Aufrichtigkeit/Unaufrichtigkeit
Max Ernst, Le premier mot limpide (Beim ersten klaren Wort), 1923, Öl auf Gips, auf Leinwand übertragen, 232 x 167 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Was versteht Lacan unter Aufrichtigkeit und Unaufrichtigkeit?
Die Botschaft des Unbewussten ist der „Signifikant eines Mangels im Anderen“ (vgl. hierzu den vorangehenden Blogeintrag). Damit ist gemeint: Im Sprachsystem fehlt ein Signifikant, die die Wahrheit garantieren könnte. Und das heißt:
„Es gibt keine andere Wahrheitsgarantie als die Aufrichtigkeit (bonne foi) des Anderen, und diese stellt sich dem Subjekt immer in problematischer Form dar.“1
Das Begriffspaar hat einen juristischen Ursprung, die Unterscheidung zwischen bona fides und mala fides, gutem Glauben und Bösgläubigkeit. Ich habe dann in gutem Glauben (bona fide) gehandelt, wenn ich von jemandem eine Sache deshalb erworben habe, weil ich dem Wort, das er mir gab, vertraut hatte; zwar ist er, wie ich jetzt weiß, nicht der Eigentümer, aber er hatte behauptet, er sei es, und ich hatte ihm geglaubt. Bösgläubig (mala fide) habe ich dann gehandelt, wenn ich die Sache von ihm erworben habe, obwohl ich wusste, dass er nicht der Eigentümer war.
Die Unterscheidung von Gutgläubigkeit und Bösgläubigkeit bezieht mein Verhältnis zum anderen also auf die Frage der Wahrheit. Dabei ist Wahrheit nicht eine Eigenschaft der vom anderen geäußerten Sätze. Wahrheit ist hier ein vom anderen erhobener Wahrheitsanspruch, den ich übernehme, an den ich glaube. Dabei geht es letztlich nicht um eine Zweier-, sondern um eine Dreierbeziehung. Ob ich gutgläubig oder bösgläubig gehandelt habe, ist das Urteil eines Dritten, eines Richters, über mein Verhältnis zu einem anderen, vor allem sein Urteil darüber, ob ich die Lüge, die der andere mir auftischte, für wahr hielt oder ob ich sie durchschaute.
Sartre greift das Begriffspaar bonne foi / mauvaise foi auf, in der Bedeutung von Aufrichtigkeit versus Unaufrichtigkeit. Sein Hauptwerk, Das Sein und das Nichts, gipfelt in einer „existentiellen Psychoanalyse“, einer Psychoanalyse, die den Begriff des Unbewussten zurückweist. Das, was Freud als das Unbewusste bezeichnet, ist in Wirklichkeit, so Sartre, eine Unaufrichtigkeit.2 Die Opposition Aufrichtigkeit/Unaufrichtigkeit tritt an die Stelle des Begriffs des Unbewussten.
Lacan knüpft an beide Verwendungsweisen an. Indirekt stimmt er Sartre zu: die Frage von Aufrichtigkeit und Unaufrichtigkeit ist für die Psychoanalyse zentral. Allerdings begreift Sartre die Unaufrichtigkeit als ein Verhältnis des Subjekts zu sich selbst, als eine Art Selbstbetrug. Lacan hält an der intersubjektiven Verwendung des Begriffspaars fest, wie man sie von den Juristen kennt.
Der Rahmen, in dem sich Lacan auf das Begriffspaar bonne foi / mauvaise foi bezieht, lässt sich etwa so beschreiben: Das Sprechen und das es begleitende Verhalten ist unvermeidlich mit einem Wahrheitsanspruch verbunden. Nun wird Wahrheit aber intersubjektiv konstituiert, durch den Bezug des Subjekts zu dem Wahrheitsanspruch, den der Andere in seinem Sprechen und Verhalten dem Subjekt gegenüber erhebt. Diese Beziehung ist asymmetrisch, der Andere ist der Ort der Wahrheit, er legt fest, was als wahr gelten soll, damit definiert er auch die Wahrheit über das, was ich bin. Die vom Anderen beanspruchte Wahrheit kann vom Anderen allerdings nicht garantiert werden. Welche Rolle spielt die konflikthafte Wahrheitsbezug zum Anderen für das Unbewusste, wenn dieses doch durch die Sprache bedingt ist und deshalb strukturiert ist wie eine Sprache?
Im Folgenden gebe ich einen Überblick über Lacans Bemerkungen zu Aufrichtigkeit und Unaufrichtigkeit vor Seminar 6, also vor dem Seminar, in dem er den Begriff „Signifikant des ausgestrichenen Anderen“ bzw. „Signifikant eines Mangels im Anderen“ einführt und mit der Frage der Aufrichtigkeit verknüpft. Ich zitiere und erläutere sämtliche Passagen, in denen die Begriffe in den vorangehenden Seminaren und in den vorher veröffentlichten Schriften verwendet werden. Die Reihenfolge ist chronologisch.
Drei Punkte vor einem Zitat besagen, dass es an die vorher zitierte Stelle nahtlos anschließt.
Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache (1953/56)
Der Analytiker als Garant der Aufrichtigkeit des Patienten
Im Aufsatz Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse (1953/56), dem sogenannten Rom-Vortrag, äußert sich Lacan zur Frage der Sitzungsdauer und fährt danach fort:
„Wie dem auch sei, wenn die Arbeit unserer Funktion (als Analytiker) während dieser Zeit problematisch bleibt, so glauben wir, die Funktion der Arbeit in dem, was hier der Patient realisiert, hinreichend herausgestellt zu haben.
Doch die Realität dieser Zeit, welche Realität auch immer, nimmt von da an einen räumlichen (locale) Wert an, den einer Annahme des Produkts dieser Arbeit. Wir spielen eine Rolle des Aufzeichnens, indem wir die für jeden symbolischen Austausch grundlegende Funktion übernehmen, das zu sammeln, was do kamo, der Mensch in seiner Authentizität, das bleibende Sprechen nennt. Als Zeuge hinzugezogen für die Ehrlichkeit (sincérité) des Subjekts, als Verwahrer des Protokolls seines Diskurses, als Referenz für seine Genauigkeit, als Garant seiner Aufrichtigkeit (droiture), als Hüter seines Testaments, als Notar seiner letztwilligen Anordnungen hat der Analytiker etwas von einem Schreiber (scribe).
Doch er bleibt der Herr der Wahrheit, deren Fortschritt dieser Diskurs ist. Vor allem er ist es, der, wie wir gesagt haben, dessen Dialektik interpunktiert.“3
Der Psychoanalytiker hat die Aufgabe, sich das, was der Patient sagt, anzuhören und es zu behalten, so dass es wieder in Erinnerung gerufen werden kann. Er nimmt das, was der Patient sagt, in Empfang, er sammelt es ein. Damit realisiert er eine räumliche Funktion, er fungiert als Ort, denn ein Ort ist, wie Heidegger sagt, „das Versammelnde“.4 Als Zuhörer ist der Analytiker der „Ort des Sprechens“, wie Lacan es in Die Freud’sche Sache (1956) formulieren wird.5
Diese Registrierfunktion ist für jeden symbolischen Austausch grundlegend, sie stiftet Dauer. In Gesellschaften ohne Schrift übernehmen Tradition und Mythos diese Aufgabe; mit do kamo verweist Lacan auf Leenhardts Studie über den Mythos in der melanesischen Welt.6 In Gesellschaften mit Schrift zeigt sich diese Einsammlungsfunktion etwa im Recht; Lacan deutet das an, indem er die Zuhörerfunktion des Analytikers in juristischen Metaphern beschreibt.
Der Analytiker registriert nicht einfach, was der Patient sagt. Er ist zugleich der Garant von dessen Aufrichtigkeit. Statt von bonne foi spricht Lacan hier von sincérité, Ernsthaftigkeit, und von droiture, Geradheit. Die Ernsthaftigkeit oder Geradheit ist nichts, was dem einzelnen Subjekt innewohnt, sie existiert nur in seiner Beziehung zum Anderen; sie muss vom Anderen anerkannt werden. Darauf verweist im Deutschen am ehesten der Begriff der Glaubwürdigkeit: ob jemand glaubwürdig ist, beruht auf der Einschätzung durch andere.
Auf welche Weise garantiert der Analytiker die Ernsthaftigkeit und Geradheit dessen, was der Patient sagt? Sicherlich nicht dadurch, dass er ihn durch sein Zuhören dazu veranlasst, nichts als die Wahrheit zu sagen. Er realisiert diese Funktion dadurch, dass er in bestimmtem Sinne an das Gesagte glaubt, nicht insofern, als er die Behauptungen des Patienten für richtig hält, sondern insofern, als er registriert, wenn sich in dessen Sprechen die Wahrheit zeigt. Die Wahrheit besteht hier nicht in objektbezogenen Behauptungen (etwa „meine Mutter hat mich schlecht behandelt“), sondern im „vollen Sprechen“, in Akten der wechselseitigen Anerkennung von Typ „Du bist meine Frau“ / „Du bist mein Mann“. Darauf verweisen die juristischen Metaphern: das, was der Psychoanalytiker registriert, sind Sprechakte, in denen eine Art Vertrag abgeschlossen wird. Er ist ein Zeuge in der Art, wie ein Trauzeuge das Eingehen eines Ehekontrakts bezeugt, er ist Protokollant nicht wie ein Stenograph, sondern wie jemand, der ein Entscheidungsprotokoll anfertigt.
Der Psychoanalytiker ist insofern der Herr dieser Wahrheit, als er den Diskurs des Patienten, wenn sich darin eine Wahrheit andeutet – wenn sich das volle Sprechen manifestiert –, auf irgend eine Weise interpunktiert, sei es, dass er „mhmh“ sagt, sei es, dass er eine Deutung anbringt, sei es, dass er – wie Lacan – die Sitzung beendet. In solchen Aktionen zeigt sich, dass er das, was der Patient sagt, als etwas aufnimmt, was Geltung hat, bezeugt er also dessen Aufrichtigkeit.
Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse (1955)
Ich schmuggle eine Passage ein, in der zwar nicht wörtlich von Aufrichtigkeit oder Unaufrichtigkeit die Rede ist, die aber der Konzeption des Mangels im Anderen in Seminar 6 besonders nahekommt. Statt um bonne foi oder mauvaise foi geht es hier um die Frage des Betrugs.
„Der Schritt Freuds läßt sich nicht erklären durch die einfach nichtige Erfahrung der Tatsache, diesen oder jenen behandeln zu müssen, er steht wirklich im Zusammenhang mit einer Revolution, die auf dem gesamten Feld dessen stattfindet, was der Mensch von sich und seiner Erfahrung denken kann; auf dem gesamten Feld der Philosophie – man muß es schon bei seinem Namen nennen.
Diese Revolution läßt den Menschen wieder als Schöpfer in die Welt eintreten. Dieser aber läuft Gefahr, sich völlig seiner Schöpfung beraubt zu sehen durch jenen simplen Kniff, der in der klassischen Theorie immmer beiseite gelassen wurde und der darin besteht zu sagen – Gott ist kein Betrüger (trompeur).
Dies ist so essentiell, daß Einstein darüber am selben Punkt stehenblieb wie Descartes. Der Herr, sagte er, ist sicher ein bißchen listig, doch ist er nicht unredich (malhonnête). Es war wesentlich für seine Organisation der Welt, daß Gott kein Betrüger war. Aber gerade davon wissen wir nichts.“7
Descartes hatte sich gefragt, ob Gott ein Betrüger sei und so geantwortet: Wäre Gott ein Betrüger, wäre er unvollkommen. Nun ist Gott aber vollkommen. Also ist Gott kein Betrüger.8 Das berühmte Einstein-Zitat lautet wörtlich: „Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist er nicht.“9
Gegen Descartes und gegen Einstein hält Lacan fest: Wir wissen nicht, ob Gott redlich ist oder ob er ein Betrüger und boshaft ist. Hieraus wird später der „Mangel im Anderen“, Ⱥ.
Varianten der klassischen ur (1955)
Die Unaufrichtigkeit der etablierten psychoanalytischen Praxis
In Varianten der klassischen Kur (1955) spricht Lacan über die etablierte Praxis der Psychoanalyse; in seinen Augen ist sie durch „Unaufrichtigkeit“ charakterisiert.
Die unterschiedlichen Formen der Behandlung haben dazu geführt, dass die Frage aufgeworfen wurde, wo diese Varianten ihre Grenze haben, ihren Endpunkt, wo also eine Behandlung aufhört, eine Psychoanalyse zu sein. Man hat das Problem dadurch zu lösen versucht, dass man eine Standardbehandlung definiert hat, und die einzig richtige Antwort auf diese Verabsolutierung einer bestimmten Behandlungsform scheint darin zu bestehen, ein homme réel zu sein, ein wirklicher Mann / ein realer Mensch, also selbst nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, was eine psychoanalytische Behandlung ist. Damit kann deren Mehrdeutigkeit allerdings nicht beseitigt werden.
„Von daher hat es wenig Bedeutung, dass der reale Mensch die Mühe, diesen Endpunkt zu definieren, von sich abwälzt, auf Autoritäten, die hier nur eine Scheinlösung bieten, oder dass er sich damit zufrieden gibt, diesen Endpunkt in seiner Strenge zu verkennen, wodurch er es vermeidet, seine Grenze zu erfahren; in beiden Fällen wird er in seinem Handeln eher der Spielball sein als der Spieler, aber es wird ihm nur umso leichter fallen, hier die Talente unterzubringen, die ihn daran anpassen – ohne mitzubekommen, dass er, indem er sich hier der Unaufrichtigkeit der etablierten Praxis ausliefert, sie auf das Niveau von Routinen absinken lässt, deren Geheimnisse von den geschickten Analytikern vermittelt werden, Geheimnisse, die von daher unkritisierbar sind, dass sie immer denselben Talenten untergeordnet sind, selbst wenn es auf der Welt keine mehr davon gäbe, die sie sich selbst zu entdecken vorbehalten.“10
Der „reale Mensch“ kann die die Frage, wann eine Analyse aufhört, eine Analyse zu sein, den Autoritäten überlassen – diese bieten allerdings nur Scheinlösungen. Er kann akzeptieren, dass er das Problem nicht lösen kann, dass er also möglicherweise etwas betreibt, was keine Psychoanalyse ist. Beides sind passive Vorgehensweisen. Durch sie liefert er sich der etablierten Praxis aus, und sein Handeln wird zur bloßen Routine, beruhend auf Techniken, die von geschickten Praktikern – den Lehranalytikern – weitergegeben werden.
Den Schluss habe ich nicht verstanden, vielleicht ist gemeint: Die Möglichkeit, diese Techniken zu erlernen, wird von den Lehranalytikern zu einer Sache des Talents erklärt; ob jemand das nötige Talent hat, wird ebenfalls von ihnen bestimmt; damit immunisieren sie sich gegen Kritik an ihrer Tätigkeit als Lehranalytiker.
Die etablierte Praxis der Psychoanalyse ist unaufrichtig – inwiefern? Im Lichte der zitierten Bemerkungen aus dem Rom-Vortrag kann man vermuten, dass die Unaufrichtigkeit für Lacan darin besteht, dass in dieser Praxis der Psychoanalytiker nicht die Aufgabe hat, Zeuge und Garant der Aufrichtigkeit des Patienten zu sein, dass er nicht die Aufgabe hat, das wahre Sprechen des Patienten einzusammeln und zu interpunktieren, sondern dass er sich ihm als starkes Ich anbietet.
Die Unaufrichtigkeit des Überzeugungsdiskurses
Im selben Aufsatz unterscheidet Lacan drei Arten des Sprechens:
– das wahre Sprechen, das auf Anerkennung abzielt,
– den wahren Diskurs der Erkenntnis
– und, zwischen beiden vermittelnd, das Sprechen, das dazu dient, den anderen zu überzeugen.
Die dritte Form des Sprechens beruht, Lacan zufolge, auf der Unaufrichtigkeit.
Er beginnt so:
„Man kann also sagen, dass das Sprechen sich als eine Kommunikation manifestiert, in der das Subjekt nicht nur, in der Erwartung, dass der andere seine Botschaft wahr macht, sie in einer umgekehrten Form vorbringt, sondern in der diese Botschaft ihn dadurch verändert, dass sie verkündet, dass er derselbe ist. Wie es in jedem bekundeten Glauben (foi donné) erscheint, wo die Erklärungen von ‚Du bist meine Frau‘ oder ‚Du bist mein Herr‘ bedeuten: ‚Ich bin dein Gatte‘, ‚Ich bin dein Schüler‘.“11
In der ersten Form des Sprechens – im Rom-Vortrag wird es als „volles Sprechen“ bezeichnet – artikuliert das Subjekt seine eigene Botschaft in umgekehrter Form. Es sagt zu einer anderen „Du bist meine Frau“, in der Erwartung, dass sie ihm darauf antwortet: „Du bist mein Mann“. Wenn sie ihm diesen Gefallen tut, wird in ihrem Sprechen in umgekehrter Form die eigene Botschaft des Subjekts artikuliert, nämlich „Ich bin dein Mann“. Mit „Du bist meine Frau“ wird ein Wahrheitsanspruch erhoben. Die Besonderheit dieser Art von Wahrheitsanspruch besteht darin, dass er durch ihre Antwort erfüllt wird; erst wenn sie ihm antwortet „Du bist mein Mann“, wird der Satz „Du bist meine Frau“ wahr.
Die Botschaft verändert das Subjekt: sie macht es zum Ehemann; und sie verändert es genau dadurch, dass sie ihm eine Identität zuweist, die mit diesem Sprechakt identisch ist.
Die Erklärung „Du bist meine Frau“ ist verbunden mit einem foi donné , einem „gegebenen Glauben“, mit dem Glauben an das gegebene Wort, la foi de la parole donné, wie es in einer Parallelstelle im Discours de Rome heißt.12 Das Wort ist eine Gabe, durch die eine neue Beziehung gestiftet wird; die wechselseitige Bekundung „Du bist meine Frau“ / „Du bist mein Mann“ funktioniert wie ein Gabentausch.13
… „Das Sprechen scheint also umso mehr wahrhaft ein Sprechen zu sein, je weniger seine Wahrheit sich auf das gründet, was man die Adäquation mit der Sache nennt: paradoxerweise steht das wahre Sprechen so im Gegensatz zum wahren Diskurs, wobei ihre Wahrheit sich darin unterscheidet, dass die erste Wahrheit dadurch konstituiert wird, dass die Subjekte ihr Sein anerkennen, und zwar insofern, als sie hier ‚inter-essiert‘ sind, während die zweite durch die Erkenntnis des Realen konstituiert wird, insofern es vom Subjekt in den Objekten angezielt wird. Aber jede dieser hier unterschiedenen Wahrheiten verschlechtert sich, wenn sie auf ihrem Weg den der anderen kreuzt.“14
Beim „wahren Sprechen“ geht es um eine Wahrheit, die anders ist als die Wahrheit, von der die Philosophen gesprochen haben, Wahrheit als Übereinstimmung zwischen Verstand und Sache. Es gibt also zwei Formen der Wahrheit, die Wahrheit des „wahren Sprechens“, die durch die anerkennende Antwort erwiesen wird, etwa durch die Antwort „Du bist mein Mann“, und die Wahrheit des „wahren Diskurses“, durch den Erkenntnis herbeigeführt werden soll. Zwischen beiden gibt es nicht nur einen Unterschied, sondern einen Gegensatz: das wahre Sprechen ist umso wahrhafter, je weniger es mit der Wahrheit des wahren Diskurses zu tun hat. Wenn ich zu ihr sage, „Du bist meine Frau“, ist das umso weniger wahr, je mehr sie tatsächlich bereits meine Frau ist.
Die Wahrheit des wahren Sprechens wird dadurch hervorgebracht, dass beide Subjekte sich wechselseitig anerkennen; sie erkennen sich in ihrem Sein an (Du bist meine Frau, du bist mein Mann), und dieses Sein, lateinisch esse, ist ein „inter-esse“, ein Zwischen-Sein, das Sein ihrer Beziehung. Das ist eine andere Wahrheit als die Wahrheit des wahren Diskurses, nämlich die Erkenntnis des Realen in den Objekten.
Wenn diese beiden Wahrheitsarten einander beobachten, verändern sie sich; sie schlagen um in ihr Gegenteil und werden zur Lüge. Was zunächst nur ein Gegensatz war, gerät in eine dialektische Bewegung, die an Hegels Phänomenologie des Geistes erinnert.
… „Es ist nämlich so, dass der wahre Diskurs das gegebene Wort, indem er aus ihm die Gegebenheiten des Versprechens herauslöst, als lügenhaft erscheinen lässt, weil es die Zukunft bindet, die, wie man sagt, niemandem gehört, und außerdem als mehrdeutig, insofern es beständig über das Sein hinausgeht, dass es betrifft, in der Entfremdung, in der sein Werden sich bildet.“14
Der wahre Diskurs der Erkenntnis hält sich an die Daten, wörtlich: an das Gegebene; für ihn ist der Satz „Du bist meine Frau“ das Konstatieren einer Tatsache, verbunden mit einer Prognose. Die Voraussage ist falsch, denn die Zukunft lässt sich nicht kontrollieren.
Außerdem bezieht sich das wahre Sprechen auf Wesen, die im Werden sind, die in Entwicklung begriffen sind, wobei sich dieses Werden in der entfremdenden Beziehung zum anderen vollzieht. Das wahre Sprechen ist mehrdeutig – ich vermute, dass damit folgendes gemeint ist: Wenn ich sage: „Du bist meine Frau“, ist nicht klar, worauf ich mich beziehe: Auf die, die sie jetzt ist, oder auf die, die sie in der entfremdenden Beziehung zum anderen werden wird?
… „Wenn aber das wahre Sprechen den wahren Diskurs darüber befragt, was er bedeutet, wird es feststellen, dass die Bedeutung immer auf die Bedeutung verweist, kann doch kein Ding anders gezeigt werden als durch ein Zeichen, und von daher wird es ihn als zum Irrtum verurteilt erscheinen lassen.“15
Das wahre Sprechen der Anerkennung hat sich vom wahren Diskurs der Erkenntnis belehren lassen. Der wahre Diskurs der Erkenntnis fordert als Wahrheitsbedingung klare und eindeutige Bedeutungen. Nun gut, sagt das wahre Sprechen der Anerkennung, fragen wir also: wie funktioniert im wahren Diskurs eine Bedeutung? In der Weise, dass Bedeutung auf Bedeutung verweist. Wenn ich wissen will, was „Ehefrau“ bedeutet, werde ich auf „verheiratete Frau“ verwiesen, will ich wissen, was „Frau“ bedeutet, auf „weiblicher erwachsener Mensch“, wenn ich frage, was „Mensch“ heißt, verweist man mich auf „höheres Säugetier aus der Gattung der Primaten“ – und so weiter. Ich habe keinen direkten Zugang zu den Dingen, nur durch Zeichen kann ich mich auf sie beziehen; durch Zeichen, die auf andere Zeichen verweisen. Das Problem ist das „und so weiter“ – in dieser Verweisungsbewegung gibt es keinen Stillstand. Also kommt mit jeder Bedeutung das ganze Sprachsystem ins Spiel, ein Prozess, der sich unmöglich kontrollieren lässt. Also ist der wahre Diskurs der Erkenntnis, der ein stabiles Fundament der Erkenntnis dadurch sichern will, dass er sich auf eindeutige Bedeutungen stützt, auf Sand gebaut; er ist dazu verurteilt, unwahr zu sein.
Warum ist diese Beobachtung gerade die des auf Anerkennung zielenden wahren Sprechens? Ich nehme an, weil dieses wahre Sprechen eine Möglichkeit sieht, die Verweisbewegung zum Stillstand zu bringen: durch die Anerkennung eines Anderen, an den es glaubt und der ihm glaubt.
… „Wie, zwischen der Charybdis und der Skylla dieser wechselseitigen Beschuldigung des Sprechens, könnte der intermediäre Diskurs – derjenige, in dem das Subjekt, in der Absicht, sich anerkennen zu lassen, das Wort an den anderen richtet, dabei das in Rechnung stellend, was es über sein Sein als Gegebenheit weiß – nicht zu den Wegen der List gezwungen sein?“15
Neben dem wahren Sprechen, das auf Anerkennung zielt, und dem wahren Diskurs, der Erkenntnis anstrebt, gibt es eine dritte Form des Sprechens. Sie wird hier von Lacan als „intermediärer Diskurs“ bezeichnet, als Diskurs, der zwischen den beiden anderen steht und zwischen ihnen vermittelt. In dieser dritten Diskursart geht es einerseits darum, dass das Subjekt das Wort an den anderen richtet, um sich von ihm anerkennen zu lassen – dieses Element übernimmt sie vom wahren Sprechen. Im intermediären Diskurs stellt das Subjekt aber außerdem in Rechnung, was es über das Sein des Anderen als Gegebenheit weiß, es bezieht sich auf das Sein des Anderen nicht als durch das Sprechen gestiftete Beziehung, sondern als Datum, als psychologische Gegebenheit; dieses Vorgehen hat er mit dem Diskurs der Erkenntnis gemein. Um welche dritte Art des Sprechens geht es?
Um ein Sprechen, bei dem die List ins Spiel kommt, um einen Diskurs also, in dem der Adressat auf raffinierte Weise getäuscht werden soll.
… „So geht der Diskurs tatsächlich vor um zu überzeugen, con-vaincre, ein Wort, dass in den Prozess, in dem eine Übereinkunft hergestellt wird, die Strategie einschließt. Und wie wenig man an dem Unternehmen, ja auch nur an der Unterstützung einer menschlichen Institution teilgenommen haben mag, so weiß man doch, dass der Kampf um die termes, um die Begriffe und um die Konditionen, auch dann weitergeht, wenn eine Übereinkunft erreicht worden ist; worin sich ein weiteres Mal die Prävalenz des mittleren Terms manifestiert, nämlich des Sprechens.“15
Die dritte Art des Sprechens ist der Diskurs, der darauf abzielt, den anderen zu überzeugen, um auf diesem Wege eine Übereinkunft zu erzielen. Das französische Wort für überzeugen, convaincre, enthält vaincre, besiegen; das Überzeugen ist eine Form des Kämpfens, in dem ein Sieg angestrebt wird und auf diesem Weg ein Friede. Der Sieg besteht in der Zustimmung des Anderen, das Mittel hierzu ist das strategische oder taktische Verhalten, die List.
Selbst dann, wenn eine Vereinbarung erzielt worden ist, geht der Kampf um die Begriffe und damit um die Konditionen der Vereinbarung weiter; der Überzeugungskampf kommt nie zum Abschluss. Das weiß jeder, der auch nur am Rande an einer „menschlichen Institution“ beteiligt war – vielleicht spielt Lacan hier auf die Konflikte in der Société Psychanalytique de Paris an und sowie auf die Gründung der Société Française de Psychanalyse im Jahr 1953.
In der Unabschließbarkeit des Überzeugungskampfes zeigt sich die Vorherrschaft von etwas, was man mit einem Begriff der Logik als mittleren Terminus oder mittleren Hauptbegriff bezeichnen kann. In einem Syllogismus ist der mittlere Hauptbegriff derjenige, der die beiden anderen Hauptbegriffe vermittelt. In einem Kampf geht es um die Vermittlung zwischen den Konfliktparteien, und die Vermittlungsfunktion obliegt hier dem Sprechen, das überzeugen soll.
… „Dieser Prozess vollzieht sich in der Unaufrichtigkeit des Subjekts, die seinen Diskurs zwischen Täuschung, Mehrdeutigkeit und Irrtum steuert. Aber dieser Kampf, um einen so prekären Frieden zu sichern, würde sich nicht als das gewöhnlichste Feld der Intersubjektivität anbieten, wenn der Mensch nicht vom Sprechen bereits vollständig überredet wäre, per-suadé, das heißt, dass es ihm darin durch und durch gut geht.“15
An dieser Stelle bringt Lacan die Unaufrichtigkeit ins Spiel. Der Überzeugungskampf stützt sich auf List und strategisches Verhalten, also auf die Unaufrichtigkeit des Subjekts; von dieser Unaufrichtigkeit wird er beherrscht. Eine Form der Unaufrichtigkeit ist die direkte Täuschung, eine andere besteht darin, die eigenen Absichten durch Mehrdeutigkeiten zu verschleiern. Aber auch der Irrtum, also die Selbsttäuschung, wird hier von Lacan der Unaufrichtigkeit zugeordnet.
Im analytischen Diskurs hat der Analytiker die Funktion, die Aufrichtigkeit des Patienten zu bezeugen. Der Überzeugungsdiskurs ist der Diskurs der Unaufrichtigkeit. Man wird das zusammenbringen dürfen: Im analytischen Diskurs geht es auf keinen Fall darum, den anderen von etwas zu überzeugen.
Wie lässt sich erklären, dass der Überzeugungsdiskurs die gewöhnliche Form der Intersubjektivität ist – häufiger als die beiden anderen Formen des Sprechens – , wo der Friede doch immer prekär ist und der Kampf um die Begriffe nie zu einem Ende kommt? Damit, dass der Mensch immer schon „überredet“ ist, per-suadé, von einer Suada, einem Schwall süßer Worte durchdrungen – anders gesagt: im Sprechen fühlt er sich wohl.
… „Es ist auch so, dass der Mensch in der Unterordnung seines Seins unter das Gesetz der Anerkennung von den Avenuen des Sprechens durchquert wird, und deshalb ist er für jede Suggestion offen. Aber er hält sich auf und verliert sich im Diskurs der Überzeugung aufgrund der narzisstischen Trugbilder, die die Beziehung zum anderen seines Ichs beherrschen.“15
Da der Mensch einen Zugang zu seinem Sein nur dadurch gewinnt, dass er vom Anderen anerkannt wird, geht das Sprechen gewissermaßen durch ihn hindurch, deshalb steht er einer vierten Form des Sprechens offen: der Suggestion; sein Angewiesensein auf Anerkennung macht ihn zur leichten Beute dieser Art der symbolischen Gewalt.
Aber er hält sich vor allem beim dritten Typ des Sprechens auf, beim Reden um zu überzeugen. Dies liegt daran, dass sich diese Form der sprachlich vermittelten Intersubjektivität auf die narzisstische oder imaginäre Beziehung zum anderen stützt. In der imaginären Beziehung ist der andere für mich derjenige, der mir ähnlich ist und der zugleich mein Rivale ist; in dieser Verdopplung existiert das Ich. Der Überzeugungsdiskurs ist deshalb so verbreitet, weil er sich auf die imaginäre Beziehung zum anderen stützt.
… „Auf diese Weise kommt es dazu, dass die Unaufrichtigkeit des Subjekts – die für diesen intermediären Diskurs derart konstituierend ist, dass sie nicht einmal im Freundschaftsbekenntnis fehlt – sich verdoppelt in der Verkennung, in dem sich diese Trugbilder errichten. Dies ist das, was Freud als die unbewusste Funktion des Ichs seiner Topik bezeichnet hat, bevor er ihre wesentliche Form im Diskurs der Verneinung aufzeigte (Die Verneinung, 1925).“15
Lacan wiederholt seine These: Für den Diskurs der Überzeugung ist die Unaufrichtigkeit grundlegend. Das Eingeständnis einer Freundschaft ist eine Form des wahren Sprechens – eine Selbstverpflichtung, die auf die Anerkennung durch den Anderen abzielt. Diese Form des wahren Sprechens kann vom Überzeugungsdiskurs strategisch in Dienst genommen werden.
Dadurch, dass der Überzeugungsdiskurs sich auf die imaginäre Beziehung stützt, verdoppelt sich der trügerische Charakter der Beziehung. Die sprachlich vermittelte (symbolische) Unaufrichtigkeit wird durch das (imaginäre) Verkennen ergänzt und stabilisiert.
In Jenseits des Lustprinzips (1920) hatte Freud zuerst gezeigt, dass die verdrängende Instanz nicht das Bewusstsein ist, sondern das Ich, und dass der verdrängende Charakter des Ichs unbewusst ist. Das Ich ist eine Instanz der Verkennung, wie Lacan bereits in Seminar 1 von 1953/54, Freuds technische Schriften, erklärt hatte.16 Dies gilt in einem doppelten Sinn: es bewirkt die Verdrängung bestimmter Triebregungen und führt so zu deren Verkennung; seine eigene Arbeitsweise ist dem Bewusstsein entzogen, wird also verkannt. Die Verneinung ist insofern die wesentliche Form der Verkennung, als sich in ihr die Abwehrfunktion des Ichs mit der Sprache verbindet.17
In welchem Sinne also ist die etablierte Praxis der Psychoanalyse unaufrichtig? Will Lacan sagen, dass sie darauf abzielt, den Patienten von etwas zu überzeugen?
Die Freud’sche Sache (1955)
Aufrichtigkeit durch das argumentum ad hominem
In Die Freud’sche Sache (1955) schreibt Lacan:
„Die Lehrfabel über mein Rednerpult und die übliche Praxis des Überzeugungsdiskurses werden ihm (dem Analytiker), wenn er darüber nachdenkt, zur Genüge zeigen, dass kein Diskurs, auf welche Trägheit er sich auch stützt oder an welche Leidenschaft er auch appellieren mag, sich nur an den guten Zuhörer wendet, dem er das Heil bringt (au bon entendeur auquel il porte son salut).18 Selbst das, was man das argumentum ad hominem nennt, wird von dem, der es praktiziert, nur als Verführung gesehen, um vom anderen in seiner Authentizität zu erreichen, dass er ein Sprechen akzeptiert, ein Sprechen, das zwischen den beiden Subjekten einen Pakt herstellt, der ausdrücklich erklärt sein kann oder auch nicht, der aber in beiden Fällen außerhalb der Argumentationsgründe liegt.“19
Kein Diskurs wendet sich nur an den gutwilligen Hörer, der daraus die Schlussfolgerungen zu ziehen weiß und dessen Wohl er dient – in keinem Diskurs geht es nur um Argumente und Interessen. Die Argumente stehen auch nicht nur im Dienste von Trägheiten und Leidenschaften (wie Hume sagt). In einem Diskurs geht es außerdem darum, zwischen Sprecher und Hörer einen Pakt zu schließen, d.h. darum, sich wechselseitig anzuerkennen; dieser Pakt liegt außerhalb der Argumentationsgründe.
Das zeigt sich am argumentum ad hominem, also in der Zurückweisung einer Behauptung mit dem Verweis auf persönliche Mängel des Behauptenden. Diese Art des Argumentierens gilt als Fehlschluss – daraus, dass jemand ein schlechter Mensch ist, folgt nicht, dass seine Behauptung falsch ist. Diese Kritik verkennt, wie Lacan meint, worauf das argumentum ad homimem abzielt: nicht auf Wahrheit durch Begründung, sondern auf Wahrheit durch Anerkennung des Begehrens. Die persönliche Diffamierung soll den anderen dazu verführen, sich aufzuregen, so dass sich der Überzeugungsdiskurs im Idealfall in eine gegenseitige Beschimpfung verwandelt. Eine solche Diskursform ist aufrichtig – in ihr herrscht nicht mehr die List des Überzeugungsdiskurses, in ihr manifestiert sich vielmehr das Begehren, und zwar so, dass weiter miteinander gesprochen wird – das Begehren wird anerkannt.
Die Regeln der Logik und des Rechts und die Aufrichtigkeit bzw. Unaufrichtigkeit des Anderen
Lacan fährt fort:
… „Gewöhnlich weiß jeder, dass die anderen, ganz wie er selbst, den Zwängen der Vernunft unzugänglich bleiben, außer beim grundsätzlichen Akzeptieren einer Diskussionsregel, die nicht ohne ein explizites oder implizites Einvernehmen über das auskommt, was man ihren Grundbestand nennt, was fast immer auf ein vorweggenommenes Einvernehmen über das hinausläuft, was in Frage steht. Was man Logik oder Recht nennt, ist nie mehr als ein Korpus von Regeln, die mühselig auf einen bestimmten Moment der Geschichte abgestimmt wurden, gebührlich datiert und verortet durch ein Ursprungszertifikat, der Agora oder des Forums, der Kirche, ja der Partei. Ich werde also von diesen Regeln nichts erhoffen außer der Aufrichtigkeit (bonne foi) des Anderen und mich ihrer als letztes Mittel nur dazu bedienen – wenn ich es für gut halte oder wenn man mich dazu zwingt – , um die Unaufrichtigkeit (mauvaise foi) bei Laune zu halten.“20
Die Vernunft ist keine Sache des Einzelnen, sie ist gebunden an bestimmte Regeln der Gesprächsführung. Damit eine Diskussion funktioniert, braucht es ein gemeinsames Vorverständnis. Dieses Vorverständnis impliziert oft einen Konsens über das, was doch gerade zur Diskussion steht.
Das gemeinsame Vorverständnis bezieht sich auf Regeln der Logik und des Rechts. Inwiefern des Rechts? Insofern, als geklärt werden muss, wer ein legitimer Diskussionsteilnehmer ist?
Diese Regeln haben keinen überhistorischen Charakter, sie sind mit beträchtlichem Aufwand an bestimmte historische Situation angepasst worden. Die zuerst von Aristoteles formulierten Regeln der Logik verweisen auf die Agora, auf die Versammlung der Polisbürger. Die in Rom formulierten juristischen Normen beruhen letztlich auf der Institution des Forums, der Versammlung der römischen Bürger. Diese beiden Regelapparate sind von der Scholastik ausgebaut und umgebaut worden, im Dienste der Kirche. Selbst eine Partei – z. B. die kommunistische – kann diese Ursprungsfunktion übernehmen.
Von den Regeln der Logik oder des Rechts, von dieser Kultur, ist dann nichts zu erwarten, wenn es um die Subjektivität geht, die von diesen Regeln ins Abseits gedrängt wird, um das „Unbehagen in der Kultur“, wie Freud sagt – und eben dieses Unbehagen, das Sein des Subjekts, ist das Thema der Psychoanalyse.
Allerdings kann man von diesen Regeln eins erhoffen: la bonne foi des Anderen, also dies, dass der Zuhörer ein aufrichtiger Zuhörer ist. Lacan sagt hier nicht, was er darunter versteht, ich nehme an, dass gemeint ist, dass der Zuhörer ihn unvoreingenommen und im Prinzip wohlwollend anhört; der Akzent von bonne foi verschiebt sich hier in Richtung auf den guten Glauben. Wenn er, Lacan, sich an die Regeln hält, verschafft er sich damit vielleicht diesen Vertrauensvorschuss.
Im Rom-Vortrag ging es um die Wahrhaftigkeit des Patienten, die durch den Analytiker, der in der Position des Zuhörers ist, bezeugt und garantiert wird. Jetzt geht es um den bonne foi des Zuhörers, also vermutlich darum, dass er dem, was er hört, ein gewisses Vertrauen entgegenbringt; dass er „bereit ist, sich darauf einzulassen“, wie man sagt. Die Aufrichtigkeit kann demnach auf beiden Seiten lokalisiert werden, auf der Seite des Sprechers und auf der Seite des Anderen; der Adressat kann ein aufrichtiger oder ein unaufrichtiger Zuhörer sein.
Lacan kündigt an, dass er sich der Regeln der Logik und des Rechts gelegentlich dazu bedienen wird, um die Unaufrichtigkeit zu amüsieren. Das könnte sich auf die unaufrichtigen, die bösgläubigen Zuhörer beziehen, diejenigen, die nicht bereit sind, sich auf das, was er vorbringt, einzulassen; er kann sie nicht gewinnen, nur amüsieren. Es könnte aber auch seine eigene Unaufrichtigkeit gemeint sein. Es kann ihm angebracht erscheinen, einen Überzeugungsdiskurs zu halten. In diesem Falle ist er, nach seinen eigenen Voraussetzungen, unaufrichtig – und kann daran sein Vergnügen haben.
Die Objektbeziehung (1957)
Das Kind als Verführer und seine Frage nach der Aufrichtigkeit des Anderen
In Seminar 4 von 1956/57, Die Objektbeziehung, spricht Lacan über das Spiel der sexuellen Parade, über die Verführungsversuche des kleinen Jungen gegenüber der Mutter. Hierbei nimmt das Kind, so erklärt er, zwei unterschiedliche Positionen ein, und dies gleichzeitig. Es ist erstens der Stratege, der sich an die Mutter wendet, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln und sie zu faszinieren; es ist außerdem der Köder, nämlich der Körper, der eingesetzt wird, um ihr Begehren einzufangen. Aber nicht nur der Junge, auch die Mutter verdoppelt sich. In der Beziehung zwischen dem Jungen und der Mutter kommt es
„hinter der Mutter zu einem Auftauchen von etwas, was die Aufrichtigkeit (la bonne foi) ist, das, wobei die Mutter gepackt werden kann, wenn man so sagen kann. Darin zeichnet sich bereits eine ganze intersubjektive Dreieinigkeit, ja Viereinigkeit ab.“21
Die Mutter ist in dieser Beziehung nicht nur diejenige, die verführt werden soll. Sie wird vom Jungen auch unter dem Gesichtspunkt befragt, ob ihre Reaktion auf die sexuelle Parade aufrichtig ist oder unaufrichtig.
Das Verführungsspiel des Jungen mit der Mutter ist eine Viererbeziehung, die sich mit dem sogenannten Schema L darstellen lässt.22 Der Junge gibt der Mutter etwas von sich zu sehen, den Phallus in der imaginären Funktion. Der Junge ist in der Position des Subjekts, die Beziehung zwischen der Mutter und dem imaginären Phallus ist ein imaginäres Verhältnis. Durch die Frage des Jungen nach der Aufrichtigkeit der Mutter wird eine vierte Größe ins Spiel gebracht: der Andere oder die Andere als Ort der Wahrheit.
Das erinnert an die Szene, mit der Sartre in Das Sein und das Nichts den Begriff der Unaufrichtigkeit einführt. Ein Mann trifft sich mit einer jungen Frau. Er begehrt sie. Sie reduziert sein Verhalten auf die Bekundung von Bewunderung und Respekt. Er ergreift ihre Hand. „Man weiß, was nun geschieht: die junge Frau gibt ihre Hand preis, aber sie merkt nicht, daß sie sie preisgibt. Sie merkt es nicht, weil es sich zufällig so fügt, daß sie in diesem Augenblick ganz Geist ist.“23 Diese Frau, so fährt Sartre fort, ist unaufrichtig; er deutet die Unaufrichtigkeit als ein Verhalten der Frau sich selbst gegenüber.
Es ist, als würde Lacan sagen: Mein lieber Sartre, Sie unterschlagen die intersubjektive Seite der Unaufrichtigkeit. In der von Ihnen geschilderten Szene ist es doch der Mann, der sich fragt, ob das Verhalten der Frau aufrichtig ist oder unaufrichtig; Ihre Beispiele sind besser als Ihre Theorie. Der Mann bezieht sich nicht einfach auf die Frau; indem er sich fragt, ob ihre Reaktion aufrichtig ist, bringt er zugleich den Anderen ins Spiel.
Lacan knüpft hier an Freuds Überlegungen zur kindlichen Sexualforschung an. Bei Freud kann man lesen: „Viele der Exhibitionen und Aggressionen, welche das Kind vornimmt und die man im späteren Alter unbedenklich als Äußerungen von Lüsternheit beurteilen würde, erweisen sich der Analyse als Experimente im Dienste der Sexualforschung angestellt.“24 Lacan fügt gewissermaßen hinzu: Die kindliche Sexualforschung ist nicht zuletzt Erforschung der Sexualität der Anderen; wie jede Forschung bezieht sie sich auf Wahrheit; die Wahrheit ist intersubjektiv verfasst, deshalb bezieht sich die kindliche Sexualforschung auf die Funktion des Anderen als Wahrheitsgaranten.
Der Analytiker als Anderer, der die Aufrichtigkeit des Diskurses der Neurose zu garantieren hat
Über das Verhältnis zwischen dem Diskurs der Neurose und dem Dialog der Analyse heißt es später in Seminar 4:
„Nur, es gibt den organisierten Diskurs (der Neurose), und es gibt etwas, was die Dinge kompliziert macht, nämlich die Art und Weise, wie sich ein Dialog für die Lösung dieses Diskurses einsetzt. Das kann nicht anders geschehen als so, dass wir selbst eigentlich unseren Platz als den Ort anbieten, an dem sich ein Teil der Terme dieses Diskurses verwirklichen muss, eines Diskurses, der im Prinzip, einzig aufgrund der Tatsache, dass er ein Diskurs ist, virtuell und von Anfang an irgendwo diesen Anderen mit sich bringt, der insgesamt der Platz ist, der Zeuge, der Garant, der ideale Ort seiner Aufrichtigkeit.“25
Der Grundgedanke ist bereits aus dem Rom-Vortrag bekannt. Was dort sincérité und droiture genannt wurde, Ernsthaftigkeit und Geradheit, heißt jetzt bonne foi. Die Neurose ist ein organisierter Diskurs, und die psychoanalytische Kur ist ein Dialog, der die Aufgabe hat, in den Diskurs der Neurose einzugreifen und ihn zu verändern. Grundlegend hierfür ist die Übertragung. Sie besteht darin, dass der Analytiker für den Patienten einen Platz einnimmt, der im Diskurs der Neurose eine strukturierende Funktion hat, der also ein Term dieses Diskurses ist: den Platz desjenigen, der die Aufrichtigkeit des Subjekts anerkennt, sie garantiert.
Dieser Platz ist keine Besonderheit der Neurose, er gehört zu jedem Diskurs. Wenn ich zu jemandem spreche, beanspruche ich in den meisten Formen des Sprechens, aufrichtig zu sein, auch wenn ich lüge. Damit rufe ich einen virtuellen Anderen an, der Zeuge meiner Aufrichtigkeit ist. Auf diesen Platz setze ich für gewöhnlich ein lebendiges Individuum, den realen Hörer; ich bin darauf angewiesen, dass er mir glaubt.
Der Platz des Zeugen und Garanten der Aufrichtigkeit des Subjekts wird hier von Lacan auf drei unterschiedliche Diskursformen bezogen: Er ist eine Funktion des gewöhnlichen Sprechens; er ist eine Bezugsgröße der Neurose; der Analytiker nimmt diesen Platz ein.
Psychoanalyse und ihre Lehre (1957)
Der Analytiker als Anderer, der den Wahrheitsbezug der Frage des Unbewussten ermöglicht
In dem Aufsatz Die Psychoanalyse und ihre Lehre (1957) erklärt Lacan, dass die Neurose eine Form ist, die Seinsfrage zu stellen, in Gestalt der Frage „Was bin ich?“. Für den Hysteriker ist dies die Frage nach dem Geschlecht, für den Zwangsneurotiker die nach der Existenz; die Neurose ist eine Antwort auf diese Frage. Die Art und Weise, wie in der Neurose die Frage beantwortet wird, ist allerdings eine Sackgasse. Wie ist es möglich, aus ihr herauszukommen? Nicht durch Ichstärkung, nicht durch die Beziehung zum imaginären anderen.
„Die Lösung ist aber auf einer anderen Seite zu suchen, auf der Seite des Anderen, durch ein großes A ausgezeichnet, mit welchem Namen wir einen Platz bezeichnen, der für die Struktur des Symbolischen wesentlich ist. Dieser Andere ist erforderlich, um die Frage des Unbewussten im Wahren zu verorten, d.h. um ihr den Strukturbegriff zu geben, der aus der gesamten Abfolge der Neurose eine Frage macht und nicht einen Köder, ein Trugbild: eine Unterscheidung, die insofern etwas heraushebt, als das Subjekt seine Köder nur dazu verwendet, um ‚die Frage anders zu formulieren‘.“26
Die Unterscheidung zwischen dem imaginären anderen und dem symbolischen Anderen ist notwendig, um die Neurose nicht auf eine Illusion zu reduzieren. Die Neurose ist eine Frage, die sich auf das Sein bezieht und damit auf die Wahrheit.
Der Wahrheitsbezug ist für das Sprechen wesentlich, und der Wahrheitsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Funktion des Anderen (mit großem A) ins Spiel gebracht wird, gewissermaßen der unparteiische Beobachter im Sinne von Adam Smith.
Das gilt auch für das Unbewusste: es ist strukturiert wie eine Sprache, und das heißt, es bezieht sich auf Wahrheit und damit auf den Anderen – auf die Anerkennung der Wahrheit durch den Anderen.
Sicherlich hat man es in einer Neurose mit Trugbildern zu tun, mit „Ködern“, mit Attrappen; man muss jedoch sehen, dass sie dazu dienen, die Frage nach dem Sein zu stellen.
… „Dieser Andere, das habe ich immer wieder gesagt, ist nur der Garant der Aufrichtigkeit (Bonne Foi), die notwendigerweise evoziert wird, und sei es vom Betrüger, sobald es nicht mehr um die Gefechte des Kampfs oder des Begehrens geht, sondern um den Pakt des Sprechens.“27
Auf welche Weise stellt der Andere den Wahrheitsbezug des Sprechens her? Dadurch, dass er der fiktive Adressat ist, der die Aufrichtigkeit des Sprechens bezeugt. Lacan schreibt hier Bonne Foi mit großen Anfangsbuchstaben, der Andere garantiert die Aufrichtigkeit schlechthin. Im Sprechen wird ein Pakt geschlossen, eine Vereinbarung, ein Bündnis; das Bündnis besteht darin, dass der Aufrichtigkeitsanspruch, den das Subjekt im Sprechen vorbringt, vom Anderen anerkannt wird, bezeugt wird, dass der Andere gewissermaßen eine Garantieerklärung dafür abgibt, dass das Subjekt aufrichtig ist.
Den Bezug zur Aufrichtigkeit und damit zum Anderen als Zeugen dieser Aufrichtigkeit muss auch ein Betrüger herstellen, sobald nämlich sein Betrug im Medium des Sprechens realisiert wird und nicht auf der imaginäre Ebene, sei es als Täuschungsmanöver im Kampf, sei es durch die sexuelle Maskerade.
… „Nur vom Platz des Anderen aus kann der Analytiker die Investitur der Übertragung empfangen, die ihn dazu befähigt, im Unbewussten des Subjekts seine legitime Rolle zu spielen und hier in Interventionen das Wort zu ergreifen, die einer Dialektik entsprechen, deren wesentliche Besonderheit durch das Private definiert wird.
Jeder andere Platz führt den Analytiker zurück zu einer dualen Beziehung, die keinen anderen Ausgang hat als die Dialektik der Verkennung, der Verneinung und der narzisstischen Entfremdung, zu der Freud in seinen Schriften an allen Ecken und Enden einschärft, dass sie das Werk des Ichs ist.“27
Die Übertragung besteht darin, dass der Patient den Analytiker zu demjenigen macht, der bezeugen kann, dass er, der Patient, aufrichtig ist, indem er das „wahre Sprechen“ entgegennimmt. Der Analytiker muss diese Funktion übernehmen. Nur von ihr aus kann er wirksam intervenieren, und zwar deshalb, weil die Funktion des Anderen als Zeuge der Aufrichtigkeit für das Unbewusste des Subjekts konstitutiv ist.
Die Alternative besteht für den Analytiker darin, sich dem angeblich schwachen Ich des Patienten als starkes Ich anzubieten. Dies fördert die narzisstische Entfremdung, die Verkennung und deren symbolische Stabilisierung in der Verneinung.
Das Drängen des Buchstabens (1957)
Der Andere als Ort der Konvention, der garantiert, dass das Sprechen auf Aufrichtigkeit bezogen wird
In Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud (1957) heißt es:
„Wenn ich gesagt habe, das Unbewusste sei der Diskurs des Anderen mit großem A, so wollte ich damit auf das Jenseits hinweisen, in dem die Anerkennung des Begehrens sich mit dem Begehren nach Anerkennung verknotet.
Anders gesagt, dieser andere ist der Andere, den noch meine Lüge anruft als Garanten der Wahrheit, in der sie Bestand hat.
Woran man sehen kann, dass die Dimension der Wahrheit dann auftaucht, wenn Sprache erscheint.“28
Die Formel „Das Unbewusste ist der Diskurs des Anderen“ bezieht sich auf den Anderen als Wahrheitsgaranten. Vom Unbewussten wird der Andere als Wahrheitsgarant angerufen. Dies beruht auf der Struktur der Sprache, denn mit ihr erscheint die Dimension der Wahrheit und damit der Bezug zum Anderen als Wahrheitsgaranten.
In dieser Beziehung zum Anderen besteht das Begehren nach Anerkennung des Begehrens. Ich begehre, dass mein Begehren anerkannt wird, das meint: Ich begehre, dass der Andere meine Aufrichtigkeit bezeugt.
Lacan schließt eine Bemerkung an, die sich auf das imaginäre Verhältnis zum anderen bezieht. Sein Beispiel ist ein militärischer Konflikt, in dem der Gegner durch eine Finte über eine Truppenbewegung getäuscht werden soll. Danach fährt er fort:
„In den Vorschlägen aber, durch die ich mit ihm (dem Gegner) in eine Friedensverhandlung eintrete, ist das, was ihm darin vorgeschlagen wird, an einem dritten Ort angesiedelt, der weder mein Sprechen ist noch mein Gesprächspartner.“29
Wenn ich in eine Friedensverhandlung eintrete, sind nicht zwei Instanzen im Spiel, sondern drei. Ich als Sprecher, der Gegner als der Gesprächspartner und eine virtuelle Instanz, die dadurch ins Spiel kommt, dass das Verhandeln eine Form der Gesprächsführung ist, die bestimmten Regeln folgt. Wenn ich ein Verhandlungsangebot mache, so „gilt“ dieses Angebot; danach kann ich zu meinem Gegner nicht sagen, erstens hätte ich den Vorschlag nie geäußert, zweitens sei er nicht ernst gemeint gewesen und drittens habe er den Vorschlag ja bereits angenommen. Ich kann das behaupten, aber damit verletzte ich die Regeln der Verhandlungsführung. George Herbert Mead nennt diese dritte Instanz den „verallgemeinerten Anderen“, Lacan den Anderen.
„Dieser Ort ist nichts anderes als der Ort der Signifikantenkonvention, wie enthüllt wird in der Komik jener schmerzlichen Beschwerde eines Juden an seine Mitbruder: ‚Warum sagst du mir, dass du nach Krakau fährst, damit ich glaube, dass du nach Lemberg fährst, wenn du wirklich nach Krakau fährst?‘“30
Die Regeln der Gesprächsführung, die den Wahrheitsbezug herstellen, haben keinen universellen Charakter, es sind Konventionen bestimmter Gruppen, im Extremfall beschränken sie sich auf zwei Akteure. Die Regeln werden meist stillschweigend vorausgesetzt und nur im Konfliktfall expliziert.
Der von Freud erzählte Witz über die beiden Juden im Zug bezieht sich auf folgende Konvention: „Wahr ist immer das Gegenteil von dem, was der andere behauptet“.31 So stellt es sich zumindest für den Beschwerdeführer dar; er kritisiert den anderen für die Verletzung dieser impliziten Übereinkunft und pocht auf ihre Einhaltung. Die Geschichte wird als Witz erzählt, d.h. die Abhängigkeit der Wahrheit vom Anderen steht in einer Beziehung zum Unbewussten.
Lacan fährt fort:
… „Sicherlich, meine Truppenbewegung, von der ich eben sprach, kann im konventionellen Register der Spielstrategie begriffen werden, wonach ich meinen Gegner in Abhängigkeit von einer Regel täusche; mein Erfolg wird dann jedoch mit der Konnotation des Verrats bewertet, das heißt in der Beziehung zum Anderen als Garanten der Aufrichtigkeit (Bonne foi).“32
Die täuschende Truppenbewegung muss nicht unbedingt dem imaginären Register zugeordnet werden. Sie kann auch auf das symbolische Register bezogen werden, auf bestimmte Regeln der Kriegsführung – selbst Kriege werden nach Regeln geführt. Ich kann diese Regeln verletzen, meinen Gegner auf diese Weise täuschen und dadurch vielleicht gewinnen. Mein Sieg wird dann als Verrat angeprangert werden. Mit dieser Kritik wird der Andere angerufen werden als derjenige, der die Aufrichtigkeit oder, in diesem Falle, die Unaufrichtigkeit des Subjekts bekundet.
Die Transformation des Subjekts durch den Zweifel des Anderen an seiner Aufrichtigkeit
Anschließend heißt es:
… „Die Probleme hier gehören zu einer Ordnung, deren Heteronomie schlicht verkannt wird, wenn sie auf irgendeine ‚Empfindung für den andern‘ reduziert werden, wie auch immer man es bezeichnet. Denn nachdem die ‚Existenz des anderen‘ unlängst bis zu den Ohren des psychoanalytischen Midas vorgedrungen ist, durch die Scheidewand hindurch, die ihn vom Getuschel der Phänomenologen trennt, rauscht bekanntlich folgende Nachricht durch das Schilf: ‚Midas, König Midas, ist der andere seines Patienten. Er selbst hat es gesagt.‘ Welche Tür hat er hier tatsächlich aufgebrochen? Der andere, welcher andere? Als der junge André Gide seine Zimmerwirtin, der er von seiner Mutter anvertraut worden war, dazu herausfordern will, ihn als ein verantwortungsbewusstes Wesen zu behandeln und offen vor ihren Augen mit einem Schlüssel, der nur insofern falsch ist, als er alle Schlösser dieser Art öffnet, das eine Schloss aufsperrt, das sie selbst für den würdigen Signifikanten ihrer erzieherischen Absichten hält – welche andere hat er da im Blick? Die, die dann eingreift und zu der das Kind lachend sagt: ‚Was kümmern Sie sich um ein lächerliches Schloss, um meinen Gehorsam zu sichern?‘? Aber einzig deshalb, weil sie sich versteckt hielt und den Abend abgewartet hatte, um, nach einem angemessen verkniffenen Empfang, dem Bengel eine Standpauke zu halten, ist nicht nur diejenige eine andere, deren Gesicht sie ihm voller Zorn zuwendet, es ist ein anderer André Gide, der sich von da an und noch in der Gegenwart, als er darauf zurückkommt, nicht mehr sicher ist, was er hatte tun wollen: der bis in seine Wahrheit hinein verändert ist durch den Zweifel, der an seiner Aufrichtigkeit (bonne foi) vorgebracht worden war.“33
Die hier verhandelten Probleme gehören zur Ordnung der Sprache, des Symbolischen, nicht zu der der Gefühle oder Empfindungen, es geht nicht um moral sentiments, wie Adam Smith sich ausdrückt. Die Frage nach der Beziehung zum Anderen war von Husserl 1929 in den Cartesianischen Meditationen aufgeworfen worden und seither beschäftigt sie die phänomenologische Philosophie, etwa die von Sartre. Das ist bis zu den Psychoanalytikern vorgedrungen, und unter ihnen heißt es seit neuestem, der Analytiker sei der andere seines Patienten. Hier muss man die Frage stellen: welcher Andere, der Andere in welcher Funktion? Der imaginäre andere oder der symbolische Andere?34
In seiner Autobiographie Stirb und werde (1926) erzählt André Gide eine Episode aus seiner Kindheit, die seines Zusammenstoßes mit Madame Bernard. Er hatte sich ihren pädagogischen motivierten Verboten widersetzt, indem er sich einen Nachschlüssel besorgte und mit dessen Hilfe den Hühnerhof betrat. Daraufhin verwandelte sich die von ihm verehrte und sonst so sanfte Dame; sie bezichtigt ihn des Betrugs und überschüttet ihn mit Beschimpfungen, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. Während er ihr gezwungenermaßen zuhört, wird ihm unklar, was er mit seiner Handlung eigentlich gewollt hatte; außerdem beginnt er Madame Bernard zu verachten – er wird ein anderer im Verhältnis zu sich selbst und zu seiner Anderen. Durch ihren Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit ist er „bis in seine Wahrheit hinein verändert“, in seiner Antwort auf die Frage „Was bin ich? Was habe ich da begehrt?“.
Die Bildungen des Unbewussten (1957/58)
Die Abhängigkeit der Aufrichtigkeit des Subjekts von der Beurteilung durch den Anderen und von dessen Aufrichtigkeit
In Seminar 5 von 1957/58, Die Bildungen des Unbewussten, erzählt Lacan den Witz über die Reise nach Krakau noch einmal. Nach einer Bemerkung über die wechselseitige Faszination in der imaginären Beziehung heißt es:
„Es verhält sich damit ganz anders, sobald wir in das Problem die Widerstände, in welcher Form auch immer, einer Signifikantenkette einführen. Die Signifikantenkette als solche führt hierin eine wesentliche Heterogenität ein. Verstehen sie Heterogenität mit dem Akzent auf dem heteros, was im Griechischen inspiriert bedeutet, und dessen eigene Bedeutung im Lateinischen die des Rests ist, des Residuums. Es gibt einen Rest, sobald wir den Signifikanten ins Spiel eintreten lassen, sobald sich zwei vermittels einer Signifikantenkette aneinander wenden und aufeinander beziehen. Es entsteht eine Subjektivität anderer Ordnung, die sich auf den Ort der Wahrheit als solchen bezieht, und die mein Verhalten nicht mehr ködernd, sondern provozierend macht, mit diesem A, der hier enthalten ist, d.h. diesem A; die sich selbst für die Lüge auf die Wahrheit berufen muss und die aus der Wahrheit selbst etwas machen kann, was nicht zum Register der Wahrheit zu gehören scheint. Erinnern Sie sich an dieses Beispiel – Warum sagst du, du fahrst nach Krakau, wenn du wirklich fahrst nach Krakau? Dies kann aus der Wahrheit selbst das Bedürfnis nach Lüge machen. Die darüber hinaus die Beurteilung meiner Aufrichtigkeit (bonne foi) abhängig macht, in dem Moment, in dem ich die Karten offenlege, das heißt, die mich von der Einschätzung des Anderen völlig abhängig macht, insofern er denkt, mein Spiel aufzudecken, während ich eben dabei bin, es ihm zu zeigen, und die die Unterscheidung zwischen Angeberei und Betrug der Gnade der Unaufrichtigkeit des Anderen unterwirft.“35
Wenn zwei Subjekte sich in der imaginären Dimension zueinander verhalten, beziehen sie sich aufeinander als Ähnliche; ihr Verhalten ist ein Verführungsversuch, der eigene Körper wird dem Blick des anderen als Köder dargeboten. Wenn zwei Subjekte sich durch Signifikantenketten aufeinander beziehen, durch das Sprechen, wird hierdurch zwischen ihnen eine Heterogenität eingeführt, etwas Fremdes, ein von der imaginären Beziehung nicht assimilierbarer Rest, eben der Signifikant.36
Durch das Sprechen entsteht eine Subjektivität eigener Art. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf Wahrheit bezieht, selbst noch für die Lüge. Der Wahrheitsbezug wird dadurch hergestellt, dass das Sprechen sich auf den Anderen als Ort der Wahrheit bezieht, abgekürzt mit großem A.
Der Andere als Ort der Wahrheit ist zunächst eine in jedem Sprechen angerufene virtuelle Instanz: „Es ist wahr“ meint: der Andere – ein neutraler Beobachter – könnte es bezeugen. Diese Funktion des Anderen wird nun aber von meinem konkreten Gesprächspartner besetzt, und er realisiert sie dadurch, dass er mir glaubt oder nicht glaubt. Damit gerate ich als Sprecher in seine Abhängigkeit. Die Abhängigkeit bezieht sich hier nicht darauf, ob der Andere meinen Anspruch auf Bedürfnisbefriedigung erfüllt oder meinen Liebesanspruch. Mein Anspruch ist jetzt „glaub mir“ (oder „trust me“, wie in den US-Filmen beständig gefordert wird); die Abhängigkeit besteht darin, dass die Wahrheit meines Sprechens davon abhängig ist, dass der Andere mir glaubt. Ich sage „Ich fahre nach Krakau“, und der Andere, der weiß, dass dies wahr ist, macht daraus eine Lüge.
Wenn ein konkreter Anderer für mich zum Ort der Wahrheit wird, bin ich nicht nur davon abhängig, ob er mir glaubt oder nicht glaubt. Ich werde auch von seiner Aufrichtigkeit abhängig.
Der Andere entscheidet auch darüber, ob ich nur (wie ich es vielleicht sehe) ein bisschen angegeben habe oder ob ich ihn betrogen habe. Und diese Entscheidung kann in gutem Glauben erfolgen oder bösgläubig, aufrichtig oder unaufrichtig.
Zusammenfassung
Aufrichtigkeit als Aspekt des Sprechens
In den meisten Formen des Sprechens beansprucht der Sprecher Aufrichtigkeit – auch und gerade dann, wenn er lügt. Damit wird ein virtueller Anderer angerufen, der bezeugen kann, dass das Subjekt tatsächlich aufrichtig ist.
Der Aufrichtigkeitsanspruch des Subjekts bezieht sich nicht nur auf einen virtuellen Anderen. Der Platz des Anderen, der die Aufrichtigkeit des Subjekts bezeugt, wird von konkreten Individuen besetzt. Die Aufrichtigkeit ist kein in das einzelne Individuum eingeschlossenes Merkmal, sie existiert nur insofern, als sie vom Anderen anerkannt wird.37 Der Andere bezeugt die Aufrichtigkeit des Subjekts, hierdurch wird zwischen dem Subjekt und dem Anderen ein Pakt geschlossen.
Das Subjekt gerät damit in die Abhängigkeit des konkreten Anderen, der die Funktion des wahrheitsbezeugenden Anderen realisiert. Beispielsweise entscheidet der Andere darüber, ob eine Äußerung des Subjekts nur Angeberei war oder ein Betrugsversuch.38
Das Subjekt wird nicht nur von der Zustimmung, sondern auch von der Aufrichtigkeit des Anderen abhängig.38 Ein Redner ist auf die Aufrichtigkeit, auf die Gutwilligkeit seiner Zuhörer angewiesen.39
Im Rahmen des Pakts zwischen dem Subjekt und dem Anderen ist Täuschung durchaus möglich. Aber anders als bei einer Täuschung in der imaginären Dimension, etwa durch die sexuelle Maskerade, wird die Täuschung im symbolischen Register als Verrat bewertet. Mit dieser Kritik wird die Instanz des virtuellen Anderen ins Spiel gebracht, desjenigen, der die Aufrichtigkeit des Subjekts bejahen oder verneinen würde.40
Am stärksten ausgeprägt ist die wechselseitige Anerkennung in derjenigen Form des Sprechens, die Lacan als „wahres“ oder „volles Sprechen“ bezeichnet. Ich sage zur Anderen „Du bist meine Frau“, und die Wahrheit dieser Äußerung wird dadurch hergestellt, dass die Andere sie anerkennt. Sie vollzieht diese Anerkennung dadurch, dass sie antwortet „Du bist mein Mann“. Auf diese Weise bekomme ich meine eigene Botschaft („Ich bin dein Mann“) von der Anderen in umgekehrter Form.41
In einer Diskussion kann Aufrichtigkeit durch das argumentum ad hominem herbeigeführt werden, also durch den persönlichen Angriff auf den Diskussionsgegner. Dies soll den anderen dazu zu verführen, sich in seiner Authentizität zu zeigen – beispielsweise sich aufzuregen –, dabei aber das Sprechen aufrechtzuerhalten. Das argumentum ad hominem zielt auf Anerkennung des Begehrens.42
Vom wahren oder vollen Sprechen ist der Überzeugungsdiskurs zu unterscheiden, dasjenige Sprechen, das darauf abzielt, den Anderen zu überzeugen, um mit ihm zu einer Übereinkunft zu gelangen. Der Überzeugungsdiskurs ist der Diskurs der Unaufrichtigkeit, der List, der Strategie. Die Unaufrichtigkeit hat hier die Form der Täuschung, der Mehrdeutigkeit und des Irrtums.41
Aufrichtigkeit in individualgeschichtlicher Perspektive
Die paradigmatische Szene, in der sich dem Kind die Frage nach der Aufrichtigkeit des Anderen stellt, ist der Versuch des Kindes, ein Elternteil sexuell zu verführen. Das Kind manifestiert sein Begehren, der Andere reagiert hierauf ablehnend oder gleichgültig und das Subjekt fragt sich, ob er aufrichtig ist.43 Damit eröffnet sich für das Kind die Kluft zwischen dem, was der Andere sagt und dem, was er denkt, und dies ermöglicht ihm einen Zugang zum Anderen als einem begehrenden Anderen.
Das Kind macht auch die umgekehrte Erfahrung, nämlich dass seine Aufrichtigkeit vom Anderen beurteilt wird. Zweifel des Anderen an der Glaubwürdigkeit des Subjekts können dazu führen, dass sich das Begehren des Subjekts verändert.40
Aufrichtigkeit in der Psychoanalyse
Das Unbewusste bezieht sich auf Wahrheit und damit auf die Anerkennung der Aufrichtigkeit des Subjekts durch den Anderen.37 „Das Unbewusste ist der Diskurs des Anderen“, dieses Diktum meint auch: vom Unbewussten wird der Andere als Wahrheitsgarant angerufen.44
In einer Psychoanalyse muss der Analytiker den Platz des Anderen einnehmen. Er hat die Aufgabe, das Sprechen des Patienten zu registrieren, einzusammeln, genauer gesagt: das „volle“ oder „wahre“ Sprechen. Hierdurch garantiert er die Aufrichtigkeit des Diskurses der Neurose, ihren Bezug auf Wahrheit.45
Die etablierte psychoanalytische Praxis ist unaufrichtig.46 Damit ist vermutlich gemeint: Der Analytiker stellt sich hier nicht die Aufgabe, das „wahre Sprechen“ des Patienten einzusammeln und so die Aufrichtigkeit des Subjekts zu bezeugen. Vielmehr bietet er sich dem Patienten als starkes Ich an und versucht er, ihn von etwas zu überzeugen.
Was wird in Seminar 6 aus der Frage der Aufrichtigkeit? Das Konzept „Signifikant des ausgestrichenen Anderen“ bzw. „Signifikant eines Mangels im Anderen“, S(Ⱥ). Der Mangel im Anderen besteht darin, dass es keinen Signifikanten gibt, der seine Aufrichtigkeit garantieren könnte, dass es keine Metasprache gibt.
Kommentare
Eine alternative Deutung von Felix Tax findet man hier.
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Anmerkungen
- Seminar 6, Version Miller, S. 468, meine Übersetzung; von Aufrichtigkeit bzw. Unaufrichtigkeit spricht Lacan in diesem Seminar außerdem auf den Seiten 445, 475 und 541.
- Vgl. Das Sein und das Nichts, Teil 1, Kapitel 2, Die Unaufrichtigkeit, und Teil 4, Kapitel 2, II. Die existentielle Psychoanalyse.
- Schriften I, hg. v. N. Haas, S. 158 f., Übersetzung geändert. Vortrag von 1953, der 1956 veröffentlicht wurde.
- Vgl. M. Heidegger: Die Sprache im Gedicht. Eine Erörterung von Georg Trakls Gedicht (1953). In: Ders.: Unterwegs zur Sprache. Neske, Stuttgart 1959, S. 35–82, hier: S. 37.– Im Aufsatz Logos (1951) deutet Heidegger das Wort „sagen“ (griechisch legein) als Versammeln, Zusammenbringen, zusammen-ins-Vorliegen-bringen (M. Heidegger: Vorträge und Aufsätze. Neske, Pfullingen 1954, S. 199–221); Lacans Übersetzung dieses Aufsatzes erschien 1956 in der Zeitschrift La psychanalyse.
- J. Lacan: Das Freud’sche Ding oder Der Sinn einer Rückkehr zu Freud. Turia und Kant, Wien 2005, S. 62-66.
- Maurice Leenhardt: Do Kamo. Die Person und der Mythos in der melanesischen Welt (1947). Ullstein, Frankfurt am Main 1984; „do Kamo“ ist Melanesisch und bedeutet, Leenhardt zufolge, „das wahre Menschliche“, a.a.O., S. 58.
- Seminar 2, Version Miller/Metzger, S. 285.
- Vgl. Meditationen über die erste Philosophie, Dritte Mediation.
- Mündliche Bemerkung von Einstein aus dem Jahr 1921; über die Umstände informiert: Abraham Pais: Subtle is the Lord. The Science and the Life of Albert Einstein. Oxford University Press, Oxford u.a. 1982, S. 113.
- Écrits, S. 330, Vortrag von 1955, der im selben Jahr veröffentlicht wurde, hier und im Folgenden meine Übersetzung.
- Écrits, S. 351.
- J. Lacan: Discours de Rome. In: Ders.: Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 155. Der Discours de Rome ist die überarbeitete Fassung eines 1953 gehaltenen Vortrags (ca. 30 Druckseiten), Funktion und Feld der Sprache und des Sprechens in der Psychoanalyse ist die ausführliche schriftliche Version (ca. 90 Druckseiten); beide Texte erschienen 1956. Die in der Sekundärliteratur übliche Bezeichnung von Funktion und Feld usw. als „Rom-Vortrag“ ist irreführend.
- Vgl. die Schlussbemerkungen über die Gabe des Sprechens in: J. Lacan: Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse, Schriften I, hg. v. N. Haas, S. 169.
- A.a.O., S. 351.
- A.a.O., S. 352.
- Vgl. Seminar 1, Version Miller/Hamacher, S. 71.
- Lacan spielt hier auf die Seminarsitzung über die Verneinung an (Seminar 1, 10. Februar 1954), vielleicht auch auf seine beiden Aufsätze über die Verneinung, die 1956 veröffentlicht wurden.
- Au bon entendeur, salut! ist eine häufig gebrauchte Floskel; die Bedeutung ist ungefähr: „Wer aufmerksam zugehört hat, wird die richtige Schlussfolgerung ziehen.“ Porter le salut meint „das Heil bringen“, mit religiöser Konnotation.
- Das Freud’sche Ding, a.a. O., S. 61, Übersetzung geändert. Vortrag von 1955, der 1956 veröffentlicht wurde.
- A.a.O., S. 61 f., Übersetzung geändert.
- Seminar 4, Version Miller/Gondek, S. 237 f., Übersetzung geändert nach Version Staferla; Gondek übersetzt falsch mit „Arglosigkeit“.
- Vgl. das Diagramm in Seminar 4, Version Miller/Gondek, S. 246.
- Das Sein und das Nichts, a.a.O., S. 134.
- S. Freud: Die infantile Genitalorganisation (1923). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 5. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 239.
- Seminar 4, Version Miller/Gondek, S. 464, Übersetzung geändert nach der Staferla-Version.
- Écrits, S. 454, meine Übersetzung.
- A.a.O., S. 454.
- Schriften II, S. 51, Übersetzung geändert.
- A.a.O., S. 51, Übersetzung geändert.
- A.a.O., S. 51 f., Übersetzung geändert.
- Freud erzählt den Witz so: „Zwei Juden treffen sich im Eisenbahnwagen einer galizischen Station. ‚Wohin fahrst du?‘ fragt der eine. ‚Nach Krakau‘, ist die Antwort. ‚Sieh’ her, was für ein Lügner du bist‘, braust der andere auf. ‚Wenn du sagst, du fahrst nach Krakau, willst du doch, dass ich glauben soll, du fahrst nach Lemberg. Nun weiß ich aber, dass du wirklich fahrst nach Krakau. Also warum lügst du?‘“ S. Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 4. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 109.
- A.a.O., S. 52, Übersetzung geändert; Haas übersetzt hier und im folgenden bonne foi mit „guter Glaube“.
- Schriften II, S. 52, Übersetzung geändert.
- In Ovids Version der Midas-Geschichte flüstern nicht, wie sonst, die Binsen, sondern die Zweige eines Gebüschs: Bei einem musikalischen Wettstreit zwischen Pan und Apoll hatte Midas Pans Flötenspiel gelobt und Apolls Spiel auf der Leier kritisiert. Apoll ließ ihm dafür Eselsohren wachsen. Midas versteckte sie unter einer Mütze, sein Friseur entdeckte sie jedoch. Der Friseur wagte nicht, das Geheimnis zu verraten, konnte es aber auch nicht für sich behalten. Also grub er ein Loch in den Boden, flüsterte hinein: „König Midas hat Eselsohren“, und schüttete er es wieder zu. An dieser Stelle wuchs ein Gebüsch, und wenn der Wind wehte, flüsterte es genau diese Worte. (Metamorphosen XI, 85–145)
Warum die Anspielung auf König Midas? Weil dem Analytiker als professionellem Zuhörer gewissermaßen Eselsohren wachsen? Weil der Diskurs des Unbewussten wie der des Barbiers nicht gesagt werden darf, sich aber allen Zensurversuchen widersetzt? - Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 123 f., Übersetzung geändert nach der Staferla-Version.
- Die Übersetzung von heteros mit „inspiriert“ ist falsch; die Bedeutung von inspirare ist nicht „Rest“, sondern „einhauchen“. Vermutlich ist „inspiré“ ein Hörfehler.
- Vgl. Die Psychoanalyse und ihre Lehre, Écrits 1966, S. 454.
- Vgl. Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 123 f.
- Vgl. Das Freud’sche Ding, S. 61 f.
- Vgl. Das Drängen des Buchstabens, Schriften II, S. 52.
- Vgl. Varianten der klassischen Kur, Écrits 1966, S. 352.
- Vgl. Das Freud’sche Ding, S. 61.
- Vgl. Seminar 4, Version Miller/Gondek, S. 237.
- Vgl. Das Drängen des Buchstabens, Schriften II, S. 51.
- Vgl. Funktion und Feld der Sprache und des Sprechens, Schriften II, S. 159; Die Psychoanalyse und ihre Lehre, Écrits 1966, S. 454; Seminar 4, Version Miller/Gondek, S. 464.
- Vgl. Varianten der klassischen Kur, Écrits 1966, S. 330.