Zum Tod von Franz Kaltenbeck
Am 13. März 2018 ist Franz Kaltenbeck gestorben – während einer Japanreise, plötzlich, an einem Herzinfarkt. Er war Psychoanalytiker in Paris und Lille, Mitgründer von ALEPH (Association pour l’étude de la psychanalyse et de son histoire) und Herausgeber der Zeitschrift Savoirs et clinique. Seit Ende 2014 erschienen in Lacan entziffern, unter der Rubrik Lacaniana, zahlreiche von ihm verfasste Beiträge. Einen Nachruf von Laurent Le Vaguerèse (in französischer Sprache) findet man hier.
Der Name Franz Kaltenbeck war mir seit langem als der eines Lacan-Übersetzers geläufig. Die erste Übersetzung von ihm, die mir in die Hände fiel, war die von Lacans Aufsatz Jenseits des Realitätsprinzips, die 1980 in den von Norbert Haas herausgegebenen Schriften III erschienen war. Danach stieß ich auf seinen Namen in den Hamlet-Vorlesungen von Lacan, die Žižek 1986/87 in der Zeitschrift Wo Es war veröffentlicht hatte, er wurde dort als einer der drei Übersetzer aufgeführt. Später, als ich wissen wollte, was es mit dem Roman Der verliebte Teufel von Jacques Cazotte auf sich hatte (auf den Lacan sich gelegentlich bezieht), stellte ich fest, dass Franz Kaltenbeck diesen Text 1982 für den Insel-Verlag übersetzt hatte.
Persönlich kennengelernt habe ich Franz Kaltenbeck erst sehr viel später. 2013 habe ich zum ersten Mal einen Vortrag von ihm gehört – über die Passe, in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin. Gesprochen habe ich mit ihm zuerst im Dezember 2014, bei einer Veranstaltung der Lacan-Gruppe in Berlin (LaGiB) in der Wohnung von Arndt Himmelreich; in der Pause versuchte er mir zu erklären, was unter dem „Begehren des Analytikers“ zu verstehen sei. Danach bin ich ihm noch einige Male am selben Ort bei Veranstaltungen dieser Gruppe begegnet. Besonders ist mir sein Vortrag über einen Doppelmörder in Erinnerung, mit dem er während seiner Tätigkeit in einer Haftanstalt in der Nähe von Lille regelmäßig gesprochen hatte. Im September 2016 hatte ich bei den 3. Segeberger Psychosomatik-Tagen zum Thema „Macht und Ohnmacht des Realen“ die Gelegenheit, mich längere Zeit mit ihm zu unterhalten – in idyllischer Umgebung, beim Essen auf der Terrasse des Hotels mit Blick auf den Großen Segeberger See. Er konnte gut zuhören, nachfragen und kommentieren. In seinen Aufsätzen hat mich seine Fähigkeit beeindruckt, Fragen der Klinik durch die Analyse literarischer Texte zu beleuchten und dabei die Lacansche Theorie nahezu unterminologisch fruchtbar zu machen.
Hier ein Verzeichnis der Artikel von Franz Kaltenbeck, die auf dieser Website veröffentlicht wurden, gewissermaßen die Fortsetzung seiner Aufsatzsammlung Lesen mit Lacan, die 2013 im Parodos-Verlag erschienen ist:
– Geschlecht und Symptom [u.a. über Kafka] (veröffentlicht am 30. Dezember 2014)
– Die Gewalt der Melancholie nach David Foster Wallace oder Die Grenzen der Verschlüsselung (19. Juni 2015)
– Redaktion „Savoirs et clinique“: Zu den Terroranschlägen in Paris am 13. November 2015 (19. November 2015)
– Eine Diskussion über das, was am 13. November 2015 in Paris geschehen ist (23. November 2015)
– Robert Musils unvollendbare Liebe (3. Januar 2016)
– Verstoßene Kinder [u.a. über Becketts Endspiel und Shakespeares Wintermärchen] (23. April 2016)
– Die gesellschaftliche Verleugnung des Realen (2. Oktober 2016)
– Wiedergeburt zum Schlimmeren. David Foster Wallaces vergebliche Versuche, dem Existenzschmerz zu entkommen (31. Oktober 2016)
– Karl Kraus gegenüber Hitler (25. Juli 2017)
– Von der dunklen Autorität der Mutter (16. Oktober 2017)
– Konsequenzen einer Lüge [Zu Österreichs neuer Regierung] (31. Dezember 2017)