Jacques Lacan
Bemerkungen über die Hysterie
Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Michael Meyer zum Wischen
Unbekannter Künstler: Herakles am Scheideweg.
Aus: Sebastian Brandt: Das Narrenschiff, 1497
Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Michael Meyer zum Wischen (in Zusammenarbeit mit Béatrice Ludwig, Susanne Müller und Elisabeth Seibold).
Lektorat und Schlussredaktion: Franz Kaltenbeck.
Erste deutsche Übersetzung.1
In Erinnerung an die Zusammenarbeit mit Franz Kaltenbeck.
MMzW
Jacques Lacan
Bemerkungen über2 die Hysterie
Vortrag, gehalten am 26. Februar 1977 in Brüssel
Wo sind die Hysterikerinnen von ehemals geblieben, diese wunderbaren Frauen, die Anna O.s, die Emmy von N.s? Sie spielten nicht nur eine gewisse Rolle, eine besondere soziale Rolle, sondern sie waren es, die die Geburt der Psychoanalyse ermöglichten, als Freud begann, ihnen zuzuhören. Indem er ihnen zuhörte, hat Freud eine völlig neue Art der menschlichen Beziehung eingeführt. Was ersetzt diese hysterischen Symptome von früher? Hat sich die Hysterie nicht in das soziale Feld verschoben? Hätte die Verrücktheit der Psychoanalyse sie nicht ersetzt?
Dass Freud durch das, was die Hysterikerinnen ihm erzählten, affiziert wurde, das erscheint uns jetzt sicher. Das Unbewusste hat seinen Ursprung in dem Umstand, dass die Hysterikerin nicht weiß, was sie sagt, wenn sie sehr wohl durch die Worte, die ihr fehlen, etwas sagt. Das Unbewusste ist ein Sprachsediment.
Das Reale befindet sich am extremen Gegenpol unserer Praxis. Es ist eine Idee, eine Grenzidee dessen, was keinen Sinn hat. Der Sinn ist das, womit wir in unserer Praxis vorgehen: die Deutung. Das Reale ist dieser Fluchtpunkt wie das Objekt der Wissenschaft (und nicht der Kenntnis, die ihrerseits mehr als kritisierbar ist), das Reale ist das Objekt der Wissenschaft.
Unsere Praxis ist ein Schwindel, zumindest von dem Moment aus betrachtet, da wir von diesem Fluchtpunkt ausgehen. Unsere Praxis ist ein Schwindel: bluffen, die Leute aufzucken lassen, sie mit Worten blenden, die Machwerk sind, das ist nichtsdestotrotz das, was man üblicherweise Machwerk nennt – das heißt das, was Joyce mit diesen mehr oder weniger aufgeblähten Worten bezeichnete –, woher uns das ganze Übel kommt. Dennoch ist das, was ich sage, im Zentrum des Problems dessen, was wir mit uns tragen (ich spreche im sozialen Gewebe). Deshalb habe ich eben doch nahegelegt, dass es etwas gibt, was diese Aufgeblasenheit ersetzt, die das hysterische Symptom ist.
Das ist seltsam, ein hysterisches Symptom: Es zieht sich ab dem Moment aus der Affäre, ab dem die Person, die wirklich nicht weiß, was sie sagt, anfängt, Blabla zu reden… (Und das hysterische Männchen? Man findet nicht ein einziges, das kein Weibchen wäre).
Dieses Unbewusste, von dem Freud ganz und gar nichts verstand, sind unbewusste Vorstellungen. Was können wohl unbewusste Vorstellungen sein? Es gibt da einen Widerspruch in den Begriffen: unbewusste Vorstellungen. Ich habe versucht, das zu erklären, es aufzuschüren, um es auf der Ebene des Symbolischen einzuführen. Das hat nichts mit Vorstellungen zu tun, dieses Symbolische, das sind Worte und schlussendlich kann man es so auffassen, dass Worte unbewusst sind. Man erzählt sogar haufenweise nur das: insgesamt sprechen sie absolut ohne zu wissen, was sie sagen. Deshalb hat das Unbewusste keinen Körper, es sei denn aus Worten.
Ich bin in der Verlegenheit, mir bei dieser Gelegenheit eine Rolle zu geben. Aber: ich wage zu sagen: ich habe einen Pflasterstein in das Feld Freuds geworfen, ich bin darauf übrigens nicht stolz. Ich würde sogar darüber hinaus sagen, dass ich nicht stolz bin, in diese Praxis hineingezogen worden zu sein, die ich fortgeführt habe, die ich so weiterverfolgt habe, wie ich es konnte; wovon schließlich nicht sicher ist, ob ich sie bis zum Krepieren aushalte. Aber es ist klar, dass ich der einzige bin, der dem Gewicht beigemessen hat, wovon Freud durch diesen Begriff des Unbewussten angezogen war. All dies bringt bestimmte Konsequenzen mit sich. Dass die Psychoanalyse keine Wissenschaft ist, versteht sich von selbst, sie ist sogar genau das Gegenteil. Das versteht sich von selbst, wenn wir bedenken, dass sich eine Wissenschaft nur mit kleinen Mechaniken entwickelt, die reale Mechaniken sind. Und dennoch ist es notwendig, sie konstruieren zu können.
Darin hat die Wissenschaft wohl eine ganz künstlerische Seite, das ist eine Frucht der menschlichen Industrie; man muss damit umzugehen wissen. Aber dieses Umgehen-Wissen führt auf die Ebene des Machwerks. Das Machwerk ist das, was man üblicherweise das Schöne nennt.
Frage: Das Machwerk, ist das nicht der Kunstgriff? Der Kunstgriff zielt auf das Schöne, aber, was schön ist, das ist die Demonstration3; nehmen wir die Zahl 4 in den nicht beweisbaren Propositionen4. Dazu sagt man: Elegant! Schöne Demonstration!
Was ich in dieser Geometrie, die ich ausbrüte und die ich Geometrie der Säcke und Schnüre nenne, Geometrie der Weberei (die nichts mit der griechischen Geometrie zu tun hat, die nur aus Abstraktionen besteht), zu artikulieren versuche, ist eine Geometrie, die widersteht, eine Geometrie, die im Bereich dessen liegt, was ich „alle Frauen“ nennen könnte, wenn sich die Frauen nicht gerade dadurch charakterisieren würden, „nicht alle“, zu sein. Deshalb ist es den Frauen nicht gelungen, diese Geometrie zu schaffen, an die ich mich hänge. Trotzdem sind sie es, die dazu das Material hatten, die Fäden. Vielleicht würde die Wissenschaft eine andere Wendung nehmen, wenn man aus ihr einen Webrahmen machte, das heißt etwas, das sich in Fäden auflöst.
Letztendlich weiß man nicht, ob dies alles die geringste Fruchtbarkeit haben wird, weil man, wenn man auch sicher ist, dass eine Demonstration schön genannt werden kann, in dem Moment ganz und gar ins Schleudern kommt, wenn es sich nicht um eine Demonstration handelt, sondern um dieses etwas, das sehr, sehr paradox ist, was ich zu benennen versuche, so gut ich kann: Monstration.5
Es ist merkwürdig wahrzunehmen, dass es in diesem Kreuz und Quer der Fäden etwas gibt, das sich vom Realen aufdrängt, wie ein anderer Kern des Realen, und das bewirkt, wenn man daran denkt… damit habe ich sehr wohl Erfahrung… weil man sich nicht vorstellen kann, wie sehr mich diese Geschichten plagen, die ich einmal „Fadenkreise“ nannte… das ist schon etwas6, sie „Fadenkreise“ zu nennen… diese Geschichten mit den „Fadenkreisen“ sind eine wahre Plage für mich, wenn ich ganz alleine bin. Ich bitte Sie, sich daran zu versuchen. Sie werden sehen, wie das nicht repräsentierbar ist7; man kommt sofort ins Schleudern.
Der borromäische Knoten: den kann man sich noch vorstellen, aber dazu braucht man Übung.
Von ihm kann man auch sehr gut Abbildungen erstellen, schwarz auf weiß, Abbildungen, die flächig ausgelegt sind, wo man sich nicht zurechtfindet: man erkennt ihn nicht wieder. Das ist ein borromäischer Knoten, denn, wenn man einen seiner Fäden bricht, werden die beiden anderen frei.
Es ist kein Zufall, wenn ich nun an Arbeit mit diesen Abbildungen8 von Knoten ersticke – die da peinigen mich wirklich. Wenn ich die Praxis fortgeführt habe, wenn ich, wie von einem Geländer geleitet, geführt, dieses Blabla, das die Psychoanalyse ist, fortgeführt habe, ist es trotzdem auffällig, wohin mich das, in Bezug auf Freud, geführt hat (weil es bei Freud keine Spur vom borromäischen Knoten gibt). Dennoch berücksichtige ich sehr genau, dass ich von den Hysterikern geführt wurde, ich hielt mich nicht weniger an die Hysterie, an das, was man noch als hysterisch zu greifen bekommt (leider muss ich „Je“ sagen, denn „Moi“ zu sagen, das Bewusstsein mit dem „Moi“ zu verwechseln, das ist nicht seriös und trotzdem gleitet man leicht vom einem zum anderen).
Es ist dennoch verblüffend zu denken, dass wir das Wort „Charakter“ auch völlig durcheinander verwenden. Was ist ein Charakter und auch eine Charakteranalyse, wie Reich sich ausdrückt?
Das ist trotzdem merkwürdig, dass wir so leicht ausgleiten. Wir interessieren uns gut und gern nur für Symptome, und was uns interessiert, ist zu wissen, wie wir mit Blabla, mit unserem eigenen Blabla, das heißt mit der Verwendung bestimmter Worte, Erfolg haben… Das, was in den Studien über Hysterie auffällt, ist, dass es Freud fast auszukotzen gelingt, und sogar richtig, dass die Lösung mit Worten geschieht und dass der Affekt sich mit den eigenen Worten der Patientin in Luft auflöst.
Es gibt einen Typ, der hat sein ganzes Leben damit verbracht, an die Existenz des Affekts zu erinnern. Die Frage ist, ob nun der Affekt sich mit Worten lüftet oder nicht; etwas weht mit diesen Worten, das den Affekt harmlos macht, das heißt, dass er kein Symptom hervorbringt. Der Affekt bringt kein Symptom mehr hervor, wenn die Hysterikerin begonnen hat, das zu erzählen, worüber sie sich erschreckt hat. Zu sagen: „sie hat sich erschreckt“, hat sein ganzes Gewicht. Wenn es eines reflexiven Begriffes bedarf, dies zu formulieren, dann weil man sich selber Angst macht. Wir befinden uns hier im Kreislauf dessen, was absichtsvoll ist, dessen, was bewusst ist.
Die Lehre? Man versucht, bei den anderen ein „Wissen damit umzugehen“ zu provozieren, was heißt, sich in der Welt zurecht zu finden, die ganz und gar keine Welt der Vorstellungen ist, sondern eine Welt des Schwindels.
Frage: Lacan ist Freudianer, aber Freud ist kein Lacanianer?
Völlig richtig. Freud hatte nicht die geringste Idee von dem, was Lacan für sich als Jargon gefunden hat für dieses Ding, von dem wir die Idee haben… Ich kann von mir in der dritten Person sprechen. Die Idee der unbewussten Vorstellung ist eine total leere Idee. Freud hat tatsächlich neben das Unbewusste getippt. Zuerst ist das eine Abstraktion.
Man kann die Idee der Vorstellung nur nahelegen, wenn man dem Realen sein ganzes konkretes Gewicht nimmt. Die Idee der unbewussten Vorstellung ist eine verrückte Sache; aber so geht Freud sie an. Es gibt davon in seinen Schriften sehr spät Spuren.
Das Unbewusste? Ich schlage vor, ihm einen anderen Körper zu geben, weil es denkbar ist, dass man die Dinge denkt, ohne sie abzuwägen… Worte reichen dabei: die Worte verkörpern; was überhaupt nicht heißen will, dass man versteht, was das ist. Das ist das Unbewusste: man ist von Worten geführt, von denen man nichts versteht. Das beginnt bereits, wenn die Leute unüberlegt drauflos sprechen; es ist ganz klar, dass sie den Worten nicht ihr Gewicht an Sinn geben. Zwischen der Verwendung des Signifikanten und dem Gewicht der Sinngebung, der Art wie ein Signifikant wirkt, liegt eine Welt. Darin besteht unsere Praxis: sich dem zu nähern, wie Worte wirken. Das Wesentliche dessen, was Freud gesagt hat, ist, dass es den größten Bezug zwischen dieser Verwendung von Worten in einer Gattung, die Worte zur Verfügung hat, und der Sexualität, die in dieser Gattung herrscht, gibt. Die Sexualität ist gänzlich in Worte gefasst, darin liegt der entscheidende Schritt, den er gemacht hat. Dies ist wohl wichtiger als zu wissen, was das Unbewusste sagen will oder nicht. Freud hat auf diesen Umstand den Akzent gelegt. All dies ist die Hysterie selbst. Es ist keine üble Verwendung, die Hysterie metaphysisch zu verwenden: die Metaphysik, das ist die Hysterie.
Frage: Schwindel und Proton pseudos.
Schwindel und Proton pseudos ist das Gleiche. Freud sagt das Gleiche wie das, was ich mit einem französischen Namen bezeichne; schließlich konnte er nicht sagen, dass er eine gewisse Zahl von Schwindlern erzog.
Aus ethischer Sicht ist unser Beruf unhaltbar; deshalb bin ich übrigens krank, weil ich ein Über-Ich habe, wie alle.
Wir wissen nicht, wie die anderen Tiere genießen, aber wir wissen, dass das Genießen für uns die Kastration ist. Alle wissen das, weil das ganz klar ist. Nach dem, was wir unbedacht den sexuellen Akt nennen (als wenn es ein Akt wäre!), nach dem sexuellen Akt kriegt man keinen mehr hoch. Man sollte wissen: Ich habe das Wort „die Kastration“ verwendet, als wenn es eindeutig wäre, aber es gibt unbestreitbar mehrere Formen von Kastration. Alle Kastrationen sind nicht automorph. Der Automorphismus, im Gegensatz zu dem, was man glauben kann – morphe, forma –, ist ganz und gar keine Frage der Form, wie ich es in meinem Seminarjargon bemerkte. Die Form und die Struktur sind nicht das Gleiche. Ich habe davon feine Vorstellungen zu geben versucht, aber das waren keine Vorstellungen, sondern Darstellungen9. Wenn man einen Torus umdreht, ergibt das etwas völlig Verschiedenes im Hinblick auf die Form. Man muss zwischen Form und Struktur unterscheiden.
Frage: Mit was verträgt sich der Schwindel gut? Mit der Form? Mit der Struktur?
Ich verfolge diesen Begriff der Struktur allein in der Hoffnung, dem Schwindel zu entgehen. Ich spinne diesen Begriff der Struktur ein, der dennoch einen Körper größter Offensichtlichkeit in der Mathematik hat, in der Hoffnung, das Reale zu erreichen. Man stellt die Struktur auf die Seite der Gestalt und der Psychologie, das ist sicher.
Wenn man sagt, dass es ein Unbewusstes gibt, dann ist die Psychologie eine Belanglosigkeit und die Gestalt ist dieses Etwas, von dem wir das Modell haben. Die Gestalt, das ist offensichtlich die Luftblase, und das der Luftblase Eigene ist, sich in nichts aufzulösen. Weil jeder von uns wie eine Luftblase gebaut ist, können wir den Verdacht hegen, dass es etwas anderes als die Luftblase gibt.
Es geht darum zu wissen, ob Freud ein historisches Ereignis darstellt oder nicht. Freud ist kein historisches Ereignis. Ich glaube, dass er sein Ziel verfehlt hat. Ganz wie ich. In ganz kurzer Zeit wird sich kein Mensch mehr um die Psychoanalyse scheren. Es hat sich da etwas gezeigt: Es ist klar, dass der Mensch damit seine Zeit verbringt, zu träumen, dass er niemals aufwacht. Auch wenn wir, wir anderen Psychoanalytiker, sehen können, was uns die Patienten liefern (wir sind ja genauso Patienten wie sie bei dieser Gelegenheit): sie liefern uns nichts als ihre Träume.
Frage: bezüglich der Schwierigkeit, die Kategorie des Realen weiterzugeben
Es ist sehr wahr, dass es nicht einfach ist, davon zu sprechen. Da hat mein Diskurs begonnen. Das ist ein sehr üblicher Begriff, der die völlige Entleerung von Sinn beinhaltet und zwar von uns als Deutende.
Frage: zur Kastration
Die Kastration ist nicht einheitlich, die Verwendung des bestimmten Artikels ist nicht vernünftig oder man muss ihn immer im Plural verwenden: es gibt immer Kastrationen.
Um den bestimmten Artikel anzuwenden, wäre es notwendig, dass es sich nicht um eine automorphe, sondern um eine autostrukturierte Funktion handeln würde, womit ich das bezeichnen will, was die gleiche Struktur hat. „Auto“ heißt nichts anders als selbst strukturiert, gleichartig gemacht, gleichartig verknotet (dafür gibt es haufenweise Beispiele in der Topologie). Die Verwendung von „der“, „die“ [Sg.], „die“ [Pl.] ist immer verdächtig, weil es Dinge gibt, die von der Struktur völlig unterschiedlich sind und die man nicht mit dem bestimmten Artikel bezeichnen kann, weil man nicht durchblickt hat, wie es gemacht ist.
Deshalb habe ich den Begriff des Objekts a ersponnen. Das Objekt a ist nicht automorph: das Subjekt lässt sich nicht immer vom gleichen Objekt durchdringen; von Zeit zu Zeit kommt es vor, dass es sich täuscht. Das ist es, was der Begriff vom Objekt a sagen will: er will sagen, dass man sich hinsichtlich des Objekts a täuscht. Man täuscht sich immer auf seine Kosten. Was hätte man davon, sich zu täuschen, wenn es nicht misslich wäre. Deshalb hat man den Begriff des Phallus konstruiert. Der Phallus will nur ein privilegiertes Objekt bezeichnen, dessen man sich nicht täuscht. Man kann nur „die Kastration“ sagen, wenn es Strukturidentität gibt, obwohl es 36 verschiedene, nicht automorphe Strukturen gibt. Liegt da das, was man das Genießen des Anderen nennt, eine Begegnung mit der Strukturidentität? Was ich sagen will, ist, dass das Genießen des Anderen nicht existiert, weil man es nicht mit „das“ bestimmen kann. Das Genießen des Anderen ist verschieden, nicht automorph.
Frage: Warum Knoten?
Meine Knoten dienen mir als das, was ich am nächsten der Kategorie der Struktur gefunden habe. Ich habe mir etwas Mühe gegeben, dahin zu gelangen, das auszusieben, was sich dem Realen annähern kann.
Die Anatomie beim Tier oder der Pflanze – das ist immer die gleiche Chose – besteht aus dreifachen Punkten, das sind Dinge, die sich teilen, das ist das Y, welches ein Upsilon ist. Das diente seit jeher dazu, Formen zu tragen, das heißt: irgendetwas, das Sinn hat. Es gibt etwas, von dem man ausgeht und was sich teilt: rechts das Gute, links das Böse. Was gab es vor der Unterscheidung Gut/Böse, vor der Teilung zwischen dem Wahren und dem Schwindel? Es gab bereits etwas, bevor Herkules am Scheideweg zwischen dem Guten und dem Bösen schwankte, er folgte bereits einem Weg. Was passiert, wenn man die Richtung ändert, wenn man das Ding anders ausrichtet? Ausgehend vom Guten hat man eine Zweiteilung zwischen dem Bösen und dem Neutralen. Ein dreifacher Punkt, das ist real, selbst wenn er abstrakt ist. Was ist die Neutralität des Analytikers, wenn nicht gerade das: diese Subversion des Sinns, das heißt diese Art von Sog nicht zum Realen hin, sondern vermittels des Realen.
Frage: zur Psychose, die dem Schwindel entginge…
Die Psychose, das ist schade… schade für den Psychotiker, denn schließlich ist es nicht das, was man an Normalstem erhoffen kann. Und dennoch weiß man um die Bemühungen der Psychoanalytiker, ihnen zu ähneln. Schon Freud sprach von geglückter Paranoia.
… More geometrico… auf Grund der Form präsentiert sich das Individuum, wie es gemacht ist, als Körper. Ein Körper reproduziert sich durch eine Form. Dem sprechenden Körper kann es nur vermittels eines Flops gelingen, sich zu reproduzieren, das heißt dank eines Missverständnisses seines Genießens.
Das was unsere Praxis offenbart, uns offenbart, ist, dass das Wissen, unbewusstes Wissen, einen Bezug zur Liebe hat.
… Struktur… Wenn man der Struktur folgt, überzeugt man sich von der Wirkung der Sprache. Der Affekt ist aus der Wirkung der Struktur gemacht, aus dem, was irgendwo gesagt wird.
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Anmerkungen
- Lacans mündliche Bemerkungen wurden transkribiert von J. Cornet und I. Gilson.
Veröffentlicht in: Quarto, 1981, Heft 2. Eine Abschrift dieser Publikation findet man in der Sammlung Pas-tout Lacan der École Lacanienne de psychanalyse hier.
Die Übersetzung des Textes wurde in einem Cartel der Kölner Akademie für Psychoanalyse Jacques Lacan zu „Die Namen des Vaters“ diskutiert. Diese Arbeit ist in die Bemerkungen zum Text eingeflossen. - Das „sur“ kann man auch so lesen, dass die „Propos“ des Psychoanalytikers auf der Hysterie beruhen, sich „auf“ sie stützen. Damit könnte der Text Lacans einer doppelten Bewegung und Geste entsprechen: einer Rückkehr zur Hysterie als Rückkehr zum Paradigma Freuds; damit verbunden ist jedoch eine Kritik des Freudschen Unbewussten als Ort unbewusster Vorstellungen. Die Hysterie wird auf dem Boden der borromäischen Klinik situiert.
- Demonstration im Sinne von Beweis, Beweisführung.
- Proposition im logischen Sinne als „Aussage“.
- Das Wort „Monstration“ kann schwer ins Deutsche übertragen werden, bezieht sich aber – im Unterschied zur Demonstration – auf das „montrer“, das Zeigen. Dieses hat einen direkteren Bezug zum Realen; während die „Demonstration“ im Sinne der Beweisführung eher zum Symbolischen gehört. Dass Lacan die „Monstration“ der „Demonstration“ entgegenstellt, ist wohl im Kontext seiner Kritik der Freudschen Repräsentationstheorie einzuordnen.
- Es müsste eigentlich wörtlich heißen: „das ist nicht nichts“; was eine andere Formulierung ist. Im Deutschen jedoch zieht man sprachlich die Positivierung vor, bei der jedoch das Nichts/das Rien verloren geht.
- Beachte Fußnote 5. Lacan geht es um das nicht repräsentierbare Reale.
- Französisch: „représentations“!
- Französisch: „monstrations“