine Laterne zu halten“, wie man im Französischen [mit einer Metapher] sagt, d.h. sich zu täuschen, sich Illusionen zu machen. [Die Metapher „eine Blase für eine Laterne halten“ ist eine Metapher über eine Metapher, da nicht nur „Blase“ und „Laterne“ Metaphern sind, sondern es zwischen beiden auch noch eine Substitiutionsbeziehung gibt und für Lacan eine Metapher nichts anderes ist als eine Substitution eines Signifikanten durch einen anderen Signifikanten.48 Lacan beginnt nun, die Metapher „eine Blase für eine Laterne halten“ auszuarbeiten, d.h. mit weiteren Metaphern anzureichern.] Eine Blase kann zur Laterne werden, wenn im Inneren Feuer gemacht wird. Das Feuer ist eine Metapher für das Reale, im Sinne von: Das Reale legt an alles Feuer. Das Feuer des Realen ist allerdings ein kaltes Feuer, seine Temperatur ist auf dem absoluten Nullpunkt [also am Punkt der absoluten Bewegungslosigkeit, die Bewegungen zwischen den Signifikanten (Metonymie und Metapher) sind erstarrt, aber auch das Imaginäre ist nicht wirksam. Das „absolut“ verweist auf das Objekt a, das ebenfalls „absolut“ ist, außerhalb einer Beziehung. Der absolute Nullpunkt ist vielleicht auch inofern das Reale, als der absolute Nullpunkt unerreichbar ist.] Das brennende Feuer [vermutlich: das Begehren] ist nur die Maske des Realen. [Hier sind wir also beim sinnhaften (metaphorischen) Zugang zum Realen, den Lacan zu Beginn der Sitzung angekündigt hatte.]
|{132} Das Reale ist die untere Grenze, und damit gibt es hier etwas Orientierbares. [Die Temperatur lässt sich durch eine Linie darstellen, die einen absoluten Nullpunkt hat und die unendlich lang ist; diese Linie ist orientiert, d.h. sie hat eine Richtung: sie führt vom Nullpunkt zum Unendlichen.] [? Lacan spricht hier statt von „Orientierung“ von „Orientierbarkeit“; dieser Begriff bezieht sich in der Mathematik normalerweise auf Flächen, nicht auf Linien. Ist das hier relevant?] [Lacan spielt hier auf Freuds These (in Jenseits des Lustprinzips) an, dass der Todestrieb möglicherweise die Tendenz hat, das Erregungsniveau auf Null zu bringen.]
Abb. 2: Feld des Sinns im Diagramm der borromäischen RSI-Ringe49
Die Orientierung ist kein sens, kein Sinn [sens meint nicht nur „Sinn“ im Sinne von „Bedeutung“, sondern auch „Richtungssinn“, „Richtung“; Lacan stellt klar, dass hier mit sens die Bedeutung gemeint ist]. Der Sinn besteht in der „Kopulation“ des Symbolischen und des Imaginären [im Diagramm der borromäischen Ringe ist „Sinn“ die Überschneidungsfläche zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären.50] [Lacan greift ein Thema der vorangegangenen Sitzung auf: das der Orientierung der Ringe. Mit der „Orientierung“ eines Rings ist gemeint, dass die Darstellung des Rings in der Zeichnung eine Richtung hat, die durch einen Pfeil angezeigt wird. In der vorangegangenen Sitzung hatte Lacan nach dem Verhältnis zwischen dem Sinn (der Bedeutung, dem Signifikat) und der Orientierung gefragt, und er hatte vorgeschlagen, diese Beziehung als Zeit aufzufassen.51]
Die Orientierung des Realen - in der Dreiheit von Symbolischem, Imaginärem und Realen – verwirft den Sinn [im Diagramm der borromäischen Ringe verläuft der Ring des Realen außerhalb des Überschneidungsbereichs, der von Lacan als Bereich des Sinns bestimmt wird]. [? Warum spricht er hier von „Orientierung“ des Realen statt einfach nur vom Realen?]
Verwerfungen
Gibt es noch eine andere Verwerfungen als die Verwerfung des Namens-des-Vaters? [Seit dem Aufsatz über die Psychose erklärt Lacan die Psychose durch die Verwerfung des Namens-des-Vaters – „Verwerfung“ im Gegensatz zu „Verdrängung“ (Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht, 1959). Die Psychose beruht darauf, dass ein Signifikant mit der Funktion „Name-des-Vaters“ verworfen ist, d.h. er wird im Psychismus gebraucht, er ist jedoch nie gebildet worden und das Fehlen ist irreparabel. In einer früheren Sitzung dieses Seminars hatte er die psychische Struktur durch die faktische Verwerfung der Vaterfunktion charakterisiert (10. Februar 1976).] Die Verwerfung hat etwas Radikaleres. [Damit könnte gemeint sein: Die Verwerfung des Namens-des-Vaters ist nur eine der Formen der Verwerfung.] Der Name-des-Vaters ist letztlich etwas „Leichtes“. [? Was könnte das heißen? Dass der Name-des-Vaters eine einfache Form der Verwerfung ist?]
Diese Verwerfung [des Namens-des-Vaters] kann zu etwas dienlich sein, anstelle der Verwerfung des Sinns durch die Orientierung des Realen; aber soweit sind wir noch nicht. [Lacan spricht hier also über zwei Formen der Verwerfung: Verwerfung des Sinns durch das Reale; Verwerfung des Namens-des-Vaters in der Psychose. Die Verwerfung des Namens-des-Vaters kann zu etwas dienlich sein – damit kündigt Lacan vermutlich seine These über Joyce an, die er in der letzten Sitzung darlegen wird, nämlich dass dieser, um die Verwerfung des Namens-des-Vaters zu kompensieren, einen „vierten Ring“ ausgebildet hat, den Ring des „Ego“.52]
Man muss sich an einem neuen Imaginären abarbeiten, einem Imaginären, das sich auf den Sinn bezieht [man muss sich auf das Imaginäre unter dem Aspekt beziehen, dass es in der Überlagerung mit dem Symbolischen den Sinn ergibt]. [Dieses Imaginäre ist ein neues Imaginäres; das könnte sich wieder auf den vierten Ring beziehen, den Ring des Ego.]
Der Diskurs der Psychoanalyse
Eben dies versucht Lacan mit seiner Sprache einzuführen. [Das ist (unter anderem?) eine Anspielung auf Lacans These „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache“, wie zwei Sätze später deutlich gesagt wird.]
Abb. 3: Diskurs des Analytikers
Lacans Sprache hat den Vorzug, dass sie [in einer Art Wette] auf die Psychoanalyse setzt; und sie setzt insofern auf die Psychoanalyse, als Lacan versucht, die Psychoanalyse als Diskurs zu etablieren [vor allem mit der Formel vom Diskurs der Psychoanalyse, zuerst ausgearbeitet in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse]. Dabei versucht er, Lacan, die Psychoanalyse als den wahr-scheinlichsten Schein zu etablieren. [Im Diskurs der Psychoanalyse wird der Platz des Scheins (das ist seit Seminar 18 der Platz oben links) vom Objekt a besetzt. Der Platz des Scheins beruht auf dem Platz der Wahrheit (unten links); der Schein ist Schein der Wahrheit – er ist „wahr-scheinlich“; der Schein ist das, worin die Wahrheit sich zugleich zeigt und verbirgt. Vielleicht soll gesagt werden: Verglichen mit den drei anderen Elementen, die den Platz des Scheins besetzen können – S1 (im Diskurs des Herrn), S2 (im Diskurs der Universität) und $ (im Diskurs der Hysterikerin) – ist das Objekt a am Platz des Scheins (also im Diskurs der Analyse) am „wahr-scheinlichsten“, es kommt der Wahrheit am nächsten. Die Anspielung auf die Wette verweist möglicherweise auf Pascals Wette, die Lacan in Seminar 13 von 1965/66, Das Objekt der Psychoanalyse, ausführlich auf das Objekt a bezogen hatte.]
Die Psychoanalyse ist ein Beispiel für einen Kurzschluss, der über den Sinn läuft, wobei der Sinn die Kopulation der Sprache mit unserem eigenen Körper ist – der Sprache, mit der Lacan das Unbewusste stützt. [Die Psychoanalyse läuft über den Sinn, d.h. über die Deutung. Dieser Sinn ist ein Kurzschluss – das bezieht sich wieder auf das Diagramm der borromäischen Ringe, in dem das Feld des Sinns durch die Überlagerung zweier Ringe erzeugt wird, des Rings des Imaginären und des Rings des Symbolischen. Diese Überlagerung ist ein Kurzschluss – das Reale (das beide zusammenhält) wird ausgeklammert; die Deutung umgeht das Reale. Beim Ring des Symbolischen hat man hier an die Sprache zu denken und bei Sprache an die These, dass das Unbewusste strukturiert ist wie eine Sprache; der Ring des Imaginären ist auf den eigenen Körper zu beziehen.]
Milnors Verdoppelung der Whitehead-Verkettung
Lacan erwähnt, dass er (in einer Veranstaltung außerhalb des Seminars) nach einem Vortrag von Jacques Aubert über das gesprochen hat, was die Engländer als ego bezeichnen und die Deutschen als Ich, und dass er dabei von einer Verkettung ausging, die ein berühmter Mathematiker namens [James Willard] Milnor konstruiert hat.
Abb. 4: Whitehead-Verkettung
[Lacan spricht hier von einem „Knoten“; der in der Mathematik übliche Terminus für diese Art der Verbindung ist „Verkettung“ oder „Link“ oder „Verschlingung“ – eine Verkettung ist eine Verbindung mehrerer Knoten (auch das Gebilde, das Lacan als „borromäischer Knoten“ bezeichnet, ist, in der üblichen Terminologie, eine Verkettung). Die Ringe der borromäischen Ringe sind, knotentheoretisch gesehen, Knoten ohne Selbstverschlingung, d.h. „triviale Knoten“ oder „Unknoten“.] Bei dieser Verkettung hat eines der beiden Elemente die Form eines Ovals, das andere die einer Acht. [Diese Verkettung wird üblicherweise „Whitehead-Verkettung“ genannt; in Millers Version des Seminars wird sie irrtümlich als „Milnors Knoten“ bezeichnet.] Die beiden Elemente sind miteinander „verknotet“, wie Lacan sagt, sie sind fest miteinander verschlungen, verlinkt, verkettet [– um die Verbindung zu lösen, muss man eines der Elemente auftrennen]. Lacan betont wieder einmal, dass er Schwierigkeiten hat, die Verkettung korrekt anzuzeichnen.
Abb. 5: Whitehead-Verkettung nach Durchdringung
an der Stelle der Selbstüberkreuzung
|{133} Milnor hat nun auf Folgendes hingewiesen. Wenn man Selbstdurchdringung akzeptiert und an der Überkreuzungsstelle des achtförmigen Knotens die obere Schnur nach unten verschiebt und die untere nach oben, hat man keine Verkettung mehr – die beiden Knoten, aus denen sie besteht, fallen auseinander. Das ist bei vielen Verkettungen der Fall [wenn Selbstdurchdringung zugelassen wird, fallen viele Verkettungen auseinander].
Abb. 6: Milnors (?) Verdoppelung der Whitehead-Verkettung
Man kann die beiden Elemente, aus denen diese Verkettung besteht, verdoppeln, so dass man ein doppeltes Oval und eine doppelte Acht erhält. [Ich vermute, dass es diese Verdoppelungsidee ist, die auf Milnor zurückgeht.] Das Merkwürdige ist: Bei dieser Verdoppelung führt die Selbstdurchdringung keineswegs mehr zur Auflösung der Verkettung – wir können an den Kreuzungsstellen die Position der oberen und der unteren Schnur gegeneinander austauschen, die Verkettung bleibt dennoch erhalten.
[Lacan hatte in seiner Bemerkung nach dem Vortrag von Jacques Aubert über die Verdoppelung des ego gesprochen; auf diese Verdoppelungsidee könnte ihn die Verdoppelung der Whitehead-Verkettung gebracht haben. In der letzten Sitzung von Seminar 23 wird Lacan das ausführen: Die psychische Struktur von Joyce kann demnach als eine Verkettung von vier Elementen begriffen werden, bei welcher der Ring des Imaginären eigentlich herausfällt, bei welcher der Knotens des Imaginären jedoch verdoppelt ist, wodurch die Verkettung hält; den vierten Ring – den Reparatur-Ring – bezeichnet Lacan dort als Ring des ego (mit dem englischen Wort) bzw., mit dem deutschen Wort, als Rings des „Ichs“.53]
[Ich vermute, dass sich Lacans Forderung, man müsse sich „an einem neuen Imaginären“ abarbeiten, auf die Idee bezieht, das Imaginäre durch das ego bzw. das Ich* zu verdoppeln.]
Nicht-Äquivalenz von S(Ⱥ) und Φ
|{134} Lacan wechselt nun zum „Algorithmus“ [zum quasi-algebraischen Symbol] S(Ⱥ), großes S und dann, in Klammern, großes A mit Schrägstrich. In Seminar 20 von 1972/73, Encore, hatte er dagegen protestiert, das Symbol S(Ⱥ) mit der Funktion von Phi [also von Φ] gleichzusetzen. Lacan betont, dass er sich nicht auf das kleine φ bezieht [das den imaginären Phallus repräsentiert, den Phallus in der Ordnung des Körperbildes, etwa als aufgerichteter Körper]. Er bezieht sich auf das große Φ [ich nehme an: auf den Phallus als Signifikanten des Jouissance-Verlusts, der Kastration]. Dieses Φ ist [in den Formeln der Sexuierung] eine Funktion [die phallische Funktion wird dort als Φx geschrieben]. In den vier Formeln der Sexuierung gibt es eine Formel, bei der die Funktion Φx negiert wird: [Es gibt ein Element, bei dem Φ negiert ist, anders gesagt: Es gibt ein Element, das der Kastration entgeht; dieses Element entspricht Freuds mythischem Urvater; vgl. auf dieser Website den Artikel Die Formeln der Sexuierung.]
Ein Ende Reales
Das Ideal des Mathems besteht darin, dass alles miteinander korrespondiert [dass die verschiedenen Formeln einen Zusammenhang bilden]. Aber genau darin fügt das Mathem dem Realen etwas hinzu [nämlich das Ideal der Übereinstimmung]. Denn im Gegensatz zu dem, was man sich vorstellt, ist dies [das Korrespondieren] nicht das, worauf das Reale abzielt. [Damit soll offenbar gesagt werden, dass S(Ⱥ) und Φ zwei Zugänge zum Realen sind, die nicht miteinander korrespondieren.]
Das Reale im Sinne von Lacan ist nur in [isolierten einzelnen] bouts zu erreichen, in Enden, in Stückchen, in Ecken [in einzelnen logischen Sackgassen: Widersprüchen, Unentscheidbarkeiten, Unbeweisbarkeiten, Unvollständigkeiten].54 Das Reale ist nur in einem trognon zu erreichen, in einem Strunk [ein trognon ist der Rest einer abgeknabberten Frucht; ein trognon ist beispielsweise der Apfelkitsch (wie ich als Kind gesagt habe), der Apfelgriebsch (wie man sich in Berlin ausdrückt). Lacan spielt hier vermutlich an auf das Objekt a als Rest. Das Objekt a hat eine imaginäre, eine symbolische und eben auch eine reale Seite: als Rest.]
Zu diesem Strunk dichtet das Denken etwas hinzu [indem es darauf abzielt, Korrespondenzen herzustellen].
Das Stigma des Realen besteht darin, sich mit nichts zu verbinden [also auch darin, keine Korrespondenzen herbeizuführen]. [Ein Stigma ist ein Wund- oder Brandmal; vielleicht soll angedeutet werden: Das Reale, das sind die nicht symbolisierbaren Traumata, die durch die Einwirkung der Sprache auf den Körper hervorgerufen werden.]
Das Reale hat kleine historische Emergenzen, beispielsweise hat Newton [mit seiner Gravitationsformel] ein Stückchen des Realen gefunden. [Die Gravitationsformel besteht aus Buchstaben; sie bricht mit dem, was vorstellbar ist – sowohl mit der imaginären Raumvorstellung als auch mit dem Sinn, der durch das Sprechen erzeugt werden kann.] Das hat denen, die damals Denker waren, Angst gemacht. Kant beispielsweise hat aus Newton eine Krankheit gemacht. [Das bezieht sich möglicherweise auf Kants transzendentale Ideen (Gott, Freiheit, Unsterblichkeit), die Lacan in Radiophonie als Antwort auf Newton gedeutet hatte; die Krankheit wäre dann vielleicht das, was Kant als den mit diesen Ideen verbundenen „transzendentalen Schein“ bezeichnet. Die Bemerkung zielt eventuell aber auch darauf, dass Kant nach den metaphysischen Grundlagen von Newtons Bewegungsbegriff gefragt hatte (dies in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, 1786).] Aber auch die anderen Denkenden der damaligen Zeit haben daraus eine Krankheit gemacht, etwa Emilie du Châtelet [die wie Kant nach den metaphysischen Grundlagen von Newtons Physik fragte, vor allem in Institutions de physique (1740). Kant bezieht sich auf Châtelet (in seinen Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte, 1746). In der sogenannten Kant-Eberhard-Kontroverse (1789/90) über das Verhältnis von Newton, Leibniz und Kant war einer der Vorwürfe von Johann August Eberhard gegen Kant, dass er Ideen von Châtelet übernommen habe.] Die enorme Wirkung von Newton ist ein Zeichen dafür, dass der Strunk erreicht wurde [also ein Stückchen des Realen].
„Es gibt kein sexuelles Verhältnis“
{135} Lacan versucht [wie Newton] ein Ende Reales zu liefern, und zwar mit der These „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“. Das Reale, das Lacan zu geben versucht, bezieht sich [anders als das von Newton] auf die menschliche Gattung.
Das ist jedoch eine Ausschmückung, etwas Hinzugedichtetes. Der Satz „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ operiert mit dem Nein, also mit dem Gegensatz von Ja und Nein; das „Es gibt kein“ ist durch das Nein mit der Gegenthese verbunden, mit dem „Es gibt ein sexuelles Verhältnis“. [Lacan knüpft hier an eine frühere Bemerkung in dieser Sitzung an: Mit den Epitheta sind wir bei der Zwei, und zur Zwei zu drängen, heißt zum Paar zu drängen. Durch die Negation ist der Satz „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ mit der Illusion des sexuellen Verhältnisses verbunden.]
Haben und Sein
Man erkennt sich nur in dem, was man hat, nie in dem was man ist, das ist in der Tatsache des Unbewussten enthalten und der erste Schritt der Psychoanalyse. [Möglicherweise deutet Lacan hier voraus auf die letzte Sitzung dieses Seminars, wo es heißen wird, dass man der Körper keineswegs „ist“, sondern dass man seinen Körper „hat“.55 Demnach ordnet Lacan in diesem Seminar das „Haben“ dem Körper zu (dem Imaginären) und das „Sein“ dem Unbewussten (dem Symbolischen). Es könnte also gemeint sein: Das, was der Selbsterkenntnis zugänglich ist, bezieht sich auf das Imaginäre, nicht auf das Symbolische.]
Das Sein des Mannes gehört zur Ordnung dessen, wodurch die Kopulation umgeleitet wird zur Kopula, die mit dem Verb sein gebildet wird.
[In der klassischen Logik haben Aussagen die Form „S ist P“; darin steht S für das logische Subjekt und P für das logische Prädikat; das Partikel „ist“ (oder „sind“) wird als „Kopula“ bezeichnet. Beispielsweise ist in „Katzen sind Lebewesen“ das Wort „Katzen“ das logische Subjekt, „sind“ ist die Kopula und „Lebewesen“ ist das logische Prädikat.– Eine der Bedeutungen der Kategorie „Sein“ (also des Grundbegriffs der Ontologie) ist die logische Kopula; das ist ein vieldiskutiertes Thema der Philosophie.]
[In dem Aufsatz Die Bedeutung des Phallus (Vortrag von 1958, veröffentlicht 1966) hatte Lacan den Phallus zugleich auf die Kopulation und auf die Kopula bezogen. Dort hieß es: Der Phallus wurde als Signifikant ausgewählt, weil er das Hervorstechendste der Kopulation sei und weil er zugleich das Symbolischste sei, da er der logischen Kopula gleichgelte.56 Also ist diese Bemerkung möglicherweise eine Anspielung auf den Phallus.]
Das Auslöschen der Spur
.„Die Sprache findet in ihrer Beugung zur Kopula hin den Beweis, dass sie eine Umleitung ist, die ganz und gar Blase ist, das heißt dunkel.“ [Vessie (Blase) meint im übertragenen Sinne etwas Unnützes, Bedeutungsloses – als wäre es mit Luft aufgeblasen.] „Dunkel“ ist nur eine Metapher [die auf dem hell/dunkel-Gegensatz beruht, also, wie das Ja/Nein, auf der Zwei, auf dem Paar]. Im Realen ist das Licht nicht dunkler als die Finsternis [das „Reale“ ist hier vielleicht das Licht, wie es in der Perspektive der mathematisierten Physik erscheint, jenseits der Bindung an den eigenen Körper, an das Imaginäre]. „Die Metapher Kopula ist kein Beweis an sich.“ [? Ist vielleicht dies gemeint: Das „ist“ im logischen Satz wird als „Kopula“ bezeichnet; das ist noch kein Beweis für den Zusammenhang von Sein und Kopulation – ?]
Das ist die Art, wie das Unbewusste vorgeht (procède), wie es „prozediert“ [nämlich durch Bildung von Metaphern; Lacan spielt auf Freuds „Primärvorgang“ an, im Französischen processus primaire; der Primärvorgang besteht unter anderem in der „Verdichtung“, in Lacans Begrifflichkeit: in der Bildung von Metaphern]: Das Unbewusste liefert Spuren, die sich selbst auslöschen. [Das Unbewusste zeigt sich gelegentlich und verschwindet dann wieder. In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, hatte Lacan vom „Pulsieren“ des Unbewussten gesprochen.57] Darüber hinaus ist jeder Diskursgebrauch bestrebt, diese Spuren auszulöschen, dies gilt auch für den Gebrauch des analytischen Diskurses. [Die vier Diskurse werden durch das Element charakterisiert, das am Platz oben links ist. Dieser Platz heißt zunächst Platz des Agenten (in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse); in Seminar 18 wird er umbenannt in Platz des Scheins (Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre, 1971). Jeder Diskurs ist ein Diskurs, der vom Schein ausgeht, d.h. jeder Diskurs zielt darauf ab, das Reale zu verschleiern. Der psychoanalytische Diskurs tut dies dadurch, dass er mit Sinn operiert, mit Deutungen.]
Lacan sagt seinen Zuhörern voraus, dass sie versuchen werden, die Spuren von Lacans Diskurs auszulöschen. [? Was ist hier mit „Lacans Diskurs“ gemeint? Die Seminare und Schriften von Lacan? Der Diskurs des Analytikers?]
Denn er, Lacan, habe begonnen, dem Diskurs des Analytikers seinen Status zu verleihen [wohl mit der Formel vom Diskurs des Analytikers in Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse]. Darin ist das Objekt a am Platz des Scheins, und das heißt, dass sich der Mensch [der Psychoanalytiker] an den Platz des Abfalls begibt. Tatsächlich ist der Mensch ein Abfall, zumindest in den Augen eines Psychoanalytikers. [Das ist eine Bemerkung über das „Sein“ des Menschen.] [Inwiefern ist der Mensch ein Abfall? Diese Frage versucht der nächste Satz zu beantworten:] Man muss |{136} durch diesen „entschiedenen Abfall“ hindurchgehen [also durch das Objekt a], um vielleicht etwas von der Ordnung des Realen wiederzufinden. [Die Rede vom „entschiedenen Abfall“ bringt die Position des Analytikers als Objekt a mit der Entscheidung zusammen. Vielleicht ist gemeint: Diese Position einzunehmen, beruht auf einer Entscheidung.]
Kein Fortschritt
Der von Lacan verwendete Ausdruck „wiederfinden“ ist allerdings problematisch (wie Lacan, sich selbst kommentierend, sagt): Das Wort suggeriert, als wäre alles von der Ordnung des Realen bereits gefunden worden. Das ist die Falle der Geschichte. Die Geschichte ist das größte Phantasma – hinter der Geschichte der Fakten gibt es den Mythos [man denke an die Kritik der Annales-Schule an der Historiographie als „Erzählung“]. [Der Mythos lebt von der Vorstellung der Rückkehr zu einem Ursprung].
Das zeigt sich an Joyce. Zunächst bezeugt er sorgsam das Sinthom Dublin [in den Dubliners und in Ulysses]. [Lacan begreift „Dublin“ als Sinthom, d.h. als eine Ersatzlösung, ohne hierfür eine Begründung zu geben. Möglicherweise spielt er hier auf die Home-Rule an, von der er in der ersten Sitzung dieses Seminars als sint-home rule gesprochen hatte.58 Das Sinthom Dublin wird nur durch sein eigenes Sinthom beseelt [also dadurch, dass er sich, als Ersatz für die faktische Verwerfung der Funktion des Vaters, einen Namen zu machen versucht, durch ein Werk, das alle Welt beschäftigt59].Danach aber verfällt er dem Mythos Vico, der Finnegans Wake zugrunde liegt. [Vico zufolge ist die Geschichte ein zyklischer Prozess, in dem sich die Abfolge von drei Zeitaltern beständig wiederholt: religiöses Zeitalter, heroisches Zeitalter, menschliches Zeitalter (Die neue Wissenschaft, 1725).]
Davor [diesem Mythos ganz und gar zu verfallen] bewahrt Joyce nur dies, dass Finnegans Wake sich als Traum darstellt. [Darin sind sich die Spezialisten offenbar einig: Finnegans Wake hat die Form eines Traums.] Damit zeigt Joyce, dass Vico ein Traum ist. Ein Traum ist auch das [theosophische] Geschwätz von Frau Blavatsky [auf das Joyce in Finnegans Wake gelegentlich anspielt], mit der Idee des Manvantara und der zyklischen Wiederholung [die Blavatsky aus dem Hinduismus übernimmt]. [Ein Manvantara ist im Hinduismus eine Geschichtsperiode, die sich zyklisch wiederholt.]
In diese Idee [der zyklischen Wiederholung] ist Lacan, so sagt er über sich selbst, mit dem Ausdruck „wiederfinden“ zurückgefallen. Man findet nicht wieder, man findet. Sicherlich kann man auch wiederfinden, aber das zeigt dann, dass man sich im Kreis gedreht hat. Immerhin hat der Ausdruck „wiederfinden“ den Vorzug, dass er deutlich macht, dass es keinen Fortschritt gibt, dass man sich vielmehr im Kreise dreht. [Vielleicht eine Anspielung auf Lacans Theorie der vier Diskurse, die durch eine Kreisbewegung ineinander übergehen.]
Freud hat noch einen anderen Weg gefunden, um zu sagen, dass es keinen Fortschritt gibt: das Konzept des Todestriebs. [Freund erfindet das Konzept des Todestriebs, um das Rätsel des Wiederholungszwangs zu erklären. Hiernach wird die belebte Materie durch den Konflikt zweier Triebgruppen bestimmt, der Lebenstriebe und der Todestriebe. Die Todestriebe zielen darauf ab, einen früheren Zustand wiederherzustellen, letztlich sind sie darauf aus, das Lebewesen in einen anorganischen Zustand zurückzubringen.] Damit sagt Freud, dass es keinen Fortschritt gibt, der nicht vom Tod gezeichnet wäre. [Mit der Todestriebhypothese kritisiert Freud ausdrücklich die Vorstellung eines Vervollkommnungstriebs; die Wissenschaft des Lebenden zeige uns, „dass Höherentwicklung in einem Punkte sehr häufig durch Rückbildung in einem anderen erkauft oder wettgemacht wird“60.]
Der Todestrieb ist das Reale, insofern der Tod das Unmögliche ist, d.h. das, was zu denken unmöglich ist. Die Hoffnung, dieses Unmögliche anzugehen, |{137} ist illusorisch. Denn der [eigene] Tod ist [wie Freud sagt] undenkbar – der [eigene] Tod ist insofern etwas Reales, als er nicht gedacht werden kann. [Freud zufolge ist der eigene Tod unvorstellbar, und unbewusst sei jeder von seiner eigenen Unsterblichkeit überzeugt.]
Joyce, das unanalysierbare Symptom
Joyce hegte gegenüber der Geschichte die größte Verachtung; er bezeichnete sie als einen Albtraum, der große Worte auf uns loslässt, die uns viel Leid zufügen [genau gesagt ist es Stephen Dedalus, der im Ulysses die Geschichte als Albtraum bezeichnet]. Joyce fand schließlich keine andere Lösung [für den Umgang mit dem Albtraum der Geschichte] als die, Finnegans Wake zu schreiben, also einen Traum [– der Roman Finnegans Wake hat die Form eines Traumes]; dieser Traum ist, wie jeder Traum, ein Albtraum, auch wenn er ein gemäßigter Albtraum. [? Gibt es für die These, jeder Traum sei letztlich ein Albtraum, eine Stütze bei Freud? Hat Lacan diesen Gedanken schon früher vorgetragen?]
In Finnegans Wake ist der Träumer keine bestimmte Figur [wie manche Finnegans-Wake-Experten annehmen], sondern der Träumer ist der Traum selbst. [Das heißt wohl, Lacan nimmt an, dass Finnegans Wake eine integrierte Traumstruktur hat und dass der Finnegans-Wake-Traum durch eine Art allwissenden Erzähler erzählt wird. Hierfür stützt er sich vermutlich auf Clive Hart, der das so sieht und den er mehrmals zustimmend erwähnt.]
Damit gleitet Joyce ab in C.G. Jung und in das kollektive Unbewusste [Clive Hart zufolge versucht Joyce in Finnegans Wake, kollektive Archetypen à la Jung zu schaffen]. Das kollektive Unbewusste ist ein Symptom, und das beste Beispiel dafür ist Joyce, der sich einbildet, mit Finnegans Wake an diesem Symptom beteiligt zu sein. [Ein Symptom von Joyce bestünde also darin, dass er versucht, mit Finnegans Wake Archetypen des kollektiven Unbewussten zu schaffen.]
Dies ist das Zeichen für Lacans Blockierung (sagt Lacan über sich selbst): Joyce ist das Symptom [dies ist der Titel von Lacans Vortrag zum 5. Internationalen Joyce-Symposium: Joyce das Symptom, vor Beginn des Sinthom-Seminars vorgetragen], das, was Joyce vorbringt, ist das Symptom, allerdings ein Symptom, das sich nicht analysieren lässt. [In Joyce das Symptom (I) hatte Lacan über Joyce gesagt, „sein Abonnement auf das Unbewusste war gekündigt“61.]
Lacan erinnert daran, dass er vor kurzem [nach einem Vortrag von Jacques Aubert] gesagt hatte, ein waschechter Katholik wie Joyce, der von Jesuiten ordentlich erzogen worden ist, sei nicht analysierbar [und zwar deshalb nicht, weil Freuds Beitrag auf demselben Prinzip beruhe wie der Katholizismus – wie der Katholizismus verweise Freud in Das Unbehagen in der Kultur einfach darauf, dass etwas nicht rund läuft]. Jacques-Alain Miller habe ihn damals darauf aufmerksam gemacht, dass er dasselbe bereits über die Japaner gesagt hatte. [Im Hinweis für den japanischen Leser (1972) hatte Lacan anlässlich der Übersetzung seiner Schriften ins Japanische behauptet, Japaner seien aufgrund bestimmter Eigentümlichkeiten der japanischen Sprache dem Unbewussten verschlossen und hätten keinen Bedarf nach Psychoanalyse.]
„Im Reich der Sinne“
{138} Lacan erwähnt, dass er eine private Vorführung des „erotischen“ [d.h. pornographischen] Films Im Reich der Sinne gesehen hat [der im selben Jahr fertiggestellt worden war]; in diesem Film werde die weibliche Erotik ins Extrem gebracht. Es wird ein Phantasma dargestellt, und zwar das Phantasma, den Mann zu töten. Danach schneidet die Frau ihrem Partner den Schwanz ab, und Lacan findet diese Reihenfolge unplausibel: warum entfernt sie ihm den Penis nicht vor der Tötung? Es geht ihm, Lacan, dabei, so sagt er, um das Verhältnis von Phantasma und Kastration. Die Kastration [im Sinne von Lacan] ist nicht das Phantasma [als das sie bei Freud erscheint]. Allerdings ist die Funktion der Kastration in der Analyse nicht leicht zu bestimmen, da die Kastration in ein Phantasma verwandelt werden kann [wie z.B. im Film Im Reich der Sinne: die Kastrationsszene nach der Mordszene].
Φ und Phonetisierung
An diesem Punkt kommt Lacan auf seinen Buchstaben groß Phi zurück, also Φ. Das große Phi kann auch der erste Buchstabe von „Phantasma“ sein. [Aber für gewöhnlich verwendet Lacan das große Phi für „(symbolischer) Phallus“.]
{139} Lacans formuliert nun die folgende These: Der Buchstabe Phi verortet die Beziehungen einer Phonationsfunktion [also einer Funktion der Lautbildung, der Stimmgebung] – das Wesen von Phi ist eine Phonationsfunktion. Diese Phonationsfunktion ist ein Ersatz für das Männchen, das als „Mann“ bezeichnet wird. [Lacan knüpft hier an Jacques Auberts Vortrag in einer früheren Sitzung des Sinthom-Seminars an sowie an Lacans eigene Antwort darauf (beides in der Sitzung vom 20. Januar 1976): Eines von Auberts Themen war die Funktion der Stimme des Vaters in der Beziehung zwischen Vater und Sohn. Im Ulysses werden Gewissheit und Legitimität (laut Aubert) auf imaginäre Weise inszeniert, nämlich durch Stimmeffekte: Selbst wenn ein väterliches Wort in dem, was es inhaltlich sagt, umstritten sei, scheine etwas davon in die „Personierung“ überzugehen, „in das, was hinter der Personierung liegt, vielleicht auf Seiten der Phonation“62. Das habe etwas mit der Beziehung von Joyce zu seinem eigenen Vater zu tun, zu John Joyce. Dieser war ein guter Sänger, und der Sohn hatte dieselbe Fähigkeit. Aubert: „Aber in dieser Kunst der Stimme, der Phonation, ist etwas anderes an den Sohn übergegangen, für ihn bereitgestellt. Kurz, wenn die Gewissheit in Bezug auf das, was er produziert, immer etwas mit dem Spiegel zu tun hat, mit den Spiegelwirkungen, die aufzuzählen wären, hat das auch mit den Stimmwirkungen des Signifikanten zu tun.“63 Lacan hatte hierzu angemerkt, die Phonation übermittele die dem Eigennamen eigene Funktion (eines von Auberts Beispielen für die Phonation war der Eigenname Molly), und er hatte gefragt, ab wann sich die geschriebene Bedeutung von der Phonation unterscheidet.64
[Ich nehme an, dass die ausführliche Version von Lacans Bemerkung über die Phonationsfunktion und das „Männchen“ etwa so lauten könnte: Aubert bezieht die Phonation auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn und auf die Weitergebe der Legitimität – es gibt eine Weitergabe der Stimme vom Vater an den Sohn (man sagt ja etwa: „seine Art zu sprechen, hat er vom Vater“), und dabei geht es um Weitergabe einer Legitimität, also um die Weitergabe von Autorität, um die Weitergabe der Position des legitimen Sprechers. Das hat Aubert richtig festgestellt. Das heißt aber – so könnte er, Lacan, hinzufügen –, dass man hier den Phallus als Signifikanten der Männlichkeit ins Spiel bringen muss. Die Weitergabe des Phallus kann unter anderem die Form der Stimmgebung annehmen, der Sohn spricht wie der Vater oder er singt wie der Vater, wie es bei Joyce der Fall ist. Die Stimmgebung fungiert dabei als Ersatz für die Männlichkeit auf der Ebene des Geschlechts, als Ersatz für den Mann als Männchen.]
Unterschied zwischen Φ und S(Ⱥ)
Anschließend wendet Lacan sich gegen die Auffassung, Φ sei ein Ersatz für S(Ⱥ) – tatsächlich ist S(Ⱥ) etwas ganz anderes als Φ. [Groß Phi wird als „Phallus“ gelesen, S(Ⱥ) als „groß S, in Klammern ausgestrichenes großes A“ bzw. „Signifikant des Anderen, insofern er ausgestrichen ist“ (signifiant de l’Autre en tant que barré) (Seminar 5 von 1958) oder als „Signifikant eines Mangels im Anderen“ (signifiant d’une manque dans l’Autre)65. Aus dem Folgenden lässt sich erraten, dass bei der Diskussion über den japanischen Film irgendjemand behauptet hatte, Φ sei ein Ersatz für S(Ⱥ).]
S(Ⱥ) ist keineswegs das, womit l’homme, Mann oder Mensch, Liebe macht; Liebe macht l’homme mit seinem Unbewussten [mit seinem Phantasma]; das Unbewusste ist beim Liebemachen sein Partner. Insofern gibt es [für den Mensch/Mann im Liebesakt] keinen Anderen [keinen Partner des anderen Geschlechts], sondern eine Stellvertretung für den Anderen, nämlich das Unbewusste als Ort des Anderen.
Wenn man sich an den japanischen Film hält, den er, Lacan, gesehen hat [und wenn man sich dabei auf das Verhältnis von Phantasma und Kastration in der Perspektive der Frau bezieht], ist das, was die Frau phantasiert [nämlich die Tötung des Mannes], etwas, wodurch die Begegnung [zwischen den Geschlechtern] verhindert wird. [Soweit zur Phantasie, nun zur im Film dargestellten Kastration:] Falls das Instrument, mit dem man bei der Kopulation operiert [im Film also der Penis], zum alten Eisen zu werfen ist [wie in diesem Film], handelt es sich dabei keineswegs um etwas, worauf sich S(Ⱥ) bezieht.
Bezogen auf das Symbol S(Ⱥ) bedauert Lacan, so sagt er, dass ihm nur la barre zur Verfügung stand, der Schrägstrich [auf dem A].
[Lacan erinnert an eine weitere barre:] Es gibt eine barre, eine Stange, die jede Frau zu überspringen weiß: die Sperre / den Querstrich zwischen Signifikant und Signifikat [also die Sperre, durch die das Signifikat in der Verdrängung gehalten wird]. Dies beweist der erwähnte japanische Film.
[La barre zwischen Signifikant und Signifikat wird von Lacan so dargestellt66]
Abb. 7: Querstrich (barre) zwischen Signifikant (S) und Signifikat (s)
[? Inwiefern ist jede Frau in der Lage, diesen Sprung zu vollziehen? Und inwiefern zeigt das der Film?]
Es gibt aber noch einen weiteren Strich. Dieser weitere Strich ist wie dieser Strich hier: [also der Überstrich, der in der Logik als Negationszeichen verwendet wird]; Lacan bedauert, dass er ihn nicht genauso gemacht hat [dass er bei A keinen Negationsstrich verwendet hat], das wäre am exemplarischsten gewesen.
Dieser weitere Strich [vermutlich der Schrägstrich auf dem A in S(Ⱥ)] besagt, „dass es keinen Anderen gibt, keinen Anderen, der als Partner antworten würde“.
|{140} Dabei besteht die ganze Notwendigkeit der menschlichen Gattung doch darin, dass es einen Anderen des Anderen gibt. [Unter Notwendigkeit (nécessité) versteht Lacan ce qui ne cesse pas de s’écrire, das, was nicht aufhört, sich zu schreiben, anders gesagt: den Wiederholungszwang. Darin haben wir ein „Ende Reales“: Die menschliche Gattung bezieht sich in immer neuen scheiternden Anläufen auf eine Unmöglichkeit, auf den „Anderen des Anderen“, auf eine Wahrheitsgarantie.]
Der Andere des Anderen ist das, was man für gewöhnlich „Gott“ nennt. [In Lacans Perspektive hat der Glaube an einen Gott vor allem die Funktion einer Wahrheitsgarantie.] Die Psychoanalyse hat gezeigt, dass Gott ganz einfach Die Frau ist, mit großgeschriebenem „Die“ [also „Die“ Frau im Gegensatz zu „einer“ Frau]. [Was könnte das heißen? Ich nehme an (ich rate), dass sich das auf die Formeln der Sexuierung bezieht: Die Position Gottes (Formel oben links in der Version des Encore-Seminars) entspricht hier der des Urvaters, der „alle Frauen genießt“ und der insofern nicht der Kastration unterliegt; „alle Frauen“ ist in Lacans Terminologie dasselbe wie „Die Frau“, also hat Gott Jouissance an Der Frau, oder auch: Gott ist Jouissance an Der Frau. Wenn man das weiter zuspitzt, kommt man, mit ein bisschen Gewalt, zu: Gott ist Die Frau. ?]
Lacan erinnert daran, dass er bereits gesagt hatte, dass Die Frau nicht existiert. [In der Sprache der Formeln der Sexuierung: Frauen beziehen sich nicht als alle (als Die) auf die phallische Funktion, sondern als nicht alle.] Nachdem er, Lacan, den japanischen Film gesehen hat, hat er einen weiteren Grund, sagt er, zu glauben, dass Die Frau nicht existiert. [„Die“ Frau würde sich auf den Mann als Mann beziehen, die Heldin des Films aber tötet und kastriert ihren Partner, sie hat ein sehr spezielles Phantasma.]
Das einzige, was es gestattet, Die Frau zu unterstellen, ist dies, dass sie eierlegend (pondeuse) ist, wie Gott. [Eine poule pondeuse ist eine Legehenne. Bezeichnet man eine Frau abwertend als pondeuse, ist damit gemeint, dass sie sich darauf beschränkt, viele Kinder zu bekommen; eine deutsche Entsprechung wäre „Gebärmaschine“ (Allerdings funktioniert das Eierlegen der Hühner radikal anders als das Gebären von Kindern, das Eierlegen setzt keine Befruchtung voraus.). Hier ist die Frau in der Funktion der Urmutter gemeint, wie im nächsten Satz klar wird. In welchem Sinne könnte ein (männlicher) Gott pondeuse sein, eierlegend? Wohl insofern, als er als Urvater funktioniert, aus dem alle Nachkommen hervorgehen.]
Der Mythos lässt die Frauen aus einer einzigen Mutter hervorgehen, aus Eva [die insofern „eierlegend“ ist]. Der Fortschritt der Analyse zeigt uns jedoch, dass es nur besondere Eierlegerinnen gibt. [Das entspricht den Formeln der Sexuierung. Der Mythos führt die Frauen auf eine Urmutter zurück, durch diesen Bezug auf ein Ausnahme-Element bilden sie eine abgeschlossene Totalität, wie die Männer, entsprechend dem Quantor „alle“. Sie beziehen sich im Unbewussten jedoch nicht auf ein Ausnahmeelement, und das heißt, es gibt nur besondere Frauen; das entspricht dem Quantor nicht alle.]
Abb. 8: Oben: Formeln der Sexuierung
Unten: Pfeildiagramm hierzu67
Im Seminar Encore hatte Lacan die Position der Frauen mit dem Symbol S(Ⱥ) zusammengebracht. [Im Zusammenhang der Formeln der Sexuierung meint S(Ⱥ), dass die Frauen über die nicht-phallische weibliche Jouissance, die sie spüren, nichts „wissen“, dass sie darüber nichts sagen können.]
Sinn und Reales (III)
Was Lacan da erzählt ist (sagt er), ist nur sinnhaft, sensé [es bezieht sich auf den Sinn, nicht auf formale Strukturen, nicht auf Formeln oder Knoten].
Da das, was er erzählt hat, nur sinnhaft ist, ist das Risiko groß ist, dass er sich täuscht (sagt Lacan über sich), das zeigt die gesamte Geschichte. [Vermutlich bezieht sich das auf die Erfolgsgeschichte der Mathematik und der mathematisierten Wissenschaften: Formale Strukturen (Formeln und topologische Flächen) verringern das Täuschungsrisiko.] Mit seinem sinnhaften Sprechen geht Lacan also das Risiko ein, sich zu täuschen – warum? Um seine Hörer auf etwas anderes vorzubereiten.
Er, Lacan, will seine Hörer auf seine foliesophie vorbereiten [Kofferwort aus folie, „Wahnsinn“, und philosophie, also eine „Wahnsinns-Philosophie“]. [Damit spielt Lacan vielleicht – auch – auf seine Frage an, ob Joyce „verrückt“ (folie) war (Sitzung vom 10. Februar 1976). Also könnte er hier vorausdeuten auf die These über Joyce, die er in der letzten Sitzung des Seminars vorstellen wird.]
Er, Lacan, versuche, eine foliesophie zu machen, die weniger düster ist als das Buch der Weisheit in der hebräischen Bibel [auch Weisheit Salomoenannt], ein Werk, dessen Lektüre er empfiehlt. [Damit wechselt Lacan von der Frage nach dem Verhältnis der Psychoanalyse zur Philosophie zur Frage nach dem Verhältnis der Psychoanalyse zur Weisheitslehre.]
[Inwiefern ist das Buch der Weisheit düster? Vielleicht insofern, als dort immer wieder betont wird, dass der Gerechte viel leiden muss und früh sterben wird (wobei dem Gerechten allerdings, im Gegensatz zum Gottlosen, ein ewiges Leben bevorsteht). Die Frage nach dem Verhältnis von Psychoanalyse und Weisheit hatte Lacan bereits im Seminar Encore beschäftigt. Er hatte sich dort auf unterschiedliche Weisheitslehren bezogen – unter anderem auf Salomo als den „Meister der Meister“, als „senti-maître“, „ein Typ in meiner Art“ – und er hatte erklärt, dass alle Versuche einer Weisheit, die sich auf das Sein berufen, gescheitert seien, dass man zur jouissance nur um den Preis einer Kastration komme (also durch den Mangel an Sein).68]
Der Katholizismus hat seine Anhänger jahrhundertelang daran gehindert, die Bibel zu lesen. [In der katholischen Kirche gab es seit dem 12. Jahrhundert Bibelverbote; verboten waren Besitz und Lektüre volkssprachlicher Übersetzungen; einige Bibelübersetzer wurden als Ketzer verfolgt. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts fördert die katholische Kirche das eigenständige Bibellesen von Theologen und Laien.]
Die einzige Möglichkeit, die Weisheit zu begründen, ist der Mangel [vermutlich: der Mangel im Anderen, S(Ⱥ)]. Und das wird im Buch der Weisheit gut gemacht.
Über Hoffen und Finden
Wird es Lacan gelingen (fragt er), seinen Zuhörern das zu sagen, was er als „ein Ende (bout) Reales“ bezeichnen möchte, in dem Sinn des Wortes „Ende“, den er vorher bestimmt hatte [nämlich als „Strunk“, wobei das Reale das ist, was sich mit nichts verbindet]. [Es könnte gemeint sein: Wird es ihm gelingen, über das Reale so sprechen, dass es sich von dem Ja/Nein-Prinzip „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ löst? Falls ich Lacan richtig verstanden habe, ist ihm dies (in seiner Sicht) mit den Formeln der Sexuierung gelungen. Möglicherweise muss man hier das Verb dire („sagen“) aber auch stärker auffassen, als Hinweis auf die Opposition von dit (Gesagtes) und dire (Sagen), wobei dit sich auf den Sinn bezieht, und dire auf den Äußerungsvorgang, insofern er beim Adressaten einen Schnitt herbeiführt, eine Umstrukturierung (Erbe des „vollen Sprechens“ aus dem Rom-Vortrag). Das erinnert an den Titel von Seminar 18 von 1971, Über einen Diskurs, der nicht vom Schein wäre – man könnte den Titel so paraphrasieren: Gesucht ist ein Diskurs, durch den einige Enden des Realen fassbar wären.]
Freud hat nur Sinnhaftes gemacht [Freud hat nicht den Weg der Formalisierung und der Topologisierung beschritten], und das raubt Lacan (sagt Lacan über sich) jede Hoffnung. [Hier kommen sich also die beiden Forschungsprogramme von Lacan in die Quere: die Rückkehr zu Freud und der Strukturalismus.]
Allerdings – der Begriff der Hoffnung ist problematisch [wie Lacan bereits in einer früheren Sitzung betont hatte69]. Es gibt keinen |{141} Grund dafür, dass er, Lacan, es nicht eines Tages wirklich macht. [Um es positiv zu formulieren: Möglicherweise wird er, Lacan, eines Tages ein Stück vom Realen sagen. Das hätte dann den Charakter eines unverhofften Ereignisses. Lacan spielt hier, so vermute ich, auf eine berühmte Sentenz von Picasso an, „Ich suche nicht, ich finde“, auf die er sich in einer früheren Sitzung dieses Seminars bezogen hatte.70 Stückchen des Realen können gefunden werden, ohne dass sie gesucht und erhofft worden sind.]
ZUSAMMENSTELLUNG ZU SYMPTOM/SINTHOM
Im Folgenden werden alle Stellen aufgeführt, an denen Lacan in diejser Sitzung die Ausdrücke „Symptom“ oder „Sinthom“ verwendet. Die Zahlen in runden Klammern sind Seitenzahlen, sie verweisen auf die Übersetzung von Mitelman/Dielmann.
Joyce hat sorgsam vom Sinthom Dublins Zeugnis abgelegt, das nur durch sein eigenes Sinthom beseelt wird. (136)
Das kollektive Unbewusste ist ein Sinthom; in der Imagination von Joyce ist Finnegans Wake an diesem Sinthom beteiligt. (137)
Das, was Joyce vorbringt, auf besonders künstlerische Weise, ist das Sinthom, und zwar in der Weise, dass es sich nicht analysieren lässt. (137)
LITERATURVERZEICHNIS
Lacan, Sinthom-Seminar
Version ALI
Herausgegeben von der Association Freudienne Internationale, 2001 umbenannt in Association Lacanienne Internationale.
Als PDF auf der Internetseite der ELP, hier. S. 212–380.
Version Miller 2005
Jacques Lacan: Le séminaire, livre XXIII. Le sinthome. 1975-1976. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2005
Version Miller/Mitelman/Dielmann
Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Miriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017
Version Miller/Price
Jacques Lacan: The Sinthome. The seminar of Jacques Lacan, Book XXIII. Edited by Jacques-Alain Miller, translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2016
Version NN
Lacan: Le sinthome. Wort-für-Wort-Transkription eines anonymen Herausgebers, ohne Ort, ohne Jahr. Schreibmaschine, durch Fotokopien verbreitet. Auf diese Version bezieht sich Max Kleiners Übersetzung, linke Spalte.
Version NN/Kleiner und Version Miller 1976-77/Kleiner
Le sinthom. 1975 - 1976. Seminar XXIII von Jacques Lacan. Übersetzt von Max Kleiner. Herausgegeben vom Lacan-Archiv/Psychoanalytische Bibliothek Bregenz, 2007
Der Text enthält zwei Übersetzungen, das Layout ist dreispaltig. Erste Spalte: Übersetzung der Transkription eines anonymen Herausgebers (=Version NN/Kleiner), zweite Spalte: Übersetzung der Version Miller 1976/77, dritte Spalte: Anmerkungen des Übersetzers. Zu bestellen beim Lacan-Archiv Bregenz; für 20 Euro erhält man eine PDF-Datei.
Version Staferla
Jacques Lacan: Le sinthome. 1975 — 76. Wort-für-Wort-Transkription, herausgegeben und veröffentlicht von der Website staferla.free.fr, ohne Ort. Diese Transkription wird von Zeit zu Zeit überarbeitet, es gibt also mehrere Varianten der Staferla-Version. Für diesen Kommentar wurde die Variante vom 28.6.2013 verwendet; man findet sie hier.
Version Staferla/Nemitz
Jacques Lacan: Das Sinthom. Seminar 23 von 1975/76. Übersetzt von Rolf Nemitz auf der Grundlage von Version Staferla. In: Lacan entziffern, 2019, hier
Version Stenotypie ELP
Jacques Lacan: Le sinthome. Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier
Lacan, weitere Texte
Avis au lecteur japonais. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 497–501
Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626
Die Bedeutung des Phallus. In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204
Interventions lors des Conférences du « Champ freudien ». Analytica 4 (Supplement von Ornicar? Nr. 9), 1977, S. 16–18. Im Internet findet man diese Bemerkungen auf der Seite der ELP, Pas-tout Lacan, 1975-03-09, Intervention sur l’exposé de J. Aubert, hier.
Joyce das Symptom (I) (a) Übersetzt von Rolf Nemitz: In: Lacan entziffern (lacan-entziffern.de), Beitrag vom 11. September 2013, hier.– (b) Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Turia und Kant, Wien 2017, S. 181–192
Joyce das Symptom (II). Übersetzt von Rolf Nemitz. In: Lacan entziffern,(lacan-entziffern.de), Beitrag vom 20. Mai 2019, hier
L’étourdit. In: J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 449–495.– Teilübersetzung von Max Kleiner in: Lacan entziffern, Beitrag vom 23. März 2018, hier
Radiophonie. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin 1988, S. 5–54
Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. In: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368
Seminare
Seminar 5 = Das Seminar, Buch V (1957–1958). Die Bildungen des Unbewussten. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2006
Seminar 11 = Das Seminar, Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas. Walter, Olten u.a. 1978
Seminar 16 = Le séminaire, livre XVI. D’un Autre à l’autre. 1968–1969. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2006
Seminar 17 = Le séminare, livre XVII. L’envers de la psychanalyse. 1969–1970. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1991
Seminar 20 = Das Seminar, Buch XX (1972–1973). Encore. Texterstellung von Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger, Quadriga, Weinheim u.a. 1986
Seminar 22 = Seminar XXII. RSI. 1974–75. Übersetzt von Max Kleiner nach einer von Jacques-Alain Miller erstellten vorläufigen Version. Herausgegeben vom Lacan-Archiv Bregenz 2012
Andere Autoren
Adams, Robert Martin: Surface and symbol. The consistency of James Joyce’s Ulysses. Oxford University Press, New York 1962
Atherton, James S.: The books at the wake. A study of literary allusions in James Joyce’s Finnegans Wake. Faber & Faber, London 1959
Aubert, Jacques: Introduction à l’esthétique de James Joyce. Didier, Paris 1973
Aubert, Jacques: Vortrag im Seminar von Jacques Lacan. In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 192–213
Aubert, Jacques: Galerie pour un portrait. In: Analytica Nr. 4 (Supplement von Ornicar? Nr. 9) 1977, dann wieder in: Jacques Aubert (Hg.): Joyce avec Lacan. Navarin, Paris 1987, S. 69–86
Blavatsky, Helena Petrovna: Isis unveiled. A master-key to the mysteries of ancient and modern science and theology. Cambridge University Press, Cambridge 1877
Châtelet, Emilie du: Institutions de physique. Le Tonnelier de Breteuil, Paris 1740
Derrida, Jacques: Cogito und die Geschichte des Wahnsinns (1963). In: Ders.: Die Schrift und die Differenz. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, S. 53–101
Foucault, Michel: Mein Körper, dieses Papier, dieses Feuer (1972). In: Schriften in vier Bänden. Dits et Écrits. Band II. 1970–1975. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, S. 300–331
Freud, Sigmund: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 213–272
Freud, Sigmund: Zeitgemäßes über Krieg und Tod (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 33–60
Hart, Clive: Structure and motif in Finnegans Wake. Faber & Faber, London 1962
Joyce, James: Finnegans Wake. Faber & Faber, London 1939
Joyce, James: Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979
Kant, Immanuel: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786). In: Ders.: Werkausgabe in 12 Bänden. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Band IX: Schriften zur Naturphilosophie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977
Verwandte Beiträge
Anmerkungen
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Quelle der Abbildung: Seminar 23, Version Miller 2005, Sitzung vom 13. Januar 1976, S. 72 (leicht modifiziert).
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Die Bezeichnung der folgenden drei Verkettungen ist von mir. In Millers Version wird die erste Verkettung als „Milnors Knoten“ bezeichnet, die anderen beiden Zeichnungen gibt es dort nicht. In der Topologie wird die erste Verkettung als „Whitehead-Verkettung“ bezeichnet. Von daher vermute ich, dass es speziell die Verdoppelung ist, die von Milnor stammt.
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Vgl. J. Lacan: Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626, hier: S. 609.
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Quelle der Abbildung: J. Lacan: Das Seminar, Buch XX (1972–1973). Encore. Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger. Quadriga, Weinheim u.a. 1986, Sitzung vom 13. März 1973, S. 85.
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Pierre Soury und Michel Thomé, zwei Spezialisten auf dem Gebiet der Knotentheorie, mit denen Lacan bei der Entwicklung seiner Knotentheorie zusammenarbeitete.
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In der ersten Sitzung dieses Seminars hatte Lacan darauf hingewiesen, dass eine unendliche Gerade eine Art Kreis bildet (18. November 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 25) (die beiden Punkte im Unendlichen sind ein und derselbe). In der zweiten Sitzung hatte er die unendlichen Geraden deshalb als Kreis gezeichnet (9. Dezember 1975; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 34).
In einer späteren Sitzung hatte er hinzugefügt, dass von zwei unendlichen Geraden zu fordern sei, dass sie nicht direkt miteinander verkettet sind (9. März 1976; vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 124). Diese Forderung ist notwendig, da die beiden Geraden andernfalls nicht Elemente einer borromäischen Verkettung sein könnten.
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Bout meint „das Ende“, „die Spitze“; le bout du doigt ist die Fingerspitze. „Ende“ hat hier also nicht die Bedeutung von „Zeitpunkt, an dem etwas aufhört“, sondern von „das äußerste Stück“, Plural: „die Enden“.
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Jacques Aubert, Autor von Introduction à l’esthétique de James Joyce (Didier, Paris 1973) und einer der Veranstalter des 5. Internationalen Joyce-Symposiums 1975, auf dem Lacan (kurz vor Beginn des Sinthom-Seminars) einen einleitenden Vortrag gehalten hatte, Joyce das Symptom (I), auf dieser Website hier. Aubert besucht das Sinthom-Seminar, in einer früheren Sitzung (am 20. Januar 1976) hatte er hier einen Vortrag über Joyce gehalten; vgl. J. Aubert: Vortrag im Seminar von Jacques Lacan: In: J. Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII. Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 192–213.
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Robert Martin Adams: Surface and symbol. The consistency of James Joyce’s Ulysses. Oxford University Press, New York 1962. Lacan hatte sich hierauf in der Sitzungen vom 13. Januar 1976 bezogen (vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 67, 70, 72 f.).
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Das bezieht sich auf die Unterscheidung von drei Zeichenarten, die Peirce vornimmt: Legi-Zeichen (Symbole), Quali-Zeichen (Ikone), Sin-Zeichen (Indizes); die Ikone, Symbole und Indizes sind für Peirce drei Arten von Objektbeziehungen.
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prendre des vessies pour des lanternes: Dem Sinn nach in etwa: Hohlköpfe für Leuchten halten.
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Anspielung auf Freuds These (in Jenseits des Lustprinzips), dass der Todestrieb möglicherweise darauf abzielt, das Erregungsniveau auf Null zu bringen.
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In einer früheren Sitzung hatte Lacan den Fall Joyce durch die „faktische Verwerfung“ des Vaters charakterisiert (10. Februar 1976, vgl. Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 95).
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Vgl. die Formel des Diskurses der Psychoanalyse in Seminar 17 von 1969/70, Die Kehrseite der Psychoanalyse.
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Im Diskurs der Psychoanalyse ist am Platz des Scheins (links oben) das Objekt a, über dem Platz der Wahrheit (links unten).
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Auberts Vortrag hatte den Titel Galerie pour un portrait. Er hielt ihn am 9. März 1976, bei einer Veranstaltung des Département de psychanalyse der Universität Paris VIII – Vincennes. Veröffentlicht wurde der Text in Analytica Nr. 4 (Supplement von Ornicar? Nr. 9) 1977, dann wieder in: Jacques Aubert (Hg.): Joyce avec Lacan. Navarin, Paris 1987, S. 69–86.
-
Vgl. J. Lacan u.a.: Interventions lors des Conférences du « Champ freudien ». Analytica 4 (Supplement von Ornicar? Nr. 9), 1977, S. 16-18. Im Internet findet man diese Bemerkungen auf der Seite der ELP, Pas-tout Lacan, 1975-03-09, Intervention sur l’exposé de J. Aubert, hier.
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Es trifft dann nicht mehr zu, dass sich bei Selbstdurchdringung die Verkettung auflöst.
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Vgl. Seminar 20, Encore, Sitzungen vom 9. Januar 1973 (Version Miller/Haas u.a. S. 33) und vom 13. März 1973 (Version Miller/Haas u.a. S. 85).
In der von Jacques-Alain Miller erstellten Version von Seminar 20 ist in der Sitzung vom 9. Januar 1973 die direkte Abgrenzung des Φ und S(Ⱥ) nicht mehr enthalten; in der Stenotypie findet man die folgende Bemerkung:
« C’est une lettre [Φ] dont la fonction se distingue des autres, c’est d’ailleurs bien pour cela que ces trois lettres sont différentes : elles n’ont pas la même fonction, comme déjà vous pouvez l’avoir senti de ce que j’ai d’abord énoncé S(Ⱥ) et du a. »
Im Seminar Encore, in der Sitzung vom 13. März 1973, unterscheidet Lacan in einem Diagramm die beiden Formen der Jouissance, durch welche die Position von Die Frau charakterisiert ist, nämlich durch, einerseits, den Pfeil zu Φ auf der männlichen Seite und, andererseits, den Pfeil zu S(Ⱥ) auf der weiblichen Seite (vgl. Seminar 20, Encore, Version Miller/Haas u.a. S. 85 und öfter).
Bereits früher, in Seminar 16, hatte Lacan gesagt:
„Insofern sich etwas herstellt, was ich ‚das Drama‘ genannt habe, ist die Signifikanz des Anderen, insofern er strukturiert und gelocht ist, etwas anderes als das, was wir metaphorisch den Signifikanten, der ihn locht, nennen können, d.h. den Phallus.“
(J. Lacan: Le séminaire, livre XVI (1968–1969). D’un Autre à l’autre. Texte établi par Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2006, S. 322, meine Übersetzung; vgl. die Übersetzung der Passage, der dieses Zitat entnommen ist, auf dieser Website hier)
-
In Radiophonie (1970) deutet Lacan Kants transzendentale Ideen in der Kritik der reinen Vernunft (Gott, Freiheit, Unsterblichkeit) als Antworten auf Newton (vgl. Radiophonie, gesendet 1970. Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 5–54, hier: S. 25).– Möglicherweise bezieht sich die Bemerkung aber auch auf auf Kants Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786).
-
Vgl. Emilie du Châtelet: Institutions de physique (1740).
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Vessie (Blase) meint im übertragenen Sinne: etwas Unnützes, Wertloses, Bedeutungsloses, so als wäre es aufgeblasen (vgl. CNRTL hier).
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Vico zufolge ist die Geschichte ein zyklischer Prozess, in dem sich die Abfolge von drei Zeitaltern beständig wiederholt: das religiöse Zeitalter, das heroische Zeitalter und das menschliche Zeitalter (Die neue Wissenschaft, 1725).
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Helena Petrovna Blavatsky (1831–1891) ist eine der Begründerinnen der Theosophie; ihr Hauptwerk ist Isis unveiled (1877). Für die Bezüge, die in Finnegans Wake zu Blavatsky hergestellte werden, verweist Lacan in Joyce das Symptom (I) auf James S. Atherton: The books at the wake. A study of literary allusions in James Joyce’s Finnegans Wake. Faber & Faber, London 1959.
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Manvantara (ein Wort des Sanskrit) ist ein Schlüsselbegriff von Blavatskys Geschichtsauffassung; sie bezeichnet damit eine Periode der „Manifestation“, die sich zyklisch wiederholt.
-
Der Begriff des Todestriebs wird von Freud in Jenseits des Lustprinzips (1920) eingeführt.
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Demnach ist dérive die erste Wahl und pulsion die zweite Wahl. In Subversion des Subjekts hatte Lacan es umgekehrt formuliert. Dort heißt es, in einer Kritik an der Übersetzung von Freuds „Trieb“ mit instinct, dass
„im Französischen das Wort dérive unser letzter verzweifelter Griff für den Fall wäre, dass wir es nicht schaffen sollten, der Bastardschaft des Wortes pulsion ihren prägenden Einschlag zu verleihen.“
(Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens (geschrieben 1962). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: S. 337)
Anders gesagt: Pulsion ist die beste Übersetzung und dérive die Notlösung.
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Vgl. etwa S. Freud: Zeitgemäßes über Krieg und Tod (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 33–60, darin Teil II, „Unser Verhältnis zum Tode“.
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Im Ulysses heißt es:
„Die Geschichte, sagte Stephen, ist ein Alptraum, aus dem ich zu erwachen versuche.“
(J. Joyce: Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 49 (Teil II, Nestor-Episode).
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Die Finnegans-Wake-Spezialisten diskutieren darüber, wer der Träumer ist, der Finnegans Wake träumt. Einige meinen, es sei Earwicker (der männliche Protagonist), andere sind der Auffassung, dass sich Finnegans Wake aus Träumen unterschiedlicher Figuren des Romans zusammensetzt. Clive Hart zufolge ist Finnegans Wake ein einziger integrierter Traum, der nicht einer bestimmten Figur zugerechnet werden kann; der Träumer von Finnegans Wake sei allwissend, wie der Erzähler einer konventionellen in der dritten Person erzählten Geschichte (vgl. Clive Hart: Structure and motif in Finnegans Wake. Faber & Faber, London 1962, Kap. III, „The dream structure“, v.a. S. 78). Möglicherweise knüpft Lacan hieran an.
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Hart zufolge bemühte sich Joyce in Finnegans Wake, Archetypen des kollektiven Unbewussten zu schaffen (vgl. Hart, a.a.O., S. 147).
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Lacans Beitrag zum 5. Internationalen Joyce-Symposium hat in beiden Fassungen den Titel Joyce das Symptom. Übersetzungen der ersten Version gibt es auf dieser Website hier (11. September 2013) sowie in Seminar 23, Das Sinthom, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 181–191. Eine Übersetzung der zweiten Version findet man auf dieser Website hier (Beitrag vom 3. November 2016).
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Lacan hatte seine These dort so erläutert:
„Die wahren Katholiken sind deshalb nicht analysierbar, weil sie bereits durch ein System geformt sind, das man mit der freudschen Analyse fortleben lassen wollte. Freud ist, so gesehen, ein zaghafter, ein vorsichtiger Katholik. Er hat da ein bisschen frische Luft reingebracht, aber letztlich beruht sein Beitrag, wie im Unbehagen in der Kultur zu sehen ist, auf demselben Prinzip: Er kommt ganz schlicht darauf zurück, dass es etwas gibt, das nicht rund läuft. Gleichwohl, es ist kurios – um ein Wort zu gebrauchen, dass Sie [Jacques Aubert] verwendet haben, curious –, dass für den Katholizismus die Analyse die Form des Überlebens wäre. Eines Tages wird man vielleicht einen Papst erleben, der das mitbekommt und alle auffordert, sich psychoanalysieren zu lassen. Was aber die Leute angeht, die bereits geformt sind, ist die Analyse ohne Hoffnung. Mit der Zeit wird sich das vielleicht in Luft auflösen.“
(Redebeitrag von Lacan nach einem Vortrag von Jacques Aubert bei den Conférences du Champ freudien am 9. März 1976, meine Übersetzung nach der Transkription auf der Seite der ELP, Pas-tout-Lacan, hier. Auberts Vortrag hatte den Titel „Galerie pour un portrait“.)
-
Im Hinweis für den japanische Leser (1972) zur Übersetzung der Écrits hatte Lacan über das Japanische geschrieben, dass
„niemand, der diese Sprache bewohnt, einen Bedarf danach hat, psychoanalysiert zu werden“
(J. Lacan: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 498, meine Übersetzung). Und im Nachwort von 1973 zu Seminar 11 von 1964, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, hatte Lacan mit Bezug auf bestimmte Eigentümlichkeiten der japanische Sprache geschrieben, dass
„das sprechende Wesen sich dadurch den Kunstgriffen des Unbewussten entziehen kann, die es nicht erreichen, da sie sich darin verschließen“
(Version Miller/Haas S. 302).
Die Begründung findet man in dem Aufsatz Lituraterre (1971), wo es heißt:
„das Subjekt ist wie überall durch die Sprache gespalten, aber eines seiner Register kann sich [in Japan] durch den Bezug auf die Schrift befriedigen und das andere durch die Ausübung des Sprechens.“
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Lacan bezieht sich auf den Film Im Reich der Sinne von 1976, der japanischer Titel ist Ai no korīda (wörtlich „Corrida der Liebe“), Regisseur: Nagisa Ōshima. Japanisch-französische Koproduktion.
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Die „Phonation“ – die Lautbildung, die Stimmgebung – ist ein Terminus und ein Thema in Jacques Auberts Vortrag im Sinthom-Seminar und von Lacans Antwort darauf (beides in der Sitzung vom 20. Januar 1976). Vgl. Jacques Aubert: Vortrag im Seminar von Jacques Lacan. In: Jacques Lacan: Das Sinthom. Das Seminar, Buch XXIII (1975–1976). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller. Übersetzt von Myriam Mitelman und Harold Dielmann. Turia und Kant, Wien 2017, S. 192–213, hier: S. 212.– Lacan hierzu: a.a.O., S. 80.
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Vgl. Seminar 20, Encore, Sitzung vom 9. Januar 1973, Version Miller/Haas u.a. S. 33 f.
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Gemeint ist vermutlich: Es gibt keinen Zugang zum anderen Geschlecht (es gibt keinen Anderen), und das Unbewusste ist dafür ein Ersatz; der Partner, mit dem man Liebe macht, ist das Unbewusste.
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Zuerst 1972 im Seminar Encore:
„Es ist das, was der analytische Diskurs zeigt, darin daß, für eines dieser Sein als geschlechtlichen, für den Mann, sofern er versehen ist mit dem phallisch genannten Organ — ich habe gesagt, genannt — das körperliche Geschlecht, das Geschlecht der Frau — ich habe gesagt, der Frau, wobei es, eben, nicht die Frau gibt, die Frau ist nicht alle — das Geschlecht der Frau ihm nichts sagt, es sei denn durch das Vermittelnde des Genießens des Körpers.“
(Seminar 20, Sitzung vom 21. November 1972, Version Miller/Haas u.a. S. 11 f.)
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Wenn eine Frau abwertend als pondeuse bezeichnet wird, als „eierlegend“, ist damit gemeint, dass sie sich darauf beschränkt, viele Kinder zu bekommen; im Deutschen sagt man, sie sei eine „Gebärmaschine“.
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Quelle der Abbildung: Seminar 20, Version Miller/Haas u.a., Sitz8ng vom 13. März 1973, S. 85.
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Der komplizierte Buchstabe ist das Symbol S(Ⱥ); es bedeutet „Signifikant des Anderen, insofern er ausgestrichen/versperrt ist“ (signifiant de l’Autre en tant que barré) (Seminar 5) oder „Signifikant eines Mangels im Anderen“ (Subversion des Subjekts). Der Mangel im Anderen besteht darin, dass es keinen Signifikanten gibt, der die Wahrheit garantiert, anders gesagt, dass es keinen Anderen des Anderen gibt. (Vgl. J. Lacan, Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, Sitzung vom 2. Juli 1958, Version Miller/Gondek S. 595; J. Lacan: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: S. 357.)
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Vgl. die Kritik der Hoffnung als „theologischer Tugend“ in einer früheren Sitzung dieses Seminars (9. Dezember 1975); Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 37.
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Diesen Satz übernehme ich aus der ALI-Version des Seminars.
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Darauf macht Christian Fierens aufmerksam (in: Ders.: Lecture du sinthome. Érès, Toulouse 2018, S. 327).
Zu Lacans Metapherntheorie vgl. J. Lacan: Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 582–626.
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Zeichnung aus Seminar 23, Le sinthome, Version Miller S. 72 (leicht modifiziert).
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So seit Seminar 22, RSI (1974/75), Sitzung vom 10. Dezember 1974; vgl. hierzu auf dieser Website den Artikel „Sinn im Knoten“.
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 9. März 1976, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 126.
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 11. Mai 1976, Version Miller/Mitelman/Dielman S. 169 f.
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Vgl. J. Lacan: Radiophonie (1970). Übersetzt von Hans-Joachim Metzger. In: J.L.: Radiophonie. Television. Quadriga, Berlin 1988, S. 5–54, hier: S. 30.
J. Lacan: L’étourdit. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2000, S. 449–495, hier: S. 452.– Teilübersetzung von Max Kleiner in Lacan entziffern hier.
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Vgl. Sitzung vom 11. Mai 1976; Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 167.
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Vgl. Die Bedeutung des Phallus. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204, hier: S. 200.
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Vgl. Seminar 11, Die vier Grundbegriffe, Sitzung vom 15. April 1965, Version Miller/Haas S. 132.
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Sitzung vom 18. November 1975, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 13.
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Vgl. Sitzung vom 10. Februar 1976, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 95.
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Sigmund Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 213–272, hier: S. 251.
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Vgl. Aubert, Vortrag im Seminar von Jacques Lacan, in: Seminar 23, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 185.
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Aubert, Vortrag, in: Seminar 23, Version Miller/Mitelman/Dielman S. 212.
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Aubert, Vortrag, in: Seminar 23, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 212.
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 20. Januar 1976, Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 80.
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J. Lacan: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten, a.a.O., S. 357.
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Vgl. J. Lacan: Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek, S. 582–626, hier: S. 609.
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Quelle der Abbildung: Seminar 20, Version Miller/Haas u.a. , 13. März 1973, S. 85.
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Vgl. Seminar 20, Encore, Sitzung vom 8. Mai 1973; Version Miller/Haas u.a. S. 124.
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 9. Dezember 1975; Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 37.
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Vgl. Seminar 23, Sitzung vom 17. Februar 1976; Version Miller/Mitelman/Dielmann S. 97.