Kühlerfigur
Unter dem imaginären Phallus versteht Lacan (unter anderem) die Vorstellung von einem erigierten Penis, der so beschaffen wäre, dass er niemals abschlaffen und niemals seinen Dienst versagen würde; ein Mann, der sich durch ihn auszeichnen würde, könnte jeder Frau jederzeit zum höchsten Genuss verhelfen. „Imaginär“ heißt dieses Objekt, weil es zur Ordnung der Bilder (frz. images) gehört, genauer: zur Ordnung der Körperbilder, und um es noch präziser zu sagen: zur Ordnung der bildhaften Vorstellungen von körperlicher Vollkommenheit. Auf diese Weise wird der imaginäre Phallus zu einem fehlenden Objekt: zu einem Organ, das kein Mann je besessen hat und das keiner je besitzen wird. An diesem Maßstab gemessen ist jeder Mann impotent.
Für Lacan ist der imaginäre Phallus das Symbol für die Vitalität, die dem Subjekt durch die Integration in die sprachlich fundierte soziale Ordnung unwiderruflich verloren gegangen ist.
Was es mit dem imaginären Phallus auf sich hat, habe ich erst richtig begriffen, als mir S. vor ein paar Tagen von einem ihrer Unternehmerinnen-Treffen erzählte. Sie hatte eine Teilnehmerin das gefragt, was man auf diesen Treffen zu fragen pflegt: „Was machen Sie denn so?“
Frau A.: Sie kennen doch diese Tupper-Partys?
S.: Aber sicher.
Frau A.: So was mach ich auch. Nur mit Sexspielzeug.
Im Internet habe ich erfahren, dass das Unternehmen Beate Uhse für den Verkauf von Vibratoren ein Vertriebskonzept einsetzt, das „Dildoparty“ genannt wird (amtlich registriertes Markenzeichen, allerdings für PepperParties) und das sich tatsächlich am Tupperware-Modell orientiert. Eine Gastgeberin lädt mindestens acht Frauen ein, eine Beate-Uhse-Verkäuferin („Beraterin“) kommt hinzu und führt der Gruppe Vibratoren vor. Die Gastgeberin wird am Umsatz beteiligt, allerdings auf Naturalbasis: für ihren Anteil darf sie sich aus der „exklusiven Kollektion“ etwas aussuchen.
„Frau A. wäre schwer beleidigt“, sagt mir S., „wenn sie dich jetzt hören könnte. Die Beate-Uhse-Geräte sind – so hat Frau A. sich ausgedrückt – ‚lieblos gemacht‘. Was Frau A. auf ihren Partys zur Schau stellt, ist himmelweit davon entfernt. Was sie dort vorführt, ist der Bentley unter den Vibratoren.“
Das also ist der imaginäre Phallus: kein schlaffer Penis, sondern ein aufgerichteter Phallus. Allerdings auch kein irritierbarer Phallus, sondern ein Vibrator, bei dem die Batterien niemals leer sind. Ein Vibrator im Besitz einer Frau. Aber auch kein Wald-und-Wiesen-Vibrator, sondern eben dies: der Bentley unter den Vibratoren.
Und nicht irgendein Paul.
Ich meine den Paul, über den sich Andreas41 in der Brigitte-Community zum Thema „Welcher Vibrator? “ so geäußert hat:
„Meine Freundin und ich haben gerade Paul von Fun Factory umgetauscht, da der Erste Theater gemacht hat.“
Diesen imaginären Phallus kann man – austauschen, und dadurch beginnt er sich zu verwandeln: in Richtung auf den symbolischen Phallus.