Jacques Lacan
Seminar IX, Die Identifizierung
(XI) Sitzung vom 28. Februar 1962
Übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen von Max Kleiner und Rolf Nemitz
Zuletzt aktualisiert am 16. November 2025
John Glenn bei seinem Raumflug am 20. Februar 1962
Allgemeines zur Übersetzung
Das Seminar hat 26 Sitzungen. Etwa alle zwei Monate erscheint auf „Lacan entziffern“ die Übersetzung einer weiteren Sitzung. Die bereits veröffentlichten Übersetzungen von Sitzungen dieses Seminars findet man hier.
Die Übersetzung wird zweimal gebracht, zunächst nur deutsch, dann gegenüberstellend: Satz für Satz französisch/deutsch.
Die zweisprachige Fassung enthält in den Anmerkungen zum französischen Text Hinweise auf Transkriptionsprobleme; im deutschen Text findet man Links und Bilder, in den Anmerkungen zum deutschen Text Literaturangaben, Belege und inhaltliche Erläuterungen.
Die Übersetzung stützt sich auf folgende Vorlagen:
– Stenotypie des Seminars auf der Seite der École lacanienne de psychanalyse, hier
– Jacques Lacan: L’identification, dit ‚Séminaire IX“. Prononcé à Ste. Anne en 1961–1962. Herausgegeben und erstellt von Michel Roussan. Mit Anmerkungen, kritischem Apparat und Index. Paris 1992. Nicht im Buchhandel, beziehbar durch den Herausgeber, m.roussan2@free.fr
Ausgaben des Identifizierungs-Seminars im Internet:
– französisch: hier (Stenotypie), hier (Staferla), hier (ALI) S. 1547–1966, hier (Chollet), hier (rue CB),
– englische Übersetzung: hier (Cormac Gallagher), hier (Ben Hooson),
– von Gallagher gelesene Audioaufnahme seiner Übersetzung hier.
Eine von Jacques-Alain Miller herausgegebene offizielle Edition des Seminars gibt es nicht.
Vielen Dank an Peter Müller (Psychoanalytiker in Karlsruhe) für die Überlassung seiner Übersetzung dieses Seminars!
Zur Notation
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, verweisen auf die Seiten der Transkription, die Roussan als „Daktylographie 1“ bezeichnet; diese Seitenzahlen sind am Rand seiner Ausgabe angegeben und beginnen dort mit einer linken eckigen Klammer, also etwa mit „[10“. Daktylographie 1 ist die Transkription, die man auf der Seite der ELP findet (mit Ausnahme der 20. Sitzung), hier.
– Ein doppelter Bindestrich, also: --, markiert, dass an dieser Stelle ein Satz grammatisch unvollständig abbricht.
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in runden Klammern enthalten Formulierungen des französischen Originals.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Einfügungen in spitzen Klammern: Ersatz für vermutlich ausgefallenen Text..
Sitzung vom 28. Februar 1962
Deutsch
{1} Man könnte meinen, dass ich mich hier ein bisschen viel mit dem beschäftige, was man – Gott verdamme diese Bezeichnung – „große Philosophen“ nennt. Das liegt daran, dass sie – möglicherweise nicht als einzige, jedoch vor allem sie – das artikulieren, was man eine Suche nennen kann, eine pathetische Suche, dass sie immer wieder – wenn man sie durch all ihre Windungen, durch ihre mehr oder weniger erhabenen Gegenstände hindurch zu betrachten weiß –, dass sie immer wieder auf den radikalen Knoten zurückkommen, den ich für Sie aufzuschnüren versuche: auf das Begehren. Was ich hoffe, ist, dieser Suche – wenn Sie mir folgen wollen – entschieden ihre Eigenschaft als unüberschreitbarer Punkt zu verleihen, unüberschreitbar in genau dem Sinn, den ich meine, wenn ich Ihnen sage, dass es nicht möglich ist, irgendeinen von jenen, die man als „große Philosophen“ bezeichnen kann, in einem bestimmten Punkt zu überschreiten.
Ich glaube mich im Recht, wenn ich mich, mit Ihrer Hilfe, einer solchen Aufgabe stelle, denn das Begehren ist unsere Sache, unsere Sache als Psychoanalytiker. Ich denke auch, dass es geboten ist, daran festzuhalten und Sie zu bitten, es mit mir zu tun, denn nur, wenn wir unsere Sicht auf das Begehren zurechtrücken, können wir die analytische Technik in ihrer ersten Funktion aufrechterhalten – wobei das Wort erste hier im Sinne dessen zu verstehen ist, was in der Geschichte zuerst auftauchte, zu Beginn stand das außer Zweifel –, nämlich in einer Wahrheitsfunktion.
Natürlich sind wir damit aufgefordert, diese Funktion auf einer radikaleren Ebene zu befragen. Ich versuche, sie Ihnen zu zeigen, indem ich Ihnen darlege, was den Grund der analytischen Erfahrung ausmacht: dass wir als Menschen, ich meine als |{2} begehrende Wesen, dieser Wahrheitsfunktion unterworfen sind, ob wir es wissen oder nicht, ob wir es zu wollen glauben oder nicht.
Ich muss Sie wohl kaum daran erinnern, dass die Konflikte und Sackgassen, die den Stoff unserer Praxis ausmachen, nur dann objektiviert werden können, wenn man in ihr Spiel den Platz des Subjekts als solchen einbringt, insofern es als Subjekt in die Struktur der Erfahrung eingebunden ist. Eben dies ist die Bedeutung der Identifizierung, wie sie von Freud definiert wird.
Nichts ist exakter, nichts ist anspruchsvoller als die Berechnung der Bedingungen des Subjekts, wenn man gefunden hat, was ich, im eigentlichen Sinne des Ausdrucks, als praktische Vernunft bezeichnen kann, in dem Sinne, wie der Ausdruck bei Kant verwendet wird. Ich ziehe es vor, es so zu nennen, statt von einem operativen Zugang zu sprechen, aufgrund dessen, was der Terminus operativ seit einiger Zeit impliziert: eine Art Ausweichen vor dem Grundlegenden.
Erinnern Sie sich hierzu bitte an das, was ich Ihnen vor zwei Jahren beigebracht habe über die praktische Vernunft, insofern sie das Begehren betrifft: Sade ist ihr näher als Kant, auch wenn Sade – fast verrückt, wenn man so sagen darf, von seiner Vision – nur verstanden werden kann, wenn man ihn auf das Maß von Kant bezieht, wie ich es versucht habe.
Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen darüber gesagt habe, an die frappierende Analogie zwischen der unbedingten Forderung nach Freiheit des Genießens bei Sade und der kantischen universellen Regel des Handelns. Die Funktion, auf der für unsere Erfahrung das Begehren beruht, macht offenkundig, dass sie |{3} nichts mit dem zu tun hat, was Kant als das Wohl* vom Guten* unterscheidet, sagen wir: das Wohl mit dem Wohlbefinden, dem Nützlichen.
Das bringt uns dahin zu bemerken, dass dies noch weiter geht, dass die Funktion des Begehrens im Allgemeinen nichts mit dem zu tun hat, möchte ich sagen, was Kant als das Pathologische bezeichnet, um ihm unter den Regeln des Handelns den zweiten Rang zuzuweisen. Also, für diejenigen, die sich nicht genau erinnern, in welcher Bedeutung Kant diesen Ausdruck verwendet und denen das widersinnig erscheint, möchte ich versuchen, ihn zu übersetzen, indem ich sage: das Protopathische, oder noch weitergehend: das, was es in der Erfahrung des Menschlichen, allzu Menschlichen an Grenzen gibt, die an das Kommode geknüpft sind, an den Komfort, an die Konzession, an die Ernährung; das geht noch weiter, bis dahin, dass es auch noch den Durst auf der Ebene des Gewebes miteinschließt.
Vergessen wir nicht die Rolle, die Funktion, die ich der Anorexia nervosa beimesse, als eine der ersten Wirkungen, wo wir die Funktion des Begehrens spüren könnten, sowie die Rolle, die ich ihr gegeben habe, um den Unterschied zwischen Begehren und Bedürfnis an einem Beispiel zu veranschaulichen.
Folglich, so weit von der Funktion des Begehrens entfernt: Kommodität, Komfort, Konzession – werden Sie mir da nicht sagen, dass <es > gewiss keinen Kompromiss <gibt>, da wir ja ständig davon sprechen? Die Kompromisse jedoch, welche die Funktion des Begehrens eingehen muss, gehören zu einer anderen Ordnung als die Kompromisse, die beispielsweise mit der Existenz einer Gemeinschaft verknüpft sind, die auf lebenserhaltendem Zusammenschluss beruht, denn dies ist ja die Form, an der wir die Funktion des Kompromisses am häufigsten zu evozieren, zu konstatieren, zu explizieren haben.
*
Sie wissen ja, dass es bei diesen Kompromissen (an dem Punkt, an dem wir sind, wenn wir dem Freud’schen Denken bis zum Ende folgen) um die Beziehung eines Todestriebes zu einem Lebenstrieb geht, die in ihren dialektischen Beziehungen beide nicht weniger befremdlich sind als in ihrer Definition.
Um noch einmal von vorn zu beginnen (wie ich es immer tue, an irgendeinem Punkt eines jeden |{4} Vortrags, den ich einmal in der Woche an Sie richte), möchte ich Sie daran erinnern, dass der Todestrieb kein Nagewurm ist, kein Parasit, keine Wunde und auch kein Prinzip der Gegensätzlichkeit, nicht so etwas wie eine Art Yin im Gegensatz zum Yang, kein Element eines Alternierens. Was Freud betrifft, ist das klar artikuliert: ein Prinzip, das den gesamten Umweg des Lebens einschließt, wobei dieses Leben und dieser Umweg Sinn und Richtung nur darin finden, dass sie auf ihn [auf den Tod] zurückführen.
Offen gesagt, sicherlich bildet er einen Stein des Anstoßes, sodass sich einige davon distanzieren, denn wir werden hier zurückgebracht, zurückgeführt (trotz aller positivistischen Prinzipien, das ist klar) auf die absurdeste und eigentlich metaphysische Extrapolation, und dies unter Missachtung aller anerkannten Regeln der Vorsicht.
Der Todestrieb wird uns bei Freud als etwas dargestellt, das für uns, wie ich glaube, die Stelle dessen einnimmt, was wir hier als den Signifikanten des Lebens bezeichnen wollen, denn Freud sagt uns, das Wesentliche des Lebens, neu eingeschrieben in den Rahmen des Todestriebs, sei nichts anderes ist als das Bestreben – aufgenötigt durch das Gesetz der Lust –, beständig denselben Umweg zu realisieren und zu wiederholen, um zum Unbelebten zurückzukehren.
Die Definition des Lebenstriebes bei Freud (es ist keineswegs überflüssig, darauf zurückzukommen und es neu zu akzentuieren) ist nicht weniger atopisch, nicht weniger befremdlich, aufgrund dessen – wie man immer wieder betonen sollte –, dass er auf den Eros reduziert wird, auf die Libido. Beachten Sie genau, was das bedeutet, durch einen Vergleich mit der kantischen Position werde ich es gleich akzentuieren.
Sie sehen jedoch bereits hier, auf welchen Berührungspunkt wir, im Hinblick auf das Verhältnis zum Körper, zurückgeführt werden: Es handelt sich um eine Wahl, das ist so offensichtlich, |{5} dass es sich in der Theorie in Figuren materialisiert, bei denen man nicht vergessen darf, dass sie zugleich neu sind, und mit welchen Schwierigkeiten, Aporien und Sackgassen sogar sie uns konfrontieren, wenn wir sie begründen möchten, ja allein schon, wenn wir sie einordnen und genau definieren wollen. Ich denke, die Funktion des Phallus –insofern sie das ist, um das herum dieser Eros, diese Libido artikuliert wird – bezeichnet hinreichend, was ich hier aufzeigen will.
Was haben all diese Figuren (um den Ausdruck wieder aufzugreifen, den ich eben verwendet habe), die wir bei diesem Eros handhaben müssen, was haben sie insgesamt damit zu tun, was haben sie beispielsweise (um den Abstand spüren zu lassen) mit dem zu schaffen, womit sich ein Embryologe beschäftigt, von dem man gewiss nicht sagen kann, er habe nichts mit dem Lebenstrieb zu tun, wenn er sich fragt, was im Wachstum der organisierende Faktor ist, im Mechanismus der Zellteilung, in der Segmentierung der Keimblätter, in der morphologischen Differenzierung. Man wundert sich, aus Freuds Feder irgendwo die Bemerkung zu finden, die Analyse habe zu irgendeiner biologischen Entdeckung geführt; man findet das, soweit ich mich erinnere, ein paarmal im Abriss. Welche Mücke hat ihn in diesem Moment gestochen? Ich frage mich, welche biologische Entdeckung im Lichte der Analyse gemacht worden ist.
Aber, da es darum geht, hier die Begrenzung zu zeigen, den elektiven Punkt unseres Kontakts mit dem Körper (insofern er natürlich der Träger, die Präsenz dieses Lebens ist), ist es da nicht frappierend, dass wir, um die Funktion der Körpererhaltung in unsere Überlegungen wieder einzubeziehen, durch die Mehrdeutigkeit des Begriffs des Narzissmus hindurchgehen müssen, hinreichend |{6} bezeichnet, denke ich (um die Struktur des Narzissmusbegriffs selbst nicht anders artikulieren zu müssen und die Äquivalenz, die hier mit der Objektbindung hergestellt wird), hinreichend bezeichnet, sage ich, durch die Betonung, die seit der Einführung in den Narzissmus auf die Funktion des Schmerzes gelegt wird, und dies vom ersten Abschnitt an (lesen Sie diesen – ausgezeichnet übersetzten – Abschnitt noch einmal), insofern der Schmerz darin nicht Signal einer Schädigung ist, sondern ein Phänomen des Autoerotismus, wie ich kürzlich, anlässlich einer persönlichen Erfahrung, jemandem, der mich hört, in einem vertraulichen Gespräch in Erinnerung gerufen habe: die Erfahrung, dass ein Schmerz einen anderen Schmerz auslöscht. Ich meine damit, dass man in der Gegenwart schlecht unter zwei Schmerzen auf einmal leiden kann, einer davon gewinnt die Oberhand und lässt einen den anderen vergessen; als zeigte sich die libidinöse Besetzung, auch wenn sie sich auf den eigenen Körper richtet, als demselben Gesetz unterworfen, einem Gesetz, das ich das der Parteilichkeit nennen möchte und das die Beziehung zur Welt der Objekte des Begehrens bestimmt.
Der Schmerz ist nicht einfach seiner Natur nach, wie die Techiker sagen, [frz.] exquise; er ist privilegiert, er kann ein Fetisch sein. Dies, um uns an den Punkt zu führen, den ich bereits bei einem kürzlich gehaltenen Vortrag – nicht hier – angesprochen habe, nämlich dass es an der Zeit ist, in unserem Vorhaben zu hinterfragen, was die Organisation des Subjekts, die durch den Primärvorgang bezeichnet wird, bedeutet, was dieser für die Beziehung des Subjekts zum Körper bedeutet und was nicht.
*
Das ist der Punkt, an dem uns, wenn ich so sagen darf, der Bezug, die Analogie zur kantischen Untersuchung von Nutzen sein wird.
Ich entschuldige mich in aller Demut bei jenen, die mit den Texten von Kant eine Erfahrung haben, die ihnen das Recht zu einigen Randbemerkungen gibt, wenn ich jetzt – in meinem Bezug auf das Wesentliche dessen, |{7} was die kantische Untersuchung uns liefert – ein wenig schnell voranschreite. Wir können uns hier nicht bei diesen Mäandern aufhalten, an manchen Punkten möglicherweise auf Kosten der Strenge. Ist es aber nicht auch so, dass wir, würden wir ihnen zu sehr folgen, etwas von dem Massiven dessen verlören, was in einigen Punkten seine Ausarbeitungen haben? Ich spreche von der kantischen Kritik und insbesondere von derjenigen, die als die der reinen Vernunft bezeichnet wird.
Habe ich daher nicht das Recht, mich für einen Moment an Folgendes zu halten, was für jeden, der einfach ein- oder zweimal mit wacher Aufmerksamkeit die erwähne Kritik der reinen Vernunft gelesen haben wird --; an Folgendes, das im Übrigen von keinem Kommentator bestritten wird, dass nämlich die sogenannten Kategorien der reinen Vernunft, um als solche zu funktionieren, zweifellos die Grundlage dessen erfordern, was reine Anschauung genannt wird, die sich als normative, ja ich gehe weiter: als obligatorische Form aller Sinneswahrnehmungen darstellt. Ich sage aller, von welcher Art auch immer. Von daher wird diese <reine> Anschauung, die in Kategorien des Raumes und der Zeit geordnet ist, von Kant als etwas bezeichnet, das von dem ausgeschlossen ist, was man als Ursprünglichkeit der sinnlichen Erfahrung, der Sinnlichkeit*, bezeichnen kann, aus welcher allein irgendeine Versicherung der greifbaren Realität hervorgehen kann, wobei diese Realitätsversicherungen in ihrer Artikulation dennoch den Kategorien der erwähnten reinen Vernunft unterworfen bleiben, ohne die sie weder ausgesprochen noch überhaupt wahrgenommen werden könnten.
Von daher hängt alles vom Prinzip der sogenannten synthetischen Funktion ab – was nichts anderes heißt als: vereinheitlichende Funktion –, die gewissermaßen auch der |{8} allgemeine Terminus für sämtliche kategorialen Funktionen ist, ein allgemeiner Terminus, der in der sehr anschaulich gegliederten Tabelle, die Kant von ihnen gibt, geordnet und zerlegt wird – oder besser in den beiden Tabellen, die er aufstellt, die Formen der Kategorien und die Formen des Urteils –, eine Tabelle, die erfasst, dass die reine Anschauung prinzipiell unabdingbar ist, insofern sie in der Beziehung zur Realität die Spontaneität eines Subjekts kennzeichnet.
Was das kantische Schema angeht, so lässt es sich auf die Beharrlichkeit* reduzieren, auf das, möchte ich sagen, leere Aufrechterhalten, jedoch das mögliche Aufrechterhalten von was auch immer in der Zeit.
Diese reine Anschauung ist bei Kant prinzipiell für das Funktionieren der Kategorien unbedingt erforderlich, wohingegen die Existenz eines Körpers, insofern er die Grundlage der Sinnlichkeit* bildet, keineswegs unabdingbar ist.
In Bezug auf das, was man gültig über ein Verhältnis zur Realität aussagen kann, wird uns das sicherlich nicht weit bringen, da, wie Kant betont, die Verwendung der Kategorien des Verstandes sich dann nur auf das beziehen wird, was er leere Begriffe nennt.
Aber wenn wir sagen, dass uns das nicht weit bringt, dann deshalb, weil wir Philosophen sind und sogar Kantianer. Sobald wir es jedoch nicht mehr sind – wie das für gewöhnlich der Fall ist –, weiß jeder genau, dass dies, im Gegenteil, sehr weit führt. Denn die gesamte Bemühung der Philosophie besteht darin, einer Reihe von Illusionen entgegenzutreten, von Schwärmereien*, wie man sich in der philosophischen, vor allem der kantischen Sprache ausdrückt, von bösen Träumen – in derselben Epoche sagt uns Goya: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ –, deren theologisierende Auswirkungen uns ja das genaue Gegenteil zeigen, dass es nämlich sehr weit führt. Denn durch Vermittlung von tausend Fanatismen führt dies ganz einfach zu blutigen |{9} Gewalttätigkeiten, die im Übrigen, so muss man sagen, weiterhin dabei sind, in aller Ruhe, trotz der Gegenwart der Philosophen, einen wichtigen Teil des Gefüges der menschlichen Geschichte auszumachen.
Und daher ist es keineswegs gleichgültig, zu zeigen, wo – trotz aller theoretischen Reinigungen und moralischen Korrekturen – tatsächlich die Grenze dessen verläuft, was in der Erfahrung wirksam ist.
Es ist jedenfalls ganz klar, dass es nicht in Frage kommt, Kants transzendentale Ästhetik als haltbar zu akzeptieren, trotz des, wie ich es genannt habe, unüberschreitbaren Charakters des Dienstes, den er uns mit seiner Kritik erweist, und ich hoffe, dies eben dadurch deutlich zu machen, dass ich zeige, was man an ihre Stelle setzen sollte. Denn, na ja, wenn es angebracht ist, etwas an ihre Stelle zu setzen, und wenn es so funktioniert, dass etwas von der Struktur, die er artikuliert hat, beibehalten wird, dann beweist dies, dass er die erwähnte Sache zumindest geahnt hat, zutiefst geahnt hat.
Der einfache Grund, warum die kantische Ästhetik auf keinen Fall haltbar ist, besteht darin, dass sie sich, für ihn, grundlegend auf eine mathematische Argumentation stützt, die von etwas abhängt, das man die geometrisierende Epoche der Mathematik nennen kann. Da in der Zeit, in der Kant seinen Überlegungen nachgeht, die euklidische Geometrie unumstritten ist, gilt für ihn, dass es in der raum-zeitlichen Ordnung bestimmte anschauliche Evidenzen gibt. Man muss sich nur über seinen Text beugen und ihn aufschlagen, um Beispiele für das aufzulesen, was heute einem in Mathematik mäßig fortgeschrittenen Schüler als unmittelbar widerlegbar erscheinen kann.
Wenn er uns als Beispiel für eine Evidenz, die |{10} keinesfalls bewiesen werden muss, anführt, dass durch zwei Punkte nur eine Gerade verlaufen kann, dann weiß jeder – da sich der Geist alles in allem ziemlich leicht, durch die Metapher der Sphäre, der Imagination, der reinen Anschauung eines gekrümmten Raumes gebeugt hat –, weiß jeder, dass durch zwei Punkte weitaus mehr als eine Gerade verlaufen kann und sogar eine unendliche Anzahl von Geraden.

Kant, Kritik der reinen Vernunft, Tafel des Nichts1
Wenn er uns in der Tafel des Nichts* als Beispiel für den *leeren Gegenstand ohne Begriff* das folgende, ganz ungeheure Beispiel gibt: die Darstellung einer geradlinigen Figur von nur zwei Seiten, dann ist das etwas, das vielleicht Kant – aber vermutlich nicht allen Menschen seiner Zeit – als Musterbeispiel für einen inexistenten und darüber hinaus undenkbaren Gegenstand erscheinen mag. Aber schon der geringste Umgang, ich würde sagen, mit einer ganz elementaren Erfahrung eines Geometrie Treibenden, nämlich die Untersuchung der Bahn, die ein Punkt beschreibt, der auf einem Rad befestigt ist, was man eine Pascal’sche Zykloide nennt, wird Ihnen zeigen, dass eine geradlinige Figur, wenn sie den dauerhaften Kontakt von zwei Linien oder von zwei Seiten in Frage stellt, etwas ist, das für jede Art von geometrischem Verständnis wirklich grundlegend und wesentlich ist, und dass es hier durchaus eine begriffliche Artikulation gibt und sogar einen völlig definierbaren Gegenstand.
Ebenso kann, nach allen Bemühungen um Logisierung der Mathematik, selbst die Behauptung, nur das synthetische Urteil sei fruchtbar, als revisionsbedürftig angesehen werden. Die angebliche Unfruchtbarkeit des analytischen Urteils a priori, also dessen, was wir einfach als rein kombinatorische Verwendung von Elementen bezeichnen wollen, |{11} die aus der Ausgangsposition einer gewissen Anzahl von Definitionen extrahiert werden --; dass diese kombinatorische Verwendung an sich ihre eigene Fruchtbarkeit hat, ist etwas, das beispielsweise die jüngste, am weitesten vorangetriebene Kritik der Grundlagen der Arithmetik mit Sicherheit beweisen kann. Dass es im Bereich der mathematischen Schöpfung letztlich ein Residuum gibt, das zwangsläufig unbeweisbar ist, ist das, wohin uns zweifellos die gleiche logisierende Extrapolation mit bisher unwiderlegter Strenge geführt zu haben scheint, das Theorem von Gödel; dennoch bleibt, dass der Weg, auf dem diese Gewissheit erlangt werden kann, derjenige der formalen Beweisführung ist. Und wenn ich sage „formal“, dann meine ich: durch die Verfahren der logisierenden Kombinatorik, die am ausdrücklichsten formalistisch sind.
Was heißt das? Soll das heißen, dass diese reine Anschauung, wie Kant <sie versteht>, im Rahmen eines kritischen Fortschritts hinsichtlich der erforderlichen Formen der Wissenschaft, dass diese reine Anschauung uns nichts zu sagen hat?
Sie lehrt uns sicherlich, ihre Kohärenz mit, und auch ihre mögliche Disjunktion von der sogenannten synthetischen Ausübung der vereinheitlichenden Funktion des Terminus der Einheit zu erkennen, insofern diese für jede Kategorienbildung konstitutiv ist, und uns zu zeigen – wenn die Mehrdeutigkeiten der Funktion der Einheit einmal aufgewiesen sind –, zu welcher Wahl, zu welcher Umkehrung wir gebracht werden, unter dem Einfluss verschiedener Erfahrungen. Für uns ist hier natürlich nur unsere eigene von Belang.
Aber, ist es nicht bedeutsamer als Anekdoten, Zufälle oder auch Errungenschaften, an genau dem Punkt, an dem man bei Kant die Winzigkeit des Verbindungspunktes zwischen dem Funktionieren der Kategorien und der sinnlichen Erfahrung aufzeigen kann, |{12} den Engpass <zu sehen>, wenn ich so sagen darf, an dem die Frage aufgeworfen werden kann, ob die Existenz eines Körpers, de facto natürlich unbedingt erforderlich, in kantischer Sicht nicht in Frage gestellt werden kann, im Hinblick darauf, ob sie de jure erfordert wird.
*
Ist, um Ihnen diese Frage zu vergegenwärtigen, nicht die Situation des verlorenen Kindes unserer Zeit geeignet, des Kosmonauten in seiner Kapsel, in dem Moment, in dem er im Zustand der Schwerelosigkeit ist? Ich möchte nicht so viel Gewicht auf die Feststellung legen, dass die Toleranz offenbar noch nie sehr lange auf die Probe gestellt wurde, aber dennoch gibt die überraschende Toleranz des Organismus gegenüber dem Zustand der Schwerelosigkeit Anlass, dass wir uns eine Frage stellen.
Denn immerhin stellen sich Träumer Fragen nach dem Ursprung des Lebens, und unter ihnen gibt es einige, die sagen, dass es plötzlich auf unserem Globus zu gedeihen begann, während andere sagen, es müsse von einem Keim herrühren, der aus den astralen Räumen kam – ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich diese Art von Spekulation gleichgültig lässt. Dennoch, sobald es einem Organismus – sei er menschlich oder der einer Katze oder der des geringsten Vertreters des Lebendigen – im Zustand der Schwerelosigkeit so gut zu gehen scheint, ist es da für das Leben nicht gerade wesentlich, dass es, sagen wir einfach, im Verhältnis zu jeder möglichen Wirkung des Gravitationsfeldes in gewissem Sinne in einer Position der Äquipollenz ist? Natürlich unterliegt der Kosmonaut immer noch den Wirkungen der Gravitation, nur ist es eine Gravitation, die ihn nicht belastet.
Dort also, wo er in seinem Zustand der Schwerelosigkeit ist – |{13} eingeschlossen, wie Sie wissen, in seine Kapsel und darüber hinaus von allen Seiten durch die Ecken und Winkel besagter Kapsel gestützt und abgepolstert –, was transportiert er da an Anschauung mit sich, ob rein oder nicht, jedoch phänomenologisch definierbar, an Anschauung des Raumes und der Zeit?
Die Frage ist umso interessanter, als Sie ja wissen, dass wir seit Kant ja immer wieder darauf zurückgekommen sind. Ich meine damit, dass die zu Recht als phänomenologisch bezeichnete Forschung unsere Aufmerksamkeit doch wieder darauf gelenkt hat, dass das, was man die naiven Dimensionen der Anschauung nennen kann, vor allem der räumlichen, dass sie – wie rein man sie sich auch denken mag – nicht so leicht reduzierbar sind, und dass das Oben, das Unten, ja das Links für das kritischste Denken nicht nur de facto, sondern sogar de jure ihre ganze Bedeutung behalten. Was geschah einem Gagarin – oder einem Titow oder einem Glenn – mit seiner Anschauung des Raumes und der Zeit, in Momenten, in denen er sicherlich, wie man sagt, andere Ideen im Kopf hatte? Es wäre vielleicht nicht ganz uninteressant, mit ihm, während er oben ist, einen kleinen phänomenologischen Dialog zu führen. Bei diesen Experimenten war man natürlich der Auffassung, dass dies nicht das Dringendste sei, im Übrigen hat man ja Zeit, darauf zurückzukommen.
Ich halte fest, dass – unabhängig von den Punkten, bei denen wir es kaum erwarten können, Antworten der Erfahrung* zu erhalten –, dass ihn das jedenfalls nicht daran gehindert hat, durchaus zu etwas fähig zu sein, das ich als Knöpfedrücken bezeichnen möchte, denn es ist klar, zumindest bei letzterem [bei Glenn], dass die Sache in bestimmten Momenten vom Inneren her gesteuert und sogar |{14} entschieden wurde. Er blieb also im Vollbesitz der Mittel einer wirksamen Kombinatorik. Natürlich war seine reine Vernunft umfassend ausgerüstet mit einer komplexen Zusammenstellung von Geräten, die sicherlich letztlich die Wirksamkeit des Experiments ausmachte. Das ändert nichts daran, dass – bei allem, was wir annehmen können und so weitreichend, wie wir die Wirkung der kombinatorischen Konstruktion im Apparat annehmen können und darüber hinaus beim Lernen, bei den wiederholten Anweisungen, bei der anstrengenden Ausbildung, die dem Piloten aufgezwungenen wird, so weit, dass wir ihn als integriert in das betrachten könnten, was man den vorkonstruierten Automatismus der Maschine nennen kann –, dass es genügt, dass er einen Knopf richtig drücken muss und wissen muss, warum, damit überaus deutlich wird, dass eine solche Betätigung der kombinatorischen Vernunft unter Bedingungen möglich ist, bei denen vielleicht noch längst nicht das Extrem dessen erreicht ist, was wir an Zwängen und Paradoxien annehmen können, die den Bedingungen der natürlichen Motorik auferlegt werden.
Dass wir jedoch bereits sehen können, dass die Dinge sehr weit vorangetrieben sind, hinsichtlich dieser doppelten Wirkung, die einerseits gekennzeichnet ist durch die Befreiung besagter Motorik von den Wirkungen der Schwerkraft – über die man sagen kann, dass man unter natürlichen Bedingungen nicht zu weit geht, wenn man behauptet, dass sie sich auf diese Motorik stützt [sic!] –, und dass <andererseits> die Dinge nur insofern entsprechend funktionieren, als besagtes motorisches Subjekt buchstäblich gefangen ist, eingeschlossen in den Panzer, der allein, zumindest in bestimmten Momenten des Fluges, den Zusammenhalt des Organismus in dem sichert, was man sein elementares Verbundensein nennen kann.
Der Körper ist hier also, wenn ich so sagen darf, zu einer Art Molluske geworden, |{15} jedoch herausgerissen aus seiner vegetativen Einpflanzung. Der Panzer wird zu einer so dominierende Garantie für das Aufrechterhalten dieses Zusammenhalts, dieser Einheit, dass man nahe daran ist zu erfassen, dass sie letztlich in dem Panzer besteht, den man hier, gewissermaßen in einer externalisierten Beziehung dieser Einheitsfunktion, wirklich als Behälter für das erkennt, was man als lebende Pulpa bezeichnen kann.
Der Kontrast zwischen dieser Stellung des Körpers und der reinen Funktion einer Denkmaschine (machine à raisonner) – dieser reinen Vernunft (raison pure), aus der alles besteht, was im Inneren wirksam ist und alles, wovon wir darin irgendeine Wirksamkeit erwarten – ist hier etwas Exemplarisches, das der Frage, die ich vorhin gestellt habe, ihr ganzes Gewicht verleiht, ob die raum-zeitliche Anschauung erhalten bleibt oder nicht, in dem Sinne, in dem ich diese Frage hinreichend auf das gestützt habe, was ich die falsche Geometrie der Zeit von Kant nennen möchte. Ist diese Anschauung weiterhin vorhanden? Ich neige stark zu der Annahme, dass sie weiterhin da ist.
Sie ist immer noch da, diese falsche Geometrie, genauso dumm und genauso blöd, da sie tatsächlich als eine Art Reflex der kombinierenden Tätigkeit erzeugt wird, als ein Reflex jedoch, der nicht weniger widerlegbar ist, denn – wie die Erfahrung des Nachdenkens der Mathematiker bewiesen hat – hier auf der Erde sind wir nicht weniger der Schwerkraft entrissen als an dem Ort dort oben, an dem wir unserem Kosmonauten folgen. Anders gesagt, die angeblich reine Anschauung ist aus der Illusion von Täuschungen hervorgegangen, die der Funktion der Kombinatorik selbst anhängen, aus einer Illusion, die sich durchaus zerstreuen lässt, auch wenn sie sich als mehr oder weniger hartnäckig erweist. Sie ist, wenn ich so sagen darf, nur der Schatten der Zahl. |{16} Allerdings, um das behaupten zu können, muss man die Zahl selbst auf anderes gegründet haben als auf diese Anschauung.
Im Übrigen, einmal angenommen, unser Kosmonaut behält die euklidische Anschauung des Raumes nicht bei – und auch nicht die noch weitaus fragwürdigere der Zeit, die bei Kant davon abhängt, nämlich als etwas, das auf eine Linie projiziert werden kann –, was würde das beweisen? Es würde lediglich beweisen, dass er gleichwohl in der Lage ist, auf korrekte Weise die Knöpfe zu drücken, ohne Rückgriff auf ihren Schematismus. Es würde lediglich beweisen, dass das, was bereits hier widerlegbar ist, dort oben von der Anschauung selbst widerlegt wird. Womit sich, werden Sie mir sagen, die Tragweite der Frage, die wir ihm stellen müssen, vielleicht ein wenig vermindert.
Und eben deshalb gibt es andere, wichtigere Fragen, die man ihm stellen muss, nämlich genau die unseren, insbesondere die folgende: was nämlich im Zustand der Schwerelosigkeit aus einem Sexualtrieb wird, der sich für gewöhnlich so manifestiert, dass er sich ihr zu widersetzen scheint. Und ob die Tatsache, dass er völlig eingequetscht ist in das Innere einer Maschine – ich meine das im materiellen Sinne des Wortes –, die so offensichtlich das phallische Phantasma verkörpert und manifestiert, ob dies ihn nicht entfremdet, insbesondere von seiner Beziehung zu den natürlichen Funktionen der Schwerelosigkeit des männlichen Begehrens? Das ist eine weitere Frage, in die wir uns, glaube ich, ganz legitimerweise einmischen sollten.
*
Um auf die Zahl zurückzukommen, bei der es Sie erstaunen mag, dass ich aus ihr ein Element mache, das derart offensichtlich von der reinen Anschauung und von der sinnlichen Erfahrung losgelöst ist, werde ich Ihnen hier kein Seminar über die |{17} Foundations of Arithmetic geben – der englische Titel von Frege –, die ich Sie bitte, sich anzuschauen, denn das ist ein ebenso faszinierendes Buch wie die Mars-Chroniken, und in dem Sie sehen werden, dass jedenfalls offensichtlich ist, dass eine empirische Ableitung der Funktion der Zahl nicht möglich ist.
Da ich jedoch nicht die Absicht habe, Ihnen zu diesem Thema einen Kurs zu geben, will ich mich damit begnügen – denn das gehört zu unserem Vorhaben –, Sie darauf hinzuweisen, dass beispielsweise die so angeordneten fünf Punkte:
die Sie auf der Seite eines Würfels sehen können, sicherlich eine Figur bilden, mit der die Zahl fünf symbolisiert werden kann, dass Sie jedoch völlig falsch lägen, würden Sie glauben, die Zahl fünf werde auf irgendeine Weise durch diese Figur gegeben.
Da ich Sie nicht ermüden möchte, indem ich Sie endlose Umwege machen lasse, denke ich, es geht am schnellsten, wenn Sie sich ein Konditionierungsexperiment vorstellen, das Sie an einem Tier vornehmen, um, was recht häufig vorkommt, bei diesem Tier die Unterscheidungsfähigkeit in einer bestimmten Situation zu beobachten, in der es darum geht, Ziele zu erreichen; nehmen Sie an, Sie würden ihm verschiedene Formen präsentieren. Neben dieser Anordnung:![]()
, etwas, das eine Figur darstellt, werden Sie in keinem Fall und bei keinem Tier erwarten, dass es in derselben Weise auf die folgende Figur reagiert:![]()
, die jedoch ebenfalls eine Fünf ist, oder auf diese hier:![]()
, die nicht weniger eine Fünf ist, nämlich in Gestalt eines Fünfecks. Wenn ein Tier jemals in gleicher Weise auf diese drei Figuren reagieren würde, wären Sie ja verblüfft, und genau deshalb, weil Sie dann absolut überzeugt wären, dass das Tier zählen kann; nun wissen Sie aber, dass es nicht zählen kann.
Natürlich ist das kein Beweis für |{18} den nicht-empirischen Ursprung der Funktion der Zahl. Ich wiederhole: Das verdient eine ausführliche Diskussion, wobei schließlich der einzige echte, vernünftige, ernsthafte Grund, den ich habe, Ihnen dringend zu empfehlen, sich dafür zu interessieren, darin besteht, dass es überraschend ist, zu sehen, wie wenige Mathematiker sich wirklich dafür interessieren, obwohl es natürlich nur Mathematiker sind, die sich richtig damit befasst haben. Das wird also von Ihrer Seite, falls Sie sich dafür interessieren, ein Werk der Barmherzigkeit sein: Kranke zu besuchen, sich für wenig interessante Fragen zu interessieren, ist das nicht in gewisser Hinsicht auch unsere Aufgabe?
Sie werden dabei sehen, dass sich jedenfalls die Einheit und die Null, die für jede rationale Konstituierung der Zahl so wichtig sind, gewiss gegen jeden Versuch einer erfahrungsmäßigen Genese der Zahl am stärksten als widerständig erweisen, und dass sie – ganz besonders dann, wenn man eine homogene Definition der Zahl als solcher geben möchte – sämtliche Genesen der Zahl zunichte mache, die man versuchen kann, ausgehend von einer Sammlung zu erstellen und davon, dass man, ausgehend von der Verschiedenheit, von der Differenz abstrahiert.
*
Hier bekommt die Tatsache ihren Wert, dass ich dazu gebracht wurde, geradewegs entlang des Fadens des Freud’schen Voranschreitens, die Funktion des einzigen Zugs auf eine Weise zu artikulieren, die mir notwendig erschien, da sie die Entstehung der Differenz erscheinen lässt, in einem Vorgang, der, wie man sagen kann, auf der Linie einer stets zunehmenden Vereinfachung liegt; dass dies mit einer Zielsetzung geschieht, die zur Reihe von Strichen führt, das heißt zur Wiederholung des anscheinend Identischen, dazu, dass etwas geschaffen und freigelegt wird, was ich nicht das Symbol nenne, sondern den Eintritt in das Reale als eingeschriebener Signifikant.
Und eben dies |{19} bedeutet der Terminus des Primats der Schrift: der Eintritt in das Reale – das ist die Form des vom primitiven Jäger wiederholten Strichs – der absoluten Differenz, insofern sie da vorliegt.
Sie werden auch keinerlei Mühe haben – Sie finden das bei der Lektüre von Frege, auch wenn Frege, mangels einer hinreichenden Theorie des Signifikanten, diesen Weg nicht einschlägt –, Sie werden keine Mühe haben, im Text von Frege zu finden, dass die besten Analytiker der Funktion der Einheit, nämlich Jevons und Schröder, den Akzent auf genau dieselbe Weise wie ich auf die Funktion des unären Zugs gesetzt haben.
Das bringt mich dazu zu sagen, dass das, was wir hier zu artikulieren haben, darin besteht, dass ich Sie – um die Polarität der Einheitsfunktion, wenn ich so sagen darf, umzukehren, um die vereinheitlichende Einheit* zugunsten der distinktiven Einzigkeit* aufzugeben –, dass ich Sie an den Punkt bringe, an dem Sie die Frage stellen, Schritt für Schritt den Zusammenhalt des Status des Subjekts zu definieren und zu artikulieren, insofern dieser Status mit dem unären Zug verbunden ist, zusammen mit der Tatsache, dass dieses Subjekt in seiner Struktur dort konstituiert ist, wo der Sexualtrieb unter allen Afferenzen des Körpers seine privilegierte Funktion hat.
Bezogen auf die erste Tatsache, die Verbindung des Subjekts mit dem unären Zug, werde ich heute – da ich denke, dass der Weg hinreichend artikuliert ist – den Schlusspunkt setzen, wobei ich Sie daran erinnere, dass diese in unserer Erfahrung so wichtige Tatsache, die von Freud herausgestellt wurde und die er als „Narzissmus der kleinen Differenzen“ bezeichnet, dasselbe ist wie das, was ich die Funktion des unären Zugs nenne. Denn das ist nichts anderes als dies, dass sich, ausgehend von einer kleinen Differenz – und wenn man kleine Differenz sagt, bedeutet dies nichts anderes als diese |{20} absolute Differenz, über die ich zu Ihnen spreche, diese von jedem möglichen Vergleich losgelöste Differenz –, dass sich ausgehend von dieser kleinen Differenz, insofern sie dasselbe ist wie das große I, das Ichideal, die gesamte narzisstische Sichtweise einrichten kann: das Subjekt, konstituiert oder nicht, als Träger dieses unären Zugs.
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#Das ermöglicht es uns heute, einen ersten Schritt in Richtung auf das zu tun, was Gegenstand unserer nächsten Sitzung sein wird, nämlich die Wiederaufnahme der Funktionen Privation, Frustration, Kastration. Schon indem wir sie wieder aufgreifen, können wir erahnen, wo und wie sich die Frage danach stellt, wie sich die Welt des Signifikanten zu dem verhält, was wir als Sexualtrieb bezeichnen, also Vorrang, Vorherrschaft der erotischen Funktion des Körpers in der Konstitution des Subjekts.

Tabelle Kastration – Frustration – Privation2
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Kombinatorik der Tabelle Kastration – Frustration – Privation3
Gehen wir ein wenig darauf zu, knabbern wir die Frage in der Weise an, dass wir von der Privation ausgehen, denn das ist das Einfachste. In der Welt gibt es minus a [–a], es gibt ein Objekt, das an seinem Platz fehlt – was nun wirklich die absurdeste Vorstellung von der Welt ist, wenn man dem Wort real seine Bedeutung verleiht. Was kann im Realen denn fehlen?
Die Schwierigkeit dieser Frage ist ja auch der Grund, warum Sie noch bei Kant, weit jenseits der reinen Anschauung, all diese alten Reste von Theologie, die ihn behindern, herumliegen sehen, wenn ich so sagen darf, und zwar unter der Bezeichnung der kosmologischen Ideen.
In mundo non est casus, so erinnert er uns: [in der Welt ist] nichts Kasuales, nichts Ungefähres. In mundo non est fatum, nichts ist von einer Fatalität, die jenseits einer rationalen Notwendigkeit wäre. In mundo non est saltus: es gibt keinen |{21} Sprung. In mundo non est hiatus [in der Welt gibt es keine Kluft]. Und der große Widerleger metaphysischer Unvorsichtigkeiten übernimmt diese vier Verneinungen, zu denen ich Sie frage, ob sie uns in unsere Sicht anders erscheinen können denn als der genau umgekehrte Status dessen, womit wir es ständig zu tun haben: mit Fällen (cas) im eigentlichen Sinne des Wortes; mit einem Fatum im strengen Sinne, denn unser Unbewusstes ist Orakel; mit so vielen hiatus, wie es unterschiedliche Signifikanten gibt; mit so vielen Sprüngen, wie sich Metonymien herstellen.
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Kant, Kritik der reinen Vernunft, Tafel des Nichts
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Weil es ein Subjekt gibt, das sich selbst mit dem unären Zug markiert oder nicht markiert, ein Subjekt, das (1) oder (–1) ist, kann es ein (–a) geben, kann sich das Subjekt mit dem kleinen Ball von Freuds Enkel identifizieren und dies speziell in der Konnotation seines Fehlens: es gibt nicht, ens privativum.
Sicherlich gibt es eine Leere, und von da wird das Subjekt ausgehen: *leerer Gegenstand ohne Begriff*. Von den vier Definitionen des Nichts, die Kant gibt und die wir beim nächsten Mal wieder aufnehmen werden, ist dies die einzige, die mit Strenge haltbar ist, es gibt hier ein Nichts.
Beachten Sie, dass in der Tabelle, die ich für Sie zu den drei Termini Kastration, Frustration, Privation aufgestellt habe, die Gegenseite – der mögliche Agent, das im strengen Sinne imaginäre Subjekt, von dem die Privation ausgehen kann, das Aussagen der Privation –, dass dies das Subjekt der imaginären Allmacht ist, das heißt des umgekehrten Bildes der Ohnmacht / der Impotenz.
Ens rationis, *leerer Begriff ohne Gegenstand*, reiner Begriff der Möglichkeit, da haben Sie den Rahmen, in dem das ens privativum verortet ist und erscheint.
Kant versäumt es gewiss nicht, den rein formalen Gebrauch der Formel, die sich von selbst zu verstehen scheint, zu ironisieren, der Formel Alles Reale ist möglich. Wer wird denn das |{22} Gegenteil behaupten? Das muss ja so sein! Und er geht einen Schritt weiter, indem er uns darauf hinweist, dass einiges Reales demnach möglich ist, dass dies aber auch heißen kann, dass einiges Mögliche nicht real ist, dass es Mögliches gibt, das nicht real ist. Was hier von Kant angeprangert wird, ist sicherlich nichts weniger als der philosophische Missbrauch, der damit getrieben werden kann. Für uns ist von Bedeutung, dass wir sehen, dass das Mögliche, um das es sich handelt, nur das Mögliche des Subjekts ist – nur das Subjekt kann das negativierte Reale eines Möglichen sein, das nicht real ist.
Das konstitutive (–1) des ens privativum sehen wir so mit der grundlegendsten Struktur unserer Erfahrung des Unbewussten verbunden, insofern sie nicht die des Untersagten ist, auch nicht die des Nein-Gesagten, sondern die des Nicht-Gesagten, des Punktes, an dem das Subjekt nicht mehr da ist, um zu sagen, ob es nicht mehr Herr dieser Identifizierung mit der Eins ist, oder dieser plötzlichen Abwesenheit der Eins, die es markieren könnte. Hier liegt ihre Kraft und ihre Wurzel.
Die Möglichkeit des hiatus, des saltus, des casus, des fatum ist genau das, worin ich hoffe, Ihnen von der nächsten Sitzung an zu zeigen, welche andere Form von reiner und sogar räumlicher Anschauung auf besondere Weise an der Funktion der Fläche beteiligt ist, insofern ich sie für jede Artikulation des Subjekts, die wir werden formulieren können, für entscheidend, für primär, für wesentlich halte.
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Französisch/Deutsch
{1} On peut trouve{r que je m’occupe ici un peu beaucoup de ce qu’on appelle – Dieu damne cette dénomination – des grands philosophes.
Man könnte meinen, dass ich mich hier ein bisschen viel mit dem beschäftige, was man – Gott verdamme diese Bezeichnung – „große Philosophen“ nennt.
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C’est que peut-être pas eux seuls, mais eux éminemment, articulent ce qu’on peut bien appeler une recherche, pathétique de ce qu’elle revienne toujours, si on sait la considérer à travers tous ses détours, ses objets plus ou moins sublimes, à ce nœud radical que j’essaie pour vous de desserrer, à savoir, le désir.
Das liegt daran, dass sie – möglicherweise nicht als einzige, jedoch vor allem sie – das artikulieren, was man eine Suche nennen kann, eine pathetische Suche, dass sie immer wieder – wenn man sie durch all ihre Windungen, durch ihre mehr oder weniger erhabenen Gegenstände hindurch zu betrachten weiß –, dass sie immer wieder auf den radikalen Knoten zurückkommen, den ich für Sie aufzuschnüren versuche: auf das Begehren.4
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C’est ce que j’espère, à la recherche, si vous voulez bien me suivre, rendre décisivement à sa propriété de point indépassable, indépassable au sens même que j’entends quand je vous dis que chacun de ceux qu’on peut appeler de ce nom de grand philosophe ne saurait être sur un certain point, dépassé.
Was ich hoffe, ist, dieser Suche – wenn Sie mir folgen wollen – entschieden ihre Eigenschaft als unüberschreitbarer Punkt zu verleihen, unüberschreitbar in genau dem Sinn, den ich meine, wenn ich Ihnen sage, dass es nicht möglich ist, irgendeinen von jenen, die man als „große Philosophen“ bezeichnen kann, in einem bestimmten Punkt zu überschreiten.
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Je me crois en droit de m’affronter, avec votre assistance, à une telle tâche pour autant que, le désir, c’est notre affaire comme psychanalystes.
Ich glaube mich im Recht, wenn ich mich, mit Ihrer Hilfe, einer solchen Aufgabe stelle, denn das Begehren ist unsere Sache, unsere Sache als Psychoanalytiker.
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Je me crois aussi requis de m’y attacher, et de vous requérir de le faire avec moi, parce que ce n’est qu’à rectifier notre visée sur le désir que nous pouvons maintenir la technique analytique dans sa fonction première – le mot première devant être entendu au sens de d’abord apparue dans l’histoire ; il n’était pas douteux au départ – : une fonction de vérité.
Ich denke auch, dass es geboten ist, daran festzuhalten und Sie zu bitten, es mit mir zu tun, denn nur, wenn wir unsere Sicht auf das Begehren zurechtrücken, können wir die analytische Technik in ihrer ersten Funktion aufrechterhalten – wobei das Wort erste hier im Sinne dessen zu verstehen ist, was in der Geschichte zuerst auftauchte, zu Beginn stand das außer Zweifel –, nämlich in einer Wahrheitsfunktion.
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Bien sûr, c’est ce qui nous sollicite à l’interroger, cette fonction, à un niveau plus radical.
Natürlich sind wir damit aufgefordert, diese Funktion auf einer radikaleren Ebene zu befragen.
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C’est celui que j’essaie de vous montrer en articulant pour vous ceci, qui est au fond de l’expérience analytique : que nous sommes asservis, comme hommes, je veux dire comme |{2} êtres désirants, que nous le sachions ou pas, que nous croyions ou non le vouloir, à cette fonction de vérité.
Ich versuche, sie Ihnen zu zeigen, indem ich Ihnen darlege, was den Grund der analytischen Erfahrung ausmacht: dass wir als Menschen, ich meine als begehrende Wesen, dieser Wahrheitsfunktion unterworfen sind, ob wir es wissen oder nicht, ob wir es zu wollen glauben oder nicht.
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Car, faut-il le rappeler, les conflits, les impasses, qui sont la matière de notre praxis, ne peuvent être objectivés qu’à faire intervenir dans leur jeu, la place du sujet comme tel, en tant que lié comme sujet dans la structure de l’expérience.
Ich muss Sie wohl kaum daran erinnern, dass die Konflikte und Sackgassen, die den Stoff unserer Praxis ausmachen, nur dann objektiviert werden können, wenn man in ihr Spiel den Platz des Subjekts als solchen einbringt, insofern es als Subjekt in die Struktur der Erfahrung eingebunden ist.
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C’est là le sens de l’identification, en tant que telle elle est définie par Freud.
Eben dies ist die Bedeutung der Identifizierung, wie sie von Freud definiert wird.5
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Rien n’est plus exact, rien n’est plus exigeant que le calcul de la conjoncture subjective quand on en a trouvé ce que je peux appeler, au sens propre du terme, sens où il est employé dans Kant, la raison pratique.
Nichts ist exakter, nichts ist anspruchsvoller als die Berechnung der Bedingungen des Subjekts, wenn man gefunden hat, was ich, im eigentlichen Sinne des Ausdrucks, als praktische Vernunft bezeichnen kann, in dem Sinne, wie der Ausdruck bei Kant verwendet wird.
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J’aime mieux l’appeler ainsi que de dire le biais opératoire, pour la raison de ce qu’implique ce terme d’opératoire depuis quelque temps : une sorte d’évitement du fonds.
Ich ziehe es vor, es so zu nennen, statt von einem operativen Zugang zu sprechen, aufgrund dessen, was der Terminus operativ seit einiger Zeit impliziert: eine Art Ausweichen vor dem Grundlegenden.6
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Rappelez-vous là-dessus ce que je vous ai enseigné il y a deux ans de cette raison pratique, en tant qu’elle intéresse le désir : Sade en est plus près que Kant, encore que Sade – presque fou, si on peut dire, de sa vision – ne se comprenne qu’à être à cette occasion rapporté à la mesure de Kant, comme j’ai tenté de le faire.
Erinnern Sie sich hierzu bitte an das, was ich Ihnen vor zwei Jahren beigebracht habe über die praktische Vernunft, insofern sie das Begehren betrifft: Sade ist ihr näher als Kant, auch wenn Sade – fast verrückt, wenn man so sagen darf, von seiner Vision – nur verstanden werden kann, wenn man ihn auf das Maß von Kant bezieht, wie ich es versucht habe.7
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Rappelez-vous ce que je vous en ai dit, de l’analogie frappante entre l’exigence totale de la liberté de la jouissance qui est dans Sade, avec la règle universelle de la conduite kantienne.
Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen darüber gesagt habe, an die frappierende Analogie zwischen der unbedingten Forderung nach Freiheit des Genießens bei Sade und der kantischen universellen Regel des Handelns.
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La fonction où se fonde le désir pour notre expérience rend manifeste qu’elle n’a |{3} rien à faire avec ce que Kant distingue comme le Wohl en l’opposant au Gut et au bien, disons avec le bien-être, avec l’utile.
Die Funktion, auf der für unsere Erfahrung das Begehren beruht, macht offenkundig, dass sie nichts mit dem zu tun hat, was Kant als das Wohl* vom Guten* unterscheidet, sagen wir: das Wohl mit dem Wohlbefinden, dem Nützlichen.8
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Cela nous mène à nous apercevoir que cela va plus loin, que, cette fonction du désir, elle n’a rien à faire dirai-je, en général avec ce que Kant appelle, pour le reléguer au second rang dans les règles de la conduite, le pathologique.
Das bringt uns dahin zu bemerken, dass dies noch weiter geht, dass die Funktion des Begehrens im Allgemeinen nichts mit dem zu tun hat, möchte ich sagen, was Kant als das Pathologische bezeichnet, um ihm unter den Regeln des Handelns den zweiten Rang zuzuweisen.9.
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Donc – pour ceux qui ne se souviennent pas bien dans quel sens Kant emploie ce terme, pour qui cela pourrait faire contre-sens, j’essaierai de le traduire en disant : le protopathique, ou encore plus largement : ce qu’il y a dans l’expérience d’humain trop humain, de limites liées au commode, au confort, à la concession alimentaire ; cela va plus loin, cela va jusqu’à impliquer la soif tissulaire elle-même.
Also, für diejenigen, die sich nicht genau erinnern, in welcher Bedeutung Kant diesen Ausdruck verwendet und denen das widersinnig erscheint, möchte ich versuchen, ihn zu übersetzen, indem ich sage: das Protopathische, oder noch weitergehend: das, was es in der Erfahrung des Menschlichen, allzu Menschlichen an Grenzen gibt, die an das Kommode geknüpft sind, an den Komfort, an die Konzession, an die Ernährung; das geht noch weiter, bis dahin, dass es auch noch den Durst auf der Ebene des Gewebes miteinschließt.10
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N’oublions pas le rôle, la fonction que je donne à l’anorexie mentale, comme à celui dont les premiers effets où nous puissions sentir cette fonction du désir, et le rôle que je lui ai donnée à titre d’exemple pour illustrer la distinction du désir et du besoin.
Vergessen wir nicht die Rolle, die Funktion, die ich der Anorexia nervosa beimesse, als eine der ersten Wirkungen, wo wir die Funktion des Begehrens spüren könnten, sowie die Rolle, die ich ihr gegeben habe, um den Unterschied zwischen Begehren und Bedürfnis an einem Beispiel zu veranschaulichen.11
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Donc si loin d’elle : commodité, confort, concession, n’irez-vous pas me dire que, sans doute, pas compromis, puisque tout le temps nous en parlons.
Folglich, so weit von der Funktion des Begehrens entfernt: Kommodität, Komfort, Konzession – werden Sie mir da nicht sagen, dass <es > gewiss keinen Kompromiss <gibt>, da wir ja ständig davon sprechen?12
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Mais les compromis qu’elle a à passer, cette fonction du désir, sont d’un autre ordre que ceux liés, par exemple, à l’existence d’une communauté fondée sur l’association vitale, puisque c’est sous cette forme que le plus communément nous avons à évoquer, à constater, à expliquer la fonction du compromis.
Die Kompromisse jedoch, welche die Funktion des Begehrens eingehen muss, gehören zu einer anderen Ordnung als die Kompromisse, die beispielsweise mit der Existenz einer Gemeinschaft verknüpft sind, die auf lebenserhaltendem Zusammenschluss beruht, denn dies ist ja die Form, an der wir die Funktion des Kompromisses am häufigsten zu evozieren, zu konstatieren, zu explizieren haben.13
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Vous savez bien qu’au point où nous en sommes, si nous suivons jusqu’au bout la pensée freudienne, ces compromis intéressent le rapport d’un instinct de mort avec un instinct de vie, lesquels tous deux ne sont pas moins étranges à considérer dans leurs rapports dialectiques que dans leur définition.
Sie wissen ja, dass es bei diesen Kompromissen (an dem Punkt, an dem wir sind, wenn wir dem Freud’schen Denken bis zum Ende folgen) um die Beziehung eines Todestriebes zu einem Lebenstrieb geht, die in ihren dialektischen Beziehungen beide nicht weniger befremdlich sind als in ihrer Definition.14
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Pour repartir, comme je le fais toujours, à quelque point de chaque |{4} discours que je vous adresse hedomadairement, je vous rappelle que cet instinct de mort n’est pas un ver rongeur, un parasite, une blessure, même pas un principe de contrariété, quelque chose comme une sorte de yin opposé au yang, d’élément d’alternance.
Um noch einmal von vorn zu beginnen (wie ich es immer tue, an irgendeinem Punkt eines jeden Vortrags, den ich einmal in der Woche an Sie richte), möchte ich Sie daran erinnern, dass der Todestrieb kein Nagewurm ist, kein Parasit, keine Wunde und auch kein Prinzip der Gegensätzlichkeit, nicht so etwas wie eine Art Yin im Gegensatz zum Yang, kein Element eines Alternierens.
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C’est pour Freud nettement articulé : un principe qui enveloppe tout le détour de la vie, laquelle vie, lequel détour, ne trouvent leur sens qu’à le rejoindre.
Was Freud betrifft, ist das klar artikuliert: ein Prinzip, das den gesamten Umweg des Lebens einschließt, wobei dieses Leben und dieser Umweg Sinn und Richtung nur darin finden, dass sie auf ihn [auf den Tod] zurückführen.15
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Pour dire le mot, ce n’est pas, sans doute, sans motif de scandale que certains s’en éloignent, car nous voilà bien sans doute retournés, revenus – malgré tous les principes positivistes c’est vrai – à la plus absurde extrapolation à proprement parler métaphysique, et au mépris de toutes les règles acquises de la prudence.
Offen gesagt, sicherlich bildet er einen Stein des Anstoßes, sodass sich einige davon distanzieren, denn wir werden hier zurückgebracht, zurückgeführt (trotz aller positivistischen Prinzipien, das ist klar) auf die absurdeste und eigentlich metaphysische Extrapolation, und dies unter Missachtung aller anerkannten Regeln der Vorsicht.16
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L’instinct de mort dans Freud nous est présenté comme ce qui, pour nous je pense, en sa place, se situe de s’égaler à ce que nous appellerons ici le signifiant de la vie, puisque ce que Freud nous en dit c’est que l’essentiel de la vie, réinscrite dans ce cadre de l’instinct de mort, n’est rien d’autre que le dessein, nécessité par la loi du plaisir, de réaliser, de répéter le même détour toujours pour revenir à l’inanimé.
Der Todestrieb wird uns bei Freud als etwas dargestellt, das für uns, wie ich glaube, die Stelle dessen einnimmt, was wir hier als den Signifikanten des Lebens bezeichnen wollen, denn Freud sagt uns, das Wesentliche des Lebens, neu eingeschrieben in den Rahmen des Todestriebs, sei nichts anderes ist als das Bestreben – aufgenötigt durch das Gesetz der Lust –, beständig denselben Umweg zu realisieren und zu wiederholen, um zum Unbelebten zurückzukehren.
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La définition de l’instinct de vie dans Freud – il n’est pas vain d’y revenir, de le ré-accentuer – n’est pas moins atopique, pas moins étrange, de ceci qu’il convient toujours de re-souligner : qu’il est réduit à l’éros, à la libido.
Die Definition des Lebenstriebes bei Freud (es ist keineswegs überflüssig, darauf zurückzukommen und es neu zu akzentuieren) ist nicht weniger atopisch, nicht weniger befremdlich, aufgrund dessen – wie man immer wieder betonen sollte –, dass er auf den Eros reduziert wird, auf die Libido.17
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Observez bien ce que ça signifie, je l’accentuerai par une comparaison tout à l’heure, avec la position kantienne.
Beachten Sie genau, was das bedeutet, durch einen Vergleich mit der kantischen Position werde ich es gleich akzentuieren.
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Mais d’ores et déjà, vous voyez ici à quel point de contact nous sommes réduits, concernant la relation au corps : c’est d’un choix qu’il s’agit, et tellement évident |{5} que ceci, dans la théorie, vient à se matérialiser en ces figures dont il ne faut point oublier qu’à la fois elles sont nouvelles, et quelles difficultés, quelles apories, voire quelles impasses elles nous opposent à les justifier, voire à les situer, à les définir exactement.
Sie sehen jedoch bereits hier, auf welchen Berührungspunkt wir, im Hinblick auf das Verhältnis zum Körper, zurückgeführt werden: Es handelt sich um eine Wahl, das ist so offensichtlich, dass es sich in der Theorie in Figuren materialisiert, bei denen man nicht vergessen darf, dass sie zugleich neu sind, und mit welchen Schwierigkeiten, Aporien und Sackgassen sogar sie uns konfrontieren, wenn wir sie begründen möchten, ja allein schon, wenn wir sie einordnen und genau definieren wollen.
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Je pense que la fonction du phallus, d’être ce autour de quoi vient s’articuler cet éros, cette libido, désigne suffisamment ce qu’ici j’entends pointer.
Ich denke, die Funktion des Phallus –insofern sie das ist, um das herum dieser Eros, diese Libido artikuliert wird – bezeichnet hinreichend, was ich hier aufzeigen will.
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Dans l’ensemble, toutes ces figures – pour reprendre le terme que je viens d’employer – que nous avons à manier concernant cet éros, qu’est-ce qu’elles ont à faire, qu’est-ce qu’elles ont de commun par exemple – pour en faire sentir la distance – avec les préoccupations d’un embryologiste ? dont on ne peut tout de même pas dire qu’il n’a rien à faire, lui, avec l’instinct de vie quand il s’interroge sur ce que c’est qu’un organisateur dans la croissance, dans le mécanisme de la division cellulaire, la segmentation des feuillets, la différenciation morphologique.
Was haben all diese Figuren (um den Ausdruck wieder aufzugreifen, den ich eben verwendet habe), die wir bei diesem Eros handhaben müssen, was haben sie insgesamt damit zu tun, was haben sie beispielsweise (um den Abstand spüren zu lassen) mit dem zu schaffen, womit sich ein Embryologe beschäftigt, von dem man gewiss nicht sagen kann, er habe nichts mit dem Lebenstrieb zu tun, wenn er sich fragt, was im Wachstum der organisierende Faktor ist, im Mechanismus der Zellteilung, in der Segmentierung der Keimblätter, in der morphologischen Differenzierung.
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On s’étonne de trouver quelque part sous la plume de Freud que l’analyse ait mené à une quelconque découverte biologique, cela se trouve quelquefois, autant que je me souvienne, dans l’Abriss.
Man wundert sich, aus Freuds Feder irgendwo die Bemerkung zu finden, die Analyse habe zu irgendeiner biologischen Entdeckung geführt; man findet das, soweit ich mich erinnere, ein paarmal im Abriss.18
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Quelle mouche l’a piqué à cet instant ?
Welche Mücke hat ihn in diesem Moment gestochen?
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Je me demande quelle découverte biologique a été faite à la lumière de l’analyse.
Ich frage mich, welche biologische Entdeckung im Lichte der Analyse gemacht worden ist.
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Mais aussi bien, puisqu’il s’agit de pointer là la limitation, le point électif de notre contact avec le corps, en tant bien sûr qu’il est le support, la présence de cette vie, est-ce qu’il n’est pas frappant que, pour réintégrer dans nos calculs la fonction de conservation de ce corps, il faille que nous passions par l’ambiguïté de la notion du narcissisme, suffisamment |{6} désignée, je pense – pour ne point avoir à articuler autrement la structure même du concept narcissique et l’équivalence qui y est mise à la liaison de l’objet –, suffisamment désignée dis-je par l’accent mis, dès l’Introduction au narcissisme, sur la fonction de la douleur, et [dès] le premier article, en tant – relisez cet article excellemment traduit – que la douleur n’y est pas signal de dommage mais phénomène d’autoérotisme, comme il n’y a pas longtemps je rappelais, dans une conversation familière, et à propos d’une expérience personnelle, à quelqu’un qui m’écoute : l’expérience qu’une douleur en efface une autre.
Aber, da es darum geht, hier die Begrenzung zu zeigen, den elektiven Punkt unseres Kontakts mit dem Körper (insofern er natürlich der Träger, die Präsenz dieses Lebens ist), ist es da nicht frappierend, dass wir, um die Funktion der Körpererhaltung in unsere Überlegungen wieder einzubeziehen, durch die Mehrdeutigkeit des Begriffs des Narzissmus hindurchgehen müssen, hinreichend bezeichnet, denke ich (um die Struktur des Narzissmusbegriffs selbst nicht anders artikulieren zu müssen und die Äquivalenz, die hier mit der Objektbindung hergestellt wird), hinreichend bezeichnet, sage ich, durch die Betonung, die seit der Einführung in den Narzissmus auf die Funktion des Schmerzes gelegt wird, und dies vom ersten Abschnitt an (lesen Sie diesen – ausgezeichnet übersetzten – Abschnitt noch einmal), insofern der Schmerz darin nicht Signal einer Schädigung ist, sondern ein Phänomen des Autoerotismus, wie ich kürzlich, anlässlich einer persönlichen Erfahrung, jemandem, der mich hört, in einem vertraulichen Gespräch in Erinnerung gerufen habe: die Erfahrung, dass ein Schmerz einen anderen Schmerz auslöscht.19
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Je veux dire qu’au présent on souffre mal de deux douleurs à la fois : une prend le dessus, fait oublier l’autre, comme si l’investissement libidinal, même sur le propre corps, se montrait là soumis à la même loi que j’appellerai de partialité qui motive la relation au monde des objets du désir.
Ich meine damit, dass man in der Gegenwart schlecht unter zwei Schmerzen auf einmal leiden kann, einer davon gewinnt die Oberhand und lässt einen den anderen vergessen; als zeigte sich die libidinöse Besetzung, auch wenn sie sich auf den eigenen Körper richtet, als demselben Gesetz unterworfen, einem Gesetz, das ich das der Parteilichkeit nennen möchte und das die Beziehung zur Welt der Objekte des Begehrens bestimmt.
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La douleur n’est pas simplement, comme disent les techniciens, de sa nature exquise, elle est privilégiée, elle peut être fétiche.
Der Schmerz ist nicht einfach seiner Natur nach, wie die Techniker sagen, [frz.] exquise; er ist privilegiert, er kann ein Fetisch sein.20
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Ceci pour nous mener à ce point que j’ai déjà, lors d’une récente conférence, non ici, articulé : qu’il est actuel, dans notre propos, de mettre en cause ce que veut dire l’organisation subjective que désigne le processus primaire, ce qu’il veut dire pour ce qui est et ce qui n’est pas de son rapport au corps.
Dies, um uns an den Punkt zu führen, den ich bereits bei einem kürzlich gehaltenen Vortrag – nicht hier – angesprochen habe, nämlich dass es an der Zeit ist, in unserem Vorhaben zu hinterfragen, was die Organisation des Subjekts, die durch den Primärvorgang bezeichnet wird, bedeutet, was dieser für die Beziehung des Subjekts zum Körper bedeutet und was nicht.21
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C’est là que, si je puis dire, la référence, l’analogie avec l’investigation kantienne va nous servir.
Das ist der Punkt, an dem uns, wenn ich so sagen darf, der Bezug, die Analogie zur kantischen Untersuchung von Nutzen sein wird.
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Je m’excuse avec toute l’humilité qu’on voudra auprès de ceux qui, des textes kantiens, ont une expérience qui leur donne droit à quelque observation marginale, quand je vais un peu vite dans ma référence à l’essentiel de ce |{7} que l’exploration kantienne nous apporte.
Ich entschuldige mich in aller Demut bei jenen, die mit den Texten von Kant eine Erfahrung haben, die ihnen das Recht zu einigen Randbemerkungen gibt, wenn ich jetzt – in meinem Bezug auf das Wesentliche dessen, was die kantische Untersuchung uns liefert – ein wenig schnell voranschreite.
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Nous ne pouvons ici nous attarder à ces méandres, peut-être par certains points aux dépens de la rigueur, mais n’est-ce pas aussi qu’à trop les suivre, nous perdrions quelque chose de ce qu’ont de massif sur certains points ses reliefs ?
Wir können uns hier nicht bei diesen Mäandern aufhalten, an manchen Punkten möglicherweise auf Kosten der Strenge. Ist es aber nicht auch so, dass wir, würden wir ihnen zu sehr folgen, etwas von dem Massiven dessen verlören, was in einigen Punkten seine Ausarbeitungen haben?
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Je parle de la Critique kantienne, et nommément de celle dite de la Raison pure.
Ich spreche von der kantischen Kritik und insbesondere von derjenigen, die als die der reinen Vernunft bezeichnet wird.22
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Dès lors, n’ai-je pas le droit de m’en tenir pour un instant à ceci, qui pour quiconque simplement aura lu une ou deux fois avec une attention éclairée ladite Critique de la Raison pure, ceci, d’ailleurs qui n’est contesté par aucun commentateur, que les catégories dite de la raison pure exigent assurément pour fonctionner comme telles le fondement de ce qui s’appelle intuition pure, laquelle se présente comme la forme normative, je vais plus loin : obligatoire, de toutes les appréhensions sensibles.
Habe ich daher nicht das Recht, mich für einen Moment an Folgendes zu halten, was für jeden, der einfach ein- oder zweimal mit wacher Aufmerksamkeit die erwähne Kritik der reinen Vernunft gelesen haben wird --; an Folgendes, das im Übrigen von keinem Kommentator bestritten wird, dass nämlich die sogenannten Kategorien der reinen Vernunft, um als solche zu funktionieren, zweifellos die Grundlage dessen erfordern, was reine Anschauung genannt wird, die sich als normative, ja ich gehe weiter: als obligatorische Form aller Sinneswahrnehmungen darstellt.23
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Je dis de toutes, quelles qu’elles soient.
Ich sage aller, von welcher Art auch immer.
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C’est en cela que cette intuition, qui s’ordonne en catégories de l’espace et du temps, se trouve désignée par Kant comme exclue de ce qu’on peut appeler l’originalité de l’expérience sensible, de la Sinnlichkeit*, d’où seulement peut sortir, peut surgir quelque affirmation que ce soit de réalité palpable ; ces affirmations de réalité n’en restant pas moins, dans leur articulation, soumises aux catégories de ladite raison pure sans lesquelles elles ne sauraient, non pas seulement être énoncées, mais même pas être aperçues.
Von daher wird diese <reine> Anschauung, die in Kategorien des Raumes und der Zeit geordnet ist, von Kant als etwas bezeichnet, das von dem ausgeschlossen ist, was man als Ursprünglichkeit der sinnlichen Erfahrung, der Sinnlichkeit*, bezeichnen kann, aus welcher allein irgendeine Versicherung der greifbaren Realität hervorgehen kann, wobei diese Realitätsversicherungen in ihrer Artikulation dennoch den Kategorien der erwähnten reinen Vernunft unterworfen bleiben, ohne die sie weder ausgesprochen noch überhaupt wahrgenommen werden könnten.24
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Dès lors, tout se trouve suspendu au principe de cette fonction dite synthétique – ce qui ne veut dire rien d’autre qu’unifiante – qui est, si l’on peut dire aussi, le |{8} terme commun de toutes les fonctions catégorielles, terme commun qui s’ordonne et se décompose dans le tableau fort suggestivement articulé qu’en donne Kant – ou plutôt dans les deux tableaux qu’il en donne, les formes des catégories et les formes du jugement –, qui saisit qu’en droit – en tant qu’elle marque dans le rapport à la réalité la spontanéité d’un sujet – cette intuition pure est absolument exigible.
Von daher hängt alles vom Prinzip der sogenannten synthetischen Funktion ab – was nichts anderes heißt als: vereinheitlichende Funktion –, die gewissermaßen auch der allgemeine Terminus für sämtliche kategorialen Funktionen ist, ein allgemeiner Terminus, der in der sehr anschaulich gegliederten Tabelle, die Kant von ihnen gibt, geordnet und zerlegt wird – oder besser in den beiden Tabellen, die er aufstellt, die Formen der Kategorien und die Formen des Urteils –, eine Tabelle, die erfasst, dass die reine Anschauung prinzipiell unabdingbar ist, insofern sie in der Beziehung zur Realität die Spontaneität eines Subjekts kennzeichnet.25
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Le schème Kantien, on peut arriver à le réduire à la Beharrlichkeit, à la permanence, à la tenue dirai-je, vide, mais la tenue possible de quoi que ce soit dans le temps.
Was das kantische Schema angeht, so lässt es sich auf die Beharrlichkeit* reduzieren, auf das, möchte ich sagen, leere Aufrechterhalten, jedoch das mögliche Aufrechterhalten von was auch immer in der Zeit.26
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Cette intuition pure en droit est absolument exigée dans Kant pour le fonctionnement catégoriel, mais après tout, l’existence d’un corps, en tant qu’il est le fondement de la Sinnlichkeit, de la sensorialité, n’est pas exigible du tout.
Diese reine Anschauung ist bei Kant prinzipiell für das Funktionieren der Kategorien unbedingt erforderlich, wohingegen die Existenz eines Körpers, insofern er die Grundlage der Sinnlichkeit* bildet, keineswegs unabdingbar ist.
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Sans doute, pour ce qu’on peut articuler valablement d’un rapport à la réalité, ça ne nous mènera pas loin puisque, comme le souligne Kant, l’usage de ces catégories de l’entendement ne concernera que ce qu’il appellera des concepts vides.
In Bezug auf das, was man mit gültig über ein Verhältnis zur Realität aussagen kann, wird uns das sicherlich nicht weit bringen, da, wie Kant betont, die Verwendung der Kategorien des Verstandes sich dann nur auf das beziehen wird, was er leere Begriffe nennt.
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Mais quand nous disons que ça ne nous mènera pas loin, c’est parce que nous sommes philosophes, et même kantiens.
Aber wenn wir sagen, dass uns das nicht weit bringt, dann deshalb, weil wir Philosophen sind und sogar Kantianer.
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Mais dès que nous ne le sommes plus – ce qui est le cas commun –, chacun sait justement au contraire que ça mène très loin.
Sobald wir es jedoch nicht mehr sind – wie das für gewöhnlich der Fall ist –, weiß jeder genau, dass dies, im Gegenteil, sehr weit führt.
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Puisque tout l’effort de la philosophie consiste à contrer toute une série d’illusions, de Schwärmereien, comme on s’exprime dans le langage philosophique, et particulièrement kantien, de mauvais rêves – à la même époque, Goya nous dit : « Le sommeil de la raison engendre les monstres » – dont les effets théologisants nous montrent bien tout le contraire, à savoir que ça mène très loin.
Denn die gesamte Bemühung der Philosophie besteht darin, einer Reihe von Illusionen entgegenzutreten, von Schwärmereien*, wie man sich in der philosophischen, vor allem der kantischen Sprache ausdrückt, von bösen Träumen – in derselben Epoche sagt uns Goya: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ –, deren theologisierende Auswirkungen uns ja das genaue Gegenteil zeigen, dass es nämlich sehr weit führt.27
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Puisque par l’intermédiaire de mille fanatismes cela mène tout simplement aux violences |{9} sanglantes, qui continuent d’ailleurs fort tranquillement, malgré la présence des philosophes, à constituer, il faut bien le dire, une partie importante de la trame de l’histoire humaine.
Denn durch Vermittlung von tausend Fanatismen führt dies ganz einfach zu blutigen Gewalttätigkeiten, die im Übrigen, so muss man sagen, weiterhin dabei sind, in aller Ruhe, trotz der Gegenwart der Philosophen, einen wichtigen Teil des Gefüges der menschlichen Geschichte auszumachen.
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C’est pour cela qu’il n’est point indifférent de montrer où passe effectivement la frontière de ce qui est efficace dans l’expérience, malgré toutes les purifications théoriques et les rectifications morales.
Und daher ist es keineswegs gleichgültig, zu zeigen, wo – trotz aller theoretischen Reinigungen und moralischen Korrekturen – tatsächlich die Grenze dessen verläuft, was in der Erfahrung wirksam ist.
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Il est tout à fait clair en tout cas qu’il n’y a pas lieu d’admettre pour tenable l’esthétique transcendantale de Kant, malgré ce que j’ai appelé le caractère indépassable du service qu’il nous rend dans sa critique, et j’espère le faire sentir justement, de ce que je vais montrer qu’il convient de lui substituer.
Es ist jedenfalls ganz klar, dass es nicht in Frage kommt, Kants transzendentale Ästhetik als haltbar zu akzeptieren, trotz des, wie ich es genannt habe, unüberschreitbaren Charakters des Dienstes, den er uns mit seiner Kritik erweist, und ich hoffe, dies eben dadurch deutlich zu machen, dass ich zeige, was man an ihre Stelle setzen sollte.
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Parce que justement, s’il convient de lui substituer quelque chose et que ça fonctionne en conservant quelque chose de la structure qu’il a articulé, c’est cela qui prouve qu’il a au moins entrevu, qu’il a profondément entrevu ladite chose.
Denn, na ja, wenn es angebracht ist, etwas an ihre Stelle zu setzen, und wenn es so funktioniert, dass etwas von der Struktur, die er artikuliert hat, beibehalten wird, dann beweist dies, dass er die erwähnte Sache zumindest geahnt hat, zutiefst geahnt hat.
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C’est ainsi que l’esthétique Kantienne n’est absolument pas tenable, pour la simple raison qu’elle est, pour lui, fondamentalement appuyée d’une argumentation mathématique qui tient à ce qu’on peut appeler l’époque géométrisante de la mathématique.
Der einfache Grund, warum die kantische Ästhetik auf keinen Fall haltbar ist, besteht darin, dass sie sich, für ihn, grundlegend auf eine mathematische Argumentation stützt, die von etwas abhängt, das man die geometrisierende Epoche der Mathematik nennen kann.
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C’est pour autant que la géométrie euclidienne est incontestée au moment où Kant poursuit sa méditation qu’il est soutenable pour lui qu’il y ait dans l’ordre spatio-temporel certaines évidences intuitives.
Da in der Zeit, in der Kant seinen Überlegungen nachgeht, die euklidische Geometrie unumstritten ist, gilt für ihn, dass es in der raum-zeitlichen Ordnung bestimmte anschauliche Evidenzen gibt.
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Il n’est que de se baisser, que d’ouvrir son texte, pour cueillir les exemples de ce qui peut paraître maintenant, à un élève moyennement avancé dans l’initiation mathématique, d’immédiatement réfutable.
Man muss sich nur über seinen Text beugen und ihn aufschlagen, um Beispiele für das aufzulesen, was heute einem in Mathematik mäßig fortgeschrittenen Schüler als unmittelbar widerlegbar erscheinen kann.
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Quand il nous donne, comme exemple d’une évidence qui n’a même |{10} pas besoin d’être démontrée, que par deux points il ne saurait passer qu’une droite, chacun sait, pour autant que l’esprit s’est en somme assez facilement ployé à l’imagination, à l’intuition pure d’un espace courbe par la métaphore de la sphère, que par deux points il peut passer beaucoup plus d’une droite, et même une infinité de droites.
Wenn er uns als Beispiel für eine Evidenz, die keinesfalls bewiesen werden muss, anführt, dass durch zwei Punkte nur eine Gerade verlaufen kann, dann weiß jeder – da sich der Geist alles in allem ziemlich leicht, durch die Metapher der Sphäre, der Imagination, der reinen Anschauung eines gekrümmten Raumes gebeugt hat –, weiß jeder, dass durch zwei Punkte weitaus mehr als eine Gerade verlaufen kann und sogar eine unendliche Anzahl von Geraden.28
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Quand il nous donne, dans ce tableau des Nichts, des riens, comme exemple du leerer Gegenstand ohne Begriff, de l’objet vide sans concept, l’exemple suivant qui est assez énorme : l’illustration d’une figure rectiligne qui n’aurait que deux côtés ! voilà quelque chose qui peut sembler, peut-être à Kant, et sans doute pas à tout le monde à son époque, comme l’exemple même de l’objet inexistant, et par dessus le marché impensable.

Kant, Kritik der reinen Vernunft, Tafel des Nichts29
Wenn er uns in der Tafel des Nichts* als Beispiel für den *leeren Gegenstand ohne Begriff* das folgende, ganz ungeheure Beispiel gibt: die Darstellung einer geradlinigen Figur von nur zwei Seiten, dann ist das etwas, das vielleicht Kant – aber vermutlich nicht allen Menschen seiner Zeit – als Musterbeispiel für einen inexistenten und darüber hinaus undenkbaren Gegenstand erscheinen mag.30
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Mais le moindre usage, je dirai même d’une expérience de géomètre tout à fait élémentaire, la recherche d’un tracé que décrit un point lié à une roulette, ce qu’on appelle une cycloïde de Pascal, vous montrera qu’une figure rectiligne, pour autant qu’elle met proprement en cause la permanence du contact de deux lignes ou de deux côtés, est quelque chose qui est véritablement primordial, essentiel à toute espèce de compréhension géométrique, qu’il y a bel et bien là articulation conceptuelle, et même objet tout à fait définissable.
Aber schon der geringste Umgang, ich würde sagen, mit einer ganz elementaren Erfahrung eines Geometrie Treibenden, nämlich die Untersuchung der Bahn, die ein Punkt beschreibt, der auf einem Rad befestigt ist, was man eine Pascal’sche Zykloide nennt, wird Ihnen zeigen, dass eine geradlinige Figur, wenn sie den dauerhaften Kontakt von zwei Linien oder von zwei Seiten in Frage stellt, etwas ist, das für jede Art von geometrischem Verständnis wirklich grundlegend und wesentlich ist, und dass es hier durchaus eine begriffliche Artikulation gibt und sogar einen völlig definierbaren Gegenstand.31
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Aussi bien, même avec cette affirmation que rien n’est fécond sinon le jugement synthétique, peut-il encore, après tout l’effort de logicisation de la mathématique, être considéré comme sujet à révision.
Ebenso kann, nach allen Bemühungen um Logisierung der Mathematik, selbst die Behauptung, nur das synthetische Urteil sei fruchtbar, als revisionsbedürftig angesehen werden.
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La prétendue infécondité du jugement analytique a priori, à savoir de ce que nous appellerons tout simplement l’usage purement combinatoire d’éléments |{11} extraits de la position première d’un certain nombre de définitions, que cet usage combinatoire ait en soi une fécondité propre, c’est ce que la critique la plus récente, la plus poussée des fondements de l’arithmétique par exemple, peut assurément démontrer.
Die angebliche Unfruchtbarkeit des analytischen Urteils a priori, also dessen, was wir einfach als rein kombinatorische Verwendung von Elementen bezeichnen wollen, die aus der Ausgangsposition einer gewissen Anzahl von Definitionen extrahiert werden --; dass diese kombinatorische Verwendung an sich ihre eigene Fruchtbarkeit hat, ist etwas, das beispielsweise die jüngste, am weitesten vorangetriebene Kritik der Grundlagen der Arithmetik mit Sicherheit beweisen kann.
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Qu’il y ait au dernier terme, dans le champ de la création mathématique, un résidu obligatoirement indémontrable, c’est ce à quoi sans doute la même exploration logicisante semble nous avoir conduits – le théorème de Gödel – avec une rigueur jusqu’ici irréfutée, mais il n’en reste pas moins que c’est par la voie de la démonstration formelle que cette certitude peut être acquise.
Dass es im Bereich der mathematischen Schöpfung letztlich ein Residuum gibt, das zwangsläufig unbeweisbar ist, ist das, wohin uns zweifellos die gleiche logisierende Extrapolation mit bisher unwiderlegter Strenge geführt zu haben scheint, das Theorem von Gödel; dennoch bleibt, dass der Weg, auf dem diese Gewissheit erlangt werden kann, derjenige der formalen Beweisführung ist.32
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Et quand je dis formelle, j’entends : par les procédés les plus expressément formalistes de la combinatoire logicisante.
Und wenn ich sage „formal“, dann meine ich: durch die Verfahren der logisierenden Kombinatorik, die am ausdrücklichsten formalistisch sind.
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Qu’est-ce à dire ?
Was heißt das?
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Est-ce pour autant que cette intuition pure, telle que Kant, aux termes d’un progrès critique concernant les formes exigibles de la science, que cette intuition pure ne nous enseigne rien ?
Soll das heißen, dass diese reine Anschauung, wie Kant <sie versteht>, im Rahmen eines kritischen Fortschritts hinsichtlich der erforderlichen Formen der Wissenschaft, dass diese reine Anschauung uns nichts zu sagen hat?
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Elle nous enseigne assurément de discerner sa cohérence, et aussi sa disjonction possible de l’exercice, dit synthétique, de la fonction unifiante du terme de l’unité en tant que constituante dans toute formation catégorielle, et, les ambiguïtés étant une fois montrées de cette fonction de l’unité, de nous montrer à quel choix, à quel renversement nous sommes conduits sous la sollicitation de diverses expériences.
Sie lehrt uns sicherlich, ihre Kohärenz mit, und auch ihre mögliche Disjunktion von der sogenannten synthetischen Ausübung der vereinheitlichenden Funktion des Terminus der Einheit zu erkennen, insofern diese für jede Kategorienbildung konstitutiv ist, und uns zu zeigen – wenn die Mehrdeutigkeiten der Funktion der Einheit einmal aufgewiesen sind –, zu welcher Wahl, zu welcher Umkehrung wir gebracht werden, unter dem Einfluss verschiedener Erfahrungen.33
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La nôtre ici évidemment seule nous importe.
Für uns ist hier natürlich nur unsere eigene von Belang.
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Mais, n’est-il pas plus significatif que d’anecdotes, d’accidents, voire d’exploits, au point précis où on peut faire remarquer la minceur du point de conjonction entre le fonctionnement catégoriel et l’expérience sensible dans Kant, |{12} le point d’étranglement si je puis dire, où peut être soulevée la question : si l’existence d’un corps, bien sûr tout à fait exigible en fait, ne pourrait pas être mise en cause, dans la perspective Kantienne, quant au fait qu’elle soit exigée en droit ?
Aber, ist es nicht bedeutsamer als Anekdoten, Zufälle oder auch Errungenschaften, an genau dem Punkt, an dem man bei Kant die Winzigkeit des Verbindungspunktes zwischen dem Funktionieren der Kategorien und der sinnlichen Erfahrung aufzeigen kann, den Engpass <zu sehen>, wenn ich so sagen darf, an dem die Frage aufgeworfen werden kann, ob die Existenz eines Körpers, de facto natürlich unbedingt erforderlich, in kantischer Sicht nicht in Frage gestellt werden kann, im Hinblick darauf, ob sie de jure erfordert wird.
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Est-ce que quelque chose n’est point fait pour vous présentifier cette question, dans la situation de cet enfant perdu qu’est le cosmonaute de notre époque dans sa capsule, au moment où il est en état d’apesanteur ?
Ist, um Ihnen diese Frage zu vergegenwärtigen, nicht die Situation des verlorenen Kindes unserer Zeit geeignet, des Kosmonauten in seiner Kapsel, in dem Moment, in dem er im Zustand der Schwerelosigkeit ist?
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Je ne m’appesantirai pas sur cette remarque que la tolérance, semble-t-il, sans doute n’a jamais été encore mise très longtemps à l’épreuve, mais tout de même, la tolérance surprenante de l’organisme à l’état d’apesanteur est tout de même faite pour nous faire poser une question.
Ich möchte nicht so viel Gewicht auf die Feststellung legen, dass die Toleranz offenbar noch nie sehr lange auf die Probe gestellt wurde, aber dennoch gibt die überraschende Toleranz des Organismus gegenüber dem Zustand der Schwerelosigkeit Anlass, dass wir uns eine Frage stellen.
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Puisque après tout des rêveurs s’interrogent sur l’origine de la vie, et parmi eux il y a ceux qui disent que ça s’est mis tout d’un coup à fructifier sur notre globe, mais d’autres que ça a dû venir par un germe venu des espaces astraux – je ne saurais vous dire à quel point cette sorte de spéculation m’indiffère.
Denn immerhin stellen sich Träumer Fragen nach dem Ursprung des Lebens, und unter ihnen gibt es einige, die sagen, dass es plötzlich auf unserem Globus zu gedeihen begann, während andere sagen, es müsse von einem Keim herrühren, der aus den astralen Räumen kam – ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich diese Art von Spekulation gleichgültig lässt.
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Tout de même, à partir du moment où un organisme – qu’il soit humain, que ce soit celui d’un chat ou du moindre seigneur du règne vivant – semble si bien dans l’état d’apesanteur, est-ce qu’il n’est pas justement essentiel à la vie, disons simplement qu’elle soit en quelque sorte en position d’équipollence par rapport à tout effet possible du champ gravitationnel ?
Dennoch, sobald es einem Organismus – sei er menschlich oder der einer Katze oder der des geringsten Vertreters des Lebendigen – im Zustand der Schwerelosigkeit so gut zu gehen scheint, ist es da für das Leben nicht gerade wesentlich, dass es, sagen wir einfach, im Verhältnis zu jeder möglichen Wirkung des Gravitationsfeldes in gewissem Sinne in einer Position der Äquipollenz ist?34
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Bien entendu, il est toujours dans les effets de gravitation, le cosmonaute, seulement c’est une gravitation qui ne lui pèse pas.
Natürlich unterliegt der Kosmonaut immer noch den Wirkungen der Gravitation, nur ist es eine Gravitation, die ihn nicht belastet.
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Eh bien, là où il est dans son état d’apesanteur, |{13} enfermé comme vous le savez dans sa capsule, et plus encore soutenu, molletonné de partout par les replis de l’icelle capsule, que transporte-t-il avec lui d’une intuition, pure ou pas mais phénoménologiquement définissable, de l’espace et du temps ?
Dort also, wo er in seinem Zustand der Schwerelosigkeit ist – eingeschlossen, wie Sie wissen, in seine Kapsel und darüber hinaus von allen Seiten durch die Ecken und Winkel besagter Kapsel gestützt und abgepolstert –, was transportiert er da an Anschauung mit sich, ob rein oder nicht, jedoch phänomenologisch definierbar, an Anschauung des Raumes und der Zeit?35
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La question est d’autant plus intéressante que vous savez que depuis Kant nous sommes tout de même revenus là-dessus.
Die Frage ist umso interessanter, als Sie ja wissen, dass wir seit Kant ja immer wieder darauf zurückgekommen sind.
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Je veux dire que l’exploration, justement qualifiée de phénoménologique, nous a tout de même ramené l’attention sur le fait que ce qu’on peut appeler les dimensions naïves de l’intuition, spatiale nommément, ne sont pas – même à une intuition si purifiée qu’on la pense – si facilement réductibles, et que le haut, le bas, voire la gauche conservent non seulement toute leur importance en fait, mais même en droit pour la pensée la plus critique.
Ich meine damit, dass die zu Recht als phänomenologisch bezeichnete Forschung unsere Aufmerksamkeit doch wieder darauf gelenkt hat, dass das, was man die naiven Dimensionen der Anschauung nennen kann, vor allem der räumlichen, dass sie – wie rein man sie sich auch denken mag – nicht so leicht reduzierbar sind, und dass das Oben, das Unten, ja das Links für das kritischste Denken nicht nur de facto, sondern sogar de jure ihre ganze Bedeutung behalten.36
.0
Qu’est-ce qui lui en est advenu au Gagarine, ou au Titov, ou au Glenn, de son intuition de l’espace et du temps dans des moments où sûrement il avait, comme on dit, d’autres idées en tête ?
Was geschah einem Gagarin – oder einem Titow oder einem Glenn – mit seiner Anschauung des Raumes und der Zeit, in Momenten, in denen er sicherlich, wie man sagt, andere Ideen im Kopf hatte?37
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Cela ne serait peut-être pas tout à fait inintéressant, pendant qu’il est là–haut, d’avoir avec lui un petit dialogue phénoménologique.
Es wäre vielleicht nicht ganz uninteressant, mit ihm, während er oben ist, einen kleinen phänomenologischen Dialog zu führen.
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Dans ces expériences, naturellement on a considéré que ce n’était pas le plus urgent, on a, au reste, le temps d’y revenir.
Bei diesen Experimenten war man natürlich der Auffassung, dass dies nicht das Dringendste sei, im Übrigen hat man ja Zeit, darauf zurückzukommen.
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Ce que je constate c’est que, quoi qu’il en soit de ces points sur lesquels nous, quand même, nous pouvons être assez pressés d’avoir des réponses de l’Erfahrung, de l’expérience, lui en tout cas, cela ne l’a pas empêché d’être tout à fait capable de ce que j’appellerai des boutons, car il est clair, au moins pour le dernier [Glenn], que l’affaire a été commandée à tel moment, et même |{14} décidée de l’intérieur.
Ich halte fest, dass – unabhängig von den Punkten, bei denen wir es kaum erwarten können, Antworten der Erfahrung* zu erhalten –, dass ihn das jedenfalls nicht daran gehindert hat, durchaus zu etwas fähig zu sein, das ich als Knöpfedrücken bezeichnen möchte, denn es ist klar, zumindest bei letzterem [bei Glenn], dass die Sache in bestimmten Momenten vom Inneren her gesteuert und sogar entschieden wurde.38
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Il restait donc en pleine possession des moyens d’une combinatoire efficace.
Er blieb also im Vollbesitz der Mittel einer wirksamen Kombinatorik.
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Sans doute sa raison pure était puissamment appareillée de tout un montage complexe qui faisait assurément l’efficacité dernière de l’expérience.
Natürlich war seine reine Vernunft umfassend ausgerüstet mit einer komplexen Zusammenstellung von Geräten, die sicherlich letztlich die Wirksamkeit des Experiments ausmachte.
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Il n’en reste pas moins, que – pour tout ce que nous pouvons supposer et aussi loin que nous pouvons supposer l’effet de la construction combinatoire dans l’appareil, et même dans les apprentissages, dans les consignes ressassées, dans la formation épuisante imposée au pilote lui-même, si loin que nous le supposions intégré à ce qu’on peut appeler l’automatisme déjà construit de la machine – il suffit qu’il ait à pousser un bouton dans le bon sens et en sachant pourquoi, pour qu’il devienne extraordinairement significatif qu’un pareil exercice de la raison combinante soit possible : dans les conditions dont peut-être c’est loin d’être encore l’extrême atteint de ce que nous pouvons supposer de contrainte et de paradoxe imposé aux conditions de la motricité naturelle.
Das ändert nichts daran, dass – bei allem, was wir annehmen können und so weitreichend, wie wir die Wirkung der kombinatorischen Konstruktion im Apparat annehmen können und darüber hinaus beim Lernen, bei den wiederholten Anweisungen, bei der anstrengenden Ausbildung, die dem Piloten aufgezwungenen wird, so weit, dass wir ihn als integriert in das betrachten könnten, was man den vorkonstruierten Automatismus der Maschine nennen kann –, dass es genügt, dass er einen Knopf richtig drücken muss und wissen muss, warum, damit überaus deutlich wird, dass eine solche Betätigung der kombinatorischen Vernunft unter Bedingungen möglich ist, bei denen vielleicht noch längst nicht das Extrem dessen erreicht ist, was wir an Zwängen und Paradoxien annehmen können, die den Bedingungen der natürlichen Motorik auferlegt werden.
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Mais que déjà nous pouvons voir que les choses sont poussées fort loin de ce double effet, caractérisé d’une part par la libération de ladite motricité des effets de la pesanteur – sur lesquels on peut dire que dans les conditions naturelles, ce n’est pas trop dire qu’elle s’appuie sur cette motricité –, et que corrélativement les choses ne fonctionnent que pour autant que ledit sujet moteur est littéralement emprisonné, pris dans la carapace qui seule assure la contention, au moins à tel moment du vol, de l’organisation dans ce qu’on peut appeler sa solidarité élémentaire.
Dass wir jedoch bereits sehen können, dass die Dinge sehr weit vorangetrieben sind, hinsichtlich dieser doppelten Wirkung, die einerseits gekennzeichnet ist durch die Befreiung besagter Motorik von den Wirkungen der Schwerkraft – über die man sagen kann, dass man unter natürlichen Bedingungen nicht zu weit geht, wenn man behauptet, dass sie sich auf diese Motorik stützt [sic!] –, und dass <andererseits> die Dinge nur insofern entsprechend funktionieren, als besagtes motorisches Subjekt buchstäblich gefangen ist, eingeschlossen in den Panzer, der allein, zumindest in bestimmten Momenten des Fluges, den Zusammenhalt des Organismus in dem sichert, was man sein elementares Verbundensein nennen kann.39
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Voici donc ce corps devenu, si je puis dire, une sorte de mollusque, |{15} mais arraché à son implantation végétative.
Der Körper ist hier also, wenn ich so sagen darf, zu einer Art Molluske geworden, jedoch herausgerissen aus seiner vegetativen Einpflanzung.
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Cette carapace devient une garantie si dominante du maintien de cette solidarité, de cette unité, qu’on n’est pas loin de saisir que c’est en elle en fin de compte qu’elle consiste, qu’on voit là, en une sorte de relation extériorisée de la fonction de cette unité, comme véritable contenant de ce qu’on peut appeler la pulpe vivante.
Der Panzer wird zu einer so dominierende Garantie für das Aufrechterhalten dieses Zusammenhalts, dieser Einheit, dass man nahe daran ist zu erfassen, dass sie letztlich in dem Panzer besteht, den man hier, gewissermaßen in einer externalisierten Beziehung dieser Einheitsfunktion, wirklich als Behälter für das erkennt, was man als lebende Pulpa bezeichnen kann.40
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Le contraste de cette position corporelle avec cette pure fonction de machine à raisonner – cette raison pure qui reste tout ce qu’il y a d’efficace et tout ce dont nous attendons une efficacité quelconque à l’intérieur – est bien là quelque chose d’exemplaire, qui donne toute son importance à la question que j’ai posée tout à l’heure de la conservation ou non de l’intuition spatio-temporelle, au sens où je l’ai suffisamment appuyée de ce que j’appellerai la fausse géométrie du temps de Kant :
Der Kontrast zwischen dieser Stellung des Körpers und der reinen Funktion einer Denkmaschine (machine à raisonner) – dieser reinen Vernunft (raison pure), aus der alles besteht, was im Inneren wirksam ist und alles, wovon wir darin irgendeine Wirksamkeit erwarten – ist hier etwas Exemplarisches, das der Frage, die ich vorhin gestellt habe, ihr ganzes Gewicht verleiht, ob die raum-zeitliche Anschauung erhalten bleibt oder nicht, in dem Sinne, in dem ich diese Frage hinreichend auf das gestützt habe, was ich die falsche Geometrie der Zeit von Kant nennen möchte.
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Est-ce qu’elle est, cette intuition, toujours là ?
Ist diese Anschauung weiterhin vorhanden?
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J’ai une grande tendance à penser qu’elle est toujours là.
Ich neige stark zu der Annahme, dass sie weiterhin da ist.
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Elle est toujours là, cette fausse géométrie, aussi bête et aussi idiote, parce qu’elle est effectivement produite comme une sorte de reflet de l’activité combinante, mais reflet qui n’est pas moins réfutable, car – comme l’expérience de la méditation des mathématiciens l’a prouvé – sur ce sol nous ne sommes pas moins arrachés à la pesanteur que dans l’endroit là-haut où nous suivons notre cosmonaute.
Sie ist immer noch da, diese falsche Geometrie, genauso dumm und genauso blöd, da sie tatsächlich als eine Art Reflex der kombinierenden Tätigkeit erzeugt wird, als ein Reflex jedoch, der nicht weniger widerlegbar ist, denn – wie die Erfahrung des Nachdenkens der Mathematiker bewiesen hat – hier auf der Erde sind wir nicht weniger der Schwerkraft entrissen als an dem Ort dort oben, an dem wir unserem Kosmonauten folgen.41
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En d’autres termes, que cette intuition prétendue pure est sortie de l’illusion de leurres attachés à la fonction combinatoire elle-même, tout à fait possible à dissiper, même si elle s’avère plus ou moins tenace.
Anders gesagt, die angeblich reine Anschauung ist aus der Illusion von Täuschungen hervorgegangen, die der Funktion der Kombinatorik selbst anhängen, aus einer Illusion, die sich durchaus zerstreuen lässt, auch wenn sie sich als mehr oder weniger hartnäckig erweist.42
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Elle n’est, si je puis dire, que l’ombre du nombre.
Sie ist, wenn ich so sagen darf, nur der Schatten der Zahl.43
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{16} Mais bien sûr, pour pouvoir affirmer cela, il faut avoir fondé le nombre lui-même ailleurs que dans cette intuition.
Allerdings, um das behaupten zu können, muss man die Zahl selbst auf anderes gegründet haben als auf diese Anschauung.
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Au reste, à supposer que notre cosmonaute ne la conserve pas cette intuition euclidienne de l’espace – et celle beaucoup plus discutable encore du temps qui lui est appendue dans Kant, à savoir quelque chose qui peut se projeter sur une ligne –, qu’est-ce que ça prouvera ?
Im Übrigen, einmal angenommen, unser Kosmonaut behält die euklidische Anschauung des Raumes nicht bei – und auch nicht die noch weitaus fragwürdigere der Zeit, die bei Kant davon abhängt, nämlich als etwas, das auf eine Linie projiziert werden kann –, was würde das beweisen?
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Ça prouvera simplement qu’il est tout de même capable d’appuyer correctement sur les boutons sans recourir à leur schématisme.
Es würde lediglich beweisen, dass er gleichwohl in der Lage ist, auf korrekte Weise die Knöpfe zu drücken, ohne Rückgriff auf ihren Schematismus.44
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Ça prouvera simplement que ce qui est d’ores et déjà réfutable ici est réfuté là-haut dans l’intuition elle-même !
Es würde lediglich beweisen, dass das, was bereits hier widerlegbar ist, dort oben von der Anschauung selbst widerlegt wird.
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Ce qui, vous me le direz, réduit peut-être un peu la portée de la question que nous avons à lui poser.
Womit sich, werden Sie mir sagen, die Tragweite der Frage, die wir ihm stellen müssen, vielleicht ein wenig vermindert.
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Et c’est bien pour cela qu’il y a d’autres questions plus importantes à lui poser, qui sont justement les nôtres, et particulièrement celle-ci : ce que devient dans l’état d’apesanteur une pulsion sexuelle qui a l’habitude de se manifester en ayant l’air d’aller contre.
Und eben deshalb gibt es andere, wichtigere Fragen, die man ihm stellen muss, nämlich genau die unseren, insbesondere die folgende: was nämlich im Zustand der Schwerelosigkeit aus einem Sexualtrieb wird, der sich für gewöhnlich so manifestiert, dass er sich ihr zu widersetzen scheint.
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Et si le fait qu’il soit entièrement collé à l’intérieur d’une machine – j’entends, au sens matériel du mot – qui incarne, manifeste, d’une façon si évidente le fantasme phallique, ne l’aliène pas, particulièrement à son rapport avec les fonctions d’apesanteur naturelles au désir mâle ?
Und ob die Tatsache, dass er völlig eingequetscht ist in das Innere einer Maschine – ich meine das im materiellen Sinne des Wortes –, die so offensichtlich das phallische Phantasma verkörpert und manifestiert, ob dies ihn nicht entfremdet, insbesondere von seiner Beziehung zu den natürlichen Funktionen der Schwerelosigkeit des männlichen Begehrens?45
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Voilà une autre question dans laquelle je crois que nous avons tout à fait légitimement notre nez à mettre.
Das ist eine weitere Frage, in die wir uns, glaube ich, ganz legitimerweise einmischen sollten.
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Pour revenir sur le nombre, dont il peut vous étonner que j’en fasse un élément si évidemment détaché de l’intuition pure, de l’expérience sensible, je ne vais pas ici vous faire un séminaire sur les |{17} Foundations of Arithmetic – titre anglais de Frege – auquel je vous prie de vous reporter parce que c’est un livre aussi fascinant que les Chroniques Martiennes, où vous verrez qu’il est en tout cas évident qu’il n’y a aucune déduction empirique possible de la fonction du nombre.
Um auf die Zahl zurückzukommen, bei der es Sie erstaunen mag, dass ich aus ihr ein Element mache, das derart offensichtlich von der reinen Anschauung und von der sinnlichen Erfahrung losgelöst ist, werde ich Ihnen hier kein Seminar über die Foundations of Arithmetic geben – der englische Titel von Frege –, die ich Sie bitte, sich anzuschauen, denn das ist ein ebenso faszinierendes Buch wie die Mars-Chroniken, und in dem Sie sehen werden, dass jedenfalls offensichtlich ist, dass eine empirische Ableitung der Funktion der Zahl nicht möglich ist.46
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Mais que, comme je n’ai pas l’intention de vous faire un cours sur ce sujet, je me contenterai, parce que c’est dans notre propos, de vous faire remarquer que par exemple les cinq points ainsi disposés :![]()
, que vous pouvez voir sur la face d’un dé, c’est bien une figure qui peut symboliser le nombre cinq, mais que vous auriez tout à fait tort de croire que d’aucune façon le nombre cinq soit donné par cette figure.
Da ich jedoch nicht die Absicht habe, Ihnen zu diesem Thema einen Kurs zu geben, will ich mich damit begnügen – denn das gehört zu unserem Vorhaben –, Sie darauf hinzuweisen, dass beispielsweise die so angeordneten fünf Punkte:![]()
, die Sie auf der Seite eines Würfels sehen können, sicherlich eine Figur bilden, mit der die Zahl fünf symbolisiert werden kann, dass Sie jedoch völlig falsch lägen, würden Sie glauben, die Zahl fünf werde auf irgendeine Weise durch diese Figur gegeben.
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Comme je ne désire pas vous fatiguer à vous faire faire des détours infinis, je pense que le plus court est de vous faire imaginer une expérience de conditionnement que vous seriez en train de poursuivre sur un animal – c’est assez fréquent –, pour voir expérimentée cette faculté de discernement, à cet animal, dans telle situation constituée de buts à atteindre, supposez que vous lui donniez des formes diverses.
Da ich Sie nicht ermüden möchte, indem ich Sie endlose Umwege machen lasse, denke ich, es geht am schnellsten, wenn Sie sich ein Konditionierungsexperiment vorstellen, das Sie an einem Tier vornehmen, um, was recht häufig vorkommt, bei diesem Tier die Unterscheidungsfähigkeit in einer bestimmten Situation zu beobachten, in der es darum geht, Ziele zu erreichen; nehmen Sie an, Sie würden ihm verschiedene Formen präsentieren.
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À côté de cette disposition :![]()
; chose qui constitue une figure, vous n’attendrez en aucun cas et d’aucun animal qu’il réagisse de la même façon à la figure suivante :
![]()
, qui est pourtant aussi un cinq, ou à celle-ci:
, qui ne l’est pas moins, à savoir la forme du pentagone.
Neben dieser Anordnung:![]()
, etwas, das eine Figur darstellt, werden Sie in keinem Fall und bei keinem Tier erwarten, dass es in derselben Weise auf die folgende Figur reagiert:![]()
, die jedoch ebenfalls eine Fünf ist, oder auf diese hier:![]()
, die nicht weniger eine Fünf ist, nämlich in Gestalt eines Fünfecks.
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Si jamais un animal réagissait de la même façon à ces trois figures, eh bien vous seriez stupéfaits, et très précisément pour la raison que vous seriez alors absolument convaincus que l’animal sait compter ; or vous savez qu’il ne sait pas compter.
Wenn ein Tier jemals in gleicher Weise auf diese drei Figuren reagieren würde, wären Sie ja verblüfft, und genau deshalb, weil Sie dann absolut überzeugt wären, dass das Tier zählen kann; nun wissen Sie aber, dass es nicht zählen kann.47
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Cela n’est pas une preuve, certes, de |{18} l’origine non empirique de la fonction du nombre.
Natürlich ist das kein Beweis für den nicht-empirischen Ursprung der Funktion der Zahl.
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Je vous le répète : ceci mérite une discussion détaillée, dont après tout la seule raison vraie, sensée, sérieuse que j’ai de vous conseiller vivement de vous y intéresser, est qu’il est surprenant de voir à quel point peu de mathématiciens – encore que ce ne soient bien entendu que des mathématiciens qui les aient bien traités – s’y intéressent vraiment.
Ich wiederhole: Das verdient eine ausführliche Diskussion, wobei schließlich der einzige echte, vernünftige, ernsthafte Grund, den ich habe, Ihnen dringend zu empfehlen, sich dafür zu interessieren, darin besteht, dass es überraschend ist, zu sehen, wie wenige Mathematiker sich wirklich dafür interessieren, obwohl es natürlich nur Mathematiker sind, die sich richtig damit befasst haben.
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Ce sera donc de votre part, si vous vous y intéressez, une œuvre de miséricorde : visiter les malades, s’intéresser aux questions peu intéressantes, est-ce que ce n’est pas aussi par quelque côté notre fonction ?
Das wird also von Ihrer Seite, falls Sie sich dafür interessieren, ein Werk der Barmherzigkeit sein: Kranke zu besuchen, sich für wenig interessante Fragen zu interessieren, ist das nicht in gewisser Hinsicht auch unsere Aufgabe?
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Vous y verrez qu’en tout cas l’unité et le zéro, si importants pour toute constitution rationnelle du nombre, sont ce qu’il y a de plus résistant, bien sûr, à toute tentative d’une genèse expérimentale du nombre, et tout spécialement si l’on entend donner une définition homogène du nombre comme tel, réduisant à néant toutes les genèses qu’on peut tenter de donner du nombre à partir d’une collection et de l’abstraction de la différence à partir de la diversité.
Sie werden dabei sehen, dass sich jedenfalls die Einheit und die Null, die für jede rationale Konstituierung der Zahl so wichtig sind, gewiss gegen jeden Versuch einer erfahrungsmäßigen Genese der Zahl am stärksten als widerständig erweisen, und dass sie – ganz besonders dann, wenn man eine homogene Definition der Zahl als solcher geben möchte – sämtliche Genesen der Zahl zunichte mache, die man versuchen kann, ausgehend von einer Sammlung zu erstellen und davon, dass man, ausgehend von der Verschiedenheit, von der Differenz abstrahiert.
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Ici prend sa valeur le fait que j’ai été amené, par le droit fil de la progression freudienne, à articuler d’une façon qui m’a parue nécessaire la fonction du trait unaire, en tant qu’elle fait apparaître la genèse de la différence dans une opération qu’on peut dire se situer dans la ligne d’une simplification toujours accrue : que c’est dans une visée qui est celle qui aboutit à la ligne de bâtons, c’est-à-dire à la répétition de l’apparemment identique, qu’est créé, dégagé ce que j’appelle, non pas le symbole, mais l’entrée dans le réel comme signifiant inscrit.
Hier bekommt die Tatsache ihren Wert, dass ich dazu gebracht wurde, geradewegs entlang des Fadens des Freud’schen Voranschreitens, die Funktion des einzigen Zugs auf eine Weise zu artikulieren, die mir notwendig erschien, da sie die Entstehung der Differenz erscheinen lässt, in einem Vorgang, der, wie man sagen kann, auf der Linie einer stets zunehmenden Vereinfachung liegt; dass dies mit einer Zielsetzung geschieht, die zur Reihe von Strichen führt, das heißt zur Wiederholung des anscheinend Identischen, dazu, dass etwas geschaffen und freigelegt wird, was ich nicht das Symbol nenne, sondern den Eintritt in das Reale als eingeschriebener Signifikant.48
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Et c’est là ce |{19} que veut dire le terme de primauté de l’écriture ; l’entrée dans le réel, c’est la forme de ce trait répété par le chasseur primitif, de la différence absolue en tant qu’elle est là.
Und eben dies bedeutet der Terminus des Primats der Schrift: der Eintritt in das Reale – das ist die Form des vom primitiven Jäger wiederholten Strichs – der absoluten Differenz, insofern sie da vorliegt.49
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Aussi bien, vous n’aurez pas de peine – vous le trouverez à la lecture de Frege, encore que Frege ne s’engage pas dans cette voie, faute d’une théorie suffisante du signifiant – à trouver dans le texte de Frege que les meilleurs analystes de la fonction de l’unité, nommément Jevons et Schröder, ont mis exactement l’accent, de la même façon que je le fais, sur la fonction du trait unaire.
Sie werden auch keinerlei Mühe haben – Sie finden das bei der Lektüre von Frege, auch wenn Frege, mangels einer hinreichenden Theorie des Signifikanten, diesen Weg nicht einschlägt –, Sie werden keine Mühe haben, im Text von Frege zu finden, dass die besten Analytiker der Funktion der Einheit, nämlich Jevons und Schröder, den Akzent auf genau dieselbe Weise wie ich auf die Funktion des unären Zugs gesetzt haben.50
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Voilà ce qui me fait dire que ce que nous avons ici à articuler, c’est qu’à renverser si je puis dire, la polarité de cette fonction de l’unité, à abandonner l’unité unifiante, l’Einheit, pour l’unité distinctive, l’Einzigkeit, je vous mène au point de poser la question de définir, d’articuler pas à pas la solidarité du statut du sujet en tant que lié à ce trait unaire, avec le fait que ce sujet est constitué dans sa structure où la pulsion sexuelle, entre toutes les afférentes du corps, a sa fonction privilégiée.
Das bringt mich dazu zu sagen, dass das, was wir hier zu artikulieren haben, darin besteht, dass ich Sie – um die Polarität der Einheitsfunktion, wenn ich so sagen darf, umzukehren, um die vereinheitlichende Einheit* zugunsten der distinktiven Einzigkeit* aufzugeben –, dass ich Sie an den Punkt bringe, an dem Sie die Frage stellen, Schritt für Schritt den Zusammenhalt des Status des Subjekts zu definieren und zu artikulieren, insofern dieser Status mit dem unären Zug verbunden ist, zusammen mit der Tatsache, dass dieses Subjekt in seiner Struktur dort konstituiert ist, wo der Sexualtrieb unter allen Afferenzen des Körpers seine privilegierte Funktion hat.51
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Sur le premier fait, la liaison du sujet à ce trait unaire, je vais mettre aujourd’hui le point final, considérant la voie suffisamment articulée, en vous rappelant que ce fait si important dans notre expérience, mis en avant par Freud, de ce qu’il appelle narcissisme des petites différences, c’est la même chose que ce que j’appelle la fonction du trait unaire,
Bezogen auf die erste Tatsache, die Verbindung des Subjekts mit dem unären Zug, werde ich heute – da ich denke, dass der Weg hinreichend artikuliert ist – den Schlusspunkt setzen, wobei ich Sie daran erinnere, dass diese in unserer Erfahrung so wichtige Tatsache, die von Freud herausgestellt wurde und die er als „Narzissmus der kleinen Differenzen“ bezeichnet, dasselbe ist wie das, was ich die Funktion des unären Zugs nenne.52
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Car ce n’est rien d’autre que le fait que c’est à partir d’une petite différence – et dire petite différence, cela ne veut rien dire d’autre que cette différence |{20} absolue dont je vous parle, cette différence détachée de toute comparaison possible –, c’est à partir de cette petite différence, en tant qu’elle est la même chose que le grand I, l’idéal du moi, que peut s’accommoder toute la visée narcissique : le sujet constitué ou non comme porteur de ce trait unaire.
Denn das ist nichts anderes als dies, dass sich, ausgehend von einer kleinen Differenz – und wenn man kleine Differenz sagt, bedeutet dies nichts anderes als diese absolute Differenz, über die ich zu Ihnen spreche, diese von jedem möglichen Vergleich losgelöste Differenz –, dass sich ausgehend von dieser kleinen Differenz, insofern sie dasselbe ist wie das große I, das Ichideal, die gesamte narzisstische Sichtweise einrichten kann: das Subjekt, konstituiert oder nicht, als Träger dieses unären Zugs.53
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C’est ce qui nous permet de faire aujourd’hui notre premier pas dans ce qui constituera l’objet de notre leçon suivante, à savoir la reprise des fonctions : privation, frustration, castration.
Das ermöglicht es uns heute, einen ersten Schritt in Richtung auf das zu tun, was Gegenstand unserer nächsten Sitzung sein wird, nämlich die Wiederaufnahme der Funktionen Privation, Frustration, Kastration.54
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C’est à les reprendre d’abord, que nous pourrons entrevoir où et comment se pose la question du rapport du monde du signifiant avec ce que nous appelons la pulsion sexuelle, à savoir, privilège, prévalence de la fonction érotique du corps dans la constitution du sujet.
Schon indem wir sie wieder aufgreifen, können wir erahnen, wo und wie sich die Frage danach stellt, wie sich die Welt des Signifikanten zu dem verhält, was wir als Sexualtrieb bezeichnen, also Vorrang, Vorherrschaft der erotischen Funktion des Körpers in der Konstitution des Subjekts.
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Tabelle Kastration – Frustration – Privation55
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Kombinatorik der Tabelle Kastration – Frustration – Privation56
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Abordons-la un petit peu, mordillons-la, cette question, en partant de la privation, parce que c’est le plus simple.
Gehen wir ein wenig darauf zu, knabbern wir die Frage in der Weise an, dass wir von der Privation ausgehen, denn das ist das Einfachste.
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Il y a du moins a [–a] dans le monde, il y a un objet qui manque à sa place, ce qui est bien la conception la plus absurde du monde, si l’on donne son sens au mot réel.
In der Welt gibt es minus a [–a], es gibt ein Objekt, das an seinem Platz fehlt – was nun wirklich die absurdeste Vorstellung von der Welt ist, wenn man dem Wort real seine Bedeutung verleiht.57
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Qu’est-ce qui peut bien manquer dans le réel ?
Was kann im Realen denn fehlen?58
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Aussi bien est-ce en raison de la difficulté de cette question que vous voyez encore, dans Kant, traîner, si je puis dire, bien au-delà donc de l’intuition pure, tous ces vieux restes qui l’entravent de théologie, et sous le nom de conception cosmologique.
Die Schwierigkeit dieser Frage ist ja auch der Grund, warum Sie noch bei Kant, weit jenseits der reinen Anschauung, all diese alten Reste von Theologie, die ihn behindern, herumliegen sehen, wenn ich so sagen darf, und zwar unter der Bezeichnung der kosmologischen Ideen.59
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« In mundo non est casus », nous rappelle-t-il : rien de casuel, d’occasionnel.
In mundo non est casus, so erinnert er uns: [in der Welt ist] nichts Kasuales, nichts Ungefähres.
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« In mundo non est fatum » : rien n’est d’une fatalité qui serait au-delà d’une nécessité rationnelle.
In mundo non est fatum, nichts ist von einer Fatalität, die jenseits einer rationalen Notwendigkeit wäre.
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« In mundo non est saltus » : il n’y a point de |{21} saut.
In mundo non est saltus: es gibt keinen Sprung.
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« In mundo non est hiatus ».
In mundo non est hiatus [in der Welt gibt es keine Kluft].60
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Et le grand réfutateur des imprudences métaphysiques prend à son compte ces quatre dénégations dont je vous demande si, dans la perspective qui est la nôtre, elles peuvent apparaître autre chose que le statut même, inversé, de ce à quoi nous avons toujours affaire : à des cas, au sens propre du terme, à un fatum à proprement parler, puisque notre inconscient est oracle, à autant de hiatus qu’il y a de signifiants distincts, à autant de ssauts qu’il se produit de métonymies.
Und der große Widerleger metaphysischer Unvorsichtigkeiten übernimmt diese vier Verneinungen, zu denen ich Sie frage, ob sie uns in unsere Sicht anders erscheinen können denn als der genau umgekehrte Status dessen, womit wir es ständig zu tun haben: mit Fällen (cas) im eigentlichen Sinne des Wortes; mit einem Fatum im strengen Sinne, denn unser Unbewusstes ist Orakel; mit so vielen hiatus, wie es unterschiedliche Signifikanten gibt; mit so vielen Sprüngen, wie sich Metonymien herstellen.61
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Kant, Kritik der reinen Vernunft, Tafel des Nichts
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C’est parce qu’il y a un sujet qui se marque lui-même ou non du trait unaire, qui est 1 ou (–1), qu’il peut y avoir un (–a), que le sujet peut s’identifier à la petite balle du petit-fils de Freud, et spécialement dans la connotation de son manque : il n’y a pas, ens privativum.
Weil es ein Subjekt gibt, das sich selbst mit dem unären Zug markiert oder nicht markiert, ein Subjekt, das (1) oder (–1) ist, kann es ein (–a) geben, kann sich das Subjekt mit dem kleinen Ball von Freuds Enkel identifizieren und dies speziell in der Konnotation seines Fehlens: es gibt nicht, ens privativum.62
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Bien sûr il y a un vide, et c’est de là que va partir le sujet : leerer Gegenstand ohne Begriff.
Sicherlich gibt es eine Leere, und von da wird das Subjekt ausgehen: *leerer Gegenstand ohne Begriff*.63
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Des quatre définitions du rien que donne Kant, et que nous reprendrons la prochaine fois, c’est la seule qui se tient avec rigueur, il y a là un rien.
Von den vier Definitionen des Nichts, die Kant gibt und die wir beim nächsten Mal wieder aufnehmen werden, ist dies die einzige, die mit Strenge haltbar ist, es gibt hier ein Nichts.64
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Observez que dans le tableau que je vous ai donné des trois termes castration-frustration-privation, la contre-partie, l’agent possible, le sujet à proprement parler imaginaire d’où peut découler la privation, l’énonciation de la privation, c’est le sujet de la toute-puissance imaginaire, c’est-à-dire de l’image inversée de l’impuissance.
Beachten Sie, dass in der Tabelle, die ich für Sie zu den drei Termini Kastration, Frustration, Privation aufgestellt habe, die Gegenseite – der mögliche Agent, das im strengen Sinne imaginäre Subjekt, von dem die Privation ausgehen kann, das Aussagen der Privation –, dass dies das Subjekt der imaginären Allmacht ist, das heißt des umgekehrten Bildes der Ohnmacht / der Impotenz.65
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Ens rationis, leerer Begriff ohne Gegenstand, concept vide sans objet, pur concept de la possibilité, voici le cadre où se situe et apparaît l’ens privativum.
Ens rationis, *leerer Begriff ohne Gegenstand*, reiner Begriff der Möglichkeit, da haben Sie den Rahmen, in dem das ens privativum verortet ist und erscheint.66
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Kant, sans doute, ne manque pas d’ironiser sur l’usage purement formel de la formule qui semble aller de soi : tout réel est possible.
Kant versäumt es gewiss nicht, den rein formalen Gebrauch der Formel, die sich von selbst zu verstehen scheint, zu ironisieren, der Formel Alles Reale ist möglich.67
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Qui dira le |{22} contraire ?
Wer wird denn das Gegenteil behaupten?
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Forcément !
Das muss ja so sein!68
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Et il fait le pas plus loin en nous faisant remarquer que donc quelque réel est possible, mais que ça peut vouloir dire aussi que quelque possible n’est pas réel, qu’il y a du possible qui n’est pas réel.
Und er geht einen Schritt weiter, indem er uns darauf hinweist, dass einiges Reales demnach möglich ist, dass dies aber auch heißen kann, dass einiges Mögliche nicht real ist, dass es Mögliches gibt, das nicht real ist.69
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Non moins sans doute <que> l’abus philosophique qui peut en être fait, est ici par Kant dénoncé.
Was hier von Kant angeprangert wird, ist sicherlich nichts weniger als der philosophische Missbrauch, der damit getrieben werden kann.70
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Ce qui nous importe c’est de nous apercevoir que le possible dont il s’agit, ce n’est que le possible du sujet, seul le sujet peut être ce réel négativé d’un possible qui n’est pas réel.
Für uns ist von Bedeutung, dass wir sehen, dass das Mögliche, um das es sich handelt, nur das Mögliche des Subjekts ist – nur das Subjekt kann das negativierte Reale eines Möglichen sein, das nicht real ist.71
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Le (–1) constitutif de l’ens privativum, nous le voyons ainsi lié à la structure la plus primitive de notre expérience de l’inconscient, pour autant qu’elle est celle, non pas de l’interdit, ni du dit que non, mais du non-dit, du point où le sujet n’est plus là pour dire s’il n’est plus maître de cette identification au 1, ou de cette absence soudaine du 1 qui pourrait le marquer.
Das konstitutive (–1) des ens privativum sehen wir so mit der grundlegendsten Struktur unserer Erfahrung des Unbewussten verbunden, insofern sie nicht die des Untersagten ist, auch nicht die des Nein-Gesagten, sondern die des Nicht-Gesagten, des Punktes, an dem das Subjekt nicht mehr da ist, um zu sagen, ob es nicht mehr Herr dieser Identifizierung mit der Eins ist, oder dieser plötzlichen Abwesenheit der Eins, die es markieren könnte.72
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Ici se trouve sa force et sa racine.
Hier liegt ihre Kraft und ihre Wurzel.
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La possibilité du hiatus, du saltus, casus, fatum, c’est justement ce en quoi j’espère, dès la prochaine séance, vous montrer quelle autre forme d’intuition pure, et même spatiale, est spécialement intéressée à la fonction de la surface pour autant que je la crois capitale, primordiale, essentielle à toute articulation du sujet que nous pourrons formuler.
Die Möglichkeit des hiatus, des saltus, des casus, des fatum ist genau das, worin ich hoffe, Ihnen von der nächsten Sitzung an zu zeigen, welche andere Form von reiner und sogar räumlicher Anschauung auf besondere Weise an der Funktion der Fläche beteiligt ist, insofern ich sie für jede Artikulation des Subjekts, die wir werden formulieren können, für entscheidend, für primär, für wesentlich halte.73
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Anmerkungen
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Abbildung aus: Kant, Kritik der reinen Vernunft. Hg. v. Theodor Valentiner. Meiner, Leipzig 1919, Elfte Auflage, S. 313.
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Abbildung aus: J. Lacan: Die Objektbeziehung. Seminar IV (1956–1957). Texterstellung Jacques-Alain Miller, Übersetzung Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2003, Sitzung vom 3. April 1957, S. 317.
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Abbildung aus Roussans Edition des Identifizierungs-Seminars, S. 124.
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Suche: vielleicht eine Anspielung auf Prousts Suche nach der verlorenen Zeit.
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Worin also besteht die Beziehung zwischen dem Subjekt und der Identifizierung? Ist das Subjekt die Spaltung zwischen der Identifizierung und dem Begehren?
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operativ: Vgl. Lacans Kritik am Terminus operational in Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse (Sitzung vom 20. Januar 1960, Version Miller/Haas S. 128–130). Dort geht es um das Konzept der operationalen Definition, wonach die Bedeutung eines Begriffs aus einer Reihe von Operationen besteht. Percy Williams Bridgman, der Erfinder dieses Konzepts, bezieht sich damit u.a. auf psychische Störungen; die Operationen sind für Bridgman Messoperationen.
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wie ich es versucht habe: Vgl. J. Lacan: Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse (1959/60). Texterstellung durch Jacques-Alain Miller, übersetzt von Norbert Haas. Quadriga, Weinheim, Berlin 1996, Sitzungen vom 23. und 30. März 1960.– Nach dem Identifizierungs-Seminar erschien: J. Lacan: Kant mit Sade (französisch zuerst 1963). In: Ders.: Schriften, Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 289–324.
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Vgl. I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Erster Teil, erstes Buch, zweites Hauptstück: „Von dem Begriffe eines Gegenstandes der reinen Vernunft“.
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Die Rede vom pathologisch affizierten Willen findet sich verstreut in der gesamten Kritik der praktischen Vernunft, zuerst in: Erstes Buch, erstes Hauptstück, § 1, Anmerkung.
Kants Kritik der praktischen Vernunft ist die erste nicht-eudämonistische philosophische Ethik, die erste Ethik „jenseits des Lustprinzips“, wie man mit Freud sagen könnte.
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concession alimentaire: Konzession für Speisen und Getränke im Gastgewerbe.
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Anorexia nervosa: Zur Anorexia nervosa (Magersucht) hatte Lacan sich bis zu diesem Zeitpunkt an folgenden Stellen geäußert:
– Seminar 4, Die Objektbeziehung, Sitzung vom 27. Februar 1957 (Version Miller/Gondek S. 217– 219); Sitzung vom 22. Mai 1957 (Version Miller/Gondek S. 405).
– Seminar 5, Die Bildungen des Unbewussten, Sitzung vom 2. Juli 1958 (Version Miller/Gondek S. 589).
– Vortrag vom 10 März 1960 in Brüssel, veröffentlicht 1986 in Psychanalyse. Revue de l‘École Belge de Psychanalyse, Nr. 4, S. 163–187, hier: S. 186, reproduziert in Pas-tout Lacan, hier .
– Seminar 8, Die Übertragung, Sitzung vom 15. März 1961 (Version Miller/Gondek S. 253); Sitzung vom 21. Juni 1961 (Version Miller/Gondek S. 465).
– Die Lenkung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht, In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 91 und 124. -
Auffällig ist die vierfache Wiederholung der Vorsilbe „Ko-“ (im Französischen „co-“). Möglicherweise soll damit der Wiederholungszwang als Wiederholung eines „Buchstabens“ illustriert werden, eines sprachlichen Elements ohne Signifikat.
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Kompromisse: Freud charakterisiert das Symptom als „Kompromissbildung“, also sind die Kompromisse, die die Funktion des Begehrens eingehen muss, vermutlich Symptome.
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Lacan verwendet hier für beide Triebe den sonst von ihm verpönten Ausdruck instinct für „Trieb“, womit er sich sogleich von der Aussage distanziert.
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Umweg des Lebens: Das Leben besteht aus „Umwegen zum Tode“, heißt es in Freuds Jenseits des Lustprinzips (1920), GW 13, S. 41.
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Freud selbst charakterisierte seine Konzeption des Todestriebs als „weitausholende Spekulation“ (Jenseits des Lustprinzips, GW 13, S. 23).
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atopisch: wörtliche „ortlos“, „ohne bestimmten Platz“, medizinischer Terminus für Symptome, die keinen festen Ort haben. In Seminar 8, Die Übertragung, hatte Lacan von der „Atopie“ des Begehrens und von Sokrates gesprochen, über ihren nicht einzuordnenden Charakter (vgl. Sitzung vom 21. Dezember 1960 (Version Miller/Gondek S. 109) und vom 11. Januar 1961 (Version Miller/Gondek S. 137).
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Vgl. S. Freud: Abriss der Psychoanalyse (1938). In: Ders.: GW 17, S. 56–138, hier: S. 126.
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Vgl. S. Freud: Zur Einführung des Narzissmus (1914). In: Ders.: GW 10, S. 137–170.
Schmerz: vgl. Zur Einführung des Narzissmus, vor allem Abschnitt II.
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die Techniker: gemeint sind die Mediziner; douleur exquise ist ein medizinischer Fachbegriff, vgl etwa hier. Im Deutschen entspricht dem vielleicht am ehesten die Bezeichnung als stechender und klar umgrenzter Schmerz. Exquise heißt wörtlich „sorgfältig ausgewählt“ (vgl. das deutsche Wort „exquisit“); der Ausdruck verweist also zugleich auf eine Auswahl. Die Zusammensetzung douleur exquise taucht auch häufig im Zusammenhang mit Sadismus und Masochismus auf, als „exquisiter Schmerz“.
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bei einem kürzlich gehaltenen Vortrag: Gemeint ist: J. Lacan: De ce que j’enseigne. Vortrag am 23. Januar 1962. In: J. Lacan: L’identification, dit „Séminaire IX“. Prononcé à Sainte-Anne en 1961–1962. Hg. v. Michel Roussan, nicht im Buchhandel erhältlich, Paris 1992, Annexe III, S. 327–334.
was der Primärvorgang für die Beziehung des Subjekts zum Körper bedeutet: Ist möglicherweise Folgendes gemeint: Der Körper kommt in der Psychoanalyse unter dem Gesichtspunkt des Schmerzes ins Spiel. Der Primärvorgang besteht in der Schmerzvermeidung. Also bedeutet der Primärvorgang, dass das Subjekt keine Beziehung zum Körper hat. – ?
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Von Kant gibt es drei Kritiken: Die Kritik der reinen Vernunft (1781), die Kritik der praktischen Vernunft (1788) und die Kritik der Urteilskraft (1790).
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reine Anschauung: Vgl. Kritik der reinen Vernunft, I: Transzendentale Elementarlehre, Erster Teil: Die transzendentale Ästhetik, Einleitung, § 1. (Im Französischen wird Anschauung mit „intuition“ übersetzt.)
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Lacan bezeichnet hier, anders als Kant, Raum und Zeit als „Kategorien“. Für Kant sind Raum und Zeit nicht „Kategorien“, sondern „Anschauungsformen“.
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die beiden Tabellen: gemeint sind die Tafel der Urteile: KrV, B 95, und die Tafel der Kategorien: KrV, B 106:

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Schema: Schemata verbinden, Kant zufolge, Kategorien und Anschauungen. Sie haben zeitlichen Charakter.
Beharrlichkeit: Kant unterscheidet drei Modi der Zeit: Beharrlichkeit, Zeitfolge und Zugleichsein. Vgl. Kritik der reinen Vernunft, zweiter Teil, erste Abteilung, zweites Buch, zweites Hauptstück, dritter Abschnitt: „Systematische Vorstellung aller synthetischen Grundsätze des reinen Verstandes“, 3) „Analogien der Erfahrung“.
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Schwärmereien: Kant verwendet den Ausdruck in der Kritik der praktischen Vernunft immer wieder, zuerst in: erster Teil, erstes Buch, zweites Hauptstück, „Von der Typik der reinen praktischen Urteilskraft“, letzter Satz.
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dass durch zwei Punkte nur eine einzige Gerade verlaufen kann: Dies ist eines der Postulate in Euklids Elementen.
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Abbildung aus: Kant, Kritik der reinen Vernunft. Hg. v. Theodor Valentiner. Meiner, Leipzig 1919, Elfte Auflage, S. 313.
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Tafel des Nichts: Vgl. Kritik der reinen Vernunft, B 348 (I. Transzendentale Elementarlehre, Zweiter Teil: Die transzendentale Logik, Erste Abteilung: Die transzendentale Analytik, Zweites Buch: Die Analytik der Grundsätze, 3. Hauptstück: Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena, Anhang: Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe).
geradlinige Figur von nur zwei Seiten: Eine Figur, die von geraden Linien vollständig umgrenzt wird, ist ein Vieleck; das kleinste Vieleck ist für Kant ein Dreieck.
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Pascal’sche Zykloide: die Zykloide waren schon lange vor Pascal bekannt.
Die beiden geraden Linien sind hier:
– Linie 1: die Linie, auf der das Rad abrollt,
– Linie 2: die Linie, die das Rad durch das Abrollen erzeugt. -
Kurt Gödel: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I. In: Monatshefte für Mathematik und Physik. 38, 1931, S. 173–198, im Internet hier.
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wenn die Mehrdeutigkeiten der Funktion der Einheit einmal aufgewiesen sind: Anders als im Französischen (unité) und im Deutschen (Einheit) sind die Bezeichnungen im Englischen eindeutig: unit versus unity. Im Deutschen gibt es eine eine eindeutige Entsprechung zu unit nur im Plural, units sind „Einheiten“.
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Äquipollenz: Gleichwertigkeit, Gleichmächtigkeit. Hier wohl in dem Sinne, dass die Effekte der Gravitation durch entgegenwirkende Faktoren neutralisiert werden.
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ob rein oder nicht: Möglicherweise eine Anspielung auf die These von Henri Poincaré, dass die euklidische Mathematik (und damit Kants „reine Anschauung“) auf Konventionen beruht, die ihren Grund darin haben, dass wir in einer Welt empirischer Erfahrung leben, also in einer Welt, wie sie von den Phänomenologen beschrieben wurde.
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als phänomenologisch bezeichnete Forschung: Anspielung auf: Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung. De Gruyter, Berlin 1966 (frz. Original zuerst 1945), darin auf: Zweiter Teil, II: Der Raum, S. 284–346; Dritter Teil, II: Die Zeitlichkeit, S. 466–492.
die naiven Dimensionen der Anschauung: Gemeint sind die Oppositionen von oben und unten sowie von rechts und links. Im dreidimensionalen Raum der Physik gibt es kein Oben und kein Unten, kein Rechts und kein Links, diese Raumdimensionen sind an den wahrnehmenden Leib gebunden.
sondern sogar de jure: Inwiefern behalten die Gegensätze von Oben und Unten, von Rechts und Links für das kritische Denken auch „de jure“ ihre Bedeutung?
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Juri Gagarin, German Titow und John Glenn waren die ersten Menschen, die, in einer Umlaufbahn um die Erde, durch den Weltraum flogen (Gagarin am 12. April 1961, Titow am 6. August 1961, beide in Kapseln der Sowjetunion; John Glenn in einer Kapsel der USA am 20. Februar 1962, also eine Woche vor der laufenden Sitzung von Lacans Seminar).
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von Innen her gesteuert: Eine detaillierte Beschreibung der Aktivitäten von Glenn findet man im Artikel Mercury-Atlas 6 der englischen Wikipedia.
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dass sie sich auf diese Motorik stützt: Das Umgekehrte ist gemeint – nicht: die Schwerkraft stützt sich auf die Motorik, sondern: die Motorik stützt sich auf die Schwerkraft.
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Pulpa: Möglicherweise spielt Lacan hier auf die Dreiheit des Imaginären, des Realen und des Symbolischen an. Der Panzer entspräche dann dem Imaginären, die Pulpa dem Realen und die Rechenmaschine dem Symbolischen.
Behälter: eher noch keine Anspielung auf den Container Bions, da dieser das Konzept erst im Laufe des Jahres 1962 entwickelt hat.
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der Schwerkraft entrissen: Im freien Fall, etwa in evakuierten Falltürmen, ist der menschliche Körper auch auf der Erde im Zustand der Schwerelosigkeit.
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Illusion von Täuschungen: Lacan folgt hier vielleicht anspielungsweise Kants Kritik der reinen Vernunft mit dem Übergang zur transzendentalen Dialektik, d.h. mit den Täuschungen der reinen Vernunft. Für Kant sind diese Täuschungen notwendig, für Lacan offenbar nicht.
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l’ombre du nombre ist äquivok mit l’ombre d’une ombre: der Schatten eines Schattens.
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Schematismus: Begriff von Kant für das Verfahren, mit dem der Verstand die Kategorien auf die Anschauung bezieht.
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einer Maschine … im materiellen Sinne des Wortes: im Gegensatz zu einer abstrakten Maschine im Sinne der Informatik.
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Foundations of Arithmetics: Übersetzung von John Langshaw Austin, Oxford 1950.
Mars-Chroniken: Ray Bradbury: The Martian Chronicles. Doubleday, New York 1950; deutsche Übersetzung 1972.
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dass es nicht zählen kann: Diese Annahme ist überholt; vgl. den Wikipedia-Artikel Mengenunterscheidungen bei Tieren.
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Eintritt in das Reale als eingeschriebener Signifikant: In früheren Sitzungen hatte Lacan diese Beziehung als Markierung bezeichnet.
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Terminus des Primats der Schrift: In früheren Sitzungen dieses Seminars hieß es zur Schrift (bzw. zum Buchstaben) und zum Realen:
– Wesen und Träger des Signifikanten ist der Buchstabe (6. Dezember 1961, S. {12 f.}).
– (Ausgehend von der Kerbe in einem Geweih, an einer Wand:) Der Signifikant führt die Differenz als solche in das Reale ein (6. Dezember 1961, S. {22})
– Wir müssen wissen, ob es eine Beziehung gibt, mit der sich die pflugschar-artige Einführung der Wirkung des Signifikanten in das Reale begründen lässt (13. Dezember 1961, S. {12}.
– Die Wiederholung beruht auf einem Trauma als Buchstabe (13. Dezember 1961, S. {19}).
– Die Wiederholung ist die Suche nach einer Nummer, die für das Subjekt verloren ist (20. Dezember 1961, S. {1 f.}).
– Die Schrift wartet darauf, phonetisiert zu werden (20. Dezember 1961, S. {27}) .
– Der Eigenname steht in einer Beziehung zum Buchstaben (10. Januar 1962, S. {1 f.}).
– (Zu den Kieseln von Maz d’Azil:) Das Vorhandensein dieser Elemente ermöglicht es, etwas zu erfassen, dass sich für die Bindung der Sprache an das Reale aufdrängt (10. Januar 1962, S. {5}).
–.Wir müssen die Verbindung herstellen zwischen dem Funktionieren der Sprache und dem, was im Realen ihre Markierung trägt. Woher kommt die Markierung? (10. Januar 1962, S. {6}).
– Der Ursprungspunkt, an dem sich das Subjekt in die Sprachstruktur einfügt, ist, bildhaft gesprochen, enthalten in der Vorstellung einer ursprünglichen Gleichzeitigkeit von Schrift und Sprache; dass das Sprechen die Schrift nicht erschafft, sondern liest; dass die Entstehung des Signifikanten auf einer bestimmten Ebene des Realen das Wichtigste ist, um das Auftreten der Sinneffekte zu konnotieren (17. Januar 1962, S. {4}).
– Grundlage der symbolischen Logik ist der Buchstabe jenseits der Intuition (24. Januar 1962, S. {9 f.}).Zehn Jahre später, in Lituraterre, wird der Buchstabe als als Litoral bezeichnet werden, als Grenzbereich, nämlich zwischen Wissen und Jouissance. In der im Seminar vorgetragenen Fassung dieses Textes heißt es:
„Zwischen Jouissance und Wissen würde der Buchstabe das Litoral bilden. […] Die Schrift, der Buchstabe, das ist im Realen, und der Signifikant im Symbolischen.“
(J. Lacan: Lituraterre (I). In: Ders.: D’un discours qui ne serait pas du semblant. Le séminaire, livre XVIII, 1971. Texterstellung J.–A. Miller. Seuil, Paris 2007, Sitzung vom 12. Mai 1971, S. 117, 122, meine Übersetzung)
In der von Lacan in Druck gegebenen Version liest man:
“Ist der Buchstabe nicht eigentlich – litoral, d.h. stellt er nicht dar, dass ein ganzer Bereich für den anderen eine Grenze bildet, von daher, dass sie einander fremd sind, bis dahin, dass sie nicht reziprok sind? […] Zwischen Zentrum und Abwesenheit, zwischen Wissen und Jouissance, liegt ein Litoral, das nur dann zum Literalen abbiegt, zum Buchstäblichen, wenn Sie in der Lage sind, jederzeit dieselbe Kurve zu nehmen. Einzig das ermöglicht es Ihnen, sich für einen Agenten zu halten, der es unterstützt.“
(J. Lacan: Lituraterre (II) (1971). In: Ders.: Autres écrits. Seuil, Paris 2001, S. 14, 16, meine Übersetzung von hier)
absolute Differenz: Diesen Ausdruck hatte Lacan bereits früher in diesem Seminar verwendet, in der Sitzung vom 10. Januar 1962, S. {26}.
Alternative Formulierungen waren:
– „reine Differenz“ (29. November 1961, S. {23]; 6. Dezember 1961, S. {25});
– „Differenz als solche“ (6. Dezember 1961, S. {22}); 21. Februar 1962, S. {8});
– „radikale Differenz“ (10. Januar 1962, S. {26}). -
Sie finden das bei der Lektüre von Frege: Vgl. Frege, Die Grundlagen der Arithmetik, § 36:
„Jevons erklärt: ‚Eine Einheit (unit) ist irgendein Gegenstand des Denkens, der von irgendeinem andern Gegenstande unterschieden werden kann, der als Einheit in derselben Aufgabe behandelt wird.‘Hier ist Einheit durch sich selbst erklärt und der Zusatz ‚der von irgendeinem andern Gegenstande unterschieden werden kann‘ enthält keine nähere Bestimmung, weil er selbstverständlich ist. Wir nennen den Gegenstand eben nur darum einen andern, weil wir ihn vom ersten unterscheiden können. Jevons sagt ferner: ‚Wenn ich das Symbol 5 schreibe, meine ich eigentlich
1 + 1 + 1 + 1 + 1
und es ist vollkommen klar, dass jede dieser Einheiten von jeder andern verschieden ist. Wenn erforderlich, kann ich sie so bezeichnen:
1´ + 1´´ + 1´´´ + 1´´´´ + 1´´´´´.‘
Gewiss ist es erforderlich, sie verschieden zu bezeichnen, wenn sie verschieden sind; sonst würde ja die grösste Verwirrung entstehen. Wenn schon die verschiedene Stelle, an der die Eins erschiene, eine Verschiedenheit bedeuten sollte, so müsste das als ausnahmslose Regel hingestellt werden, weil man sonst nie wüsste, ob 1 + 1 2 bedeuten solle oder 1. Dann müsste man die Gleichung 1 = 1 verwerfen und wäre in der Verlegenheit, nie dasselbe Ding zum zweiten Male bezeichnen zu können. Das geht offenbar nicht an. Wenn man aber verschiedenen Dingen verschiedene Zeichen geben will, so ist nicht einzusehen, weshalb man in diesen noch einen gemeinsamen Bestandtheil festhält und nicht lieber statt
1´ + 1´´ + 1´´´ + 1´´´´ + 1´´´´´
schreibt
a + b + c + d + e.
Die Gleichheit ist doch nun einmal verloren gegangen, und die Andeutung einer gewissen Aehnlichkeit nützt nichts. So zerrinnt uns die Eins unter den Händen; wir behalten die Gegenstände mit allen ihren Besonderheiten. Diese Zeichen
1´, 1´´, 1´´´
sind ein sprechender Ausdruck für die Verlegenheit: wir haben die Gleichheit nöthig; deshalb die 1; wir haben die Verschiedenheit nöthig; deshalb die Indices, die nur leider die Gleichheit wieder aufheben.“
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Sexualtrieb: Zur Klärung der Beziehung zwischen der Identifizierung mit dem unären Zug und dem Sexualtrieb wird im Folgenden die Tabelle Kastration – Frustration – Privation aus Seminar 4 aufgegriffen und neu interpretiert.
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Narzissmus der kleinen Differenzen: Vgl. S. Freud: Das Tabu der Virginität (1918), GW 12, S. 168 („Narzißmus der kleinen Unterschiede“); ders.: Das Unbehagen in der Kultur (1930), GW 14, S. 474 („Narzißmus der kleinen Differenzen“). Vgl. hierzu auch: ders.: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921), GW 13, S. 110 f.
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Ichideal: Die Fundierung des Ichideals durch den einzigem Zug übernimmt Lacan von Freud; Freud zufolge beruht das „Ichideal“ auf der Identifizierung mit einem “einzigen Zug“ des verlorenen Objekt (vgl. S. Freud, Massenpsychologie und Ich-Analyse, 1921, GW 13, S. 119–121). Die Beziehung zwischen dem Ichideal und dem einzigen Zug hatte Lacan zuerst in Seminar 8, Die Übertragung, hergestellt, in der Sitzung vom 7. Juni 1961 (Version Miller/Gondek S. 433 f.). Im laufenden Identifizierungs-Seminar hatte er auf den Zusammenhang zwischen einzigem Zug und dem Ichideal bereits zweimal verwiesen: in der Sitzung vom 22. November 1961, S. {21}, und in der vom 10. Januar 1962, S. {29 f.}.
unärer Zug: Nach den bisherigen Ausführungen im Identifizierungs-Seminar hat der unären Zug vier Merkmale:
– Es geht dabei um eine absolute (reine, radikale) Differenz, um die Differenz als solche.
– Diese absolute Differenz entspricht der Einzigkeit (unicité).
– Diese Differenz wird in das Reale eingetragen (vgl. 6. Dezember 1961, S. {22}). Hierauf bezieht sich die Gleichsetzung mit dem Buchstaben, mit der Schrift, mit dem Strich einer Strichliste.
– Der unäre Zug bildet die Grundlage der Identifizierung, auf der das Ichideal beruht.Zur Eintragung ins Reale kann man vielleicht auch die Markierung anführen – in einer früheren Sitzung des Identifizierungs-Seminars hieß es, der unäre Zug könne gelegentlich die Rolle einer Markierung spielen (20. Dezember 1961, S. {24}). Im Aufsatz Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten wird allerdings ein komplexerer Zusammenhang zwischen dem unären Zug und der Markierung hergestellt:
„Nehmen Sie nur einen Signifikanten als Insignie dieser Allmacht (toute-puissance), was bedeutet dieser ganz und gar potentiellen Macht (pouvoir tout en puissance), dieser Geburt der Möglichkeit, und sie haben den einzigen Zug (trait unaire), der, indem er die unsichtbare Markierung überdeckt, die das Subjekt vom Signifikanten erhält, das Subjekt in der primären Identifizierung entfremdet, die durch das Ichideal gebildet wird.“
(J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von H.-D. Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 343, der Aufsatz beruht auf einem Vortrag von 1960, Endfassung vermutlich 1962)
Hiernach überdeckt der unäre Zug die Markierung durch den Signifikanten.
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Die Tabelle zu Kastration, Frustration und Privation hatte Lacan im Verlauf von Seminar 4 entwickelt (Die Objektbeziehungen, 1956/57).
Im Identifizierungs-Seminar hatte er sich bereits früher auf diese Tabelle bezogen, in der Sitzung vom 17. Januar 1962. S. {15 f.}.
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Abbildung aus: J. Lacan: Die Objektbeziehung. Seminar IV (1956–1957). Texterstellung Jacques-Alain Miller, Übersetzung Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2003, Sitzung vom 3. April 1957, S. 317.
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Abbildung aus Roussans Edition des Identifizierungs-Seminars, S. 124.
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ein Objekt, das an seinem Platz fehlt: Das fehlende Objekt ist im Falle der Privation der Penis, insofern er der Mutter fehlt; diesen der Mutter fehlenden Penis bezeichnet Lacan in der Tabelle als „symbolischer Phallus“.
wenn man dem Wort „real“ seine Bedeutung verleiht: Die Privation ist, wie die Tabelle zeigt, ein „realer“ Mangel.
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Im Realen kann nichts fehlen, so erklärt Lacan zuerst in Seminar 4, Die Objektbeziehung, Sitzung vom 28. November 1956, Version Miller/Gondek S. 42 f.
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kosmologische Ideen: Die kosmologischen Ideen sind Ideen der absoluten Totalität: 1. Vollständigkeit der Zusammensetzung des gegebenen Ganzen aller Erscheinungen, 2. Vollständigkeit der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Erscheinung, 3. Vollständigkeit der Entstehung einer Erscheinung, 4. Vollständigkeit der Abhängigkeit des Daseins in der Erscheinung. Vgl. Kritik der reinen Vernunft, B 432–595 (I. Transzendentale Elementarlehre, Zweiter Teil: Die transzendentale Logik, Zweite Abteilung: Die transzendentale Dialektik, Zweites Buch: Von den dialektischen Schlüssen der reinen Vernunft, Zweites Hauptstück: Die Antinomie der reinen Vernunft).
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Vgl. zu diesen vier Sätzen Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 279–287 [I. Transzendentale Elementarlehre, Zweiter Teil: Die transzendentale Logik, Erste Abteilung: Die transzendentale Analytik, Zweites Buch: Die Analytik der Grundsätze, Zweites Hauptstück, Dritter Abschnitt: Systematische Vorstellung aller synthetischen Grundsätze des reinen Verstandes, 4) Die Postulate des empirischen Denkens überhaupt, Widerlegung des Idealismus].
Kant entwickelt hier das dritte Postulat des empirischen Denkens, wonach gilt: das, dessen „Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, (existiert) notwendig“.
Kant erläutert die vier Formeln so:
– in mundo non datur casus: „nichts geschieht durch ein blindes Ohngefähr“;
– non datur fatum: „keine Notwendigkeit in der Natur ist blinde, sondern bedingte, mithin verständliche Notwendigkeit“;
– in mundo non datur saltus: das „Prinzip der Kontinuität verbot in der Reihe der Erscheinungen (Veränderungen) allen Absprung“;
– non datur hiatus: das Prinzip der Kontinuität verbot aber auch „in dem Inbegriff aller empirischen Anschauungen im Raume alle Lücke oder Kluft zwischen zwei Erscheinungen“. (Die Einfügungen in Klammern sind von Kant.) -
Verneinungen: Im Französischen findet man hier dénégations; dies ist die von Jean Hyppolite eingeführte Übersetzung von Freuds Begriff der Verneinung. (Vgl. S. Freud: Die Verneinung (1925), GW 14, S. 9–15; J. Hyppolite: Gesprochener Kommentar über „Die Verneinung“ von Freud. In: J. Lacan: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 627–638)
Kants vier verneinende Sätze sind für Lacan offenbar Verneinungen im Sinne von Freud, Formen der Abwehr. Der Abwehr von was? dessen, dass das Unbewusste strukturiert ist wie eine Sprache. Der Abwehr wodurch? durch den Rückgriff auf die Metaphysik.
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Die Privation wird hier auf dem Weg über die Identifizierung bestimmt. Erster Schritt der Argumentation: Ein Subjekt kann sich selbst mit dem unären Zug markieren oder nicht markieren. Lacan deutet hier eine These an, die er in der nächsten Sitzung ausarbeiten wird: Die Markierung mit dem unären Zug erfolgt vor dem Hintergrund der Nicht-Markierung mit dem unären Zug.
Zweiter Schritt: Aus diesem Grunde kann sich ein Subjekt mit einem fehlenden Objekt identifizieren, mit einem „es gibt nicht“, mit einem ens privativum, mit einem fehlenden Etwas. Die zweite Bestimmung spielt auf diejenige Position an, die Lacan ab Seminar 5 (Die Bildungen des Unbewussten) als „Phallus sein“ bezeichnet, Identifizierung mit dem Penis, insofern er der Mutter fehlt, „dessen die Mutter priviert ist“, wie man auch sagen könnte.
mit dem kleinen Ball von Freuds Enkel: Vgl. S. Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920), GW 13, S. 11–15.
ens privativum: Lacan bezieht sich hier und in den nächsten Sätzen auf die Tabelle des Nichts in Kants Kritik der reinen Vernunft, B 347 f. (vgl. auch B 209, B 267).
Kants Terminus ist allerdings nihil privativum (durch Fehlen charakterisiertes Nichts); die Unterscheidung von nihil (Nichts) und ens (Etwas) ist für seine Unterscheidung der vier Formen des Nichts grundlegend. Lacan hingegen spricht hier und auch in einer späteren Sitzung dieses Seminars vom ens privativum (von dem durch Fehlen charakterisierten Seienden bzw. Etwas). Will er damit sagen, dass der Gegenstand der Privation als „Etwas“ aufgefasst werden sollte, nicht etwa als „Nichts“?
Kants vier Formen des Nichts:
(1) Ens rationis, leerer Begriff ohne Gegenstand (auch „Gedankending“): Etwas, das nur logisch möglich ist (das heißt widerspruchsfrei gedacht werden kann), dem jedoch keine Anschauung entspricht oder entsprechen kann und damit keine objektive Realität. Hierzu gehört der Begriff Ding an sich, er ist logisch möglich, ihm kann jedoch keine Anschauung entsprechen.
(2) Nihil privativum, leerer Gegenstand eines Begriffs: Diese Art des Nichts wird von Kant von der Verneinung her bestimmt, durch welche etwas Bestimmtes in bestimmtem Maße fehlt. Seine Beispiele sind Kälte (als abgestufter Mangel an Wärme) sowie Finsternis (als graduierter Mangel an Licht). (Bei Lacan: ens privativum)
(3) Ens imaginarium, leere Anschauung ohne Gegenstand: Raum und Zeit als Anschauungsformen, insofern sie keine möglichen Gegenstände sind (auch wenn sie Gegenstände ermöglichen).
(4) Nihil negativum, leerer Gegenstand ohne Begriff (auch „Unding“): Ein Gegenstand, der logisch unmöglich ist, wie etwa das bereits erwähnte Vieleck von nur zwei Seiten.
Zu Lacans Rezeption von Kants vier Formen des Nichts vgl. u.a.:
– Guy le Gaufey, „Towards a Critical Reading of the Formulae of Sexuation“; in : The Letter. Irish Journal for Lacanian Psychoanalysis 39 (2008) (nachgedruckt in: In: Ders.: Lacan and the formulae of sexuation. Routledge, London 2020, S. 23–65),
– Tom Dalzell, „Kant’s Nothings and Lacan’s Empty Object“, in: The Letter, 39 (2008),
– Christian Fierens, „The Act of Saying Not all…“, in: The Letter, 39 (2008)
– Christian Fierens: „Response to Tom Dalzell“, in: The Letter, 41 (2009), im Internet hier. -
Der leere Gegenstand ohne Begriff (das nihil negativum) ist für Kant der Gegenstand, der durch eine logische Unmöglichkeit bestimmt wird, das „Unding“, etwa ein Vieleck von nur zwei Seiten.
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Lacan steuert auf die These zu, dass das Reale das logisch Unmögliche ist; in der nächsten Sitzung wird er sie zum ersten Mal vortragen, dort wird es heißen, „dass nur vom ’nicht möglich‘ her das Reale auftritt“ (7. März 1962, S. {13}). Ein Stützpunkt und Abstoßungspunkt für Lacans Konzeption des Realen als des logisch Unmöglichen ist für ihn demnach Kants Begriff des nihil negativum.
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das Subjekt der imaginären Allmacht: Der Agent der Privation ist der idealisierte Vater, er fungiert hier als Bild der imaginären Allmacht und dient damit der Abwehr der Ohnmacht einschließlich der sexuellen Impotenz.
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Inwiefern bildet das ens rationis der Rahmen, in dem das ens privativum erscheint? Kant stellt eine solche Beziehung zwischen diesen beiden Formen des Nichts nicht her, also handelt es sich wohl um eine Anspielung auf einen psychoanalytischen Zusammenhang.
Kants Beispiel für ein ens rationis, für einen leeren Begriff ohne Gegenstand, ist das Ding an sich.
Im Entwurf einer Psychologie hatte Freud von der Aufspaltung des Nebenmenschen in zwei Komponenten gesprochen, in das „Ding“ und in das, was „verstanden“ werden kann:
„Und so sondert sich der Komplex des Nebenmenschen in zwei Bestandteile, von denen der eine durch konstantes Gefüge imponiert, als Ding beisammenbleibt, während der andere durch Erinnerungsarbeit verstanden, d. h. auf eine Nachricht vom eigenen Körper zurückgeführt werden kann.“
(Entwurf einer Psychologie (1895), GW 17, S. 426 f., Hervorhebungen von Freud)
Lacan hatte in Seminar 7, Die Ethik der Psychoanalyse, diese Formulierung aufgegriffen und Freuds Begriff des Dings einerseits in die Nähe von Kants Ding an sich, andererseits zu Melanie Kleins mythischen Körper der Mutter gebracht; von hier aus hatte er die Sublimierung dort so definiert, dass in ihr das Objekt zur Würde des Dings erhoben wird (vgl. Sitzung vom 9. Dezember 1959).
Das ens rationis ist also vielleicht insofern der Rahmen für das ens privativum, als im Zusammenhang der Privation (der Vorstellung vom „fehlenden Penis“ der Mutter) die Mutter als das ursprünglich verlorene Objekt fungiert, als „Ding“.
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den rein formalen Gebrauch der Formel: Kant deutet den Begriff des Möglichen als logische Widerspruchsfreiheit, begreift ihn also formal; er versteht das Mögliche, anders als Aristoteles, nicht ontologisch.
Alles Reale ist möglich: Anspielung auf die Formel „Was wirklich ist, ist auch möglich“. In der aristotelischen Metaphysik ist das Mögliche (dynamis, Potenz) das, was unter bestimmten Bedingungen in das Wirkliche (energeia, entelecheia, Akt) übergeht, woraus sich umgekehrt ergibt, dass das Wirkliche auch möglich ist (vgl. Potentiality and actuality).
ironisieren: Auch hier steht im Hintergrund wohl wieder die These, dass das Reale das Unmögliche ist. Von ihr aus bietet sich die Deutung an, dass Kant sich auf die Formel „Alles Reale ist möglich“ ironisierend bezogen habe, tatsächlich aber das Gegenteil gemeint habe, nämlich dass alles Reale unmöglich sei.
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Nach den bisherigen Bemerkungen wird man vermuten dürfen, dass Lacan das „forcément“ in ironischem Ton vorbrachte.
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dass es Mögliches gibt, das nicht real ist: dass es Möglichkeiten gibt, die nicht verwirklicht wurden. Im heutigen Alltagsjargon sind das „unausgeschöpfte Potenziale“.
Auf welche Form(en) des Nichts in Kants Tabelle bezieht sich Lacans Satz „Es gibt bei Kant Mögliches, das nicht real ist“? In der Erläuterung der Tabelle verwendet Kant einmal den Ausdruck „Realität“, einmal den Ausdruck „Reales“, beides könnte gemeint sein.
Zur ersten und vierten Form des Nichts (also zum ens rationis und zum nihil negativum) erklärt Kant ausdrücklich, dass sie nicht möglich sind (B 348); zum Möglichen gehören also nur die zweite und die dritte Form des Nichts, nur das nihil privativum und das ens imaginarium. Kant übersetzt nihil mit „Nichts“ und ens mit „Etwas“ und erklärt: „Realität ist Etwas, Negation ist Nichts (…)“ (B 347); demnach ist für Kant nur das ens imaginarium eine Möglichkeit, die „Realität“ ist. Damit bleibt nur das nihil privativum übrig als Mögliches, das nicht „Etwas“ ist, das also nicht „Realität“ ist. Also bezieht sich Lacan mit dem Satz, dass es für Kant Mögliches gibt, das nicht real ist, eventuell auf das ens privativum. Dafür spricht vielleicht auch, dass Lacan einige Sätze vorher vom ens privativum gesprochen hatte und einige Sätze später wieder auf das ens privativum zurückkommt.
Die beiden letzten Sätze von Kants Erläuterung der Tafel des Nichts lauten so:
„Wenn das Licht nicht den Sinnen gegeben worden, so kann man sich auch keine Finsternis, und, wenn nicht ausgedehnte Wesen wahrgenommen werden, keinen Raum vorstellen. Die Negation sowohl, als die bloße Form der Anschauung, sind, ohne ein Reales, keine Objekte.“ (B 349)
Erster Satz: „Wenn das Licht nicht den Sinnen gegeben worden, so kann man sich auch keine Finsternis (…) vorstellen“ – dieser Satz bezieht sich auf die zweite Form des Nichts, auf das nihil privativum. „(W)enn nicht ausgedehnte Wesen wahrgenommen werden“, kann man sich „keinen Raum vorstellen“ – hier geht es um die dritte Form des Nichts, um das ens imaginarium, d.h. um die reinen Anschauungsformen ohne Angeschautes.
Zweiter Satz: „Die Negation“ ist, „ohne ein Reales“, kein Objekt – anders gesagt: wenn die Negation (das nihil) kein „Reales“ hat, ist sie kein Objekt, kein Gegenstand; dieser Hinweis bezieht sich wieder auf das nihil privativum, es ist ein „leerer Gegenstand“. Das „Reale“, das beispielsweise im Falle der Kälte fehlt, ist die Wärme. Das Entsprechende gilt für die bloße Form der Anschauung, auch sie ist, ohne ein „Reales“, kein Objekt – hier geht es wieder um das ens imaginarium, es ist „ohne Gegenstand“. Das „Reale“, das hier fehlt, ist die sinnliche Anschauung. Im letzten Satz bezieht sich der Ausdruck „Reales“ demnach auf etwas mit den Sinnen Erfahrenes.
Die zweite und die dritte Form des Nichts sind insofern Mögliches ohne „Reales“ im Sinne von Kant, als ihnen die den Sinnen gegebene Anschauung fehlt.
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der philosophische Missbrauch: Welcher philosophische Missbrauch kann mit der Formel „Nicht alles Mögliche ist real“ getrieben werden? Vielleicht ist unter anderem die Auffassung gemeint, dass es natürliche Zweckbestimmungen gibt, die den Dingen innewohnen und die verfehlt werden können.
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Das könnte heißen: In psychoanalytischer Perspektive ist das Subjekt eine Reihe von unverwirklichten Möglichkeiten. Vielleicht ist aber auch bereits gemeint, dass das Subjekt, sofern es durch die Ordnung der Möglichkeit bestimmt ist, dadurch charakterisiert ist, dass es das Reale als das Unmögliche abwehrt.
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Das konstitutive (–1) des „ens privativum“: Die Privation (die Vorstellung vom fehlenden Penis der Mutter) funktioniert in der Weise, dass dieses fehlende Element beständig gesucht und beständig wird.
die des Nein-Gesagten: für „dit que non“. Dire que non ist der übliche Ausdruck für das Nein-Sagen im Sinne des Ausschließens,des Bestreitens, des Zurückweisens. Beispielsweise kann man die Frage „C’était vous?“ (Waren Sie es?) so beantworten: „Je vous dis que non“ (wörtlich: „Ich sage Ihnen, dass nein“, dem Sinn nach: „Nein, ich war’s nicht“).
Insgesamt könnte gemeint sein: (a) Das (–1) der Privation gehört zum Urverdrängten, d.h. zu dem Teil des Unbewussten, der nicht erinnert werden kann, der also in der freien Assoziation nicht gesagt werden kann. (b) Dieses Urverdrängte ist das, was durch die Identifizierung mit dem unären Zug verdrängt wird.
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Damit kündigt Lacan an, dass er ab der nächsten Sitzung versuchen wird, die Struktur des Subjekts im Sinne der Psychoanalyse auf die Flächen der der mathematischen Topologie zu beziehen: auf den Torus, die Kreuzhaube und die Klein’sche Flasche. Dieses Vorhaben wird ihn zehn Jahre lang intensiv beschäftigen; im Aufsatz L’étourdit (1972) findet es seinen Abschluss.
