Mein Gott!
Ich bin empört. Über Obama. Mehrmals sage ich mir: „Nicht so wichtig“, aber das bringt’s nicht. Es will mir nicht aus dem Kopf gehen.
Am 26. März sagte Obama in Brüssel zum Ukraine-Konflikt:
“But even in Iraq, America sought to work within the international system.”
Das stimmt nicht und dass es nicht stimmt, weiß jedes Kind. Die USA hat den Krieg gegen den Irak ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats geführt, es gab nicht einmal eine Einwilligung der NATO.
“And Kosovo only left Serbia after a referendum was organized not outside the boundaries of international law, but in careful cooperation with the United Nations and with Kosovo’s neighbors.”
Ein Referendum im Kosovo? Hat es nie gegeben.
“Russia’s leadership is challenging truths that only a few weeks ago seemed self-evident -- that in the 21st century, the borders of Europe cannot be redrawn with force, that international law matters, that people and nations can make their own decisions about their future.”
Auch das ist schlicht falsch. Die Grenzen von Serbien sind im 21. Jahrhundert neu gezogen worden, durch die USA im Bündnis mit der EU, und die Grundlage hierfür war militärische Gewalt: die Bombardierung von Jugoslawien im Jahr 1999.
Obama lügt. Aber das wusste ich vorher. Warum regt es mich trotzdem auf? Warum zucke ich nicht mit den Schultern und sage mir: „So sind sie halt“ – ? Ich kann meine Reaktion experimentell reproduzieren, beliebig oft: Ich muss mir nur Obamas Bemerkungen anzuschauen und schon denke ich: „Das kann doch nicht wahr sein! Will er mich für dumm verkaufen?“ Ich kann es nicht glauben. Warum nicht? Weil ich an ihn glaube.
Das ist offenbar meine Spaltung: die zwischen dem „ich weiß zwar“ und dem „aber dennoch“.1
– Ich weiß zwar, dass es für die Behauptungen des Präsidenten keine Wahrheitsgarantie gibt.
– Aber dennoch glaube ich an ihn. Ich glaube, dass er über mein Wissen das letzte Urteil sprechen könnte. Unbewusst. Deshalb kann es nicht wahr sein, wenn er lügt.
„So wäre die einzige zutreffende Formel für den Atheismus nicht: Gott ist tot (…) – die einzige zutreffende Formel für den Atheismus wäre: dass Gott unbewußt ist.“2
NACHTRAG I vom 2. Mai 2014: Ich lese diesen akribisch recherchierten Artikel von Robert Parry über die Lügen des US-Außenministeriums in Sachen Ukraine und bin nicht empört, nur erstaunt und beunruhigt. An Kerry glaube ich nicht.
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Anmerkungen
- Vgl. Octave Mannoni : «Je sais bien mais quand même». In: Les Temps modernes, Nummer 212, Januar 1964, nachgedruckt in: Ders.: Clefs pour l’imaginaire ou L’autre scène. Le Seuil, Paris 1969, S. 9–33.
- Lacan, Seminar 11, Version Miller/Haas, S. 65.