Der Genuss des Herrn
Kitagawa Utamaro, Liebespaar (Detail). Holzschnitt, um 1800
In einem Artikel über den Begriff jouissance bei Lacan schreibt Dylan Evans:
„Lacan selbst schreibt den Begriff des Genießens Hegel zu, aber eine solche Bemerkung muss durch die Tatsache spezifiziert werden, dass, wenn Lacan sich auf Hegel bezieht, es immer Kojèves Hegel ist, den er im Sinn hat. So ist es also Kojève, und nicht Hegel selbst, der zuerst die Dimension des Genießens in der Dialektik von Herr und Knecht hervorhebt.“1
Irrtum. Der Begriff des Genießens – genauer: des Genusses – findet sich eben dort, wo Lacan es behauptet, in Hegels Phänomenologie des Geistes, bei der Darstellung der Dialektik von Herr und Knecht.
„Dem Herrn dagegen wird durch diese Vermittlung die unmittelbare Beziehung als die reine Negation desselben oder der Genuß; was der Begierde nicht gelang, gelingt ihm, damit fertig zu werden und im Genusse sich zu befriedigen.“2
Hegels Wortgebrauch macht darauf aufmerksam, dass man jouissance statt mit „Genießen“ auch mit „Genuss“ übersetzen kann. „Genuss“ verweist, wie jouissance, auch auf den Orgasmus. „Schluss mit Genuss“, sagt der zwölfjährige Alois zu Josefine Mutzenbacher, wenn er zum Höhepunkt kommt.
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Anmerkung
- Dylan Evans: From Kantian ethics to mystical experience: An exploration of jouissance. In: Dany Nobus (Hg.): Key concepts of Lacanian psychoanalysis. Other Press, New York 1998, S. 1-28, hier: S. 3.– Evans bezieht sich auf Alexandre Kojèves Hegel-Vorlesungen von 1933 bis 1939, die Lacan gehört hat und die 1947 bei Gallimard von Raymond Queneau herausgegeben wurden. Teilweise übersetzt in: Alexandre Kojève: Hegel, eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Übersetzt von Iring Fetscher. Kohlhammer, Stuttgart 1958, ab 1975 bei Suhrkamp, Frankfurt am Main.
- Phänomenologie des Geistes. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1970 (=Werke 3), S. 151).