Jouissance, Orgasmus, sexuelle Jouissance (Lacan 1966)
Meg Ryan in: Harry und Sally (Regie: Rob Reiner, 1989)
Copyright: Columbia Pictures
Jouissance ist einer von Lacans Grundbegriffen; meist wird der Ausdruck mit „Genießen“ ins Deutsche gebracht (vgl. diesen Blogartikel). In der französischen Umgangssprache meint jouissance für gewöhnlich den Orgasmus. Lacan hingegen bezieht sich mit jouissance meist nicht auf den Orgasmus, sondern, beispielsweise, auf die mit dem Symptom verbundene „Ersatzbefriedigung“ (wie Freud sagt). Damit stellt sich eine Frage zur Terminologie: Wie verhalten sich bei Lacan diese beiden Begriffe zueinander: Jouissance und Orgasmus? Ist der Orgasmus für ihn eine Form der Jouissance oder haben Orgasmus und Jouissance in seiner Sicht nichts miteinander zu tun?
Lacans ausführlichste Bemerkung zum Verhältnis von Jouissance und Orgasmus findet man in Seminar 13 von 1965/65, Das Objekt der Psychoanalyse, in der Sitzung vom 27. April 1966. Im Folgenden übersetze ich die entsprechende Passage1; ich folge dabei der von Michel Roussan erstellten kritischen Edition und übernehme einige Hinweise aus der Staferla-Version dieses Seminars (von diesem Seminar gibt es keine offizielle Ausgabe). Am Schluss gebe ich eine Zusammenfassung unter dem Aspekt des Verhältnisses dieser beiden Begriffe zueinnander: Orgasmus und jouissance.
In dieser Passage spricht Lacan unter anderem von „sexueller Jouissance“. Damit stellt sich die Anschlussfrage, was er darunter versteht. Wie unterscheidet sie sich von nicht-sexueller Jouissance? Um diese Frage zu klären, übersetze ich anschließend alle weiteren Passagen aus Seminar 13, in denen von „sexueller Jouissance“ die Rede ist.
Zur Übersetzung
Den Ausdruck jouissance übersetze ich (wenn man so sagen will) mit „Jouissance“, jouir mit „genießen“.
Einfügungen in eckigen Klammern sind nicht von Lacan.
Die Gliederung in Absätze ist von mir. Roussans Einteilung in Sätze habe ich hin und wieder geändert.
Jouissance und Orgasmus (Übersetzung)
In Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse, macht Lacan den Versuch, den Blick als Objekt a mithilfe der mathematischen Topologie zu rekonstruieren. Dabei bezieht er sich unter anderem auf den Torus und die Kreuzhaube; auf diese Flächen verweist er auch in der übersetzen Passage (Erläuterungen zu Torus und Kreuzhaube findet man in diesem Blogartikel).
Die erste Sitzung dieses Seminars wurde von Lacan unter dem Titel Die Wissenschaft und die Wahrheit Anfang 1966 veröffentlicht2; eine Anspielung auf das Verhältnis von Wissen und Wahrheit findet man auch in den übersetzten Bemerkungen über jouissance und Orgasmus.
Die Sitzung vom 27. April 1966 beginnt mit einigen Lektüreempfehlungen, dazu gehört das erste Kapitel aus Michel Foucaults Die Ordnung der Dinge mit der Analyse des Bildes Las meninas von Diego Velázquez (diese Bemerkungen habe ich hier übersetzt).
Darauf folgt eine längere Auseinandersetzung mit einem Aufsatz von Ernest Jones, Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität3; Jones entwickelt darin das Konzept der Angst vor Aphanisis (Verschwinden), im Sinne der Angst vor dem Verschwinden des Begehrens, als Alternative zum Theorem der Kastrationsangst. In Seminar 6, Das Begehren und seine Deutung (1958/59) hatte Lacan sich ausführlich hierzu geäußert (vgl. diesen Blogartikel).
Dann gibt Lacan einige Hinweise zu Descartes’ berühmter Formulierung „Ich denke, also bin ich“. Er behauptet, dass es darin um das gespaltene Subjekt geht. Diese These hatte er in Seminar 12 von 1965/65 entwickelt, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse.
Danach fährt er so fort:
Deutsch
Die Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift verweisen auf die Seitenzahlen der von Lacan in Auftrag gegebenen, Version J.L. genannten Stenotypie.
„{27} Die Aphanisis von Jones ist absolut nur in der Dimension eines solchen Seins denkbar.
Denn wie artikuliert er selbst sie für uns? Wie könnte das Zurückweichen vor was auch immer etwas sein, das nicht zur Ordnung des Subjekts gehört, bezogen auf eine Furcht, eine Fähigkeit zu verlieren, die auf Englisch so ausgedrückt wird: die capacity des sexual enjoyment, so lautet der Ausdruck. Ich weiß, dass es sehr schwierig ist, dem, was er bezeichnet, im Englischen eine Stütze zu geben, die denselben Wert hätte wie unser französisches Wort jouissance. Enjoyment hat nicht dieselben Resonanzen wie jouissance, und man müsste es gewissermaßen mit dem Ausdruck Lust* kombinieren, der vielleicht ein wenig besser wäre.
Wie auch immer, die Dimension der Jouissance – bei der ich Sie das letzte Mal darauf hingewiesen habe, dass wir sie einführen werden, dass sie in gewisser Hinsicht ein Terminus ist, der von sich aus wesentliche Probleme aufwirft, die wir wirklich erst einführen können, nachdem wir dem ‚ich bin‘ des ‚ich denke‘ seinen Status verliehen haben –, die Jouissance, das Genießen, kann für uns nur mit jeder Gegenwart des Körpers identisch sein, die Jouissance wird nur von dem her erfasst, nur von dem her aufgefasst, was ein Körper ist.
Und von wo könnte von einem Körper jemals etwas auftauchen, |{28} was die Furcht wäre, de ne plus jouir – keine Jouissance mehr zu empfinden, nicht mehr zu genießen?
Wenn es etwas gibt, worauf das Lustprinzip uns verweist, dann ist es dies: Wenn es eine Furcht gibt, dann ist es die Furcht de jouir, zu genießen. Wobei die Jouissance genaugenommen eine Öffnung ist, deren Grenze nicht gesehen wird und deren Definition ebenfalls nicht gesehen wird. Wie auch immer er genießt, gut oder schlecht, nur zu einem Körper gehört es, zu genießen oder nicht zu genießen, das ist zumindest die Definition, die wir von der Jouissance geben möchten.
Denn was die göttliche Jouissance angeht, so werden wir diese Frage, wenn Sie einverstanden sind, auf später verschieben. Was nicht heißt, dass die Frage sich nicht stellt.
Uns scheint, dass es eine Engstelle gibt, die zu erfassen wichtig ist, nämlich die folgende: Wie können sich die Beziehungen zwischen der Jouissance und dem Subjekt herstellen? Denn das Subjekt sagt: ‚Ich genieße.‘
Das Zentrum – das ich nicht „implizit“ nennen würde, da es durchaus formuliert wird, bei Freud wird es im Klartext gesagt –, das Zentrum des analytischen Denkens ist, dass es nichts gibt, was für das Subjekt mehr Wert hat als der Orgasmus. Der Orgasmus ist der Moment, in dem ein ganz besonderer Gipfel des Glücks verwirklicht wird.
Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Denn nicht weniger verblüffend ist außerdem, dass eine solche Behauptung gewissermaßen von selbst eine Dimension der Zustimmung mit sich bringt. Selbst diejenigen, die hinsichtlich des mehr oder weniger befriedigenden Charakters des Orgasmus gewisse Vorbehalte haben, unter den Bedingungen, unter denen es uns gelingt, ihn zu erreichen, selbst sie werden dennoch nicht denken, dass es, |{29} wenn dieser Orgasmus unzureichend ist, keinen wahreren, substantielleren Orgasmus gibt. Mit welchem Namen auch immer sie ihn bezeichnen mögen: Vereinigung, vereinigender Weg, Vergießung, Totalität, Selbstverlust, was immer Sie wollen, immer wird es sich um den Orgasmus handeln.
Ist es uns nicht möglich – selbst wenn man das, was hier als Ausgangspunkt genommen wird, weiterhin von einem Fragezeichen abhängen lässt –, ist es uns nicht bereits jetzt möglich, zu erfassen, dass wir zumindest provisorisch in Erwägung ziehen können, dass der Orgasmus die Funktion hat, einen Überschneidungspunkt zu repräsentieren oder auch einen Punkt der Emergenz, einen Punkt, wo die Jouissance, möchte ich sagen, an die Oberfläche kommt (fait surface) [wörtlich: ‚Fläche macht‘, ‚Fläche bildet‘].
Das bekommt für uns von daher einen besonderen Sinn, dass die jouissance da, wo sie ‚Fläche bildet‘, an der Fläche par excellence, derjenigen, die wir definiert haben, die wir als strukturell, als die des Subjekts zu erfassen versuchen. Ich weise Sie sogleich auf die Bezüge hin, die das annehmen kann, in dem, was wir, warum nicht, unser System nennen möchten. Ich lehne das Wort ‚System‘ nicht ab, vorausgesetzt, Sie nennen ‚System‘ die Art und Weise, in der ich die Dinge systematisiere und die eben genau aus topologischen Bezügen besteht –, wir können die Jouissance, diejenige, die im Orgasmus ist, durchaus als etwas ansehen, was sich beispielsweise durch eine besondere Form darstellen lässt, die unser Torus von daher annehmen würde. Wenn unser Torus dieser |{30} Kreis des Begehrens ist, der durch die Folge der wiederholten Schlingen eines Anspruchs geschlossen wird, dann ist klar, dass es sich dann in Abhängigkeit von bestimmten Definitionen des Orgasmus als Endpunkt, als Wendepunkt, wie Sie möchten, dass es sich dann um einen Torus handelt, der in etwa so aussieht:
Torus mit Punkt (j) für Orgasmus
Hier [j] jedoch hat er einen punktförmigen Wert. Anders ausgedrückt: Jeder Anspruch reduziert sich hier auf Null, aber es ist nicht weniger klar, dass er das Begehren täuscht (blouse).
Das ist, wenn man so sagen kann, die ideale und naive Funktion des Orgasmus. Für jeden, der versucht, diese Funktion ausgehend von introspektiven Daten zu bestimmen, ist dieser Moment des Orgasmus – ich sage: des Orgasmus – in diesem kurzen Augenblick der Vernichtung verortet, in einem Moment, der im Übrigen punktförmig ist, flüchtig, und der die Dimension all dessen repräsentiert, was das Subjekt in seiner Zerreißung, in seiner Spaltung sein kann.
Es ist klar, dass dies auf Jouissance beruht, wobei es uns nicht genügt, festzustellen, dass dieser Augenblick in diesem idealen Moment der sexuellen Vereinigung realisiert wird – ich insistiere auf ‚ideal‘ –, um zu sagen, |{31} er würde der sexuellen Vereinigung innewohnen. Und der Beweis besteht darin, dass in der Masturbation dieser Moment des Orgasmus völlig äquivalent ist, ich meine, insofern er diesen Endpunkt des Subjekts repräsentiert. Wir halten davon in dieser Funktion also nur den Charakter der Jouissance fest, einer Jouissance, die keineswegs bereits definiert oder motiviert wäre.
Aber das wird es uns ermöglichen, zu begreifen, vorausgesetzt, dass wir die Analogie bemerken, die es zwischen der Form der Klein’schen Flasche gibt –; wenn ich so sagen darf, wenn man denn von Form sprechen kann, aber da ich sie zeichne, hat sie wohl eine Form.
Ich stelle sie in umgekehrter Form dar, verglichen mit dem, was Sie normalerweise sehen.
In der Zeichnung dessen, was ich ihre Öffnung genannt habe, ihren Wendekreis, erscheint die Klein’sche Flasche oben als der Punkt [j] von vorhin.
Dieser Wendekreis, zu dem ich Ihnen schon beigebracht habe, darin die Verbindungsstelle der beiden Seiten des Subjekts zu sehen, wie sie sich, ausgehend von der Konfrontation der Naht des ‚Seins des Wissens‘ mit dem ‚Sein der Wahrheit‘ verbinden können. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass dies hier der Platz ist, an dem wir das, was wir das Symptom nennen, eintragen müssen, und zwar genau als Konjunktion des einen mit dem anderen.
Und das ist eine der nicht zu vergessenden wesentlichsten Grundlagen dessen, was Freud über die Funktion des Symptoms immer gesagt hat, nämlich dass das Symptom an sich selbst Jouissance ist.
Es gibt also andere, strukturell analoge Arten als den Orgasmus, wie die Jouissance auf der Ebene des Subjekts auftaucht. Ich muss Ihnen hier nicht darlegen – |{32} es wäre einfach, aber die Zeit hindert mich daran –, wie oft Freud die Gleichwertigkeit der Funktion des Orgasmus mit der des Symptoms herausgestellt hat. Ob er damit Recht hat oder Unrecht, ist eine andere Frage als die, was er damit sagen will, und als die, was wir selbst von hier aus konstruieren können.
Nun, man sollte vielleicht zweimal hinschauen, bevor man sexuelle Jouissance und Orgasmus gleichsetzt. Dass der Orgasmus beim Menschen eine Manifestation der sexuellen Jouissance ist, und zwar eine, die durch die Funktion, die er beim Subjekt einnimmt, einzigartig kompliziert ist, das ist tatsächlich etwas, womit wir es zu tun haben. Und wir wären ganz und gar im Unrecht, wenn wir diese drei Dimensionen gewissermaßen zusammenfallen ließen, als eine einzige Realität.
Denn das würde im Grunde heißen, in gefährlich verschleierter und noch dazu lächerlicher Form die alten Implikationen des Mystizismus, auf die ich vorhin angespielt habe, wieder einzuführen, in den Bereich einer Erfahrung, für die sie in keiner Weise erforderlich sind.
Früher einmal hat ein Dichter, der gesagt hat, post coitum animal triste [nach dem Koitus ist das Tier traurig], noch hinzugefügt – denn das vergisst man immer: praeter mulierem gallumque, abgesehen von der Frau und den Hähnen. Merkwürdige Sache, seit es das gibt, was ich die psychoanalytische Mystik nenne, ist man nach dem Koitus nicht mehr traurig; ich weiß nicht, ob Ihnen das je aufgefallen ist, aber das ist eine Tatsache. |{33} Natürlich waren die Frauen bereits vorher nicht traurig, aber da die Männer es waren, ist es eigenartig, dass sie es nicht mehr sind.
Hingegen werden die Frauen, wenn sie keinen Orgasmus haben (ne jouissent pas), außergewöhnlich deprimiert, während sie bis dahin extrem gut damit zurechtkamen. Das ist das, was ich die Einführung der psychoanalytischen Mystik nenne. Bislang hat niemand definitiv bewiesen, dass eine Frau, um ihre Rolle als Frau auszufüllen, um jeden Preis einen Orgasmus haben muss. Und der Beweis besteht darin, dass man immer noch herumstreitet, was das ist, dieser berühmte Orgasmus bei der Frau. Diese Metaphysik hat jedoch einen solchen Wert bekommen –; ich kenne zahlreiche Frauen, die von daher krank sind, dass sie sich nicht sicher sind, ob sie wirklich einen Orgasmus haben (jouissent), obwohl sie mit dem, was sie haben, insgesamt gar nicht so unzufrieden sind, und wenn man ihnen nicht gesagt hätte, dass es das nicht ist, würden sie sich keine Gedanken darüber machen.
Das macht es erforderlich, dass man in Bezug auf das, worum es bei der sexuellen Jouissance geht, ein klein bisschen die Tüpfelchen auf die i-s setzt.
Wenn man zunächst einmal festhält, dass uns in erster Linie interessiert, worum es dabei auf der Ebene des Subjekts geht, dann ist dies eine erste Art, die Frage zurechtzurücken.
Aber man könnte sich auch die Frage stellen, worum es dabei auf der Ebene der sexuellen Vereinigung geht. Denn hier ist wirklich bemerkenswert, dass es ein ziemlich eigenartiges Phänomen gibt, nämlich dass wir immer so sprechen, als ob allein schon von daher, dass es beim Lebewesen die sexuelle Differenz gibt mitsamt dem, was sie an Vereinigung notwendig macht, als ob schon von daher der Vollzug der Vereinigung |{34} mit einer gewissermaßen eindeutigen Jouissance einherginge, eindeutig in dem Sinne, als müssten wir sie sie ganz schlicht von dem her extrapolieren, was wir, die Menschen – oder, wenn Sie so wollen, die ganz speziell entwickelten Primaten – von dieser Jouissance kennen.
Nun ja, ich werde dieses Kapitel heute nicht aufschlagen, da es wirklich merkwürdig ist, dass es niemals behandelt wird, denn dass sie nicht behandelt wird, ist eine Tatsache. Aber schließlich ist völlig klar, dass es im Tierreich bei den meisten Weibchen zunächst einmal unmöglich ist, irgendwelche Zeichen dessen zu bestimmen, zu erfassen, was man Orgasmus nennen könnte. Bei ein oder zwei Arten, bei denen man es kann –; die einfach nur zeigen, dass man Zeichen finden könnte, falls es welche gibt, da man bisweilen ja welche findet; es ist völlig klar, dass man überall sonst keine dafür findet, jedenfalls keine objektiven Zeichen für den Orgasmus beim Weibchen. Nun, da man welche finden könnte und da man keine findet, ist das wohl dazu angetan, bei Ihnen einen gewissen Zweifel aufzuwerfen hinsichtlich der Modalitäten der Jouissance bei der sexuellen Vereinigung.
Ich sage nicht –; ich sehe nicht, warum ich die sexuelle Vereinigung ausnehmen sollte von der Dimension der Jouissance, die mir eine Dimension zu sein scheint, die mit der des Körpers absolut koextensiv ist.
Aber dass es die des Orgasmus ist, scheint keineswegs erforderlich zu sein. Das hat vielleicht einen ganz anderen Charakter, und den Beweis dafür findet man übrigens genau dort, wo die sexuelle Vereinigung besonders |{35} eindrucksvoll ist, dort, wo sie an die zehn Tage dauert, etwa bei Fröschen; man sieht da gut, dass es dabei um etwas anders geht als um den Orgasmus. Das ist immerhin sehr wichtig.
Wir sind hier voller Metaphern. Das Anschwellen, das Abschwellen ist eine derjenigen, die mir besonders extravagant zu sein scheinen. Es geht darum, dass sich in der Abfolge des Verhaltens das manifestiert, was man bezogen auf die Vereinigung als aufsteigendes Verhalten bezeichnen könnte oder als Annäherungsverhalten, gefolgt vom Verhalten der Freisetzung der Lasten, wonach sich dann die Trennung herstellt.
Was die Existenzweise eines erektilen Organs angeht, das weit davon entfernt ist, universal zu sein –; beispielsweise gibt es Tiere – ich werde mich nicht damit amüsieren, hier für Sie Biologie zu betreiben, ich bitte Sie vielmehr, die dicken Lehrbücher über Zoologie aufzuschlagen –, beispielsweise gibt es Tiere, bei denen die sexuelle Vereinigung mit Befestigungsorganen realisiert wird, bei denen die Möglichkeit des Anschwellens vollkommen ausgeschlossen ist, da es sich dabei ganz einfach um Haken handelt.
Es scheint ganz offensichtlich zu sein, dass in diesen Fällen der Orgasmus, sofern es ihn gibt, selbst beim Männchen eine ganz andere Erscheinungsform annehmen muss, bei der beispielsweise nichts dafür spricht, dass er einer Subjektivierung zugänglich wäre.
Es scheint mir wichtig zu sein, diese Unterscheidungen einzuführen. Denn wenn Jones zu Beginn [seines Aufsatzes] Abstand nimmt und sich wundert, und auf diese Weise führt er seinen Begriff der Aphanisis ein –; der unterschiedliche Charakter, |{36} den es insgesamt gibt zwischen der Idee der Kastration, wie sie sich in der Erfahrung substanzialisiert, nämlich als Verschwinden des Penis, und etwas, das für ihn all das zu sein scheint, was es an Wichtigerem gibt, nämlich ein Verschwinden – das aber nicht das des Penis ist und das für uns nur das des Subjekts sein kann –, ein Verschwinden, von dem er annimmt, dass es sich dabei nur um die Furcht vor dem Verschwinden des Begehrens handeln kann.
Wobei das jedoch gewissermaßen ein Widerspruch in den Termini ist, denn das Begehren stützt sich gerade auf die Furcht, sich selbst zu verlieren, so dass es keine Aphanisis des Begehrens geben könnte, es könnte in einem Subjekt keine Vorstellung von dieser Aphanisis geben, und zwar deshalb nicht, weil das Begehren davon getragen wird. Das Spinoza’sche Beharren im Sein, das ist derselbe Text und dasselbe Thema, wo es auch heißt: ‚Das Begehren ist das Wesen des Menschen.‘ Der Mensch beharrt im Sein als Begehren. Und dieser Stütze des Begehrens könnte er auf keine Weise entkommen.
Es gibt genau die Mehrdeutigkeit, seine eigene Zurückhaltung und seine eigene Furcht umfassen zu können, in Bezug auf die Jouissance zugleich die Seite der Abwehr und die Seite der Suspendierung zu sein.“4
Französisch/deutsch mit Anmerkungen
Die Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift verweisen auf die Seitenzahlen der von Lacan in Auftrag gegebenen, Version J.L. genannten Stenotypie.
{27} L’aphanisis de Jones n’est absolument concevable que dans la dimension d’un tel être.
„Die Aphanisis von Jones ist absolut nur in der Dimension eines solchen Seins denkbar.
Car, comment lui-même nous l’articule-t-il?
Denn wie artikuliert er selbst sie für uns?
Quel pourrait être le recul de quoi que ce soit qui ne soit pas de l’ordre du sujet par rapport à une crainte de perdre la capacité de – ce qui est dit en anglais : capacity de … le terme sexual enjoyment.
Wie könnte das Zurückweichen vor was auch immer etwas sein, das nicht zur Ordnung des Subjekts gehört, bezogen auf eine Furcht, eine Fähigkeit zu verlieren, die auf Englisch so ausgedrückt wird: die capacity des sexual enjoyment, so lautet der Ausdruck.
Je sais qu’il est très difficile de donner un support qui soit équivalent à notre mot français jouissance à ce qu’il désigne en anglais.
Ich weiß, dass es sehr schwierig ist, dem, was er bezeichnet, im Englischen eine Stütze zu geben, die denselben Wert hätte wie unser französisches Wort jouissance.
Enjoyment n’a pas les mêmes résonances que jouissance et il faudrait en quelque sorte le combiner avec le terme de Lust qui serait peut-être un peu meilleur.
Enjoyment hat nicht dieselben Resonanzen wie jouissance, und man müsste es gewissermaßen mit dem Ausdruck Lust* kombinieren, der vielleicht ein wenig besser wäre.
Quoi qu’il en soit, cette dimension de la jouissanc – dont je vous ai marqué la dernière fois que nous allions l’introduire, qu’elle est en quelque sorte un terme qui pose par lui-même des problèmes essentiels, que nous ne pouvions véritablement introduire qu’après avoir donné son statut au je suis du je pense –, la jouissance, pour nous, ne peut être qu’identique à toute présence des corps ; la jouissance ne s’appréhende, ne se conçoit que de ce qui est corps.
Wie auch immer, die Dimension der Jouissance – bei der ich Sie das letzte Mal darauf hingewiesen habe, dass wir sie einführen werden, dass sie in gewisser Hinsicht ein Terminus ist, der von sich aus wesentliche Probleme aufwirft, die wir wirklich erst einführen können, nachdem wir dem ‚ich bin‘ des ‚ich denke‘ seinen Status verliehen haben –, die Jouissance, das Genießen, kann für uns nur mit jeder Gegenwart des Körpers identisch sein, die Jouissance wird nur von dem her erfasst, nur von dem her aufgefasst, was ein Körper ist.
Et d’où jamais ne pourrait-il surgir d’un corps quelque chose |{28} qui serait la crainte de ne plus jouir?
Und von wo könnte von einem Körper jemals etwas auftauchen, was die Furcht wäre, de ne plus jouir – keine Jouissance mehr zu empfinden, nicht mehr zu genießen?
S’il y a quelque chose que nous indique le principe de plaisir, c’est que s’il y a une crainte, c’est une crainte de jouir.
Wenn es etwas gibt, worauf das Lustprinzip uns verweist, dann ist es dies: Wenn es eine Furcht gibt, dann ist es die Furcht de jouir, zu genießen.
La jouissance étant à proprement parler une ouverture dont ne se voit pas la limite et dont ne se voit pas, non plus, la définition.
Wobei die Jouissance genaugenommen eine Öffnung ist, deren Grenze nicht gesehen wird und deren Definition ebenfalls nicht gesehen wird.
De quelque façon qu’il jouisse, bien ou mal, il n’appartient qu’à un corps de jouir ou de ne pas jouir, c’est tout au moins la définition que nous allons donner de la jouissance.
Wie auch immer er genießt, gut oder schlecht, nur zu einem Körper gehört es, zu genießen oder nicht zu genießen, das ist zumindest die Definition, die wir von der Jouissance geben möchten.
Car pour ce qu’il en est de la jouissance divine, nous reporterons, si vous le voulez bien, cette question à plus tard !
Denn was die göttliche Jouissance angeht, so werden wir diese Frage, wenn Sie einverstanden sind, auf später verschieben.
Non pas qu’elle ne se pose pas.
Was nicht heißt, dass die Frage sich nicht stellt.
Il nous semble qu’il y a un défilé qu’il est important de saisir; c’est ceci : comment peuvent s’établir les rapports de la jouissance et du sujet?
Uns scheint, dass es eine Engstelle gibt, die zu erfassen wichtig ist, nämlich die folgende: Wie können sich die Beziehungen zwischen der Jouissance und dem Subjekt herstellen?
Car le sujet dit : je jouis.
Denn das Subjekt sagt: ‚Ich genieße.‘
Le centre – que je ne dirais pas implicite, parce qu’aussi bien il est formulé, il est dit en clair dans Freud –, le centre de la pensée analytique, c’est qu’il n’y a rien qui ait plus de valeur pour le sujet que l’orgasme.
Das Zentrum – das ich nicht „implizit“ nennen würde, da es durchaus formuliert wird, bei Freud wird es im Klartext gesagt –, das Zentrum des analytischen Denkens ist, dass es nichts gibt, was für das Subjekt mehr Wert hat als der Orgasmus.
L’orgasme est l’instant où est réalisé un sommet privilégié, unique, de bonheur.
Der Orgasmus ist der Moment, in dem ein ganz besonderer Gipfel des Glücks verwirklicht wird.
Ceci mérite réflexion.
Es lohnt sich, darüber nachzudenken.
Car en plus, il n’est pas moins frappant qu’une pareille affirmation comporte en quelque sorte par elle-même une dimension d’accord.
Denn nicht weniger verblüffend ist außerdem, dass eine solche Behauptung gewissermaßen von selbst eine Dimension der Zustimmung mit sich bringt.
Même ceux qui font quelque réserve sur le caractère plus ou moins satisfaisant de l’orgasme, dans les conditions où il nous est donné d’y atteindre, n’en iront pas pour autant à ne pas penser que |{29} si cet orgasme est insuffisant, il n’y en a pas un plus vrai, plus substantiel.
Selbst diejenigen, die hinsichtlich des mehr oder weniger befriedigenden Charakters des Orgasmus gewisse Vorbehalte haben, unter den Bedingungen, unter denen es uns gelingt, ihn zu erreichen, selbst sie werden dennoch nicht denken, dass es, wenn dieser Orgasmus unzureichend ist, keinen wahreren, substantielleren Orgasmus gibt.
Qu’ils appellent de quelque nom qu’il s’agisse : union, voie unitive, effusion, totalité, perte de soi, quoi que vous voudrez, ce sera toujours de l’orgasme qu’il s’agira.
Mit welchem Namen auch immer sie ihn bezeichnen mögen: Vereinigung, vereinigender Weg, Vergießung, Totalität, Selbstverlust, was immer Sie wollen, immer wird es sich um den Orgasmus handeln.
Est-ce qu’il ne nous est pas possible – même à garder accroché à quelque point d’interrogation ce qui est là pris comme point de départ –, est-ce qu’il ne nous est pas possible dès maintenant de saisir ceci que nous pouvons considérer l’orgasme dans cette fonction, disons même provisoire comme représentant un point de croisement, ou encore un point d’émergence, un point où précisément la jouissance, je dirais, fait surface?
Ist es uns nicht möglich – selbst wenn man das, was hier als Ausgangspunkt genommen wird, weiterhin von einem Fragezeichen abhängen lässt –, ist es uns nicht bereits jetzt möglich, zu erfassen, dass wir zumindest provisorisch in Erwägung ziehen können, dass der Orgasmus die Funktion hat, einen Überschneidungspunkt zu repräsentieren oder auch einen Punkt der Emergenz, einen Punkt, wo die Jouissance, möchte ich sagen, an die Oberfläche kommt (fait surface) [wörtlich: ‚Fläche macht‘, ‚Fläche bildet‘].
Ceci prend pour nous un sens privilégié de ceci que, là où elle fait surface, à la surface par excellence, celle que nous avons définie, que nous essayons de saisir, comme structurale, comme celle du sujet.
Das bekommt für uns von daher einen besonderen Sinn, dass die Jouissance da, wo sie ‚Fläche bildet‘, an der Fläche par excellence, derjenigen, die wir definiert haben, die wir als strukturell, als die des Subjekts zu erfassen versuchen.
Je vous indique aussitôt les repères que ceci peut prendre dans, pourquoi pas, ce que nous appellerons notre système.
Ich weise Sie sogleich auf die Bezüge hin, die das annehmen kann, in dem, was wir, warum nicht, unser System nennen möchten.
Je ne refuse pas le mot système à condition que vous appeliez système la façon dont je systématise les choses et qui est précisément faite de références topologiques.
Ich lehne das Wort ‚System‘ nicht ab, vorausgesetzt, Sie nennen ‚System‘ die Art und Weise, in der ich die Dinge systematisiere und die eben genau aus topologischen Bezügen besteht.
Nous pouvons bien considérer la jouissance, celle qui est dans l’orgasme, comme quelque chose qui s’inscrira par exemple d’une forme particulière qu’en prendrait notre tore.
Wir können die Jouissance, diejenige, die im Orgasmus ist, durchaus als etwas ansehen, was sich beispielsweise durch eine besondere Form darstellen lässt, die unser Torus von daher annehmen würde.
Si notre tore c’est le cycle |{30} du désir, qui s’accomplit par la suite des boucles répétées d’une demande, il est clair qu’en fonction de certaines définitions de l’orgasme, comme point terminal, comme point de rebroussement, comme vous voudrez, ce sera d’un tore à peu près fait ainsi qu’il s’agira, mais ici [j] il a une valeur punctiforme.
Wenn unser Torus dieser Kreis des Begehrens ist, der durch die Folge der wiederholten Schlingen eines Anspruchs geschlossen wird4, dann ist klar, dass es sich dann in Abhängigkeit von bestimmten Definitionen des Orgasmus als Endpunkt, als Wendepunkt, wie Sie möchten, dass es sich dann um einen Torus handelt, der in etwa so aussieht; hier [j] jedoch hat er einen punktförmigen Wert.
Torus mit Punkt (j) für Orgasmus
En d’autres termes toute demande s’y réduit à zéro, mais il n’est pas moins clair qu’il blouse le désir.
Anders ausgedrückt: Jeder Anspruch reduziert sich hier auf Null, aber es ist nicht weniger klar, dass er das Begehren täuscht (blouse).
C’est la fonction, si l’on peut dire, idéale et naïve de l’orgasme.
Das ist, wenn man so sagen kann, die ideale und naive Funktion des Orgasmus.
Pour quiconque essaie de la définir à partir de données introspectives, c’est dans ce court moment d’anéantissement – moment d’ailleurs punctiforme, fugitif, que représente dans la dimension de tout ce qui peut être le sujet dans son déchirement, dans sa division –, que ce moment de l’orgasme, j’ai dit : de l’orgasme, se situe.
Für jeden, der versucht, diese Funktion ausgehend von introspektiven Daten zu bestimmen, ist dieser Moment des Orgasmus – ich sage: des Orgasmus – in diesem kurzen Augenblick der Vernichtung verortet, in einem Moment, der im Übrigen punktförmig ist, flüchtig, und der die Dimension all dessen repräsentiert, was das Subjekt in seiner Zerreißung, in seiner Spaltung sein kann.
Il est clair que c’est au titre de jouissance dont, pour nous, il ne suffit pas de constater que dans ce moment d’idéal – j’insiste sur idéal –, il est réalisé dans la conjonction sexuelle, pour que nous disions |{31} qu’il est immanent dans la conjonction sexuelle.
Es ist klar, dass dies auf Jouissance beruht, wobei es uns nicht genügt, festzustellen, dass dieser Augenblick in diesem idealen Moment der sexuellen Vereinigung realisiert wird – ich insistiere auf ‚ideal‘ –, um zu sagen, er würde der sexuellen Vereinigung innewohnen.
Et la preuve, c’est que ce moment d’orgasme est exactement équivalent dans la masturbation, je dis : en tant qu’il représente ce point du terme du sujet.
Und der Beweis besteht darin, dass in der Masturbation dieser Moment des Orgasmus völlig äquivalent ist, ich meine, insofern er diesen Endpunkt des Subjekts repräsentiert.
Nous n’en retenons donc, dans cette fonction, que le caractère de jouissance, et jouissance qui n’est point encore définie ni motivée.
Wir halten davon in dieser Funktion also nur den Charakter der Jouissance fest, einer Jouissance, die keineswegs bereits definiert oder motiviert wäre.
Mais ceci nous permettra de comprendre, à condition de nous apercevoir de l’analogie qu’il y a entre la « forme » de la bouteille de Klein, si j’ose dire – si tant est qu’on puisse parler de la forme, mais enfin, puisque je la dessine, elle a la forme.
Aber das wird es uns ermöglichen, zu begreifen, vorausgesetzt, dass wir die Analogie bemerken, die es zwischen der Form der Klein’schen Flasche gibt –; wenn ich so sagen darf, wenn man denn von Form sprechen kann, aber da ich sie zeichne, hat sie wohl eine Form.
Klein’sche Flasche
Je la représente sous la forme inversée par rapport à ce que vous voyez d’habitude, dans le dessin, que j’ai appelé son ouverture, son cercle de reversion : la bouteille de Klein apparaît en haut comme le point de tout à l’heure.
Ich stelle sie in umgekehrter Form dar, verglichen mit dem, was Sie normalerweise sehen. In der Zeichnung dessen, was ich ihre Öffnung genannt habe, ihren Wendekreis, erscheint die Klein’sche Flasche oben als der Punkt [j] von vorhin.
Ce cercle de reversion, où je vous ai déjà appris à trouver le point nodal de ces deux versants du sujet tels qu’ils peuvent se conjoindre de l’affrontement, de la couture de l’être de savoir à l’être de vérité.
Dieser Wendekreis, zu dem ich Ihnen schon beigebracht habe, darin die Verbindungsstelle der beiden Seiten des Subjekts zu sehen, wie sie sich, ausgehend von der Konfrontation der Naht des ‚Seins des Wissens‘ mit dem ‚Sein der Wahrheit‘ verbinden können.
Je vous ai aussi dit que c’était là la place où nous devons inscrire, précisément comme conjonction de l’un à l’autre, ce que nous appelons le symptôme.
Ich habe Ihnen auch gesagt, dass dies hier der Platz ist, an dem wir das, was wir das Symptom nennen, eintragen müssen, und zwar genau als Konjunktion des einen mit dem anderen.
Et c’est un des fondements les plus essentiels, à ne pas oublier, de ce que Freud a toujours dit de la fonction du symptôme : c’est qu’en lui-même le symptôme est jouissance.
Und das ist eine der nicht zu vergessenden wesentlichsten Grundlagen dessen, was Freud über die Funktion des Symptoms immer gesagt hat, nämlich dass das Symptom an sich selbst Jouissance ist.
Il y a donc d’autres modes d’émergence, structuralement analogues, de la jouissance au niveau du sujet que l’orgasme.
Es gibt also andere, strukturell analoge Arten als den Orgasmus, wie die Jouissance auf der Ebene des Subjekts auftaucht.
Je n’ai pas besoin, |{32} ce serait facile mais le temps m’en empêche, de vous rapporter le nombre de fois où Freud a mis en valeur l’équivalence de la fonction de l’orgasme avec celle du symptôme.
Ich muss Ihnen hier nicht darlegen – es wäre einfach, aber die Zeit hindert mich daran –, wie oft Freud die Gleichwertigkeit der Funktion des Orgasmus mit der des Symptoms herausgestellt hat.
Qu’il ait tort ou raison est une autre question que de savoir ce qu’il veut dire en cette occasion ; ce que, nous, nous pouvons là-dessus en construire.
Ob er damit Recht hat oder Unrecht, ist eine andere Frage als die, was er damit sagen will, und als die, was wir selbst von hier aus konstruieren können.
Alors, il conviendrait peut-être d’y regarder à deux fois, avant de faire équivaloir l’orgasme et la jouissance sexuelle.
Nun, man sollte vielleicht zweimal hinschauen, bevor man sexuelle Jouissance und Orgasmus gleichsetzt.
Que l’orgasme soit une manifestation de la jouissance sexuelle chez l’homme, et singulièrement compliquée de la fonction qu’il vient occuper dans le sujet, c’est bien ce à quoi nous avons à faire et nous aurions tout à fait tort de collaber, en quelque sorte, comme une seule et même réalité, ces trois dimensions.
Dass der Orgasmus beim Menschen eine Manifestation der sexuellen Jouissance ist, und zwar eine, die durch die Funktion, die er beim Subjekt einnimmt, einzigartig kompliziert ist, das ist tatsächlich etwas, womit wir es zu tun haben. Und wir wären ganz und gar im Unrecht, wenn wir diese drei Dimensionen gewissermaßen zusammenfallen ließen, als eine einzige Realität.
Car c’est ça qui est, à proprement parler, réintroduire sous une forme dangereusement masquée et par-dessus le marché ridicule, les vieilles implications du mysticisme auxquelles j’ai fait allusion tout à l’heure, dans le domaine d’une expérience qui ne les nécessite nullement.
Denn das würde im Grunde heißen, in gefährlich verschleierter und noch dazu lächerlicher Form die alten Implikationen des Mystizismus, auf die ich vorhin angespielt habe, wieder einzuführen, in den Bereich einer Erfahrung, für die sie in keiner Weise erforderlich sind.
Un poète autrefois, qui a dit Post coïtum animal triste, ajoutait praeter – parce que ça, on l’oublie toujours – mulierem gallumque : mis à part la femme et le coq.
Früher einmal hat ein Dichter, der gesagt hat, post coitum animal triste [nach dem Koitus ist das Tier traurig], noch hinzugefügt – denn das vergisst man immer: praeter mulierem gallumque, abgesehen von der Frau und den Hähnen.7
Chose curieuse, depuis que, ce que j’appelle, la mystique psychanalytique existe, on n’est plus triste après le coït ; je ne sais pas si vous avez jamais remarqué ça mais c’est un fait.
Merkwürdige Sache, seit es das gibt, was ich die psychoanalytische Mystik nenne, ist man nach dem Koitus nicht mehr traurig; ich weiß nicht, ob Ihnen das je aufgefallen ist, aber das ist eine Tatsache.
{33} Les femmes, bien sûr, déjà n’étaient pas tristes mais puisque les hommes l’étaient, c’est curieux qu’ils ne le soient plus.
Natürlich waren die Frauen bereits vorher nicht traurig, aber da die Männer es waren, ist es eigenartig, dass sie es nicht mehr sind.
Par contre, quand les femmes ne jouissent pas, elles deviennent extraordinairement déprimées, alors que jusque là elles s’en accommodaient extrêmement bien.
Hingegen werden die Frauen, wenn sie keinen Orgasmus (ne jouissent pas), außergewöhnlich deprimiert, während sie bis dahin extrem gut damit zurechtkamen.
Voilà ce que j’appelle l’introduction de la mystique psychanalytique.
Das ist das, was ich die Einführung der psychoanalytischen Mystik nenne.
Personne n’a encore définitivement prouvé qu’il faille à tout prix qu’une femme ait un orgasme pour remplir son rôle de femme.
Bislang hat niemand definitiv bewiesen, dass eine Frau, um ihre Rolle als Frau auszufüllen, um jeden Preis einen Orgasmus haben muss.
Et la preuve c’est qu’on en est encore à ergoter sur ce qu’il est, ce fameux orgasme chez la femme.
Und der Beweis besteht darin, dass man immer noch herumstreitet, was das ist, dieser berühmte Orgasmus bei der Frau.
Néanmoins, cette métaphysique a pris une telle valeur, je connais un très grand nombre de femmes qui sont malades de ne pas être sûres qu’elles jouissent vraiment, alors qu’en somme elles ne sont pas si mécontentes que ça de ce qu’elles ont et que si on ne leur avait pas dit que c’était pas ça, elles ne s’en préoccuperaient pas.
Diese Metaphysik hat jedoch einen solchen Wert bekommen –; ich kenne zahlreiche Frauen, die von daher krank sind, dass sie sich nicht sicher sind, ob sie wirklich einen Orgasmus haben (jouissent), obwohl sie mit dem, was sie haben, insgesamt gar nicht so unzufrieden sind, und wenn man ihnen nicht gesagt hätte, dass es das nicht ist, würden sie sich keine Gedanken darüber machen.
Ceci nécessite qu’on mette un petit peu les points sur les i, concernant ce qu’il en est de la jouissance sexuelle.
Das macht es erforderlich, dass man in Bezug auf das, worum es bei der sexuellen Jouissance geht, ein klein bisschen die Tüpfelchen auf die i-s setzt.
Si on pose d’abord que ce qui nous intéresse au premier plan, c’est de savoir ce qu’il en est au niveau du sujet, c’est une première façon d’assainir la question.
Wenn man zunächst einmal festhält, dass uns in erster Linie interessiert, worum es dabei auf der Ebene des Subjekts geht, dann ist dies eine erste Art, die Frage zurechtzurücken.
Mais on pourrait aussi se poser la question de savoir ce qu’il en est au niveau de la conjonction sexuelle, parce que là, il est très remarquable que c’est un phénomène bien étrange que nous parlons toujours comme si, du seul fait que la différence sexuelle existe chez le vivant avec ce qu’elle nécessite de conjonction, l’accomplissement de la conjonction s’accompagne |{34} d’une jouissance en quelque sorte univoque, et univoque en ce sens que nous devrions tout simplement l’extrapoler de ce que, nous, les humains ou, si vous voulez, les primates plus particulièrement évolués, nous en connaissons de cette jouissance.
Aber man könnte sich auch die Frage stellen, worum es dabei auf der Ebene der sexuellen Vereinigung geht. Denn hier ist wirklich bemerkenswert, dass es ein ziemlich eigenartiges Phänomen gibt, nämlich dass wir immer so sprechen, als ob allein schon von daher, dass es beim Lebewesen die sexuelle Differenz gibt mitsamt dem, was sie an Vereinigung notwendig macht, als ob schon von daher der Vollzug der Vereinigung mit einer gewissermaßen eindeutigen Jouissance einherginge, eindeutig in dem Sinne, als müssten wir sie sie ganz schlicht von dem her extrapolieren, was wir, die Menschen – oder, wenn Sie so wollen, die ganz speziell entwickelten Primaten – von dieser Jouissance kennen.
Eh bien, je ne vais pas entrer dans ce chapitre aujourd’hui parce qu’il est très curieux qu’il ne soit jamais traité, enfin c’est un fait qu’il ne l’est pas.
Nun ja, ich werde dieses Kapitel heute nicht aufschlagen, da es wirklich merkwürdig ist, dass es niemals behandelt wird, denn dass sie nicht behandelt wird, ist eine Tatsache.
Mais enfin il est tout à fait clair que tout d’abord il est impossible de définir, de saisir, quelques signes de ce qu’on pourrait appeler orgasme chez la plupart des femelles dans le domaine animal.
Aber schließlich ist völlig klar, dass es im Tierreich bei den meisten Weibchen zunächst einmal unmöglich ist, irgendwelche Zeichen dessen zu bestimmen, zu erfassen, was man Orgasmus nennen könnte.
Pour une ou deux espèces où on le peut, qui ne font justement que montrer qu’on pourrait trouver des signes s’il y en avait, puisque quelquefois on en trouve, il est tout à fait clair que, partout ailleurs, on n’en trouve pas, en tout cas de signes objectifs de l’orgasme chez la femelle.
Bei ein oder zwei Arten, bei denen man es kann –; die einfach nur zeigen, dass man Zeichen finden könnte, falls es welche gibt, da man bisweilen ja welche findet; es ist völlig klar, dass man überall sonst keine dafür findet, jedenfalls keine objektiven Zeichen für den Orgasmus beim Weibchen.
Alors, puisqu’on pourrait en trouver et qu’on n’en trouve pas, c’est quand même quelque chose de nature à vous jeter un petit doute sur les modalités de la jouissance dans la conjonction sexuelle.
Nun, da man welche finden könnte und da man keine findet, ist das wohl dazu angetan, bei Ihnen einen gewissen Zweifel aufzuwerfen hinsichtlich der Modalitäten der Jouissance bei der sexuellen Vereinigung.
Je ne dis pas, je ne vois pas pourquoi j’excepterais la conjonction sexuelle de la dimension de la jouissance, qui me paraît une dimension absolument coextensive à celle du corps.
Ich sage nicht –; ich sehe nicht, warum ich die sexuelle Vereinigung ausnehmen sollte von der Dimension der Jouissance, die mir eine Dimension zu sein scheint, die mit der des Körpers absolut koextensiv ist.
Mais que ce soit celle de l’orgasme, ça ne semble nullement obligé.
Aber dass es die des Orgasmus ist, scheint keineswegs erforderlich zu sein.
C’est peut-être d’une nature toute différente et la preuve d’ailleurs, c’est justement là où elle est la plus impressionnante, la conjoncture |{35} sexuelle, là où elle dure une dizaine de jours, entre les grenouilles par exemple, qu’on voit bien que ce dont il s’agit, c’est d’autre chose que de l’orgasme.
Das hat vielleicht einen ganz anderen Charakter, und den Beweis dafür findet man übrigens genau dort, wo die sexuelle Vereinigung besonders eindrucksvoll ist, dort, wo sie an die zehn Tage dauert, etwa bei Fröschen; man sieht da gut, dass es dabei um etwas anders geht als um den Orgasmus.
C’est quand même très important.
Das ist immerhin sehr wichtig.
Nous sommes ici pleins de métaphores.
Wir sind hier voller Metaphern.
La tumescence, la détumescence est une de celles qui paraissent les plus extravagantes.
Das Anschwellen, das Abschwellen ist eine derjenigen, die mir besonders extravagant zu sein scheinen.
Il s’agit de manifester dans la suite des comportements, ce qu’on pourrait appeler, par rapport à la conjonction, un comportement ascendant ou comportement d’approche, suivi d’un comportement de résolution des charges après lequel se produira la séparation.
Es geht darum, dass sich in der Abfolge des Verhaltens das manifestiert, was man bezogen auf die Vereinigung als aufsteigendes Verhalten bezeichnen könnte oder als Annäherungsverhalten, gefolgt vom Verhalten der Freisetzung der Lasten, wonach sich dann die Trennung herstellt.
Au mode de l’existence d’un organe érectile, qui est très loin d’être universel, il y a des animaux – je ne vais pas m’amuser à faire ici pour vous de la biologie mais je vous prie d’ouvrir les gros traités de zoologie –, il y a des animaux qui réalisent la conjonction sexuelle à l’aide d’organes de fixation parfaitement non tumescibles, puisque ce sont purement et simplement des crochets.
Was die Existenzweise eines erektilen Organs angeht, das weit davon entfernt ist, universal zu sein –; beispielsweise gibt es Tiere – ich werde mich nicht damit amüsieren, hier für Sie Biologie zu betreiben, ich bitte Sie vielmehr, die dicken Lehrbücher über Zoologie aufzuschlagen –, beispielsweise gibt es Tiere, bei denen die sexuelle Vereinigung mit Befestigungsorganen realisiert wird, bei denen die Möglichkeit des Anschwellens vollkommen ausgeschlossen ist, da es sich dabei ganz einfach um Haken handelt.
Il paraît bien que l’orgasme dans ces cas, s’il existe, doit prendre même chez le mâle une toute autre apparence dont rien ne dit, par exemple, qu’il serait susceptible de quelque subjectivation.
Es scheint ganz offensichtlich zu sein, dass in diesen Fällen der Orgasmus, sofern es ihn gibt, selbst beim Männchen eine ganz andere Erscheinungsform annehmen muss, bei der beispielsweise nichts dafür spricht, dass er einer Subjektivierung zugänglich wäre.
Ces distinctions me paraissent importantes à introduire parce que si Jones, au départ, en quelque sorte s’écarte et s’étonne – et c’est ainsi qu’il introduit sa notion d’aphanisis – du caractère distinct, |{36} en somme, qu’il y a entre l’idée de la castration telle qu’elle se substantifie dans l’expérience, à savoir la disparition du pénis, et de quelque chose qui lui paraisse tout ce qu’il y a de plus important, à savoir une disparition mais qui n’est pas celle du pénis, qui pour nous ne peut être que celle du sujet et qu’il s’imagine pouvoir être la crainte de la disparition du désir, alors que ceci est en quelque sorte une contradiction dans les termes, car le désir précisément se soutient de la crainte de se perdre lui-même ; qu’il ne saurait y avoir d’aphanisis du désir ; qu’il ne saurait y avoir dans un sujet de représentation de cette aphanisis pour la raison que le désir en est soutenu.
Es scheint mir wichtig zu sein, diese Unterscheidungen einzuführen. Denn wenn Jones zu Beginn [seines Aufsatzes] Abstand nimmt und sich wundert, und auf diese Weise führt er seinen Begriff der Aphanisis ein –; der unterschiedliche Charakter, den es insgesamt gibt zwischen der Idee der Kastration, wie sie sich in der Erfahrung substanzialisiert, nämlich als Verschwinden des Penis, und etwas, das für ihn all das zu sein scheint, was es an Wichtigerem gibt, nämlich ein Verschwinden – das aber nicht das des Penis ist und das für uns nur das des Subjekts sein kann –, ein Verschwinden, von dem er annimmt, dass es sich dabei nur um die Furcht vor dem Verschwinden des Begehrens handeln kann. Wobei das jedoch gewissermaßen ein Widerspruch in den Termini ist, denn das Begehren stützt sich gerade auf die Furcht, sich selbst zu verlieren, so dass es keine Aphanisis des Begehrens geben könnte, es könnte in einem Subjekt keine Vorstellung von dieser Aphanisis geben, und zwar deshalb nicht, weil das Begehren davon getragen wird.
Le « persévérer dans l’être » spinozien est le même texte et le même thème qui dit : « le désir est l’essence de l’homme ».
Das Spinoza’sche Beharren im Sein, das ist derselbe Text und dasselbe Thema, wo es auch heißt: ‚Das Begehren ist das Wesen des Menschen.‘8
L’homme persévère dans l’être comme désir, et il ne saurait s’évader d’aucune façon de ce soutien du désir.
Der Mensch beharrt im Sein als Begehren. Und dieser Stütze des Begehrens könnte er auf keine Weise entkommen.
Il y a précisément l’ambiguïté de pouvoir comporter sa propre retenue et sa propre crainte, d’être face de défense en même temps que face de suspension vers la jouissance.
Es gibt genau die Mehrdeutigkeit, seine eigene Zurückhaltung und seine eigene Furcht umfassen zu können, in Bezug auf die Jouissance zugleich die Seite der Abwehr und die Seite der Suspendierung zu sein.“9
Meine Zusammenfassung zum Verhältnis von Jouissance und Orgasmus
Sätze ohne Klammern: meine Paraphrasen
Sätze in Klammern: meine Ergänzungen
Man muss unterscheiden: jouissance, sexuelle jouissance, Orgasmus und sexuelle Vereinigung.
Die jouissance kann nur vom Körper her erfasst werden, sie ist mit der Gegenwart des Körpers identisch, koextensiv. (Das heißt vermutlich: Wann immer ein lebendiger Körper im Spiel ist, gibt es auch jouissance. In „Die Dritte“ (1974) wird Lacan sich fragen ob auch Pflanzen durch jouissance gekennzeichnet sind.)
Von der jouissance ist die sexuelle jouissance zu unterscheiden. (Lacan sagt in der übersetzten Passage nicht, wodurch sich die sexuelle jouissance auszeichnet. Damit bleibt diese Frage offen: Was versteht Lacan unter sexueller jouissance? Wie unterscheidet sie sich von der nicht-sexuellen jouissance?)
Der Orgasmus ist eine spezielle Manifestation der sexuellen jouissance. (Das erinnert an den Aufsatz über weibliche Sexualität von 1958, in dem Lacan ohne Zögern von der Frage nach der weiblichen jouissance zur Frage nach dem der klitoridalen jouissance und zum vaginalen Orgasmus übergeht.5) Jedoch nicht alle sexuelle jouissance ist Orgasmus.
Das Symptom ist ebenfalls eine Form der jouissance. (Das Symptom ist eine „Ersatzbefriedigung“, wie Freud sagt. Es ist klar, dass sich die Psychoanalyse vor allem für die mit dem Symptom verbundene jouissance interessiert.)
(Der Begriffsaufbau im Jahre 1966 ist also:
Der allgemeinste Begriff ist jouissance.
Das Symptom geht mit jouissance einher.
Die sexuelle jouissance ist eine bestimmte Form von jouissance.
Der Orgasmus wiederum ist eine bestimmte Form von sexueller jouissance.)
(Wenn man jouissance mit „Lust“ übersetzt – Lust jenseits des Lustprinzips –, kann man also sagen: Die Lust ist an den lebendigen Körper gebunden – wo immer der lebendige Körper im Spiel ist, geht es auch um Lust. Einige Lust ist die sexuelle Lust. Der Orgasmus wiederum ist eine Sonderform der sexuellen Lust.)
(Die Eingangsfrage ist also beantwortet: Ja, Lacan begreift den Orgasmus als eine Form der jouissance.
Wie es immer so geht, sind neue Fragen aufgetaucht:
Wodurch unterscheidet sich in der Sicht von Lacan die sexuelle jouissance von der nicht-sexuellen jouissance?
Und: Ist für Lacan die mit dem Symptom verbundene jouissance eine Form von sexueller jouissance?)
Freud sagt – so behauptet Lacan –, dass die Funktion des Orgasmus und die Funktion des Symptoms gleichwertig sind; Lacan lässt offen, ob er das für richtig hält. Er sagt: Orgasmus und jouissance im Symptom sind „strukturell analog“. (Damit wirft er die Frage auf: In welchem Verhältnis steht die mit dem Symptom verbundene jouissance zu der mit dem Orgasmus verbundenen jouissance?)
Die sexuelle Vereinigung – der Koitus – ist mit jouissance verbunden, da sie an den Körper gebunden ist. Diese jouissance hat nicht unbedingt die Form des Orgasmus. Lacans Beispiel ist die Dauerkopulation der Frösche.
Der Orgasmus ist nicht mit der sexuellen Vereinigung gleichzusetzen; einen Orgasmus erreicht man auch durch Masturbation. Unter dem Gesichtspunkt, dass der Anspruch sich für einen idealen Moment auf Null reduziert, sind beide Arten des Orgasmus identisch.
Die sexuelle Vereinigung geht, da hierbei der Körper ins Spiel kommt, mit jouissance einher; diese jouissance hat jedoch nicht unbedingt die Form des Orgasmus.
Der Orgasmus ist für die Psychoanalyse unter dem Aspekt interessant, worum es dabei auf der Ebene des Subjekts geht. Der Orgasmus wird subjektiviert, denn es wird über ihn gesprochen.
Auf dem Torus lässt sich das Ideal des Orgasmus probeweise als eine Verengung darstellen, an der sich der Anspruch auf Null reduziert (Punkt j):
Immer noch zur Darstellung des Orgasmus auf dem Torus: Hierbei täuscht (blouse) der Anspruch das Begehren. (Mir ist nicht klar, was damit gemeint ist.)
Dem Punkt j auf dem Torus entspricht in der Klein’schen Flasche der sogenannte Wendekreis (diese Strukturentsprechung ist mir nicht klar):
Für Freud und für viele Psychoanalytiker besteht der Gipfel des Glücks im Orgasmus. Lacan nennt diese Auffassung die psychoanalytische Mystik. Er betont die problematischen Folgen dieser Orientierung: Viele Frauen werden krank, weil sie sich nicht sicher sind, einen richtigen Orgasmus zu haben; ohne die „psychoanalytische Mystik“ würden sie sich darüber nicht den Kopf zerbrechen.
Die Übersetzung von jouissance mit dem englischen Wort „enjoyment“ ist nicht gut, besser ist die Übersetzung mit dem deutschen Wort „Lust“.
Sexuelle Jouissance
Was also versteht Lacan unter sexueller Jouissance? In den Seminaren vor Seminar 13 verwendet er den Begriff nur selten und dort so unbestimmt, dass sich die Frage nach der Unterscheidung von sexueller und nicht-sexueller Jouissance nicht beantworten lässt. In den Schriften findet man den Begriff überhaupt nicht.
In Seminar 13 verwendet er den Ausdruck „sexuelle Jouissance“ zum ersten Mal an der zitierten Stelle. Danach findet man den Terminus in diesem Seminar noch drei Mal. Ich übersetze sie im Folgenden und fasse die Passagen unter dem hier interessierenden Gesichtspunkt zusammen.
In der Sitzung vom 8. Juni 1966 heißt es:
„Der grundlegende Wert des Objekts der Jouissance besteht eben darin, uns zu zeigen, durch welches Getriebe – denn bis jetzt haben wir nichts anderes, ich fordere jede Philosophie heraus, welche auch immer, uns jetzt Auskunft zu geben über das Verhältnis zwischen dem Auftauchen des Signifikanten |{12}und dem Verhältnis des Seins/Wesens zur Jouissance. Dieses Verhältnis besteht eben genau – die Sache ist an dem Punkt in der Schwebe, an dem Freud es uns gesagt hat, das ist der Sinn dessen, was er sagt – in diesem subjektiven Netz, in dem, was dazu führt, dass das Subjekt dem Netz der Sprache nicht immanent ist, sondern dass es im Verhältnis zu diesem Netz latent ist, verschwindend. Darin wird die Jouissance erfasst insofern sie sexuelle Jouissance ist. Hier liegt die Originalität und das Schroffe, der Akzent dessen, was Freud uns sagt.“6
Man erfährt hier, dass die sexuelle Jouissance vom Netz der Sprache erfasst wird. Heißt das, dass die nicht-sexuelle Jouissance nicht vom Netz der Sprache erfasst wird? Das bleibt offen.
In derselben Sitzung kritisiert Lacan Hegel darin, dass dieser in der Dialektik von Herr und Knecht die jouissance (in Hegels Terminologie: den „Genuss“) dem Herrn zuschreibt.
„{25} Denn wo die Gesetze dieser einzigartigen Dialektik hernehmen, dass es genügen würde, die Jouissance zurückzuweisen, um sie zu verlieren? Sie kennen ja nicht die Gesetze der Jouissance! Es gilt wahrscheinlich das Gegenteil – es gilt sogar mit Sicherheit das Gegenteil. Die Jouissance bleibt auf der Seite des Knechts, und dies eben deshalb, weil er sie zurückgewiesen hat. Weil der Herr sein Begehren dressiert, geschieht es ihm, dass er an den Rändern der Jouissance stolpert. Sein Begehren ist sogar nur dazu da, um die jouissance zurückzuweisen, eben deshalb hat er sich in den tödlichen Kampf um reine Anerkennung begeben.
Und das heißt, dass die Hegel’sche Geschichte eine guter Scherz ist, der hinreichend dadurch begründet ist, dass sie völlig unfähig ist, zu erklären, welches denn der Zement der Gesellschaft der Herren sein kann, während Freud ohne weiteres die Lösung gibt: |{26} Sie ist ganz einfach homosexuell. Das, weshalb die Homosexuellen oder genauer die Herren homosexuell sind, ist das Begehren – das stimmt –, nicht die Kastration zu erleiden.
Und eben das sagt Freud. Der Ausgangspunkt der Gesellschaft ist das homosexuelle Band, und zwar in seinem Verhältnis zum Verbot der jouissance, der jouissance des Anderen, insofern sie das ist, worum es bei der sexuellen Jouissance geht, nämlich um den weiblichen Anderen. Das ist der im Diskurs von Freud verschleierte Bestandteil.
Es ist außergewöhnlich, dass diese Wahrheit, so verschleiert sie sein mag, sich in seinem Diskurs, so muss man schon sagen, über das gesamt Feld erstreckt, jedenfalls in Bezug auf das, was von unserer Erfahrung herkommt, nämlich dass das gesamte Problem der sexuellen Vereinigung von Mann und Frau – worüber wir all die Dummheiten unseres angeblichen genitalen Stadiums ausgegossen haben, unserer fabelhaften Oblativität –, dieses Problem, das wirklich das ist, bei dem die Analyse die Rolle eines wütenden Obskurantismus gespielt hat, dieses Problem beruht gänzlich darauf, nämlich auf der Schwierigkeit, auf dem äußersten Hindernis dabei, dass bei der |{27} intersexuellen Vereinigung – der Vereinigung von Mann und Frau – das Begehren zusammenpasst. Anders gesagt, dass die weibliche Jouissance – was man immer schon weiß, seid Ovid, lesen Sie den Mythos von Tiresias, es gibt da zwanzig Verse von Ovid7, den ich in meinen ersten Bericht gebracht habe, den von Rom8, weil das ein wesentlicher Punkt ist, und den ich danach, als wir in Amsterdam über weibliche Sexualität gesprochen haben, wieder vorzubringen versucht habe.9 Das war etwas Schönes!
Wie kann man die grundlegende Disparität vergessen, die es zwischen weiblicher Jouissance und männlicher Jouissance gibt? Eben deshalb wird bei Freud von allem Möglichen gesprochen, von Aktivität, von Passivität, von allen Polaritäten, die Sie sich wünschen, aber niemals von männlich – weiblich, weil das keine Polarität ist und weil es im Übrigen, da es keine Polarität ist, völlig nutzlos ist, zu versuchen, über diese Differenz zu sprechen. Es gibt nur einen Vermittler dieser Differenz, nämlich dass in die weibliche Jouissance das Begehren des Mannes als solches als Objekt eintreten kann. Vermittels dessen sich für die Frau die Frage des Phantasmas stellt. Da sie jedoch wahrscheinlich ein bisschen mehr darüber weiß als wir, dass das Phantasma und das Begehren tatsächlich Barrieren gegenüber der Jouissance sind, vereinfacht das nicht ihre Situation.
Es ist bedauerlich, dass im psychoanalytischen Feld solche primären Wahrheiten einen Hauch von Skandal annehmen können. Es ist jedoch notwendig, sie vorzubringen, denn dies erklärt den genauen Zeitpunkt, an dem wir mit unserer Darstellung sind. Das heißt, im Gegensatz zu der Tatsache, die dazu führt, dass es dieses oder jenes Körperzubehör ist – ein Objekt, das in einem bestimmten Bereich vom Körper abgefallen ist –, wodurch Anspruch und Begehren organisiert werden, im Gegensatz hierzu ist es beim Verhältnis des Begehrens zur Jouissance, insofern das Subjekt des entgegengesetzten Geschlechts darin verwickelt ist, ist es hier so, dass sich die Vermittlung nicht mehr durch ein Objekt vollzieht, nicht einmal durch ein verbotenes Objekt, durch das pedantische Verbot, wenn ich so sagen kann – das ein ganzes Register der Freud’schen Kastration ist, das geht vom Verbot, das sich auf die Hand des kleinen Jungen oder des kleinen Mädchens richtet, bis zu der Ausbildung, die Sie an der Universität erhalten, immer geht es darum, uns daran zu hindern, klar zu sehen.
Die andere Funktion der Kastration jedoch, die man mit der ersten verwechselt, geht weitaus tiefer. Sie ist das, wodurch es, wenn eine Übereinstimmung möglich ist – eine Übereinstimmung, verstehen Sie das in der Weise, in der ich versuchen kann, ein Farbmuster zu bilden, das außerdem etwas reproduzieren soll, das denselben Farbton hat –, wodurch es aufgrund dessen dazu kommt, dass dieses Objekt, nämlich der Penis – den wir allerdings gezwungen sind, zu der Funktion zu bringen, dass er als Phallus fixiert wird –, dass dieses Objekt auf eine Weise behandelt wird, die so ist wie die --, die dieselbe ist, wie wenn man sich dieser Übung der Übereinstimmung [zwischen den Farben] widmet. Das sind Dinge, über die ich mich, aus Disziplin, in diesem Jahr nicht verbreitet habe, das gehört jedoch zu einem anderen Register als dem des Visuellen und des Blicks. Mit jedem beliebigen Farbstift kann man eine kleine Mischung herstellen, durch die jede beliebige andere reproduziert wird, ich sage „jede beliebige“ und „jede beliebige“, bis auf dies, dass man sich, wenn das nicht funktioniert, was sich in ziemlich großem Maße einstellt, dass man sich dann erlaubt, sich einer der Stiftfarben zu bedienen, um sie von der Farbprobe auf der anderen Seite abzuziehen.
Mit anderen Worten, es gibt bestimmte Eigenschaften bestimmter Objekte, die wir dazu bringen müssen, ein negatives Vorzeichen anzunehmen. Mit anderen Worten, in der Mann-Frau-Beziehung muss das kontingente Objekt, das hinfällige Objekt der Säugetier-Jouissance, in der Lage sein, negativiert zu werden. Der Mann muss mitbekommen, dass die masturbatorische Jouissance nicht alles ist, und umgekehrt muss sich die Frau für die Dimension öffnen, dass ihr diese bestimmte Jouissance fehlt. Was ich da sage, ist keine Hexerei, es ist jedoch die wahre Grundlage der kastrativen Beziehung, wenn wir ihr, bezogen darauf, wie sie wirklich funktioniert, irgendeinen Sinn geben wollen.
So gesagt, wie ich es Ihnen gerade gesagt habe, endet es damit, dass es sich in eine Binsenweisheit verwandelt. In diesem Falle sehen Sie nicht, wo das Problem ist, das heißt, was die Natur dieses negativen Vorzeichens ist, das diesem Objekt, dem Phallus, verliehen werden muss.
Das sind natürlich keine Dinge, die ich in den letzten Minuten meines diesjährigen Seminars auch nur zu anzusprechen versuchen werde, aber um auf genau solche Fragen zu antworten, wird das Seminar des nächsten Jahres, so Gott ihm Gunst erweist, Die Logik des Phantasmas heißen. “6
Die soziale Bindung der antiken Herren beruht auf ihrer Homosexualität, und diese wiederum gründet sich auf das Begehren, die Kastration zu vermeiden, also auf Kastrationsangst. Diese wiederum hängt damit zusammen, dass den antiken Herren die jouissance des weiblichen Anderen verboten ist. (Das richtet sich gegen Hegel: im Gegensatz zu dem, was Hegel behauptet, verzichtet der antike Herr auf den Genuss.) Was ist hier mit „Jouissance des Anderen“ gemeint, der Genitivus objectivus oder der Genitivus subjectivus oder beides?
Und an dieser Stelle verwendet Lacan den Ausdruck „sexuelle Jouissance“. Bei der sexuellen Jouissance, so erfahren wir, geht es um den weiblichen Anderen. Ist für Lacan die sexuelle Jouissance demnach diejenige Jouissance, die durch die körperliche Beziehung zu einem Partner des anderen Geschlechts entsteht? Ist die mit homosexuellen und masturbatorischen Praktiken verbundene jouissance für Lacan keine „sexuelle Jouissance“? Das lässt sich anhand dieser Passage nicht entscheiden. Immerhin kann man festhalten: Die Jouissance, die in der Beziehung zu einem Partner des anderen Geschlechts entsteht, ist „sexuelle Jouissance“.
Welche Beziehung zwischen den beiden Geschlechtern ist hier gemeint? Die sexuelle Vereinigung. Die Schwierigkeiten der sexuellen Vereinigung von Mann und Frau, heißt es anschließend, beruhen darauf, dass die Jouissance des Mannes und die Jouissance der Frau disparat sind, sie stehen nicht in einem polaren Verhältnis zueinander. Die sexuelle Jouissance in der Beziehung zu einem Partner des anderen Geschlechts ist also nicht zuletzt die Jouissance, die mit der sexuellen Vereinigung verbunden ist.
Entscheidend ist dabei die Disparität zwischen weiblicher Jouissance und männlicher Jouissance, zwischen diesen beiden Arten der Jouissance gibt es keine Polarität. Die Differenz zwischen männlicher und weiblicher Jouissance wird nur dadurch vermittelt, dass in die weibliche Jouissance das Begehren des Mannes als Objekt eintreten kann, was die Sache allerdings verkomplizier, da das Begehren eine Barriere gegenüber der Jouissance ist.
Die Beziehung des Begehrens zur Jouissance ist durch die Kastration vermittelt, nicht nur durch ein verbotenes Objekt, durch das Masturbationsverbot, sondern vor allem dadurch, dass der Penis bzw. der Phallus mit einem Minuszeichen versehen wird: der Mann muss mitbekommen, dass die masturbatorische Jouissance nicht alles ist, und die Frau muss sich dafür öffnen, dass ihr eine bestimmte Jouissance fehlt.
Die dritte Passage findet man in der anschließenden Sitzung; sie bezieht sich auf das Symbol J in einer Formel, die Lacan an die Tafel geschrieben hat. In dieser Formel steht „J“ für Jouissance, genauer, für sexuelle Jouissance.
„{20} Also ich hätte gern, dass mir dazu einige Frage gestellt werden. Denn schließlich habe ich beispielsweise das letzte Mal das Subjekt, wenn ich so sagen darf, vor diese Reflexionsfläche gestellt, die durch die Dialektik des Anderen gebildet wird, um darin – auf eine Weise, die auch hier eine bestimme Ordnung des Trugbildes notwendig macht – den Platz der Jouissance auszumachen; ich habe Sie auf Vieles hingewiesen, namentlich auf diese Frage am Rande, die ich geregelt habe, bezogen auf das, was ich Hegels Irrtum genannt habe, nämlich dass die Jouissance beim Herrn sei. Da wundert man sich doch: Wenn der Herr mit dem absoluten Herrn, also mit dem Tod, etwas zu tun hat, was ist das für eine verrückte Idee, die Jouissance auf der Seite des Herrn zu verorten! Es ist nicht einfach, die Instanz des Todes funktionieren zu lassen. Niemand hat sich bislang vorgestellt, dass die Jouissance dieses mythische Wesen bewohnt. Der Hegel’sche Irrtum ist also tatsächlich ein analysierbarer Irrtum.
Und mit der Struktur, die hier mit diesen kleinen Buchstaben an die Tafel geschrieben ist, rühren wir hier an das, worin das Wesen besteht, der dramatische Knoten, der wirklich derjenige ist, mit dem wir es zu tun haben: Wie kommt es, dass |{21} sich an diesem Platz von A, am Platz des Anderen insofern hier die Signifikantenartikulation erfolgt, dass uns hier das Ziel der Erkundung gegeben wird, das nach der jouissance strebt, und zwar nach der sexuellen Jouissance?
Dass das minus phi [– ϕ], das heißt das Organ – das spezielle Organ, zu dem ich Ihnen erläutert habe, worin dabei der Zufall besteht, ich damit sagen, dass es an sich für den Vollzug der sexuellen Kopulation in keiner Weise notwendig ist –, dass es diese spezielle Form angenommen hat, aus Gründen, bei denen wir uns solange, bis wir zum Thema der Evolution der Formen einen ganz kleinen Anfang artikulieren können, nun ja, solange werden wir uns damit begnügen, die Sache so zu nehmen wie sie ist. Sodass man nicht durch irgendwelche idiotischen Prinzipien die erste Auffassung ersetzt haben wird, dass es hinreicht, ein klein wenig das zoologische Funktionieren der Tiere zu beobachten, um zu wissen, dass es beim Instinkt nur um dies geht: Was wird das Lebewesen mit einem Organ wohl machen können? Nicht nur erschafft die Funktion keineswegs das Organ, das springt in die Augen – und wie könnte das überhaupt zustande kommen? –, sondern es braucht eine enorme Raffinesse, um einem Organ eine Verwendung zu geben. Das ist genau das, was uns vom Funktionieren der Dinge, wenn wir sie von Nahem betrachten, tatsächlich gezeigt wird. |{22} Der lebendige Organismus macht aus dem, was ihm ursprünglich gegeben ist, das was er kann, und mit dem Penisorgan, nun ja, da kann man sicherlich, aber man kann wenig.
Jedenfalls ist völlig klar, dass es eine bestimmte Funktion übernimmt, eine Rolle, die ein ganz klein wenig komplizierter ist als die, zu vögeln, nämlich diejenige, die ich letztens so bezeichnet habe, dass es als Muster dient, um das Einverständnis (accord) zwischen der männlichen Jouissance und der weiblichen Jouissance herzustellen, wobei dies völlig auf Kosten der männlichen Jouissance geht, nicht nur deshalb, weil das Männchen nur dadurch einen Zugang dazu haben kann, dass es das Penisorgan in den Funktionsrang des Objekts a absinken lässt, sondern mit diesem ganz speziellen Zeichen, nämlich dem Negativzeichen, um das es uns im nächsten Jahr gehen wird, in gelehrten logischen Untersuchungen, um zu sehen, um zu präzisieren, worin genau die Funktion dieses Minuszeichens (–) besteht, verglichen mit denjenigen, die üblich sind, und die man ansonsten verwendet – ich meine üblicherweise, durch den Großteil der Leute, die beispielsweise hier sind –, ohne überhaupt zu wissen, was man tut, obwohl es ganz einfach wäre, sich auf ausgezeichnete kleine Mathematikbücher zu beziehen, die es jetzt in Hülle und Fülle gibt, denn all das wird jetzt Gott sei Dank popularisiert, mit 150 Jahren Verspätung; aber schließlich ist es nie zu spät, das Richtige zu tun. |{23} Aber alle können sehen, dass das Minuszeichen ja nach Gruppe extrem unterschiedliche Bedeutungen haben kann und sie intervenieren lässt. Es geht also darum, was es für uns ist. Aber lassen wir das.
Nehmen wir es en bloc, dieses minus phi [–ϕ] und sagen wir, dass das Verhältnis, das in der sexuellen Vereinigung zu einer Jouissance herzustellen ist, den Vortritt eben der weiblichen Jouissance lässt, die nicht diese Wichtigkeit hätte, wenn es ihr nicht gelänge, an dem Platz verortet zu sein, den ich hier mit A gekennzeichnet habe, Ort des Anderen.
Das bedeutet natürlich überhaupt nicht, dass die Frau hier unmittelbarer wäre als wir Männer, denn sie ist an genau demselben Platz des S, und beide, die armen kleinen Lieblinge, wie in der berühmten Erzählung des unsterblichen Longus10, sind da mit dem hübschen Dessert von (–φ) in der Hand, um sich anzuschauen und sich zu fragen, was werden wir denn damit machen, um uns in Bezug auf die jouissance einig zu werden?“11
In dieser Passage geht es um das Verhältnis zwischen dem Anderen als Ort der Signifikantenartikulation und der „sexuellen Jouissance“. Diese Beziehung, so erfährt man, ist durch das Penisorgan vermittelt, allerdings in einer speziellen Funktion. Das vermittelnde Element ist der Penis nicht in seiner Funktion als Kopulationsorgan, sondern der Penis, insofern er mit einem Minuszeichen versehen ist.
Der Phallus (der Penis, insofern er mit einem Minuszeichen versehen ist) hat die Funktion, zwischen der männlichen Jouissance und der weiblichen jouissance eine Übereinstimmung, einen accord, herzustellen. Worin dieser accord besteht, bliebt offen.
Der Terminus „sexuelle Jouissance“ wird hier auf die Beziehung zwischen der männlichen Jouissance und der weiblichen Jouissance bezogen. Das spricht für die Vermutung, dass Lacan unter sexueller Jouissance vorzugsweise diejenige Jouissance versteht, bei der sich die Geschlechter aufeinander beziehen. „Sexuelle Jouissance“, so möchte ich deshalb probeweise behaupten, ist für Lacan „intersexuelle Jouissance“ Seine Hauptthese hierzu ist klar: Die [inter-]sexuelle Jouissance ist durch den Phallus vermittelt, nicht als Kopulationsorgan, sondern als etwas, das mit einem Minuszeichen ausgestattet ist, das also unter dem Gesichtspunkt des Fehlens funktioniert. Die sexuelle Jouissance ist also vermutlich (vor allem?) die durch den Phallus-Signifikanten vermittelte [inter-]sexuelle Jouissance. Zu ergänzen ist ein Ergebnis des ersten langen Zitats: Der Orgasmus ist in Lacans Begrifflichkeit eine Form der sexuellen Jouissance, aber keineswegs die einzige.
Wodurch also unterscheidet sich die sexuelle Jouissance von der nicht-sexuellen Jouissance? Die übersetzten Passagen ermöglichen keine klare Antwort, aber doch eine Vermutung: Die nicht-sexuelle Jouissance, so lässt sich erraten, ist möglicherweise eine Jouissance, die nicht darauf beruht, dass ein Subjekt sich vermittels des mit einem Minuszeichen versehenen Phallus auf einen Partner des anderen Geschlechts bezieht.
Ist die mit dem Symptom verbundene Jouissance eine sexuelle Jouissance? Das bleibt weiterhin offen.
NACHTRAG vom 28. Mai 2018: Inzwischen habe ich Lacans Verwendung des Ausdrucks jouissance sexuelle in der Phase Ende 1971, Anfang 1972 rekonstruiert, anhand der ersten drei Vorträge der Vortragsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers: siehe hier.
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Anmerkungen
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Die Übersetzung umfasst die Seiten 27 bis 36 von Version J.L. dieser Sitzung.
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Enthalten in: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 401–428.
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E. Jones: The early development of female sexuality. In: The International Journal of Psycho-Analysis, 8. Jg. (1927), S. 459–472, hier; dt.: Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 14. Jg. (1928), S. 11–25, hier.
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Seminar 13, Sitzung vom 27. April 1966, Seite 27 bis 36 von Version J.L.; meine Übersetzung nach der von Michel Roussan erstellten kritischen Ausgabe dieses Seminars.
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Vgl. J. Lacan: Richtungweisende Themenvorschläge für einen Kongress über die weibliche Sexualität (geschrieben 1958 für einen Kongress von 1960). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 239–256, hier: S. 242.
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Seminar 13, Sitzung vom 8. Juni 1966, meine Übersetzung nach Version Roussan.
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„Während sich solches begab nach des Schicksals Walten auf Erden
Und in der Wiege geschützt der wiedergeborene Bacchus
Lag, ließ Jupiter einst nach der Sage, von Nektar erheitert,
Lastende Sorgen beiseit und trieb mit der müßigen Juno
Froh kurzweiligen Scherz und äußerte: „Euere Wollust [voluptas]
Ist doch größer gewiß, als die uns Männern zu teil wird.“
Juno verneint. Es beliebt, des gelehrten Tiresias Meinung
Einzuholen darob: der kannte die beiden Genüsse.
Denn er hatte verletzt zwei Leiber gewaltiger Schlangen,
Die sich gepaart im grünen Gebüsch, mit dem Streiche des Stabes.
Sieh, aus dem Mann ward plötzlich ein Weib, und sieben der Herbste
Hatte er also verlebt. Im achten erblickt er dieselben
Wieder und sprach: „Wenn ein Hieb auf euch so wirket mit Zauber,
Daß er des Thäters Geschlecht zum entgegengesetzten verwandelt,
Schlag ich wiederum euch.“ Wie er traf die nämlichen Schlangen,
Kehrte die früh’re Gestalt und die erstverliehene Bildung.
Dieser, von beiden gewählt, den launigen Streit zu entscheiden,
Pflichtet dem Jupiter bei. Das nahm Saturnia, sagt man,
Über Gebühr und nicht der Sache gemäß sich zu Herzen,
Und sie verwies in ewige Nacht die Augen des Richters.
Für das benommene Licht – denn nie darf Taten von Göttern
Ändern ein anderer Gott – gibt ihm der allmächtige Vater
Zukunft wissenden Geist und mildert die Strafe durch Ehre.“(Ovid: Metamorphosen, drittes Buch. Übersetzung von Reinhart Suchier, von hier; lateinische Fassung hier)
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Der sogenannte Rom-Vortrag, Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse (geschrieben 1953, veröffentlicht 1956), hat als Untertitel „Bericht (rapport) auf dem Kongress von Rom“. Lacan verweist in diesem Artikel weder auf Ovid noch auf Tiresias noch auf die Schwierigkeiten der sexuellen Vereinigung von Mann und Frau. Möglicherweise bezieht er sich auf das Gedicht von Antoine Tudal (aus Paris en l’an 2000), mit dem er den dritten Teil dieses Aufsatzes einleitet:
„Entre l’homme et l‘amour,
Il y a la femme.
Entre l’homme et la famme,
Il y a un monde.
Entre l’homme et le monde,
Il y a un mur.“(in: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 341)
(Zwischen dem Mann und der Liebe
Gibt es die Frau.
Zwischen dem Mann und der Frau
Gibt es eine Welt.
Zwischen dem Mann un der Welt
Gibt es eine Mauer) -
Vgl. J. Lacan: Richtungweisende Themenvorschläge für einen Kongress über die weibliche Sexualität (geschrieben 1958 für einen Kongress von 1960). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 239–256. Lacan bezieht sich in diesem Artikel auf Teiresias (S. 242) und auf den Unterschied von weiblichem und männlichem Begehren – auf den Unterschied im Hinblick auf das Objekt (vgl. S. 248 f.) –, jedoch nicht auf das Verhältnis von weiblicher und männlicher jouissance.
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Longus, Daphnis und Chloe, Erzählung, geschrieben vermutlich in der zweiten Hälfte des 3. Jh. n. Chr.
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Seminar 13, Sitzung vom 15. Juni 1966, meine Übersetzung nach Version Roussan.