Jacques Lacan
Seminar XIX, … oder schlimmer
(IX) Sitzung vom 15. März 1972
Übersetzung und Erläuterung
Raffael: Die Schule von Athen, 1511, Fresko, 770 x 500 cm,
Vatikanstadt, Apostolischer Palast
Jacques Lacan:
Seminar XIX (1971/72): „… oder schlimmer“
und
Vortragsreihe „Das Wissen des Psychoanalytikers“ (1971/72)
(IX) Sitzung vom 15. März 1972
Übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen von Rolf Nemitz
Vollständige Übersetzung von Seminar 19 und
Übersetzung von „Das Wissen des Psychoanalytikers“ ab der vierten Sitzung
auf der Grundlage der Staferla-Version und von Tonaufnahmen
Teil 9 von 16 Übersetzungen. Etwa jeden Monat erscheint die Übersetzung einer weiteren Sitzung.
Die übrigen Übersetzungen findet man hier.
In Millers Version des Seminars ist dies Kapitel IX, Dans le champ de l’Unien („Im Feld des Einlichen“), S. 125–135.
Die Übersetzung wird zweimal gebracht, zunächst nur deutsch, dann vergleichend: Satz für Satz französisch/deutsch.
Die zweisprachige Fassung enthält in den Anmerkungen zum französischen Text Hinweise auf Transkriptionsprobleme und auf größere Abweichungen in Millers Version; im deutschen Text findet man Links und Bilder, in den Anmerkungen zum deutschen Text Literaturangaben und inhaltliche Erläuterungen.
Einen Überblick über die verschiedenen Ausgaben von Seminar 19 findet man hier.
Herzlichen Dank an Gerhard Herrgott für großzügige Hilfe beim Übersetzen! Anregungen verdanke ich auch der englischen Übersetzung von Adrian Price.1
Zur Übersetzung
Seminar und Vortragsreihe
Jacques-Alain Miller hat in seine Ausgabe von Seminar XIX einen Teil einer Vortragsreihe integriert, die Lacan parallel, unter dem Titel Das Wissen des Analytikers, im Sainte-Anne-Krankenhaus in Paris hielt. Ab der vierten Sitzung vom 3. Februar 1972 beziehen sich diese Vorträge eng auf das Seminar, weshalb Miller sie ab dieser Sitzung in seine Seminar-Edition aufgenommen hat. Ich folge dem Vorbild von Miller und integriere die Vortragsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers ab der Sitzung vom 3. Februar 1972 in die Übersetzung von Seminar XIX.
Die ersten drei Sitzungen von Das Wissen des Psychoanalytikers wurden getrennt veröffentlicht: J. Lacan: Je parle aux murs. Entretiens de la chapelle de Sainte-Anne. Le Seuil, Paris 2011. Deutsch: Ich spreche zu den Wänden. Gespräche aus der Kapelle von Sainte-Anne. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2013.
Textgrundlage
Grundlage der Übersetzung ist:
Version Staferla von Seminar 19:
Jacques Lacan: … ou pire. Auf der Website staferla.free.fr, PDF-Datei, Fassung vom 25.10.2015
Die Lacan-Seminare auf der Staferla-Website werden von Zeit zu Zeit überarbeitet, ohne dass dies kenntlich gemacht wird. Aus diesem Grunde habe ich oben das Datum der von mir verwendeten Fassung angegeben.2 Zur Sicherheit habe ich diese Fassung der Staferla-Version hier gespeichert.
Die Transkription der Staferla-Version wurde von mir mit einer Tonbandaufnahme der Sitzung und mit der von Jacques-Alain Miller erstellten (redaktionell bearbeiteten) Version verglichen und an wenigen Stellen geändert. In Zweifelsfällen wurde die Stenotypie des Seminars und der Vortragsreihe, die man auf der Website der École lacanienne de psychanalyse findet, zu Rate gezogen. Wortwiederholungen, bei denen offenkundig ist, dass Lacan nach einer Formulierung sucht, habe ich gestrichen; Betonungs-Adverbien wie justement oder précisément habe ich nicht immer mitübersetzt. Der Schnitt der Sätze (Punkt oder Semikolon oder Komma) sowie die Orthografie wurden bisweilen verändert. Die Gliederung in Absätze ist von mir.
Stenotypien des Seminars und der Vortragsreihe gibt es auf der Website der École lacanienne de psychanalyse (ELP) hier. Tonaufnahmen von Seminar 19 und von Das Wissen des Psychoanalytikers findet man auf der Website von Patrick Valas, valas.fr, hier. Millers Version ist: J. Lacan: Le séminaire, livre XIX. … ou pire. 1971–1972. Textherstellung durch Jacques-Alain Miller. Le Seuil, Paris 2011.
Zur Notation
– Zwei Bindestriche, also: --, markieren, dass an dieser Stelle ein Satz grammatisch unvollständig abbricht.
– Wörter mit Sternchen: im Original deutsch.
– Der Schrägstrich / verbindet Übersetzungsvarianten.
– Einfügungen in eckigen Klammern dienen der Erläuterung und sind nicht von Lacan.
– Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, verweisen auf die Seiten von Millers Ausgabe des Seminars bei Le Seuil.
– Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z..B. [10], verweisen auf die Seitenzahlen der Stenotypie von Seminar 19 auf der Website der École lacanienne de psychanalyse, hier.
Sitzung vom 15. März 1972
Tonaufnahme und Stenotypie
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Eine Stenotypie der Sitzung vom 15. März 1972 findet man hier (von der Website der École lacanienne de psychanalyse).
Deutsch
Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift, z.B. {10}, verweisen auf die Seiten von Millers Ausgabe des Seminars bei Le Seuil.
Université Paris 1 Panthéon Sorbonne, Rechtsfakultät, Place du Panthéon
{125} Beim letzten Mal habe ich Ihnen etwas erzählt, das um den Anderen zentriert war – was zugänglicher ist als das, worüber ich heute sprechen möchte –, wovon ich Ihnen bereits das beschrieben habe, was man das Verhältnis nennen könnte, das Verhältnis zum Anderen, insofern nämlich, als es sich nicht einschreiben lässt, was die Dinge nicht einfacher macht.
Es geht um das Eins. Um das Eins insofern, als ich Sie bereits darauf hingewiesen habe und Sie weiterhin darauf hinweise, wie die Spur dieses Eins in Platons Parmenides gebahnt wurde, wobei, wenn man hier etwas begreifen will, der erste Schritt darin besteht, sich klarzumachen, dass all das, was er dazu äußert – als dialektisierbar, als sich entwickelnd –, dass das Eins, bei jeder möglichen Rede über dieses Thema, zunächst nur auf der Ebene zu nehmen ist, die darin besteht, darüber, wie er sich ausdrückt, nichts anderes zu sagen als: „’S ist Eins.“
Und vielleicht gibt es unter Ihnen einige, die auf meine dringende Bitte hin dieses Buch aufgeschlagen und bemerkt haben, dass dies nicht dasselbe ist wie zu sagen: „Das Eins ist.“ „’S ist Eins“ ist die erste Hypothese, und „das Eins ist“ ist die zweite, sie unterscheiden sich.
Natürlich, damit das trägt, sollten Sie Platon mit ein bisschen was lesen, das von Ihnen kommt; er sollte für Sie nicht sein wie das, was er ist, ein Autor. Seit Ihrer Kindheit sind Sie darin geschult: im Autor-Stop. Seit das üblich geworden ist, diese Art, sich auf diese Sachen |{126} als autor-isierte zu beziehen, sollten Sie wissen, dass das nirgendwo hinführt, auch wenn es Sie natürlich sehr weit führen kann.
Nach diesen Vorbemerkungen ist es also das Eins – aus Gründen, für die ich mich noch werde entschuldigen müssen, denn im Namen von was sollte ich Sie damit beschäftigen? –, ist es also das Eins, worüber ich heute zu Ihnen sprechen möchte. Deswegen habe ich sogar ein Wort erfunden, das dem, was ich Ihnen darüber sagen möchte, als Überschrift dient.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ich bin mir sogar des Gegenteils sicher – das Unäre habe ich nicht erfunden, der trait unaire, den ich ’62 glaubte, aus Freud, der ihn einzig* nennt, herausziehen zu können, indem ich das so übersetzt habe. Was einige damals verwundert hat. Es ist doch merkwürdig, dass sie sich bis dahin beim *einzigen Zug* – der zweiten von Freud herausgestellten Form der Identifizierung – niemals aufgehalten hatten.
Im Gegensatz dazu ist das Wort, mit dem ich eine Klammer um das setzen möchte, was ich Ihnen heute sagen werde, völlig neu, und es ist wie aus Vorsicht heraus geschaffen, da in das Eins tatsächlich viele Dinge verwickelt sind. Derart, dass es nicht möglich ist --; ich werde jedoch versuchen, sogleich etwas anzubahnen, um das Interesse zu verorten, das mein Diskurs, insofern er selbst Bahnung des analytischen Diskurses ist, das Interesse, das mein Diskurs daran hat, den Weg über das Eins zu nehmen. Aber nehmen Sie davon doch zunächst das Feld, das ich also grob als l’unien bezeichnet habe, als das Einliche.
Dieses Wort ist noch nie gesagt worden ist, es hat jedoch den Vorteil, dass es Ihnen jedes Mal, wenn das Eins ins Spiel kommt, einen Weckruf zusendet; und wenn man es so nimmt, in Form eines Epithetons, dann wird Sie das an das erinnern, was Freud propagiert und Platon bereits vor ihm: dass es seiner Natur nach unterschiedliche Seiten hat.
Dass in der Analyse davon gesprochen wird, ich denke, das entgeht Ihnen nicht, wenn Sie sich daran erinnern, dass es bestimmend ist für die bizarre Assimilation des Eros an das, was bestrebt ist zu koagulieren; unter dem Vorwand, dass der Körper ganz offensichtlich eine der Formen des Eins ist – dass das zusammenhält, dass es ein Individuum ist, solange es keinem Unfall gibt –, unter diesem Vorwand wird das eigenartigerweise von Freud in den Vordergrund gestellt.
Und das ist ja tatsächlich das, wodurch die von ihm behauptete Dyade von Eros und Thanatos in Frage gestellt wird. Würde sie nicht durch eine andere Figur gestützt – und zwar durch die, bei der das sexuelle Verhältnis scheitert, nämlich die der Eins und der Nicht-Eins, also der Null –, ließe sich nur schwer vorstellen, welche Funktion dieses erstaunliche Paar haben könnte. Tatsächlich begünstigt es eine Reihe von Missverständnissen und Festlegungen zum Todestrieb, der ganz unüberlegt so bezeichnet wird. Es ist jedoch sicher, dass das Eins keinesfalls, in diesem wilden Diskurs, der durch den Versuch zustande kommt, das sexuelle Verhältnis zu artikulieren --, es ist streng unmöglich, die Kopulation zweier Körper als etwas aufzufassen, was daraus nur eins macht.
Insofern ist es außergewöhnlich, dass Platons Gastmahl – während die Gelehrten über den Parmenides kichern –, dass Platons Gastmahl als etwas ernstgenommen wird, in dem irgendetwas |{127} dargestellt wird, das mit der Liebe zu tun hat. Vielleicht erinnern sich einige noch daran, dass ich diesen Text einmal verwendet habe, in einem Jahr, genau in dem Jahr, das dem vorausging, das ich vorhin erwähnt habe, vor 61/62; also 60/61 habe ich das Gastmahl als Übungsgelände gewählt, und mir ging es dabei um nichts anderes als darum, hierauf die Übertragung zu gründen. Bis auf weiteres kann die Übertragung, auch wenn sie an ihrem Horizont vielleicht etwas von der Ordnung der Zwei hat, nicht für eine Kopulation durchgehen.
Ich glaube jedoch, dass ich damals ein wenig auf den Modus des Spotts hingewiesen habe, in dem sich diese Szene abspielt, die als bacchantisch bezeichnet wird, im strengen Sinne des Wortes. Dass es Aristophanes ist, der die berühmte Zweiteilung einer Kreatur vorbringt, der sie erfindet, einer Kreatur, die zunächst nur ein Tier mit zwei Rücken war, das sich selbst umschlungen hielt, und wobei dann die Eifersucht des Zeus zwei daraus macht – es genügt zu sagen, in wessen Mund diese Aussage gelegt wird, um zu zeigen, dass man sich amüsiert, und man amüsiert sich übrigens prächtig. Das Unglaublichste ist, dass es nicht so aussieht, als spielte diejenige, die den gesamten Diskurs krönt, mit Namen Diotima, eine andere Rolle, denn sie lehrt, dass die Liebe nur davon abhängt, dass der Geliebte, ob homo oder hetero, nicht berührt wird, dass es nur die uranische Aphrodite ist, die zählt. Damit sagt man ja nun nicht gerade, dass es das Eins ist, was den Eros regiert.
Bereits das wäre ein Grund, um einige, übrigens bereits angebahnte, Behauptungen über das Eins vorzubringen, wenn es nicht außerdem so wäre, dass in der analytischen Erfahrung der erste Schritt darin besteht, darin Eins einzuführen. Als Analytiker, der man ist, lässt man ihn eintreten, womit der Analysant, um den es geht --, womit der erste Modus, in dem das Eins in Erscheinung tritt, offensichtlich der ist, dass er Ihnen vorwirft, nur einer unter anderen zu sein. Womit er bekundet, natürlich ohne dass er es mitbekommt, dass er mit den anderen nichts zu tun hat und dass er bei Ihnen, dem Analytiker, gern der Einzige wäre, damit das zwei ergibt; er weiß nicht, dass es darum geht, dass ihm klar wird, dass dieses Eins, für das er sich hält, zwei ist, und wo es darum geht, dass er sich teilt.
*
Also: y a d’l’Un, ’s gibt Eins. Das sollte man schreiben; heute ist mir nicht besonders nach Schreiben, aber warum nicht [schreibt an die Tafel]: Yad’lun.
Warum es nicht so schreiben? Es so zu schreiben, hat, wie Sie sehen werden, einen bestimmten Nutzen, nicht ohne die Wahl des Einlichen von vorhin zu begründen. Er besteht darin, dass Yad’lun, so geschrieben, etwas zur Geltung bringt, das sich in der französischen Sprache anbietet |{128} und wobei ich nicht weiß, ob man aus dem englischen there is oder aus dem deutschen *es gibt* denselben Vorteil ziehen kann; Leute, die sich damit auskennen, werden es mir vielleicht zeigen können. Das deutsche *Es gibt* verlangt den Akkusativ, nicht wahr; man sagt – wenn sich das auf ein Maskulinum bezieht – *es gibt einen*. There is – man kann sagen there is one, there is an etwas. Ich weiß ja, dass es das there gibt, das ein Ansatz in dieser Richtung ist, aber das ist nicht einfach. Auf Französisch kann man sagen: y en a, „’s gibt (davon)“.
Seltsamerweise ist es mir nicht gelungen – das heißt nicht, dass es sich nicht finden ließe, aber na ja, so wie ich vorgehe, ziemlich hastig, die Funktion der Hast in der Logik, damit kenne ich mich ein bisschen aus, ich muss mich beeilen, die Zeit drängt –, es ist mir nicht gelungen, etwas zu sehen, etwas zu finden, und auch nicht, einfach --; ich will Ihnen sagen, wo ich nachgeschaut habe: im Littré, im Robert, als ich da war, im Damourette et Pichon und sogar noch in einigen anderen. Das historische Auftauchen – all das, was Ihnen ein Wörterbuch wie der Bloch und von Wartburg liefern soll –, das Auftauchen einer Formulierung, die so wesentlich ist wie il y a, „es gibt“, und das bedeutet y en a, „’s gibt (davon)“; es ist vor dem Hintergrund des Unbestimmten, dass das auftaucht, was, strenggenommen, vom il y a bezeichnet und angezeigt wird; davon gibts seltsamerweise – ich werde sagen: gibts kein –, davon gibts in dem, was wir die antiken Sprachen nennen wollen, kein Äquivalent, wirklich!, kein gängiges Äquivalent. Was ja darauf hinweist, dass der Diskurs, wie im Parmenides gesagt und demonstriert wird, dass der Diskurs sich verändert.
In eben dieser Hinsicht kann der analytische Diskurs eine Emergenz darstellen, und vielleicht wäre es gut, wenn Sie etwas daraus machen, für den Fall, dass es nach meinem Hinscheiden – das in den Augen vieler Geister natürlich immer als möglich gegenwärtig ist, wenn nicht sogar als unmittelbar bevorstehend –, dass es nach meinem Hinscheiden, wie man in diesem Feld erwartet, zu einen veritablen Regen von Unrat kommt, der sich bereits ankündigt, da man glaubt, das könne nicht länger auf sich warten lassen. [Gelächter]
Auf der Spur meines Diskurses wäre es vielleicht besser, wenn sich diejenigen Mut machen würden, die dieser Bahnung eine Fortsetzung geben könnten, wofür ich glücklicherweise an einem Ort, an einem ganz bestimmten Ort, auch einige Prämissen habe – die allerdings selten sind, da man seine Zeit damit verbringt, mich zu nerven und mir in den Ohren zu liegen, um herauszufinden, worin das Verhältnis des analytischen Diskurses zur Revolution besteht. Vielleicht ist es ja der analytische Diskurs, der den Keim einer möglichen Revolution in sich birgt, von daher, dass man die Revolution nicht mit der melancholischen Stimmung verwechseln darf, die Sie unter diesem Etikett, einfach so, beim geringsten Anlass erfassen kann, das ist überhaupt nicht dasselbe.
Y en a, „’s gibt (davon)“, das ist vor dem Hintergrund von etwas, das keine Form hat. Wenn man sagt: y en a, „’s gibt (davon)“, dann bedeutet das für gewöhnlich y en a du oder y en a des, „’s gibt (von)“. Zu |{129} diesem des, zu diesem „von“, kann man bisweilen sogar ein qui hinzufügen: des qui, „(davon) einige, die“, des qui pensent, „(davon) einige, die denken“, des qui s’expriment, „(davon) einige, die sich ausdrücken“, des qui racontent, „(davon) einige, die erzählen“, Sachen dieser Art – es bleibt ein Hintergrund von Unbestimmtheit.
Damit stellt sich die Frage, was de l’Un bedeutet, wörtlich: „vom Eins“. Denn sobald l’Un gesagt ist – „das Eins“ –, gibt es das de – das „von“ – nur als einen dünnen Stängel auf etwas, das mit diesem Hintergrund zu tun hat.
Von woher taucht dieses Eins auf? Das ist eben das, was Platon in der ersten Hypothese vorzubringen versucht, indem er, so gut er kann, sagt, mangels anderer Worte: hen ei estin, „wenn Eins ist“. Denn estin hat hier offenkundig die Funktion einer Ersatzbildung für das, was nicht wie im Französischen mit dem il y a akzentuiert wird, mit dem „es gibt“. Und was man sicherlich so übersetzen sollte – ich verstehe die Bedenken, die an dieser Stelle die Übersetzer innehalten lassen –, was man sicherlich so übersetzen sollte: „wenn es Eins gibt“ oder auch „wenn es das Eins gibt“, das ist Ihre Entscheidung.
Sicher ist jedoch, dass Platon wählt und dass sein Eins nichts mit dem zu tun hat, was umfasst. Es gibt da sogar etwas Bemerkenswertes, nämlich dass er davon unmittelbar demonstriert, dass dies in keiner Beziehung zu irgendetwas stehen könnte, dessen kritische metaphysische Bestandsaufnahme er in tausend Formen durchgeführt hat und was Dyade genannt wird, insofern sie in der Erfahrung, in der Erfahrung des Denkens, überall ist: das Größte – das Kleinste; das Jüngste – das Älteste; und so weiter und so fort; das Einschließende – das Eingeschlossene; und in dieser Art alles, was Sie wollen.
Was er zu Beginn demonstriert, ist eben dies, indem er das Eins mithilfe einer diskursiven Befragung angeht. Und wer wird hier befragt? Das ist offensichtlich nicht der arme Kleine, der süße Kerl, der, wenn ich mich recht erinnere, den Namen Aristoteles hat und bei dem man schwerlich annehmen kann, das könnte hierbei derjenige sein, der uns seine Abhandlungen hinterlassen hat.
Es ist ganz klar, dass es hier – wie in keinem Dialog, in keinem Platon’schen Dialog – nicht die Spur eines Gesprächspartners gibt. Dialog wird das offenbar nur genannt, um etwas zu illustrieren, was ich seit langem gesagt habe: dass es den Dialog überhaupt nicht gibt. Das heißt nicht, dass es nicht eine ganz andere Präsenz gäbe, präsent auf dem Boden des Platon’schen Diskurses, sagen wir: eine menschliche Präsenz, eine andere als in vielen anderen Sachen, die seither geschrieben wurden.
Dafür bräuchten wir als Zeugnis nur dies, dass die Art, wie der Kern des Dialogs in den ersten Zugängen vorbereitet wird, in dem, was ich das vorbereitende Gespräch nennen möchte, worin uns wie in allen Dialogen erklärt wird, wie es dazu kam, dass diese verrückte Sache, die in keiner Weise irgendetwas ähnlich sieht, das man Dialog nennen könnte --; hier kann man wirklich spüren, falls man es durch das Alltagsleben nicht bereits wüsste, dass man noch nie gesehen hat, dass ein Dialog zu irgendetwas führt. Bei dem, was man Dialog nennt, bei dieser Literatur, die ein bestimmtes Datum hat, |{130} geht es darum, zu erfassen, was das Reale ist, das glauben machen kann und die Illusion hervorruft, dass man dadurch, dass man mit jemandem einen Dialog führt, zu etwas kommen kann. Also lohnt es sich, dass man die Sache vorbereitet, dass man sagt, worum’s da überhaupt gehen soll.
Der alte Parmenides und seine Clique, die da ist – es brauchte nichts weniger als dies, damit etwas geäußert werden kann, das wen sprechen lässt? na ja, eben das Eins. Und sobald Sie das Eins sprechen lassen, lohnt es sich, dass man sich anschaut, was das demjenigen bringt, der nicht wirklich zu Wort kommt, der nur solche Sachen sagen kann wie: tauto anankē [ebenso notwendig], ou gar oun [ja, das wäre es nicht mehr], ti de [wieso denn?], alēthē [stimmt], also wirklich, noch dreimal wahrer als Sie gesagt haben, nicht wahr? Wenn das, was spricht, das Eins ist, ist natürlich das der Dialog.
Merkwürdig ist die Art, wie Parmenides es einführt. Er legt ihm, dem Eins, die Hand auf den Rücken, er erklärt ihm: Mein Süßer, legen Sie los, sprechen Sie doch, liebes kleines Eins, das ist alles nur Geschwätz. Denn übersetzen Sie mir adoleschia bitte nicht mit der Idee, dass es sich dabei um Adoleszente handelt; das sage ich denen, die darin keine Übung haben, vor allem, weil man Ihnen auf der gegenüberliegenden Seite sagt, es gehe darum, sich wie Unschuldige zu verhalten, wie Jugendliche; Sie könnten das verwechseln, so werden nicht die Jugendlichen genannt, im griechischen Text bedeutet adoleschia „Geschwätz“. Man kann jedoch in Erwägung ziehen, dass dies eine Art Ansatz ist, eine Art Präfiguration – die Präfiguration dessen, was wir in unserer rohen Sprache, geflochten aus dem, was man zur Verfügung hatte, aus der Phänomenologie, die einem damals zur Verfügung stand –, also die Präfiguration dessen, was man mit association libre übersetzt hat, freie Assoziation.
Natürlich, die Assoziation ist nicht frei, wäre sie frei, wäre sie uninteressant, nicht wahr; aber damit ist es genauso wie mit dem Geschwätz: das ist dazu da, um den Spatzen zutraulich zu machen. Die Assoziation, selbstverständlich ist sie gebunden, ich sehe nicht, was an ihr interessant sein sollte, wenn sie frei wäre. Das erwähnte Geschwätz – es ist sicher, es besteht kein Zweifel, dass man deshalb, weil nicht jemand spricht, sondern das Eins, dass man deshalb hier sehen kann, wie sehr das gebunden ist, denn das ist äußerst demonstrativ.
Wenn wir die Dinge so profilieren, ermöglicht uns das ja, einiges einzuordnen, insbesondere den Schritt, der von Parmenides zu Platon getan wurde.
Denn bereits von Parmenides war ein Schritt gemacht worden, in diesem Umfeld, in dem es letztlich darum ging, zu wissen, was es mit dem Realen auf sich hat. Und da sind wir alle immer noch. Nachdem man gesagt hat, es sei die Luft, das Wasser, die Erde, das Feuer und dass man danach nur wieder von vorn anfangen müsse, gibt es jemanden, der sich klargemacht hat, dass der einzige gemeinsame Nenner der ganzen Substanz, um die es ging, darin bestand, sagbar zu sein. Das ist der Schritt von Parmenides.
Platons Schritt jedoch ist anders, er besteht darin, Folgendes zu zeigen: Wenn man auf artikulierte Weise zu sagen versucht, was sich von der Struktur abzeichnet – wie man in unserer --, wie man in dem, was ich vorhin unsere |{131} rohe Sprache genannt habe, sagen würde, das Wort Struktur ist nicht mehr wert als das Wort freie Assoziation –, dass dann jedoch das, was sich abzeichnet, Schwierigkeiten macht und dass dies der Weg ist, auf dem man das Reale suchen muss. Eidos – was man fälschlicherweise mit „Form“ übersetzt – ist etwas, das uns bereits das Fixieren, das Einkreisen dessen verspricht, was im Sagen eine Klaffung aufreißt.
Mit anderen Worten, Platon war – war Lacanianer, um es klar zu sagen. [Gelächter] Das konnte er natürlich nicht wissen. Außerdem war er geistig etwas schwach [Gelächter], was die Dinge nicht erleichtert, ihm aber sicherlich geholfen hat. Als Geistesschwäche bezeichne ich die Tatsache, ein sprechendes Wesen zu sein, das nicht solide in einem Diskurs verankert ist; das ist das, was den Wert des Geistesschwachen ausmacht. Eine andere Definition kann man ihm nicht geben, außer, dass er etwas ist, das man so nennt: ein bisschen neben der Spur, das heißt, er treibt zwischen zwei Diskursen. Um als Subjekt solide verankert zu sein, muss man sich an einen [Diskurs] halten – oder aber wissen, was man tut. Nur deshalb, weil man am Rande steht, weiß man noch lange nicht, was man sagt.
Derart, dass ihm das ermöglicht hat, was ihn angeht, auf eine solide Weise --, er hatte ja durchaus Rahmen, man darf nicht glauben, dass die Dinge zu seiner Zeit nicht in einem ganz soliden Diskurs erfasst waren, und er verrät das im Parmenides irgendwo in den vorbereitenden Gesprächen. Immerhin ist er ja derjenige, der das geschrieben hat. Wir wissen nicht, ob er sich schief lacht oder nicht, aber schließlich hat er nicht auf Hegel gewartet, um uns die Dialektik von Herr und Knecht zu liefern, von Herr und Sklave, und ich muss sagen, was er darüber sagt, steht auf einem anderen Blatt als das, was von der gesamten Phänomenologie des Geistes vorgebracht wird.
Nicht dass er zu einem Ergebnis käme, er liefert jedoch die materiellen Elemente. Er schreitet voran, er schreitet voran, und er kann das, weil das zu seiner Zeit kein Schmu ist. Man fragt sich, ob es besser oder vielmehr schlechter ist, zu denken, dass die Herren und die Sklaven --; das wurde hier bejaht, das ermöglichte es, sich vorzustellen, dass sich das in jedem Augenblick ändern konnte, und tatsächlich änderte sich das in jedem Augenblick. Wenn die Herren gefangen genommen wurden, wurden sie zu Sklaven, und wenn die Sklaven freigelassen wurden, wurden sie ja zu Herren. Weshalb Platon sich vorstellt, und er sagt das in den Vorbemerkungen zu diesem Dialog, dass die Essenz des Herrn, sein eidos, und die des Knechts, also, man kann annehmen, dass diese Essenzen mit dem, worum es dabei realerweise geht, nichts zu tun haben. Der Herr und der Knecht stehen zueinander in Beziehungen, die mit der Beziehung zwischen der Essenz des Herrn und der Essenz des Knechts nichts zu tun haben. Und darin ist er geistig etwas schwach.
Wir haben also gesehen, wie sich die große Vermischung herstellt, nicht wahr, die sich auf einem bestimmten Weg immer einstellt, auf einem Weg, bei dem merkwürdigerweise nicht gesehen wird, wie sehr er die Fortsetzung verspricht, nämlich dass wir alle Brüder sind. Es gibt einen Bereich der Geschichte, der von dieser Art ist, einen Bereich des historischen Mythos, ich meine des |{132} Mythos, insofern er Geschichte ist; das ist nur einmal gesehen worden, bei den Juden, bei denen man weiß, wozu sie dient, die Brüderlichkeit, davon wurde das große Modell geliefert. Sie ist dazu da, dass man seinen Bruder verkauft, was denn auch nicht ausgeblieben ist in der Folge all der Umstürze, von denen gesagt wird, dass sie sich um den Diskurs des Herrn drehen.
Es ist völlig klar, dass der Aufwand, mit dem Hegel sich auf der Ebene der Phänomenologie abmüht: die Furcht des Todes, der tödliche Kampf um reines Ansehen und was weiß ich noch alles --; wodurch es – das ist das, was im Wesentlichen zu erreichen ist –, wodurch es einen Knecht gibt. Aber, ich frage das all diejenigen, die so ein Zittern verspüren, davor, die Rollen zu tauschen, ich frage, was kann dazu führen – da der Knecht überlebt –, dass heute, nach dem tödlichen Kampf um reines Ansehen, nicht sofort die Furcht des Todes kommt, welche die Seiten wechselt?
All das besteht nur fort, kann nur unter der Bedingung fortbestehen, dass man genau sieht, was von Platon zurückgewiesen wird – aber wer wird je wissen, im Namen von was, da man ja, mein Gott, das Herz von Platon nicht ergründen kann, vielleicht ist das einfach Geistesschwäche. Es ist jedoch klar, dass dies die schönste Gelegenheit ist, um zu kennzeichnen, was es mit dem auf sich hat, was er das metechein nennt, das Teilhaben.
Der Knecht ist Knecht immer nur durch die Essenz des Herrn. Wie auch der Herr --; ich nenne das Essenz, nennen Sie es, wie Sie wollen, mir gefällt es viel besser, das S1 zu schreiben, der Herren-Signifikant; und was den Herrn angeht, wenn es nicht S2 gäbe, das Wissen des Knechts, was würde er dann anfangen?
*
Ich halte mich auf, ich halte mich auf, um Ihnen zu sagen, was an dieser unwahrscheinlichen Sache, dass es das gibt, das Eins, „vom Eins“, was daran das Wichtige ist. Das ist der Punkt, der herauszuarbeiten ist.
Denn sobald man dieses Eins untersucht, ist das, was daraus wird – wie eine Sache, die sich auflöst –, dass es unmöglich ist, es zu irgendetwas außerhalb der Folge der ganzen Zahlen in Beziehung zu setzen, außerhalb der Folge der ganzen Zahlen, die nichts anderes ist als dieses Eins. Natürlich erscheint das nur, wird das nur erreicht, taucht das nur auf am Ende einer langen Ausarbeitung des Diskurses.
In der Logik von Frege, derjenigen, die in den *Grundlagen der Arithmetik* verzeichnet ist, werden Sie zugleich die Unzulänglichkeit jeder logischen Ableitung der 1 sehen. Denn sie muss durch die 0 hindurchgehen, von der man zwar nicht sagen kann, dass sie die 1 ist, und dennoch läuft alles so ab, dass von dieser 1, die auf der Ebene der 0 fehlt, |{133} die ganze arithmetische Folge ausgeht. Während bereits --, da von 0 bis 1 bereits 2 ergibt, wird es von daher 3 ergeben, da es davor 0, 1 und 2 geben wird, und so weiter, und dies bis zum ersten der Alephs [ℵ], das merkwürdigerweise und nicht ohne Grund nur mit Aleph-Null [ℵ0] bezeichnet werden kann.
Natürlich, das mag Ihnen als etwas erscheinen, das in gelehrsamer Entfernung liegt. Eben deshalb muss man es verkörpern und deshalb habe ich an den Anfang Yad’lun gesetzt, Skip-teins. Skip-teins!, und diese Meldung könnten Sie gar nicht zu sehr ausrufen, mit so vielen Ausrufezeichen danach, dass das Aleph-Null gerade hinreichen wird, um das auszuloten, was sich einstellen kann, wenn Sie sich ihm hinreichend annähern: das Erstaunen, das es verdient, dass es Eins gibt.
[Jemand im Publikum niest: Ouille!]
Oui! Das verdient es wirklich, mit diesem ouille begrüßt zu werden, nicht wahr, denn wir sprechen die Langue d’oïl [Gelächter], ich meine hoc est ille [lat. „dies ist das“].
Hier, na ja, das, worum es geht, das Eins, das Verantwortliche --; denn wenn man das Eins bei den Ohren packt, nicht wahr, dann zeigt y en a, „’s gibt (davon)“, deutlich den Grund, von dem her das Eins ex-sistiert. Der Grund, von dem her es ex-sistiert, besteht aus etwas, das sich nicht von selbst versteht, nämlich, um mit dem ersten Stück zu beginnen, das ich in Reichweite hatte: ein geistig Zurückgebliebener, und Sie können hinzufügen: eine Grippe, eine Schublade, ein Eine-lange-Nase-Drehen, ein Rauch, ein Gruß von deiner Catherine, eine Zivilisation und sogar ein ungleiches Strumpfband – das macht acht, so unzusammenhängend Ihnen das auch erscheinen mag, nicht wahr? Es gibt jede Menge davon, aber wenn man ruft: put, put!, kommen sie alle.
Und das Wichtige – denn offensichtlich muss man Ihnen eine Sache spürbar machen, muss man Ihnen die Sachen auf andere Weise spürbar machen als durch ein 0/1 und durch das Aleph, nicht wahr? –, das Wichtige ist, dass darin immer dasselbe Eins vorausgesetzt wird, das Eins, das sich – im Gegensatz zu dem Sand, den uns John Stuart Mill in die Augen streuen mag –, das sich nicht einfach so herleiten lässt, dass man unterschiedliche Dinge nimmt und sie als identisch auffasst. Denn das ist einfach etwas, das der Abakus illustriert, wofür er das Modell liefert. Der Abakus ist jedoch ausdrücklich dafür hergestellt worden, dass es gezählt wird und dass gegebenenfalls die verstreuten acht gezählt werden, die ich gerade für Sie habe auftauchen lassen.
Nur, was der Abakus Ihnen nicht geben wird, ist etwas, das sich direkt und ohne Abakus vom Eins herleitet, dass es nämlich zwischen den acht Stücken, über die ich eben zu Ihnen gesprochen habe, 28 Zweier-Kombinationen gibt, nicht eine mehr, und dass dies wegen des Eins so ist. Natürlich hoffe ich, dass Sie das überrascht, und da ich 8 genommen habe, hält nichts Sie davon ab --. Das verblüfft Sie, Sie wussten nicht von vornherein, dass es 28 Kombinationen geben würde, obwohl das einfach ist. Das ist ja so was: |{134} 7 mal 8: 42 [Lacan verrechnet sich], sehen Sie, das ergibt nicht 28, das ergibt 21. Gut, na ja, das ändert nichts [Gelächter], man kann sie wissen, die Zahl, und darum geht es.
Wenn ich weniger genommen hätte, hätte ich Sie damit an die Arbeit gesetzt, wobei Sie mir gesagt hätten, dass ich vielleicht --, dass es außerdem sogar nötig wäre, dass ich die Beziehungen eines jeden zur Menge zähle. Warum tue ich das nicht? Ich werde gezwungen sein, bis zum nächsten Mal zu warten, um Ihnen das zu erläutern. Denn die Beziehungen eines jeden zur Menge, das bringt ja nicht zum Verschwinden, dass es eine Menge gibt und dass dies von daher bedeutet, dass Sie eins hinzufügen. Was ja dazu führen würde, die Anzahl der Zweier-Kombinationen beträchtlich zu erhöhen. Wenn ich Ihnen auf der Ebene des Dreiecks nur drei Einsen notiert hätte, hätte das nur drei Kombinationen ergeben. Sie haben aber, wenn Sie die Menge als Eins nehmen, sofort sechs. Es geht hier eben darum, eine weitere Dimension des Eins wahrzunehmen, die ich versuchen werde, Ihnen beim nächsten Mal mit dem arithmetischen Dreieck zu veranschaulichen.
Anders ausgedrückt, das Eins hat also nicht immer denselben Sinn. Es hat beispielsweise den Sinn des Eins der leeren Menge, die zu unserer Zählung der Elemente eigenartigerweise zwei hinzufügen würde; ich werde demonstrieren, warum und von wo das ausgeht. Nichtsdestoweniger kommen wir einer Sache bereits näher, die nicht vom Eins als Ganzem ausgeht und uns dadurch zeigt, dass das Eins in seinem Auftreten nicht eindeutig ist. Mit anderen Worten, wir erneuern die Platon’sche Dialektik.
Auf diese Weise möchte ich Sie also irgendwo hinführen: indem ich diesem Eins nachgehe, durch seine Bifidität – von der man noch sehen muss, ob sie Bestand hat –, diesem Eins, das Platon so gut vom Sein unterscheidet. Sicherlich ist es so, dass das Sein Eins ist, immer, in allen Fällen; dass jedoch das Eins als Sein zu sein weiß, das ist das, was im Parmenides perfekt demonstriert wird. Das ist ja, historisch gesehen, das, wovon die Funktion der Existenz ausgegangen ist. Und wenn das Eins nicht ist, stellt es deshalb nicht weniger die Frage, und es stellt sie umso mehr, als sich, wenn es um die Existenz geht, wo immer das sein mag, die Frage stets um das Eins drehen wird.
Bei Aristoteles gibt es nur eine zaghafte Annäherung an diese Sache: auf der Ebene der partikulären Aussagen. Er stellt sich vor, dass es genügt zu sagen, dass einige – nur einige, nicht alle –, dass einige so sind oder aber so sind, damit |{135} sie das unterscheidet, und dass es so ist, wenn sie von dem unterschieden werden, was selbst soundso ist, wenn beispielsweise gilt: diese sind nicht so, dass dies dann genügt, um ihre Existenz zu sichern. Insofern kommt die Existenz sofort, bereits bei ihrem ersten Auftauchen, von ihrer korrelativen Inexistenz her in Gang und wird von daher geäußert. Existenz gibt es nur vor einem Hintergrund von Inexistenz und umgekehrt – [lat.] ex-sistere, seine Stütze nur von einem Außen her erhalten, das nicht ist. Und das ist ja das, worum es beim Eins geht.
Denn von wo taucht es tatsächlich auf? An einem Punkt, an dem es Platon gelingt, es festzumachen. Man darf nicht glauben, das bezöge sich, wie es scheint, nur auf die Zeit. Er nennt diesen Punkt to exaiphnēs, übersetzen Sie das wie Sie wollen, das ist der Augenblick, dass ist das Plötzlich. Das ist der einzige Punkt, an dem er ihm [dem Eins] Bestand verleihen kann.
Und das ist ja immer dort, wo jede Erhellung der Zahl --; und Gott weiß, dass sie weit genug vorangetrieben worden ist, um uns die Idee zu vermitteln, dass es noch andere Alephs gibt als das Aleph der [natürlichen] Zahlen, und dies hier, dieser Augenblick, dieser Punkt – denn das wäre die richtige Übersetzung –, das ist eben das, was sich erst auf der Ebene eines höheren Alephs als entscheidend herausstellt, auf der Ebene des Kontinuums.
Das Eins scheint also genau hier verloren zu gehen und scheint das, worum es bei der Existenz geht, zum Höhepunkt zu führen, bis dahin, an die Existenz als solche anzugrenzen, insofern sie aus dem auftaucht, was in dem, was geäußert werden kann, am schwersten zu erreichen ist und darin am flüchtigsten ist.
Und das hat mich dazu gebracht – um mich auf dieses exaiphnēs zu beziehen –, es bei Aristoteles selbst zu finden, da ich bemerkt habe, dass es das Auftauchen des Terminus existieren letztlich irgendwo in der Physik gegeben hat, wo Sie ihn finden können, wo Sie ihn vor allem dann finden können, wenn ich Ihnen den Hinweis gebe, das steht irgendwo in Buch IV der Physik von Aristoteles. Ich sehe das hier nicht in meinen Papieren, aber es muss wirklich darin sein. Aristoteles definiert das exaiphnēs als das, was anaisthētō chronō, „in einer Zeit, die nicht gespürt werden kann“, dia mikrotēta, „aufgrund ihrer extremen Kürze“, to ekstan ist [außer sich tritt]. Ich weiß nicht, ob der Ausdruck extan in der antiken Literatur noch anderswo als an dieser Stelle in Buch IV der Physik verwendet wird, es ist jedoch klar, dass er von --; das ist ein Partizip, ein Partizip Passiv, das Partizip Perfekt des zweiten Aorists von istēmi, des Aorists, der estēn ausgesprochen wird; das ist stan, ich weiß jedoch nicht, ob es ein Verb existēmi gibt, das ist zu prüfen. Wie auch immer, das [lateinische Wort] sistere ist bereits da, das beständig sein, beständig sein ausgehend von einem Außen: [griechisch] to ekstan.
Das, was nur vom Nichtsein her existiert, darum geht es, das wollte ich heute angehen, unter der allgemeinen Überschrift des Unien, des Einlichen.
Und ich bitte Sie um Verzeihung – wenn ich das Unien gewählt habe, entschuldigen Sie, dann deshalb, weil es das Anagramm von Ennui ist.
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Französisch/deutsch mit erläuternden Anmerkungen
Zahlen in geschweiften Klammern und grauer Schrift , z.B. {11}, verweisen auf die Seiten von Millers Ausgabe des Seminars bei Le Seuil.
Zahlen in eckigen Klammern und grauer Schrift, z.B. [1], verweisen auf die Seiten der Stenotypie auf der Website der École lacanienne de psychanalyse (ELP) (hierhttps://lacan-entziffern.de/wp-content/uploads/2020/11/1972.03.15.pdf).
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Seminar XIX von 1971/72, „… oder schlimmer“,
Université Paris 1 Panthéon Sorbonne, Rechtsfakultät, Place du Panthéon
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{125} [1] La dernière fois, je vous ai raconté quelque chose qui était centré sur l’Autre – ce qui est plus commode que ce dont je vais parler aujourd’hui –, dont je vous ai déjà caractérisé ce qu’on pourrait appeler le rapport, le rapport à l’Autre, très précisément en ceci qu’il n’est pas inscriptible, ce qui ne rend pas les choses plus faciles.
Beim letzten Mal3 habe ich Ihnen etwas erzählt, das um den Anderen zentriert war – was zugänglicher ist als das, worüber ich heute sprechen möchte –, wovon ich Ihnen bereits das beschrieben habe, was man das Verhältnis nennen könnte, das Verhältnis zum Anderen, insofern nämlich, als es sich nicht einschreiben lässt, was die Dinge nicht einfacher macht.4
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Il s’agit de l’Un.
Es geht um das Eins.5
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De l’Un pour autant que déjà je vous ai indiqué, vous indiquant aussi comment la trace s’en est frayée dans le Parménide de Platon, dont le premier pas pour y comprendre quelque chose, c’est de vous apercevoir que tout ce qu’il en énonce comme dialectisable, comme se développant – de tout discours possible au sujet de l’Un, c’est d’abord et à ne le prendre qu’à ce niveau qui n’est rien en dire d’autre, comme il s’exprime – que « C’est Un ».
Um das Eins insofern, als ich Sie bereits darauf hingewiesen habe und Sie weiterhin darauf hinweise, wie die Spur dieses Eins in Platons Parmenides gebahnt wurde, wobei, wenn man hier etwas begreifen will, der erste Schritt darin besteht, sich klarzumachen, dass all das, was er dazu äußert – als dialektisierbar, als sich entwickelnd –, dass das Eins, bei jeder möglichen Rede über dieses Thema, zunächst nur auf der Ebene zu nehmen ist, die darin besteht, darüber, wie er sich ausdrückt, nichts anderes zu sagen als: „’S ist Eins.“6
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Et peut-être y en a-t-il un certain nombre d’entre vous à avoir, sur mes adjurations, ouvert ce livre et de s’être aperçu que c’est pas la même chose que de dire que L’Un est.
Und vielleicht gibt es unter Ihnen einige, die auf meine dringende Bitte hin dieses Buch aufgeschlagen und bemerkt haben, dass dies nicht dasselbe ist wie zu sagen: „Das Eins ist.“
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« C’est Un », c’est la première hypothèse, et « L’Un est », c’est la seconde, elles sont distinctes.
„’S ist Eins“ ist die erste Hypothese, und „das Eins ist“ ist die zweite, sie unterscheiden sich.7
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Naturellement pour que ceci porte faudrait que vous lisiez Platon avec un petit bout de quelque chose qui viendrait de vous, faudrait pas que Platon soit pour vous comme ce qu’il est : un auteur.
Natürlich, damit das trägt, sollten Sie Platon mit ein bisschen was lesen, das von Ihnen kommt; er sollte für Sie nicht sein wie das, was er ist, ein Autor.
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Vous êtes formés depuis votre enfance à faire de l’auteur-stop.
Seit Ihrer Kindheit sind Sie darin geschult: im Autor-Stop.8
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Depuis le temps que c’est passé dans les mœurs, cette façon de vous adresser aux machins là |{126} comme autorisés, vous devriez savoir que ça ne mène nulle part, encore bien sûr que ça puisse vous mener très loin.
Seit das üblich geworden ist, diese Art, sich auf diese Sachen als autor-isierte zu beziehen, sollten Sie wissen, dass das nirgendwo hinführt, auch wenn es Sie natürlich sehr weit führen kann.9
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Ces observations étant faites, c’est de l’Un donc – pour des raisons dont il va falloir encore que je m’excuse, car au nom de quoi est-ce que je vous occuperais avec ça ? – c’est de l’Un que je vais vous parler aujourd’hui.
Nach diesen Vorbemerkungen ist es also das Eins – aus Gründen, für die ich mich noch werde entschuldigen müssen, denn im Namen von was sollte ich Sie damit beschäftigen? –, ist es also das Eins, worüber ich heute zu Ihnen sprechen möchte.10
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C’est même pour ça que j’ai inventé un mot qui sert de titre à ce que je vais vous en dire.
Deswegen habe ich sogar ein Wort erfunden, das dem, was ich Ihnen darüber sagen möchte, als Überschrift dient.
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Je suis pas très sûr, je suis même sûr du contraire : je n’ai pas inventé l’unaire, le trait unaire qu’en 62 j’ai cru pouvoir extraire de Freud qui l’appelle einzig, en le traduisant ainsi.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ich bin mir sogar des Gegenteils sicher – das Unäre habe ich nicht erfunden, der trait unaire, den ich ’62 glaubte, aus Freud, der ihn einzig* nennt, herausziehen zu können, indem ich das so übersetzt habe.11
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Ce qui a paru à l’époque miraculeux à quelques-uns.
Was einige damals verwundert hat.
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C’est bien curieux que l’einziger Zug, la deuxième forme d’identification distinguée par Freud, ne les ait jamais retenus jusque là.
Es ist doch merkwürdig, dass sie sich bis dahin beim *einzigen Zug* – der zweiten von Freud herausgestellten Form der Identifizierung – niemals aufgehalten hatten.
[2] Par contre, le mot dont je ferai accolade à ce que je vais vous dire aujourd’hui est tout à fait nouveau, et il est fait comme d’une précaution, parce qu’à la vérité il y a beaucoup de choses qui sont intéressées à l’Un.
Im Gegensatz dazu ist das Wort, mit dem ich eine Klammer um das setzen möchte, was ich Ihnen heute sagen werde, völlig neu, und es ist wie aus Vorsicht heraus geschaffen, da in das Eins tatsächlich viele Dinge verwickelt sind.
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De sorte qu’il n’est pas possible…, je vais essayer pourtant de frayer tout de suite quelque chose qui situe l’intérêt que mon discours – pour autant qu’il est lui-même frayage du discours analytique – l’intérêt que mon discours a à passer par l’Un.
Derart, dass es nicht möglich ist --; ich werde jedoch versuchen, sogleich etwas anzubahnen, um das Interesse zu verorten, das mein Diskurs, insofern er selbst Bahnung des analytischen Diskurses ist, das Interesse, das mein Diskurs daran hat, den Weg über das Eins zu nehmen.
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Mais d’abord prenez-en le champ, en gros désigné donc de l’unien : u, n, i, e, n.
Aber nehmen Sie davon doch zunächst das Feld, das ich also grob als l’unien bezeichnet habe, als das Einliche.
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C’est un mot qui ne s’est jamais dit, qui a pourtant son intérêt d’amener une note d’éveil pour vous chaque fois que l’Un sera intéressé et qu’à le prendre ainsi, sous une forme épithète, ça vous rappellera ce que Freud, ce que Platon d’abord promeut : c’est que de sa nature il a des pentes diverses.
Dieses Wort ist noch nie gesagt worden, es hat jedoch den Vorteil, dass es Ihnen jedes Mal, wenn das Eins ins Spiel kommt, einen Weckruf zusendet; und wenn man es so nimmt, in Form eines Epithetons, dann wird Sie das an das erinnern, was Freud propagiert und Platon bereits vor ihm: dass es seiner Natur nach unterschiedliche Seiten hat.12
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Dans l’analyse qu’il en soit parlé, ce qui ne vous échappe pas je pense, à vous souvenir de ce qu’il préside à cette bizarre assimilation de l’Éros à ce qui tend à coaguler ; sous prétexte que le corps c’est très évidemment une des formes de l’Un, que ça tient ensemble, que c’est un individu sauf accident, il est – c’est singulier – promu par Freud.
Dass in der Analyse davon gesprochen wird, ich denke, das entgeht Ihnen nicht, wenn Sie sich daran erinnern, dass es bestimmend ist für die bizarre Assimilation des Eros an das, was bestrebt ist zu koagulieren13; unter dem Vorwand, dass der Körper ganz offensichtlich eine der Formen des Eins ist – dass das zusammenhält, dass es ein Individuum ist, solange es keinem Unfall gibt –, unter diesem Vorwand wird das eigenartigerweise von Freud in den Vordergrund gestellt.14
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Et c’est bien, à vrai dire, ce qui met en question la dyade avancée par lui d’Éros et de Thanatos.
Und das ist ja tatsächlich das, wodurch die von ihm behauptete Dyade von Eros und Thanatos in Frage gestellt wird.15
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Si elle n’était pas soutenue d’une autre figure, qui est très précisément celle où échoue le rapport sexuel, à savoir celle de l’Un et de Pas-un, c’est à savoir zéro, on voit mal la fonction que pourrait tenir ce couple stupéfiant.
Würde sie nicht durch eine andere Figur gestützt – und zwar durch die, bei der das sexuelle Verhältnis scheitert, nämlich die der Eins und der Nicht-Eins, also der Null –, ließe sich nur schwer vorstellen, welche Funktion dieses erstaunliche Paar haben könnte.16
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Il est de fait qu’il sert au profit d’un certain nombre de malentendus, d’épinglages de la pulsion de mort, ainsi dite à tort et à travers.
Tatsächlich begünstigt es eine Reihe von Missverständnissen und Festlegungen zum Todestrieb, der ganz unüberlegt so bezeichnet wird.
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Mais il est certain qu’en tout cas l’Un ne saurait, dans ce discours sauvage qui s’institue de la tentative d’énoncer le rapport sexuel, il est strictement impossible de considérer la copulation de deux corps comme n’en faisant qu’un.
Es ist jedoch sicher, dass das Eins keinesfalls, in diesem wilden Diskurs, der durch den Versuch zustande kommt, das sexuelle Verhältnis zu artikulieren --, es ist streng unmöglich, die Kopulation zweier Körper als etwas aufzufassen, was daraus nur eins macht.17
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Il est extraordinaire qu’à cet égard, le Banquet de Platon – alors que les savants ricanent du Parménide –, le Banquet de Platon soit pris au sérieux comme représentant quoi que ce |{127} soit qui concerne l’amour.
Insofern ist es außergewöhnlich, dass Platons Gastmahl – während die Gelehrten über den Parmenides kichern –, dass Platons Gastmahl als etwas ernstgenommen wird, in dem irgendetwas dargestellt wird, das mit der Liebe zu tun hat.
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Certains se souviennent peut-être encore que j’en ai usé dans une année – exactement celle qui précède celle que j’ai avancée tout à l’heure, l’année 61-62 – c’est en 60-61 que j’ai pris Le Banquet pour terrain d’exercice et je n’ai rien songé à en faire d’autre qu’à en fonder le transfert.
Vielleicht erinnern sich einige noch daran, dass ich diesen Text einmal verwendet habe, in einem Jahr, genau in dem Jahr, das dem vorausging, das ich vorhin erwähnt habe, vor 61/62; also 60/61 habe ich das Gastmahl als Übungsgelände gewählt, und mir ging es dabei um nichts anderes als darum, hierauf die Übertragung zu gründen.18
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Jusqu’à nouvel ordre, le transfert, qu’il y ait quelque chose de l’ordre du deux, peut-être, à son horizon, ne peut pas passer pour une copulation.
Bis auf weiteres kann die Übertragung, auch wenn sie an ihrem Horizont vielleicht etwas von der Ordnung der Zwei hat, nicht für eine Kopulation durchgehen.
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Je pense tout de même avoir un petit peu indiqué alors le mode de dérision sur lequel se déroule cette scène à très proprement parler désignée comme bachique.
Ich glaube jedoch, dass ich damals ein wenig auf den Modus des Spotts hingewiesen habe, in dem sich diese Szene abspielt, die als bacchantisch bezeichnet wird, im strengen Sinne des Wortes.
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[3] Que ce soit Aristophane qui promeut, qui invente la fameuse bipartition de l’être qui de prime abord n’eût été que bête à deux dos qui se tient serrée et dont c’est la jalousie de Zeus qui en fait deux à partir de là, c’est assez dire dans quelle bouche est mis cet énoncé pour indiquer qu’on s’amuse, on s’amuse bien d’ailleurs.
Dass es Aristophanes ist, der die berühmte Zweiteilung einer Kreatur vorbringt, der sie erfindet, einer Kreatur, die zunächst nur ein Tier mit zwei Rücken war, das sich selbst umschlungen hielt, und wobei dann die Eifersucht des Zeus zwei daraus macht – es genügt zu sagen, in wessen Mund diese Aussage gelegt wird, um zu zeigen, dass man sich amüsiert, und man amüsiert sich übrigens prächtig.19
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Le plus énorme, c’est qu’il n’apparaisse pas que celle qui couronne tout le discours, la nommée Diotime, ne joue pas un autre rôle puisque ce qu’elle enseigne, c’est que l’amour ne tient qu’à ce que l’aimé – qu’il soit homo ou hétéro – on n’y touche pas, qu’il n’y a que l’Aphrodite uranienne qui compte.
Das Unglaublichste ist, dass es nicht so aussieht, als spielte diejenige, die den gesamten Diskurs krönt, mit Namen Diotima, eine andere Rolle, denn sie lehrt, dass die Liebe nur davon abhängt, dass der Geliebte, ob homo oder hetero, nicht berührt wird, dass es nur die uranische Aphrodite ist, die zählt.20
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Ça n’est pas précisément dire que ce soit l’Un qui règne sur l’Éros.
Damit sagt man ja nun nicht gerade, dass es das Eins ist, was den Eros regiert.
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Ce serait déjà à soi tout seul une raison d’avancer quelques propositions déjà frayées d’ailleurs sur l’Un, s’il n’y avait pas en outre ceci : c’est que dans l’expérience analytique le premier pas c’est d’y introduire Un.
Bereits das wäre ein Grund, um einige, übrigens bereits angebahnte, Behauptungen über das Eins vorzubringen, wenn es nicht außerdem so wäre, dass in der analytischen Erfahrung der erste Schritt darin besteht, darin Eins einzuführen.
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En analyste qu’on est, on lui fait faire le pas d’entrée, moyennant quoi l’analysant dont il s’agit – cet Un –, le premier mode de sa manifestation, est évidemment de vous reprocher de n’être qu’un entre autres.
Als Analytiker, der man ist, lässt man ihn eintreten, womit der Analysant, um den es geht --, womit der erste Modus, in dem das Eins in Erscheinung tritt, offensichtlich der ist, dass er Ihnen vorwirft, nur einer unter anderen zu sein.21
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Moyennant quoi ce qu’il manifeste, mais bien sûr sans s’en apercevoir, c’est très précisément que ces autres, il n’a rien à faire avec eux et que c’est pour ça qu’avec vous – l’analyste – il voudrait être le seul pour que ça fasse deux, et qu’il ne sait pas que ce dont il s’agit, c’est justement qu’il s’aperçoive que deux, c’est cet Un qu’il se croit, et où il s’agit qu’il se divise.
Womit er bekundet, natürlich ohne dass er es mitbekommt, dass er mit den anderen nichts zu tun hat und dass er bei Ihnen, dem Analytiker, gern der Einzige wäre, damit das zwei ergibt; er weiß nicht, dass es darum geht, dass ihm klar wird, dass dieses Eins, für das er sich hält, zwei ist, und wo es darum geht, dass er sich teilt.22
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Alors donc y a d’l’Un.
Also: y a d’l’Un, ’s gibt Eins.23
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Faudrait écrire ça, aujourd’hui je ne suis pas très porté à écrire mais enfin pourquoi pas [schreibt an die Tafel]: Yad’lun.
Das sollte man schreiben; heute ist mir nicht besonders nach Schreiben, aber warum nicht [schreibt an die Tafel]: Yad’lun.24
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Pourquoi pas l’écrire comme ça ?
Warum es nicht so schreiben?
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L’écrire comme ça, vous allez le voir, ça a un certain intérêt qui n’est pas sans justifier le choix de cet Unien de tout à l’heure.
Es so zu schreiben, hat, wie Sie sehen werden, einen bestimmten Nutzen, nicht ohne die Wahl des Einlichen von vorhin zu begründen.
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C’est qu’Yad’lun écrit comme ça, ça met en valeur une chose propice de la langue française, |{128} et dont je ne sais pas si on peut tirer le même avantage du there is ou du es gibt ; les gens qui en ont le maniement pourront peut-être me l’indiquer.
Er besteht darin, dass Yad’lun, so geschrieben, etwas zur Geltung bringt, das sich in der französischen Sprache anbietet25, und wobei ich nicht weiß, ob man aus dem englischen there is oder aus dem deutschen *es gibt* denselben Vorteil ziehen kann; Leute, die sich damit auskennen, werden es mir vielleicht zeigen können.
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Es gibt commande l’accusatif, n’est-ce pas ; on dit es gibt einen quelque chose, quand c’est au masculin.
Das deutsche *Es gibt* verlangt den Akkusativ, nicht wahr; man sagt – wenn sich das auf ein Maskulinum bezieht – *es gibt einen*.
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There is – on peut dire there is one, there is a quelque chose.
There is – man kann sagen there is one, there is an etwas.
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Je sais bien qu’il y a le there qui est une amorce de ce côté là, mais c’est pas simple.
Ich weiß ja, dass es das there gibt, das ein Ansatz in dieser Richtung ist, aber das ist nicht einfach.
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En français on peut dire y’en a.
Auf Französisch kann man sagen: y en a, „’s gibt (davon)“.26
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Chose très étrange, je n’ai pas réussi – ça ne veut pas dire que ça ne soit pas trouvable, mais enfin comme ça, à la façon assez hâtive dont je procède malgré tout, la fonction de la hâte en logique j’en sais un petit quelque chose, faut bien que je me presse, le temps me presse –, je n’ai pas réussi à voir, à |[4] trouver quelque chose, ni à simplement --, je vais vous dire ce que j’ai consulté : le Littré, le Robert pendant que j’y étais, le Damourette et Pichon et quelques autres quand même.
Seltsamerweise ist es mir nicht gelungen – das heißt nicht, dass es sich nicht finden ließe, aber na ja, so wie ich vorgehe, ziemlich hastig, die Funktion der Hast in der Logik, damit kenne ich mich ein bisschen aus27, ich muss mich beeilen, die Zeit drängt –, es ist mir nicht gelungen, etwas zu sehen, etwas zu finden, und auch nicht, einfach --; ich will Ihnen sagen, wo ich nachgeschaut habe: im Littré, im Robert, als ich da war, im Damourette et Pichon und sogar noch in einigen anderen.28
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L’émergence historique – tout ce qu’un dictionnaire comme le Bloch et von Wartburg est fait pour vous donner – l’émergence d’une formule aussi capitale que il y a qui veut dire ça : y en a, c’est sur le fond de l’indéterminé que surgit ce que désigne et pointe à proprement parler l’il y a, dont curieusement, y a – je vais dire n’y a pas – n’y a pas d’équivalent – c’est vrai – d’équivalent courant dans ce que nous appellerons les langues antiques.
Das historische Auftauchen – all das, was Ihnen ein Wörterbuch wie der Bloch und von Wartburg liefern soll –, das Auftauchen einer Formulierung, die so wesentlich ist wie il y a, „es gibt“, und das bedeutet y en a, „’s gibt (davon)“; es ist vor dem Hintergrund des Unbestimmten, dass das auftaucht, was, strenggenommen, vom il y a bezeichnet und angezeigt wird; davon gibts seltsamerweise – ich werde sagen: gibts kein –, davon gibts in dem, was wir die antiken Sprachen nennen wollen, kein Äquivalent, wirklich!, kein gängiges Äquivalent.29
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Au nom de quoi, justement se désigne que le discours – eh bien comme dit et comme le démontre le Parménide – le discours, ça change.
Was ja darauf hinweist, dass der Diskurs, wie im Parmenides gesagt und demonstriert wird, dass der Diskurs sich verändert.
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C’est bien en ça que le discours analytique peut représenter une émergence et qu’il s’agirait peut-être que vous en fassiez quelque chose, si tant est que dès ma disparition – aux yeux de beaucoup d’esprits, bien sûr toujours présente comme possible sinon imminente – dès ma disparition on s’attend, dans le même champ, à la véritable pluie d’ordures qui déjà s’annonce parce que, on croit que ça ne peut plus tarder. [Gelächter]
In eben dieser Hinsicht kann der analytische Diskurs eine Emergenz darstellen, und vielleicht wäre es gut, wenn Sie etwas daraus machen, für den Fall, dass es nach meinem Hinscheiden – das in den Augen vieler Geister natürlich immer als möglich gegenwärtig ist, wenn nicht sogar als unmittelbar bevorstehend –, dass es nach meinem Hinscheiden, wie man in diesem Feld erwartet, zu einen veritablen Regen von Unrat kommt, der sich bereits ankündigt, da man glaubt, das könne nicht länger auf sich warten lassen. [Gelächter]
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Dans la trace de mon discours, il vaudrait peut-être mieux que se confortent ceux qui pourraient… ceux qui pourraient donner à ce frayage une suite, dont heureusement aussi, j’ai dans un endroit, un endroit bien précis, quelques prémisses, mais rares, parce que, on passe son temps à me casser les pieds et les oreilles avec le fait de savoir : le rapport du discours analytique avec la révolution.
Auf der Spur meines Diskurses wäre es vielleicht besser, wenn sich diejenigen Mut machen würden, die dieser Bahnung eine Fortsetzung geben könnten, wofür ich glücklicherweise an einem Ort, an einem ganz bestimmten Ort, auch einige Prämissen habe30 – die allerdings selten sind, da man seine Zeit damit verbringt, mich zu nerven und mir in den Ohren zu liegen, um herauszufinden, worin das Verhältnis des analytischen Diskurses zur Revolution besteht.
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C’est peut-être justement lui qui porte le germe d’aucune révolution possible, de ce qu’il faut pas confondre la révolution avec le vague à l’âme qui peut vous prendre comme ça à tout bout de champ sous cette étiquette ; c’est pas tout à fait la même chose.
Vielleicht ist es ja der analytische Diskurs, der den Keim einer möglichen Revolution in sich birgt, von daher, dass man die Revolution nicht mit der melancholischen Stimmung verwechseln darf, die Sie unter diesem Etikett, einfach so, beim geringsten Anlass erfassen kann, das ist überhaupt nicht dasselbe.
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Y en a, donc, c’est sur fond de quelque chose qui n’a pas de forme.
Y en a, „’s gibt (davon)“, das ist vor dem Hintergrund von etwas, das keine Form hat.
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Quand on dit y en a ça veut dire d’habitude y en a du ou y en a des.
Wenn man sagt: y en a, „’s gibt (davon)“, dann bedeutet das für gewöhnlich y en a du oder y en a des, „’s gibt (von)“.
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On |{129} peut même ajouter de temps en temps à ce des, des qui: des qui pensent, des qui s’expriment, des qui racontent, des machins comme ça, ça reste un fond d’indétermination.
Zu diesem des, zu diesem „von“, kann man bisweilen sogar ein qui hinzufügen: des qui, „(davon) einige, die“, des qui pensent, „(davon) einige, die denken“, des qui s’expriment, „(davon) einige, die sich ausdrücken“, des qui racontent, „(davon) einige, die erzählen“, Sachen dieser Art – es bleibt ein Hintergrund von Unbestimmtheit.
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La question commence sur ce que ça veut dire de l’Un.
Damit stellt sich die Frage, was de l’Un bedeutet, wörtlich: „vom Eins“.
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Car dès que l’Un est énoncé, le de n’est plus là que comme un mince pédicule sur ce qu’il en est de ce fond.
Denn sobald l’Un gesagt ist – „das Eins“ –, gibt es das de – das „von“ – nur als einen dünnen Stängel auf etwas, das mit diesem Hintergrund zu tun hat.
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D’où est-ce que cet Un surgit ?
Von woher taucht dieses Eins auf?31
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C’est très précisément ce que dans la première hypothèse, Platon essaie d’avancer, à dire comme il peut, faute qu’il ait à sa disposition d’autres mots : hen ei estin: s’il est Un.
Das ist eben das, was Platon in der ersten Hypothese vorzubringen versucht, indem er, so gut er kann, sagt, mangels anderer Worte: hen ei estin, „wenn Eins ist“.
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Car estin a manifestement là la fonction de suppléance de ce qui ne s’accentue pas comme en français de l’il y a.
Denn estin hat hier offenkundig die Funktion einer Ersatzbildung für das, was nicht wie im Französischen mit dem il y a akzentuiert wird, mit dem „es gibt“.
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Et ce qu’il faudrait sûrement traduire – je comprends le scrupule qui y arrête les |[5] traducteurs – faudrait sûrement traduire : s’il y a Un ou l’Un, c’est à vous de choisir.
Und was man sicherlich so übersetzen sollte – ich verstehe die Bedenken, die an dieser Stelle die Übersetzer innehalten lassen –, was man sicherlich so übersetzen sollte: „wenn es Eins gibt“ oder auch „wenn es das Eins gibt“, das ist Ihre Entscheidung.
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Mais ce qui est certain, c’est que Platon choisit, et que son Un n’a rien à faire avec ce qui englobe.
Sicher ist jedoch, dass Platon wählt und dass sein Eins nichts mit dem zu tun hat, was umfasst.
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Il y a même quelque chose de remarquable, c’est que ce qu’il en démontre immédiatement, c’est que il ne saurait avoir aucun rapport avec quoi que ce soit dont il a fait sous mille formes la recension métaphysique et qui s’appelle la dyade en tant que dans l’expérience – dans l’expérience de pensée – elle est partout : le plus grand – le plus petit, le plus jeune – le plus vieux etc., etc., l’incluant – l’inclus, et tout ce que vous voudrez de cette espèce.
Es gibt da sogar etwas Bemerkenswertes, nämlich dass er davon unmittelbar demonstriert, dass dies in keiner Beziehung zu irgendetwas stehen könnte, dessen kritische metaphysische Bestandsaufnahme er in tausend Formen durchgeführt hat und was Dyade genannt wird, insofern sie in der Erfahrung, in der Erfahrung des Denkens, überall ist: das Größte – das Kleinste; das Jüngste – das Älteste; und so weiter und so fort; das Einschließende – das Eingeschlossene; und in dieser Art alles, was Sie wollen.32
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Ce qu’il commence par démontrer est très précisément ceci, qu’à prendre l’Un par le moyen d’une interrogation discursive.
Was er zu Beginn demonstriert, ist eben dies, indem er das Eins mithilfe einer diskursiven Befragung angeht.
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Et qui est là interrogé ?
Und wer wird hier befragt?
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Ce n’est évidemment pas le pauvre petit, le cher mignon, le dénommé Aristote si mon souvenir est bon, dont il semble difficile de croire que ça puisse être à ce moment-là celui qui nous a laissé sa mémoire.
Das ist offensichtlich nicht der arme Kleine, der süße Kerl, der, wenn ich mich recht erinnere, den Namen Aristoteles hat und bei dem man schwerlich annehmen kann, das könnte hierbei derjenige sein, der uns seine Abhandlungen hinterlassen hat.33
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Il est bien clair que comme dans tout dialogue, dans tout dialogue platonicien, il y a pas trace d’interlocuteur.
Es ist ganz klar, dass es hier – wie in keinem Dialog, in keinem Platon’schen Dialog – nicht die Spur eines Gesprächspartners gibt.
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Ça semble ne s’appeler dialogue que pour illustrer ce que j’ai depuis longtemps énoncé, que le dialogue justement, il n’y en a pas.
Dialog wird das offenbar nur genannt, um etwas zu illustrieren, was ich seit langem gesagt habe: dass es den Dialog überhaupt nicht gibt.34
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Ça ne veut pas dire qu’il n’y ait pas, présente au fond du dialogue platonicien, une bien autre présence – présence humaine disons-le – que dans bien d’autres choses qui se sont écrites depuis.
Das heißt nicht, dass es nicht eine ganz andere Präsenz gäbe, präsent auf dem Boden des Platon’schen Diskurses, sagen wir: eine menschliche Präsenz, eine andere als in vielen anderen Sachen, die seither geschrieben wurden.
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Il ne nous en faudrait pour témoignage que ceci : que dans les premières approches, la façon dont se prépare ce qui constitue l’os du dialogue, ce que j’appellerai l’entretien préliminaire, celui qui nous explique, comme dans tous les dialogues, comment c’est arrivé que cette chose folle qui ne ressemble en rien à quoi que ce soit qu’on puisse appeler dialogue… ; c’est là que vraiment on peut le sentir si déjà on ne savait pas par le commun de la vie qu’on n’a jamais vu un dialogue aboutir à quoi que ce soit.
Dafür bräuchten wir als Zeugnis nur dies, dass die Art, wie der Kern des Dialogs in den ersten Zugängen vorbereitet wird, in dem, was ich das vorbereitende Gespräch nennen möchte, worin uns wie in allen Dialogen erklärt wird, wie es dazu kam, dass diese verrückte Sache, die in keiner Weise irgendetwas ähnlich sieht, das man Dialog nennen könnte --; hier kann man wirklich spüren, falls man es durch das Alltagsleben nicht bereits wüsste, dass man noch nie gesehen hat, dass ein Dialog zu irgendetwas führt.35
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Il s’agit dans ce qu’on appelle dialogue, dans cette littérature qui a sa date, |{130} justement de serrer quel est le réel qui peut faire croire, qui donne l’illusion qu’on peut parvenir à quelque chose en dialoguant avec quelqu’un.
Bei dem, was man Dialog nennt, bei dieser Literatur, die ein bestimmtes Datum hat, geht es darum, zu erfassen, was das Reale ist, das glauben machen kann und die Illusion hervorruft, dass man dadurch, dass man mit jemandem einen Dialog führt, zu etwas kommen kann.36
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Alors ça vaut qu’on prépare le truc, qu’on dise de quel zinzin il s’agissait.
Also lohnt es sich, dass man die Sache vorbereitet, dass man sagt, worum’s da überhaupt gehen soll.
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Le vieux Parménide et sa clique qui est là, fallait rien moins que ça pour que puisse s’énoncer quelque chose qui fait parler – qui ? – eh bien, justement : l’Un.
Der alte Parmenides und seine Clique, die da ist – es brauchte nichts weniger als dies, damit etwas geäußert werden kann, das wen sprechen lässt? na ja, eben das Eins.
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Et à partir du moment où vous le faites parler l’Un , ben ça vaut la peine de regarder à quoi ça sert celui qui tient l’autre crachoir, qui ne peut que dire des trucs comme ça : tauto anankē, ou gar oun, ti de, alēthē, ho, là, là, encore trois fois plus vrai que vous ne le disiez, n’est-ce pas ?
Und sobald Sie das Eins sprechen lassen, lohnt es sich, dass man sich anschaut, was das demjenigen bringt, der nicht wirklich zu Wort kommt, der nur solche Sachen sagen kann wie: tauto anankē [ebenso notwendig], ou gar oun [ja, das wäre es nicht mehr], ti de [wieso denn?], alēthē [stimmt], also wirklich, noch dreimal wahrer als Sie gesagt haben, nicht wahr?
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C’est ça le dialogue naturellement, quand c’est l’Un qui parle.
Wenn das, was spricht, das Eins ist, ist natürlich das der Dialog.
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Ce qui est curieux c’est la façon dont Parménide l’introduit.
Merkwürdig ist die Art, wie Parmenides es einführt.
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L’Un, il lui passe la main dans le dos, il |[6] lui explique : Cher mignon allez-y, parlez cher petit Un, tout cela n’est que bavardage.
Er legt ihm, dem Eins, die Hand auf den Rücken, er erklärt ihm: Mein Süßer, legen Sie los, sprechen Sie doch, liebes kleines Eins, das ist alles nur Geschwätz.37
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Parce que ne me traduisez pas adoleschia par l’idée qu’il s’agit d’adolescents, je dis ça pour ceux qui ne sont pas avertis, surtout que comme en face de la page on vous dit qu’il s’agit de se conduire comme des innocents, comme des jeunots ; vous pourriez confondre, ils ne sont pas nommés comme ça, les jeunots, dans le texte grec, adoleschia ça veut dire bavardage.
Denn übersetzen Sie mir adoleschia bitte nicht mit der Idee, dass es sich dabei um Adoleszente handelt; das sage ich denen, die darin keine Übung haben, vor allem, weil man Ihnen auf der gegenüberliegenden Seite sagt, es gehe darum, sich wie Unschuldige zu verhalten, wie Jugendliche; Sie könnten das verwechseln, so werden nicht die Jugendlichen genannt, im griechischen Text bedeutet adoleschia „Geschwätz“.38
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Mais on peut considérer que c’est là quelque chose de l’amorce, de la préfiguration, la préfiguration de ce que nous appelons dans notre rude langage, tressé par ce qu’on a pu, la phénoménologie qu’on pouvait à ce moment-là avoir à la portée de sa main, ce qu’on a traduit par association libre.
Man kann jedoch in Erwägung ziehen, dass dies eine Art Ansatz ist, eine Art Präfiguration – die Präfiguration dessen, was wir in unserer rohen Sprache, geflochten aus dem, was man zur Verfügung hatte, aus der Phänomenologie, die einem damals zur Verfügung stand –, also die Präfiguration dessen, was man mit association libre übersetzt hat, freie Assoziation.39
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Naturellement l’association n’est pas libre, si elle était libre, elle n’aurait aucun intérêt, n’est-ce pas, mais c’est la même chose que le bavardage : c’est fait pour apprivoiser le moineau.
Natürlich, die Assoziation ist nicht frei, wäre sie frei, wäre sie uninteressant, nicht wahr; aber damit ist es genauso wie mit dem Geschwätz: das ist dazu da, um den Spatzen zutraulich zu machen.
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L’association, il est bien entendu qu’elle est liée, je ne vois pas quel serait son intérêt si elle était libre.
Die Assoziation, selbstverständlich ist sie gebunden, ich sehe nicht, was an ihr interessant sein sollte, wenn sie frei wäre.40
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Le bavardage en question, il est certain que – il ne fait aucun doute – comme c’est pas quelqu’un qui parle mais que c’est l’Un, on peut voir là, à quel point c’est lié, parce que c’est très démonstratif.
Das erwähnte Geschwätz – es ist sicher, es besteht kein Zweifel, dass man deshalb, weil nicht jemand spricht, sondern das Eins, dass man deshalb hier sehen kann, wie sehr das gebunden ist, denn das ist äußerst demonstrativ.
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À mettre les choses dans ce relief, ça permet de situer pas mal de choses, et en particulier le pas qui se franchit de Parménide à Platon.
Wenn wir die Dinge so profilieren, ermöglicht uns das ja, einiges einzuordnen, insbesondere den Schritt, der von Parmenides zu Platon getan wurde.
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Parce que il y avait déjà un pas franchi par Parménide dans ce milieu où il s’agissait en somme de savoir ce qu’il en est du réel.
Denn bereits von Parmenides war ein Schritt gemacht worden, in diesem Umfeld, in dem es letztlich darum ging, zu wissen, was es mit dem Realen auf sich hat.41
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Nous en sommes toujours tous là.
Und da sind wir alle immer noch.
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Après qu’on ait dit que c’était l’air, l’eau, la terre, le feu, et qu’après ça on n’avait plus qu’à recommencer, il y a quelqu’un qui s’est avisé que, que le seul facteur commun de toute cette substance dont il s’agissait, c’était d’être dicible.
Nachdem man gesagt hat, es sei die Luft, das Wasser, die Erde, das Feuer und dass man danach nur wieder von vorn anfangen müsse, gibt es jemanden, der sich klargemacht hat, dass der einzige gemeinsame Nenner der ganzen Substanz, um die es ging, darin bestand, sagbar zu sein.
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C’est ça le pas de Parménide.
Das ist der Schritt von Parmenides.
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Seulement le pas de Platon c’est différent, c’est différent : c’est de montrer que dès que on essaie de dire d’une façon articulée ce qui se dessine de la structure, comme on dirait dans notre… ce que j’ai appelé tout à l’heure notre |{131} rude langage , le mot structure ne vaut pas mieux que le mot d’association libre, mais ce qui se dessine fait difficulté, et que le réel, c’est dans cette voie qu’il faut le chercher.
Platons Schritt jedoch ist anders, er besteht darin, Folgendes zu zeigen: Wenn man auf artikulierte Weise zu sagen versucht, was sich von der Struktur abzeichnet – wie man in unserer --, wie man in dem, was ich vorhin unsere rohe Sprache genannt habe, sagen würde, das Wort Struktur ist nicht mehr wert als das Wort freie Assoziation –, dass dann jedoch das, was sich abzeichnet, Schwierigkeiten macht und dass dies der Weg ist, auf dem man das Reale suchen muss.
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Eidos, qu’on traduit improprement la forme, est quelque chose qui déjà nous promet le serrage, le cernage de ce qui fait béance dans le dire.
Eidos – was man fälschlicherweise mit „Form“ übersetzt – ist etwas, das uns bereits das Fixieren, das Einkreisen dessen verspricht, was im Sagen eine Klaffung aufreißt.42
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En d’autres termes Platon était… était pour tout dire lacanien. [Gelächter]
Mit anderen Worten, Platon war – war Lacanianer, um es klar zu sagen. [Gelächter]
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Naturellement il pouvait pas le savoir.
Das konnte er natürlich nicht wissen.
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En plus, il était un peu débile [Gelächter], ce qui ne facilite pas les choses, mais ce qui sûrement l’a aidé.
Außerdem war er geistig etwas schwach [Gelächter], was die Dinge nicht erleichtert, ihm aber sicherlich geholfen hat.
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J’appelle débilité mentale le fait d’être un être parlant qui ne soit pas solidement installé dans un discours, c’est ce qui fait le prix du débile.
Als Geistesschwäche bezeichne ich die Tatsache, ein sprechendes Wesen zu sein, das nicht solide in einem Diskurs verankert ist; das ist das, was den Wert des Geistesschwachen ausmacht.43
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Il n’y a aucune autre |[7] définition qu’on puisse lui donner sinon d’être ce qu’on appelle un peu à côté de la plaque, c’est-à-dire qu’entre deux discours, il flotte.
Eine andere Definition kann man ihm nicht geben, außer, dass er etwas ist, das man so nennt: ein bisschen neben der Spur, das heißt, er treibt zwischen zwei Diskursen.
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Pour être solidement installé comme sujet il faut s’en tenir à un [discours], ou bien alors savoir ce qu’on fait.
Um als Subjekt solide verankert zu sein, muss man sich an einen [Diskurs] halten – oder aber wissen, was man tut.
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Mais c’est pas parce qu’on est en marge qu’on sait ce qu’on dit.
Nur deshalb, weil man am Rande ist, weiß man noch lange nicht, was man sagt.
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De sorte que, pour ce qui est de son cas, ça lui a permis solidement… après tout il avait des cadres, il faut pas croire qu’en son temps, les choses fussent pas prises dans un très solide discours et il en montre le bout de l’oreille quelque part dans les entretiens préliminaires de ce Parménide.
Derart, dass ihm das ermöglicht hat, was ihn angeht, auf eine solide Weise --, er hatte ja durchaus Rahmen, man darf nicht glauben, dass die Dinge zu seiner Zeit nicht in einem ganz soliden Diskurs erfasst waren, und er verrät das im Parmenides irgendwo in den vorbereitenden Gesprächen.
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C’est tout de même lui qui l’a écrit.
Immerhin ist er ja derjenige, der das geschrieben hat.
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On ne sait pas si il se marre ou non, mais enfin il n’a pas attendu Hegel pour nous faire la dialectique du maître et de l’esclave, et je dois dire que ce qu’il en énonce est d’une autre assiette que ce qu’avance toute la Phénoménologie de l’Esprit.
Wir wissen nicht, ob er sich schief lacht oder nicht, aber schließlich hat er nicht auf Hegel gewartet, um uns die Dialektik von Herr und Knecht zu liefern, von Herr und Sklave, und ich muss sagen, was er darüber sagt, steht auf einem anderen Blatt als das, was von der gesamten Phänomenologie des Geistes vorgebracht wird.44
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Non pas qu’il conclue, mais qu’il donne les éléments matériels.
Nicht dass er zu einem Ergebnis käme, er liefert jedoch die materiellen Elemente.
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Il avance, il avance, il le peut parce que de son temps c’est pas du chiqué.
Er schreitet voran, er schreitet voran, und er kann das, weil das zu seiner Zeit kein Schmu ist.
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On se demande si c’était mieux, plutôt que pire, de penser que les maîtres et les esclaves, c’était là affirmé, ça permettait de s’imaginer que ça pouvait changer à tout instant, et en effet ça changeait à tout instant.
Man fragt sich, ob es besser oder vielmehr schlechter ist, zu denken, dass die Herren und die Sklaven --; das wurde hier bejaht, das ermöglichte es, sich vorzustellen, dass sich das in jedem Augenblick ändern konnte, und tatsächlich änderte sich das in jedem Augenblick.
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Quand les maîtres étaient faits prisonniers ils devenaient esclaves, et quand les esclaves étaient affranchis, ben ils devenaient maîtres.
Wenn die Herren gefangen genommen wurden, wurden sie zu Sklaven, und wenn die Sklaven freigelassen wurden, wurden sie ja zu Herren.
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Grâce à quoi Platon s’imagine, et il le dit dans les préliminaires de ce dialogue, que l’essence-maître, l’eidos, et celle de l’esclave, ben on peut considérer qu’elles n’ont rien à faire avec ce qu’il en est réellement.
Weshalb Platon sich vorstellt, und er sagt das in den Vorbemerkungen zu diesem Dialog, dass die Essenz des Herrn, sein eidos, und die des Knechts, also, man kann annehmen, dass diese Essenzen mit dem, worum es dabei realerweise geht, nichts zu tun haben.45
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Le maître et l’esclave sont entre eux dans des rapports qui n’ont rien à faire avec le rapport de l’essence-maître et de l’essence-esclave.
Der Herr und der Knecht stehen zueinander in Beziehungen, die mit der Beziehung zwischen der Essenz des Herrn und der Essenz des Knechts nichts zu tun haben.46
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C’est bien en ça qu’il est un peu débile.
Und darin ist er geistig etwas schwach.47
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C’est que nous avons vu faire le grand mélange, n’est-ce pas, qui s’opère toujours, par une certaine voie, dont il est curieux qu’on ne voit pas à quel point elle promet la suite : c’est qu’on est tous frères.
Wir haben also gesehen, wie sich die große Vermischung herstellt48, nicht wahr, die sich auf einem bestimmten Weg immer einstellt, auf einem Weg, bei dem merkwürdigerweise nicht gesehen wird, wie sehr er die Fortsetzung verspricht, nämlich dass wir alle Brüder sind.
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Il y a une région comme ça de l’histoire, du mythe historique, je veux dire du |{132} mythe en tant que il est histoire, ça s’est vu qu’une fois, chez les Juifs, où on sait la fraternité à quoi ça sert, ça a donné le grand modèle.
Es gibt einen Bereich der Geschichte, der von dieser Art ist, einen Bereich des historischen Mythos, ich meine des Mythos, insofern er Geschichte ist; das ist nur einmal gesehen worden, bei den Juden, bei denen man weiß, wozu sie dient, die Brüderlichkeit, davon wurde das große Modell geliefert.
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Elle est faite pour qu’on vende son frère, ce qui n’a pas manqué de se produire dans la suite de toutes les subversions qui sont dites tourner autour du discours du maître.
Sie ist dazu da, dass man seinen Bruder verkauft, was denn auch nicht ausgeblieben ist in der Folge all der Umstürze, von denen gesagt wird, dass sie sich um den Diskurs des Herrn drehen.49
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Il est tout à fait clair que l’effort dont Hegel s’exténue au niveau de la Phénoménologie : la crainte de la mort, la lutte |[8] à mort de pure prestance, et j’t’en raconte, et j’t’en remets, moyennant quoi – c’est l’essentiel à obtenir – il y a un esclave.
Es ist völlig klar, dass der Aufwand, mit dem Hegel sich auf der Ebene der Phänomenologie abmüht: die Furcht des Todes, der tödliche Kampf um reines Ansehen und was weiß ich noch alles --; wodurch es – das ist das, was im Wesentlichen zu erreichen ist –, wodurch es einen Knecht gibt.
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Mais je le demande à tous ceux qui ont des… des frémissements comme ça, de changer les rôles – je le demande : qu’est-ce qui peut faire – puisque l’esclave survit – qui ne vienne pas tout de suite après la lutte à mort de pure prestance aujourd’hui, et la crainte de la mort qui change de camp ?
Aber, ich frage das all diejenigen, die so ein Zittern verspüren, davor, die Rollen zu tauschen, ich frage, was kann dazu führen – da der Knecht überlebt –, dass heute, nach dem tödlichen Kampf um reines Ansehen, nicht sofort die Furcht des Todes kommt, welche die Seiten wechselt?50
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Tout ça ne subsiste, n’a chance de subsister qu’à condition qu’on voie très précisément ce que Platon écarte, ce que Platon écarte – mais qui saura jamais au nom de quoi, parce qu’on ne peut pas, mon dieu, sonder son cœur, c’est peut-être débilité mentale simplement.
All das besteht nur fort, kann nur unter der Bedingung fortbestehen, dass man genau sieht, was von Platon zurückgewiesen wird – aber wer wird je wissen, im Namen von was, da man ja, mein Gott, das Herz von Platon nicht ergründen kann, vielleicht ist das einfach Geistesschwäche.51
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Il est clair au contraire, que c’est là la plus belle occasion de marquer ce qu’il en est de ce qu’il appelle le metechein, la participation.
Es ist jedoch klar, dass dies die schönste Gelegenheit ist, um zu kennzeichnen, was es mit dem auf sich hat, was er das metechein nennt, das Teilhaben.52
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Jamais l’esclave n’est esclave que de l’essence du maître.
Der Knecht ist Knecht immer nur durch die Essenz des Herrn.
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De même que le maître… j’appelle ça l’essence, appelez-le comme vous voudrez, j’aime beaucoup mieux l’écrire S1, le signifiant-maître, et quant au maître, s’il n’y avait pas S2, le savoir de l’esclave qu’est-ce qu’il en ferait ?
Wie auch der Herr --; ich nenne das Essenz, nennen Sie es, wie Sie wollen, mir gefällt es viel besser, das S1 zu schreiben, der Herren-Signifikant53; und was den Herrn angeht, wenn es nicht S2 gäbe, das Wissen des Knechts, was würde er dann anfangen?54
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Je m’attarde, je m’attarde, pour vous dire l’important de cette chose invraisemblable : qu’il y en ait, de l’Un.
Ich halte mich auf, ich halte mich auf, um Ihnen zu sagen, was an dieser unwahrscheinlichen Sache, dass es das gibt, das Eins, „vom Eins“, was daran das Wichtige ist.
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C’est là le point à mettre en relief.
Das ist der Punkt, der herauszuarbeiten ist.
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Car dès qu’on interroge cet Un, ce qu’il devient, enfin comme une chose qui se défait, c’est qu’il est impossible de le mettre en rapport avec quoi que ce soit hors la série des nombres entiers, qui n’est rien d’autre que cet Un.
Denn sobald man dieses Eins untersucht, ist das, was daraus wird – wie eine Sache, die sich auflöst –, dass es unmöglich ist, es zu irgendetwas außerhalb der Folge der ganzen Zahlen in Beziehung zu setzen, außerhalb der Folge der ganzen Zahlen, die nichts anderes ist als dieses Eins.55
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Bien sûr ceci ne survient, n’arrive, ne surgit, qu’à la fin d’une longue élaboration de discours.
Natürlich erscheint das nur, wird das nur erreicht, taucht das nur auf am Ende einer langen Ausarbeitung des Diskurses.
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Dans la logique de Frege, celle qui s’inscrit dans les Grundlagen der Arithmetik, vous verrez à la fois l’insuffisance de toute déduction logique du 1.
In der Logik von Frege, derjenigen, die in den *Grundlagen der Arithmetik* verzeichnet ist, werden Sie zugleich die Unzulänglichkeit jeder logischen Ableitung der 1 sehen.
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Puisqu’il faut qu’elle passe par le 0 dont on ne peut tout de même pas dire que ce soit l’1 et pourtant tout se déroule que c’est de ce 1 qui manque au niveau du 0 |{133} que procède toute la suite arithmétique.
Denn sie muss durch die 0 hindurchgehen, von der man zwar nicht sagen kann, dass sie die 1 ist, und dennoch läuft alles so ab, dass von dieser 1, die auf der Ebene der 0 fehlt, die ganze arithmetische Folge ausgeht.56
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Alors que déjà, parce que déjà de 0 à 1 ça fait 2, dès lors ça en fera 3 parce qu’il y aura 0, 1, et 2 avant, et ainsi de suite, et ceci très précisément jusqu’au premier des Aleph [א] qui, curieusement et pas pour rien, ne peut se désigner que d’Aleph-zéro [ℵ0].
Während bereits --, da von 0 bis 1 bereits 2 ergibt, wird es von daher 3 ergeben, da es davor 0, 1 und 2 geben wird, und so weiter, und dies bis zum ersten der Alephs [א], das merkwürdigerweise und nicht ohne Grund nur mit Aleph-Null [ℵ0] bezeichnet werden kann.57
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Bien sûr ceci peut vous paraître à une distance savante.
Natürlich, das mag Ihnen als etwas erscheinen, das in gelehrsamer Entfernung liegt.
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C’est bien pour ça qu’il faut l’incarner et que j’ai mis d’abord Yad’lun.
Eben deshalb muss man es verkörpern und deshalb habe ich an den Anfang Yad’lun gesetzt, Skip-teins.
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Yad’lun ! et que vous ne sauriez trop vous exclamer de cette annonce, qu’autant de points d’exclamation à la suite que précisément l’Aleph-zéro sera juste suffisant pour sonder ce qu’il peut en être, si vous l’approchez suffisamment, de l’étonnement que mérite qu’il y ait de l’Un.
Skip-teins!, und diese Meldung könnten Sie gar nicht zu sehr ausrufen, mit so vielen Ausrufezeichen danach, dass das Aleph-Null gerade hinreichen wird, um das auszuloten, was sich einstellen kann, wenn Sie sich ihm hinreichend annähern: das Erstaunen, das es verdient, dass es Eins gibt.58
[Jemand im Publikum niest: Ouille!]
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Oui !
Oui!
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Ça mérite bien d’être salué de cet ouille, hein, puisque nous parlons en langue d’oïl [Gelächter], je veux dire hoc est ille.
Das verdient es wirklich, mit diesem ouille begrüßt zu werden, nicht wahr, denn wir sprechen die Langue d’oïl [Gelächter], ich meine hoc est ille [lat. „dies ist das“].59
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Ici, eh bien celui-là dont il s’agit, l’Un, le responsable… car c’est à l’attraper par les oreilles, n’est-ce pas, que y en a montre bien le fond dont il ex-siste.
Hier, na ja, das, worum es geht, das Eins, das Verantwortliche --; denn wenn man das Eins bei den Ohren packt, nicht wahr, dann zeigt y en a, „’s gibt (davon)“, deutlich den Grund, von dem her das Eins ex-sistiert.
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Le fond dont il ex-siste tient en ceci, qui ne va pas de soi, c’est que – pour prendre d’abord le premier meuble |[9] que j’avais à la portée de ma main – l’un débile mental, vous pouvez y ajouter : une grippe, un tiroir, un pied de nez, une fumée, un bonjour de ta Catherine, une civilisation, et voire une jarretière dépareillée, ça fait huit, si épars que ça vous paraisse, hein ?
Der Grund, von dem her es ex-sistiert, besteht aus etwas, das sich nicht von selbst versteht, nämlich, um mit dem ersten Stück zu beginnen, das ich in Reichweite hatte: ein geistig Zurückgebliebener, und Sie können hinzufügen: eine Grippe, eine Schublade, ein Eine-lange-Nase-Drehen, ein Rauch, ein Gruß von deiner Catherine, eine Zivilisation und sogar ein ungleiches Strumpfband – das macht acht, so unzusammenhängend Ihnen das auch erscheinen mag, nicht wahr?
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Il y en a, comme ça à la pelle, mais ils viennent tous à l’appel : petits ! petits !
Es gibt jede Menge davon, aber wenn man ruft: put, put!, kommen sie alle.60
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Et l’important – parce qu’il faut évidemment vous rendre sensible une chose, les choses autrement que par un 0, 1 et par l’Aleph, n’est-ce pas ? –, l’important, c’est que ça suppose toujours le même Un, l’Un qui ne se déduit pas, contrairement à la poudre aux yeux que peut nous jeter John-Stuart Mill, simplement de prendre des choses distinctes, à les tenir pour identiques.
Und das Wichtige – denn offensichtlich muss man Ihnen eine Sache spürbar machen, muss man Ihnen die Sachen auf andere Weise spürbar machen als durch ein 0/1 und durch das Aleph, nicht wahr? –, das Wichtige ist, dass darin immer dasselbe Eins vorausgesetzt wird, das Eins, das sich – im Gegensatz zu dem Sand, den uns John Stuart Mill in die Augen streuen mag –, das sich nicht einfach so herleiten lässt, dass man unterschiedliche Dinge nimmt und sie als identisch auffasst.61
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Parce que ça, c’est simplement quelque chose qu’illustre, dont donne le modèle le boulier.
Denn das ist einfach etwas, das der Abakus illustriert, wofür er das Modell liefert.
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Mais le boulier a été fait exprès pour que ça se compte et qu’à l’occasion se comptent les huit épars que je vous ai fait surgir tout à l’heure.
Der Abakus ist jedoch ausdrücklich dafür hergestellt worden, dass es gezählt wird und dass gegebenenfalls die verstreuten acht gezählt werden, die ich gerade für Sie habe auftauchen lassen.
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Seulement ce que le boulier ne vous donnera pas, c’est ceci qui se déduit directement et sans aucun boulier du Un, c’est à savoir qu’entre ces huit meubles dont je vous ai parlé tout à l’heure, il y a – parce qu’ils sont huit – vingt-huit combinaisons deux par deux, pas une de plus et que ça, c’est comme ça du fait de l’Un.
Nur, was der Abakus Ihnen nicht geben wird, ist etwas, das sich direkt und ohne Abakus vom Eins herleitet, dass es nämlich zwischen den acht Stücken, über die ich eben zu Ihnen gesprochen habe, 28 Zweier-Kombinationen gibt, nicht eine mehr, und dass dies wegen des Eins so ist.62
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Naturellement, j’espère que ça vous frappe et comme j’en ai pris huit, rien ne vous empêche…
Natürlich hoffe ich, dass Sie das überrascht und da ich 8 genommen habe, hält nichts Sie davon ab --.
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Ça vous sidère, vous saviez pas d’avance que ça ferait vingt-huit combinaisons, encore que ce soit facile.
Das verblüfft Sie, Sie wussten nicht von vornherein, dass es 28 Kombinationen geben würde, obwohl das einfach ist.
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C’est je ne sais pas quoi : |{134} 7 fois 8 : 42 [lapsus] voyez-vous, ça fait pas 28, ça fait 21.
Das ist ja so was: 7 mal 8: 42 [Lacan verrechnet sich], sehen Sie, das ergibt nicht 28, das ergibt 21.63
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Bon, et alors, ça change rien [Gelächter], le chiffre, on peut le connaître, voilà ce dont il s’agit.
Gut, na ja, das ändert nichts [Gelächter], man kann sie wissen, die Zahl, und darum geht es.
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Si j’en avais mis moins, c’est quelque chose qui vous aurait porté à travailler, à me dire que peut-être, que même il faudrait aussi que je compte les rapports de chacun à l’ensemble.
Wenn ich weniger genommen hätte, hätte ich Sie damit an die Arbeit gesetzt, wobei Sie mir gesagt hätten, dass ich vielleicht --, dass es außerdem sogar nötig wäre, dass ich die Beziehungen eines jeden zur Menge zähle.64
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Pourquoi je le fais pas ?
Warum tue ich das nicht?
.
C’est ce que je serai forcé d’attendre la prochaine fois pour vous expliquer.
Ich werde gezwungen sein, bis zum nächsten Mal zu warten, um Ihnen das zu erläutern.
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Parce que les rapports de chacun à l’ensemble ça n’élimine pas justement que y a un ensemble et que de ce fait, ça veut dire que vous en remettez un.
Denn die Beziehungen eines jeden zur Menge, das bringt ja nicht zum Verschwinden, dass es eine Menge gibt und dass dies von daher bedeutet, dass Sie eins hinzufügen.65
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Ce qui aboutirait à, en effet, augmenter considérablement le nombre des combinaisons deux par deux.
Was ja dazu führen würde, die Anzahl der Zweier-Kombinationen beträchtlich zu erhöhen.
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Au niveau du triangle, si je vous avais mis seulement trois 1, ça aurait fait trois combinaisons seulement.
Wenn ich Ihnen auf der Ebene des Dreiecks nur drei Einsen notiert hätte, hätte das nur drei Kombinationen ergeben.66
.
Vous en avez tout de suite six si vous prenez l’ensemble pour 1.
Sie haben aber, wenn Sie die Menge als Eins nehmen, sofort sechs.
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Mais justement ce dont il s’agit, c’est de s’apercevoir là d’une autre dimension de l’Un, que j’essaierai de vous illustrer la prochaine fois du triangle arithmétique.
Es geht hier eben darum, eine weitere Dimension des Eins wahrzunehmen, die ich versuchen werde, Ihnen beim nächsten Mal mit dem arithmetischen Dreieck zu veranschaulichen.
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En d’autres termes l’Un donc, n’a pas toujours le même sens.
Anders ausgedrückt, das Eins hat also nicht immer denselben Sinn.
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Il a le sens, par exemple, de ce Un de l’ensemble vide qui, chose curieuse, à notre numération d’éléments ajouterait deux, je démontrerai pourquoi et à partir d’où.
Es hat beispielsweise den Sinn des Eins der leeren Menge, die zu unserer Zählung der Elemente eigenartigerweise zwei hinzufügen würde; ich werde demonstrieren, warum und von wo das ausgeht.67
.
[10] Néanmoins nous approchons déjà de quelque chose, qui à ne pas partir du tout de l’Un comme tout, nous montre que l’Un dans son surgissement n’est pas univoque.
Nichtsdestoweniger kommen wir einer Sache bereits näher, die nicht vom Eins als Ganzem ausgeht und uns dadurch zeigt, dass das Eins in seinem Auftreten nicht eindeutig ist.68
.
En d’autres termes, nous renouvelons la dialectique platonicienne.
Mit anderen Worten, wir erneuern die Platon’sche Dialektik.69
.
C’est bien ainsi que je prétends vous mener quelque part à poursuivre, par cette bifidité de l’Un – encore faut-il voir si elle tient – cet Un que Platon si bien distingue de l’Être.
Auf diese Weise möchte ich Sie also irgendwo hinführen: indem ich diesem Eins nachgehe, durch seine Bifidität – von der man noch sehen muss, ob sie Bestand hat –, diesem Eins, das Platon so gut vom Sein unterscheidet.70
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C’est assurément que l’Être – lui – est Un, toujours, en tous les cas, mais que l’Un sache être comme être, voilà qui est dans le Parménide parfaitement démontré.
Sicherlich ist es so, dass das Sein Eins ist, immer, in allen Fällen; dass jedoch das Eins als Sein zu sein weiß, das ist das, was im Parmenides perfekt demonstriert wird.71
.
C’est bien historiquement d’où est sortie la fonction de l’existence.
Das ist ja, historisch gesehen, das, wovon die Funktion der Existenz ausgegangen ist.72
.
Ce n’est pas parce que l’Un n’est pas qu’il ne pose pas la question, et il la pose d’autant plus qu’où que ce soit à jamais qu’il doive s’agir d’existence, ce sera toujours autour du Un que la question tournera.
Und wenn das Eins nicht ist, stellt es deshalb nicht weniger die Frage, und es stellt sie umso mehr, als sich, wenn es um die Existenz geht, wo immer das sein mag, die Frage stets um das Eins drehen wird.73
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La chose dans Aristote ne s’approche que timidement au niveau des propositions particulières.
Bei Aristoteles gibt es nur eine zaghafte Annäherung an diese Sache: auf der Ebene der partikulären Aussagen.74
.
Aristote s’imagine qu’il suffit de dire que quelques – quelques seulement, pas tous – sont comme-ci ou comme-ça, pour que |{135} ça les distingue, que c’est en les distinguant de ce qui – lui – est comme ça, si celles-ci ne le sont pas par exemple, ça suffit à assurer leur existence.
Er stellt sich vor, dass es genügt zu sagen, dass einige – nur einige, nicht alle –, dass einige so sind oder aber so sind, damit sie das unterscheidet, und dass es so ist, wenn sie von dem unterschieden werden, was selbst soundso ist, wenn beispielsweise gilt: diese sind nicht so, dass dies dann genügt, um ihre Existenz zu sichern.75
.
C’est bien en quoi l’existence déjà, dès sa première émergence, s’amorce tout de suite, s’énonce de son inexistence corrélative.
Insofern kommt die Existenz sofort, bereits bei ihrem ersten Auftauchen, von ihrer korrelativen Inexistenz her in Gang und wird von daher geäußert.76
.
Il n’y a pas d’existence sinon sur fond d’inexistence et inversement : ex-sistere, ne tenir son soutien que d’un dehors qui n’est pas.
Existenz gibt es nur vor einem Hintergrund von Inexistenz und umgekehrt – [lat.] ex-sistere, seine Stütze nur von einem Außen her erhalten, das nicht ist.
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Et c’est bien là ce dont il s’agit dans l’Un.
Und das ist ja das, worum es beim Eins geht.77
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Car, à la vérité, d’où surgit-il ?
Denn von wo taucht es tatsächlich auf?
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En un point où Platon arrive à le serrer.
An einem Punkt, an dem es Platon gelingt, es festzumachen.
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Il ne faut pas croire que ce soit – comme il semble – seulement à propos du temps.
Man darf nicht glauben, das bezöge sich, wie es scheint, nur auf die Zeit.
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Il l’appelle to exaiphnēs, traduisez ça comme vous voudrez, c’est l’instant, c’est le soudain.
Er nennt diesen Punkt to exaiphnēs78, übersetzen Sie das wie Sie wollen, das ist der Augenblick, dass ist das Plötzlich.79
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C’est le seul point où il peut le faire subsister.
Das ist der einzige Punkt, an dem er ihm [dem Eins] Bestand verleihen kann.
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Et c’est bien en effet toujours où toute élucidation du nombre, et dieu sait qu’elle a été poussée assez loin pour nous donner l’idée qu’il y a d’autres Alephs que celui des nombres, et celui-là, cet instant, ce point, car c’est ça qui en serait la véritable traduction, c’est bien ce qui ne se trouve décisif qu’au niveau d’un Aleph supérieur, au niveau du continu.
Und das ist ja immer dort, wo jede Erhellung der Zahl --; und Gott weiß, dass sie weit genug vorangetrieben worden ist, um uns die Idee zu vermitteln, dass es noch andere Alephs gibt als das Aleph der [natürlichen] Zahlen, und dies hier, dieser Augenblick, dieser Punkt – denn das wäre die richtige Übersetzung –, das ist eben das, was sich erst auf der Ebene eines höheren Alephs als entscheidend herausstellt, auf der Ebene des Kontinuums.80
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L’Un donc ici précisément semble se perdre et porter à son comble ce qu’il en est de l’existence jusqu’à confiner à l’existence comme telle, en tant que surgissant du plus difficile à atteindre, du plus fuyant dans l’énonçable.
Das Eins scheint also genau hier verloren zu gehen und scheint das, worum es bei der Existenz geht, zum Höhepunkt zu führen, bis dahin, an die Existenz als solche anzugrenzen, insofern sie aus dem auftaucht, was in dem, was geäußert werden kann, am schwersten zu erreichen ist und darin am flüchtigsten ist.81
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Et c’est ce qui m’a fait trouver – à me reporter à cet exaiphnēs – dans Aristote lui-même, à m’apercevoir qu’en fin de compte il y a eu émergence de ce terme d’exister quelque part dans la Physique où vous pourrez le trouver… où vous pourrez le trouver surtout si je vous le donne …c’est quelque part au Livre IV de la Physique d’Aristote.
Und das hat mich dazu gebracht – um mich auf dieses exaiphnēs zu beziehen –, es bei Aristoteles selbst zu finden, da ich bemerkt habe, dass es das Auftauchen des Terminus existieren letztlich irgendwo in der Physik gegeben hat, wo Sie ihn finden können, wo Sie ihn vor allem dann finden können, wenn ich Ihnen den Hinweis gebe, das steht irgendwo in Buch IV der Physik von Aristoteles.82
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Je ne le vois pas ici dans mes papiers, mais à la vérité il doit y être.
Ich sehe das hier nicht in meinen Papieren, aber es muss wirklich darin sein.
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Aristote le définit comme justement ce |[11] quelque chose qui anaisthētō chronō, « dans un temps qui ne peut pas être senti », dia mikrotēta « en raison de son extrême petitesse », est to ekstan.
Aristoteles definiert das exaiphnēs als das, was anaisthētō chronō, „in einer Zeit, die nicht gespürt werden kann“, dia mikrotēta, „aufgrund ihrer extremen Kürze“, to ekstan ist [außer sich tritt].83
Je ne sais pas si ailleurs qu’en cet endroit, en cet endroit du Livre IV de la Physique, le terme extan est proféré dans la littérature antique, mais il est clair qu’il vient de -- ; c’est un participe, un participe passé, le participe passé de l’aoriste second d’histēmi, de cet aoriste qui se dit estēn, c’est stan, mais je ne sache pas qu’il y ait de verbe existēmi, c’est à contrôler.
Ich weiß nicht, ob der Ausdruck extan in der antiken Literatur noch anderswo als an dieser Stelle in Buch IV der Physik verwendet wird, es ist jedoch klar, dass er von --; das ist ein Partizip, ein Partizip Passiv, das Partizip Perfekt des zweiten Aorists von istēmi, des Aorists, der estēn ausgesprochen wird; das ist stan, ich weiß jedoch nicht, ob es ein Verb existēmi gibt, das ist zu prüfen.
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Quoiqu’il en soit, le sistere est déjà là, l’être stable, être stable à partir d’un dehors : to ekstan.
Wie auch immer, das [lateinische Wort] sistere ist bereits da, das beständig sein, beständig sein ausgehend von einem Außen: [griechisch] to ekstan.84
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Ce qui n’existe qu’à n’être pas, c’est bien de cela qu’il s’agit, c’est cela que j’ai voulu ouvrir aujourd’hui sous le chapitre général de l’Unien.
Das, was nur vom Nichtsein her existiert, darum geht es, das wollte ich heute angehen, unter der allgemeinen Überschrift des Unien, des Einlichen.
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Et je vous en demande pardon, si j’ai choisi l’Unien, pardonnez-moi, c’est que c’est l’anagramme d’ennui.
Und ich bitte Sie um Verzeihung – wenn ich das Unien gewählt habe, entschuldigen Sie, dann deshalb, weil es das Anagramm von Ennui ist.85 [Gelächter]
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Anmerkungen
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Vgl. Jacques Lacan: … or Worse. The Seminar of Jacques Lacan, Book XIX. Edited by Jacques-Alain Miller. Translated by Adrian R. Price. Polity Press, Cambridge (UK) 2018.
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Das Erstellungsdatum einer PDF-Datei findet man im Adobe Acrobat Reader DC Version 2015 unter Datei > Eigenschaften > Beschreibung > Erstellt am.
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Mit dem „Anderen“ ist hier der Partner des anderen Geschlechts gemeint.
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Das Eins – ich folge hier den Parmenides-Übersetzungen von Schleiermacher, Susemihl und Zekl, die to hen mit „das Eins“ übersetzen, z.B. 138b6; Martens übersetzt mit „das Eine“.
Vgl.:
Platon: Parmenides. In: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. IV. Nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher hg. von Walter F. Otto, Ernesto Grassi, Gert Plamböck. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1958, S. 61–102 (diese Ausgabe ist mit der Anmerkung versehen: „Besonders im ‚Parmenides‘ erwiesen sich an zahlreichen Stellen Änderungen als notwendig.“ S. 6)
Platon: Parmenides. Griechisch-deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Hans Günter Zekl. Felix Meiner Verlag, Hamburg 1972.
Platon: Parmenides. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Ekkehard Martens. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1987.
Platon: Parmenides. Übersetzt von Franz Susemihl. In: Platon’s Werke, dritte Gruppe, fünftes Bändchen. Metzler, Stuttgart 1865; eine berarbeitete Version dieser Ausgabe findet man im Internet auf der Seite opera-platonis.de, hier (durch den Link auf den Seiten der Stephanus-Zählung gelangt man hier zum griechischen und lateinischen Text der Didot-Edition)
im Internet auf der Seite Zeno hier.
(„138b“ usw. verweist auf die sogenannte Stephanus-Paginierung, mit der Platons Texte einheitlich zitiert werden.)
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Die Unterstreichung steht hier und in den folgenden Sätzen für eine starke Betonung im gesprochenen Text.
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Im zweiten Teil des Parmenides werden durch Befragung (Gespräch Parmenides – Aristoteles) verschiedene Hypothesen geprüft, darunter:
– erste Hypothese: „wenn Eins ist“ (ei hen estin, 137c)
– zweite Hypothese: „das Eins, wenn es ist“ (hen ei estin, 142b)Deutsche Übersetzungen der beiden Hypothesen:
Schleiermacher (Rowohlt-Version):
(1) „wenn Eins ist“
(2) „wenn Eins ist“
Susemihl:
(1) „wenn das Eine ist“
(2) „wenn das Eine ist„
Martens:
(1) „wenn Eines ist“
(2) „wenn Eines ist“, „das Eine, wenn es ist“Zekl bestreitet, dass es zwischen (1) und (2) einen Gegensatz gibt (vgl. Zekl-Übersetzung S. 145 f. Fn. 102), er übersetzt in beiden Fällen mit „wenn Eins ist“ ohne Hervorhebung.
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Auteur-stop – Anspielung auf auto-stop, „per Anhalter fahren“.
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dass das nirgendwo hinführt – vermutlich: bezogen auf das Verständnis des Textes
auch wenn es Sie natürlich sehr weit führen kann – vielleicht: unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Karriere.
-
Zum psychoanalytischen Nutzen der Beschäftigung mit dem Eins wird Lacan sich am Schluss der Sitzung vom 4. Mai 1972 äußern.
-
Freud unterscheidet drei Formen der Identifizierung, eine davon ist die Identifizierung, bei der die Objektwahl zur Identifizierung regrediert; Freud betont, dass diese Identifizierung
„eine partielle, höchst beschränkte ist, nur einen einzigen Zug von der Objektperson entlehnt“
(S. Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921). In: Studienausgabe. Bd. 9. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 61–134, hier: S. 100).
In Seminar 9 von 1961/62, Die Identifizierung, übersetzt Lacan Freuds Rede vom einzigen Zug mit „trait unaire“, was sich mit „einzelner Zug“ oder „unärer Zug“ übersetzen lässt. Er verwendet trait unaire zuerst in der Sitzung vom 6. Dezember 1961.
-
Das Unien, das „Einliche“ ist das Eins, insofern der Ausdruck Eins mehrdeutig ist und es mehrere Arten des Eins gibt. Später in dieser Sitzung wird Lacan von der „Bifidität“ des Eins sprechen, seiner Zweiteilung (Version Miller S. 134).
Das Suffix „-ien“ findet man bei vielen Adjektiven und Substantiven (vgl. den Artikel „-ien“ im CNRTL, hier), es drückt eine Herkunft aus (wie in alsacien, „Elsässer“, „elsässisch“), einen Akteursposition (wie in électricien, „Elektriker“) oder eine Zugehörigkeit (wie in prolétarien, „proletarisch“, „zum Proletariat gehörend“).
Die Vereinigten Staaten von Amerika werden gelegentlich als États-Unien bezeichnet (belegt seit 1910), siehe hier.
In l‘unien signalisiert das „-ien“ eine Zugehörigkeit; der Sinn ist: „das zum Feld des Eins Gehörende“.
Lacan wird den Ausdruck unien bzw. unienne noch dreimal aufgreifen: im laufenden Seminar 19 in den Sitzungen vom 17. Mai 1972 (vgl. Version Miller S. 186) und vom 14. Juni 1972 (vgl. Version Miller S. 213) sowie in Television von 1973, wo es heißt:
„Darauf antwortet in uns: ennui. Ein Wort, aus dem ich, indem ich wie im Kinematographen die Buchstaben tanzen lasse, bis sie sich wieder in einer Zeile anordnen, den Terminus unien zusammengesetzt habe. Mit dem ich die Identifizierung des Anderen mit dem Ein bezeichne. Ich sage: das mystische Ein, von dem uns jener andere Komödiendichter, der in Platons Gastmahl einen Höhepunkt ausmacht, Aristophanes, um ihn zu nennen, das rohe Äquivalent in dem zweirückigen Tier gibt, dessen Zweiteilung er Jupiter zur Last legt, der damit nicht zu Rande kommt: das ist gemein, ich habe schon gesagt, daß man so etwas nicht tut. Man zieht den realen Vater nicht in solche Ungehörigkeiten hinein.“
(Television. Übersetzt von Jutta Prasse und Hinrich Lühmann. In: J. Lacan: Radiophonie. Television. Quadriga, Weinheim u.a. 1988, S. 55–98, hier: S. 78)
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was bestrebt ist zu koagulieren: Lacan bezieht sich hier auf Freuds These, wonach der Eros das Bestreben hat, „das Organische zu immer größeren Einheiten zusammenzufassen“ (S. Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 3. Fischer Taschenbuch Verlag 2000, S. 213–272, hier: S. 252).
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Anspielung auf die wörtliche Bedeutung von Individuum: das „Unteilbare“.
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Freud arbeitet mit der Opposition von Eros und Todestrieben (eingeführt in Jenseits des Lustprinzips von 1920); die Bezeichnung der Todestriebe als „Thanatos“ geht auf seine Schüler zurück.
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Lacan knüpft hier an Überlegungen zur Null an, die er im Seminar … ou pire in der Sitzung vom 19. Januar 1972 vorgetragen hatte sowie in der Vortragsreihe Das Wissen des Psychoanalytikers am 3. März 1972.
Möglicherweise bezieht sich die Bemerkung auf den Gegensatz von Es existiert () und Es existiert nicht () in den beiden oberen Formeln der Sexuierung, die dann auf die Opposition von 1 und 0 zu beziehen wären.
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In Platons Symposion (oder Gastmahl) erklärt Aristophanes die Kopulation genau so: als Versuch, aus zwei Körpern einen Körper zu machen.
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Gemeint ist hier die Übertragung im Sinne der Psychoanalyse, vgl. etwa den Artikel „Übertragung“ in Jean Laplanche, Jean-Bertrand Pontalis: Wörterbuch der Psychoanalyse. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1973, S. 550–559.
Lacan bezieht sich auf sein Seminar 8 von 1960/61, Die Übertragung. Er kommentiert darin zehn Sitzungen lang (vom 23. November 1960 bis zum 8. Februar 1961) Platons Symposion.
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Vgl. Seminar 8, Die Übertragung, Sitzung vom 21. November 1967, Kommentar zur Rede von Aristophanes, dem Komödiendichter.
Aristophanes erzählt, dass die Menschen zunächst Kugeln waren, Kugeln von dreierlei Art: männliche, weibliche und männlich-weibliche, alle mit vier Armen, vier Beinen, zwei Gesichtern und zwei Geschlechtsteilen. Die Kugelmenschen wollten den Himmel angreifen, und um sie zu schwächen, teilte Zeus sie in zwei Hälften. Seither sehnt sich jede dieser Hälften nach ihrem Gegenstück; durch die Kopulation versuchen sie, aus Zweien wieder Eins zu machen.
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Lacan vermengt hier die Reden von Sokrates und von Pausanias im Symposion.
Als Sokrates an der Reihe ist, den Eros zu loben, gibt er ein Gespräch wieder, in dem er von Diotima, einer weisen Frau, über den Eros belehrt worden war. Diotima hatte ihm erklärt, Eros sei nicht etwa ein Gott, sondern ein Dämon, nämlich der Sohn von Penia (Armut) und Poros (Findigkeit); Liebe sei „Zeugung im Schönen“, dem Körper wie dem Geiste nach; das Zeugen des geistig Schönen sei wertvoller als das des körperlich Schönen.
Pausanias hatte in seiner Rede gesagt, Eros sei der Sohn von Aphrodite und es gebe nicht nur eine Aphrodite, sondern zwei und demnach auch zwei Eros. Die eine Aphrodite sei die himmlische, die andere die gemeine. Die himmlische Aphrodite sei die mutterlose Tochter von Uranos, die gemeine Aphrodite die Tochter von Zeus und Dione. Also gebe es einen himmlischen Eros, den Sohn der uranischen Aphrodite, und einen gemeinen Eros; nur der himmlische Eros sei zu loben.
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Vermutlich im Sinne von: Der Analysant wirft dem Analytiker vor, dass er, der Analysant, für den Analytiker nur einer unteren anderen ist (in diese Richtung geht der nächste Satz).
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Zwei ist das Eins, für das er sich hält: Das „Eins“ für das er sich hält, hat imaginären Charakter, es stützt sich auf die Spiegelbeziehung zum Analytiker, auf die Zwei.
Es geht darum, dass er sich teilt. Es geht darum, dass er einen Zugang zu seiner Teilung bekommt, zur Spaltung in Bewusstes und Unbewusstes.
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Zwei Monate später wird Lacan das Es gibt Eins in einem Vortrag in Mailand so erläutern:
„Und in der Tat, wenn Sie sich dort [an der Tafel] meine kleinen sich drehenden Formeln anschauen [die Formeln der fünf Diskurse], müssen Sie sehen, dass die Art, wie ich den analytischen Diskurs strukturiere, genau im Gegensatz zu dem hier steht, und das ist der Diskurs des Herrn. Denn auf der Ebene des Herrendiskurses ist das, was ich eben den Herensignifikanten genannt habe, das, womit ich mich im Augenblick beschäftige: es gibt Eins.
Der Signifikant ist das, wodurch in die Welt das Eins eingeführt wurde. Und es genügt, dass es Eins gibt, damit das beginnt. Dies hier [zeigt auf die Formel auf der Tafel] kommandiert S2, also den Signifikanten, der danach kommt, und nachdem das Eins funktioniert, gehorcht er.
Das Wunderbare ist, dass er, um zu gehorchen, etwas wissen muss. […]
Derart ist der analytische Diskurs. Man sagt dieses Etwas genau auf der Ebene, auf welcher der Signifikant das Eins ist, nämlich die Wurzel des Signifikanten, das, was dazu führt, dass der Signifikant funktioniert, denn dort erwischt man das Eins, dort gibt es Eins. […]
Außerdem sind wir immerhin zu einigen kleinen Überlegungen gelangt, die uns, bezogen auf die Untersuchung der ganzen Zahlen, nicht völlig überflüssig zu sein scheinen,. Denn schließlich besteht die Mengenlehre, Cantor und alle übrigen, eben darin, sich zu fragen, warum es Eins gibt, das ist nichts anderes.“
(Jacques Lacan: Du discours psychanalytique. (Vortrag an der Universität Mailand am 12. Mai 1972.) In: Lacan in Italia. 1953–1978. En Italie Lacan. La Salamandra, Mailand 1978, S. 32–55, hier: S. 35, 37, meine Übersetzung (RN). Man findet diesen Vortrag im Internet auf der Seite der École lacanienne de psychanalyse, Pas-tout Lacan, hier; eine englische Übersetzung durch Jack Stone gibt es hier.)
Demnach gilt:
– Das Eins, auf das sich die Wendung Yad’lun bezieht ist (unter anderem?) der Herrensignifikant (also S1) etwa im Diskurs des Herrn.
– Der Signifikant führt das Eins in die Welt ein.
– Das Eins ist die Wurzel des Signifikanten. -
Yad’lun ist eine Zusammenziehung von Y a de l’Un. Und Y a de l’Un
ist wiederum eine Verkürzung von Il y a de l’Un, „Es gibt Eins“.Un
In Seminar 12, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse, 1964/65, hatte Lacan die für Freges Grundlagen der Arithmetik entscheidende Beziehung zwischen Eins und Null auf die Subjektspaltung bezogen, aufgefasst als Verhältnis zwischen Identifizierung bzw. Ichideal (Eins) und Mangel, Begehren, Objekt a (Null). Demnach bezieht sich die Eins in Yad’lun auf den unären Zug, eingeführt in Seminar 9, Die Identifizierung, 1961/62. (Vgl. J. Lacan: Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse. Bericht über das Seminar 1964/65, Übersetzung auf dieser Website hier.)
de
Die Verbindung der Präposition de mit den bestimmten Artikeln le, la oder les – also de’l, du, le la oder des – nennt sich Teilungsartikel oder partitiver Artikel, im Französischen article partitif. Der Teilungsartikel bezieht sich auf nicht-zählbare Dinge oder auf einen abstrakten Begriff.
– Il y a de l’amour: „Es gibt Liebe.“ (Wörtlich: „Es gibt von der Liebe.“)
– Elle a du courage: „Sie hat Mut.“
– Il a de l’expérience: „Er hat Erfahrung.“Der partitive Genitiv ist also, da Un ein Abstraktum ist, grammatisch erzwungen; die Standard-Übersetzung von Il y a de l’Un ist deshalb „Es gibt Eins“. Lacan wird diesem Genitiv im Folgenden eine spezielle Bedeutung geben: der Genitiv verbindet das Eins mit einem unbestimmten Hintergrund, von dem her es auftaucht.
Von Heidegger zu Parmenides
Lacans Yad’lun ist eine deutliche Anspielung auf eine Passage in Heideggers Humanismusbrief (1949), einer Schrift, in der sich Heidegger von Sartre abgrenzt. Dort heißt es:
„Das Denken achtet auf diese einfachen Bezüge. Ihnen sucht es das gemäße Wort inmitten der langher überlieferten Sprache der Metaphysik und ihrer Grammatik. Ob dieses Denken, gesetzt daß an einem Titel überhaupt etwas liegt, sich noch als Humanismus bezeichnen läßt? Gewiß nicht, insofern der Humanismus metaphysisch denkt. Gewiß nicht, wenn er Existentialismus ist und den Satz vertritt, den Sartre ausspricht: precisement nous sommes sur un plan ou il y a seulement des hommes (L’Existentialisme est un humanisme p. 56). Statt dessen wäre, von ‘S. u. Z.’ [Sein und Zeit] her gedacht, zu sagen: precisement nous sommes sur un plan où il y a principalement l’Être. Woher aber kommt und was ist le plan? L’Être et le plan sind dasselbe. In ‚S. u. Z.‘ (S. 212) ist mit Absicht und Vorsicht gesagt: il y a l’Être: ‚es gibt‘ das Sein. Das il y a übersetzt das ‚es gibt‘ ungenau. Denn das ‚es‘, was hier ‚gibt‘, ist das Sein selbst. Das ‚gibt‘ nennt jedoch das gebende, seine Wahrheit gewährende Wesen des Seins. Das Sichgeben ins Offene mit diesem selbst ist das Sein selber.
Zugleich wird das ‚es gibt‘ gebraucht, um vorläufig die Redewendung zu vermeiden: ‚das Sein ist‘; denn gewöhnlich wird das ‚ist‘ gesagt von solchem, was ist. Solches nennen wir das Seiende. Das Sein ‚ist‘ aber gerade nicht ‚das Seiende‘. Wird das ‚ist‘ ohne nähere Auslegung vom Sein gesagt, dann wird das Sein allzuleicht als ein ‚Seiendes‘ vorgestellt nach der Art des bekannten Seienden, das als Ursache wirkt und als Wirkung gewirkt ist. Gleichwohl sagt schon Parmenides in der Frühzeit des Denkens: εστι γαρ ειναι, ‚Es ist nämlich Sein‘. In diesem Wort verbirgt sich das anfängliche Geheimnis für alles Denken. Vielleicht kann das ‚ist‘ in der gemäßen Weise nur vom Sein gesagt werden, so daß alles Seiende nicht und nie eigentlich ‚ist‘. Aber weil das Denken dahin erst gelangen soll, das Sein in seiner Wahrheit zu sagen, statt es wie ein Seiendes aus Seiendem zu erklären, muß für die Sorgfalt des Denkens offenbleiben, ob und wie das Sein ist.
Das εστι γαρ ειναι des Parmenides ist heute noch ungedacht.“
Martin Heidegger: Über den Humanismus. 10., ergänzte Auflage. Kostermann, Frankfurt am Main 2000, S.26 f. (die erste Auflage erschien 1949)
Aus Heideggers Il y a l’Être wird bei Lacan Il y a de l’Un. Lacan stellt mit seiner Formulierung eine Beziehung her zwischen dem Sein (il y a) und dem Einen bzw. der Eins. Damit geht er dem Hinweis von Heidegger auf Parmenides nach und und Heideggers Satz, der sich nur auf das Sein bezieht, wird umgebogen zur Frage nach dem Verhältnis von Sein und Einem, worum es sowohl im Lehrgedicht von Parmenides also auch in Platons Dialog Parmenides geht.
Mengenlehre
Ein weiterer Bezugspunkt ist die Mengenlehre. Für sie wurde das Axiom aufgestellt: „Es gibt die leere Menge.“ Dieser Satz verbindet das Sein (das „es gibt“) mit der leeren Menge.
Lacan reformuliert hier also Heideggers Ontologie mithilfe der Mengenlehre und eröffnet damit den Weg, den Alain Badiou später ausarbeiten sollte.
Existenz
Ein weiterer Bezugspunkt ist vermutlich der Existenzquantor (∃x), der so gesprochen werden kann: „Es gibt mindestens ein x, für das gilt“, und der damit ebenfalls das Sein (das „es gibt“) mit dem ein verbindet. Nun ist aber Existenz nicht einfach gleich Sein; der Existenzquantor provoziert also die Frage nach der Beziehung zwischen Sein und Existenz.
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Gemeint ist offenbar vor allem der Genitiv, also das d’l in Yad’lun.
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Y en a (wörtlich „hier davon hat“) enthält mit en einen Genitiv, worauf es Lacan an dieser Stelle ankommt.
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Anspielung auf Lacans Aufsatz Die logische Zeit und die vorweggenommene Gewissheitsbehauptung (1945). In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016, S. 231–251.
Lacans Thema ist darin die Funktion der Hast in der Logik.
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Émile Littré: Dictionnaire de la langue française. Hachette, Paris 1863–1873 („Le Littré“). Im Internet hier.
Paul Robert: Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française. Les mots et les associations d’idées. 6 Bände. 1953–1963; spätere Auflagen unter dem Titel „Le Grand Robert de la Langue Française“.
Jacques Damourette et Édouard Pichon: Des mots à la pensée. Essai de grammaire de la langue française. 8 Bände. Paris, d’Artrey 1911–1940.
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Oscar Bloch, Walther von Wartburg: Dictionnaire étymologique de la langue française. Presses Universitaires de France, Paris; die 1. Auflage erschien 1932, die 7. Auflage 1975, die neueste Taschenbuchausgabe ist von 2008.
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Was ist gemeint? Vielleicht die Cahiers pour l’analyse, von denen Lacan in der vorhergehenden Sitzung gesprochen hatte? (Vgl. 8. März 1972, Version Miller S. 119)
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Am Ende der folgenden Sitzung (19. April 1972) wird diese Frage beantwortet: der Hintergrund, von dem her das Eins auftaucht, ist die leere Menge (S. 126-127).
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Lacan spielt hier auf Platons Vortrag über das Gute an, dessen Text nicht überliefert ist, dessen Inhalt sich jedoch durch die Referate anderer Autoren rekonstruieren lässt. Aristoteles zufolge bestimmt Platon darin das Gute als Eins (hen), den Gegensatz dazu bildet die unbestimmte Zwei (aoristos dyas). Vgl. Christopher Gill: The Good and Mathematics. In: Douglas Cairns u. a. (Hrsg.): Pursuing the Good. Ethics and Metaphysics in Plato’s Republic, Edinburgh 2007, S. 251–274.
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Im zweiten Teil des Parmenides befragt Parmenides einen Mann namens Aristoteles; es wird meist angenommen, dass dieser Gesprächspartner ein anderer ist als der berühmte Philosoph.
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Lacans früheste Kritik des Dialogs findet man in Seminar 12, Schlüsselprobleme für die Psychoanalyse (1964/65):
„An Orten, wo ich kaum meinen Fuß hinsetze, führt man das Wort ‚Dialog‘ im Mund – naja, das sind Phasen. Man lässt Leute, die, wie man im strengsten Sinne des Ausdrucks sagen kann, von unterschiedlichen Ufern sind, miteinander dialogisieren und man verspricht sich wer weiß was davon.
Solange es keinen sicheren Dialog zwischen dem Mann und der Frau gibt, ich meine auf dem Gebiet, auf dem sie jeweils Mann und Frau sind, auf dem Gebiet ihres sexuellen Verhältnisses, solange wird man mir gestatten, im Hinblick auf die Tugenden des Dialogs skeptisch zu sein. Diese Position ist die analytische Position. Aus diesem Grunde ist die Psychoanalyse kein Dialog. Auf dem Feld, auf dem die Analyse angewendet werden muss, hat man gesehen – denn hier stach das ins Auge –, dass der Dialog nichts bringt.“
(Sitzung vom 2. Juni 1965, meine Übersetzung nach Version Staferla)
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Im ersten Teil des Parmenides (126a–137c) sprechen Sokrates, Zenon und Parmenides über das Eins, Lacan nennt dies das vorbereitende Gespräch. Im zweiten Teil (137c–166c) führt Parmenides mit Aristoteles einen Dialog, in dem die Konsequenzen bestimmter Hypothesen durchgespielt werden; Sokrates nennt diese Gesprächsform „Übung“.
Entretiens préliminaires (vorbereitende Gespräche) ist zugleich Lacans Terminus für den ersten Teil einer psychoanalytischen Kur.
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Das Reale ist das Unmögliche, und die Antwort des Subjekts auf das Unmögliche ist eine Illusion über das Mögliche.
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Lacan bezieht sich hier auf Parmenides, 135b–d, und deutet an, dass man in diesem Dialog die Beziehung zwischen Parmenides und Aristoteles als eine Art Psychoanalyse deuten kann, als Diskurs des Psychoanalytikers.
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Das Verfahren der freien Assoziation ist so alt wie die Psychoanalyse, die Formulierung findet sich zuerst in der Traumdeutung:
„Als ein untrügliches Zeichen der von Zielvorstellungen freien Assoziation (….).“
(S. Freud: Die Traumdeutung (1900). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 2. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 507)
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Lacan gibt hier einen Gedanken von Freud wieder.
„Die Wahl der freien Assoziation als Hilfsmittel zur Erforschung des vergessenen Unbewußten erscheint so befremdend, daß ein Wort zu ihrer Rechtfertigung nicht überflüssig wird. Freud wurde dabei von der Erwartung geleitet, daß sich die sogenannte freie Assoziation in Wirklichkeit als unfrei erweisen werde, indem nach der Unterdrückung aller bewußten Denkabsichten eine Determinierung der Einfälle durch das unbewußte Material zum Vorschein käme.“
(S. Freud: Kurzer Abriss der Psychoanalyse, 1924, GW 13, S. 410 f.; Freud bezieht sich hier auf sich selbst in der dritten Person)
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Mit dem Umfeld sind die sogenannten Vorsokratiker gemeint.
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Eidos: die Idee im Sinne von Platon, die lateinische Übersetzung ist „forma“. Weitere Termini von Platon für die Idee: idéa, morphḗ, parádeigma.
Im Parmenides versucht Sokrates, die Zenon’schen Paradoxien der Vielheit durch die Annahme von Ideen zu lösen (128e–130a). Offenbar begreift Lacan hier Sokrates als Sprecher Platons; die Klaffung im Sagen wären dann die Paradoxien.
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Vermutlich ist gemeint: Parmenides (und damit Platon) deutet die Beziehung zwischen Herr und Knecht als Beziehung zwischen Menschen (133d–134a) und damit ist er nicht solide im Herrendiskurs verankert.
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Die folgenden Bemerkungen zu Herr und Knecht/Sklave beziehen sich auf Platon, Parmenides, 133d6–133e1.
Hegels Reflexionen zu Herr und Knecht findet man in: Phänomenologie des Geistes, IV.A. „Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft“.
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Parmenides sagt zu Sokrates:
„Wenn jemand bei uns Herr oder Knecht von jemandem ist, so ist er doch nicht der Knecht vom Herrn selbst, der Knecht schlechthin ist, sondern als Mensch ist er dieses beides von einem Menschen.“ (133d, Übersetzung Martens)
Lacan bezieht sich mit das, worum es dabei realerweise geht, vermutlich auf den Menschen im Unterschied zum Herrn oder Knecht.
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Platon ist (Lacan zufolge) darin geistig etwas schwach, dass er behauptet, das Wesen des Herrn und das Wesen des Knechts hätten mit ihnen als Herr und Knecht nichts zu tun, ihr Wesen bestehe vielmehr darin, dass sie Menschen sind.
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Die große Vermischung – die Vermischung von Herren und Knechten?
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dass man seinen Bruder verkauft: Anspielung auf die Josefserzählung in der hebräischen Bibel, Josef wurde von seinen Brüdern verkauft (1. Moses 37, 27–8).
von denen gesagt wird, dass sie sich um den Diskurs des Herrn drehen: Vermutlich eine Anspielung auf die marxistische These, dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, d.h. eine Geschichte der Kämpfe zwischen den herrschenden Klassen und den beherrschten Klassen, die also Kämpfe um die Herrschaft sind.
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Die Furcht des Todes, welche die Seiten wechselt – nach dem Seitenwechsel wäre sie auf der Seite des Herrn.
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Platon weist zurück, dass das Wesen des Herrn und das Wesen des Knechts im Herrsein und im Knechtsein besteht, und er weist das im Namen des „Menschen“ zurück. Aber was meinte er damit?
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Unter Teilhabe (Methexis) versteht Platon die Beziehung der Einzeldinge zu den Ideen. Die Teilhabe ist eines der Themen, die im Parmenides verhandelt werden.
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Diskurs des Herrn
In der Formel des Herrendiskurses steht S2 am Platz oben rechts und repräsentiert das Wissen des Knechts. Vgl. Seminar 17, Die Kehrseite der Psychoanalyse, Sitzung vom 11. Februar 1970, Version Miller S. 91.
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Zu den ganzen Zahlen gehören die positiven ganzen Zahlen, die Null und die negativen ganzen Zahlen.
Lacan meint hier vermutlich nicht die ganzen, sondern die natürlichen Zahlen. Die natürlichen Zahlen sind die positiven ganzen Zahlen, mit oder ohne die Null.
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Freges Rekonstrukion der Null und der Eins beruht auf der Unterscheidung von Begriff, Gegenstand und Anzahl: Unter einen Begriff fallen Gegenstände, und diese Gegenstände haben eine bestimmte Anzahl. Fällt unter einen Begriff kein Gegenstand, kommt dem Begriff die Anzahl Null zu, fallen unter ihn vier Gegenstände, kommt dem Begriff die Anzahl Vier zu. Die Venus hat keinen Mond, also kommt dem Begriff Venusmond die Anzahl Null zu.
Null ist für Frege die Anzahl, die dem Begriff „sich selbst ungleich“ zukommt, deshalb, weil unter diesen Begriff nichts fällt (vgl. Grundlagen der Arithmetik, § 74). Eins ist die Anzahl, die dem Begriff „gleich Null“ zukommt.
Vgl. Gottlob Frege: Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch-mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. Koeber, Breslau 1884, im Internet hier.
Worin besteht Lacans Einwand? Will er sagen, dass Freges Übergang von der Null zur Eins, also seine Definition des Nachfolgers, den Begriff der Eins bereits voraussetzt? Wie auch immer; jedenfalls wird er in den folgenden Sitzungen Freges Null-Definition durch die leere Menge ersetzen. Die Beziehung von Null und Eins kann rekonstruiert werden als Beziehung zwischen der leeren Menge und der Menge, deren einziges Element die leere Menge ist:
Ø (leere Menge) - entspricht 0,
{Ø} (leere Menge mit der leeren Menge als einzigem Element) - entspricht 1. -
Mit dem Hinweis auf Aleph, א, wechselt Lacan von von Freges logischer Begründung der natürlichen Zahlen zu Cantors mengentheoretischer Begründung.
Georg Cantor konstruierte ein System der Mathematik, in dem unendliche Mengen unterschiedlich groß sein können, in dem sie unterschiedliche „Mächtigkeit“ (oder „Kardinalität“) haben können. Cantors System wird heute von den meisten Mathematikern akzeptiert.
In Cantors Mengenlehre repräsentiert das Symbol Aleph bzw. א Mengen, die zwei Kriterien genügen: sie sind unendlich (sie haben eine unendliche Anzahl von Elementen) und sie können der Größe nach so geordnet werden, dass es eine kleinste unendliche Menge gibt (sie sind „wohlgeordnet“). Die kleinste unendliche Menge ist die Menge der natürlichen Zahlen, also der Zahlen 0, 1, 2, 3 usw.; sie wird als Aleph-Null bezeichnet, ℵ0. Die nächstgrößere unendliche Menge heißt Aleph-Eins, ℵ1.
Aleph (Symbol ℵ) unterscheidet sich von der Unendlichkeit (Unendlichzeichen ∞) dadurch, dass sich Aleph auf die Größe von Mengen bezieht, während ∞ einen Grenzwert oder einen Grenzpunkt der Folge der reellen Zahlen bezeichnet. Anders gesagt: Das Symbol ℵ bezieht sich auf eine aktuale Unendlichkeit (auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt wirklich existierende Menge, auf eine fertige Gesamtheit), das Symbol ∞ auf eine potenzielle Unendlichkeit (auf die Möglichkeit, zu einer endlichen Menge immer noch weitere Objekte hinzuzufügen). Der mathematische Konstruktivismus bzw. Intuitionismus weist die Annahme aktualer Unendlichkeit zurück.
Die Unterscheidung zwischen Aktual-Unendlichem und und Potentiell-Unendlichem geht auf Aristoteles zurück, der damit die Paradoxien des Unendlichen auflöste (z.B. die Paradoxie von Achilles und der Schildkröte): die Paradoxien ergeben sich nicht, wenn man sich statt auf das Aktual-Unendliche auf das Potentiell-Unendliche bezieht. Cantor versucht also, gegen Artistoteles, zu zeigen, dass man sich paradoxiefrei auf das Aktual-Unendliche beziehen kann. Damit stellt sich das Problem, zu welchen Paradoxien dann wiederum die Mengenlehre führt.
Instruktiv hierzu: A.W. Moore: Eine kurze Geschichte des Unendlichen. In: Spektrum der Wissenschaft, 1.6.1995.
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Vielleicht eine Anspielung auf Platons Satz, dass das Erstaunen der Anfang der Philosophie ist (Theaitetos 155d).
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Langue d’oïl: Gesamtheit der nordfranzösischen Dialekte im Mittelalter.
Hoc est ille: Wird dieser Ausdruck hier vielleicht als lateinische Annäherung an il y a angeführt?
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Wortspiel mit der Lautgleichheit von à la pelle (jede Menge) und à l’appel (auf den Ruf hin).
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Vgl. John Stuart Mill: A System of Logic, Ratiocinative and Inductive. 2 Bände. Parker, London 1843, im Internet hier; dt.: System der deduktiven und induktiven Logik. Übersetzt von J. Schiel (nach der 5., erweiterten Auflage von 1862), im Internet hier.
Frege setzt sich in den Grundlagen der Arithmetik beständig mit Mills Arithmetik-Theorie auseinander (vgl. v.a. §§ 7, 9, 16, 23–25). Bereits in der Einleitung kritisiert er Mill für seine „Pfefferkuchen- oder Kieselsteinarithmetik“ (a.a.O., S. VII).
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Lacan geht es hier um das Verhältnis zwischen der Größe einer Menge und der Anzahl der Untermengen (oder Teilmengen) bestimmter Größe, ein Thema, das ihn in diesem Seminar bereits in der Sitzung vom 19. Januar 1972 beschäftigt hatte (vgl. Version Miller S. 59–61) . Er hatte dort die Beziehung mithilfe des arithmetischen (oder Pascal’schen) Dreiecks dargestellt.
In der Terminologie der Mengenlehre geht es an dieser Stelle darum, wieviele zwei-elementige Teilmengen in einer acht-elementigen Obermenge möglich sind. Eine zwei-elementige Menge (oder Teilmene) heißt auch Paar oder genauer ungeordnetes Paar.
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Gemeint ist: „dass ich die Beziehung eines jeden Elements zur Menge zu den möglichen Zweierkombinationen zähle“.
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Bei einer Menge gibt es zwei Arten des Eins, neben dem Eins der Elemente (jedes Element ist ein Element) gibt es das Eins der Menge (die 8 Elemente bilden eine Menge). Das Eins der Menge wird zu den Elementen gewissermaßen hinzugefügt.
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In der Menge {a, b, c} sind drei Zweier-Kombinationen möglich, können drei zwei-elementige Teilmengen gebildet werden: {{a, b}, c}, {{a, c}, b} und {a, {b, c}}.
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Die leere Menge ist eine Menge, die keine Elemente enthält. Da zwei Mengen gleich sind, wenn sie dieselben Elemente enthalten (Extensionalitätsaxiom), gibt es nur eine einzige leere Menge. Symbole für die leere Menge sind Ø und {}.
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Lacan hat sich bis zu diesem Punkt auf drei Arten des Eins bezogen:
zunächst auf die grundlegende Unterscheidung zwischen dem Eins der Elemente (jedes Element ist ein Element) und dem Eins der Menge (die 8 Elemente bilden eine Menge). Er hatte dann noch eine weitere Eins ins Spiel gebracht, das Eins der leeren Menge (es gibt nur eine leere Menge). -
Wir erneuern die Platon’sche Dialektik des Eins im „Parmenides“.
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Bifidität: Zweigeteiltheit, Aufgespaltensein in zwei Teile. Mit der Bifidität des Eins ist hier die grundlegende Aufspaltung des Eins in das Eins der Elemente und das Eins der Menge gemeint.
Platon weiß das Eins so gut vom Sein zu unterscheiden: Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Sein und dem Eins ist das im zweiten Teil des Parmenides behandelte Thema, und in dieser Frage wird der Unterschied von Sein und Eins vorausgesetzt.
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Im Parmenides wird vorausetzt, dass das Sein Eins ist; geprüft wird, ob das Eins ist oder nicht ist, ob ihm Sein zukommt oder nicht zukommt.
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Lacan wechselt jetzt von Sein zu Existenz, ihm zufolge setzt der Begriff der Existenz historisch den Begriff des Seins voraus, genauer: die Frage nach Sein oder Nicht-Sein.
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Wenn das Eins nicht ist: die zweite Haupt-Hypothese im Parmenides.
In Bezug auf das Eins wird eine Frage gestellt, nämlich ob es ist oder nicht ist. Die Hypothese, dass das Eins nicht ist, führt letztlich dazu, dass das Eins nicht auf das Sein bezogen wird, sondern auf die Existenz – das Eins hat nicht „Sein“, sondern „Existenz“.
Zu beachten ist, dass es den Existenzbegriff in der antiken Philosophie noch nicht gibt, existere (existieren) und esse (sein) wurden mehr oder weniger als Synonyme verwendet (vgl. den Artikel „Existenz, existentia“ in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2, D–F. Hg. v. Joachim Ritter. Schwabe, Basel und Stuttgart 1972, Spalte 854–860).
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Eine partikuläre Aussage ist eine Aussage über einiges, z.B. „Einige Blüten sind gelb“, im Gegensatz zu einer universalen Aussage (oder Allaussage), z.B. „Alle Blüten sind gelb“.
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Wenn ich sage „Einige Blumen sind gelb“ und „Einige Blumen sind rot“, sind sie damit unterschieden; wenn ich sage „Alle Blumen sind gelb“ (oder „Alle Blumen sind rot“), unterscheiden sie sich nicht. Und wenn gilt „Einige Blumen sind gelb und einige Blumen sind nicht gelb“, dann impliziert dies: „Es gibt Blumen, die gelb sind“ (oder „Es existieren Blumen, die gelb sind“). Anders gesagt: Die partikuläre Aussage impliziert in der aristotelischen Logik eine Existenzbehauptung; die Existenzbehauptung ist hier nur implizit. Erst die von Frege und Peirce entwickelte Prädikatenlogik isoliert die Existenzaussage (und damit den Existenzquantor, ∃); sie arbeitet nicht mehr mit der Opposition von partikulären Aussagen und universalen Aussagen, sondern von Existenz-Aussagen und universalen Aussagen (bzw. All-Aussagen).
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Lacan kommt hier auf das Thema der Inexistenz als Null zurück, dass er in der Sitzung vom 19. Januar 1972 entwickelt hatte (vgl. Version Miller S. 52).
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Das Yad’lun (und damit die Existenz) ist auf den Hintergrund von Inexistenz zu beziehen, also auf die leere Menge.
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Schleiermacher, Susemihl und Martens übersetzen to exaiphnēs mit „der Augenblick“, Zekl mit „das ‚Plötzlich‘“.
Über das Eins heißt es im Parmenides:
„Wenn es aber aus der Bewegung zum Stillstand kommt, und wenn es aus dem Stillstand zur Bewegung umschlägt, dann darf es ganz bestimmt in überhaupt keiner Zeit sein. – Wieso denn? – Wenn es vorher stillstand, sich nachher zu bewegen, und wenn es sich vorher bewegte, nachher stillzustehen, diese Veränderung wird es ohne ein Umschlagen nicht erfahren können. – Wie sollte es auch! – Es gibt aber keine Zeit, in der irgendetwas sich zugleich weder bewegen noch stillstehen könnte. – Nein, bestimmt nicht. – Aber umschlagen ohne einen Umschlag wird es doch auch nicht. – Schwerlich. – Wann also schlägt es um? Denn weder solange es stillsteht noch solange es sich bewegt, schlägt es um, noch auch ist es dabei in der Zeit. – Wirklich nicht. – Gibt es denn nun dieses unbegreifliche Etwas, in dem es dann wäre, wenn es umschlägt? – Nun, was ist das dann? – Das „Plötzlich“. Denn das Plötzlich scheint so etwas zu bezeichnen, dass es aus ihm heraus in beides umschlägt; denn solange es noch stillsteht, schlägt es aus dem Stillstand nicht um, und auch aus der Bewegung schlägt es nicht um, solange es sich noch bewegt. Vielmehr hat das Plötzlich, dieses einigermaßen unbegreifliche Ding, mitten zwischen der Bewegung und dem Stillstand seinen Sitz, ist dabei selbst in keiner Zeit, und in es hinein und aus ihm heraus schlägt das Bewegte auf den Stillstand und das Stillstehende auf die Bewegung hin um. – Es sieht so aus. – Auch das Eins also, wenn es doch stillsteht und sich bewegt, wird auf beide hin umschlagen – denn so allein kann es ja beides tun –, schlägt es aber um, so schlägt es plötzlich um, und wenn es umschlägt, wird es in keiner Zeit sein und wird sich dann nicht bewegen, aber auch nicht stillstehen. – Nein, nicht.“
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dieser Punkt - denn das wäre die richtige Übersetzung: Vielleicht eine Anspielung auf die These von Parmenides, dass das Seiende unteilbar ist, und Kojèves Deutung dieser Stelle. Bei Parmenides heißt es:
„Auch geteilt ist es [das Seiende] nicht, da es als ganzes gleichmäßig ist, / und nicht an einer Stelle irgend etwas mehr, was es hindern würde zusammenzuhängen, / noch irgendetwas weniger, sondern im Ganzen voll ist von Seiendem.“
(Parmenides, Fragment 8, 22-25; in: Ders.: Vom Wesen des Seienden. Die Fragmente, griechisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Uvo Hölscher. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969, S. 23)
Kojève deutet diese Passage so, dass das Seiende (das Ein, der Begriff) demnach ein Punkt ist, genauer gesagt: der Punkt. (Vgl. Alexandre Kojève: Essai d’une histoire raisonnée de la philosophie païenne. Vol. 1: Les Présocratiques. Gallimard, Paris 1968, S. 211 f.)
Eines höhreen Alephs – höher als Aleph-Null, höher als die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen.
auf der Ebene des Kontinuums: Das Kontinuum ist die unendliche Menge der reellen Zahlen.
Lacan scheint hier das Plötzlich oder den Augenblick im Übergang von der Mächtigkeit der natürlichen Zahlen zur Mächtigkeit der reellen Zahlen anzusiedeln.
Cantor vermutete, dass, nach der Mächtichkeit der Menge der natürlichen Zahlen, die Mächtigkeit der Menge der reellen Zahlen die nächstgroße unendliche Zahl ist (sog. Kontinuumshypothese). Im Reich der unendlichen Zahlen folgt auf Aleph-Null Aleph-Eins, man kann deshalb auch sagen: Cantor vermutete, dass die Mächtigkeit der rellen Zahlen gleich Aleph-Eins ist.
Die reellen Zahlen umfassen
– die natürlichen Zahlen (1, 2, 3 usw.), Symbol: ℕ,
– die ganzen Zahlen, zu denen auch die negativen ganzen Zahlen gehören (… –3, –2, –1, 0, 1, 2, 3 …), Symbol: ℤ,
– die rationalen Zahlen (Beziehungen zwischen zwei ganzen Zahlen, auch Bruchzahlen genannt), Symbol: ℚ
– die irrationalen Zahlen (nichtperiodische Dezimalzahlen mit unendlich vielen Stellen, z.B. π, also 3,1415926…), Symbol für die irrationale Zahlen: ℝ\ℚ (der Backslash ist als Minuszeichen zu lesen: die irrationalen Zahlen sind die reellen Zahlen ohne die rationalen Zahlen).
Das Symbol für die reellen Zahlen ist ℝ.Diese Zahlenmengen sind ineinander verschachtelt – die natürlichen Zahlen (ℕ) sind eine Teilmenge der ganzen Zahlen (ℤ); die ganzen Zahlen sind eine Teilmenge der rationalen Zahlen (ℚ); die rationalen Zahlen sind eine Teilmenge der reellen Zahlen (ℝ):
Die irrationalen Zahlen (ℝ\ℚ) entsprechen in diesem Diagramm der Menge ℝ abzüglich der Menge ℚ.
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Das Eins scheint also genau hier verloren zu gehen: Das bezieht sich vermutlich auf Aleph-Eins. Die Hypothese, dass das Kontinuum gleich Aleph-Eins ist, hat sich als unentscheidbar herausgestellt, die Axiome der Mengenlehre erlauben keine Entscheidung. Anders gesagt: (Aleph-)Eins entzieht sich (der Mengenlehre).
Das Eins scheint das, worum es bei der Existenz geht, zum Höhepunkt zu führen: Vielleicht ist dies gemeint: Bei der Frage nach Aleph-Eins haben wir es mit der Existenz zu tun, insofern sich die Frage nach Sein oder Nicht-Sein stellt. Die Frage nach dem Sein des Eins, um die es im Parmenides geht, findet ihre Vollendung in der Frage nach dem Sein des Aleph-Eins, in der Unentscheidbarkeit der Kontinuumshypothese. – ?
Auf jeden Fall hat Lacan damit (im Rahmen der an Cantor orientierten Mathematik) eine vierte Form des Eins ins Spiel gebracht, Aleph-Eins, insgesamt also:
Die grundlegende Aufspaltung des Eins in
– das Eins der Elemente einer Menge und
– das Eins der Menge.
Weitere Formen des Eins:
– das Eins der leeren Menge (es gibt nur eine leere Menge),
– Aleph-Eins. -
Das französische Verb exister und das deutsche Verb existieren kommen vom lateinischen Verb existere, das sich zusammensetzt aus ex (aus) und sistere (fortbestehen).
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Ennui: Langeweile, Lustlosigkeit, Überdruss.
Heidegger zufolge offenbart die Langeweile das Sein im Ganzen (vgl. Martin Heidegger: Was ist Metaphysik? (1929) Klostermann, Frankfurt 1969, S.30 f.). Damit gibt es eine Verbindung zwischen Langeweile, Sein und Existenz.