Geneviève Morel
Die phallische Funktion
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Es ist reduktionistisch, die Sexuierung nur als eine Klassifikation nach Geschlechtern (sexes) aufzufassen, bei der das Subjekt sich durch ein Merkmal, einen Signifikanten oder ein Attribut mit der einen oder mit der anderen Klasse identifizieren würde. Wie aber soll man Rechenschaft ablegen von dem, was etwas anderes ist als die Identifizierungen, von dem, wodurch das Verhältnis des Subjekts zur Lust (jouissance)1 damit verknüpft ist, dass es sich auf der einen oder auf der anderen Seite einordnet, auf der des Mannes oder auf derjenigen der Frau?
Die phallische Funktion
Für Freud ist die Differenzierung von Mann und Frau ein komplexer Vorgang, der mit der Entwicklung des Sexualtriebs verknüpft ist und relativ verzögert abläuft, da die beiden Geschlechter bis zur phallischen Phase nur eins sind. Das Ergebnis ist jedenfalls niemals rein – die Beobachtung von männlichen und weiblichen Individuen zeigt, „dass für den Menschen weder im psychologischen noch im soziologischen Sinne eine reine Männlichkeit oder Weiblichkeit gefunden wird“2, schreibt Freud 1915 in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Die Differenzierung von Mann und Frau beruht auf der spezifischen zeitlichen Verknüpfung von Ödipuskomplex und Kastrationskomplex. Der Junge verlässt den Ödipuskomplex durch den Kastrationskomplex, das Mädchen verlässt den Kastrationskomplex, indem es in den Ödipuskomplex eintritt, und es strebt danach, darin zu bleiben.
Der Kastrationskomplex dreht sich um den Phallus und um das Penisorgan, dessen Signifikant er ist. Auf der Bahn, die beim Jungen vom Ödipuskomplex zum Kastrationskomplex und beim Mädchen vom Kastrationskomplex zum Ödipuskomplex führt, bleibt deshalb die Anatomie entscheidend. Zunächst diejenige, von der das Kind ausgeht, und dann die des anderen Geschlechts. Bei demjenigen, der einen Penis hat, führt die Wahrnehmung der Abwesenheit des Penis beim Mädchen dazu, dass die vom Erwachsenen ausgehende Kastrationsdrohung ihr Gewicht erhält. Was diejenige angeht, die keinen Penis hat, so wird sie bei dessen Anblick dem Penisneid verfallen.
Wenn man sich, mit Lacan, unter dem Aspekt der Lust (jouissance) und der Sprache auf das Geschlecht (sexe) bezieht und nicht mehr nur im Hinblick auf die Entwicklung, geht die Bedeutung der Anatomie offenkundig zurück – sie macht einen Teil, aber nicht mehr das Ganze des Schicksals aus. Der Fall von Josiane hat uns gezeigt3, wie die Lust vermittels des Signifikanten „schlecht“ in das Subjekt und seine Welt eindrang. Das verweist uns auf die Notwendigkeit, die Lust, vor allem die des Körpers, und insbesondere das, was Freud als „Organbetätigung“4 bezeichnete, einem Signifikanten zu unterwerfen. Das Subjekt muss seine sexuelle Lust deuten. Beim sprechenden Wesen gibt es offenbar die Notwendigkeit, diese Lust zu vereinheitlichen, sie um einen einzigen Signifikanten herum zu verorten. Wenn das nicht gelingt, ist die Lust im Körper aufgesplittert, die Organe „sprechen“. Das ist das, was Freud im Falle der Schizophrenie als „Organsprache“5 bezeichnet. In manchen Fällen von Psychose sieht man, wie das Subjekt sich bemüht, die Lust durch den Signifikanten „die Frau“ zu vereinheitlichen; Lacan hat dieses Vorgehen als „Drang-zur-Frau“ (pousse-à-la-femme)6 bezeichnet.
Der Signifikant, der für die Lokalisierung und Zentralisierung der Lust universell aufgerufen wird, ist der Phallus. Der Phallus ist sicherlich ein Signifikant, der mit dem männlichen Organ verknüpft ist, wobei dieses Organ ausgewählt wurde wegen seiner sichtbaren Erektionsfähigkeit, welche die Hinfälligkeit anderer Körperanhänge heraufbeschwört. Das Abschwellen des Organs evoziert ebenfalls die Hinfälligkeit und steht im Gegensatz zur ewigen Erektion des Signifikanten, wie sie in Kinderzeichnungen dargestellt wird, und die oft durch einen geraden Strich repräsentiert wird, der vom Körper abgetrennt ist.7
Den Phallus haben
Das Verhältnis des Subjekts zum Phallus ist nicht ein Verhältnis zu einem beliebigen Signifikanten. Für Freud kommt der Phallus vermittels der phallischen Phase und des Kastrationskomplexes ins Spiel: Während der phallischen Phase erhebt das Subjekt seine intime Lust zur Dimension eines universellen Signifikanten, des „Wiwimachers“ des kleinen Hans.8 Der Kastrationskomplex interveniert beim Jungen als eine Drohung, die sich auf das Organ richtet sowie auf die Befriedigung, die er daraus gewinnt. Diese masturbatorische Befriedigung war zuvor an ödipale Phantasievorstellungen gebunden. Im Konflikt zwischen dem narzisstischen libidinösen Interesse am Penis und der libidinösen Besetzung der Eltern ist es das Erstere, sagt Freud, was den Sieg davonträgt. Diese Befriedigung ist also an etwas Universales gebunden und zugleich an einen Körperteil. Sie geht außerdem mit einem Verlust einher. Lust, universal, Verlust – das sind die Charakteristika der phallischen Lust.
Für Freud schreibt sich die Problematik der Kastration bei beiden Geschlechtern darin ein, „den Phallus zu haben“. Beim Jungen ist dies die Verlustdrohung, die sich auf das Organ richtet. Für das Mädchen ist das die Hoffnung, ihn eines Tages zu haben (Penisneid oder Peniswunsch), oder der nostalgische Glaube, ihn gehabt, aber verloren zu haben. Die Nostalgie kann in Depression umschlagen oder Quelle einer undefinierbaren Traurigkeit sein. In beiden Fällen sind wir im Register des Habens: In der Vergangenheit „habe ich ihn gehabt und ich habe ihn verloren“, in der Gegenwart „bin ich der Gefahr ausgesetzt, ihn zu verlieren“, in Zukunft „werde ich ihn eines Tages haben?“. Diese Fragen, diese Freud’schen Formulierungen markieren die Entwicklung des Kindes und den Ablauf der Freud’schen Kur. Das Verhältnis dazu, „den Phallus zu haben“, ist auch das, wodurch das Ende der Kur bestimmt ist. Im letzten Teil von Die endliche und die unendliche Analyse begreift Freud das Auflaufen der Kur auf den Felsen des Kastrationskomplexes in Kategorien des Habens. Man hat das Gefühl, sagt er, dass man „Fischpredigten“ hält, wenn man eine Frau davon überzeugen will, ihren Peniswunsch als unrealisierbar aufzugeben, oder einen Mann davon, dass nicht jede passive Position gegenüber einem anderen Mann eine Kastration ist.9
Der Phallus sein
Seit 1958 hat Lacan der Freud’schen Konzeption eine neue Problematik hinzugefügt, die Problematik dessen, „der Phallus zu sein“, womit die gesamte Seinsphilosophie im Freud’schen Kastrationskomplex widerhallt und der Phallus dem griechischen logos angenähert wird.10 Was die Beziehungen zwischen den Geschlechtern angeht, so schlägt er vor, sich an die Funktion des Phallus zu halten – Treue gegenüber Freud –, jedoch so, dass diese Beziehungen sich darum drehen, der Phallus zu sein und ihn zu haben, wobei er auf dessen Funktion als Signifikant insistiert, im Unterschied zum Organ. Die sexuierten Positionen beruhen dann auf Sätzen, die „sein“, „haben“ und „Phallus“ enthalten sowie eine Negation: „der Mann ist nicht ohne ihn zu haben“, „die Frau ist ohne ihn zu haben“11, „man muss darauf verzichten, der Phallus zu sein, um ihn zu haben“, „und dass der Mensch, ob männlich oder weiblich, akzeptieren muss, ihn zu haben und ihn nicht zu haben, ausgehend von der Entdeckung, dass er Phallus nicht ist“12.
Es ist sicher, dass die weibliche Position sich nicht darauf reduziert, zu akzeptieren, das Organ nicht zu haben und Penisneid zu entwickeln. Sie beruht vielmehr auf einer subtilen Position im Verhältnis zum „Phallus sein“, auf einer komplexen Position, in der die Weiblichkeit mit der Hysterie konfrontiert ist, aber auch mit der Psychose.
So meint „der Phallus sein“ in einer ersten Bedeutung die phallische Maskerade, das Erscheinen (paraître), das auch ein „Danebensein“ (parêtre)13 ist, das Komödienspiel zwischen den Geschlechtern. Die Frau würde all ihre Attribute in der Maskerade verwerfen14, würde wegen dem geliebt und begehrt sein wollen, was sie nicht ist. Hinter der Maske zeichnet sich bereits eine Leere ab, die Lacan später so nennen wird: „Die Frau existiert nicht“15.
Aber „der Phallus zu sein“ kann auch mit dem Preis der sexuellen Frigidität bezahlt sein, woran zu sehen ist, dass diese Identifizierung an die Lust angrenzt. Es gäbe eine „imaginäre Identifizierung der Frau (in ihrer Statur als dem Begehren angebotenes Objekt) mit dem phallischen Eichmaß […], welches das Phantasma unterstützt“16. Um von einem Mann geliebt und begehrt zu werden, um sich das Phantasma des Mannes anzueignen, würde eine Frau sich phallisch aufrichten, wodurch sie für jede sexuelle Lust unzugänglich würde. Der Nutzen wäre für sie narzisstisch: um ihren eigenen Liebesanspruch zu erfüllen. Den Phallus mit der Gesamtheit des Körpers zu inkarnieren, mit seiner Statur, wäre das Hindernis für die Lust eines Teiles des Körpers, würde sie unempfindlich machen.
In einer dritten Bedeutung würde „der Phallus sein“ die weibliche Hysterie charakterisieren, durch eine Identifizierung, die stärker unbewusst und weniger imaginär wäre. Es würde sich nicht um die frigide Phallus-Frau handeln, sondern um eine sexuell befriedigte Frau, die nicht aufhört, sich mit dem Mann zu identifizieren, um zu wissen, was er außer ihr, über sie hinaus, begehren könnte. Und jenseits dieser Identifizierung mit dem Mangel im anderen, die von Freud als hysterisch bezeichnet wird17, gäbe es eine letzte Identifizierung mit dem Signifikanten des Begehrens, mit dem Phallus-Signifikanten. Das Beispiel hierfür ist der Traum der „schönen Metzgersfrau“ in der Traumdeutung, den Lacan kommentiert hat.18 Jenseits der männlichen Identifizierung mit ihrem Partner (wie kann mein Ehemann, den ich sexuell erfülle, eine andere begehren, die ihn nicht befriedigen würde?) identifiziert sich das Subjekt mit dem Wesen des Begehrens als einem Absoluten, mit dem Phallus-Signifikanten. Im Traum wird er durch „etwas geräucherten Lachs“ bildlich dargestellt und in den Rang des verschleierten Phallus der antiken Mysterien erhoben, sagt Lacan.
Von der Komik der Inszenierung zwischen den Geschlechtern bis hin zur geheimen Identifizierung mit einem absoluten Signifikanten, auf dem Weg über die Tragik eines die sexuelle Empfindungsfähigkeit abtötenden Narzissmus, zeigt sich hier eine allzu große Polysemie des Ausdrucks „der Phallus sein“.
Das wird dadurch verstärkt, wie der Ausdruck im Falle der Beziehung des Kindes zur Mutter verwendet wird. Welchen Platz kann das Kind im Begehren der Mutter einnehmen, wenn dieses Begehren durch den Kastrationskomplex geprägt ist? Die Mutter ist eine freudianische Frau unter dem Einfluss des Penisneides, also gibt es insgesamt ein Dreieck: das Kind, der Phallus und sie. Die Psychose, in welcher der Phallus verworfen ist, impliziert, dass eine Ersatzantwort erfunden wird, die im Falle von Schreber als „wahnhafte Metapher“19 bezeichnet wird: „dass ihm mangels dessen, der Phallus sein zu können, welcher der Mutter fehlt, die Lösung bleibt, die Frau zu sein, welche den Männern fehlt“20. Der Ausdruck „der Phallus sein“ bezeichnet hier die Position, die das Subjekt im Begehren der Mutter einnimmt, vor dem trennenden Eingreifen des Vaters, das sich nicht immer herstellt.
Das Konzept „der Phallus sein“ ermöglicht es also, eine Reihe von Problemen zu lösen, die Freud offen gelassen hatte, leidet jedoch mit einer allzu großen Vielfalt von Bedeutungen und Bezügen.
Warum Freges „Satz mit Loch“?
Im Jahre 1972, in L’Étourdit, bevor er dort die phallische Funktion und seine Formeln der Sexuierung vorstellt, verortet Lacan die Sexuierung zunächst im Rahmen von 1958, „der Phallus sein oder den Phallus haben“: „Es hat keineswegs etwas Exzessives – im Hinblick auf das, was die Erfahrung uns liefert –, wenn man aus dem Phallus sein oder Phallus haben (vgl. meine Bedeutung in den Schriften) diejenige Funktion macht, die für das sexuelle Verhältnis den hauptsächlichen Ersatz bildet.“21 Warum dann den Phallus als eine Funktion einführen, die formal durch die Aussagefunktion dargestellt wird, statt weiterhin rhetorische Formeln zu verwenden, mit Negationen, die sich darauf beziehen, „der Phallus zu sein oder ihn zu haben“?
Zunächst sicherlich aufgrund der Vielzahl der Werte, die die Wendung „der Phallus sein“ angenommen hatte. Diese Ergänzung der Freud’schen Theorie gestattet es ja nicht, die narzisstischen Identifizierungen des Ichs, die unbewussten Identifizierungen des Subjekts und seine Positionen in Bezug auf die Lust zu differenzieren.
Der positive Wert der phallischen Funktion: Lust an der Kastration
Wenn wir also fragen, warum Lacan sich in den 70er Jahren zur Neubestimmung des Phallus und der Sexuierung auf die Aussagefunktion22 bezogen hat, finden wir drei hauptsächliche Gründe.
Der erste besteht, wie gesagt, darin, dass der Phallus kein Signifikant ist, der mit anderen Signifikanten vergleichbar wäre, und dass „phallisch sein“ nicht einfach als eine weitere Identifizierung angesehen werden kann. Der Phallus ist also kein Attribut, er gehört nicht zur aristotelischen Logik der Klasse, wie sie durch den Satz mit Subjekt, Kopula und Attribut definiert ist. Die Biologie kann mit den raffiniertesten körperlichen und genetischen Attributen auf der Ebene dieser Logik bleiben; die Psychoanalyse jedoch muss, wenn sie das Reale des sexuellen Nicht-Verhältnisses berücksichtigen will, über die Identifizierung durch das Attribut hinausgehen.
Der zweite Grund besteht darin, dass die Spezifik des Phallus mit seinem universalen Verhältnis zur Lust verbunden ist; universal, das heißt von allen anerkannt, von all denen, die zu einer weiten Menge gehören. Um rasch voranzukommen, könnte man sie als diejenigen definieren, die, wie der kleine Hans, zu einem bestimmten Zeitpunkt geglaubt haben, alle hätten ihn, als diejenigen, die diesem normativen Glauben – der „männlichen Norm“ – angehangen haben, die also den sexuellen Diskurs der Gemeinschaft akzeptiert haben. Wenn wir uns den drei Phasen der Sexuierung zuwenden, werden wir darauf zurückkommen.23 Die Relevanz dessen, von einer phallischen Funktion zu sprechen, besteht darin, dass damit eine Funktion der Lust eingeführt wird, die mit dem Kastrationskomplex verbunden ist. Dieser wird für gewöhnlich als eine Negativität angesehen, als eine Begrenzung. Aber zugleich empfindet das Subjekt Lust von seiner Kastration her und mit ihr. Das ist charakteristisch für die Neurose und, Freud zufolge, eben das Hindernis am Ende der Analyse. Es geht also darum, mit dem Phallus sowohl eine positive Lustfunktion zu verbinden als auch die negative Funktion von Gesetz und Verbot, diejenige, die der Freud’sche Kastrationskomplex mit dem Vater verbunden hatte. Die phallische Funktion hat also eine reale Seite, die Lust, und eine symbolische Seite, das Gesetz und das Verbot, ausgehend von der Kastration.
Der dritte Grund bezieht sich auf die Definition des Subjekts in der Psychoanalyse. Das Subjekt ist nicht dasjenige, welches ist, welches hat, welches zu sein oder zu haben glaubt. Wenn man sich für einen Mann oder für eine Frau hält, wenn man sagt „ich bin ein Mann“ oder „ich bin eine Frau“, bleibt das eine Sache des „Ichs“ oder des Gender24 und besagt nicht viel über die Sexuierung. In den Anfängen der Psychoanalyse haben die Hysterikerinnen Freud gelehrt, dass man als Frau auftreten kann und sich gleichzeitig, bis hin zur Vergewaltigungspantomime, mit einem Mann identifizieren kann – wie bei bestimmten hysterischen Anfällen, „in denen die Kranke gleichzeitig beide Rollen der zugrundeliegenden sexuellen Phantasie spielt, also zum Beispiel wie in einem Falle meiner Beobachtung, mit der einen Hand das Gewand an den Leib preßt (als Weib), mit der anderen es abzureißen sucht (als Mann)“25. Das Subjekt ist nicht das Subjekt des Ausgesagten, es ist vielmehr mit dem Äußerungsvorgang verbunden, außerhalb des grammatischen Satzes, es ist in den Löchern des Diskurses zu erfassen, im expletiven ne wie in „Je crains qu’il ne vienne“ (in etwa: „Ich fürchte dass er vielleicht kommt“), Schwanken, Zögern zwischen Furcht, Hoffnung und Begehren. Das Subjekt ist Mangel, Mangel-an-Sein, Mangel-an-Haben, Verbindung beider. Die Lacan’sche Definition des Subjekts – ein Signifikant repräsentiert für einen anderen Signifikanten ein Subjekt – impliziert, dass sich das Subjekt nur erfassen lässt durch einen Signifikanten, der es repräsentiert, mit dem es sich identifiziert, von dem es jedoch immer nur das Verschwinden ist. Das Subjekt wird als durchgestrichener Signifikant geschrieben26, es ist eine Leere, die mit Attributen zugedeckt wird; bereits vor seiner Geburt war es ein „Pol von Attributen“27. Aus diesem Grunde ist das Subjekt nicht an sich sexuiert. Als Subjekt ist es nicht Mann oder Frau, außer durch einen Missbrauch der Sprache.28 Es sexuiert sich nur vermittels des Signifikanten, durch den es sich repräsentieren lässt; nur durch den Signifikanten und die Sprache hat dieses leere Subjekt ein Verhältnis zum Geschlecht. Aber mit welchem Instrument kann man über die Lust dieses Subjekts sprechen?
Lacan hat an den „Satz mit Loch“29 gedacht, also an die Aussagefunktion. Sie wurde 1879 von Frege erfunden, der ihr den Namen „Funktion“ gab30, später wurde sie von Bertrand Russell in „propositional function“ umgetauft, „Satzfunktion“ oder „Aussagefunktion“31. Frege hat eine neue Art erfunden, den Satz zu analysieren, der sich von der aristotelischen Zerlegung in Subjekt und Attribut (oder Prädikat) unterscheidet. Er hat ein neues Paar eingeführt, „Funktion“ und „Argument“, das sich aus dem Satz herleitet, wenn man ihn auf eine bestimmte Weise zerlegt. Im Satz „Wasserstoffgas ist leichter als Kohlensäuregas“ kann man die Bedeutung (und auch den Wahrheitswert) dadurch verändern, dass man „Wasserstoffgas“ durch „Sauerstoffgas“, „Stickstoffgas“ oder ein anderes Gas ersetzt. Man kann also annehmen, dass es in diesem Satz „einen bleibenden Bestandteil“ gibt, „der die Gesamtheit der Beziehungen darstellt“, und das wäre dann die Funktion, die man als einen Satz mit Loch schreiben kann, „__ ist leichter als Kohlensäuregas“.30 Dieser Satz enthält nur ein einziges Loch, er könnte aber auch zwei haben, „__ ist leichter als __“.32 Der Bestandteil, der an einer Leerstelle eingesetzt werden kann, nennt sich Argument oder auch Variable. Der Satz wird dann folgendermaßen geschrieben: Φ(A), worin Φ die Funktion ist und A das Argument, oder auch so: Φ(A, B), wenn es zwei Argumente gibt, A und B, usw. Es ist klar, dass ein und derselbe Ausgangssatz in mehrere unterschiedliche Funktionen verwandelt werden kann, je nachdem, an welcher Stelle man die Löcher einfügt. Auf diese Weise löst die Logik sich von der Grammatik.
Die Aussagefunktion – ein Satz mit Löchern, der einen Wahrheitswert (wahr oder falsch) annehmen soll – ist geeignet, den Platz eines leeren Subjekts zu verorten, im Verhältnis zum Phallus, der die Positivität einer Lust und die Negativität der Freud’schen Kastration in sich verdichtet. Lacan bedient sich dieser Funktion in dem Moment, in welchem er in der Logik nach Werkzeugen für eine Schreibweise sucht, die es gestattet, sich auf das Reale als Unmögliches zu beziehen, um das Reale von „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ mit Hilfe einer Funktion zu schreiben, der phallischen Funktion, in der die Lust sich mit der Sprache verknotet. In Freges Begriffsschrift33 vollzog die Logik der Aussagefunktion einen Bruch mit der aristotelischen Klassenlogik, die von der Grammatik und den natürlichen Sprachen abhängt. Wie man gesehen hat, wurde der Satz nicht mehr mit den Kategorien des Subjekts und des Prädikats bzw. Attributs analysiert, sondern mit dem neuen Paar von Funktion und Argument. Frege bemühte sich, eine formale Sprache zu schaffen, die geeignet wäre, die Argumentationen der Arithmetik zu formalisieren und zu beschreiben, d.h. das Reale der Zahl zu konstruieren. Wir können versuchen, eine Parallele zum Vorgehen von Lacan zu ziehen, das darin besteht, das Reale von „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ durch eine Logik zu erfassen, die nicht die des Attributs und der Identifizierungen wäre, sondern eine Logik, die direkt das Verhältnis des Subjekts zur phallischen Lust aufschreibt. Aus dem Phallus eine Aussagefunktion zu machen, ist auch deswegen von Interesse, weil es dadurch möglich wird, sich von der Quantorenlogik inspirieren zu lassen, die Frege zur selben Zeit wie die Funktion erfunden hat. Lacan hat eine Formalisierung ausgearbeitet, der er die Form einer neuen „Quantifizierung“ gegeben hat und die sich von Freges unterscheidet, indem er für beide dieselbe Funktion der Lust verwandte, die phallische Funktion. Diese Lacan’sche Quantifizierung umfasst vier Quantoren, nämlich Alle (), Existenz (), Nicht-Existenz () und Nicht-Alle (). In Verbindung mit der phallischen Funktion () und deren Negation ( ) erhält man vier Formeln der Sexuierung34, zwei für die Mannseite (links) und zwei für die Frauseite (rechts):
Der Phallus als Aussagefunktion
Lacan entlehnt die Formulierung seiner phallischen Funktion also Frege. Er schreibt die phallische Lust wie einen Aussagesatz, Φ(x), mit einem einzigen Argument bzw. mit einer einzigen Variablen, x; der Satz wird so gelesen: „x schreibt sich in die phallische Funktion ein“. Das Subjekt manifestiert sich im Satz als Loch, als Leere, und als solches kann es nicht Argument der Funktion Φ(_) sein. Die Variable x repräsentiert das Subjekt in seinem Verhältnis zum Geschlecht. Das ist ein Signifikant, durch dessen Vermittlung sich das Subjekt in die Funktion als ihr Argument einschreibt. Davon kann es mehrere geben, ihre Anzahl ist jedoch beschränkt. Für das Subjekt sind es Signifikanten der Lust, die es repräsentieren, wie „gut“ oder „schlecht“ im Fall von Josiane. Aber weder „gut“ noch „schlecht“ haben es ihr ermöglicht, sich in die phallische Funktion einzuschreiben, die für sie verworfen ist. Für Josiane ist Φ(x) stets „falsch“, welches auch immer der Signifikant sein mag, den man in x einschreibt. Man sollte lieber sagen, dass sie sich nicht in die phallische Funktion einschreibt oder dass sie ihre Lust nicht in die phallische Funktion einschreibt, das sind äquivalente Arten, dasselbe zu sagen. Für Dora hingegen bezeichnet der mehrdeutige Signifikant „unvermögend“ – das Wort ihres Symptoms – die Identifizierung mit ihrem Vater, insofern er kastriert ist.35 Dieser Signifikant gestattet ihr also, ihre Lust in die phallische Funktion einzuschreiben. Man wird demnach schreiben können „unvermögend ist ein Signifikant, der Dora repräsentiert“. Dieser Signifikant der Lust wird ihr von ihrem Unbewussten geliefert, so wie „schlecht“ durch das Unbewusste von Josiane geliefert wird. Demnach gilt, „unvermögend schreibt sich in die phallische Funktion ein“, und also ist „Φ(unvermögend)“ für Dora „wahr“.36 Im Falle von Dora sieht man, dass die phallische Funktion mit dem Konversionssymptom verknüpft ist. Dieses, eine Aphonie, wird durch das Wort „unvermögend“ aufgehoben, mit dem das Symptom gedeutet wird. Das Symptom und die phallische Funktion sind durch Vermittlung dieses Signifikanten miteinander verknüpft. In der Neurose ist das immer wahr. Das Symptom bewahrt die Markierung der Kastration, was aufgrund der Verdrängung oftmals verkannt werden kann. Das ist, wenn man Freud in der Frage der Symptombildung folgt, keineswegs überraschend. Das Symptom entsteht ja durch die Verdrängung, die durch die Kastrationsdrohung hervorgerufen wird; diese Verdrängung nötigt den Trieb, sich eine Ersatzbefriedigung zu suchen, das Symptom. Die Kastration prägt sich also dem Inhalt des Symptoms ein, jedoch auf kaschierte Weise – vom Pferd gebissen zu werden, Inhalt des Symptoms des kleinen Hans, ist der deformierte Ersatz dafür, vom Vater kastriert zu werden.37 Der Unterschied zwischen den Fällen von Josiane und von Dora weist uns darauf hin, dass sich hier für das Subjekt eine Wahl eröffnet, eine Alternative, nämlich die, sich mit den Signifikanten seines Genießens in diese Funktion einzuschreiben oder nicht einzuschreiben. Diese Alternative deckt den strukturellen Unterschied zwischen Neurose und Psychose ab.38
Wenn wir wieder die Fregesche Definition der Funktion aufgreifen, „ein bleibender Bestandteil, der die Gesamtheit der Beziehungen darstellt“ – welchen Sinn könnte das für die phallische Funktion haben? Unter der Konstanz dieser Funktion kann zunächst ihre Universalität verstanden werden. Es ist dieselbe Funktion für alle, unabhängig vom Subjekt. Das Subjekt schreibt sich hier aufgrund des Begehrens der Mutter ein. Die Mutter begehrt den Phallus und das Subjekt wird dazu gebracht, sich in funktionaler Abhängigkeit von diesem Begehren zu verorten. Die Universalität des Phallus wird vom Subjekt in Gestalt eines „alle sind phallisch“ angenommen, was die erste Freud’sche infantile Sexualtheorie ist.39
In einem zweiten Sinn hat die Konstanz der phallischen Funktion für ein gegebenes Subjekt zeitlichen, diachronen Charakter: Die Einschreibung oder Nicht-Einschreibung ist eine Wahl des Subjekts, die ein für allemal vollzogen wird, es kann nicht wieder darauf zurückkommen. Das ist die strukturalistische Hypothese von Lacan, die ihn dazu bringt, die Zurückweisung der Einschreibung in die phallische Funktion durch das Subjekt als forclusion zu bezeichnen, als „Verwerfung“, was der Wahl der Psychose entspricht.40 Diese strukturalistische Hypothese ist auch eine bestimmte Lesweise dessen, dass der Kastrationskomplex für Freud eine zentrale Bedeutung hat. Wenn Freud über den Jungen sagt – wir haben oben darauf hingewiesen –, dass im Konflikt zwischen dem narzisstischen Interesse am Penis und der libidinösen Besetzung der Eltern das narzisstische Interesse am Penis den Sieg davonträgt, dann impliziert dies, dass dem Organ ein für allemal eine Libidoreserve vorbehalten bleibt41, und dies korreliert mit einem Verlust, mit der Zurückweisung einer anderen Lust, die man als inzestuös bezeichnen könnte. Angesichts der Wahl zwischen dem Penis und der Mutter ist es normal, den Penis zu wählen. Die Konstanz besteht in dieser definitiven Wahl, die den doppelten Wert der phallischen Funktion in sich schließt. Sie hat also zunächst einen positiven Wert, den der phallischen Lust, der Ausübung einer Macht.
Negativer Wert der phallischen Funktion: Kastration und Verzicht
Der negative Wert ergibt sich auf der anderen Seite der Kastration – als Kastration oder Privation der Lust, eine reale Operation42, die weit hinausgeht über ihre imaginäre Verbildlichung durch Drohung oder Neid in der Erinnerung des Subjekts. Dieser negative Wert ist zunächst der Tatsache geschuldet, dass die Wahl, nämlich die Einschreibung in die phallische Funktion, äquivalent ist mit der unbewussten Anerkennung von „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ (wie wir in Kapitel I dieses Buches gesehen haben). Der Phallus ist so das einzige Signifikat der Lust in der Sprache.43 Das besagt, dass dann, wenn es um Lust geht, unbewusst seine Bedeutung evoziert wird. Nun, das, was hier grundlegend auftaucht, ist ein „Das ist es nicht“44, wodurch die erreichte phallische enttäuschende Lust von der erwarteten Lust unterschieden wird, die diejenige des sexuellen Verhältnisses wäre, nach der das exilierte sprechende Wesen so etwas wie eine Sehnsucht bewahrt, nach der es ein unbestimmtes Bestreben hat, von der es gewissermaßen einen Appell erhält, der von anderswoher kommt. Vielleicht ist dies die Spur des Verzichts auf den Inzest mit der Mutter. Anders gesagt, die Wahl der phallischen Funktion impliziert, dass die Lust nur phallisch signifiziert wird. Das ist ein Verzicht. Es wird keine andere Bedeutung geben als eine phallische. Das bedeutet nicht, dass das Subjekt keine anderen Lüste verspürt; in dem Moment jedoch, in dem es sie sagen will, sie signifizieren will, sie durch die Sprache hindurchgehen lassen will, bleibt nicht mehr als die phallische Bedeutung, die reduzierenden Charakter hat. Alles, was über die Lust gesagt werden kann, geht durch den phallischen Filter hindurch, der es durch das Verhältnis zu einem anderen Genießen negativiert, das nicht existiert, zu dem des sexuellen Verhältnisses.
Über den negativen Wert der phallischen Funktion kann man auch sagen, dass sie der Funktion selbst innewohnt. Die phallische Funktion, Φ(_), ist identisch mit der Kastrationsfunktion. Der Ausdruck Φ(_) kann also auch gelesen werden als „x ist phallisch“, „x ist kastriert“, da „kastriert sein“ nicht das Gegenteil von „phallisch sein“ ist. Phallus und Kastration sind eng miteinander verbunden. Aber der Phallus ist nicht das Organ. Sich in die phallische Funktion einzuschreiben impliziert eine Verknotung zwischen Lust und Kastration, die im Symptom des Subjekts lesbar ist, entzifferbar ist, wie man am Beispiel von Dora sehen kann, aber ebenso bei jeder anderen Neurose. Der Neurotiker empfindet Lust ausgehend von seiner Kastration, mit seiner Kastration und von seiner Kastration. Darauf beruht die Neurose, gestützt auf den Vater, dem die Kastration als Agent zugewiesen ist. Wie empfindet ein Subjekt von seiner Kastration her Lust? Lässt sich diese Lust modifizieren? Darum geht es in einer Analyse, die impliziert, vom Symptom des Subjekts auszugehen.
Quelle: Geneviève Morel: „La fonction phallique“. In: Dies.: Ambiguïtés sexuelles. Sexuation et psychose. Anthropos, Economica Paris 2000, S. 111–124. Alle Rechte bei Geneviève Morel und dem Anthropos-Verlag.
Übersetzt von Rolf Nemitz.
Veröffentlichung auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Über Geneviève Morel
Geneviève Morel ist Psychoanalytikerin in Paris und Lille und Mitgründerin von ALEPH (Association pour l’étude de la psychanalyse et de son histoire).
Zu ihren Veröffentlichungen gehören: Ambiguïtés sexuelles. Sexuation et psychose, Economica, Paris 2000; Das Gesetz der Mutter. Versuch über das sexuelle Sinthom (2008). Übersetzt von Anna-Lisa Dieter. Turia und Kant, Wien 2017; Clinique du suicide (als Herausgeberin), Eres, Toulouse 2010; Pantallas y suenos. Ensayos psicoanaliticos sobre la imagen en movimiento, ediciones S&P, Barcelona 2011.
Kontakt: genevieve.morel.gm [at] gmail.com
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Anmerkungen
- Anmerkung des Übersetzers: „Lust“ steht im Folgenden für jouissance, „Lust empfinden“ für jouir, „Geschlecht“ für sexe.– Zum Problem der Übersetzung von jouissance vgl. diesen Blogartikel.
- S. Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 37–145.
- Vgl. in diesem Buch, S. 106–111 (nicht in dieser Übersetzung).
- S. Freud: Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds (1925). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 253–266, hier: S. 259.
- S. Freud: Das Unbewusste (1915). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 119–174, hier: S. 157.
- L’Étourdit. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 449–495, hier: S. 466.
- Vgl. die Giraffenzeichnung in Freuds Analyse des kleinen Hans; S. Freud: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 8. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 9–122, hier: S. 19.
- Vgl. S. Freud: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben, a.a.O.
- Vgl. S. Freud: Die endliche und die unendliche Analyse (1937). In: Ders.: Studienausgabe, Ergänzungsband: Schriften zur Behandlungstechnik. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 351–392, hier: Teil VIII, S. 392.
- J. Lacan: Die Bedeutung des Phallus. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 192–204, hier: S. 202 f.
- J. Lacan: Le Séminaire, Livre VI. Le désir et son interprétation (1958/59). Hg. v. Jacques-Alain Miller. La Martinière, Paris 2013, S. 258.
- J. Lacan: Die Lenkung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text, a.a.O., S. 72–145, hier: S. 141.
- J. Lacan: L’Étourdit, A.a.O., S. 488 f., 491. Wir haben das am Ende von Kapitel I, S. 37 f., kommentiert. Es handelt sich um das Erscheinen (paraître), das sich zum Sein (être) machen will.
- Vgl. oben, Kapitel I, S. 36.
- Vgl. J. Lacan: Préface à „L’Éveil du printemps“ (1974), in: Ders.: Autres écrits. a.a.O., S. 561–563: „Die Maske würde nur am Ort der Leere ex-sistieren, an den ich Die Frau stelle.“ (S. 563)
- J. Lacan: Richtungweisende Themenvorschläge für einen Kongress über weibliche Sexualität. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text, a.a.O., S. 239–253, hier: S. 249, Einfügung in runden Klammern von Lacan.
- Vgl. S. Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 61–134, hier: S. 100.
- Vgl. S. Freud: Die Traumdeutung (1900). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 2. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2001, Kapitel IV, „Die Traumentstellung“, S. 162–166.– J. Lacan: Die Lenkung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht, a.a.O., S. 122; und J.-A. Miller: Trio de Mélo. In: La cause freudienne, Nr. 31, 1995, S. 9–19.
- J. Lacan: Über eine Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psychose vorausgeht (1958). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text, a.a.O., S. 9–71, hier: S. 64.
- Über eine Frage, a.a.O., S. 50 f.– Eine Metapher ist für Lacan die Ersetzung eines Signifikanten durch einen anderen Signifikanten.
- J. Lacan: L’Étourdit, a.a.O., S. 458; vgl. die Übersetzung von Max Kleiner in diesem Blog hier.– Mit Bedeutung ist der Aufsatz Die Bedeutung des Phallus gemeint.
- Vgl. Gottlob Frege: Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens. Nebert, Halle 1879, Kap. 1, § 9 und 10, „Die Funktion“, sowie Bertrand Russell: Einführung in die mathematische Philosophie (1919). Meiner, Hamburg 2006.
- Vgl. in diesem Buch S. 141 ff. (nicht Teil dieser Übersetzung).
- Vgl. in diesem Buch das Kapitel „Critique du genre“ (Kritik des Gender), S. 70–73 (nicht Teil dieser Übersetzung).
- S. Freud: Hysterische Phantasien und ihre Beziehung zur Bisexualität (1908). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 187–195, hier: S. 194 f., Einfügung in Klammern von Freud.
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- J. Lacan: Anmerkung zum Bericht von Daniel Lagache, „Psychoanalyse und Struktur der Persönlichkeit“. In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text, a.a.O., S. 146–191, hier: S. 153.
- Ein Missbrauch, den wir beständig begehen!
- Bildhafter Ausdruck, um die „Funktion“ von Frege oder die „Aussagefunktion“ von Russell zu bezeichnen, von J.-A. Miller verwendet, um die Theorie des Subjekts als Variable darzustellen, in seinem Seminar „Vom Symptom zum Phantasma und zurück“ (1982/83, unveröffentlicht), Sitzung vom 8. Dezember 1982, wo er sich auf eine Darstellung der Aussagefunktion durch den Logiker Jean van Heijnenoort bezieht.
- Frege, a.a.O., S. 15.
- Vgl. Russell, a.a.O, S. 174 ff.– Inzwischen sprechen die Logiker vom „Prädikatenkalkül“.
- Vgl. oben den Fall Maria, S. 132 (nicht in dieser Übersetzung), der mit einem Satz geschrieben wird, der drei Löcher enthält (nicht in der Übersetzung enthalten).
- A.a.O., S. 15 ff.
- Vgl. J. Lacan: L’Étourdit, a.a.O., S. 458, und Seminar 20 von 1972/73, Encore. Textherstellung J.-A. Miller, Übersetzung Norbert Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger. Quadriga, Weinheim 1986, S. 85.
- Vgl. S. Freud: Bruchstück einer Hysterie-Analyse (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 83–186, hier: S. 122.
- In der Praxis ist man nicht so formalistisch, aber es scheint uns nützlich zu sein, durch Beispiele zu präzisieren, was Φ(x) bedeutet. Zu Dora vgl. oben S. 105 (nicht Teil dieser Übersetzung).
- Vgl. S. Freud: Hemmung, Symptom und Angst (1926). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 6. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 227–310, hier: S. 252.– Vgl. auch oben Kapitel I, S. 31 f., und Kapitel III, S. 82 (nicht Teil dieser Übersetzung).
- Bei dieser Aufteilung ist die Perversion auf dieselbe Seite zu setzen wie die Neurose, derjenigen der Einschreibung in die phallische Funktion, jedoch mit anderen Modalitäten.
- Vgl. S. Freud: Über infantile Sexualtheorien (1908). In: Ders.: Studienausgabe, B. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 169–184.
- Forclusion ist Lacans Übersetzung des Freud’schen Ausdrucks „Verwerfung“, der eine Zurückweisung bezeichnet, die radikaler ist als die Verdrängung. Sie ist irreversibel. Die Verwerfung der phallischen Funktion korreliert mit der Verwerfung oder Zurückweisung des Namens-des-Vaters, wodurch die Psychose im Lacan’schen Sinne des Ausdrucks gekennzeichnet ist. Denn die phallische Bedeutung ist die Bedeutung, die im Unbewussten des Neurotikers durch den Namen-des-Vaters hergestellt wird, als Folge der „Vatermetapher“, die eine Umschreibung des Ödipuskomplexes durch Lacan im Jahre 1958 ist. Die Vatermetapher besteht darin, dass das Begehren-der-Mutter durch den Namen-des-Vaters ersetzt wird. Das Begehren der Mutter ist durch die Launen der Mutter charakterisiert, die ihre Liebe und die sie symbolisierenden Objekte willkürlich gibt und zurückzieht. Die Ersetzung des Begehrens-der-Mutter durch den Namen-des-Vaters hindert das Kind daran, das passive Objekt dieser Launen zu sein. Das Inzestverbot und die Existenz des väterlichen Gesetzes ersetzen die mütterliche Willkür. Der Name-des-Vaters und die phallische Bedeutung beherrschen das Unbewusste des Neurotikers.
Für den Terminus forclusion bezieht Lacan sich, außer auf den rechtlichen Sinn des Ausdrucks (Präklusion, Rechtsausschluss), auf die Grammatiker Jacques Damourette und Édouard Pichon: Des mots à la pensée. Éditions D’Artrey, Paris 1911–1940, Band 6, Kapitel „La forclusion“, S. 172: „diese verwerfenden Strumente (struments forclusifs) (pas, plus, point, jamais usw.) haben die Funktion, das, was sie ausdrücken, aus dem Felde dessen zu vertreiben, was als real oder realisierbar angesehen wird“. Vgl. S. Aparicio: La forclusion, préhistoire d’un concept. In: Ornicar? Nr. 28, 1984, Navarin, Paris, S. 83, sowie oben, Kapitel II, S. 42. - Vgl. J. Lacan: Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten (1960). In: Ders.: Schriften. Band II. Vollständiger Text, a.a.O., 325–368, hier: S. 361; er spricht dort von diesem Körperteil als von dem, „was das Innerste der Autoerotik in sich zusammenzieht“.
- Vgl. J. Lacan: Le Séminaire, Livre XVII, L’envers de la psychanalyse (1969/70). Hg. v. Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 1991, S. 149.
Wir haben hier nicht im Einzelnen die Vorgänger des Phallus in der Lehre von Lacan kommentiert, bevor er in den 70er Jahren daraus die phallische Funktion macht. J.-A. Miller hat diesen Weg untersucht und rekonstituiert, in seinem unveröffentlichten Seminar L’orientation lacanienne an der Abteilung für Psychoanalyse der Universität Paris VIII, an dem wir teilgenommen haben. Was man hier festhalten kann, ist das, was es tatsächlich an Neuem gibt. Der „alte“ symbolische Phallus, den man beispielsweise in den 60er Jahren in Subversion des Subjekts und Dialektik des Begehrens im Freud’schen Unbewussten findet (a.a.O., S. 361–363), wird hier implizit beibehalten. Dieser symbolische Phallus, der mit Φ symbolisiert wird und als „Signifikant der Lust“ charakterisiert wird, war das Symbol der Opferung der Lust im Moment des Kastrationskomplexes, wovon wir hier bereits gesprochen haben (Opferung des Inzests und der Autoerotik). Zugleich war er, am universalen Ursprung des Begehrens, die Stütze für einen Punkt des Mangels im Subjekt, Mangel-an-Sein, Mangel-an-Haben. Er stellt also die Verbindung dar zwischen verbotener Lust, oder Opferung der Lust durch das Subjekt, und Begehren als dem daraus hervorgehenden Mangel.
Aber wenn er auch einen positiven Wert als Symbol hatte, blieb er doch im symbolischen Register und repräsentierte nicht die effektive und reale Wirksamkeit einer mit dem Symptom verknüpften Lust, wie es die phallische Funktion der 70er Jahre tut. So ist die Bedeutung der Sexuierungsformel ∀xΦ(x), auf der Mannseite, die folgende: „Die gesamte sexuelle Lust eines Mannes schreibt sich in die phallische Funktion ein“, und sie kann beispielsweise den symptomatischen Wert eines Hindernisses für die Beziehung zu einer Frau annehmen.
Der symbolische Phallus kann durch den absoluten Wert exemplifiziert werden, den das Subjekt in bestimmten Akten dem Begehren verleiht, wie im Akt der jungen Homosexuellen von Freud, die sich vor ihrem Vater von einer Brücke stürzt, um ihm zu zeigen, worin für eine Frau das wahre Begehren besteht, nämlich in etwas, das zur Ordnung der höfischen Liebe zur Dame gehört (vgl. S. Freud: Über die Psychogenese eines Falles von weiblicher Homosexualität (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 7. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 255–281; vgl. J. Lacan: Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung (1956/57). Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2003, S. 125 f.).
Was den imaginären Phallus betrifft, so haben wir darüber bereits gesprochen, er ist die bildhafte Darstellung des Phallus, er ist also vom Signifikanten markiert, ganz anders als die Darstellung des Organs, das durch das Abschwellen charakterisiert ist. Als ein Bild, das auf ewig erigiert ist und das vom Körper abgetrennt ist, wie man es als Graffiti sieht, wird es nur durch die Sprache und die differentielle Struktur des Signifikanten ermöglicht. Dieses Bild fungiert auch als Signifikant des Begehrens; im Unbewussten des Jungen ist es häufig in den Gestalten des Phallus-Girls präsent. - Vgl. J. Lacan: Le séminaire, Livre XIX, … ou pire (1971/72). Textherstellung vom Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2011, Sitzung vom 8. Dezember 1971.
- Vgl. J. Lacan, Encore, a.a.O., S. 121.