Jacques Lacan
Das optische Modell
Auszug aus dem Lagache-Aufsatz
Übersetzung
René Magritte, Le faux miroir (Der falsche Spiegel), 1928
Öl auf Leinwand, 54 x 80,9 cm
Museum of Modern Art, New York
Lacan unterscheidet die Identifizierung mit dem imaginären anderen von der mit dem symbolischen Anderen. Das Ergebnis der Identifizierung mit dem imaginären anderen ist das Ideal-Ich (moi idéal), das Symbol hierfür ist i(a). Das Resultat der Identifizierung mit dem symbolischen Anderen ist das Ichideal (idéal du moi), es wird mit I(A) symbolisiert. Lacan erläutert das Verhältnis zwischen diesen beiden Formen der Identifizierung mit einem optischen Modell, der „Illusion vom umgedrehten Blumenstrauß“. Die umfassendste Darstellung dieses Modells bietet sein Aufsatz Remarque sur le rapport de Daniel Lagache: „Psychanalyse et structure de la personnalité“ (Écrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 647-684). Eine deutsche Übersetzung dieses Textes ist bislang nicht erschienen.
NACHTRAG vom 11. Januar 2017: Ein vollständige Übersetzung des Aufsatzes gibt es inzwischen in: J. Lacan: Schriften. Band II. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2015, S. 146–191, der Titel ist Anmerkung zum Bericht von Daniel Lagache „Psychoanalyse und Struktur der Persönlichkeit“.
Im Folgenden findet man eine von mir und Gerhard Herrgott angefertigte Übersetzung desjenigen Teils dieses Aufsatzes, in dem das optische Modell entwickelt wird: Teil III: Des idéaux de la personne (Écrits, S. 667-683), anschließend eine Übersetzung der Beschreibung des Modells durch Jacques-Alain Miller, die im Anhang der Écrits abgedruckt wurde: Le modèle optique des idéaux de la personne (Écrits, S. 904 f.).1 Der senkrechte Strich mit nachfolgender Zahl in Klammern, z..B. | (668), verweist auf die Seiten in den Écrits.
Der Aufsatz ist ein Kommentar zu Daniel Lagaches Vortrag La psychanalyse et la structure de la personnalité, den dieser 1958 auf dem Kolloquium von Royaumont gehalten hatte; Lacan hatte auf demselben Kolloquium darauf geantwortet und seinen Text zuletzt 1961 überarbeitet; Lagaches Arbeit und Lacans Replik erschienen 1963 im 6. Jahrgang der Zeitschrift La Psychanalyse.2 RN
Jacques Lacan: Ideale der Person (Übersetzung)
Das Ich (Moi), das ist dieses Auge, möchten wir sagen, um nicht länger um den heißen Brei herum zu reden, im Gegensatz zu den Verwirrungen, die Daniel Lagache in seinem Text auf bewundernswerte Weise auflöst, bezogen auf die Autonomie des Ichs, die er als intrasystemisch bezeichnet, und die sich | (668) nie deutlicher manifestiert als dann, wenn sie dem Gesetz eines anderen dient, insofern sie ihm nämlich genau dann unterworfen ist, wenn sie es abwehrt, ausgehend von seiner Verkennung.3
Das ist das Labyrinth, in dem ich den unseren seit jeher durch einen Übersichtsplan zu helfen versuche.
Sagen wir, dass ich dem, dank der Anregungen von Daniel Lagache, hier etwas hinzugefügt haben werde.
Denn die [von Lacan in diesem Text zuvor entwickelte, RN/GH] Unterscheidung zwischen dem Platz, der für das Subjekt freigeräumt worden ist, ohne dass es ihn besetzt, und dem Ich, das dann dort wohnen wird, führt zur Auflösung der meisten Aporien, die Daniel Lagache im Einzelnen dargelegt hat, und sogar zur Erklärung bestimmter Mehrdeutigkeiten: beispielsweise der der Fremdartigkeit, die Daniel Lagache dem Unbewussten zuschreibt und von der er gleichwohl weiß, dass sie sich nur dann einstellt, wenn das Subjekt dem narzisstischen Bild begegnet; im Lichte dessen, was ich soeben eingebracht habe, möchte ich hinzufügen: Sie entsteht dann, wenn das Subjekt diesem Bild unter Bedingungen begegnet, durch die für es sichtbar wird, dass dieses Bild seinen Platz usurpiert.
Am Ursprung der wahrhaften Widerstände, mit denen man es zu tun hat bei dem Gewirr, das in der Psychoanalyse an Theoretischem über das Ich in Blüte steht, liegt die schlichte Weigerung, zuzugeben, dass das Ich hier zu Recht das ist, als was es sich auch in der Erfahrung erweist: eine Funktion des Verkennens.
Dieser Widerstand stützt sich auf die Tatsache, dass es durchaus notwendig ist, dass wir von der Realität, um in ihr zu überleben, etwas erkennen, und dass es offenkundig praktisch ist, dass die im Ich, vor allem im Vorbewussten, akkumulierte Erfahrung uns die Bezugspunkte liefert, die sich hierbei als die sichersten erweisen. Man vergisst dabei allerdings – und muss man sich nicht darüber wundern, dass es Psychoanalytiker sind, die das vergessen? –, dass dieses Argument dann versagt, wenn es um – die Wirkungen des Unbewussten geht. Das Reich dieser Wirkungen umfasst nämlich auch noch das Ich: und um eben dies ausdrücklich zu behaupten, hat Freud seine Theorie über die Beziehungen des Ichs zum Es eingeführt: um also das Feld unserer Unwissenheit zu erweitern, nicht das unseres Wissens; und die Neubewertung des Vermögens des Ichs, wir er sie danach vorgenommen hat, antwortet auf eine ganz andere Frage.
Weil und insofern das Ich an dem Platz, der für das Subjekt leer gelassen wurde, seinen Dienst leisten wird, genau deshalb kann es hier nur jene distorsion beisteuern – um die für jeden Trieb grundlegende Entstellung4 ins Englische zu übersetzen –, die jetzt in unserem Vokabular zur Stütze eines anderen Irrtums geworden ist, nämlich dem, zu glauben, das Problem der Psychoanalyse bestehe darin, irgendeine Verkrümmung des Ichs geradezubiegen. | (669) Nun hängen aber die Verformungen, die uns blockieren, nicht von der mehr oder weniger großen Stärke der Linse ab. Man benötigt ja immer eine, da ja bereits das nackte Auge damit ausgestattet ist. Weil es so ist, dass die Linse den Platz einnimmt, von dem aus das Subjekt schauen könnte, und weil sie sich auf dem Objektträger niederlässt, der tatsächlich dann richtig eingestellt ist, wenn das Subjekt von anderswo her schaut, deshalb überlagert es sich, zum Leidwesen des Ganzen, dem, was in die Lage geraten kann, hier angeschielt zu werden.
Da es zum exemplarischen Schicksal der Schemata, sofern sie geometrisch sind, gehört, dass sie, sagen wir so, Anlass geben zu den Intuitionen des im präzisen Sinne ichhaften Irrtums, wollen wir von dem ausgehen, was unausrottbar gestützt wird durch die unvorsichtige bildliche Darstellung der Beziehungen des Ichs zum Es, zu der Freud sich hat hinreißen lassen und die wir das Ei-mit-dem-Auge nennen wollen.5 Eine berühmte Abbildung, mit der man die Schädel vollstopft, wo sie Gefallen findet, da sie in einem Signifikanten – dessen Suggestivkraft von irgend so einem Lecithin-Ernährungsdoping herrührt – die Metapher der Keimscheibe verdichtet, in dem Höcker nämlich, der hier die durch die Außenwelt herbeigeführte Differenzierung darstellen soll, die Differenzierung der „Oberfläche“, wie man sich freut. Wodurch einem Genetismus geschmeichelt wird – auf den überraschenden Wegen (überraschend in jeder Bedeutung des Wortes, wie sie dem Unbewussten eigen ist6) –, worin die antiken Täuschungsmanöver von der Liebeserkenntnis fortgesetzt werden, für den Gebrauch von Primaten.
Es ist nun nicht so, dass wir auf diese Täuschungsmanöver spucken müssten, wie wenig sie auch im Rahmen einer strengen Wissenschaft haltbar sein mögen. Auf der Ebene des Handwerks und der Folklore, wenn man so sagen darf, behalten sie immerhin ihren Wert. Sogar im Bett können sie eine durchaus schätzenswerte Hilfe leisten. Es bedarf hier gleichwohl einer Fokussierung, deren Technik wenig erhoffen lässt von einem Zugang, der für sie natürlich wäre: die Schäferdichtung von Longus7 kann uns ein Stück davon zeigen, genauso wie die Lehrverhältnisse im allgemeinen, in denen sich die berühmten habitus der scholastischen Psychologie herausbilden.
Rechnen wir gleichwohl mit dem Zyklopenauge ab. Es ist nur eine Muschel, bei der der Doppelstrich, der von ihrer Kurve abzweigt, hinreichend auf die Leere verweist, mit dem Bild eines Schlitzes, durch das es der Sparbüchse ähnelt, mit dem wir es zuvor gleichgesetzt haben Was den Auswuchs angeht, der an die Lavatersche Tumeszenz erinnert, wollen wir sagen, dass er meist auf der Innenseite spazieren geht | (670) und dabei als Glocke dient – nicht ohne die Möglichkeit einer musikalischen Verwendung anzubieten –, was allgemein illustriert wird durch die historische Entwicklung der ebenso literarischen wie wissenschaftlichen Psychologie. Es fehlt darin nur ein Gestell und ein bisschen Flitterkram, und wir haben hier die Klapper der eingeschworenen Narren, das Antidot des Humanismus und seit Erasmus als das bekannt, was dem Humanismus seine Würze gibt.
In unserem Unterricht gehört es zur Routine, eine Unterscheidung zu treffen zwischen dem, was der Welt durch die Funktion des Ichs mit seinen imaginären Projektionen aufgenötigt wird, und den Abwehreffekten, die diese Projektionen dadurch bekommen, dass sie den Platz auszufüllen, an dem sich das Urteil herstellt.
Und schließlich, ist all das nicht seit jeher bekannt und wiedergekäut worden? Und warum ist es nötig, dass Freud seinem Hinweis dies hinzufügt, dass ein Urteil an den Platz der Verdrängung kommen muss, wenn nicht deshalb, weil die Verdrängung bereits am Platz des Urteils ist? Und wenn man die Funktion dessen bestreitet, was wir nach Freud als Verwerfung4 bezeichnen, glaubt man etwa, uns dadurch widerlegen zu können, dass man feststellt, dass das Verb, um dessen nominale Form es sich hier handelt, in mehr als einem Text auf das Urteil bezogen wird? Einzig der strukturelle Ort, an dem der Ausschluss eines Signifikanten zustande kommt, variiert zwischen diesen Verfahren einer Urteilskraft, die durch die analytische Erfahrung vereinheitlicht ist. Hier ist es die Symphyse des Codes mit dem Ort des Anderen, worin der Mangel der Existenz besteht, ein Mangel, den sämtliche Realitätsurteile, in denen die Psychose sich entwickelt, niemals werden zuschütten können.
Nutzen wir hier die Gelegenheit der Revision, die Daniel Lagache an den Beziehungen des Unbewussten zum Vorbewussten vornimmt, um darauf hinzuweisen – nur für diejenigen, die behaupten, dadurch Einwände gegen uns vorbringen zu können, dass sie sich auf das Band beziehen, das Freud zwischen dem System Vorbewusst und den Worterinnerungen herstellt –, dass man die Erinnerung an das Ausgesagte (énoncé) nicht vermengen darf mit den Strukturen des Äußerungsakts (énonciation), nicht die Verbindungen der Gestalt4, selbst wenn sie aufgefrischt sind, mit dem Gerüst der Erinnerung; und schließlich, dass, auch wenn die Bedingungen der Darstellbarkeit das Unbewusste ihren imaginären Formen gemäß ablenken, eine gemeinsame Struktur nötig ist, damit eine Symbolik, so primitiv auch immer man sie im Unbewussten voraussetzt, übersetzt werden kann – dies ist ihr wesentliches Merkmal – in einen vorbewussten Diskurs (vgl. Brief 52 von Freud an Fließ, an den wir immer wieder erinnert haben8). | (671)
Wir müssen unsere Anmerkungen endlich auf die meisterhafte Unterscheidung konzentrieren, die von Daniel Lagache eingeführt wird, die zwischen den Funktionen des Ideal-Ichs (Moi Idéal) und des Ichideals (Idéal du Moi).9 Ist das nicht der Punkt, wo beurteilt werden muss, wie begründet die These ist, die dazu führt, dass seine Studie einen personalistischen Weg einschlägt?
Wenn die Psychoanalyse beim Problem der Person tatsächlich keinerlei Veränderung herbeigeführt hat, warum sollte man dann versuchen, die Daten in einer Perspektive anzuordnen, die sich in unserer Zeit schließlich kaum bewährt hat?
Hier daran zu erinnern, dass die persona eine Maske ist, ist nicht einfach ein Spiel der Etymologie; man verweist damit auf die Zweideutigkeit des Prozesses, in dessen Verlauf es dazu gekommen ist, dass der Begriff der Person den Wert angenommen hat, eine Einheit zu verkörpern, die sich im Sein behaupten würde.
Nun ist es aber das erste Datum unserer Erfahrung, dass sie uns zeigt, dass die Gestalt der Maske, da sie halbiert ist, nicht symmetrisch ist – um es in einem Bild zu sagen: dass sie zwei Profile vereint, deren Einheit nur dadurch gestützt wird, dass die Maske geschlossen bleibt, wobei ihre Diskordanz jedoch dadurch angezeigt wird, dass man sie öffnen. Doch was ist mit dem Sein, wenn es dahinter nichts gibt? Und wenn es nur ein Gesicht gibt, was ist dann mit der persona?
Halten wir fest, dass Daniel Lagache, um das Ideal-Ich vom Ichideal zu unterscheiden, der Funktion nach, wenn nicht gar der Struktur nach, den Weg einschlägt, den er zunächst vermieden hatte, den einer Beschreibung „dessen, was sich direkt beobachten lässt“, den einer klinischen Analyse. Wir glauben, dass wir dem Buchstaben dieses Textes von äußerst fesselnder Raffinesse treu bleiben, wenn wir ihn so paraphrasieren: dass in der Beziehung des Subjekts zum anderen als Autorität das Ichideal, indem es dem Gesetz des Gefallens folgt, das Subjekt dazu bringt, sich zu missfallen, abhängig vom Gebot; und dass das Ideal-Ich, angesichts des Risikos des Missfallens, nur dadurch triumphiert, dass es dem Gebot zum Trotz gefällt.
Hier erwartet man von Daniel Lagache, dass er auf sein Vorhaben einer Struktur „in gewissem Abstand zur Erfahrung“ zurückkommt. Denn wenn man sich an den Phänomenen festhält, ist das Risiko nirgendwo größer, dass man Trugbildern vertraut, denn man kann sagen, dass diese Instanzen sich, zumindest unter bestimmtem Aspekt, als solche im Erleben darstellen, das Ichideal | (672) als Vorbild, das Ideal-Ich als Streben (und wie sehr!), um nicht zu sagen als Traum. Und das ist wohl die Gelegenheit, das heranzuziehen, was die analytische Forschung uns als Metapsychologie zu konstruieren erlaubt.
Die Tatsache, dass Freud die beiden Termini ganz gewiss unterscheidet – handelt es sich doch um eine Vertauschung10, die in ein und demselben Text vollzogen wird – und dass es gleichwohl nicht gelingt, ihre Verwendung in diesem Text zu unterscheiden, müsste einen eher beunruhigen – im Gebrauch von Signifikanten war Freud bekanntlich niemals schludrig, nicht mal ein bisschen.11 Oder muss man es so verstehen, dass seine Topik nicht personalistisch ist?
Ich übergehe das, was die Überblicke von Nunberg einerseits und Fromm andererseits an mehr oder weniger Strukturalem oder Personalistischem haben, wie auch den Schiedsspruch von Fenichel, der darin, wie in diesen Debatten üblich, viel Unbekümmertheit findet, für meinen Geschmack bekanntlich zu viel.
Und ich setze mich der Gefahr aus, meine eigene Unzulänglichkeit zu exponieren, indem ich Daniel Lagache von etwas unterrichte, was ihm aufgrund des Übermaßes unserer Arbeitsaufgaben nicht bekannt ist, nämlich über das „Modell“ im eigentlichen Sinne des Wortes, mit dem ich im ersten Jahr meines Seminars in Sainte-Anne12 versucht habe, die Beziehungen des Ideal-Ichs zum Ichideal ihrer Struktur nach funktionieren zu lassen.
Es handelt sich um ein optisches Modell, zu dem mich das Beispiel von Freud sicherlich autorisiert, wobei ich zusätzlich motiviert bin durch eine Affinität zu den Brechungswirkungen, die durch die Kluft zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären bedingt sind.
Stellen wir also zunächst den etwas komplizierten Apparat auf, dessen Gebrauchswert als Modell, wie in derartigen Fällen üblich, auf einer Analogie beruhen wird.
Bekanntlich kann ein sphärischer Spiegel von einem Objekt, das genau im Zentrum seiner Krümmung platziert ist, ein Bild erzeugen, das zu diesem Objekt symmetrisch ist, dessen Bedeutung aber darin besteht, dass es sich um ein reelles Bild handelt. Unter bestimmten Bedingungen – wie bei jenen Experimenten, deren einziger Wert in einem noch unschuldigen Interesse am Beherrschen des Phänomens bestand und die jetzt in den Bereich der unterhaltsamen Physik abgeschoben worden sind – kann dieses Bild in seiner Realität vom Auge auch ohne das für gewöhnlich verwendete Medium eines Schirms erfasst werden. Das ist der Fall bei der Illusion vom sogenannten „umgedrehten Blumenstrauß“, von der man, um eine seriöse Referenz anzugeben, eine Beschreibung finden kann in der Optique et | (673) photometrie: dites géometriques, also „Sogenannte geometrische Optik und Photometrie“ (hier also wieder unsere Geometrie) von [Henri] Bouasse, einer im übrigen denkwürdigen Gestalt in der Geschichte des Unterrichts, in einem Werk, das man für unseren Gegenstand auf Seite 86 heranzuziehen hat, wobei ich anderen die Spielereien überlasse, die, da sie weniger trivial sind, für das Denken eben so geeignet sein könnten (4. Aufl., Delagrave, (Paris) 1947 (1. Auflage 1934). Unten findet man das Bild von Seite 87 reproduziert, zu dem wir als Kommentar nur bemerken wollen, dass der reale Blumenstrauß, der im Kasten S verborgen ist, um, wie Bouasse schreibt, „einen Überraschungseffekt beizusteuern“, dem Auge, das auf die auf dem Kasten stehende Vase V eingestellt ist, dass der Strauß dem Auge genau im Hals A’ der Vase aufzutauchen scheint, wo sich deutlich das Bild B‘ realisiert, trotz einer gewissen Deformation, die durch die unregelmäßige Form des Objekts einigermaßen erträglich gemacht werden soll.
Man muss dabei jedoch festhalten, dass es erforderlich ist, damit die Illusion sich einstellt, dass das Auge im Inneren des Kegels βB′γ platziert ist, der durch einen Generator gebildet wird, der jeden der Punkte des Bildes B′ mit der Umrandung des Hohlspiegels verbindet, und dass der Kegel der konvergierenden Strahlen, der vom Auge erfasst wird, für jeden Bildpunkt sehr klein ist, woraus sich ergibt, dass das Bild in seiner Position um so deutlicher lokalisiert ist, je größer sein Abstand zum Auge ist, denn dieser Abstand gibt dem Auge ein größeres Feld für die lineare Verschiebung, was es ihm, mehr noch als die Akkomodation, ermöglicht, diese Position auszumachen, vorausgesetzt, dass das Bild bei der Verschiebung nicht allzu sehr wackelt.
Die Ausführlichkeit, mit der wir uns der Darstellung dieses Apparats widmen, hat den Zweck, der Montage Konsistenz zu verleihen, mit der wir den Apparat vervollständigen | (674) werden, so dass er als theoretisches Modell fungieren kann.
Mit diesem Modell folgen wir lediglich dem Freudschen Beispiel, bis hin zum optischen Charakter des Modells, nur dass es bei uns keinerlei Anlass bietet, davor zu warnen, mit einer schematischen Darstellung des Wegs der anatomischen Leitung verwechselt zu werden.
Denn diese Verbindungen, die hier auf analoge Weise erscheinen werden, beziehen sich, wie wir sehen werden, ganz klar auf (intra-)subjektive Strukturen als solche; sie repräsentieren hier die Beziehung zum anderen und ermöglichen es, die Einwirkungen des Imaginären und die des Symbolischen voneinander zu unterscheiden. Eine Unterscheidung, deren Wichtigkeit für die Konstruktion des Subjekts von uns gelehrt wird, seitdem wir das Subjekt als dasjenige Subjekt denken müssen, wo es sprechen kann (où ça peut parler), ohne dass das Subjekt etwas davon weiß (und worüber man sogar sagen muss, dass es insofern davon nichts weiß, als es spricht).
Dafür muss man sich vorstellen, wie in Abbildung 2, erstens, dass sich im Inneren des Kastens die Vase befindet und dass ihr reelles Bild dann mit ihrem Hals den Blumenstrauß, der darüber bereits angebracht ist, umfasst – er hat für ein etwaiges Auge die Funktion, die Akkomodation zu unterstützen, über die wir bereits gesagt haben, dass sie notwendig ist, | (675) damit die Illusion sich herstellt, die wir jetzt als die der umgedrehten Vase bezeichnen wollen; man muss sich zweitens vorstellen, dass ein Beobachter, der irgendwo in dieser Apparatur platziert ist, sagen wir zwischen den Blumen oder, aus Gründen der Klarheit der Darstellung, am Rande des Hohlspiegels, auf jeden Fall aber so, dass es ihm nicht möglich ist, das reelle Bild wahrzunehmen (weswegen es in Abbildung 2 nicht wiedergegeben ist), dass dieser Beobachter versucht, die Illusion des reellen Bildes herbeizuführen, und zwar in dem virtuellen Bild, das ein in A platzierter Planspiegel vom reellen Bild geben kann – was sich denken lässt, ohne den Gesetzen der Optik Gewalt anzutun.
Damit das Subjekt $ im Spiegel A dieses Bild sieht, genügt es, dass sein eigenes Bild (in dem virtuellen Raum, den der Spiegel erzeugt, und ohne dass es dafür notwendig wäre, dass es sein Bild im Spiegel sieht, sofern es sich nämlich außerhalb eines Feldes befindet, das mit der Oberfläche des Spiegels einen rechten Winkel bildet; vgl. in Abbildung 2 die gestrichelte Linie $-S), dass sein eigenes Bild dazu gelangt, im realen Raum (dem der virtuelle Raum, der durch einen Planspiegel erzeugt wird, Punkt für Punkt entspricht) einen Platz im Inneren des Kegels einzunehmen, durch den die Möglichkeit der Illusion begrenzt wird (Feld x′y′ in Abbildung 2).
Das Spiel dieses Modells deckt zu einem Teil die Funktion der Verkennung ab, die unsere Konzeption des Spiegelstadiums an den Anfang der Ichbildung setzt. Das Modell macht es möglich, diese Funktion in einer Form darzustellen, die man verallgemeinert nennen kann, insofern sie die Wirkungen der Aufnahme des Spiegelbildes besser mit der Struktur verbindet, so wie wir glaubten, diese Wirkungen interpretieren zu können, in dem Moment des Jubels, in dem sich diese Aufnahme insbesondere vom sechsten bis zum achtzehnten Monat beobachten lässt, wobei wir sie mit der Frühreife der Wahrnehmung begründet haben, die mit der Unabgestimmtheit der neurologischen Entwicklung verknüpft ist.13
Die Beziehungen zwischen den Bildern i′(a) und i(a) sind in unserem Modell nicht buchstäblich als optische Unterordnung aufzufassen, sondern als etwas, wodurch eine analoge imaginäre Unterordnung unterstützt wird.
In i′(a) gibt es nämlich nicht nur das, was das Subjekt dort vom Modell erwartet, sondern bereits eine Gestalt des anderen, die durch ihre Prägnanz eingeführt wird sowie durch das Spiel der daran anknüpfenden Beziehungen des beeindruckenden Auftretens, eingeführt als Prinzip der scheinbaren Beherrschung und der grundlegenden Entfremdung in einer Synthese, die eine ganz andere Anpassung erfordert.
Um deren Bedingungen in ihrer prinzipiellen Vorgängigkeit zu darzustellen, haben wir an den Anfang unseres Modells die Illusion des Bildes i(a) gestellt.
Wenn dieses Bild tatsächlich einer Subjektivierung unterliegt, so geschieht das zunächst | (676) auf den Wegen der Autokonduktion, die im Modell durch die Reflexion im sphärischen Spiegel dargestellt wird (den man mehr oder weniger als Verbildlichung einer bestimmten globalen Funktion des Cortex auffassen kann). Und worauf das Modell mit der im Kasten versteckten Vase ebenfalls hinweist, ist, wie gering der Zugang ist, den das Subjekt zur Realität dieses Körpers hat, den es in seinem Inneren verliert, an der Grenze, wo es sich den Körper – der aus Blättern gefaltet ist, die an seiner Hülle zusammenwachsen und sich um die Ringe der Körperöffnungen herum vernähen –, wo es sich den Körper als einen Handschuh vorstellt, der sich umstülpen lässt. Es gibt Körpertechniken, mit denen das Subjekt in seinem Bewusstsein eine Konfiguration dieser dunklen Innerlichkeit wachzurufen sucht. Das Verfahren der Analyse ist weit davon entfernt, damit zu rechnen und es skandiert den libidinösen Fortschritt deshalb bekanntlich durch Akzente, die sich auf den Körper als Behälter und auf seine Öffnungen beziehen.
Darüber hinaus verbindet die heutige Analyse die Reifung dieses Fortschritts spezieller noch mit dem, was sie Objektbeziehung nennt, und diese ist es, deren führende Funktion wir dadurch unterstreichen, dass wir sie in unserem Modell durch die Blumen a repräsentieren, nämlich durch eben jene Objekte, auf die sich die Akkomodation stützt, durch die es dem Subjekt möglich ist, das Bild i(a) wahrzunehmen.
Ein solches Modell sorgt außerdem dafür, dass wir vor den Vorurteilen bewahrt werden, zu denen die geläufigsten Konzeptionen dieser Beziehung neigen. Denn wenn das Modell als Parabel funktioniert, wird uns das erlauben, das Wenige an Natürlichem herauszustellen, das im Spiel ist, wenn ein Vasenhals, der überdies imaginär ist, die Elemente umfasst, also die Stängel, deren Bündel völlig unbestimmt ist, nicht nur was ihre Verbindung angeht, sondern auch hinsichtlich ihrer Verschiedenheit. Außerdem scheint uns der Begriff des Partialobjekts etwas zu sein, das die Analyse hier wirklich an Richtigem entdeckt hat, um den Preis allerdings von Postulaten, die sich auf eine ideale Totalisierung dieses Objekts beziehen, wodurch der Nutzen dieser Entdeckung sich wieder verflüchtigt.
So scheint es uns nicht selbstverständlich zu sein, dass die Zerstückelung der Beziehungsfunktionen, die wir als das dargelegt haben, was dem Spiegelstadium zugrunde liegt, dass diese Zerstückelung die Garantie dafür abgibt, dass in der Entwicklung der Strebungen die Synthese zunimmt. Die Fabel von Menenius Agrippa – was auch immer der Erfolg dieses Geschwafels gewesen sein mag – schien uns immer ein Zeugnis dafür zu sein, dass in der Ordnung der Begierden die angebliche Harmonie der Organe immer schon Schwierigkeiten gemacht hat. Und wir glauben nicht, dass Freud unsere Ansichten über die Sexualität und ihre Zwecke deswegen ins Freie gebracht hat, damit die Analyse den jahrhundertealten Bemühungen | (677) der Moralisten, die Begierden des Menschen auf die Normen seiner Bedürfnisse zurückzulenken, ihren eigenen Klamauk hinzufügt.
Wie auch immer, die Antinomie der Bilder i(a) und i′(a) löst sich in einem permanenten Transitivismus auf, von daher, dass sie für das Subjekt im Imaginären verortet sind. Auf diese Weise stellt sich dieses Ich-Ideal-Ich (Moi-Idéal-Moi) her, dessen Grenzen (in dem Sinne, in dem Federn sie auffasst) so zu verstehen sind, dass sie die Unsicherheit stützen und die Korrektur ermöglichen, dass sie die Mehrdeutigkeit der unterschiedlichen Bereiche in ihrem jeweiligen Status fortbestehen lassen und dass sie in ihrem Komplex sogar freie Zonen und eingeschlossene Lehnsgüter zulassen.
Was uns hier festhält, ist dies, dass eine Psychoanalyse, die sich im Symbolischen abspielt – was nicht bestreitbar ist, wenn ihr Verfahren in der Eroberung hinsichtlich des Unbewussten besteht, in der Ankunft von Geschichte und in der Rekonstruktion von Signifikanten, sofern man nicht einfach leugnet, dass ihr Mittel das des Sprechens ist –, dass eine Psychoanalyse in der Lage ist, ein Ich umzugestalten, das in seinem imaginären Status so beschaffen ist.
Wenn uns hier das Phänomen des Verschwindens – wir werden sagen: des Fading –, mit dem Lagache das Subjekt-Ich ausstattet, tatsächlich bemerkenswert zu sein scheint, dann nicht, um uns mit ihm damit zu begnügen, darin die Richtung einer abstrakten Noesis wiederzufinden, sondern um dieses Phänomen mit der strukturellen Wirkung zu konnotieren, mit der wir versuchen, den Platz des Subjekts durch eine Elision des Signifikanten zu konstituieren.
Das Ichideal ist eine Bildung, die an diesen symbolischen Platz kommt. Und darum hält es an den unbewussten Koordinaten des Ichs fest. Um das zu sagen, hat Freud seine zweite Topik geschrieben, und da er es gesagt hat – wie völlig klar ist, wenn man ihn liest –, ist nicht weniger klar, dass er es nicht tat, um der Rückkehr des autonomen Ichs den Weg zu bahnen.
Denn die Frage, die er in Massenpsychologie und Ich-Analyse aufwirft, ist die, wie ein Objekt, das auf seine ganz stupide Realität reduziert ist, das jedoch durch einer gewissen Anzahl von Subjekten in die Funktion des gemeinsamen Nenners gebracht wird – wodurch bestätigt wird, was wir über seine Funktion als Insignie sagen werden –, wie ein solches Objekt dazu in der Lage ist, die Identifizierung des Ideal-Ichs zu forcieren, bis hin zu dieser blödsinnigen Unglücksmacht, als die es sich in seinem Grunde erweist. Muss man, um die Tragweite der Frage verständlich zu machen, an die Gestalt des Führers4 erinnern und an die Kollektivphänomene, durch welche dieser Text die Tragweite eines hellsehenden Blicks in das Herz der Kultur erhalten hat? Ja, zweifellos, denn aufgrund einer komödienhaften Rückkehr dessen, was Freud zur Abhilfe gegen dieses Unbehagen beibringen wollte, | (678) wird von der Gemeinschaft, der er die Sorge dafür übertrug, als Losungswort die Synthese eines starken Ichs ausgegeben, im Zentrum einer Technik, in welcher der Praktiker sich als jemand begreift, der dadurch wirksam ist, dass er selbst dieses Ideal verkörpert.
Wie auch immer, diese beiden Beispiele sind nicht dazu geeignet, die Funktion des Sprechens aus den Determinanten auszuschließen, die wir für die entscheidende Triebfeder der Subjektivierung suchen.
Wie bekannt, bezeichnen wir in unserer Topologie den Bereich des Sprechens als Anderen, konnotiert durch ein großes A, und in unserem Modell entspricht diesem Ort der reale Raum, dem sich hier die virtuellen Bildern „hinter dem Spiegel“ A überlagern (ein Spiegel, den unsere Konvention dem Subjekt dadurch zugänglich macht, dass er frei verstellt werden kann oder, falls es sich um einen Einwegspiegel handelt, der für seinen Blick also durchsichtig ist, dadurch, dass das Subjekt seine Position hier gewissermaßen über irgendein I reguliert).
Man hätte Unrecht, wenn man annähme, dass der große Andere des Diskurses dann abwesend sein könnte, wenn das Subjekt in der Beziehung zum anderen einen bestimmten Abstand herstellt, zu dem anderen, der sich dem großen Anderen als der kleine andere entgegensetzt, zum anderen der imaginären Dyade. Und die personalistische Übersetzung, die Daniel Lagache für Freuds zweite Topik liefern will, die unseres Erachtens ohnehin nicht erschöpfend sein kann, ist deswegen hier besonders ungeeignet, weil sie sich mit der Distanz zwischen zwei reziproken Termini begnügt, als Medium der Intersubjektivität, die von ihm zum Prinzip erhoben wird.
Denn der Andere, in dem der Diskurs seinen Ort findet und der in der Triangulierung, durch die diese Distanz abgesichert wird, auf latente Weise immer enthalten ist, ist dann nicht latent, wenn er sich bis in die Spiegelbeziehung hinein erstreckt, bis in deren reinsten Moment: in der Geste, mit der das Kind vor dem Spiegel sich zu dem, der es hält, umdreht und ihn mit dem Blick zum Zeugen aufruft, der die Anerkennung des Bildes, indem er sie verifiziert, von der jubelnden Annahme scheidet, in der er gewiss bereits war.
Aber dieses „bereits“ darf uns in Bezug auf die Struktur der Präsenz, die hier als der Dritte heraufbeschworen wird, nicht täuschen: der Anekdote der Persönlichkeit, die ihn verkörpert, schuldet sie nichts.
Es verharrt hier nur dieses Sein, dessen Ankunft nur dann erfasst wird, wenn es nicht mehr ist. So stößt es auf das zweideutigste Tempus der Morphologie des Verbs im Französischen, dasjenige, das man als Imperfekt bezeichnet. Il était là (er war da) enthält dieselbe Duplizität, wie die, in welcher un instant plus tard, la bombe explodait (einen Moment später sollte die Bombe explodieren) in der Schwebe bleibt, woraus man, in Ermangelung eines Kontexts, nicht erschließen kann, ob das Ereignis eingetroffen ist oder nicht. | (6 )
Dieses Sein wird gleichwohl gesetzt – mit der eingeschränkten Vorgängigkeit, die ihm der Diskurs zusichert –, in diesem Vorrat an Attributen14, in dem das Subjekt, wie wir sagen, sich einen Platz verschaffen muss.
Wenn unsere Analytiker von heute mit dieser Dimension zugleich die Erfahrung verkennen, die sie von Freud erhalten, und zwar so weit, dass sie darin nur einen Anlass sehen, um einen Genetismus zu erneuern, der, da er ein Irrtum ist, immer nur derselbe sein kann, so offenbart sich ihr Fehler bereits darin, dass in ihren Theorien die alten Stigmata wieder auftauchen, etwa die allzu berühmte Könästhesie, worin das Fehlen dieses dritten Punktes durch etwas angezeigt wird, was letztlich immer nur ein hinkender Rückgriff auf die Noesis ist. Aber offenbar sind sie unbelehrbar, wenn sie nicht einmal den Schlag bekunden, den ihre Entwicklungsidee von den Fakten des sogenannten Hospitalismus empfangen hat, bei dem die Maßnahmen der Säuglingspflege keinen anderen Mangel enthüllen könnte als den der Anonymität, in der sie zugeteilt werden.
Aber das ursprüngliche Subjekt, wie fände es seinen Platz wieder in der Elision, durch welche dieser Platz als Abwesenheit konstituiert wird? Wie könnte es diese Leere als Das Ding (la Chose) erkennen, das ihm am nächsten ist, wie könnte es sie gar im Inneren des Anderen von Neuem aushöhlen, damit sein Schrei dort Resonanz findet? Eher wird es ihm gefallen, hier die Antwortmarkierungen wiederzufinden, die die Macht hatten, seinen Schrei in einen Appell zu verwandeln. So bleiben in der Realität diese Markierungen, in die sich das Alleskönnen der Antwort einschreibt15, vom Merkmal, vom Zug des Signifikanten umkreist. Nicht grundlos werden diese Realitäten als „Insignien“ bezeichnet. Der Ausdruck ist hier ein Substantiv. Die Konstellation dieser Insignien konstituiert für das Subjekt das Ichideal.
Unser Modell zeigt, dass das Subjekt, indem es sich hier in I verortet, den Spiegel A ausrichten kann, um, neben anderen Effekten, jenes Trugbild des Ideal-Ichs zu erhalten.
Dies ist genau die Art und Weise, wie der Neurotiker mit dem Anderen umgeht, um unaufhörlich die skizzenhafte Identifizierung in der wilden Übertragung zu erneuern, die unseren Gebrauch des Ausdrucks Übertragungsneurosen rechtfertigt.
Das ist jedoch nicht – und wir werden sagen warum – die gesamte subjektive Triebkraft des Neurotikers. Unser Modell hat jedoch den Vorteil, dass wir es dazu befragen können, was in der Psychoanalyse selbst aus dieser Art des Umgangs mit dem Anderen wird.
Ohne uns Illusionen zu machen über die Reichweite einer Übung, die ihr Gewicht nur durch eine grobe Analogie zu den Phänomenen erhält, die sie in Erinnerung zu rufen erlaubt, | (680) möchten wir in Abbildung 3 eine Vorstellung davon geben, was dadurch geschieht, dass der Andere hier der Analytiker ist, dadurch, dass das Subjekt aus ihm den Ort seines Sprechens macht.
Da die Analyse von dem abhängt, was das Subjekt dadurch gewinnt, dass es es seinen unbewussten Diskurs als den seinigen akzeptiert, wird sich im Modell dieses Verlaufsbahn als seitliche Verschiebung des $ hin zu den Signifikanten des Raums „hinter dem Spiegel“ darstellen. Die Funktion des Modells besteht demnach darin, zu verbildlichen, wie die Spiegelbeziehungen, also die imaginäre Beziehung zum anderen und die Fesselung durch das Ideal-Ich, dazu dienen, das Subjekt in das Feld hinüberzuziehen, in dem es sich im Ichideal hypostasiert.
Ohne dass man sich allzu sehr in einen Punkt vertieft, der dann als überstrapaziert erscheinen könnte, kann man sagen, dass der Andere, indem er sich zunehmend auslöscht, bis hin zu einer Position, die von seinem Ausgangspunkt um 90° entfernt ist, dass der Andere als Spiegel in A das Subjekt von $1 durch eine nahezu doppelte Rotation dazu bringen kann, die Position $2 in I zu besetzen, von wo aus ihm in Abbildung 2 die Illusion der umgedrehten Vase nur virtuell gelang; dass sich im Durchlaufen dieses Weges die Illusion abschwächen muss, zusammen mit der Suche, die sie anleitet: womit sich bestätigt, dass die Effekte der Depersonalisierung, die in der Analyse unter mehr oder weniger unauffälligen Aspekten festgestellt worden sind, weniger als Zeichen einer Grenze denn als Zeichen eines Durchbruchs aufgefasst werden müssen.
| (681) Denn das Modell demonstriert außerdem, dass das Auge $, sobald es einmal die Position I erreicht hat, von der aus es die Illusion der umgedrehten Vase direkt wahrnimmt, dass dieses Auge im Spiegel A, der jetzt horizontal steht, außerdem sehen wird, wie von eben dieser Vase wieder ein virtuelles Bild i′(a) erzeugt wird, worin, so kann man sagen, das reelle Bild von Neuem umgedreht wird und sich ihm entgegensetzt, so, wie das Spiegelbild in einem stehenden oder fließenden Gewässer einem Baum Traumwurzeln verleiht.
Spiele des Ufers mit der Welle, halten wir das fest, von denen sich der präklassische Manierismus von Tristan dem Hermiten bis hin zu Cyrano verzaubern ließ, nicht ohne unbewusste Motivation, da die Poesie damit der Revolution des Subjekts nur zuvorkam, einer Revolution, die in der Philosophie damit konnotiert wird, dass die Existenz hier die Funktion eines ersten Attributs erhält, nicht ohne ihre Wirkungen aus einer neuen Wissenschaft, einer neuen Politik und einer neuen Gesellschaft zu beziehen.
Die Gefälligkeiten der bildenden Kunst, mit denen der Manierismus einhergeht – erklären sie sich nicht durch den Wert, der in derselben Epoche den Kunstgriffen der Anamorphose beigemessen wird? Durch die existentielle Trennung, bei welcher der Körper in der Räumlichkeit verschwindet, rufen diese Kunstgriffe – die in der Perspektive die Stütze finden, um ein verborgenes Bild zu installieren – die Substanz wieder hervor, die darin verloren gegangen ist. Auf dieselbe Weise könnten wir uns bei unserem Modell, falls es realisierbar wäre, darüber amüsieren, dass der reale Topf in seinem Kasten (an dessen Stelle der Reflex des Spiegels A kommen wird) die imaginären Blumen a′ enthält, während die Illusion des umgedrehten Topfes, da sie aus einem reelleren Bild gemacht ist, die wahren Blumen a enthält.
Was das Modell auf solche Weise verbildlicht, ist eben der Zustand, den Michael Balint als narzisstischen Gefühlsausbruch beschreibt, und der, ihm zufolge, das Ende der Analyse anzeigt. Seine Beschreibung wäre jedoch besser, wenn er darin eine analoge Überkreuzung bemerken würde, wo die spiegelbildliche Gegenwart des Individuums gegenüber dem anderen, auch wenn sie dessen Realität zudeckt, seine ichhafte Illusion aufdeckt, eine Illusion, die sich auf das erstarrte Körperbewusstsein bezieht, wohingegen die Kraft des Objekts a, auf die das Bewusstsein am Ende der gesamten Machination ausgerichtet ist, dazu führt, dass sein Spiegelbild in den Objekten a‘ der omnivalenten Konkurrenz auf den Status einer Einbildung zurückgeführt wird.
Der Patient, im Zustand des hieraus entspringenden Hochgefühls, glaubt, Michael Balint zufolge, er habe sein Ich gegen das des Analytikers ausgetauscht. Wünschen wir ihm, dass dem nicht so sei.
Denn selbst wenn die Analyse hier an ihrem Endpunkt ist, so ist dies nicht ihr Zweck, und selbst wenn man hier den Zweck der Mittel sieht, die von der Analyse eingesetzt wurden, sind dies nicht die Mittel, um ihren Zweck zu erreichen. | (682)
Soll heißen, dass unser Modell auf eine vorbereitende Phase unseres Unterrichts zurückgeht, in der wir vor der Aufgabe standen, das Imaginäre als etwas freizulegen, das in der Technik überbewertet wurde. Da sind wir nicht mehr.
Wir wenden die Aufmerksamkeit jetzt wieder dem Begehren zu, von dem man vergisst, dass es – weitaus authentischer als die Suche nach dem Ideal – die Signifikantenwiederholung des Neurotikers als Metonymie seines Begehrens reguliert. Hier ist nicht der Ort, um auszuführen, wie er dieses Begehren stützen muss: als unbefriedigt (nämlich beim Hysteriker), als unmöglich (beim Zwangsneurotiker).
Denn durch unser Modell wird die Position des Objekts a nicht weiter aufgehellt. Da es die Aufgabe hatte, ein Spiel der Bilder zu verbildlichen, konnte es nicht beschreiben, welche Funktion dieses Objekt vom Symbolischen her erhält.
Eben jene Funktion, die es auf dem phobischen Vorposten durch den Gebrauch als Waffe gegen die Drohung des Verschwindens des Begehrens erhält; als Fetisch in der perversen Struktur, als absolute Bedingung des Begehrens.
An dem Ausgangspunkt, an dem unser Modell es verortet, ist a, das Objekt des Begehrens, seit es darin funktioniert – das Objekt des Begehrens. Das bedeutet, dass es Partialobjekt ist nicht nur als Teil oder als abgelöstes Stück der Apparatur, die hier der Körper imaginiert, sondern von Anfang an als Element der Struktur, dass es, wenn man so sagen darf, in der Partie, die gespielt wird, bereits zu Beginn ausgegeben wurde. Insofern es aus den Anhängen des Körpers als Indiz des Begehrens ausgewählt wird, ist es bereits der Exponent einer Funktion, durch die es, noch bevor es sie ausübt, sublimiert wird, der Funktion des Index, des Zeigerfingers, der erhoben ist in Richtung auf eine Abwesenheit, worüber das est-ce (das Ist-das16) nichts zu sagen hat, außer dass sie von dort her kommt, wo es (ça) spricht.
Und eben deshalb liefert es, wenn es im Spiegel reflektiert wird, nicht nur a‘, das Maß des Tausches, das Geld, durch welches das Begehren des anderen in den Kreislauf der Transitivismen des Ideal-Ichs eintritt. Es wird dem Feld des Anderen zurückerstattet, in seiner Funktion als Exponent des Begehrens im Anderen.
Das wird es ihm ermöglichen, am wahren Endpunkt der Analyse seinen besonderen Wert anzunehmen, nämlich im Phantasma dem Gestalt zu verleihen, angesichts dessen das Subjekt sieht, wie es sich dann abschafft, wenn es sich als Begehren verwirklicht.
Damit das Subjekt an diesen Punkt gelangt, jenseits der Reduktion der Ideale der Person, ist es aufgerufen, als Objekt a des Begehrens, als das, was es für den Anderen in seiner Aufrichtung als Lebendiges gewesen ist, bei seinem Zur-Welt-Kommen wanted oder unwanted, ist das Subjekt aufgerufen, von Neuem geboren zu werden, um zu wissen, ob es das, was es begehrt, will … Das ist die Art von Wahrheit, die Freud mit der Erfindung der Analyse ans Licht gebracht hat. | (683)
Das ist ein Feld, auf dem das Subjekt mit seiner Person vor allem das Lösegeld für sein Begehren zu zahlen hat. Und darum erfordert die Analyse eine Revision der Ethik.
Es ist jedoch sichtbar, dass man, um vor dieser Aufgabe zu fliehen, bereit ist, alles aufzugeben, und sogar dazu, dass man die Probleme beim Aufsichnehmen des Geschlechts mit der Kategorie der Rolle angeht, wie wir es jetzt in freudianischen Kreisen sehen.
Die Funktion Ф des verlorenen Signifikanten, für den das Subjekt seinen Phallus opfert, die Form Ф(a) des männlichen Begehrens, Ⱥ(φ) des Begehrens der Frau, führen uns zu jenem Ende der Analyse, dessen Aporie uns Freud mit der Kastration hinterlassen hat.
Dass Daniel Lagache deren Wirkung außerhalb seines Feldes lässt, reicht hin, um uns die Grenzen dessen zu zeigen, was in personalistischen Kategorien vom Subjekt des Unbewussten begriffen werden kann. (Vgl. Lacan: Position de l’inconscient. In: Ders.: Ecrits. Le Seuil, Paris 1966, S. 830)
Jacques-Alain Miller: Optisches Modell der Ideale der Person (Übersetzung)
Aus: Ders.: Table commentée des représentations graphiques. In: Lacan: Écrits. Le Seuil 1966, S. 903-908, hier: S. 904 f.
Abbildung 1: „Illusion des umgedrehten Blumenstraußes“ bei Bouasse
Die Illusion besteht darin, dass, mittels eines sphärischen Spiegels, das reelle (umgedrehte und symmetrische) Bild eines verborgenen Blumenstraußes erzeugt wird, welches im Hals einer realen Vase platziert wird, die der Akkomodation als Stütze dient.
Ihre Deutung erhält diese Illusion rückwirkend von der zweiten Abbildung her (Ecrits, S. 675 f.): Das reelle Bild, das von nun an mit i(a) bezeichnet wird, repräsentiert das Spiegelbild des Subjekts, während das reale Objekt a die Funktion des Partialobjekts stützt, das die Körperbildung beschleunigt. Man hat hier eine Phase, die (der logischen Abhängigkeit nach) dem Spiegelstadium vorausgeht – das die Gegenwart des realen Anderen voraussetzt (Ecrits, S. 678).
Abbildung 2: Variation der vorigen
In der zweiten Abbildung tauschen der Blumenstrauß und die Vase ihre Rollen, während durch die Lokalisierung des Beobachters im Inneren des sphärischen Spiegels und durch die Einfügung des Planspiegels A ein virtuelles Bild erzeugt wird.
Dieser Aufbau muss folgendermaßen gedeutet werden: | (905)
1) Die Realität der Vase und ihr reales Bild i(a), die für den Beobachter unsichtbar sind (und in der Abbildung fehlen), stellen die Realität des Körpers und sein reelles Bild dar, die der Wahrnehmung des Subjekts unzugänglich sind.
2) Einzig das virtuelle Bild i′(a) der Illusion ist ihm zugänglich, ein imaginärer Reflex, in dem die Entwicklung seines Körpers in einer definitiven Entfremdung antizipiert wird. Es ist anzumerken, dass das reelle und das virtuelle Bild beide dem imaginären Register zugehören, dass aber das zweite (die durch die Beziehung zum Anderen vermittelte Wahrnehmung) die Illusion des ersten (die „unmittelbare“ Wahrnehmung – die als solche fiktiv ist) verdoppelt.
3) Schließlich ist es der Punkt I (der Punkt des Ichideals, wo der einzige Zug zu verorten ist), der für das Subjekt das Selbstbild steuert.
Abbildung 3: Transformation der vorigen
Abbildung 3 erhält man ausgehend von der vorigen durch Rotation des Planspiegels um 0 Grad und durch Verschiebung des Subjekts bis zum Punkt I. Sie zielt darauf ab, denjenigen Moment der Kur darzustellen, in dem der Analytiker (dessen Position durch den Spiegel angegeben wird) als imaginärer anderer sich neutralisiert und er hierdurch die Wirkungen des Trugbildes, die vom Subjekt erzeugt werden, annulliert, und in dem das Subjekt die duale Beziehung und das leere Sprechen überwindet, um sein reelles Bild wahrzunehmen: es gewinnt Zugang zur Sprache seines Begehrens. Das Verschwinden des virtuellen Bildes ist zu deuten als Auflösung des narzisstischen Bildes, wodurch das Subjekt wieder in die Position der ersten Abbildung gebracht wird, mit dem Unterschied, dass es hierher erst durch die Ausschaltung des Planspiegels zurückgebracht worden ist (also durch dessen Vermittlung), und man sollte nicht vernachlässigen, dass diese Operation etwas zurücklässt: das neue virtuelle Bild, dass sich im horizontalen Spiegel neu formiert und das signalisiert, dass die unmittelbare Wahrnehmung fiktiv ist.
So kommt es, „dass eine Psychoanalyse, die sich im Symbolischen abspielt (…) in der Lage ist, ein Ich umzugestalten, das in seinem imaginären Status derart konstituiert ist.“ (E its, S. 677)
Dieses Modell, das die imaginären und realen Funktionen des Objekts a angibt, sagt nichts über dessen symbolische Funktion aus (Ecrits, S. 682).
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An rkungen
- Hilfreich war die von Bruce Fink hergestellte englische Übersetzung von Lacans Lagache-Aufsatz: Lacan: Écrits. The first complete edition in English. Übersetzt von Bruce Fink in Zusammenarbeit mit Héloïse Fink und Russell Grigg. Norton, New York, London 2006, S. 543-574. Das Lacan-Archiv Bregenz verweist auf eine unveröffentlichte deutsche Übersetzung des Aufsatzes durch Gerhard Schmitz, die uns leider nicht zugänglich war.
- Den Aufsatz von Lagache findet man dort S. 5-54; einen Nachdruck in: Derselbe: Oeuvres, Bd. 4: 1956-1962. Agressivité, structure de la personnalité et autres travaux. Presses universitaires de France, Paris 1982, S. 191-238.
- Anmerkung der Übersetzer: Die Seitenzahlen in eckigen Klammern verweisen auf die Ecrits, der Schrägstrich steht für einen Seitenwechsel.
- Im Original deutsch
- A.d.Ü.: Lacan verweist hier auf Freuds zeichnerische Darstellung der sogenannten zweiten Topik in Das Ich und das Es (1923); vgl. Studienausgabe, Bd. 3. S. Fischer, Frankfurt am Main 2000, S. 293
- A.d.Ü.: Überraschung meint (a) den Akt des unerwarteten Aufdeckens, (b) das Gefühl des Erstaunens; vgl. Lacan: Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung. 1956-57. Hg. v. Jacques-Alain Miller, übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien 2011, S. 320 f.
- A.d.Ü.: Daphnis und Chloe
- A.d.Ü.: In der neueren Ausgabe dieser Briefsammlung ist dies der Brief Nummer 112 vom 6.12.1896: Sigmund Freud: Briefe an Wilhelm Fliess 1887–1904. Ungekürzte Ausgabe. Hg. von Jeffrey Moussaieff Masson. S. Fischer, Frankfurt am Main 1986, S. 217-226.
- „(…) die Antinomie zwischen dem Ideal-Ich und dem Über-Ich – Ichideal, zwischen der narzisstischen Identifizierung mit der Allmacht und der Unterwerfung unter die Allmacht (…)“. La psychanalyse et la structure de la personnalité. In: La Psychanalyse, 6. Jg. (1963), S. 46.
- Von „Ich“ und „Ideal“
- A.d.Ü.: Dies bezieht sich auf Freuds Aufsatz Zur Einführung des Narzissmus (1914), in dem in einem Absatz sowohl der Ausdruck „Ideal-Ich“als auch der Ausdruck „Ichideal“ verwendet wird, vgl. Freud, Studienausgabe, Bd. 3, S. 60 f.
- A.d.Ü.: Seminar 1 von 1953-54, Freuds technische Schriften
- A.d.Ü.: Vgl. Lacan: Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint. In: Ders.: Schriften I. Hg. v. Norbert Haas. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, S. 61-70.
- A.d.Ü.: Anspielung auf einen von Lagache verwendeten Terminus.
- A.d.Ü.: Im Original im Plural s’inscrivent.
- Est-ce („ist das)“ ist gleichklingend mit dem deutschen „Es“ und mit dem lateinischen „esse“ (sein bzw. Sein).