Kampf um „Anerkennung“
Madonna Ciccone macht einen Hofknicks vor Elizabeth Windsor. Von hier.
Lacan bezieht sich häufig auf Hegels Begriff der Anerkennung. Haben die Übersetzer das erkannt? Nicht immer. Hier eine Übersicht mit Änderungsvorschlägen zur Übersetzung des sogenannten Rom-Vortrags und der frühen Seminare.
Das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem anderen wird von Lacan schon früh mit Hegels Begriff der Anerkennung gedeutet. Als Hörer von Alexandre Kojèves Vorlesungen über die Phänomenologie des Geistes hatte er zwischen 1933 und 1939 Hegels Philosophie kennengelernt1; dieser Hegel-Deutung bleibt er verpflichtet.
Auf die Hegelsche bzw. Kojèvesche Dialektik der Anerkennung verweist Lacan bereits im Artikel Die Familie von 1938.2 Im Aufsatz über die logische Zeit von 1945 erkundet er an einem logischen Rätsel den Zusammenhang von wechselseitiger Anerkennung, Zeit und Wahrheit.3 Im Vortrag über die psychische Kausalität von 1946 heißt es:
„Sogar das Begehren des Menschen konstituiert sich, wie er (Hegel) uns sagt, im Zeichen der Vermittlung, es ist Begehren, sein Begehren anerkennen zu machen.“4
„Anerkennung“ heißt reconnaissance, „anerkennen“ reconnaître. Die Übersetzung ist manchmal schwierig, denn reconnaître heißt auch „wiedererkennen“, „erkennen“, „einsehen“, „erkunden“; für das Substantiv reconnaissance gilt das Entsprechende. Einzig der Kontext zeigt, ob „anerkennen“ (bzw. „Anerkennung“) im Sinne von Hegels wechselseitiger Anerkennung gemeint ist, und das lässt sich nicht immer klar entscheiden.
Wenn man reconnaissance mit „Erkenntnis“ übersetzt, besteht das Problem nicht nur darin, dass man damit möglicherweise den Bezug auf Hegels Begriff der Anerkennung tilgt. Lacan arbeitet außerdem mit der Opposition von reconnaissance und connaissance, von „Anerkennung“ (des Begehrens) und „Erkenntnis“ (von Objekten) bzw. von reconnaître und connaître, von „anerkennen“ und „erkennen“. Das Erkennen hat es mit Objekten in einer Welt zu tun, an die sich das Subjekt anzumessen hat, mit der Beziehung von Seienden zu Seienden.5 Die Psychoanalyse hat es mit einem ganz anderem Feld zu tun, dem des Begehrens, d.h. mit dem Verhältnis des Seins zum Mangel.6 Das Begehren wird vom Subjekt nicht erkannt, sondern anerkannt.
Reconnaissance meint bei Lacan manchmal Erkenntnis, manchmal das, was für ihn das Gegenteil von Erkenntnis ist – Anerkennung.
Die Entgegensetzung von anerkennen und erkennen findet man bereits in Die Familie, wo es heißt:
„Er findet entweder das mütterliche Objekt wieder und klammert sich an die Verweigerung des Realen und die Zerstörung des anderen, oder es läßt sich zu einem anderen Objekt führen, das es in der die menschliche Erkenntnis (connaissance) kennzeichnenden Form annimmt: als kommunikables Objekt, weil Konkurrenz ja zugleich Rivalität und Übereinkunft einschließt; dabei anerkennt (reconnaît) es aber gleichzeitig den anderen, mit dem Kampf oder Vertrag es verbinden; kurz: das Subjekt findet zugleich den anderen und das sozialisierte Objekt.“7
Deutlicher wird der Oppositionscharakter der beiden Begriffe in Varianten der klassischen Kur (1955) artikuliert:
„Das Sprechen scheint also umso mehr wahrhaft ein Sprechen zu sein, je weniger seine Wahrheit sich auf das gründet, was man die Adäquation mit der Sache nennt: paradoxerweise steht das wahre Sprechen so im Gegensatz zum wahren Diskurs, wobei ihre Wahrheit sich darin unterscheidet, dass die erste Wahrheit durch die Anerkennung (reconnaissance) konstituiert wird, die die Subjekte in Bezug auf ihr Sein vollziehen, und zwar insofern, als sie hier ‚inter-essiert‘ sind, während die zweite durch die Erkenntnis (connaissance) des Realen konstituiert wird, insofern es vom Subjekt in den Objekten angezielt wird.“8
Wie wird das Übersetzungsproblem in den Texten gelöst, in denen Lacan seine sprachtheoretische Wende vollzieht? Ich habe das für die Aufsätze Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse sowie Die Freud’sche Sache überprüft und außerdem für die ersten fünf Seminare.
In der deutschen Version von Funktion und Feld9 wurden die Anspielungen auf Hegels Begriff der Anerkennung etwa zur Hälfte übersehen.
Zunächst zwei Passagen, in denen der Übersetzer den Hegelbezug (an)erkannt hat. (Die erste Zahl in Klammern verweist auf die Seite in Schriften I, hg. v. N. Haas), die zweite auf die in den Écrits von 1966.)
„Rundheraus gesagt: Es erscheint nirgendwo deutlicher, daß das Begehren des Menschen seinen Sinn im Begehren des anderen findet. Und das nicht so sehr, weil der andere den Schlüssel zum begehrten Objekt besitzt, sondern vielmehr weil sein erstes Objekt darin besteht, vom anderen anerkannt zu werden.“ (108/268)
„Aber dieses Begehren selbst fordert, um im Menschen befriedigt zu werden, Anerkennung im Symbol oder im Imaginären durch eine Übereinstimmung im Sprechen oder durch einen Kampf um Prestige.“(120/279)
Nun meine Änderungsvorschläge zur Übersetzung von reconnaître und reconnaissance. In den folgenden Zitaten habe ich den problematischen Teil der veröffentlichten Übersetzung durchgestrichen; mein Vorschlag erscheint in fetter Schriftstärke.
In Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse heißt es:
„Unkenntnis der Gesetze schützt nicht vor Bestrafung. Übersetzt aus dem Humor des Gesetzbuches drückt diese Formel trotzdem eine Wahrheit aus, auf der unsere Erfahrung beruht und die sie bestätigt. Denn niemand lebt wirklich in Unkenntnis der Gesetze, weil das Gesetz des Menschen das Gesetz der Sprache ist, seit die ersten Wörter des Erkennens Worte der Anerkennung den die ersten rituellen Gaben vorangingen geleitet haben.“ (112/272)
Die wechselseitige Anerkennung ist verbunden mit dem Gabentausch; Lacan kreuzt hier Hegel Philosophie der Anerkennung mit der Soziologie des Gabentauschs von Marcel Mauss und fundiert den Gabentauschs durch den Austausch der Worte in der Form des „vollen Sprechens“ (zum „vollen Sprechen“ vgl. diesen Blogbeitrag).
„Was bei einer Psychoanalyse auf dem Spiel steht, ist, daß im Subjekt das bißchen Realität heraufkommt, über das dieses Begehren verfügt, um symbolische Konflikt und imaginäre Fixierungen in Übereinstimmung zu bringen. Und unser Vorgehen ist die intersubjektive Erfahrung, in der dieses Begehren sich zu erkennen gibt Anerkennung verschafft.“ (120 f./279)
„Es handelt sich bei dem Symbolismus, der in der Analyse zutage gefördert wird, in der Tat um eine Sprache. Diese hat, einem spielerischen Wunsch entsprechen, den man in einem Aphorismus Lichtenbergs finden kann, den universalen Charakter einer Sprache, die sich in allen anderen Sprachen vernehmen läßt. Aber als Sprache, die das Begehren an eben dem Punkt ergreift, wo dieses sich vermenschlicht, indem es sich zu erkennen gibt anerkennen lässt, ist sie zugleich das absolut Besondere des Subjekts.“ (137/293 f.)
„Was ich im Sprechen suche, ist die Antwort des anderen. Was mich als Subjekt konstituiert, ist meine Frage. Um vom anderen erkannt zu werden Um mich vom anderen anerkennen zu lassen, spreche ich das, was war, nur aus im Blick auf das, was sein wird.“ (143/299)
Auch hier ist das „volle Sprechen“ gemeint. Der Austausch der Worte (etwa „Du bist mein Mann“ – „Du bist meine Frau“) bezieht die Vergangenheit auf die Zukunft.
„Um zu wissen, wie man dem Subjekt in der Analyse antworten soll, muß man methodisch zunächst den Ort ausfindig machen, an dem sich sein ego befindet. Es handelt um jenes ego, das Freud selbst als durch einen sprachlichen Kern geformt, definiert hat. Anders gesagt: es geht darum zu erkennen, durch wen und für wen das Subjekt seine Frage stellt. Solange man das nicht erkannt hat, läuft man Gefahr, das Begehren, das es in dieser Frage zu erkennen gilt, das hier anzuerkennen ist und zugleich das Objekt, auf das dieses Begehren sich richtet, widersinnig zu übersetzen.“ (147 f./303)
„‚Da‘, sagte Prajapâti, der Gott des Donners. ‚Habt Ihr mich verstanden?‘ Und die Menschen antworteten: ‚Du hast uns gesagt: Datta, gebet einander.‘ Der heilige Text will sagen, dass die Menschen sich durch die Gabe des Sprechens erkennen anerkennen.“ (169/322)
In La chose freudienne, „Die Freud’sche Sache“, ergibt sich ein ähnliches Bild. Einige Verweise auf die Dialektik der Anerkennung wurden (an)erkannt, andere übersehen.10 Hier meine Änderungsvorschläge:
„Denn in Sachen Psychologie unterliegt die Objektivierung prinzipiell einem Gesetz der Verkennung, wodurch das Subjekt nicht nur als beobachtetes bestimmt wird, sondern auch als Beobachter. Das besagt, dass Sie mit ihm nicht über es sprechen müssen, da es diese Aufgabe bereits hinreichend erfüllt, und wenn es das tut, sind nicht einmal Sie es, mit dem es spricht: wenn Sie zu ihm sprechen müssen, so ist das buchstäblich von etwas anderem, von einer anderen Sache als der, worum es dann geht, wenn es über sich spricht, und welches diejenige Sache ist, die zu Ihnen spricht, eine Sache, die ihm, was immer es sagt, auf immer unzugänglich bliebe, wenn es nicht, als ein Sprechen, das sich an Sie wendet, in Ihnen seine Antwort hervorrufen könnte und wenn Sie, da Sie die Botschaft davon in dieser umgekehrten Form gehört haben, nicht in der Lage wären, ihm dadurch, dass Sie sie ihm zurückgeben, ihm die doppelte Befriedigung zu verschaffen, sie anerkannt zu haben und ihm die Wahrheit darüber erkennbar zu machen und ihn deren Wahrheit anerkennen zu lassen.“(42/419 f., Übersetzung auch an anderen Stellen geändert)
„Nun gut, das alles findet sich für das Ich (moi), abgesehen davon, dass seine Verwendungsweisen in Bezug auf seine Zustände auf den Kopf gestellt erscheinen. Ein Mittel des vom Unbewussten des Subjekts an Sie gerichteten Sprechens, eine Waffe, um seiner Erkenntnis Anerkennung zu widerstehen, führt es die Rede als Zerstückeltes, und als Ganzes dient es dazu, sie nicht zu hören.“ (54/426 f.)
„Das konkrete Feld der Selbsterhaltung hingegen zeigt durch seine Bindungen an die Teilung nicht der Arbeit, sondern von Begehren und Arbeit, die sich bereits seit der ersten Umwandlung manifestierten, durch die in die Nahrung menschliche Bedeutung eingeführt wurde, bis hin zu den entwickeltesten Formen der Produktion von Konsumgütern, dass dieses Feld durch die Dialektik von Herr und Knecht strukturiert ist, worin wir das symbolische Auftauchen des imaginären Kampfs bis zum Tod erkennen können, womit wir vorhin die die wesentliche Struktur des Ichs (moi) definiert haben: Es liegt von daher nichts Erstaunliches darin, dass dieses Feld sich ausschließlich in dieser Struktur widerspiegelt. Anders gesagt, dies erklärt, warum das andere große Begehren der menschlichen Gattung, der Hunger, wie Freud immer vertreten hat, nicht in dem repräsentiert ist, was das Unbewusste bewahrt, damit man es erkennen kann um sich Anerkennung zu verschaffen.“ (65/432 f., Übersetzung auch an anderen Stellen geändert)
In den Seminaren 1 bis 4 haben die Übersetzer den Hegel-Bezug fast durchweg erkannt und reconnaitre bzw. reconnaissance, wenn es um die wechselseitige Anerkennung und die Anerkennung des Begehrens geht, mit „anerkennen“ bzw. „Anerkennung“ übersetzt. In Seminar 2 hätte ich an zwei Stellen anders entschieden:
„Das Wort / das Sprechen / la parole ist zunächst jenes Tauschobjekt, an dem man sich erkennt durch das man sich anerkennt, und weil Sie das Paßwort / le mot de passe gesagt haben, kriegen sie keines auf die Schnauze, usw.“ (Seminar 2, Version Miller/Metzger, S. 64)
Das entspricht einer der Hauptthesen von Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache: die wechselseitige Anerkennung erfolgt dadurch, dass Wörter als Gaben getauscht werden.
Im folgenden Zitat aus Seminar 2 wird der Gegensatz von anerkennen und Erkenntnis unkenntlich gemacht:
„Was dieser Apolog sagen will, ist folgendes – daß in einer Welt von Sprache jeder Mensch einen Appell zu erkennen anzuerkennen (reconnaître) hat, eine Berufung, die ihm offenbart zu werden pflegt. Jemand hat vorhin von Offenbarung oder von Begründung gesprochen, und eben darum geht’s. Wir stehen einer Welt von Sprache gegenüber, von der wir von Zeit zu Zeit den Eindruck haben, daß sie etwas essentiell Neutralisierendes, Unbewusstes hat. Es gibt nicht einen einzigen Philosophen, der nicht mit vollem Recht auf der Tatsache insistiert hätte, daß die Möglichkeit selbst des Irrtums gebunden ist an die Existenz von Sprache. Jedes Subjekt muß nicht einfach Kenntnis nehmen Erkenntnis gewinnen (prendre connaissance) von der Welt, so als ob alles sich abspielte auf der Ebene der Noetisierung, es muß sich darin zurechtfinden. wenn die Psychoanalyse etwas bedeutet, dann dies, daß es bereits verwickelt ist in etwas, das eine Beziehung zur Sprache hat, ohne mit ihr identisch zu sein, und daß es sich darin zurechtfinden muß im universalen Diskurs.“(Seminar 2, Version Miller/Metzger, S. 358)
Der Appell, den der Mensch anzuerkennen hat, ist das Mandat, das ihm durch das „volle Sprechen“ erteilt wird. Der Appell ist beispielsweise „Ich bin dein Schüler“; er ergeht an das Subjekt, wenn es zu einem anderen sagt „Du bist mein Meister“ (vgl. diesen Blogbeitrag).
Bei den folgenden beiden Passagen aus Seminar 5 bin ich mir nicht sicher. Zwar geht es hier nicht um wechselseitige Anerkennung; dennoch nehme ich an, dass „anerkennen“ für reconnaître besser wäre als „erkennen“.
„Das heißt, daß man durch die natürliche Entwicklung der Triebe von Übertragung zu Übertragung durch die Triebphasen hindurch ausgehend von der Form der Brust und vermittels einer gewissen Anzahl weiterer Formen bei dieser phallischen Phantasievorstellung herauskommt, wodurch sich letztlich das Mädchen ihrer Mutter gegenüber in maskuliner Position darstellt. Infolgedessen muß für sie etwas Komplexeres als für den Knaben Wirkung haben, damit sie ihre feminine Position erkennt ?anerkennt. In der Artikulation Freuds wird nicht nur das Erkennen ?Anerkennen der femininen Position im Grunde durch nichts unterstützt, sondern es wird auch von Beginn an als verfehlt unterstellt.“ (Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 326)
Der Zugang zur weiblichen Position erfolgt nicht durch eine Erkenntnis (connaissance) der Beschaffenheit des Genitalorgans, sondern durch einen Akt der Anerkennung: dadurch, dass das Mädchen das Begehren der Mutter mithilfe des Phallus-Signifikanten anerkennt.
„Dazu reicht es nicht aus, uns mit dieser Klitoris zu begnügen, die in sovielen Hinsichten zu wünschen übrig läßt. Es geht darum zu sehen, warum sie da ist in einer bestimmten so zwiespältigen Haltung, daß, auch wenn Freud sie im geschlagenen Kind erkennt, das Subjekt sie nicht als solche erkennt ?anerkennt. Es geht in der Tat um den Phallus, insofern er einen bestimmten Platz in der Ökonomie der Entwicklung des Subjekts einnimmt und er der unabdingbare Träger der subjektiven Konstruktion als Dreh- und Angelpunkt des Kastrationskomplexes und des Penisneids ist. Es bleibt jetzt zu sehen, wie er in der Erfassung des Subjekts durch die signifikante Struktur, von deren wesentlichen Termini ich Ihnen gerade einen in Erinnerung gerufen habe – oder umgekehrt, ins Spiel eintritt.“ (Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 407 f.)
In den nächsten beiden Zitaten aus Seminar 5 geht es bei reconnaître eindeutig um die Anerkennung des eigenen Begehrens durch die Anerkennung des Begehrens des Anderen:
„Dieses andere Begehren, der gewöhnliche Weg, wodurch es sich für das Subjekt einführt, ist als Begehren des Anderen. Das Subjekt erkennt anerkennt ein Begehren jenseits des Anspruchs, ein insofern nicht vom Anspruch verfälschtes Begehren, es stößt darauf, es setzt es im Jenseits des ersten Anderen an, an den es seinen Anspruch richtete, sagen wir, um die Vorstellungen zu festigen, die Mutter.“ (Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 421 f.)
„Genau in dem Maße, wie der Andere vom Signifikanten geprägt ist, kann das Subjekt – das nur dadurch kann, vermittelt durch diesen Anderen – erkennen anerkennen, daß auch es vom Signifikanten geprägt ist, das heißt, daß es stets etwas gibt, das jenseits von dem bleibt, was sich vermittels des Signifikanten, das heißt durch den Anspruch befriedigen kann.“ (Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 430)
Im nächsten und letzten Zitat aus Seminar 5 bezieht Lacan sich auf Freuds Formel „Wo Es war, soll Ich werden“.11 In dieser Wendung geht es, so erläutert Lacan, um das authentische und volle Aufsichnehmen des Subjekts in seinem eigenen Sprechen. Er fährt fort:
„Was besagt – an diesem Horizont des Sprechens, ohne welchen, außer man zieht falsche Bahnen und produziert Mißverständnisse, nichts in der Analyse artikuliert werden könnte, erkennt das Subjekt erkennt das Subjekt an, wo es ist.“ (Seminar 5, Version Miller/Gondek, S. 599)
Das klassische „Erkenne dich selbst“ heißt im Französischen „Connais-toi toi-même“. Für Lacan geht es nicht darum, dass das Subjekt sich erkennt, sondern dass es einen Akt der Anerkennung vollzieht: dass es anerkennt, was es ist, und zwar dadurch, dass es das Begehren des Anderen anerkennt.
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Anmerkungen
- Alexandre Kojève: Introduction à la lecture de Hegel. Leçons sur la Phénomenologie de l’esprit, professées de 1933 à 1939 à l‘École des Hautes-Études. Hg. v. Raymond Queneau. Gallimard, Paris 1947. – Deutsche Teilübersetzung: Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Übersetzt von Iring Fetscher. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975.
- Vgl. Schriften 3, S. 53, 61.
- Die logische Zeit und die Assertion der antizipierten Gewissheit, Schriften III, hg. v. N. Haas, S. 101–121.
- Schriften III, hg. v. N. Haas, S. 159.
- Vgl. Lacan in Seminar 2: „die Erkenntnistheorie bildet das Herz jeder Ausarbeitung der Beziehung des Menschen zu seiner Welt. Das Subjekt hat sich dem Ding anzumessen in der Beziehung des Seins zum Sein – der Beziehung eines subjektiven, dennoch aber realen Seins, eines Seins, das sich seiend weiß, zu einem Sein, das man seiend weiß.“ (Version Miller/Metzger, S. 283)
- Vgl. Lacan in Seminar 2, a.a.O., S. 283.
- Schriften III, hg. v. N. Haas, S. 60 f.; Autres écrits. Le Seuil, Paris 2001, S. 43.
- J. Lacan: Variantes de la cure-type. In: Écrits 1966, S. 351, meine Übersetzung.
Den Gegensatz von Anerkennen und Erkennen findet man auch in den Seminaren, etwa in Seminar 1, Version Miller/Hamacher, S. 321; in Seminar 2, Version Miller/Metzger, S. 79 f. - Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse. Übersetzt von Klaus Laermann. In: Schriften I, hg. v. N. Haas, S. 108. Aufsatz von 1953, der 1956 veröffentlicht wurde.
- Die erste Seitenzahl verweist auf die bei Turia und Kant erschienene Übersetzung: Das Freud’sche Ding oder Der Sinn einer Rückkehr zu Freud in der Psychoanalyse. Turia + Kant, Wien 2. Aufl. 2011, die zweite Seitenzahl auf die Écrits.– Vortrag von 1955, der 1956 publiziert wurde.
- S. Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933). In: Ders.: Studienausgabe, Bd. 1. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000, S. 516.