Das von der Sprache determinierte Subjekt, das keinen Signifikanten hat
René Magritte, Le Miroir magique (Der Zauberspiegel), 1929
Öl auf Leinwand, 73 x 54 cm
Dieser Text wiederholt, nur leicht verändert, eine Passage aus einem vorangehenden Artikel, Die Diskurselemente S1, S2, a, $: am Beispiel von Freuds Vergessen des Namens „Signorelli“.
Unter „Subjekt“ versteht Lacan meist das Subjekt, auf das sich die Psychoanalyse bezieht, d..h. das Subjekt, das sich dadurch auszeichnet, dass es ein Unbewusstes hat. Der Grundgedanke vollzieht eine gegenläufige Bewegung: Die Tatsache, dass das Subjekt ein Unbewusstes hat, beruht auf der Einwirkung der Sprache, „des Signifikanten“, wie Lacan häufig sagt. Jedoch: Das Subjekt kann von Signifikanten nicht erfasst werden.
Lacan symbolisiert dieses Subjekt durch den Buchstaben S, der schräg durchgestrichen ist, also durch das Zeichen $ (der Strich ist in diesem Artikel aus technischen Gründen senkrecht statt schräg). Das Symbol $ hat mehrere Bedeutungen:
– das von der Sprache determinierte Subjekt,
– das ausgesperrte Subjekt,
– das gespaltene Subjekt,
– das begehrende Subjekt,
– das verschwindende Subjekt.
Außerdem verwendet Lacan als Symbol für das Subjekt die Zahl $latex \sqrt {–1}$
Wenn man den Zusammenhang dieser Bestimmungen verfolgt, erschließt sich der Gedanke, dass das Subjekt von der Sprache determiniert ist, dass es aber keinen Signifikanten des Subjekts gibt.
Bei der Lektüre von Lacan-Texten fällt auf, dass Lacan mit sujet häufig auch einfach den Patienten bezeichnet. In der französischen Umgangssprache oder im Jargon der französischen Ärzte ist das offenbar so üblich, zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man Lacan liest. Im Folgenden geht es nicht um diese Verwendung des Ausdrucks, sondern um das Subjekt im Sinne der Psychoanalyse, um sujet als theoretischen Begriff.
Das Subjekt
Das von der Sprache determinierte Subjekt
Die Tatsache, dass es Subjekte gibt, die ein Unbewusstes haben, ist auf die Einwirkung der Sprache zurückzuführen, auf der Determination durch „den Signifikanten“. Diese Determination durch die Sprache – diese „Markierung“, wie Lacan auch sagt – ist nichts Hinzukommendes. Gäbe es nicht die Determination durch die Sprache, gäbe es auch kein Subjekt im Sinne der Psychoanalyse, kein Subjekt mit einem Unbewussten. Dieses Subjekt wird durch die Sprache nicht einfach determiniert, es wird durch die Determination durch die Sprache überhaupt erst gebildet, hervorgebracht, konstituiert.
Diese These wird durch das Symbol $ veranschaulicht, zu lesen als S barré, „durchgestrichenes S“.1 Der Buchstabe S steht hier für sujet, „Subjekt“ im Sinne des vorsprachlichen oder außersprachlichen Subjekts. Der Schrägstrich (der hier aus technischen Gründen als senkrechter Strich dargestellt wird) symbolisiert den Signifikanten. Die Durchstreichung des S veranschaulicht die Einwirkung der Sprache auf das vorsprachliche Subjekt, die Markierung.
Wie lässt sich zeigen, dass das Subjekt, das ein Unbewusstes hat, von der Sprache determiniert ist? Indem man versucht, möglichst viele Begriffe und Theoreme der Psychoanalyse von dieser These aus zu rekonstruieren und indem man durch diese Umformulierung neue Einsichten zu gewinnt. Dies ist Lacans Forschungsprogramm.
Das ausgesperrte Subjekt
Meist liest Lacan das Symbol $ als sujet barré.2 Das Verb barrer meint „sperren“, „absperren“, „aussperren“ sowie „streichen“, „ausstreichen“, „durchstreichen“. In Seminar 14 von 1966/67, Die Logik des Phantasmas, erläutert er den Ausdruck so:
„Ich erinnere daran, was das $ bedeutet: das durchgestrichene S [le S barré] repräsentiert, vertritt in dieser Formel das, worum es sich bei der Spaltung des Subjekts dreht, die sich am Ursprung der gesamten Freud’schen Entdeckung findet und die darin besteht, dass das Subjekt von dem, wodurch es als Funktion des Unbewussten eigentlich konstituiert wird, zum Teil ausgesperrt [barré] ist.“3
Lacan spielt mit dem Doppelsinn von barré als „durchgestrichen“ und als „ausgesperrt“. Der Buchstabe S ist barré im Sinne von „durchgestrichen“. Dieses Symbol steht für das Subjekt, insofern es barré ist, im Sinne von „ausgesperrt“ – von dem, wodurch es, in Abhängigkeit vom Unbewussten, konstituiert wird. Dieser Doppelsinn lässt sich, soweit ich sehe, im Deutschen nicht nachbilden; die beste Übersetzung für sujet barré ist deshalb wohl „ausgesperrtes Subjekt“.
Freud schreibt in Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten:
„Das Vergessen von Eindrücken, Szenen, Erlebnissen reduziert sich zumeist auf eine ‚Absperrung‘ derselben. Wenn der Patient von diesem ‚Vergessenen‘ spricht, versäumt er selten, hinzuzufügen: das habe ich eigentlich immer gewußt, nur nicht daran gedacht.“22
Das sujet barré ist, so könnte man mit Freud auch übersetzen, das „abgesperrte Subjekt“.
Das gespaltene Subjekt
Dadurch, dass das Subjekt von einem konstituierenden Teil von sich ausgesperrt ist, ist es ein gespaltenes Subjekt – gespalten zwischen dem Teil von ihm, zu dem es, aufgrund der Wirksamkeit des Unbewussten, keinen Zugang hat, und dem Teil, der ihm zugänglich ist. Das Symbol $ meint deshalb auch die „Subjektspaltung“ (refente du sujet, division du sujet) bzw. das „gespaltene Subjekt“ (sujet divisé).4
Die Spaltung des Subjekts kann u.a. als die zwischen dem Anspruch und dem Begehren aufgefasst wird; der Schrägstrich kann dann als Repräsentant des Anspruchs aufgefasst werden, die Durchstreichung des S als Symbol für das Begehren.
Häufig deutet Lacan die Spaltung des Subjekts als die zwischen dem Ausgesagtem (énoncé) und der Äußerung (énonciation). Das Ausgesagte (énoncé) ist das am Sinn orientierten Sprechen, das der Sprecher zu kontrollieren glaubt und das unter der Herrschaft des Ichideals steht. Unter der Äußerung (énonciation) versteht Lacan das „Sprechen“ des Unbewussten in Symptomen, Träumen, Versprechern, Fehlleistungen, worin das Subjekt versucht, das wiederzufinden, was es durch die Einwirkung der Sprache verloren hat. Die Äußerung ist den Mechanismen von Verdichtung und Verschiebung unterworfen, in Lacans Begrifflichkeit: von Metapher und Metonymie.
Die Unterscheidung von Ausgesagtem und Äußerung wird von Lacan in Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung, eingeführt und dort auf die beiden Linien des Anspruchs im Grafen des Begehrens bezogen; die untere steht für das Ausgesagte, die obere für die Äußerung.5 In Seminar 7 von 1959/60, Die Ethik der Psychoanalyse, bezieht Lacan die Opposition von Ausgesagtem und Äußerung ausdrücklich auf die Subjektspaltung.6 In den Écrits bezieht Lacan sich auf die Opposition Aussage/Äußerung zuerst im Lagache-Aufsatz, der 1960 geschrieben wurde.7
Für die Unterscheidung von énoncé und énonciation hat Lacan sich von Roman Jakobson und Émile Benveniste anregen lassen: In Seminar 6 referiert er bei der Erläuterung des Unterschieds von énoncé und énonciation, ohne Jakobson zu erwähnen, dessen Analyse der indirekten Rede, die sich wiederum auf eine Arbeit von Benveniste bezieht.8
Das begehrende Subjekt
Das Subjekt ist weder Ichideal noch Unbewusstes, weder S1 noch S2. Es ist auch nicht der Ort, an dem das synchrone System der unbewussten Signifikanten versammelt ist, anders gesagt, das Subjekt ist nicht das „sujet-supposé-savoir“, nicht das dem Wissen unterstellte Subjekt9; der Ort, an dem die Signifikanten versammelt sind, ist für Lacan nicht das Subjekt, sondern „der Andere“. Es ist genausowenig der Agent, der die unbewussten Gedanken denkt. Und es ist auch nicht das, was von diesen Gedanken gedacht wird.
Das Subjekt ist vielmehr der durch die Signifikanteneinwirkung hervorgerufene Verlust, ein Mangel: manque d’être (Seinsmangel), wie Lacan ab 1955 zunächst mit Sartre sagt10, manque-à-être, wie er es ab 1957 nennt.11 In manque d’être ist „Sein“ ein Substantiv, in manque-à-être ist „sein“ ein Verb, in manque à être geht es um den „Mangel zu sein“ (wie Gondek gut übersetzt). In Freuds Terminologie: das Subjekt ist ein „Objektverlust“, der letztlich eine „Unbefriedigung“ ist, ein „Anwachsen der Bedürfnisspannung“.12 Dieser Verlust ist ein Verlust auf der Ebene der „Bedürfnisse“, wie Lacan zunächst sagt13, ein Opfer von jouissance, wie er es später nennt (im Aufsatz Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens, etwa 196214), d..h. ein Verlust auf der Ebene der körperlichen Erregungen jenseits des Lustprinzips.
Als Subjekt, das durch einen Mangel charakterisiert ist, ist das Subjekt ein begehrendes Subjekt. Auch diesen Gedanken übernimmt Lacan von Sartre: das Begehren ist Seinsmangel.
Den entscheidenden Verlust hat das Subjekt auf der Ebene der Sexualität erlitten; hierauf bezieht sich, in Lacans Deutung, der Begriff der Kastration.
Das verschwindende Subjekt
Wenn das Subjekt letztlich ein durch die Sprache herbeigeführter Verlust ist, und wenn der psychoanalytische Zugang des Subjekts zu sich selbst auf dem Weg über die Sprache erfolgt, wie kann das Subjekt sich dann auf der symbolischen Ebene als Verlust erfahren? Lacans Antwortet lautet: indem es die Erfahrung macht, dass es keinen Signifikanten des Subjekts gibt. Er nennt dies das „Verschwinden des Subjekts“ oder „die Aphanisis des Subjekts“ oder „das Fading des Subjekts“ (aphanisis ist der griechische Ausdruck für „Verschwinden“, das englische Wort fading meint ebenfalls „Verschwinden“). Das Subjekt ist auf der symbolischen Ebene zwar repräsentiert, vor allem durch Identifikationen (S1), aber in all diesen Repräsentationen ist es entfremdet. Diese Entfremdung ist normalerweise durch eine Täuschung unzugänglich; sie ist jedoch erfahrbar; diese Erfahrung ist, falls ich Lacan richtig verstanden habe, traumatisch; und diese traumatische Erfahrung des Verschwindens auf der symbolischen Ebene ist die „Aphanisis“ des Subjekts, das „Verschwinden“ des Subjekts.
Ausgearbeitet wird diese These zuerst in Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung; die Zuordnung zwischen dem Symbol $ und dem Fading des Subjekts findet man in dem Aufsatz Die Lenkung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht, der 1960 geschrieben wurde.15 Zum Verschwinden des Subjekts vgl. diesen und diesen Blogartikel.
Das Subjekt als √(–1)
Als Symbol für das Subjekt verwendet Lacan nicht nur den durchgestrichenen Buchstaben S sondern auch das Zahlzeichen $latex \sqrt {–1}$, für die Quadratwurzel aus minus eins.
$latex \sqrt {–1}$ ist eine imaginäre Zahl. Der Ausdruck „imaginär“ wird hier anders verwendet als von Lacan. Dass $latex \sqrt {–1}$ imaginär ist, meint: dass sie im System der Arithmetik unmöglich ist. Die Zahl (–1) steht in der Wurzel und das heißt, sie ist das Produkt der Multiplikation einer Zahl mit sich selbst; ein solches Produkt kann aber nicht negativ sein – minus mal minus gibt plus, wie man in der Schule lernt. $latex \sqrt {–1}$ ist zwar eine symbolisch unmögliche Zahl, aber eine Zahl, mit der dennoch gerechnet werden kann – in der Arithmetik gibt es einen Operationsmodus für den Umgang mit unmöglichen Zahlen.
Lacan verwendet $latex \sqrt {–1}$ als Symbol für das Subjekt, insofern es nicht symbolisiert werden kann – symbolisch unmöglich ist –, insofern es aber auf der Ebene des Symbolischen gleichwohl einen Zugang zu dieser Unmöglichkeit gibt, einen Weg, mit diesem Unmöglichen umzugehen. Erstmals verwendet Lacan $latex \sqrt {–1}$ in dieser Bedeutung in Seminar 6 von 1958/59, Das Begehren und seine Deutung.16
Das Reale ist das (symbolisch) Unmögliche, wie Lacan ab Seminar 9 sagt (Die Identifizierung, 1961/62).17 Die imaginäre Zahl $latex \sqrt {–1}$ symbolisiert also (verwirrenderweise) das Subjekt, insofern es real ist.
+
Insgesamt kann man das Symbol $ so lesen: Die Durchstreichung des S symbolisiert, dass das Subjekt vom Signifikanten markiert ist – das S steht für das Subjekt, der Strich für den Signifikanten und die Durchstreichung des S für die Markierung des Subjekts durch den Signifikanten. Die Markierung durch den Signifikanten hat zur Folge, dass das Subjekt ein sujet barré ist, ein ausgesperrtes Subjekt, ein Subjekt, das zu einem Teil von sich keinen Zugang hat, zu dem Teil, durch den es konstituiert wird, „Unbewusstes“ genannt. Und dies heißt nichts anderes, als dass es ein gespaltenes Subjekt ist, gespalten zwischen dem Teil, zu dem es einen Zugang hat, und dem, von dem es ausgesperrt ist. Die Determination durch die Sprache führt zu einem Verlust, einem Seinsmangel. Das Subjekt erfährt diesen Verlust als Fehlen eines Signifikanten, der das Subjekt repräsentiert, als „Verschwinden (Aphanisis, Fading) des Subjekts“. Das Subjekt ist ein Effekt des Symbolischen und zugleich etwas Reales: etwas, das nicht symbolisiert werden kann, etwas symbolisch Unmögliches, etwas Reales – zu dem es gleichwohl auf der Ebene des Symbolischen einen Zugang gibt; hierfür steht das Zeichen $latex \sqrt {–1}$.
Im Graphen des Begehrens findet man das Symbol $ an drei Positionen: unten rechts am Beginn der großen hufeisenförmigen Linie, am Schnittpunkt oben rechts als Bestandteil der Formel ($◊D) und oben links in der Formel ($◊a).
Das $ unten rechts besagt: Ergebnis der Einprägung der Sprache (dargestellt von der unteren Etage des Graphen) ist das von der Sprache geprägte Subjekt. Die obere Etage stellt dar, dass das Subjekt zwei Möglichkeiten hat, sich jenseits der Unterordnung unter die Sprache in seiner Einzigartigkeit wiederzufinden: die symbolische Lösung besteht in der Regression auf bestimmte Triebansprüche ($◊D), die imaginäre Lösung in der Stützung durch ein Objekt des Begehrens im Phantasma ($◊a). In beiden Formeln steht das Symbol $ für „das Subjekt im Fading“.
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Anmerkungen
- Diese Zuordnung findet man zuerst in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten. In der Sitzung vom 26. März 1958 wird das Zeichen $ vorgestellt und auf das Subjekt bezogen (Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 359, 369).
- Vom sujet barré spricht Lacan ebenfalls zuerst in Seminar 5, in der Sitzung vom 11. Juni 1958 (vgl. Version Miller/Gondek, S. 518, dort mit „versperrt“ übersetzt). Die ausdrückliche Zuordnung zwischen dem Symbol $ und dem sujet barré findet man zuerst, im selben Seminar, in der Sitzung vom 25. Juni 1958 (vgl. Version Miller/Gondek, S. 560, hier wird barré mit „gesperrt“ übersetzt).
- Seminar 14, Sitzung vom 16. November 1966, meine Übersetzung nach Version Staferla.
- In den Écrits findet man die Rede von der refente des Subjekts in fast allen klassischen Lacan-Aufsätzen: Die Ausrichtung der Kur, Die Bedeutung des Phallus, Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens, Die Position des Unbewussten, Die Wissenschaft und die Wahrheit.
Auf die Wendung division du sujet stößt man in den Écrits etwa in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens (Écrits, S. 825; Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 365, hier mit „Spaltung des Subjekts“ übersetzt) sowie in Die Stellung des Unbewussten (Écrits, S. 840, „la division du sujet avec lui-même“; Schriften. Band II, Übersetzt von Hans-Dieter Gondek, a.a.O., S. 382, hier mit „Selbstteilung des Subjekts“ übersetzt).
Die Formulierung sujet divisé findet man in Die Bedeutung des Phallus („sujet divisé de la Spaltung signifiante“, Écrits 1966, S. 693; Schriften, Band II, a.a.O., S. 202, hier übersetzt mit „durch die signifikante Spaltung* geteiltes Subjekt“ ); in den Seminaren verwendet Lacan die Wortfolge sujet divisé erstmals in Seminar 12. - Die Opposition von Ausgesagtem und Äußerung wird eingeführt in Seminar 6, in der Sitzung vom 3. Dezember 1958.
- Vgl. Seminar 7, Version Miller/Haas, S. 364.
- Vgl. Anmerkung zum Bericht von Daniel Lagache „Psychoanalyse und Struktur der Persönlichkeit“, in: Schriften, Band II, übers. v. H.-D. Gondek, a.a.O., S. 146–191, hier: S. 166; énoncé/énonciation wird hier mit „Ausgesagtes“/„Aussagen“ übersetzt.
- Vgl. J. Lacan, Seminar 6, Sitzung vom 14. Januar 1959; Version Miller, S. 165.
Lacan stützt sich hier auf Roman Jakobson: Shifters, verbal categories, and the Russian verb (1957). In: Ders.: Selected Writings, Vol. II: Word and Language. Den Haag: Mouton 1972. S. 130–147, in Internet hier; zur indirekten Rede vgl. S. 130 f.– Jakobson spricht von utterances (was bei Lacan den énonciations entspricht). Deutsche Übersetzung: R. Jakobson: Verschieber, Verbkategorien und das russische Verb. In: Ders.: Form und Sinn: Sprachwissenschaftliche Betrachtungen. Fink, München 1974, S. 35–54; utterance wird hier mit „Äußerung“ übersetzt.
Jakobson bezieht er sich auf einen Aufsatz von Émile Benveniste, in dem dieser die Termini énoncé und énonciation verwendet (vgl. É. Benveniste: La nature des pronoms (1956). In: Ders.: Problèmes de linguistique générale. Tome 1. Gallimard, Paris 1966, S. 251–257); énoncé und énonciation findet man in Benvenistes Aufsatz auf S. 252). - Lacan gebraucht den Terminus sujet-supposé-savoir erstmals in Seminar 9, in der Sitzung vom 15. November 1961.
- Den Ausdruck manque d’être verwendet Lacan zuerst in Seminar 2 von 1954/55, Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse, in der Sitzung vom 19. Mai 1955 (vgl. Version Miller/Metzger S. 283 f.) In den Écrits wird dieser Terminus nicht verwendet.
Die Quelle für manque d’être ist: Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie (1943). Übersetzt von Hans Schöneberg und Traugott König. Rowohlt, Reinbek 1994, darin v.a. Teil 2, Kapitel 1, Teil 2: „Die Faktizität des Für-sich“. - In den Écrits verwendet Lacan manque-à-être zuerst in Das Drängen des Buchstaben im Unbewußten oder die Vernunft seit Freud (1957) (vgl. J.L.: Schriften II. Hg. v. Norbert Haas. Walter-Verlag, Olten u.a. 1975, S. 15–55, hier: S. 48).
In den Seminaren findet man den Terminus zuerst in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, Sitzung vom 18. Juni 1958 (vgl. Version Miller/Gondek, S. 546, an beiden Stellen mit „Seinsverfehlen“ übersetzt). - Vgl. S. Freud: Hemmung, Symptom und Angst (1926). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 227–310, hier: S. 277 f.
- Von der „Modifikation“ der „Bedürfnisse“ durch die Sprache spricht Lacan in Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, und im Aufsatz Die Bedeutung des Phallus (Vortrag von 1958, veröffentlicht 1966).
- Vgl. Lacan: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 325–368, hier: S. 361.
- Vgl. J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien u.a. 2015, S. 72–145, hier: S. 132 Fn. 16.
- Vgl. Seminar 6, Sitzung vom 3. Juni 1959; Version Miller, S. 497.
Ausführlich äußert sich Lacan zu $latex \sqrt {–1}$ in Seminar 9 (Die Identifizierung, 1961/62), in den Sitzungen vom 10. Januar, 17. Januar, 24. Januar und 9. Mai 1962; hier heißt es: i, die imaginäre Zahl, ist das Subjekt vor jeder Benennung (10. Januar 1962).
In dem Aufsatz Subversion des Subjekts verwendet Lacan $latex \sqrt {–1}$ als Symbol für „das, was dem Subjekt fehlt, um sich durch das Cogito ausgeschöpft zu denken, nämlich das, was es an Undenkbarem ist“ (Schriften, Band II, übers. v. H.-D. Gondek, S. 358). - Über den Zwangsneurotiker heißt es dort: „Er verschließt sich dem doppelten Ausgang der Botschaft und der Frage, er bringt sich selbst ins Gleichgewicht um zu entscheiden zwichen dem ‚nichts vielleicht?“ und dem ‚vielleicht nichts‘, er setzt sich als real angesichts des Anderen, das heißt als unmöglich.“ (Seminar 9, Sitzung vom 21. März 1962, meine Übersetzung nach Version Staferla)
In Seminar 10 (Die Angst, 1962/63) heißt es: „Ich unterstelle, dass ich mich an Leute wende, die meinem Kommentar über die Analyse des Falls des kleinen Hans gefolgt sind und die sich auch an das erinnern, was ich letztes Jahr zu akzentuieren Sorge getragen habe, den so genannten allgemeinen bejahenden Satz betreffend, nämlich dass er Sinn nur als Definition des Realen vom Unmöglichen aus hat. Wie Sie sehen, hat die Logik seither die im Wesentlichen heikle Funktion, das Reale dazu zu verdammen, ewig im Unmöglichen herumzustolpern.“ (Sitzung vom 19. Dezember 1962; Version Miller/Gondek, S. 103.)